Manuskript zur Theoretischen Physik IIIa

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Manuskript zur Theoretischen Physik IIIa
Priv. Doz. Dr. Andreas Wacker
Institut für Theoretische Physik
Technische Universität Berlin
Sommersemester 2002
Literaturverzeichnis
F. Schwabl, Quantenmechanik I (Springer, Berlin, 1998).
A. Messiah, Quantenmechanik I+II (de Gruyter, Berlin, 1991).
U. Scherz, Quantenmechanik (Teubner, Stuttgart, 1999).
W. Nolting, Grundkurs Theoretische Physik, Band 5, Quantenmechanik Teil 1+2 (Springer,
Berlin, 2001a).
O. Hittmair, Lehrbuch der Quantentheorie (Verlag Karl Thiemig, München, 1972).
L. Schiff, Quantum Mechanics (Mc Graw-Hill, 1968).
E. Fick, Einführung in die Grundlagen der Quantentheorie (Akademische Verlagsgesellschaft,
Mannheim, 1972).
F. Reif, Statistische Physik und Theorie der Wärme (de Gruyter, Berlin, 1987).
C. Kittel and H. Krömer, Physik der Wärme (Oldenbourg, 1993).
R. Becker, Theorie der Wärme (Springer, Berlin, 1985).
W. Brenig, Statistische Theorie der Wärme (Springer, Berlin, 1992).
W. Nolting, Grundkurs Theoretische Physik, Band 6 Statistische Physik (Springer, Berlin,
2001b).
G. Adam and O. Hittmair, Wärmetheorie (Vieweg, Braunschweig, 1985).
I. N. Bronstein and K. A. Semendjajew, Taschenbuch der Mathematik (Verlag Harry Deutsch,
Thun und Frankfurt/Main, 1981), 20th ed.
M. Abramowitz and I. A. Stegun, Handbook of Mathematical Functions (National Bureau of
Standards, Washington, D.C., 1966).
1
Teil I
Fortsetzung der Quantenmechanik
2
Kapitel 1
Drehimpulse in der Quantenmechanik
1.1
Bahndrehimpuls und Drehung im Ortsraum
Betrachte das Verhalten einer beliebigen Funktion f (r) in Ortsraum (z.B. Potential, Wellenfunktion, etc.) bei einer Drehung D.
Drehung der Funktion f (r) → f˜(r)
Drehung des Ortsraumes D(r) = r̃
Nun gilt: f˜(r̃) = f (r) ⇒ f˜(r) = f (D −1 (r))
φ k Drehachse: D(r) = r + δφ
φ × r gilt:
Speziell bei Drehung um infinitesimalen Winkel δφ
φ × r) ≈ Ψ(r) − (δφ
φ × r) · ∇Ψ(r)
Ψ̃(r) =Ψ(r − δφ
µ
¶
µ
¶
i
~
i
φ · r × ∇ Ψ(r) = 1 − δφ
φ · L̂ Ψ(r)
=Ψ(r) − δφ
~
i
~
mit dem Operator des Bahndrehimpuls L̂ = r̂ × p̂
Der Operator des Bahndrehimpulses erzeugt infinitesimale Rotationen im Ortsraum.
Es gelten die Kommutator-Relationen mit L̂2 = L̂2x + L̂2y + L̂2z :
X
[L̂2 , L̂j ] = 0 und [L̂j , L̂k ] = i~
²jkl L̂l
l
Interpretation der Kommutator-Relation: Betrachte hintereinander ausgeführte infinitesimale
Drehungen um die x und y Achse:
µ
¶µ
¶
i
i
Dx Dy = 1 − δφx L̂x
1 − δφy L̂y
~
~
i
i
1
=1 − δφx L̂x − δφy L̂y − 2 δφx δφy L̂x L̂y
~
~
~
´
³
i
1
=Dy Dx − 2 δφx δφy L̂x L̂y − L̂y L̂x = Dy Dx − δφx δφy L̂z
~
µ ~
¶
i
≈Dy Dx 1 − δφx δφy L̂z
~
3
4
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
Der nichtverschwindende Kommutator zwischen L̂x und L̂y entspricht der Tatsache, dass die
Drehungen um die x und y Achse nicht vertauschbar sind.
1.2
Verallgemeinerte Drehimpulse
Definiere allgemeine selbstadjungierte Drehoperatoren Jˆx , Jˆy , Jˆz über die Eigenschaft:
X
[Ĵ2 , Jˆj ] = 0 und [Jˆj , Jˆk ] = i~
²jkl Jˆl
(1.1)
l
Dann gibt es eine Basis des zugehörigen Hilbertraumes aus gemeinsamen Eigenzuständen von
Ĵ2 und Jˆz . Sei |Ψi ein solcher normierter Zustand. Im Folgenden sollen spezielle Eigenschaften
der Eigenwerte bestimmt werden.
1. Die Eigenwerte von Ĵ2 sind größer gleich 0.
Beweis: Sei Ĵ2 |Ψi = α|Ψi. Dann gilt
α = hΨ|Ĵ2 |Ψi = hΨx |Ψx i + hΨy |Ψy i + hΨz |Ψz i ≥ 0
wobei |Ψi i := Jˆi |Ψi und somit hΨi | = hΨ|Jˆi , da Jˆi selbstadjungiert ist. ¤
Deswegen setzen wir im Folgenden o.B.d.A.
Ĵ2 |Ψi = j(j + 1)~2 |Ψi und Jˆz |Ψi = m~|Ψi
wobei zunächst j ∈ R+ und m ∈ R zugelassen wird. Wir definieren die Schiebeoperatoren
³ ´†
Jˆ± = Jˆx ± iJˆy . Dabei gilt Jˆ± = Jˆ∓
2. Betrachte |Ψ+ i = Jˆ+ |Ψi. Es gilt
hΨ+ |Ψ+ i = hΨ|Jˆ− Jˆ+ |Ψi = hΨ|Jˆx2 + Jˆy2 + i[Jˆx , Jˆy ]|Ψi = hΨ|Ĵ2 − Jˆz2 − ~Jˆz |Ψi
= [j(j + 1) − m2 − m]~2
Daraus folgt
(a) |Ψ+ i = 0 ⇔ m = j
oder m = −j − 1
(b) Für m > j oder m < −j − 1 wäre hΨ+ |Ψ+ i < 0. Deshalb muss −j − 1 ≤ m ≤ j
gelten.
(c) |Ψ+ i ist ebenfalls ein Eigenzustand von Ĵ2 und Jˆz mit den Eigenwerten j(j + 1)~2
und (m + 1)~.
Beweis:
Ĵ2 |Ψ+ i = Ĵ2 Jˆ+ |Ψi = Jˆ+ Ĵ2 |Ψi = Jˆ+ j(j + 1)~2 |Ψi = j(j + 1)~2 |Ψ+ i
³
´
Jˆz |Ψ+ i = Jˆz (Jˆx + iJˆy )|Ψi = (Jˆx + iJˆy )Jˆz |Ψi + [Jˆz , Jˆx ] + i[Jˆz , Jˆy )] |Ψi
´
³
ˆ
ˆ
ˆ
ˆ
¤
= (Jx + iJy )m~|Ψi + ~ iJy + Jx Ψi = (m + 1)~|Ψ+ i
5
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
Wir schreiben nun |Ψi = |a, j, mi, wobei a für weitere Quantenzahlen steht, da es mehrere
Zustände mit gleichem j, m geben kann. Dann setzen wir wegen (a) und (c) für m 6= j
1
|a, j, m + 1i = p
Jˆ+ |a, j, mi
~ j(j + 1) − m(m + 1)
(1.2)
Durch wiederholtes Anwenden von Jˆ+ erhält man so eine Folge von Zuständen |a, j, mi,
|a, j, m+1i, |a, j, m+2i, . . .. Die Folge bricht ab, wenn m+i+ = j gilt, da dann Jˆ+ |a, j, m+
i+ i = 0. Andernfalls steht |a, j, m + ii für i > j − m im Widerspruch zu (b).
Damit folgt, dass m = j − i+ mit i+ ∈ N0 gilt.
3. Betrachte |Ψ− i = Jˆ− |Ψi. Es gilt entsprechend
hΨ− |Ψ− i = ~2 [j(j + 1) − m2 + m]
Daraus folgt
(a) |Ψ− i = 0 ⇔ m = −j
oder m = j + 1
(b) Für m < −j oder m > j + 1 wäre hΨ− |Ψ− i < 0. Deshalb muss −j ≤ m ≤ j + 1
gelten
(c) |Ψ− i ist ebenfalls ein Eigenzustand von Ĵ2 und Jˆz mit den Eigenwerten j(j + 1)~2
und (m − 1)~.
Wir setzen für m 6= −j
1
|a, j, m − 1i = p
Jˆ− |a, j, mi
~ j(j + 1) − m(m − 1)
(1.3)
Durch wiederholtes Anwenden von Jˆ− erhält man so eine Folge von Zuständen |a, j, mi,
|a, j, m − 1i, |a, j, m − 2i, . . .. Die Folge bricht ab, wenn m − i− = −j gilt, da dann
Jˆ− |a, j, m − i− i = 0. Andernfalls steht |a, j, m − ii für i > −j + m im Widerspruch zu (b).
Damit folgt, dass m = −j + i− mit i− ∈ N0 gilt.
Zusammenfassung aus 2 und 3:
Für jedem gemeinsamen Eigenzustand |Ψi von Ĵ2 und Jˆz mit Eigenwerten j(j + 1)~2 und m~
gilt:
• Es gibt i+ , i− ∈ N0 mit m + i+ = j und m − i− = −j. ⇒
2j = i+ + i− ∈ N0
• Durch wiederholtes Anwenden von Jˆ+ und Jˆ− kann man eine Serie von Zuständen |a, j, m0 i
mit m0 = −j, −j + 1, . . . j erhalten, die alle Eigenzustände von Ĵ2 und Jˆz sind.
Die Eigenzustände von Ĵ2 können nur die Eigenwerte j(j + 1)~2 mit j = 0, 12 , 1, 23 , 2, 52 , . . .
haben. Diese bilden Multipletts aus 2j + 1 Zuständen |a, j, mi mit m = −j, −j + 1, . . . j, die
Eigenzustände von Jˆz mit dem Eigenwert m~ sind. Dabei gilt:
Ĵ2 |a, j, mi = j(j + 1)~2 |a, j, mi und Jˆz |a, j, mi = m~|a, j, mi
(1.4)
6
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
1.3
Rotationssymmetrische Systeme
Der Hamilton-Operator Ĥ ist rotationssymmetrisch, wenn er durch jede verallgemeinerte Rotation des allgemeinen Hilbertraumes (also insbesondere die infinitesimalen, die von Jˆi erzeugt
werden) in sich selbst überführt wird. Dann gilt [Ĥ, Jˆi ] = 0 für alle i = x, y, z und somit auch
[Ĥ, Ĵ2 ] = 0. Dann folgt, dass Ĥ, Ĵ2 und Jˆz ein System gemeinsamer Eigenzustände |Ψi mit
Eigenwerten E, j(j + 1)~2 und m~ hat.
Dabei gilt Ĥ|Ψ± i = Ĥ Jˆ± |Ψi = Jˆ± Ĥ|Ψi = Jˆ± E|Ψi = E|Ψ± i. Durch wiederholte Ausführung
folgt somit:
In rotationssymmetrischen Systemen haben alle Zustände eines Multipletts |a, j, mi mit m =
−j, −j + 1, . . . j dieselbe Energie. Daraus folgt eine (2j + 1)-fache Entartung.
1.4
1.4.1
Drehimpuls im Ortsraum
Der Bahndrehimpuls
Im Hilbertraum der komplexen Funktionen im R3 lautet der Operator des Bahndrehimpulses
L̂z = (r̂ × p̂)z in Kugelkoordinaten r, θ, ϕ:
L̂z =
~ ∂
i ∂ϕ
Eigenwertgleichung
L̂z Ψ(r, θ, ϕ) = m~Ψ(r, θ, ϕ)
⇒ Ψ(r, θ, ϕ) ∝ eimϕ
Da Ψ(r, θ, ϕ + 2π) = Ψ(r, θ, ϕ) gelten muss, erhält man folglich nur m ∈ Z. Demnach kommen
als Eigenwerte von L̂2 nur l(l + 1)~2 mit l ∈ N0 in Frage, wobei man bei dem Bahndrehimpuls
gewöhnlich j durch l ersetzt.
Die gemeinsamen Eigenfunktionen von L̂2 und L̂z sind die Kugelflächenfunktionen Ylm (θ, ϕ)
mit den Eigenschaften:
L̂2 Ylm (θ, ϕ) =l(l + 1)~2 Ylm (θ, ϕ)
m
m
L̂z Yl (θ, ϕ) =m~Yl (θ, ϕ)
für l = 0, 1, 2, . . .
für m = −l, −l + 1, . . . l
Zum Nachschlagen:
Das Quadrat des Bahndrehimpuls-Operators lautet in Kugelkoordinaten
·
µ
¶
¸
1 ∂
∂
1 ∂2
2
2
L̂ = −~
sin θ
+
sin θ ∂θ
∂θ
sin2 θ ∂ϕ2
Die Kugelflächenfunktionen Ylm (θ, ϕ) erfüllen die Orthonormierung
Z 1
Z 2π
h 0
i∗
d cos θ
dϕ Ylm
Ylm (θ, ϕ) = δl0 ,l δm0 ,m
0 (θ, ϕ)
−1
0
7
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
und lauten:
Ylm (θ, ϕ) = (−1)(m+|m|)/2
s
2l + 1 (l − |m|)! |m|
P (cos θ)eimϕ
4π (l + |m|)! l
wobei Plm (x) die Legendreschen Polynome sind, die über
1 dl 2
(x − 1)l
2l l! dxl
m
m
2 m/2 d
Pl (x) = (1 − x )
Pl0 (x)
m
dx
Pl0 (x) =
definiert sind.
1
Insbesondere gilt:
r
1
Y00 (θ, ϕ) =
4π
r
Y11 (θ, ϕ) = −
für l = 0, 1, 2, . . .
für m = 0, 1, 2, . . . l
3
cos θ
4π
r
3
−1
Y1 (θ, ϕ) =
sin θ e−iϕ
8π
Y10 (θ, ϕ) =
3
sin θ eiϕ
8π
r
Ferner ist Ylm (π − θ, ϕ + π) = (−1)l Ylm (θ, ϕ), d.h. bei einer Spiegelung am Ursprung r → −r
bleiben die Kugelfunktionen bis auf den Faktor (−1)l erhalten.
1.4.2
Das Wasserstoffatom (Wiederholung Einführung II)
Der Hamiltonoperator des H-Atoms lautet
Ĥ =
p̂2
e2
−
2me 4πε0 |r̂|
in Orstdarstellung
=
−
~2 1 ∂ 2
L̂2
e2
r
+
−
2me r ∂r2
2me r2 4πε0 r
(1.5)
Ĥ kommutiert mit allen Komponenten von L̂. Deswegen gibt es eine Basis aus Eigenfunktionen
von Ĥ, die gleichzeitig Eigenfunktionen von L̂2 und L̂z sind. Diese lassen sich schreiben als:
1
Ψn,l,m = unl (r)Ylm (θ, ϕ)
r
für n = 1, 2, . . .
und l = 0, 1, . . . n − 1
Die Energie-Eigenwerte lauten
En,l = −
1
~2 1
≈
−13.6eV
2
2me aB n2
n2
(1.6)
Hierbei ist aB = 4π²0 ~2 /(me e2 ) ≈ 0.529Å der
p Bohrsche Radius, der der Ausdehnung der
−r/aB
Grundzustandswellenfunktion Ψ1,0,0 = e
/ πa3B entspricht.
Die Energie-EigenwerteP
hängen für den speziellen Fall des 1/r Potentials nicht von l ab. Dan−1
2
durch ergibt sich eine
l=0 (2l + 1) = n -fache Entartung der Zustände. (Der Spin liefert
einen zusätzlichen Faktor 2.) Dagegen zeigen allgemeine zentralsymmetrische Potentiale eine
l-Abhängigkeit der Energie.
1
Wie Bronstein, beachte Vorzeichen (−1)m gegenüber Abramowitz
8
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
Zum Nachschlagen:
Die Radialfunktionen erfüllen die Orthonormierung:
Z ∞
drun0 l (r)unl (r) = δn0 n
0
und lauten
unl (r) =
r
2
naB
s
(n − l − 1)!
2n[(n + l)!]3
µ
2r
naB
¶l+1
L2l+1
n+l
µ
2r
naB
¶
µ
r
exp −
naB
¶
mit den Laguerre-Polynomen:
L0k (x) = ex
Insbesondere gilt:
dk ¡ k −x ¢
x e
dxk
u10
u20
u21
1.4.3
und Lµk (x) = (−1)µ
dµ 0
L (x)
dxµ k
¶
µ
2r
r
= p 3 exp −
aB
aB
¶
µ
¶
µ
r
r
r
=p 3 1 −
exp −
2aB
2aB
2aB
µ
¶
r
r
r
=p 3
exp −
2aB
6aB 2aB
Zeemann-Effekt
Betrachte ein Teilchen der Ladung q und Masse m im elektromagnetischen Feld mit den Potentialen A(r, t) und φ(r, t). Ersetzt man in der klassischen Hamiltonfunktion die Orte und
kanonischen Impulse durch die entsprechenden Operatoren, so erhält man den
Hamiltonoperator eines Teilchen
(p̂ − qA(r̂, t))2
Ĥ =
+ qφ(r̂, t)
im elektromagnetischen Feld
2m
Betrachte ein zeitlich konstantes und homogenes Magnetfeld in Coulomb-Eichung, d.h. A(r, t) =
1
B × r zusammen mit zeitlich konstantem elektrischen Potential φ(r̂)
2


Ĥ =
1  2
p̂ −
2m
+
qB·(r̂×p̂)(Eigenschaft des Spatproduktes)
2
=
q(B × r̂) · p̂
{z
}
|
p̂
+ qφ(r̂) −
|2m {z
}
Ĥ0 ohne B-Feld
q
L̂ · B
|2m{z }
≡Dipol−W echselwirkung
+
q2

(B × r)2  + qφ(r̂)
4
q2
(B × r)2
8m
|
{z
}
Vernachlässigbar für kleine B
Im schwachen Magnetfeld verhält sich folglich das Teilchen wie ein Dipol mit magnetischem
q
Moment 2m
L̂.
9
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
Betrachte nun Elektronen mit q = −e und Masse me . Sei nun Ĥ0 rotationssymmetrisch (z.B.
H-Atom) und o.B.d.A. B = Bez . Satz von Eigenzuständen Ĥ0 |n, l, mi = Enl |n, l, mi. Dann ist
die Energie im Magnetfeld für kleine B:
Ĥ|n, l, mi = Enl + µB Bm|n, l, mi mit dem Bohrschen Magneton µB =
eV
e~
= 5.8 × 10−5
2me
T
Die Multipletts des Drehimpulses l spalten also in 2l + 1 Niveaus auf, Dies nennt man den
normalen Zeemann Effekt (Beobachtung von P. Zeemann (1896): Spektrallinien spalten im
Magnetfeld auf).
1.5
Der Spin des Elektrons
Experimentell beobachtet man auch geradzahlige Aufspaltungen der Energieniveaus im Magnetfeld (z.B. anomaler Zeemann Effekt, Stern-Gerlach Effekt). Dies deutet auf Multipletts mit
halbzahligem j hin, die ja für allgemeine Drehimpulse möglich sind (1.4). Wie wir im vorherigen Abschnitt gesehen haben, ist dies bei dem Bahndrehimpuls im Hilbertraum der komplexen
Funktionen im Ortsraum nicht möglich. Um halbzahlige Drehimpulse zu ermöglichen, muss also
der Hilbertraum erweitert werden.
Goudsmith und Uhlenbeck (1925) postulierten, dass das Elektron einen intrinsischen Drehimpuls (Spin) mit j = 1/2 hat. (Damit lassen sich die experimentellen Spektren beschreiben.)
Dies entspricht einem Multiplett zweier Zustände mit mj = ±1/2, die wir |+i und |−i nennen.
Nun definieren wir den Spinraum eines Elektrons als einen abstrakten Vektorraum über C der
als Basis die Zustände |+i und |−i hat. In dieser Basis lässt sich ein allgemeiner Zustand als
zweikomponentige Spalte (Spinor) schreiben:
¶
µ
a+
(1.7)
|ai = a+ |+i + a− |−i →
a−
Seien Ŝx , Ŝy , Ŝz die Drehimpulsoperatoren im Spinraum. Dann folgt aus den Eigenschaften
allgemeiner Drehimpulsoperatoren (1.2,1.3,1.4)
1
Ŝz |+i = ~|+i
2
Ŝ+ |+i =0
Ŝ− |+i =~|−i
1
Ŝz |−i = − ~|−i
2
Ŝ+ |−i =~|+i
Ŝ− |−i =0
Damit werden den Operatoren in der Basis |+i und |−i folgende Matrizen zugeordnet:
µ
¶
µ
¶
µ
¶
~ 1 0
0 1
0 0
Ŝz →
Ŝ+ → ~
Ŝ− → ~
0 0
1 0
2 0 −1
Da nun Ŝx = (Ŝ+ + Ŝ− )/2 und Ŝy = (Ŝ+ − Ŝ− )/2i erhält man die Darstellung
10
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
~
mit den
Ŝ = Ŝx ex + Ŝy ey + Ŝz ez → σ
σx =
2 Paulimatrizen
µ
0 1
1 0
¶
σy =
µ
0 −i
i 0
¶
σz =
µ
1 0
0 −1
¶
Hierbei sind Ŝ und σ Vektoren im dreidimensionalen reellen Ortsraum (Dreierspalten bezüglich
der Basis ex , ey , ez ), deren Ausrichtung die Drehachse ist. Die Spalten aus Gl. (1.7) und die
Paulimatrizen sind dagegen Elemente des zweidimensionalen komplexen Spinraumes.
Die Gesamtwellenfunktion des Elektrons setzt sich aus der komplexen Wellenfunktion und dem
Spinor zusammen. Mathematisch ist dies ein Element des Produktraumes
Hilbertraum der komplexen Funktionen im R3
⊗
Spinraum
Mathematischer Exkurs: Gegeben sind zwei Vektorräume U und V der Dimensionen dU und dV über demselben Körper mit den Basen ~a1 , ~a2 , . . . ~adU und
~ 1, A
~ 2, . . . A
~ d . Der Produktraum W = U ⊗ V ist ein neuer Vektorraum (wieder
A
V
über demselben Körper) der Dimension dW = dU · dV , der von den Basiselementen
~ j aufgespannt wird. Damit lässt sich ein beliebiges Element ~f von W schreiben
~ai ⊗ A
als
!
Ãd
dV
dU X
dV
dV
U
X
X
X
X
~f =
~
~j
~
f~j ⊗ A
fij~ai ⊗Aj =
fij~ai ⊗ Aj =
i=1 j=1
j=1
|
i=1
{z
=f~j
}
j=1
Beachte: Die meisten Zustände des Produktraumes lassen sich nicht in der Form
~f = ~b ⊗ C
~ mit ~b ∈ U und C
~ ∈ V schreiben.
Damit lässt sich die Gesamtwellenfunktion des Elektrons schreiben als (lasse das ⊗ Zeichen
weg):
¶
µ
Ψ+ (r, t)
|Ψi = Ψ+ (r, t)|+i + Ψ− (r, t)|−i →
Ψ− (r, t)
Entsprechend werden im Produktraum den Operatoren nun 2 × 2 Matrizen zugeordnet, die
gleichzeitig Operatoren im Raum der Wellenfunktionen beinhalten. So ist der Operator des
Gesamtdrehimpulses Ĵ = L̂ + Ŝ
µ
¶
µ
¶
~
1
0
0
1
Jˆx → L̂x
+
und entsprechend für Jˆy , Jˆz
0 1
2 1 0
Mit dem Spin ist ein magnetisches Moment µ des Elektrons verbunden. Der entsprechende
−e
µ = ge 2m
Ŝ. Dabei findet man experimentell den gyromagnetischen Faktor des
Operator ist µ̂
e
freien Elektrons ge = 2.0023193 . . .. Theoretisch erhält man
• Klassischer rotierender Körper mit Massendichte ∝ Ladungsdichte: ge = 1
• Relativistische Quantenmechanik (Dirac-Gleichung): ge = 2
• Quantenelektrodynamik (Quantisierung des elektromagnetische Feldes): ge = 2 +
mit der Sommerfeldschen Feinstruktur-Konstanten α = e2 /(4π²0 ~c) ≈ 1/137
α
π
+...
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
11
Damit lautet der Hamiltonoperator für ein Elektron (Ladung −e) im elektromagnetischen Feld
¸µ
¶
·
3
e X~
(p̂ + eA(r, t))2
1 0
− eϕ(r, t)
σi Bi (r, t) .
(1.8)
+ ge
Ĥ =
0 1
2me
2me i=1 2
Die Zeitentwicklung ist dann durch die Pauligleichung gegeben:
µ
¶
µ
¶
∂
Ψ+ (r, t)
Ψ+ (r, t)
i~
= Ĥ
Ψ− (r, t)
∂t Ψ− (r, t)
Bemerkung: Da ge ≈ 2 lautet der letzte Term in Gl. (1.8) ≈ µB B · σ . Dies ergibt als Messwerte ein magnetisches Moment ±µB des Elektrons aufgrund des Spins, da die Eigenwerte der
Paulimatrizen ±1 sind.
1.6
1.6.1
Spin-Bahn-Kopplung
System 1
Da Spin- und Bahndrehimpuls in unterschiedlichen Räumen wirken, gilt [L̂i , Ŝj ] = 0 für alle
i, j = x, y, z Deswegen vertauschen die Operatoren L̂2 , L̂z , Ŝ2 und Sz paarweise miteinander
und man kann eine Basis finden, die Eigenzustände von allen vier Operatoren sind. Anhand
ihrer jeweiligen Eigenwerte werden diese Basiselemente mit |a, l, ml , s, ms i1 bezeichnet, wobei
a für weitere Entartungen steht.
System 1: |a, l, ml , s, ms i1 Eigenzustände von L̂2 , L̂z , Ŝ2 , Sz
mit Eigenwerten l(l + 1)~2 , ml ~, s(s + 1)~2 , ms ~
Dabei ist ml ∈ {−l, −l + 1, . . . l} und ms ∈ {−s, −s + 1, . . . s}. Betrachtet man ein einzelnes
Elektron, so ist stets s = 1/2 und die Darstellung eines solchen Zustands als Spinor lautet z.B.:
¶
µ 1
Y2 (θ, ϕ)
|a, l = 2, ml = 1, s = 1/2, ms = 1/2i1 ∼
0
1.6.2
System 2
Der Gesamtdrehimpuls ist die Summe von Spin- und Bahnanteil Ĵ = L̂ + Ŝ und erfüllt natürlich
wieder die üblichen Drehimpuls-Vertauschungsrelationen. Insbesondere kann man eine Basis aus
Eigenzuständen von Ĵ2 und Jˆz konstruieren. Für das Quadrat des Gesamtdrehimpulses gilt:
Ĵ2 = L̂2 + Ŝ2 + 2L̂ · Ŝ
Damit ergibt sich:
[Ĵ2 , L̂z ] =2
X
[L̂n , Lˆz ]Ŝn = 2i~(−L̂y Ŝx + L̂x Ŝy )
(1.9)
L̂n · [Ŝn , Sˆz ] = 2i~(L̂y Ŝx − L̂x Ŝy )
(1.10)
n
[Ĵ2 , Ŝz ] =2
X
n
12
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
Demnach gibt es kein gemeinsames System aus Eigenzuständen
und Ŝz , d.h. die Zustände des Systems 1 können nicht so gewählt
zustände von Ĵ2 sind. Dagegen gilt:
X
[Ĵ2 , L̂2 ] =2
[L̂n , L̂2 ]Ŝn = 0
von Ĵ2 und L̂z oder von Ĵ2
werden, dass sie auch Eigen[Jˆz , L̂2 ] =0
(1.11)
[Jˆz , Ŝ2 ] =0
(1.12)
n
[Ĵ2 , Ŝ2 ] =2
X
L̂n [Ŝn , Ŝ2 ] = 0
n
Zusammen mit [Jˆz , Ĵ2 ] = 0 folgt, dass es ein gemeinsames System von Eigenzuständen von
Ĵ2 , Jˆz , L̂2 und Ŝ2 gibt.
System 2: |a, j, mj , l, si2 Eigenzustände von Ĵ2 , Jˆz , L̂2 , Ŝ2
mit Eigenwerten j(j + 1)~2 , mj ~, l(l + 1)~2 , s(s + 1)~2
System 1 und System 2 spannen denselben Hilbertraum auf. Deswegen kann man die einen
Zustände durch die anderen ausdrücken. Der Basiswechsel zwischen beiden Basen
|j, mj , l, si2 =
l
X
s
X
ml =−l ms =−s
a(j, mj , ml , ms , l, s)|l, ml , s, ms i1
wird durch die Clebsch-Gordan Koeffizienten a(j, mj , ml , ms , l, s) vermittelt. Insbesondere ist
a(j, mj , ml , ms , l, s) = 0 wenn mj 6= ml + ms da Jˆz = L̂z + Ŝz . Zum Beispiel ist
¯
¯
À
À
¯
¯
1
1
1
1
1
1
¯j = , mj = , l = 1, s =
¯
= √ ¯l = 1, ml = 0, s = , ms =
¯
2
2
2 2
2
2 1
3
r ¯
À
2 ¯¯
1
1
l = 1, ml = 1, s = , ms = −
+
3¯
2
2 1
¶
¶ r µ
µ 0
2
1 Y1 (θ, ϕ)
0
+
∼√
1
Y
(θ,
ϕ)
0
3
3
1
Für das Wasserstoff-Atom ohne Magnetfeld ist φ(r) in Gl. (1.8) gerade das Coulomb-Potential
des Kernes und die Spin-Abhängigkeit fällt weg. Der Hamilton-Operator ist dann diagonal im
Spinraum und der Ortsanteil ist durch Gl. (1.5) gegeben. Die Energieeigenwerte (1.6) hängen
somit nur von n ab und man kann gleichermaßen System 1 und System 2 zur Klassifizierung
der Zustände verwenden.
1.6.3
Feinstruktur des Wasserstoffatoms
Sowohl der Spin als auch der Bahndrehimpuls sind mit einem magnetischen Moment verbunden. Die Wechselwirkungen beider Momente miteinander liefert die Spin-Bahn-Wechselwirkung
einen zusätzlichen Term im Hamiltonoperator (1.8).
³
´
1
2
2
2
ĤSB = Γ(r)L̂ · Ŝ = Γ(r) Ĵ − L̂ − Ŝ
(1.13)
2
Eine relativistische Betrachtung (siehe z.B. Hittmair, Kap VI,5) liefert für ein Zentralpotential:
Γ(r) =
1 1 ∂V
2m2e c2 r ∂r
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
13
Nun gilt mit den Gln. (1.9,1.10)
[ĤSB , L̂z ] = iΓ(r)~(−L̂y Ŝx + L̂x Ŝy ) und [ĤSB , Ŝz ] = iΓ(r)~(L̂y Ŝx − L̂x Ŝy )
Demnach gibt es keinen gemeinsamen Satz aus Eigenzuständen von ĤSB und L̂z oder Ŝz ,
Somit sind ml und ms keine guten Quantenzahlen zur Beschreibung der Energieniveaus des
Wasserstoff-Atoms unter Berücksichtigung der Spin-Bahn-Wechselwirkung und System 1 ist
kein geeignetes Basissystem. Dagegen gilt mit den Gln. (1.11,1.12):
[ĤSB , Ĵ2 ] = 0, [ĤSB , Jˆz ] = 0, [ĤSB , L̂2 ] = 0, [ĤSB , Ŝ2 ] = 0
Demnach gibt es ein gemeinsames System aus Eigenzuständen von ĤSB , Ĵ2 , Jˆz , Ĵ2 und Ŝ2 .
Somit ist System 2 mit den Quantenzahlen j, mj , l und s zur Beschreibung der Energieniveaus
des Wasserstoff-Atoms unter Berücksichtigung der Spin-Bahn-Wechselwirkung geeignet.
Wie verändern sich nun die einzelnen Energieniveaus durch die Spin-Bahn-Wechselwirkung?
• Grundzustand n = 1; l = 0; s = 1/2: Dies erlaubt nur j = 1/2. Deswegen verschwindet
der Spin-Bahn-Term wegen j(j + 1) − l(l + 1) − s(s + 1) = 0 in Gl. (1.13) → Keine
Änderung.
• Angeregter Zustand n = 2; l = 0, 1; s = 1/2. Mögliche Zustände in System 2:
|j = 12 , mj = ± 21 , l = 0, s = 12 i2 : Dann ist j(j + 1) − l(l + 1) − s(s + 1) = 0
→ Keine Energie-Änderung
|j = 12 , mj = ± 21 , l = 1, s = 12 i2 : Dann ist j(j + 1) − l(l + 1) − s(s + 1) = −2
→ Absenkung der Energie
|j = 32 , mj = ± 21 , ± 23 , l = 1, s = 12 i2 : Dann ist j(j + 1) − l(l + 1) − s(s + 1) = 1
→ Erhöhung der Energie
Die Spin-Bahn-Wechselwirkung hebt die Entartung teilweise auf.
Zusätzlich müssen weitere relativistische Terme berücksichtigt werden. Ergebnis (siehe z.B.
Messiah, Kap. 20.4):
¶
¸
·
µ
n
3
α2
Enj = En 1 + 2
−
+ ...
n
4
j + 12
Damit hängen die Energie-Niveaus nur von j, nicht aber von l ab. (Aufhebung der Entartung
des j = 1/2 Zustandes bzgl. l = 0, 1 durch Strahlungskorrekturen, Lamb-Shift.) Beachte, dass
die Aufspaltung um einen Faktor α2 (d.h. 4 Größenordnungen) kleiner ist als die Abstände der
Niveaus aus Gl. (1.6) → Feinstruktur.
Kapitel 2
Störungstheorie
Bisher wurden vorwiegend exakt lösbare Systeme untersucht wie der harmonische Oszillator
oder das Wasserstoff-Atom ohne Spin-Bahn Effekte. Dagegen sind fast alle realen Probleme
nicht exakt lösbar
Häufig ist es dann sinnvoll den Hamiltonoperator in einen exakt lösbaren (in der Regel zeitunabhängigen) Teil Ĥ0 und eine (möglichst kleine) Störung V̂ (t), die auch zeitabhängig sein kann,
aufzuteilen:
Ĥ(t) = Ĥ0 + λV̂ (t)
(2.1)
Dabei ist λ ein reeller Parameter der es erlaubt, die Störung langsam einzuschalten. Im Endergebnis muss man dann λ = 1 setzen. Die Eigenzustände |a0 i von Ĥ0 erfüllen
Ĥ0 |a0 i = Êa0 |a0 i
(2.2)
und bilden ein vollständiges Orthonormalsystem des Hilbertraumes.
2.1
Stationäre Störungstheorie
Sei nun V̂ zeitunabhängig. Gesucht sind die exakten Eigenzustände |ai und Energieeigenwerte
Ea von H. Man entwickelt hierzu diese nach Potenzen in λ
Ea = Ea0 + λEa1 + λ2 Ea2 + . . .
|ai = |a0 i + λ|a1 i + λ2 |a2 i + . . .
was man als Rayleigh-Schrödinger Störungsreihe bezeichnet. (Bemerkung: Häufig konvergiert
die Reihe nicht1 , dennoch liefern die niedrigen Ordnungen in λ oft gute Näherungen) Es soll
gelten: (Ĥ0 + λV̂ )|ai = Ea |ai, also
³
´¡
¢¡
¢
¢ ¡
Ĥ0 + λV̂ |a0 i + λ|a1 i + λ2 |a2 i + . . . = Ea0 + λEa1 + λ2 Ea2 + . . . |a0 i + λ|a1 i + λ2 |a2 i + . . .
Sortiert man nach den Ordnungen in λi , so erhält man in
O(λ0 )
O(λ)
O(λ2 )
1
Ĥ0 |a0 i =Ea0 |a0 i
Ĥ0 |a1 i + V̂ |a0 i =Ea0 |a1 i + Ea1 |a0 i
Ĥ0 |a2 i + V̂ |a1 i =Ea0 |a2 i + Ea1 |a1 i + Ea2 |a0 i
z.B. für den eindimensionalen harmonischen Oszillator Ĥ0 und V̂ (x) = αx4 mit α > 0
14
(2.3)
(2.4)
15
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
Multipliziert man Gl. (2.3) mit hb0 | so erhält man:
hb0 |V̂ |a0 i = (Ea0 − Eb0 )hb0 |a1 i + Ea1 δa,b
2.1.1
(2.5)
Nichtentarteter Fall
6 Eb0 für a 6= b. Damit folgt aus Gl. (2.5)
Ist Ea0 ein nichtentartetes Energieniveau, dann ist Ea0 =
für b = a: Ea1 = ha0 |V |a0 i und für b 6= a: hb0 |V̂ |a0 i = (Ea0 − Eb0 )hb0 |a1 i. Da die ungestörten
Zustände |b0 i ein vollständiges System bilden, folgt:
|a1 i =
hb0 |V̂ |a0 i 0
|b i
0 − E 0)
(E
a
b
b mit b6=a
X
(2.6)
(Es ergibt sich ha0 |a1 i = 0 wenn man i) die Normierung ha|ai = 1 fordert und (ii) die Phase
von |ai so wählt, dass ha0 |ai ∈ R gilt.) Damit erhält man
In der ersten Ordnung der Störungstheorie gilt für einen nichtentarteten Zustand |a0 i
• Das Energieniveau verschiebt sich um dem Erwartungswert ha0 |V̂ |a0 i des ungestörten
Zustands mit dem Störpotential.
• Der Zustand erhält Beimischungen anderer ungestörter Zustände |b0 i, wobei die Beimischung stärker ist, wenn Ea0 ≈ Eb0 .
Multipliziere nun Gl. (2.4) mit ha0 | so erhält man:
ha0 |Ĥ |a2 i +ha0 |V̂ |a1 i = Ea0 ha0 |a2 i + Ea1
| {z0 }
=Ea0 ha0 |a2 i
X |ha0 |V̂ |b0 i|2
b6=a
Daraus folgt:
+Ea2
=0 wegen Gl. (2.6)
und somit wird mit Gl. (2.6):
Ea2 =
ha0 |a1 i
| {z }
Ea0 − Eb0
• Der Grundzustand schiebt nach unten
• Stark koppelnde (ha0 |V̂ |b0 i groß) und dicht nebeneinander liegende (|Eb0 − Ea0 | klein)
Zustände stoßen sich gegenseitig ab.
2.1.2
Entarteter Fall
Die Zustände |i, a0 i mit i = 1, 2, . . . N haben dieselbe Energie Ea0 im ungestörten System.
Ersetzt man in Gl. (2.3) |a0 i durch |i, a0 i und multipliziert mit hj, a0 | so erhält man:
1
Vji ≡ hj, a0 |V̂ |i, a0 i = Ei,a
δj,i
(2.7)
16
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
Dies führt direkt zum Widerspruch falls Vji nicht diagonal ist. Da Vji hermitesch ist, gibt es
P
(n)
(n)
(n)
einen Satz von N orthonormierten Eigenspalten ci mit n = 1, 2, . . . N , die i Vji ci = E (n) cj
erfüllen. Wähle nun die neuen Eigenzustände
X (n)
|ñ, a0 i =
ci |i, a0 i
i
von Ĥ0 , die den gleichen Unterraum wie die Zustände |i, a0 i aufspannen. In dieser Basis ist nun
X (m)∗
X (m)∗
(n)
(n)
hm̃, a0 |V̂ |ñ, a0 i
cj Vji ci =
cj E (n) cj = E (n) δm,n
i,j
j
und Gl. (2.7) ist erfüllbar, wobei die Energieänderungen in erster Ordnung der Störungstheorie
gerade die Eigenwerte der Störmatrix Vji sind.
2.1.3
Beispiel: Der Starkeffekt
Betrachte ein Wasserstoff-Atom im elektrischen Feld E = Eez . Aus dem elektrischen Potential φ(r) = −Ez folgt der Störoperator V̂ = eEz, da das Elektron die Ladung −e hat. Die
ungestörten Zustände sind die Zustände |n, l, mi aus Abschnitt 1.4.2.
Grundzustand
Der Grundzustand n = 1 ist nicht entartet (Spin nicht berücksichtigt, da keine Wechselwirkung
mit dem elektrischen Feld). Die erste Ordnung der Störungstheorie ergibt
µ
µ
¶
¶
Z
r
r
1
1
1
3
eEz p 3 exp −
= 0,
En=1 = h1, 0, 0|V̂ |1, 0, 0i = d r p 3 exp −
aB
aB
πaB
πaB
da für ±z gerade das Vorzeichen wechselt. Die zweite Ordnung ergibt eine Absenkung der
Energie des Grundzustandes.
Angeregter Zustand
Der angeregte Zustand n = 2 ist vierfach entartet. Die entsprechenden Zustände sind |1i =
|2, 0, 0i, |2i = |2, 1, 0i, |3i = |2, 1, −1i und |4i = |2, 1, 1i. Nun wird die Matrix hi| V̂ |ji bestimmt.
Aufgrund von Symmetrien verschwinden dabei die meisten Matrixelemente.
• hn0 , l0 , m0 |z|n, l, mi = 0 für m 6= m0
Beweis: Es gilt [L̂z , z] = [(xp̂y − y p̂x ), z] = 0. Deswegen folgt:
0 = hn0 , l0 , m0 |[L̂z , z]|n, l, mi = ~(m0 − m)hn0 , l0 , m0 |z|n, l, mi
Für m 6= m0 kann man durch ~(m0 − m) dividieren und erhält die Behauptung. ¤
17
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
• hn0 , l, m|z|n, l, mi = 0
Beweis:
Z
1
1
d3 r un0 l (r)z unl (r) |Ylm (θ, ϕ)|2
r
r
Bei Spiegelung am Ursprung r → −r ist r unverändert z → −z und die Kugelflächenfunktionen erhalten den Faktor (−1)l . Also ändert sich das Vorzeichen des Integranten
und das Integral verschwindet. ¤
0
hn , l, m|z|n, l, mi =
• Es gilt:
Z
£
¤∗
1
1
dr dϕ d cos θ r 2 u20 (r) Y00 (θ, ϕ) r cos θ u21 (r)Y10 (θ, ϕ)
r
r
√
¶
µ
¶
µ
Z
r
3
r4
r
2
exp −
= −3aB
= dr dϕ d cos θ
(cos θ) √ 4 1 −
4π
2aB
aB
4 3aB
h2, 0, 0|z|2, 1, 0i =
Damit erhält man die Matrix

0
−3eEaB
−3eEaB
0
Vij = 
 0
0
0
0
0
0
0
0

0
0

0
0
Die Eigenwerte erhält man aus der Säkulargleichung: 0 = det (Vij − Eδi,j ) = E 2 [E 2 − 9(eEaB )2 ]
und man erhält die Eigenwerte E (n) und zugehörigen Zustände:
E1 = − 3eEaB
E2 = + 3eEaB
E3/4 =0
1
→|1̃i = √ (|1i + |2i)
2
1
→|1̃i = √ (|1i − |2i)
2
→|3̃i = |3i, |4̃i = |4i
Interpretation: u21 Y10 ist für z > 0 positiv und für z < 0 negativ. u20 Y00 ist für r > 2aB
negativ. Deswegen ist die negative Ladung des Elektrons im Zustand |1̃i durch konstruktive
Überlagerung der Wellenfunktionen zu negativen z hin verschoben. Dies erniedrigt die Energie
für positives E.
2.2
Zeitabhängige Störungstheorie
Betrachte nun ein System, das durch Gl. (2.1) beschrieben wird. Nun untersuchen wir das
Verhalten eines Zustandes, der zum Zeitpunkt t = 0 im Zustand |a0 i präpariert ist. Aufgrund
der Störung V̂ (t) ist |a0 i kein Eigenzustand von Ĥ, sondern zeigt für t > 0 eine komplizierte
Zeitabhängigkeit |Ψa (t)i die durch
i~
³
´
∂
|Ψa (t)i = Ĥ0 + V̂ (t) |Ψa (t)i
∂t
mit |Ψa (t = 0)i = |a0 i
(2.8)
18
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
gegeben wird. Da die |b0 i ein vollständiges System bilden, kann man schreiben:
X
|Ψa (t)i =
Ψab (t)|b0 i
(2.9)
b
Dabei gibt |Ψab (t)|2 die Wahrscheinlichkeit an, das System zum Zeitpunkt t im Zustand |b0 i zu
finden. Ziel ist im Folgenden die Bestimmung dieser Übergangs-Wahrscheinlichkeiten.
2.2.1
Wechselwirkungsbild
Definition: Für einen zeitunabhängigen hermiteschen Operator Ô mit den Eigenzuständen |ni und Eigenwerten on und eine analytische Funktion F (z) definieren
wir die Funktion des Operators F (Ô) als:
X
F (Ô) =
|niF (on )hn|
n
[Eine weitgehend äquivalente Definition ist F (Ô) =
sichtlich gilt [Ô, F (Ô)] = 0.
P
1
m m
m
m m! Ô d F (z)/dz .]
Offen-
Für Ĥ = Ĥ0 ist die Zeitabhängigkeit eines beliebigen Zustandes |Ψ0 (t)i gegeben durch:
¶
µ
¶
µ
X
X
X
Ec0 t
Eb0 t
0
0
|b i =
|c i exp −i
hc0 |
Ψb (0)|b0 i
|Ψ0 (t)i =
Ψb (0) exp −i
~
~
c
b
b
Ã
!
Ĥ0 t
|Ψ0 (t = 0)i
= exp −i
~
Zur Behandlung der Störung V̂ (t) wollen wir die Dynamik mit Ĥ0 exakt behandeln. Deswegen
machen wir den Ansatz:
Ã
!
Ĥ0 t
|Ψ(t)i = exp −i
|ΨW (t)i
~
Dann folgt aus Gl. (2.8):
Ã
!
Ã
!
³
´i
∂
∂ W
Ĥ0 t
Ĥ0 t h
|Ψ(t)i = exp i
−Ĥ0 |Ψ(t)i + Ĥ0 + V̂ (t) |Ψ(t)i
i~ |Ψ (t)i =i~ exp i
∂t
∂t
~
~
=V̂ W (t)|ΨW (t)i
Ã
mit dem Operator im Wechselwirkungsbild V̂ W (t) = exp i
Ĥ0 t
~
!
Ã
V̂ (t) exp −i
Ĥ0 t
~
(2.10)
!
(2.11)
Im Wechselwirkungsbild2 (Index W ) haben die Zustände und Operatoren eine modifizierte
Zeitabhängigkeit. Dafür taucht Ĥ0 nicht mehr in der Bewegungsgleichung der Zustände auf.
2
auch als Dirac-Bild bezeichnet
19
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
2.2.2
Fermi’s goldene Regel
Im Wechselwirkungsbild kann man Gl. (2.8) formal durch
Z
1 t 0 W 0 W 0
W
W
dt V̂ (t )|Ψa (t )i
|Ψa (t)i = |Ψa (0)i +
i~ 0
lösen. Nun entwickeln wir in O(V̂ ) und erhalten:
Z
1 t 0 W 0 W
W
W
|Ψa (t)i = |Ψa (0)i +
dt V̂ (t )|Ψa (0)i + O(V̂ 2 )
i~ 0
0
Nun ist |ΨW
a (0)i = |a i aufgrund der gegebenen Anfangsbedingung. Damit wird bei Vernachlässigung von O(V̂ 2 ):
µ 0
¶
Z
Z
1 t 0 0 W 0 0
1 t 0
Eb − Ea0 0
0
W
hb |Ψa (t)i = δa,b +
dt hb |V̂ (t )|a i = δa,b +
dt exp i
t hb0 |V̂ (t0 )|a0 i
i~ 0
i~ 0
~
Die Übergangs-Wahrscheinlichkeit ist durch
¯
¯2 ¯
¯2
¯
¯
¯ −iÊb0 t/~ 0 W
¯
2
Pa→b (t) = |hb0 |Ψa (t)i|2 = ¯hb0 |e−iĤ0 t/~ |ΨW
(t)i
=
e
hb
|Ψ
(t)i
¯
¯
¯ = |hb0 |ΨW
a
a
a (t)i|
gegeben. Betrachte nun ein Störung der Form
V̂ (t) = F̂ e−iωt
Dann gilt für a 6= b:
1
Pa→b (t) = 2 |hb0 |F̂ |a0 i|2 Dt
~
mit
µ
Eb0 − Ea0
−ω
~
¶
¯2
¡ ω ¢
¯2 ¯ i∆ωt
¯Z t
¯2 ¯¯
2
i ∆ω t
−i ∆ω
t¯
¯
¯
¯
¯
2
4
sin
∆2t
∆ω e 2
e
−
1
−
e
0
¯
¯
¯ = ¯ ei 2 t
Dt (∆ω) = ¯¯ dt0 ei∆ωt ¯¯ = ¯¯
¯ =
¯
¯
¯
i∆ω
i∆ω
∆ω 2
0
Nun nimmt Dt (t) nur im Intervall −2π/t
R < ∆ω < 2π/t große Werte an, wobei das Maximum
2
Dt (0) = t stark anwächst. Ferner gilt dxDt (x) = 2πt. Deswegen definieren wir die Funktion
¶
µ
1
∆E
δt (∆E) =
Dt
2π~t
~
die für t → ∞ in die δ-Funktion übergeht.
Wir betrachten nun zwei relevante Fälle:
Ein zeitlich konstantes Störpotential V̂ :
Indem wir ω = 0 setzen erhalten wir die
Mittlere Übergangsrate von Zustand a nach Zustand b bei einem zeitlich konstanten Störpotential
Γa→b (t) =
2π 0
Pa→b (t)
=
|hb |V̂ |a0 i|2 δt (Eb0 − Ea0 )
t
~
Fermi’s goldene Regel
(2.12)
20
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
Ein periodisches Störpotential V̂ mit Frequenz ω:
Da V̂ (t) hermitesch sein muss, setzen wir
V̂ (t) = F̂ e−iωt + F̂ † eiωt
Indem wir beide Terme separat betrachten, erhalten wir die
Mittlere Übergangsrate von Zustand a nach Zustand b bei einem periodischen Störpotential
mit Frequenz ω:
Γa→b (t) =
2π 0 † 0 2
2π 0
|hb |F̂ |a0 i|2 δt (Eb0 − Ea0 − ~ω) +
|hb |F̂ |a i| δt (Eb0 − Ea0 + ~ω) .
~
~
(2.13)
Die beiden Terme beschreiben die Absorption und die Emission eines Quantes der Energie ~ω
aus dem Wechselfeld.
In beiden Fällen kann man δt (Eb0 − Ea0 − ~ω) durch die δ-Funktion ersetzen, wenn folgende
Voraussetzungen erfüllt sind:
• Es wird über ein Kontinuum von Endzuständen |b0 i oder Frequenzen ω integriert.
• Die Beobachtungszeit t ist so lange, dass das Matrixelement |hb0 |V̂ |a0 i| bzw. |hb0 |F̂ω |a0 i|
im Bereich der zulässigen Endzustände b (oder Frequenzen ω) |Eb0 − Ea0 ± ~ω| . 2π~/t
näherungsweise konstant ist.
2.2.3
β-Zerfall des Neutrons
Die Elementarteilchen sind keine Eigenzustände der schwachen Wechselwirkung, die Übergänge
zwischen verschieden Kombinationen der Teilchen bewirkt. Für den β-Zerfall des Neutrons
spielen folgende (Viel-)Teilchen-Zustände eine Rolle:
• Ein Neutron (in Ruhe):
Zustand |a0 i mit Energie Ea0 = mn c2
• Ein Proton (fast in Ruhe) + freies Elektron mit Wellenvektor ke + freies Antineutrino
mit Wellenvektor kν :
p
Zustand |b0 i = |ke , kν i mit Energie Eb0 = mp c2 + m2e c4 + ~2 c2 ke2 + ~c|kν | (Annahme:
Masse des Neutrinos ist Null oder vernachlässigbar)
Ferner nehmen wir an, dass das Matrixelement |hke , kν |V̂schwach. WW |a0 i|2 = g 2 konstant ist.
(Dies entspricht einer punktförmigen Wechselwirkung, wie sie von Enrico Fermi 1934 angenommen wurde). Betrachte nun die Übergangsrate in ein Intervall d3 ke um den Impuls pe = ~ke
des Elektrons:
Z
p
2π 2
g δ(mp c2 + m2e c4 + p2e c2 + ~c|kν | − mn c2 ) d3 ke
d3 k ν
Γa→ke =
|{z} ~ |
{z
}
³
h
√ 2 4 2 2i ´
4πkν2 dkν
2
=δ kν − (mn −mp )c −
2 2
me c +pe c
i2
p
8π g h
= 4 3 (mn − mp )c2 − m2e c4 + p2e c2 d3 ke
~c
Dies ergibt eine charakteristische Impulsabhängigkeit.
/~c /(~c)
21
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
2.2.4
Strahlungsübergänge
Betrachte ein Wasserstoff-Atom mit dem Hamilton-Operator Ĥ0 (1.5) und den Eigenzuständen
|a0 i = |n, l, mi. Eine elektromagnetische Welle fester Frequenz ω lässt sich in Coulomb-Eichung
durch die elektromagnetischen Potentiale
A(r, t) =
1
E0 (ω) cos(k(ω) · r − ωt) und ϕ(r, t) = 0
ω
beschreiben. Mit Gl. (1.8) erhalten wir den Hamilton-Operator
Ĥ = Ĥ0 +
¢
1¡
e
E0 (ω) · p̂ ei(k(ω)·r−ωt) + e−i(k(ω)·r−ωt)
me ω
2
¸
·
¢
e
i ¡ i(k(ω)·r−ωt)
−i(k(ω)·r−ωt)
e
−e
+ ge
+ O(E02 ) (2.14)
Ŝ · k(ω) × E0 (ω)
2me
2ω
Für Licht ist k = 2π/λ ∼ 2π/600nm. Dagegen ist die atomare Ausdehnung ∼ aB = 0.0529 nm,
und atomare Impulse sind von der Größenordnung ~/aB . Deswegen sind Terme mit kr (in den
Exponentialfunktionen) sowie der Spin-Term (Sk ∼ ~2π/600nm ¿ p) in einer ersten Näherung
vernachlässigbar.
Für den Übergang zwischen zwei atomaren Niveaus a und b erhalten wir aus Gl. (2.13) die
Übergangsrate
¯
¯2
¯ £
¤
2π ¯¯ e
0
0 ¯
Γa→b (t) =
δt (Eb0 − Ea0 − ~ω) + δt (Eb0 − Ea0 + ~ω)
hb
|E
(ω)
·
p̂|a
i
0
¯
¯
~ 2me ω
Dies zeigt, dass das Strahlungsfeld Energie in Paketen der Größe ~ω (Photonen) mit dem
Atom austauscht. Entsprechend nennt man die Prozesse die Absorption eines Photons bzw. die
Emission eines Photons durch das Atoms.
Maßgeblich für die Übergangsrate ist das Matrixelement, das für |a0 i = |n, l, m, si und |b0 i =
|n0 , l0 , m0 , s0 i lautet
i
i
0
) hn0 , l0 , m0 , m0s |r̂|n, l, m, ms i
hb0 |p̂|a0 i = hn0 , l0 , m0 , m0s |me [Ĥ0 , r̂]|n, l, m, ms i = me (En00 l0 − Enl
|
{z
}
~
~
=− 1e dba
Mit Hilfe der Eigenschaften der Kugelflächenfunktionen kann man zeigen, dass das Dipolmatrixelement dba = 0 außer für l0 = l ± 1, m0s = ms und m0 =∈ {m − 1, m, m + 1} verschwindet.
Bei der Wechselwirkung eines Atoms mit elektromagnetischer Strahlung der Frequenz ω erhält
man in der Dipolnäherung (eik·r ≈ 1 und ~k ¿ p) die Übergangsrate
¯
¯2
¤
2π ¯¯ E0 · dba ¯¯ £
Γa→b =
δ(Eb0 − Ea0 − ~ω) + δ(Eb0 − Ea0 + ~ω) .
¯
¯
~
2
zwischen zwei atomaren Niveaus a, b. Die möglichen Prozesse sind die induzierte Absorption und die induzierte Emission eines Photons mit derselben Rate. Dabei lauten die
Auswahlregeln ∆l = ±1, ∆m = 0, ±1 und ∆ms = 0.
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
22
Berücksichtigt man die Quantisierung des elektromagnetischen Feldes, so ist F † 6= F und
die Übergangsraten unterscheiden sich für Emission und Absorption. Ist das Feld nicht im
Grundzustand, so treten wie oben die induzierte Emission und induzierte Absorption mit
derselben Rate auf. Dazu kommt aber noch die spontane Emission, die auch im Grundzustand
des Feldes möglich ist (Störung durch Vakuumfluktuationen des Feldes).
Berücksichtigt man die höheren Terme eik·r ≈ 1 + ik · r, so erhält man die elektrischen Quadrupolübergänge und die magnetischen Dipolübergänge, zu denen auch der Spin-Term in Gl. (2.14)
beiträgt zur. In beiden Fällen erhält man andere Auswahlregeln.
Kapitel 3
Mehrteilchen-Quantenmechanik
3.1
3.1.1
Unterscheidbare Teilchen
Zwei Teilchen unter Vernachlässigung des Spins
Betrachte ein Elektron (e) und ein Proton (p). Zweiteilchen-Wellenfunktion Ψ(r e , rp , t) mit der
Interpretation:
|Ψ(re , rp , t)|2 ∆3 re ∆3 rp =
Wahrscheinlichkeit ein Elektron im Volumen ∆3 re um re und
ein Proton im Volumen ∆3 rp um rp zu finden.
Dabei gilt natürlich die Normierung
Z
d3 re d3 rp |Ψ(re , rp , t)|2 = 1
Die Operatoren können dann auf beide Teilchen wirken, z.B. lautet der Operator des Gesamtimpulses in Ortsdarstellung: P̂ges = ~/i(∇re + ∇rp ), und sein Erwartungswert:
Z
~
hP̂ges i = d3 re d3 rp Ψ(re , rp , t)∗ (∇re + ∇rp )Ψ(re , rp , t)
i
Der Hamilton-Operator des Systems aus Elektron und Proton lautet:
µ
¶2
µ
¶2
~2
e2
∂
∂
~2
−
−
Ĥ0 = −
2me ∂re
2mp ∂rp
4π²0 |re − rp |
(3.1)
Gesucht sind die Lösungen der stationären Schrödingergleichung
Ĥ0 Ψ(re , rp ) = EΨ(re , rp )
Führe hierzu die Schwerpunkt- und Relativkoordinaten R = (me re + mp rp )/M und r = re − rp
23
24
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
mit M = me + mp ein. Dann gilt:
∂
∂
∂
me
+ Ψ̃(R, r)
Ψ̃(R, r) =
Ψ̃(R, r)
∂re
∂R
M
∂r
¶2
¶2
µ ¶2
µ
µ
³
∂
me ´2
∂
me
∂
∂
∂
Ψ̃(R, r)
Ψ̃(R, r)
· Ψ̃(R, r)
+
+2
Ψ̃(R, r) =
∂re
∂R
M
∂R ∂r
M
∂r
µ ¶2
µ
¶2
¶2
µ
³ m ´2
∂
∂
∂
∂
mp
∂
p
· Ψ̃(R, r)
+
−2
Ψ̃(R, r)
Ψ̃(R, r)
Ψ̃(R, r) =
∂rp
∂R
M
∂R ∂r
M
∂r
Damit folgt:
Ã
!
µ
¶2
µ ¶2
~2 ∂
e2
~2
∂
−
−
Ψ̃(R, r)
Ĥ0 Ψ̃(R, r) = −
2M ∂R
2µ ∂r
4π²0 |r|
mit der reduzierten Masse µ = (1/me + 1/mp )−1 . Ĥ0 separiert also in den Variablen R, r und
man kann einen Produktansatz in der Form:
µ 2 2
¶
1
~K
iK·R
Ψ̃(R, r) =
e
φnlm (r) mit Ĥ0 Ψ̃(R, r) =
+ En Ψ̃(R, r)
(2π)3/2
2M
machen, wobei En und Ψnlm (r) die Energie-Eigenwerte und Eigenfunktionen aus Gl. (1.6) sind,
wobei me durch µ ersetzt wird. Der gebundene Zustand verhält sich wie ein freies Teilchen mit
der Gesamtmasse M .
3.1.2
Allgemeine Definition
Seien nun im vorhergehenden Beispiel ϕm (re ) und φm (rp ) Basen der jeweiligen EinteilchenHilberträume He und Hp . Dann erhält man:
Z
X
Ψ(re , rp , t) =
cn (re , t)φn (rp ) mit cn (re , t) = d3 rp φ∗n (rp )Ψ(re , rp , t)
n
=
X
cm,n (t)ϕm (re )φn (rp ) mit cm,n (t) =
m,n
Z
d3 re ϕ∗m (re )cn (re , t)
Damit ist Ψ(re , rp , t) ein Element des Produktraumes He ⊗Hp der beiden Einteilchen-Hilberträume.
Dies motiviert die folgende Definition:
Die quantenmechanischen Zustände eines Systems von N unterscheidbaren Teilchen (mit den
Nummern 1, 2, . . . N ) sind Elemente des Produktraumes H1 ⊗H2 ⊗. . .⊗HN der entsprechenden
Einteilchen-Hilberträume.
(i)
Seien |ϕn i Basen der jeweiligen Einteilchen-Hilberträume, dann lässt sich ein allgemeiner N Teilchen Zustand in der Form
X
(2)
(N )
cn1 ,n2 ,...nN |ϕ(1)
|Ψi =
n1 i ⊗ |ϕn2 i ⊗ . . . ⊗ |ϕnN i
n1 ,...nN
mit beliebigen komplexen Koeffizienten cn1 ,...cN darstellen. Die Stelle im Produkt entspricht
dabei einer Nummer des Teilchens. Das Skalarprodukt ist für die Produktzustände |Ψi =
|ϕi ⊗ |φi und |Ψ̃i = |ϕ̃i ⊗ |φ̃i durch hΨ̃|Ψi = hϕ̃|ϕihφ̃|φi und für beliebige Zustände über das
Distributivgesetz definiert. Man beachte, dass sich nur wenige Elemente des Produktraumes als
direktes Produkt |ϕi ⊗ |φi darstellen lassen.
25
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
3.1.3
Beispiel: Hyperfeinstruktur des H-Atoms
Elektron und Proton sind Spin-1/2 Teilchen. Deswegen setzt sich eine Basis der jeweiligen
Einteilchen-Hilberträume in der Form |Ψe/p i = ϕ(re/p )χs (e/p) zusammen, wobei χ1/2 = |+i
und χ−1/2 = |−i die Spinfunktion ist. Der Hamilton-Operator Ĥ0 aus Gl. (3.1) ist dann mit
den Zuständen
|Φ1 i = φ100 (r)χ1/2 (e) ⊗ χ1/2 (p)
|Φ2 i = φ100 (r)χ−1/2 (e) ⊗ χ1/2 (p)
|Φ3 i = φ100 (r)χ1/2 (e) ⊗ χ−1/2 (p)
|Φ4 i = φ100 (r)χ−1/2 (e) ⊗ χ−1/2 (p)
vierfach entartet. Mit dem Spin des Elektrons und des Protons (gp = 5.6) sind jeweils magnetische Momente verbunden, die miteinander wechselwirken. Dies ergibt einen zusätzlichen Term
V̂ = f (re −rp )Ŝe · Ŝp im Hamiltonoperator. Die Störmatrix ergibt sich aus den Matrixelementen
Z
Z
p
p
e
e
3
hi|V̂ |ji = d re d3 rp φ∗100 (r)f (r)φ100 (r)[χsi (e) ⊗ χsi (p)]† (Ŝxe Ŝxp + Ŝye Ŝyp + Ŝze Ŝzp )χsj (e) ⊗ χsj (p)
|
{z
}
=f0
Nun folgt aus der Darstellung des Spins mit den Paulimatrizen
(Ŝxe Ŝxp + Ŝye Ŝyp + Ŝze Ŝzp )χ1/2 (e) ⊗ χ1/2 (p)
~
i~
~
= Ŝxe χ1/2 (e) ⊗ χ−1/2 (p) + Ŝye χ1/2 (e) ⊗ χ−1/2 (p) + Ŝze χ1/2 (e) ⊗ χ1/2 (p)
2
2
2
µ ¶2
µ ¶2
¢
~ ¡ −1/2
~
−1/2
−1/2
−1/2
1/2
1/2
|Ψ1 i
χ
(e) ⊗ χ
(p) − χ
(e) ⊗ χ
(p) + χ (e) ⊗ χ (p) =
=
2
2
usw. damit erhält man die Matrix:


1
0
0
0
µ ¶2

~ 
0 −1 2 0
hi|V̂ |ji = f0

0 2 −1 0
2
0 0
0 1
mit den Eigenwerten E1 = −3f0 ~2 /4 und E2,3,4 = f0 ~2 /4. Man hat also eine Aufspaltung des
Grundzustandes um 4f0 ~2 /4 = 6µeV, die man als Hyperfeinstruktur bezeichnet. Der zugehörige
Eigenzustand mit der Grundzustandsenergie E1 ist
¡
¢
1
|Ψg i = √ (|Φ2 i − |Φ3 i) = φ100 (r) χ1/2 (e) ⊗ χ−1/2 (p) − χ−1/2 (e) ⊗ χ1/2 (p)
2
welcher den Gesamtspin S = 0 hat.
3.2
Identische Teilchen
Betrachte einen Einteilchen-Hilbertraum H mit Basis |ai. Der N -Teilchen Produktraum, der
sich aus identischen Teilchen zusammen setzt, ist dann durch H ⊗ H ⊗ . . . H (N -mal) mit den
Basiszuständen
|a1 i ⊗
|a2 i
⊗ . . . ⊗ |aN i = |a1 , a2 , . . . aN i
(3.2)
|{z}
Zustand von Teilchen 2
gegeben.
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
26
Definition: Für eine gegebene Permutation ξ = (n1 , n2 , . . . nN ) der Zahlen (1, 2, . . . N )
vertauscht der Permutationsoperator P̂ξ in dem N -Teilchenzustand die entsprechenden Teilchen-Zustände, d.h. P̂ξ |a1 , a2 , . . . aN i = |an1 , an2 , . . . anN i.1 Eine Transposition T̂ij ist eine spezielle Permutation, die lediglich die Zustände i und j miteinander
vertauscht. Es gilt: Jede beliebige Permutation lässt sich entweder als Produkt von
einer geraden oder ungeraden Anzahl von Transpositionen darstellen – Man spricht
von geraden oder ungeraden Permutationen mit σξ = ±1.
Physikalisch relevante Operatoren hängen von allen Teilchen-Koordinaten in gleicher Weise ab,
da man sonst die Teilchen unterscheiden könnte. Deswegen gilt:
P̂ξ Â(1, 2, . . . N )|a1 , a2 , . . . aN i = Â(1, 2, . . . N )P̂ξ |a1 , a2 , . . . aN i
Da insbesondere [Ĥ, T̂ij ] gilt, folgt: Ist zu einem Zeitpunkt |Ψi ein Eigenzustand von T̂ij , so gilt
das für alle Zeiten. Da T̂ij2 = 1 sind die möglichen Eigenwerte von T̂ij gerade 1 und −1.
Symmetrisierungs-Postulat:
• Systeme von Teilchen mit ganzzahligem Spin (Bosonen) sind Eigenzustände aller Transpositionen mit Eigenwert 1 (also auch aller Permutationen).
• Systeme von Teilchen mit halbzahligem Spin (Fermionen) sind Eigenzustände aller
Transpositionen mit Eigenwert −1 (d.h. Eigenwert ±1 für gerade/ungerade Permutationen).
Die Basiszustände (3.2) erfüllen das Symmetrisierungs-Postulat nicht, wenn nicht alle Zustände
ai identisch sind. Aus ihnen lassen sich aber symmetrisierte und antisymmetrisierte Zustände
wie folgt konstruieren:
• Symmetrisierte Basis-Zustände für Bosonen:
X
1
P̂ξ |a1 , a2 , . . . aN i
|a1 , a2 , . . . aN iS = p Q
N ! a na ! ξ
wobei na angibt, wie oft der Zustand a im Vielteilchenzustand enthalten ist.
• Antisymmetrisierte Basis-Zustände für Fermionen:
1 X
|a1 , a2 , . . . aN iA = √
σξ P̂ξ |a1 , a2 , . . . aN i
N! ξ
was man auch als Slater-Determinante
¯
¯
¯ |a1 i1 |a2 i1 . . . |aN i1 ¯
¯
¯
1 ¯¯ |a1 i2 |a2 i2 . . . |aN i2 ¯¯
|a1 , a2 , . . . aN iA = √ ¯
N ! ¯. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ¯¯
¯|a1 iN |a2 iN . . . |aN iN ¯
schreiben kann, wobei der zusätzliche Index die Stelle im Tensorprodukt darstellt.
1
Hier werden die Zustände der Teilchen vertauscht. Dies entspricht einer Vertauschung der Teilchen mit der
inversen Permutaion ξ −1
27
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
Nach Konstruktion ist |a1 , a2 , . . . aN iA = 0, wenn ai = aj für i 6= j gilt. Daraus folgt das
Pauli-Prinzip, das besagt, dass zwei Fermionen nicht in demselben Zustand sein dürfen.
3.3
Auswirkung der Antisymmetrisierung
Im Folgenden werden nur zwei Teilchen betrachtet. Das Ergebnis ist aber allgemein.
3.3.1
Einteilchen-Operator
Betrachte den Einteilchen-Operator: Ô(1, 2, . . . N ) =
Teilchen einzeln wirkt.
PN
i=1
Ô(i), der in gleicher Weise auf alle
Für den Erwartungswert eines antisymmetrisierten Zustandes gilt:
A ha, b|Ô(1, 2)|a, biA
1
= (ha, b| − hb, a|) Ô(1) + Ô(2) (|a, bi − |b, ai)
2
1³
=
ha, b|Ô(1)|a, bi − ha, b|Ô(1)|b, ai
|
{z
}
{z
}
2 |
=ha|Ô|aihb|bi=ha|Ô|ai
=ha|Ô|bihb|ai=0
− hb, a|Ô(1)|a, bi + hb, a|Ô(1)|b, ai + gleiche Terme mit Ô2
=ha|Ô|ai + hb|Ô|bi = ha, b|Ô(1, 2)|a, bi
´
Die Erwartungswerte von Einteilchenoperatoren ändern sich durch die Antisymmetrisierung
also nicht.
3.3.2
Zweiteilchen-Operator
Betrachte den Zweiteilchen-Operator: Ô(1, 2, . . . N ) =
alle Paare (i, j) von Teilchen wirkt.
A ha, b|Ô(1, 2)|a, biA
1
2
PN
i6=j
Ô(i, j), der in gleicher Weise auf
1
= (ha, b| − hb, a|) Ô(1, 2) (|a, bi − |b, ai)
2
´
1³
= ha, b|Ô(1, 2)|a, bi − ha, b|Ô(1, 2)|b, ai − hb, a|Ô(1, 2)|a, bi + hb, a|Ô(1, 2)|b, ai
{z
} |
{z
}
|
2
=ha,b|Ô(1,2)|b,ai
= ha, b|Ô(1, 2)|a, bi − ha, b|Ô(1, 2)|b, ai
|
{z
} |
{z
}
Direkter Term
=ha,b|Ô(1,2)|a,bi
Austausch-Term
Hier erhält man durch die Antisymmetrisierung einen weiteren Term, den Austausch-Term, bei
dem der Zustand mit dem vertauschten Zustand wechselwirkt.
Betrachte nun die Elektron-Elektron-Wechselwirkung
Ô(i, j) =
e2
4π²0 |ri − rj |
28
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
und die Einteilchen-Zustände |ai = ϕa (r)χsa und |bi = ϕb (r)χsb . Dann erhalten wir:
A ha, b|Ô(1, 2)|a, biA
−
Z
d 3 r1
Z
=
Z
3
d r1
Z
e2
d r2 |ϕa (r1 )| |χ (1)| |ϕb (r2 )| |χ (2)|
| {z }
| {z } 4π²0 |ri − rj |
3
2
sa
=1
2
2
sb
2
=1
³
´
³
´
† sb
† sa
3
∗
sa
∗
sb
d r2 ϕa (r1 )ϕb (r1 ) [χ (1)] χ (1) ϕb (r2 )ϕa (r2 ) [χ (2)] χ (2)
e2
4π²0 |ri − rj |
(3.3)
Der erste Term beschreibt die klassische Wechselwirkung zweier Ladungsverteilungen mit den
Dichten |ϕa (r1 )|2 und |ϕb (r2 )|2 . Falls sa = sb haben die Spins die gleiche Ausrichtung und man
erhält einen zweiten Term (die Austausch-Wechselwirkung) der die Energie absenkt.
Kapitel 4
Atomphysik
4.1
Zentralfeldmodel und Periodensystem
Das Atom ist ein Vielteilchenproblem bestehend aus dem Kern mit Ordnungszahl Z und N
Elektronen (N = Z beim neutralen Atom).
Vernachlässige die Bewegung des Atomkernes. Dann lautet der Hamiltonoperator:
¶ X
N µ
X
e2
Ze2
p̂2i
Ĥ(r1 , . . . rN ) =
−
+
+ĤSpin-Bahn + Ĥrelativistisch
2m
4π²
|r
|
4π²
|r
−
r
|
e
0
i
0
i
j
|i=1
{z
} |i<j
{z
}
Einteilchen-Hamilton-Operator
(4.1)
ee-Wechselwirkung
Wir nähern nun das Kernpotential und die Wechselwirkung mit den anderen N − 1 Elektronen
durch ein effektives kugelsymmetrisches Einteilchen-Potential φ(|r|, N, Z), das Zentralfeld, und
setzen:
Ĥ(r1 , . . . rN ) = Ĥ0 (r1 , . . . rN ) + V̂ (r1 , . . . rN ) + ĤSpin-Bahn + Ĥrelativistisch
(4.2)
mit dem Einteilchen-Operator
¶
N µ
X
p̂2i
Ĥ0 (r1 , . . . rN ) =
+ φ(|ri |, N, Z)
2me
i=1
und der Störung
V̂ (r1 , . . . rN ) =
X
i<j
N
X
e2
−
4π²0 |ri − rj | i=1
µ
Ze2
+ φ(|ri |, N, Z)
4π²0 |ri |
die durch eine geeignete Wahl von φ(|ri |, N, Z) möglichst klein sein soll.
¶
,
Da Ĥ0 in den Koordinaten separiert, und nicht vom Spin abhängt, kann man die Gesamtwellenfunktion als Produkt von Einteilchen-Zuständen (mit Index i = 1, . . . N ) der Form
Rnl (ri )Ylm (θi , ϕi )χms (i) schreiben. Da die Elektronen identische Teilchen sind, muss die Gesamtwellenfunktion antisymmetrisiert werden. Dabei ist die Gesamtenergie die Summe der
Einteilchen-Energien Enl , vergl. Abschnitt 3.3.1. Die Quantenzahlen n und l werden analog
29
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
30
zum Wasserstoff-Atom sortiert (n = l + 1+Anzahl der Knoten, so dass l ∈ {0, 1, . . . n − 1}). Für
die Drehimpulse l = 0, 1, 2, 3 verwendet man die Kleinbuchstaben s, p, d, f . Allerdings nimmt
nun die Energie bei festem n mit l zu. Dies kann man so verstehen, dass die Radialfunktionen Rnl mir steigendem l in der Nähe des Kerns eine geringere Aufenthalts-Wahrscheinlichkeit
haben, und somit nur ein durch die anderen Elektronen abgeschirmtes Kernpotential spüren.
Im Grundzustand werden nun die Niveaus mit den niedrigsten Energien besetzt. Damit erhält
man folgende Reihenfolge der Energieniveaus:
1s, 2s, 2p, 3s, 3p, [4s, 3d], 4p, [5s, 4d], 5p, [6s, 4f, 5d] 6p
2
2
6
2
6
2 + 10
6
2 + 10
6 2 + 14 + 10 6
Dabei unterscheiden sich die Energien der eingeklammerten Multipletts nur schwach, was insbesondere zu Unterschieden zwischen Atomen und Ionen gleicher Elektronenzahl führt. Z.B. hat
Mangan (Mn, Z=25) 1s2 , 2s2 , 2p6 , 3s2 , 3p6 , 4s2 , 3d5 , Eisen (Fe, Z=26) 1s2 , 2s2 , 2p6 , 3s2 , 3p6 , 4s2 , 3d6
aber das Eisenion Fe+ 1s2 , 2s2 , 2p6 , 3s2 , 3p6 , 4s1 , 3d6 .
Abgeschlossene Schalen zeigen eine radialsymmetrische Ladungsverteilung, was aus den Eigenschaften der Kugelflächenfunktionen folgt.
4.2
Grobstruktur
Betrachtet man die Vielteilchen-Wechselwirkung V̂ aus Gl. (4.2) als Störung, so ergibt sich
eine Verschiebung der Gesamtenergien und eine Aufhebung von Entartungen. Dabei zeigt ein
Atom mit abgeschlossenen Schalen wegen des Pauli-Prinzips keine Entartung. Im Folgenden
konzentrieren wir uns auf teilweise gefüllte Schalen.
Beispiel: Kohlenstoff hat keine Entartungen in den gefüllten Schalen 1s2 , 2s2 . Dagegen hat man in der 2p Schale
¡ ¢zwei Elektronen in 2(2l + 1) = 6 verfügbaren
Zuständen. Diese können durch 62 = 15 mögliche Kombinationen besetzt werden.
Jede dieser Kombinationen entspricht einem antisymmetrisierten Produktzustand
der Einteilchen-Wellenfunktionen.
Die Störung durch die Vielteilchen-Wechselwirkung hebt die Entartung auf. Die neuen Eigenzustände sind Linearkombinationen der einzelnen Slater-Determinanten aus Produktzuständen.
4.2.1
Klassifikation der Vielteilchen-Zustände
Es gilt [Ĥ0 , L̂i ] = 0, da Ĥ0 sich aus der Summe zentralsymmetrischer Einteilchen-HamiltonOperatoren zusammensetzt. Nun ist
·
¸
µ
¶
1
~ (ri − rj )
~
1
L̂i ,
= ri × −
=
ri × rj 6= 0
3
|ri − rj |
i |ri − rj |
i |ri − rj |3
Demnach kommutiert V̂ nicht mit den einzelnen Drehimpuls-Operatoren und es lässt sich keine
2
gemeinsame Basis aus Eigenzuständen aller
P L̂i und Ĥ0 + V̂ [aus Gl. (4.2)] konstruieren. Dagegen
gilt mit dem Gesamtdrehimpuls L̂ges = i L̂i .
¸
·
1
~
1
=
(ri × rj − rj × ri ) = 0
L̂ges ,
|ri − rj |
i |ri − rj |3
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
31
Also folgt: [L̂ges , V̂ ] = 0 Ebenso kommutieren Ĥ0 und V̂ mit allen Komponenten des GesamtP
spins Ŝges = i Ŝi .
Deswegen gibt es eine gemeinsame Basis der Operatoren Ĥ0 + V̂ , L̂2ges , L̂ges z , Ŝ2ges , und Ŝges z ,
die durch die Quantenzahlen L, ML , S, MS (Großbuchstaben für die jeweiligen Gesamtdrehimpulse) klassifiziert werden.
Folglich lassen sich die Eigenzustände der Störmatrix hi|V̂ |ji in Multipletts mit den Quantenzahlen L (dargestellt durch die Großbuchstaben S, P, D, F, G, H . . . für L = 0, 1, 2, 3, 4, 5 . . .)
und S mit (2L + 1)(2S + 1)-facher Entartung einordnen. Diese Zustände bezeichnet man in der
Spektroskopie mit (2S+1) L.
Dabei werden die möglichen Kombinationen durch die folgenden Forderungen eingeschränkt:
• Die Zustände müssen als Linearkombinationen der Produktzustände der äußeren
P Schale
darstellbar sein. So kann z.B. L nicht größer sein als die maximale Summe i mi der
z-Komponente der Einteilchen-Drehimpulse, da ML = L im Multiplett sein muss.
• Die Gesamtwellenfunktion muss total antisymmetrisch bezüglich der Vertauschung der
Teilchen sein. Demnach ist entweder der Spin-Anteil symmetrisch und der Bahnanteil
antisymmetrisch oder umgekehrt.
Technisch führt man dies anhand des Young-Schemas durch (Landau-Lifschitz).
Beispiel: Kohlenstoff mit der Konfiguration 1s2 , 2s2 , 2p2 . P
Die zwei Valenzelektronen haben mi = −1, 0, 1,
Pdamit ist i mi ≤ 2 und es sind
nur L = 0, 1, 2 möglich. Ebenso ist im Spinraum i ms (i) ≤ 1 und es kommen nur
die Gesamtspins S = 0, 1 in Frage.
Die Bahnfunktionen zum Gesamtdrehimpuls L = 0, 2 sowie die Spinfunktionen zum Gesamtspin S = 1 sind symmetrisch, ansonsten sind sie antisymmetrisch.
Deswegen kommen nur die Zustände 1 S (einfach entartet), 3 P (neunfach entartet)
und 1 D (fünffach entartet) in Frage. Zusammen sind dies die 15 Eigenzustände der
Störmatrix.
4.2.2
Hund’sche Regeln
Die Frage, welches der Multipletts die niedrigste Energie hat, beantworten die (empirischen)
Hund’schen Regeln.
1. Je größer S, desto niedriger ist die Energie. (Für den Zustand mit MS = S bedeutet das,
dass möglichst viele Spins der Einteilchenzustände ms = 1/2 haben, also parallel stehen.)
Dies lässt sich durch eine möglichst starke Austauschwechselwirkung motivieren.
2. Bei gleichem S liegt die Energie um so niedriger, je größer L ist.
Beispiel: Für das Kohlenstoffatom bedeutet das, dass das 3 P Multiplett den Grundzustand, das 1 D Multiplett den ersten angeregten Zustand und das 1 S Multiplett
den zweiten angeregten Zustand bildet.
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
4.3
32
Feinstruktur
Durch den Spin-Bahn-Term in Gl. (4.2) wird die Entartung der Multipletts weiter reduziert.
Entsprechend dem Wasserstoffatom in Abschnitt 1.6.3 gilt nun für den Gesamtdrehimpuls
Ĵges = L̂ges + Ŝges
[Ĵges , Ĥ] = 0, [L̂2ges , Ĥ] = 0, [Ŝ2ges , Ĥ] = 0,
und die Quantenzahlen J, MJ , L, S sind gute Quantenzahlen. Dabei kann J die Werte |L − S| ≤
J ≤ L + S annehmen. Für feste L, S spalten die Energieniveaus bezüglich J auf. Die Zustände
werden mit (2S+1) LJ bezeichnet.
Dabei gilt, dass im niedrigsten Multiplett für weniger als halb gefüllte Schalen, die Energie mit
J wächst, ansonsten fällt sie (siehe Landau-Lifschitz).
Für das Kohlenstoffatom bedeutet das, dass das 3 P Multiplett in 3 Zustände 3 P0 ,
3
P1 , 3 P2 aufspaltet, die nach wachsender Energie geordnet sind.
Anmerkung:
Hierbei wurde vorausgesetzt, dass ĤSpin-Bahn eine kleine Störung der Grobstruktur ist, d.h.
ĤSpin-Bahn ¿ V̂ . In diesem Sinne wurde angenommen, dass man sich auf den entarteten Unterraum mit festem S und L beschränkt. Dies bezeichnet man als LS-Kopplung (auch RusselSaunders-Kopplung) und ist für leichte und mittelschwere Atome gerechtfertigt.
Umgekehrt gilt für sehr schwere Atome ĤSpin-Bahn À V̂ . Dann ist es sinnvoll, erst den EinteilchenHamilton-Operator Ĥ0 + ĤSpin-Bahn zu diagonalisieren. Dieser vertauscht mit den EinteilchenGesamtdrehimpuls-Operatoren Ĵi = L̂i + Ŝi . Deswegen kann man die Zustände nach den Quantenzahlen
ji (Eigenwert j(j + 1)~2 bzgl. Ĵ2i ) klassifizieren. Störungstheorie bezüglich V̂ spaltet
Q
die i (2ji + 1)–fach entarteten Zustände auf, was man als jj-Kopplung bezeichnet.
4.4
Allgemeine Behandlung von Vielteilchen-Systemen
In vielen Systemen (Atome, Moleküle, Festkörper) dominiert die Elektron-Elektron Wechselwirkung das Verhalten. Solche Systeme sind nie exakt lösbar. Häufig verwendet man folgende
Hierarchie um die Ursache verschiedener Effekte zu klassifizieren:
Hartree-Näherung: Betrachte Produktzustände aus geeigneten Einteilchen-Zuständen unter
Beachtung des Pauli-Prinzips.
Hartree-Fock-Näherung: Betrachte antisymmetrisierte Produktzustände, die Korrektur in
der Energie (vergleiche Abschnitt 3.3.2) bezeichnet man als Austauschenergie E x .
Korrelationseffekte: Die wahre“ Vielteilchen-Wellenfunktion ist eine Linearkombination von
”
vielen antisymmetrisierten Produktzuständen. Dies führt zu weiteren Korrekturen in der
Energie, die man als Korrelationsenergie Ec . bezeichnet, und oft schwer abschätzbar ist.
Eine beliebte Näherung ist die Dichtefunktionaltheorie (siehe z.B. Scherz), in der man ein effektives Einteilchen-Potential konstruiert, das sowohl die Austausch als auch die Korrelationsenergie
(zusammen Exc ) näherungsweise berücksichtigt.
Teil II
Thermodynamik und Statistische
Physik
33
Kapitel 5
Prinzipien der Thermodynamik und
Statistik
In der klassischen Mechanik wird ein System durch Angabe der Orts- und Impulskoordinaten beschrieben (z.B. Zustand des Sonnensystems = Positionen der Planeten). Entsprechend
wird in der Quantenmechanik ein System durch die Angabe der Quantenzahlen (bzw. Linearkombinationen solcher Zustände) charakterisiert (z.B. Das Atom durch Gesamt-Drehimpuls,
Gesamtpin, etc). Dies ist jeweils eine vollständige Beschreibung des Systems.
Bei makroskopischen Systemen ist eine solche vollständige Beschreibung weder möglich noch
sinnvoll. Z.B. weiß man genau, was man bekommt, wenn man ein Glas Whisky in der Kneipe
bestellt. Hier genügt die Angabe weniger Informationen (Volumen, Marke und Temperatur) um
das Gewünschte sehr genau zu beschreiben.
Ziel der Thermodynamik ist es zu untersuchen, welche Angaben notwendig sind, um solche
makroskopischen Systeme zu charakterisieren. Hierzu geht man wie folgt vor: Anstatt eines
definierten Zustandes mit festen Koordinaten bzw. Quantenzahlen untersucht man ein Ensemble von solchen Zuständen, in dem man jedem Zustand eine bestimmte Wahrscheinlichkeit
zuschreibt.
5.1
Einführendes Beispiel
Betrachte ein Wasserfass mit Volumen V und N gelösten Teilchen. Nun soll ein Teilvolumen
V1 = V /M abgetrennt werden. Wie viele Teilchen sind darin?
Lösung:
1. Teile das Volumen in M gleiche Zellen auf. Jedes Teilchen kann in M Zellen sein → M N
mögliche Kombinationen (Zustände).
2. Bestimme die Anzahl F (N1 ) der möglichen Zustände mit N1 Teilchen in V1
¡ ¢
• Wähle N1 Teilchen aus: NN1 Möglichkeiten mit dem Binominalkoeffizient
µ ¶
N!
N
=
N1
N1 !(N − N1 )!
34
35
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
• (N − N1 ) Teilchen werden auf die anderen (M − 1) Zellen verteilt: (M − 1)(N −N1 )
Möglichkeiten
¡ ¢
Als Ergebnis haben wir F (N1 ) = NN1 (M − 1)(N −N1 ) . Probe:
N
X
N1
¶
N µ
X
N N1
F (N1 ) =
1 (M − 1)(N −N1 ) = (1 + M − 1)N = M N ¤
N
1
=0
N =0
da (a + b)N =
1
PN ¡N ¢
i=0
i
ai bN −i
3. Annahme: Jeder Zustand tritt mit der gleichen Wahrscheinlichkeit 1/M N auf. Dies ist
nicht erfüllt, wenn die Teilchen gerade an einer Stelle eingefügt wurden. Für normale
Systeme tritt aber nach einiger Zeit eine Gleichverteilung durch Diffusionsprozesse auf.
4. Damit erhält man die mittlere Teilchenzahl:





µ ¶
¶N  X
M


N
M −1
1
−N
1

N
α
N1 F (N1 ) =
hN1 i = N
1


N1
M N =0
M
N1 =0

1
|
{z
}
N
d P
−N1
=−α dα
N1 ( N1 ) α
|α=(M −1)
µ
µ
¶N "
µ
¶N #
¶N "
µ
¶N −1 #
M −1
M −1
d
1
1
1
=
−α
=
N
1+
1+
M
dα
α
M
α
α
|α=(M −1)
|α=(M −1)
µ
¶N
µ
¶N −1
M −1
N
N
M
=
=
= Np
M
M −1 M −1
M
(5.1)
M
X
µ
mit der Wahrscheinlichkeit p = 1/M für ein Teilchen im Volumen V1 zu sein.
5. Ebenso erhalten wir:
)#
(
¶
¶N "
M µ
X
M −1
1
d
N
d
α−N1
N12 F (N1 ) =
hN12 i = N
(−α)
(−α)
M N =0
M
dα
dα N =0 N1
1
1
|α=(M −1)
"
)#
(
µ
¶N
µ
¶N
M −1
d
N
d
1
N (N − 1)
=
(−α)
=
(−α)
1+
+
M
dα
dα
α
M
M2
M
X
µ
|α=(M −1)
Daraus folgt die Standardabweichung σ mit:
N (N − 1)
N
+
−
σ = h(N1 − hN1 i) i =
M
M2
2
2
µ
N
M
¶2
N
=
M
µ
1
1−
M
¶
= N p(1 − p) (5.2)
Zahlenbeispiel: Ein Glas Whisky enthält V1 = 20cm3 mit 43 Vol% (entspricht dem Mittelwert), also 8.6cm3 Alkohol (C2 H6 O). Mit der Dichte ρAlk = 0.789g/cm3 , der Molmasse
36
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
MAlk = 46.07g/mol und der Avogadro-Konstanten NA = 6.022 × 1023 /mol folgt die mittlere
Anzahl von Alkohol-Molekülen im Glas
hN1 i = 8.6cm3 ρAlk
Na
= 8.87 × 1022
MAlk
Die relative Schwankung ist dabei (mit p ¿ 1 für großes Whiskyfass)
√
σ
1−p
= p
= 3.4 × 10−12
hN1 i
hN1 i
Damit stimmt die wirkliche Anzahl der Alkohol-Moleküle mit extrem guter Genauigkeit (auf
11 Stellen) mit dem Mittelwert überein.
5.2
Zur Wahrscheinlichkeits-Rechnung
Im Folgenden definieren wir die grundlegenden Bezeichnungen:
Zufallsvariablen sind Größen, deren Wert statistischen Schwankung unterliegen. Beispiele: (i)
Die Oberseite eines Würfels kann die Zahlen X = 1, 2, 3, 4, 5, 6 zeigen (diskrete Werte).
(ii) Die Geschwindigkeit eines Gasmoleküls X = v ist eine kontinuierliche Zufallsvariable.
Wahrscheinlichkeit P (X = a), dass X den diskreten Wert a annimmt;
P bzw. P (X = a)da,
dass
X
im
Intervall
da
um
a
liegt.
Dabei
gilt
die
Normierung
a P (X = a) = 1, bzw
R
da P (X = a) = 1.
P
Erwartungswert
einer Zufallsvariable X: hXi = a P (X = a)a, bzw.
R
hXi = da P (X = a)a.
p
Standardabweichung der Zufallsvariablen X: σX = hX 2 i − (hXi)2 .
Verbundwahrscheinlichkeit P (X = a, Y = b), dass die Zufallsvariable X den Wert a und
die Zufallsvariable Y den Wert b annimmt. Die Zufallsvariablen X und Y sind unabhängig,
wenn P (X = a, Y = b) = P (X = a)P (Y = b) gilt.
Funktionen von Zufallsvariablen F (X, Y, . . .) sind neue Zufallsvariablen.
Binominalverteilung: Seien Xi für i = 1, . . . N unabhängige Zufallsvariable mit den Werten
0, 1 und
P P (Xi = 1) = p, P (Xi = 0) = 1 − p. Dann erfüllt die Summe der Zufallsvariablen
S = i Xi die Binominalverteilung
µ ¶
N n
P (S = n) =
p (1 − p)N −n
n
mit hSi = N p und σS2 = N p(1 − p).
P
Summe identischer und unabhängiger Zufallsvariablen: Für die Summe S = N
i=1 Xi
von identischen und unabhängigen Zufallsvariablen Xi (z.B. die Summe der Zahlen vieler
37
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
Würfel oder die Summe der kinetischen Energien vieler Gasmoleküle) mit Mittelwert
hXi i = µ und Standardabweichung σXi = σ gilt
X
hSi =
hXi i = N µ
(5.3)
i
sowie
hS 2 i =
X
2
hXi Xj i = N hXi2 i + (N 2 − N )µ2 = N (σX
+ µ2 ) + (N 2 − N )µ2 = N σ 2 + hSi2
i
|
{z
}
i,j
Ergebnis für i6=j
Damit gilt
σS =
√
Nσ
PN
(5.4)
Zentraler Grenzwertsatz: Für die Summe S = i=1 Xi von identischen und unabhängigen
Zufallsvariablen Xi hat man im Grenzfall N → ∞ die universelle Wahrscheinlichkeitsverteilung (Gauß-Verteilung)
·
¸
1
(a − hSi)2
P (S = a)da = √
exp −
da
2σS2
2πσS
Für einen Beweis, siehe z.B. Reiff.
In der Praxis verwenden wir oft die vereinfachte Schreibweise P (X), wobei zwischen der Zufallsvariablen und ihrem aktuellen Wert nicht unterschieden wird.
5.3
Das Spinsystem
Als Beispiel werden wir öfter ein System von N Spins mit den Einstellungen si = ±1/2 betrachten. Dies kann als ein Modellsystem für ein Gas magnetischer Moleküle betrachtet werden.
Sei N± die Anzahl der Spins mit si = ±1/2 und m = (N+ − N− )/2 = N+ − N/2. Dann erhalten
wir die Magnetisierung (in z Richtung)
µ
¶
N
N+ N− gµB
gµB
1 X
gµB si =
−
=m
M=
V i=1
2
2
V
V
welche eine typische Zufallsvariable ist. Hierbei ist V das Volumen des Spinsystems ist, welches
proportional zu N ist.
Wir nehmen an, dass P (si = 1/2) = p für alle Spins gilt, die zunächst als unabhängige Zufallsvariablen betrachtet werden (Vernachlässigung der Spin-Spin Wechselwirkung im dünnen Gas).
¡ ¢
Dann folgt N+ einer Binominalverteilung mit P (N+ = i) = PBinom (N+ = i) = pi (1 − p)N −i Ni .
Aus dem zentralen Grenzwertsatz folgt für N → ∞
¶
µ
1
(i − N p)2
P (N+ = i) ∼ PGauß (N+ = i) = p
exp −
2N p(1 − p)
2πN p(1 − p)
38
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
0.08
N=100
N=10
P Binom
P Gauß
0.25
P Binom
P Gauß
0.06
P(m)
P(m)
0.2
0.15
0.04
0.1
0.02
0.05
0
-4
-2
0
m
2
0
4
-40
-20
0
m
20
40
Abbildung 5.1: Wahrscheinlichkeitsverteilungen P (m) des Spinsystems für p = 0.5.
30
N=10
N=100
N=1000
P(m/N)
20
10
-0.4
-0.2
0
0.2
m/N=Magnetisierung [N/V* gµB]
0.4
Abbildung 5.2: Wahrscheinlichkeitsverteilungen der mittleren Magnetisierung pro Spindichte
für verschiedene Systemgrößen.(p = 0.5)
Speziell wird für p = 1/2 gerade hmi = 0 und somit:
¶
µ
1
N
PBinom (m = j) = PBinom (N+ = N/2 + j) = N
N/2 + j
2
r
µ
¶
2
2j 2
PGauß (m = j) = PGauß (N+ = N/2 + j) =
exp −
πN
N
(5.5)
(5.6)
Aus Abbildung 5.1 entnimmt man, dass beide Verteilungen schon bei recht kleinen N sehr gut
übereinstimmen. Für N = 100 ist die Wahrscheinlichkeit, dass |m| > 26 angenommen wird,
kleiner als 7 × 10−8 (die Wahrscheinlichkeit, im Lotto sechs Richtige zu haben). Demnach ist
es praktische ausgeschlossen, dass mehr als 75% aller Spins in eine Richtung zeigen. Abbildung
5.2 zeigt die Wahrscheinlichkeit eine bestimmte Magnetisierung (bei vorgegebener Spindichte
N/V ) zu beobachten. Hierbei wird angenommen, dass das Volumen proportional zur Anzahl der
Spins ist. Man erkennt, dass mit wachsender Teilchenzahl die Magnetisierung M = 0 dominiert.
39
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
5.4
Darstellung der Wahrscheinlichkeits-Verteilung
Im Folgenden soll die probabilistische Beschreibung im Rahmen der Standard-Theorien der
Theoretischen Physik formalisiert werden.
5.4.1
Klassischer Phasenraum
In der (Hamiltonschen) klassischen Mechanik wird jeder Zustand durch einen Punkt im 2f dimensionalen Phasenraum der Koordinaten pi , qi definiert, dessen Dynamik durch die Hamiltonfunktion H(p, q, t) bestimmt wird. Dann ist ρ(p, q, t)df p df q die Wahrscheinlichkeit, den
Zustand im Volumen df p df q um p, q zu finden. Die Kontinuitätsgleichung im Phasenraum
liefert:


f
X

 ∂ρ
∂
∂ρ


+
ρ(p, q, t) = −
ṗ
q̇
i
i
 ∂pi |{z} ∂qi |{z} = {ρ, H}
∂t
i=1
∂H
=− ∂q
∂H
= ∂p
i
i
mit der Poisson-Klammer {ρ, H} (vergl. Theoretische Physik Ia).
Demnach sind Verteilungen ρ(p, q) = f (H(p, q)), die eine Funktion der (zeitunabhängigen)
Hamiltonfunktion sind, stationär.
5.4.2
Quantenmechanische Dichtematrix
P
Quantenmechanisch ist jeder Zustand eine Linearkombination |Ψi =
i ai |ϕi i von Basiszuständen |ϕi i des Vielteilchen-Hilbertraumes. Das Ensemble besteht aus verschiedenen normierten Zuständen |Ψi. Erwartungswerte einer Observablen  lassen sich dann wie folgt umformen:
X
hhÂiQm Erwartungswert iEnsemble = h
a∗i hϕi |Â|ϕj i aj iEnsemble
| {z }
i,j
=Aij
und man erhält
hhÂiQm Erwartungswert iEnsemble =
mit der Dichtematrix
X
i,j
Aij ρji ≡ Spur{Âρ̂}
ρij = hai a∗j iEnsemble
und dem Dichteoperator
ρ̂ =
X
i,j
|ϕi iρij hϕj |
P
Aus der Normierung der einzelnen Zustände i |ai |2 = 1 folgt
X
Spur{ρ̂} =
h|ai |2 iEnsemble = 1
i
(5.7)
40
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
Da die Dichtematrix hermitesch ist, gibt es eine Basis |ϕ̃i i des Hilbertraumes, in der sie diagonal,
d.h.


λ1 0 0 . . .
X
 0 λ2 0 . . . 
 bzw. ρ̂ =
|ϕ̃i iλi hϕ̃i |
ρ̃ij = hϕ̃i |ρ̂|ϕ̃j i = 
 0 0 λ3 . . . 
i
...............
Dabei gilt für die Eigenwerte λi :
1. λi ∈ R, da Eigenwerte einer hermiteschen Matrix
2. λi ≥ 0, da sie die Wahrscheinlichkeit angeben, dass das System den Zustand |ϕ̃i i annimmt.
P
3. Es gilt i λi = 1 wegen Gl. (5.7).
Da
ρ̂ρ̂ =
X
i
|ϕ̃i iλ2i hϕ̃i |
P
folgt aus ρ̂ρ̂ = ρ̂ direkt, dass λi ∈ {0, 1}. Da i λi = 1, gibt es dann genau ein n mit λn = 1
und λi = 0 für i 6= n. In diesem Fall liegt ein reiner Zustand |ϕ̃n i vor. In einem Gemisch ist
mehr als ein λi 6= 0. Also folgt für diese i, dass λ2i < λi gilt. Deswegen ist dann Spur{ρ2 } < 1.
Zusammengefasst haben wir:
Spur{ρ2 } = 1
Spur{ρ2 } < 1
⇔ Reiner Zustand mit Dichteoperator ρ̂ = |ϕ̃n ihϕ̃n |
⇔ Gemischter Zustand
Die Zeitentwicklung des Dichteoperators folgt der von Neumann Gleichung
¿µ
¶
µ
¶À
1
∂ ρ̂
∂
i
i
= h|ΨihΨ|iEnsemble =
Ĥ|Ψi hΨ| + |Ψi hΨ| Ĥ
= h[ρ̂, Ĥ]iEnsemble .
∂t
∂t
i~
~
~
Ensemble
Man liest direkt ab:
Ist der Dichteoperator eine Funktion des Hamiltonoperators ρ̂ = f (Ĥ), so ist er stationär.
5.5
Programm der Thermodynamik
Ziel der Thermodynamik ist es
• Exakte“ Aussagen über makroskopische Systeme
”
• Statistische Aussagen über mikroskopische (atomare) Systeme
zu machen. Hierbei gibt man lediglich makroskopische Größen, wie Volumen, Gesamtenergie,
Teilchenzahl, etc vor. Diese stellen Nebenbedingungen für die mikroskopischen Freiheitsgrade
(klassischer Phasenraum oder quantenmechanische Zustände) dar. So sind z.B. für ein isoliertes
System alle Erhaltungsgrößen (insbesondere die Gesamtenergie) und das Volumen konstant.
Das System hat dann aber immer noch eine Vielzahl mikroskopischen Freiheitsgrade hat.
41
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
5.5.1
Das grundlegende Postulat
Im Programm der Thermodynamik untersuchen wir anstelle eines definierten Zustandes mit
festen Koordinaten bzw. Quantenzahlen ein Ensemble von solchen Zuständen, in dem man
jedem Zustand eine bestimmte Wahrscheinlichkeit zuschreibt.
Dabei machen wir folgendes grundlegendes Postulat:
Im thermodynamischen Gleichgewicht wird ein isoliertes System durch ein statistisches Ensemble charakterisiert, das alle mit den Nebenbedingungen verträglichen Zustände mit gleicher
Wahrscheinlichkeit annimmt.
5.5.2
Weshalb macht das statische Ensemble Sinn?
In der Realität liegt ein System mit einem definierten Zustand vor. Wodurch ist die Beschreibung durch eine Ensemble gerechtfertigt? Hierzu gibt es zwei Ansätze:
1. In der zeitlichen Entwicklung kommt das System p(t), q(t) jedem zugänglichem Punkt im
Phasenraum beliebig nahe (Ergodenhypothese). Das Zeitmittel einer Phasenraumfunktion
A(p, q) entspricht dann dem Ensemblemittel, d.h.
1
T
Z
T
dt A(p(t), q(t)) =
0
Z
d3 qd3 p ρ(p, q)A(p, q)
Damit entspricht die Wahl des Ensembles einer Mittelung über die Zeit. Dabei ergibt
sich das Problem, dass man die Zeit T in der Regel sehr groß wählen muss, um einen
repräsentativen Teil des Phasenraumes zu durchlaufen. Ferner ist die Ergodenhypothese
nur für spezielle Hamiltonfunktionen beweisbar.
2. Das Ensemble beschreibt die Unkenntnis des Betrachters. Gleiche Wahrscheinlichkeit aller
Zustände bedeutet maximale Unkenntnis. (Informationstheoretischer Zugang, siehe z.B.
Schlögl.) Zu diskutieren ist dabei die Frage, ob sich das System unterschiedlich verhält,
je nachdem ob ein Beobachter mehr oder weniger Kenntnis von Details hat.
5.5.3
Welche Aussagen kann man aus dem Ensemble verschiedener
Zustände ziehen?
Für große Systeme und makroskopische Observablen zeigt die Verteilungsfunktion des Wertes
der Observablen häufig einen extrem scharfen Peak. Dann stimmt der statistische Mittelwert
der Observablen (bzw. der Wert mit höchster Wahrscheinlichkeit) mit dem Messwert für den
vorliegenden Zustand mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit sehr genau überein. Dies ist immer
dann der Fall, wenn sich der Phasenraum in viele nahezu unabhängige und nahezu identische
Teilräume zerlegen lässt, die gleichartig in die Observable eingehen. Andernfalls (z.B. auf der
atomaren Skala) kann man nur Wahrscheinlichkeitsaussagen machen.
Kapitel 6
Gleichgewichts-Verteilungen
6.1
Mikrokanonische Verteilung und Entropie
Wir betrachten ein abgeschlossenes System, d.h. die Energie, die Teilchenzahl und das Volumen
sind fest vorgegeben.
Das Gleichverteilungspostulat besagt, dass alle möglichen Zustände (Mikrozustände) gleich
wahrscheinlich sind. Die entsprechende Wahrscheinlichkeits-Verteilung nennt man die Mikrokanonische Verteilung. Es gilt (klassisch)
½
const wennH(p, q) = E
ρ(p, q; E) =
0
sonst
Zur Vermeidung der Singularität wählt man in der Regel eine endliche Energiebreite E − ∆E <
H < E.
Beispiel 1: Eindimensionaler harmonischer Oszillator H(p, q) = p 2 /2m+mω 2 /2. Die Zustände
E − ∆E < H < E bilden eine Scheibe der Fläche:
Z
Z
Γ = dq dp Θ(E − H)Θ(H − E + ∆E)
Variablentransformation x = q
2
Γ=
ω
Z
Z
p
√
mω 2 /2, y = p/ 2m. Dann ist H(x, y) = x2 + y 2 und
4π
dx dy Θ(E − x2 − y 2 ) Θ(x2 + y 2 − E + ∆E) =
{z
}|
{z
}
|
ω
| R {z }
Θ(E−r 2 )
Θ(r 2 −E+∆E)
Z
√
E
√
E−∆E
dr 2πr
Damit erhalten wir:
ρ(p, q; E) =
½
1/Γ wenn E − ∆E < H(p, q) < E
0 sonst
Beispiel 2: N Spins im Magnetfeld B = Bez
X
µges · B =
H = −µ
−si gµB B = −gµB Bm
i
42
dr r =
2π
∆E
ω
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
43
In der mikrokanonische Verteilung (mit ∆E = |gµB B|) sind alle Zustände mit E − ∆E <
1
−gµB Bm
¡ <N E ¢gleich wahrscheinlich. Dies bedeutet m = mE = −[E/gµB B]. Also gibt es
Γ(E) = N/2+mE Möglichkeiten, die Spins so zu kombinieren, dass die Gesamtenergie E realisiert wird. Für 4 Spins und E = −gµB B/2 ergibt sich mE = −[−1/2] = 1 und Γ(E) = 4. Die
Wahrscheinlichkeitsverteilung ist:
½ 1
für {+ + +−}, {+ + −+}, {+ − ++}, {− + ++}
4
P (s1 , s2 , s3 , s4 ) =
0 sonst
Im thermodynamischen Gleichgewicht werden isolierte Systeme bei festen extensiven Variablen
E, V, N, . . . durch die mikrokanonische Verteilung beschrieben. Dabei ist die Wahrscheinlichkeitsverteilung
½ 1
falls Zustand mit Vorgaben verträglich
Γ
ρ=
0 sonst
und
Γ(E) =
Phasenraumvolumen
der zulässigen Zustände
Anzahl
Betrachtet man zwei entkoppelte abgeschlossene Systeme nebeneinander, so ist das gesamte
Phasenraumvolumen gerade das Produkt Γ1 (E1 )Γ2 (E2 ) beider Teile. Damit ist das Phasenraumvolumen keine extensive Größe, die linear mit der Systemgröße wächst. Eine solche extensive Größe erhält man, wenn man den Logarithmus bildet. Deswegen definieren wir die
Entropie S(E) = kB log(Γ(E)) eines isolierten Systems mit der
Boltzmann-Konstanten kB = 1.38 × 10−23 J/K.
Die Entropie beschreibt die Größe des zulässigen Phasenraumvolumens2 .
6.2
Energieaustausch zweier Systeme: Temperatur
Teile ein isoliertes System mit festem N, E, V in zwei Teilsysteme mit N1 , E1 , V1 und N2 , E2 , V2
auf. Die beiden Teilsysteme seien im thermischen Kontakt, d.h. Energieaustausch ist möglich,
Dagegen seien die Teilvolumina und Teilchenzahlen fixiert (z.B. zwei Getränkeflaschen in einer
Isolierbox). Was können wir dann über die Energien E1 und E2 aussagen?
Für eine bestimmte Aufteilung der Energien E1 , E2 = E − E1 hat man Γ1 (E1 )Γ2 (E − E1 )
verschiedene Realisierungen. Da man die Energie beliebig aufteilen kann hat man
X
Γ(E) =
Γ1 (E1 )Γ2 (E − E1 )
(E1 in Schritten ∆E)
E1
Realisierungen des Gesamtsystems, die alle die gleiche Wahrscheinlichkeit haben, da das isolierte Gesamtsystem durch die mikrokanonische Verteilung beschrieben wird. Demnach ist die
Wahrscheinlichkeit, die Energie E1 im Teilsystem 1 zu finden gerade P (E1 ) = Γ1 (E1 )Γ2 (E −
1
Die Gaußklammer [x] bezeichnet die größte ganze Zahl, die nicht größer als x ist.
Im klassischen Phasenraum hat Γ die Dimension (Js)f . Hier setzt man S = kB log(Γ(E)/hf ), wobei das
Plancksche Wirkungsquantum die Zellgröße dpdq renormiert.
2
44
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
E1 )/Γ(E). Welche Aufteilung hat nun die größte Wahrscheinlichkeit? Dies ergibt sich aus der
Bedingung:
d
[Γ1 (E1 )Γ2 (E − E1 )] = 0
dE1
Damit folgt mit E2 = E − E1
Γ2 (E2 )
d
d
Γ1 (E1 ) − Γ1 (E1 )
Γ2 (E2 ) = 0
dE1
dE2
⇒
d
d
log(Γ1 (E1 )) =
log(Γ2 (E2 ))
dE1
dE2
{z
} |
{z
}
|
!
d
S1 (E1 )
B dE
= k1
!
d
S2 (E2 )
B dE
= k1
Die wahrscheinlichste Aufteilung der Energie ist also durch die Bedingung
T1 = T 2
gegeben, wobei die Temperatur T durch
∂
1
=
S(E)
T
∂E
(6.1)
definiert ist.
Dies ist die thermodynamische Definition der Temperatur. Später werden wir zeigen, dass diese
Definition mit der Temperatur aus der Gasgleichung übereinstimmt.
6.2.1
Beispiel: Zwei Spinsysteme im thermischen Kontakt
Betrachte zwei Spinsysteme im thermischen Kontakt. Dabei sei die Gesamtenergie E = −m E gµB B
mit mE > 0 vorgegeben. Betrachte nun die Aufteilung der Energie E = E1 + E2 (bzw.
m1 + m2 = mE ) auf die beiden Teilsysteme (mit N1 , N2 Spins).
Wir haben nun für beide Teilsysteme das Phasenraumvolumen
r
µ
µ
¶
¶
2
Ni
2m2i
Ni
Γ(Ni , mi ) = Ni
exp −
≈2
+ mi
πNi
Ni
2
(6.2)
wobei wir die Identität der Gln. (5.5,5.6) für N → ∞ ausgenutzt haben. Damit lautet die
Temperatur
d
4kB mi
1
= kB
log(Γ(Ni , mi )) ≈
Ti
dEi
gµB B Ni
Die Gleichheit der Temperatur beider Teilsysteme liefert dann m1 /N1 = m2 /N2 und aus mE =
m1 + m2 sowie N = N1 + N2 folgt, dass in der Aufteilung mit der höchsten Wahrscheinlichkeit
mi = m̃i = mE Ni /N gilt.
Nun wollen wir die Anzahl der möglichen Aufteilungen direkt berechnen: Die Anzahl möglicher
der möglichen Kombinationen mit m1 (d.h. gleichzeitig m2 = mE − m1 ) beträgt
µ
µ
¶µ
¶
¶
Gl.(6.2)
2m21 2m22
N1
2
N2
N
F (m1 ) = N1
exp −
≈ 2 √
−
N2
+ m1
+ m2
N1
N2
π N1 N2
2
2
#
"
¶
µ
2
2N
N1
2m2
2
m1 − m E
exp − E −
=2N √
N
N1 N2
N
π N1 N2
45
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
Damit nimmt F (m1 ) sein Maximum bei m̃1 = mE N1 /N an, wie wir oben bereits gezeigt haben.
Dann ist m̃2 = mE N2 /N . Für das Gesamtsystem gibt es
r
µ
¶
2
2m2E
N
exp −
Γ(N, mE ) ≈ 2
πN
N
mögliche Zustände. Damit ist die Wahrscheinlichkeit einer Aufteilung mit m1 gerade
"
r
¶2 #
µ
F (m1 )
2N
2N
N1
P (m1 ) =
m1 − m E
≈
exp −
Γ(N, mE )
πN1 N2
N1 N2
N
p
Die Breite dieser Gaußverteilung ist σm1 = N1 N2 /4N ¿ N/2 für große N . Deswegen ist
dann m1 ≈ m̃1 mit großer (relativer) Genauigkeit erfüllt.
Betrachte nun die Entropien: Die Entropie des Gesamtsystems ist
µ
¶¸
·
2
2m2E 1
+ log
S(mE ) = kB log Γ(N, mE ) ≈ kB N log 2 −
N
2
πN
Die Entropien der Teilsystems sind Si (Ei ) = kB log Γ(Ni , mi ) und wir haben S1 (E1 ) + S2 (m2 ) =
kB log F (m1 ) Damit gilt:
Für die wahrscheinlichste Konfiguration gilt:
S1 (m̃1 ) + S2 (m̃2 ) = kB log F (m̃1 ) = kB
·
2m2E
N log 2 −
+ log
N
µ
2
√
π N 1 N2
¶¸
Damit ist für große N1 , N2 gerade S(mE ) ≈ S1 (m̃1 )+S2 (m̃2 ). Zahlenbeispiel für N = 1000, N1 =
N2 = 500, mE = 200:
S(mE ) = 609.47kB und S1 (m̃1 ) + S2 (m̃2 ) = 606.48kB
Zusammengefasst gilt:
Für zusammengesetze makroskopische Systeme im thermischen Kontakt gilt:
• Die Energie teilt sich so auf beide Teilsysteme auf, dass ihre Temperaturen gleich sind.
• Gleichzeitig wird die Summe der beiden Teilentropien maximal.
• Die Gesamtentropie ist additiv, d.h. S(E) ≈ S1 (Ẽ1 ) + S2 (Ẽ2 ), wenn man die Energien
Ẽi im Gleichgewicht betrachtet.
Daraus folgt, dass die Entropie wächst, wenn das System aus einer Anfangssituation mit
E1 6= Ẽ1 in das Gleichgewicht relaxiert.
6.3
Kanonische Verteilung
Betrachte ein System mit fester Teilchenzahl und festem Volumen, das die Energiezustände
|ii mit der Energie Ei annehmen kann. Dabei kann das System Energie mit einem großen
System mit Phasenraumvolumen ΓR (ER ) Energie austauschen (Thermischer Kontakt mit dem
46
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
Reservoir). Beide Systeme zusammen sollen ein isoliertes System bilden, dessen Gesamtenergie
EG = Ei + ER fest vorgegeben ist.
Mögliche Zustände:
Zustand des Systems Energie des Reservoirs
|1i
E G − E1
|2i
E G − E2
...
...
Gesamtzahl der Realisierungen
Anzahl von Realisierungen
ΓR (EG − E1 )
ΓR (EG − E2 )
P ...
ΓG = i ΓR (EG − Ei )
Nach dem grundlegenden Postulat sind für das isolierte Gesamtsystem alle Zustände gleich
wahrscheinlich. Damit ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Zustand |ii vorliegt gerade:
p(i) =
ΓR (EG − Ei )
ΓG
Nun ist die Energie des Systems Ei viel kleiner als die Energie der Gesamtsystems und wir
wollen ΓR (EG − Ei ) entsprechend nähern. Wie im folgenden Beispiel 6.3.1 demonstriert wird,
konvergiert die Tailorentwicklung von ΓR (EG − Ei ) um EG schlecht, da ΓR (E) für große System
exponentiell von der Energie abhängt. Dagegen konvergiert
log ΓR (EG − Ei ) ≈ log ΓR (EG ) − Ei
d
log ΓR (E)|E=EG + . . .
dE
für große Teilchenzahlen gut. Nun entspricht
β = 1/(kB T ) =
d
log ΓR (E)|E=EG
dE
gerade der inversenPTemperatur des Reservoirs, und wir erhalten ΓR (EG − Ei ) ≈ ΓR (EG )e−βEi
und ΓG = ΓR (EG ) i e−βEi . Daraus folgt
Für ein System mit den Zuständen |ii mit der Energie Ei , das im thermischen Kontakt mit
einem Reservoir der Temperatur T ist, werden die einzelnen Zustände mit der Wahrscheinlichkeit
X
e−βEi
(6.3)
p(i) =
mit der Zustandssumme Z =
e−βEi
Z
i
angenommen. Dabei ist β = 1/kB T . Dies ist die kanonische Verteilung.
6.3.1
Beispiel 1: Spinsystem als Reservoir
Für das Spinsystem haben wir nach Gl. (6.2)
r
µ
¶
2E 2
2
N
exp − 2
Γ(N, E) = 2
πN
α N
mit α = gµB B
Damit lautet die Taylorentwicklung
"
µ
¶2 #
−4EG
−4
1
−4EG
(−Ei )2 +. . .
Γ(N, EG −Ei ) = Γ(N, EG )+Γ(N, EG ) 2 (−Ei )+ Γ(N, EG ) 2 +
α N
2
α N
α2 N
47
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
Für eine endliche Magnetisierung (z.B. mE ∼ N/4) ist EG ∼ −αN/4. Ferner ist Ei von der
Größenordnung der Energie einzelner Spins, d.h. Ei ∼ α. Dann ist der Term der zweiten
Ordnung halb so groß wie der Term der ersten Ordnung und die Reihe konvergiert schlecht.
Dagegen ist für
Ã
r
!µ
¶
2(EG − Ei )2
log Γ(N, EG − Ei ) = log 2
−
α2 N
à r
!µ
¶
2EG2
4EG
1 4
2
2
N
− 2 − 2 (−Ei ) −
(−Ei )
= log 2
πN
α N
α N
2 α2 N
N
2
πN
der Term der zweiten Ordnung um einen Faktor 2/N kleiner als der Term der ersten Ordnung
und stellt somit eine gute Approximation dar.
6.3.2
Beispiel 2: Ein Spin im Kontakt mit einem Reservoir
Der Spin hat zwei mögliche Zustände |si mit s = ±1/2 und Es = −gµB Bs = −αs. Daraus
folgt:
Z = eβα/2 + e−βα/2 = 2 cosh(βα/2)
µ ¶
µ ¶
1
eβα/2
e−βα/2
1
p
=
=
p −
2
Z
2
Z
und wir erhalten das mittlere magnetische Moment
µ ¶
µ ¶
1 −gµB
gµB eβα/2 − e−βα/2
gµB
1 gµB
hµi = p
+p −
=
=
tanh(βα/2)
2
2
2
2
2 2 cosh(βα/2)
2
6.3.3
Beispiel 3: N Spins im Kontakt mit einem Reservoir
Das gesamte magnetische Moment µges =
PN
i=1
µi ist eine neue Zufallsvariable.
Für die Verteilung der einzelnen magnetischen Momente gilt nach dem letzten Abschnitt:
gµB
tanh(βα/2)
2
µ ¶³
µ ¶³
³ gµ ´2 £
¤
1
gµB ´2
gµB ´2
1
B
2
−
=p
1 − tanh2 (βα/2)
+p −
− hµi i =
2
2
2
2
2
³ gµ ´2
1
B
=
2
cosh2 (βα/2)
hµi i =
σµ2 i
Unter der Annahme, dass die einzelnen µi unabhängige Zufallsvariable sind, erhalten wir aus
(5.3,5.4) für das gesamte magnetische Moment des N -Teilchen-Systems.
gµB
tanh(βα/2)
2
³ gµ ´2
1
B
=N
2
2
cosh (βα/2)
hµges i = N
σµ2 ges
48
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
Da die Standardabweichung wesentlich langsamer als der Mittelwert wächst, wird die Verteilung
von µges im Grenzfall N → ∞ scharf und mit großer relativer Genauigkeit gilt µges = hµges i.
Dann ist auch die Gesamtenergie des Spinsystems E = −µges B mit großer relativer Genauigkeit
festgelegt und die Wahrscheinlichkeitsverteilung entspricht der mikrokanonischen Verteilung.
Für nicht allzu große Temperaturen mit βα/2 ¿ 1 gilt tanh(βα/2) ≈ βα/2 und es folgt das
Curie’sche Gesetz (nach Pierre Curie)
³ gµ ´2 B
B
hµges i ≈ N
2
kB T
6.3.4
Beispiel 4: Maxwell-Verteilung
Betrachte ein einzelnes Gasmolekül der Masse m, das in einen Kasten mit dem Volumen V
eingesperrt ist. Die Gravitation soll vernachlässigt werden. Wie lautet die Verteilung der Orte
und Impulse (bzw. Geschwindigkeiten)?
Mit der Hamiltonfunktion H(p, q) = p2 /2m eines freien Teilchens lautet die Zustandsumme
¶
µ
¶
¶3/2
µ
√ µ
Z
Z
Z
π 2m
p2
p2
2
3
3
= V 4π dp p exp −β
= V 4π
Z= dp
d q exp −β
2m
2m
4
β
V
Damit erhalten wir die Verteilung
ρ(p, q) =
³
´
p2
exp −β 2m
V (2mπkB T )3/2
die unabhängig von Ort q ist. Die Wahrscheinlichkeit ein Molekül der Geschwindigkeit |v| = v
zu finden, ist durch die Maxwell’sche Geschwindigkeitsverteilung
¶3/2
µ
¶
µ
Z
Z
mv 2
m
3
2
3
P (v) =
dp
exp −
d q ρ(p, q) δ(v − |p|/m) = 4πv
{z
}
|
2πkB T
2kB T
V
| {z
}
=mδ(p−mv)
R
=4π
dpp2
gegeben.
6.3.5
Allgemeine Formulierung
Die kanonische Verteilung kann man in der Quantenstatistik wie folgt allgemein formulieren:
Wähle eine
|ϕi i aus Eigenzuständen von Ĥ. Nach Gl. (6.3) folgt dann p(i) = e−βEi /Z
P Basis
−βEi
. Damit lautet der Dichteoperator
mit Z = i e
ρ̂ =
X
i
p(i)|ϕi ihϕi | =
X
X1
1
|ϕi ihϕi |
e−βEi |ϕi ihϕi | = e−β Ĥ
Z | {z }
Z
i
i
| {z }
=e−β Ĥ |ϕi i
=1̂
Entsprechend ist Z = Spur{e−β Ĥ }. Damit hat man eine basisunabhängige Darstellung von ρ̂
gefunden. Zusammenfassend gilt
49
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
Für ein System, das im thermischen Kontakt mit einem Reservoir der Temperatur T ist, gilt
die Wahrscheinlichkeitsverteilung
Z
e−βH(p,q)
mit Z = df pdf q e−βH(p,q)
(6.4)
klassisch
ρ(p, q) =
Z
quantenmechanisch
ρ̂ =
e−β Ĥ
Z
mit Z = Spur{e−β Ĥ }
(6.5)
Bemerkung: In beiden Fällen ist ρ eine Funktion von H, also eine stationäre Gesamtheit.
6.4
Großkanonische Verteilung
Betrachte ein abgeschlossenes System mit Energie E, Volumen V und Teilchenzahl N , das in
zwei Teilsysteme mit E1 , V1 , N1 und E2 , V2 , N2 aufgeteilt wird. Dabei soll Energie und Teilchenaustausch zwischen den Teilsystemen möglich sein, während die Teilvolumina fest sind. Dann
lautet das Zustandsvolumen des Gesamtsystems:
X
Γ1 (N1 , E1 )Γ2 (N − N1 , E − E1 )
Γ(N, E) =
E1 ,N1
und die Wahrscheinlichkeit N1 Teilchen mit der Gesamtenergie E1 im Teil 1 zu finden ist:
P (N1 , E1 ) =
Γ1 (N1 , E1 )Γ2 (N − N1 , E − E1 )
Γ(N, E)
Bedingung für das Maximum von P (N1 , E1 ):
∂P (N1 , E1 )
= 0 und
∂E1
∂P (N1 , E1 )
=0
∂N1
Aus der linken Bedingung folgt T1 = T2 wie in Abschnitt 6.2. Entsprechend wird die zweite
Bedingung umgeformt:
∂
∂
∂
[Γ1 (N1 , E1 )Γ2 (N − N1 , E − E1 )] = Γ2 (N2 , E2 )
Γ1 (N1 , E1 ) − Γ1 (N1 , E1 )
Γ2 (N2 , E2 ) = 0
∂N1
∂N1
∂N2
∂
∂
log[Γ1 (N1 , E1 )] =
log[Γ2 (N2 , E2 )]
⇔
∂N1
∂N2
Da S(N, E) = kB log[Γ(N, E)] folgt
Die wahrscheinlichste Aufteilung von Energie und Teilchenzahl ist durch die Bedingungen
T1 = T 2
und µ1 = µ2
gegeben, wobei das chemische Potential µ durch
µ = −T
∂
S(N, E)
∂N
(6.6)
definiert ist. Für makroskopische System nimmt N1 (ebenso wie E1 ) mit großer relativer
Genauigkeit den wahrscheinlichsten Wert an.
50
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
Betrachte nun ein System mit Teilchenzahl N und Energiezuständen Ei (N ), das mit einem
Reservoir Teilchen und Energie austauscht (z.B. eine offene Flasche in einem abgeschlossenen
Raum). Das Gesamtsystem aus System und Reservoir sei isoliert, so dass die Teilchenzahl N g
und die Energie Eg fest vorgegeben sei. Dann ist die Wahrscheinlichkeit, das System mit N
Teilchen im Zustand |ii zu finden gerade
P (N, i) = P
ΓR (Ng − N, Eg − Ei (N ))
i,N ΓR (Ng − N, Eg − Ei (N ))
Wie in Abschnitt 6.3 entwickeln wir
·
¸
1
ΓR (Ng − N, Eg − Ei (N )) = exp
SR (Ng − N, Eg − Ei (N ))
kB
 





 1 

∂
∂


≈ exp
SR (Ng , Eg ) −Ei (N )
SR (Ng , Eg )
SR (Ng , Eg ) − N

kB 
∂N {z
∂E {z


|
|
}
} 


=−µR /TR
=1/TR
und erhalten als Wahrscheinlichkeitsverteilung die
großkanonische Verteilung
p(N, i) =
eβ(µR N −Ei (N ))
Y
mit der großkanonischen Zustandssumme Y =
X
eβ(µR N −Ei (N ))
N,i
(6.7)
Bemerkung: Für mehrere Teilchensorten a, b, c gilt entsprechend
eβ(µa Na +µb Nb +µc Nc −Ei (Na ,Nb ,Nc ))
Y
wobei µa das chemische Potential der Spezies a im Reservoir ist.
p(Na , Nb , Nc , i) =
6.5
Erwartungswerte
Wir definieren die
Innere Energie U = hEi als Erwartungswert der Energie der möglichen Zustände des Systems.
Bestimme nun die Erwartungswerte U = hEi sowie hN i in verschiedenen Systemen:
Isoliertes System: Hier sind E und N fest vorgegeben. D.h. U = E und hN i = N
System mit Energieaustausch: N ist fest vorgegeben. Die Wahrscheinlichkeitsverteilung
für E wird über die kanonische Verteilung durch die Temperatur des Reservoirs bestimmt.
Wir erhalten
X
∂
1X
U=
P (i)Ei =
Ei e−βEi = kB T 2
log[Z(T, N, V )]
(6.8)
{z
}
|
Z i
∂T
i
∂ −βEi
=− ∂β
e
wobei d/dβ = −kB T 2 d/dT verwendet wurde.
51
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
System mit Energie- und Teilchenaustausch: Die Wahrscheinlichkeitsverteilung für E und
N wird über die großkanonische Verteilung durch die Temperatur und das chemische Potential des Reservoirs bestimmt. Wir erhalten
hN i =
X
P (N, i)Ni =
N,i
sowie
U=
X
P (N, i)Ei (N ) =
N,i
1 X
∂
log[Y (T, µ, V )]
Ni eβ(µN −Ei (N )) = kB T
{z
}
Y N,i |
∂µ
= β1
(6.9)
∂ β(µN −Ei (N ))
e
∂µ
1 X
∂
Ei (N )eβ(µN −Ei (N )) = kB T 2
log[Y (T, µ, V )] + µhN i
|
{z
}
Y N,i
∂T
∂
=(− ∂β
+µN )eβ(µN −Ei (N ))
(6.10)
Die Zustandssummen enthalten also alle Informationen über die Mittelwerte der fluktuierenden
Variablen des Systems. (Für makroskopische Systeme ist dieser Mittelwert mit großer relativer
Genauigkeit der aktuelle Wert.) Hierzu muss man die Zustandssummen als Funktionen ihrer
natürlichen Variablen (die im System vorgegebenen Größen sowie für fluktuierende Größen
Temperatur bzw. chemisches Potential des Reservoirs) ausdrücken.
6.6
6.6.1
Der Druck
Definition des Druckes eines Systems
Unser System sei das Innere eines Standzylinders mit Fläche A, auf dessen beweglichem Kolben
ein Gewicht der Masse m steht, das die Kraft F = −mgez auf den Kolben ausübt. (Der
Luftdruck wird hier nicht betrachtet; er kann als Teil des Gewichtes betrachtet werden.) Damit
hat man einen Druck Pext = mg/A der von außen auf das System wirkt. Die Höhe des Kolbens
sei z, so dass das Volumen Az beträgt.
Nun besagt das d’Alembertsche Prinzip, dass im mechanischen Gleichgewicht bei einer virtuellen Verrückung des Kolbens um δz sich die Gesamtenergie nicht ändert. Dies bedeutet
Ã
!
`
dESystem
`
δV
(6.11)
+δESystem = Pext +
0 = δEgesamt =
mgδz
| {z }
dV
Potentielle Energie des Gewichtes
Die Änderung der Energie des Systems erfolgt dabei durch die Änderung der Energie der aktuellen Realisierung ` (Mikrozustand) des Systems. Mittelt man über alle möglichen Mikrozustände,
so definieren wir den
Druck des Systems
P =−
*
`
dESystem
dV
+
(6.12)
Das System ist dann im mechanischen Gleichgewicht mit der Umgebung, wenn P = Pext gilt.
52
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
6.6.2
Beispiel: Gas in einem Kasten
Wir betrachten ein Gas von N wechselwirkungsfreien Teilchen der Masse m, das in einem
Würfel mit Kantenlänge L eingeschlossen ist. Die Quantenzustände eines Teilchens sind:
r
³n π ´
³n π ´
³n π ´
¢
8
~2 π 2 ¡ 2
x
y
z
Ψnx ,ny ,nz (r) =
nx + n2y + n2z
sin
x
sin
y
sin
z
E
=
nx ,ny ,nz
3
2
L
L
L
L
2mL
Ein Mikrozustand ` des Gases mit N Teilchen wird dann durch die Angabe von N Tupeln
(i)
(i)
(i)
(nx , ny , nz ) charakterisiert. Dann gilt:
`
ESystem
=
N
X
En(i)
(i) (i) =
x ,ny ,nz
i=1
und somit folgt
N
~2 π 2 X ¡ (i) ¢2
n
2mV 2/3 i=1
N
`
dESystem
2 `
2 1 ~2 π 2 X ¡ (i) ¢2
n
= − ESystem
=−
5/2
dV
3V
2m i=1
3V
und wir erhalten den Druck
2U
2
`
hESystem
i=
3V
3V
Für ein Gas der Temperatur T gilt die kanonische Verteilung mit der Zustandssumme (setze
a = ~2 π 2 /(2mL2 ))
!3N
!3N
̰
µZ ∞
¶3N Ã r
³
X
¡ (i) ¢2 ´
βa¿1
1 X
πk
T
1
2
2
B
≈
Z=
exp −βa n
e−βan
=
dxe−βax
=
N! `
2
a
0
n=1
P =
mit a = ~2 π 2 /(2mL2 ). Für ununterscheidbare Teilchen, darf man alle Permutationen der Teilchen nur einfach zählen und erhält
à µ√
¶3 !N
1
2πmkB T
ZununterscheibareTeilchen =
V
(6.13)
N!
2π~
Nach Gl. (6.8) folgt:
U = kB T 2
∂ 3N
3N
∂
log[Z(N, T, V )] = kB T 2
log[T ] =
kB T
∂T
∂T 2
2
Damit erhalten wir:
Die Zustandsgleichung des idealen Gases
P V = N kB T
(6.14)
gilt für wechselwirkungsfreie Moleküle im klassischen Grenzfall N/V ¿ (mkB T )3/2 /~3
Bemerkung: Die Bedingung N/V ¿ (mkB T )3/2 /~3 garantiert, dass die mittleren Besetzungen
der einzelnen Niveaus klein gegen eins ist. In diesem Fall ist eine doppelte Besetzung eines
Niveaus, die hier stillschweigend zugelassen wurde, unwahrscheinlich. Ansonsten ergeben sich
Korrekturen, die davon abhängen, ob die Moleküle Fermionen oder Bosonen sind. Mit N ≥ 1
folgt hieraus auch direkt αβ ¿ 1, was oben benutzt wurde.
Kapitel 7
Thermodynamische Potentiale
7.1
Vollständige Differentiale der Entropie und Energie
Die Entropie eines isolierten Systems S(E, N, V ) hängt von der Energie, der Teilchenzahl und
dem Volumen ab. Ändert man das Systemvolumen eines ansonsten abgeschlossenen Systems,
so ändert sich die Energie des Systems entsprechend der Energieabhängigkeit der einzelnen
`
Mikrozustände ESystem
(V ). Dabei ändert sich weder die Anzahl der Mikrozustände noch deren statistische Verteilung. Somit bleibt das Phasenraumvolumen und die Entropie bei diesem
Prozess gleich1 . Daraus folgt für diesen Prozess


 ∂S(E, N, V ) ¿ dE ` À ∂S(E, N, V ) 
P
∂S(E, N, V )


0 = dS = 
+
=
 dV ⇔
∂E
V
∂V
∂V
T
|

{z
} | {z
}
=1/T (6.1)
=−P (6.12)
Mit Gl. (6.6) erhält man somit das vollständige Differential
dS =
∂S(E, N, V )
∂S(E, N, V )
∂S(E, N, V )
1
µ
P
dE +
dN +
dV = dE − dN + dV
∂E
∂N
∂V
T
T
T
(7.1)
Da T > 0 wächst die Entropie streng monoton mit der Energie. Deswegen kann man die
Umkehrfunktion E(S, N, V ) bilden und erhält die Änderung der Energie
dE =
∂E(S, N, V )
∂E(S, N, V )
∂E(S, N, V )
dS +
dN +
dV = T dS + µdN − P dV
∂S
∂N
∂V
(7.2)
Bemerkung: Die Entropie bzw. die Energie kann noch von weiteren makroskopischen Parametern (z.B. die Scherung oder Magnetisierung eines Festkörpers) abhängen, die entsprechend
behandelt werden können.
1
In der klassischen Mechanik kann man dies allgemein für adiabatische Prozesse (langsame Prozessführung)
zeigen, siehe Landau Lifschitz I § 49.
53
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
7.2
7.2.1
54
Arbeit und Wärme
Definition
Betrachte Energieänderungen eines ansonsten isolierten Systems. Dazu kann man
• mechanische Arbeit δW an dem System leisten. Hierbei ändert man den makroskopischen
Zustand des Systems. Wenn man das System komprimiert dV < 0, so fügt man die Arbeit
δW = −Pext dV > 0 zu. Hängt das System von weiteren Parametern (z.B. der Scherung)
ab, so hat man weitere Möglichkeiten, Arbeit zuzuführen.
• Energie zuführen, ohne makroskopische Parameter des Systems zu ändern. Dies bedeutet,
dass man den inneren Freiheitsgraden des Systems Energie zuführt, und man bezeichnet
dies als Zufuhr von Wärme δQ.
Damit gilt für die Änderung der inneren Energie eines Systems:
dU = δW + δQ
7.2.2
(7.3)
Beispiel
Betrachte ein Gas, das in einem Zylinder mit Kolben eingeschlossen ist. Die Wärmeleitfähigkeit des Zylinders sei schlecht, so dass ein Wärmeaustausch mit der Umgebung nur langsam
geschieht. Am Anfang sei das Gas im thermischen Gleichgewicht mit der Umgebung, d.h.
T = TUmgebung und habe das Volumen V0 und die Energie U0 .
Nun führt man folgenden Prozess durch
1. Komprimiere den Kolben schnell mit hohem äußeren Druck PKomp À PUmgebung auf das
Volumen V1 In der kurzen Zeit findet fast kein Wärmeaustausch statt. Also ist δW1 =
−PKomp (V1 − V0 ) und δQ1 = 0. Daraus folgt U1 = U0 + PKomp (V0 − V1 ).
2. Lasse den Kolben bei Umgebungsdruck PUmgebung auf das ursprüngliche Volumen zurückschnellen. Dabei ist δW2 = −PUmgebung (V0 − V1 ) und δQ2 = 0. Also ist U2 = U1 −
PUmgebung (V0 − V1 ) = U0 + (PKomp − PUmgebung )(V0 − V1 ) > U0 .
3. Das System gibt auf einer längeren Zeitskala die Überschussenergie (PKomp −PUmgebung )(V0 −
V1 ) in Form von Wärme an die Umgebung ab, so dass das System wieder im thermischen
Gleichgewicht mit der Umgebung ist. Damit wird der Ausgangszustand wieder erreicht.
Also ist δW3 = 0 und δQ3 = −(PKomp − PUmgebung )(V0 − V1 ) < 0
Für den Gesamtprozess gilt: dU = 0 aber δQ < 0 und δW > 0. Man erkennt, dass δW
und δQ von der Prozessführung abhängen. Dies deutet das Symbol δ für die Änderung von
Wärme und Arbeit an. Das Symbol d ist dagegen für prozessunabhängige Änderungen (z.B. ist
die Volumenänderung dV immer eindeutig durch die Volumina des Anfangs- und Endpunktes
bestimmt) vorbehalten.
55
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
7.2.3
Spontane Prozesse
Betrachte zwei isolierte makroskopische Systeme mit E1 , N1 , V1 und E2 , N2 , V2 . Dann ist die
gesamte Entropie gerade
Sgesamt = S1 (E1 , N1 , V1 ) + S2 (E2 , N2 , V2 )
Nun findet ein Wärmeaustausch δE1 = −δE2 zwischen den Systemen statt. Dann folgt:
¶
µ
1
1
δE1
−
δSgesamt =
T1 T2
Sei nun T1 < T2 . Dann wächst δSgesamt für positives δE1 (d.h. Wärmeübergang von 2 nach 1). Da
Γ = exp (S/kB ) die Anzahl der möglichen Mikrozustände ist, gibt es nach dem Wärmeübergang
(erheblich) mehr Realisierungen des Systems als vorher und somit hat der Zustand nach dem
Wärmeübergang eine höhere Wahrscheinlichkeit als der Zustand vorher.
Zahlenbeispiel: Geht eine Wärmemenge von 1 pJ von 300 K nach 299 K über, so
ist δS = 10−17 J/K und das Phasenraumvolumen vergrößert sich um den Faktor
10350843 . Zum Vergleich: Die Erde besteht seit 5 Milliarden Jahren ≈ 1017 s.
Deswegen findet dieser Übergang spontan statt, dagegen ist für makroskopische Systeme δE1 <
0 praktisch nicht zu beobachten.
Entsprechend gilt bei Teilchenaustausch
δSgesamt = −
µ
µ1 µ2
−
T1 T2
¶
δN1
und bei Volumenaustausch (Verschiebung der Trennwand)
¶
µ
P1 P2
δV1
−
δSgesamt =
T1
T2
Ein Prozess tritt spontan auf, wenn dabei die Entropie des Gesamtsystems wächst. Dies ist
der Fall, wenn
• Wärme von einem System mit hoher Temperatur einem System niedriger Temperatur
zugeführt wird.
• Teilchen von einem System mit hohem chemischen Potential in ein System mit niedrigem
chemischen Potential übergehen (bei gleicher Temperatur).
• Ein System mit hohem Druck sich auf Kosten eines Systems mit niedrigem Druck ausdehnt (bei gleicher Temperatur).
7.2.4
Reversible Prozesse
Wir definieren einen reversiblen Prozess durch die Eigenschaft, dass er in beide Richtungen ablaufen kann. Dies kann nur dann der Fall sein, wenn (bei Wärmeaustausch) die Temperaturen
56
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
beider Systeme gleich sind, da sonst die Richtung des Prozesses vorgegeben ist. Dies bedeutet,
dass die Systeme im (thermischen) Gleichgewicht sind und der Prozess nicht stattfindet. Deswegen hat man in der Praxis stets eine kleine Temperaturdifferenz, wodurch der Prozess langsam
ist. Der reversible Prozess entspricht dann dem Grenzfall verschwindender Temperaturdifferenz
aber auch unendlicher Prozessdauer.
Somit gilt für
reversible Prozesse eines Systems mit der Umgebung bei
Wärmeaustausch
T = TUmgebung
Teilchenaustausch T = TUmgebung und µ = µUmgebung
Volumenänderung T = TUmgebung und P = PUmgebung
Betrachte nun einen Prozess, bei dem ein System sein Volumen ändert und Wärme ausgetauscht
wird. Dann gilt mit den Gln. (7.2,7.3)
δQ − PUmgebung dV = dU = T dS − P dV
Damit erhalten wir mit P = PUmgebung für reversible Prozesse
In einem reversiblen Prozess ohne Teilchenaustausch ist die Änderung der Entropie des Systems die zugefügte Wärme dividiert durch die Temperatur
dS =
δQreversibel
T
(7.4)
Führt man den Prozess dagegen irreversibel, d.h. spontan (und somit (P − PUmgebung )dV > 0),
so folgt:
δQirreversibel
1
δQirreversibel
dS =
+ (P − PUmgebung )dV >
T
T
T
7.3
Hauptsätze der Thermodynamik
Die Thermodynamik makroskopischer Systeme kann man anstelle des statistischen Zuganges
mit dem Gleichverteilungspostulat auch auf folgenden Postulaten aufbauen (siehe z.B. Reif):
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
57
0. Hauptsatz: Sind zwei Systeme im thermischen Gleichgewicht mit einem dritten System,
so müssen sie auch miteinander im thermischen Gleichgewicht stehen.
1. Hauptsatz: Jedem Makrozustand eines Systems kann eindeutig eine innere Energie U
zugeordnet werden. Dabei ist dU = δQ + δW für beliebige Prozesse. (Mayer, Joule,
Helmholtz: 1840–1850)
2. Hauptsatz: Jedem Makrozustand eines Systems kann eindeutig eine Entropie S zugeordnet werden. Dabei ist dS ≥ δQ/T , wobei das Gleichheitszeichen für reversible Prozesse
zwischen Gleichgewichtszuständen gilt. (Clausius, Thomson (später Lord Kelvin): 1848–
1865; Vorangehende Arbeiten von Carnot 1824)
3. Hauptsatz: Für T → 0+ strebt die Entropie eines generischen Gleichgewichtssystems
gegen Null. (Nernst 1906)
Der nullte Hauptsatz beschreibt die Existenz der Temperatur als globalen Parameter im thermodynamischen Gleichgewicht.
Der erste Hauptsatz drückt die Energieerhaltung aus, wenn man Wärme als eine Form der
Energie betrachtet. Das bedeutet, dass es kein Perpetuum mobile 1. Art gibt.
Der zweite Hauptsatz besagt u.A., dass die Entropie in einem abgeschlossenen System δQ = 0
wächst. Er wurde ursprünglich über den Wirkungsgrad von thermodynamischen Maschinen
formuliert. Er ist äquivalent zu der Aussage, dass es kein Perpetuum mobile 2. Art gibt, das
Wärme in Arbeitsleistung umwandelt.
Der dritte Hauptsatz bestimmt die absolute Größe der Entropie, während der 2. Hauptsatz nur
Änderungen bestimmt. Er folgt aus der Tatsache, dass für ein Quantensystem der Grundzustand
in der Regel nicht entartet ist. (Für eine ausführliche Diskussion, siehe Adam-Hittmair.)
7.4
Definition der thermodynamische Potentiale
Betrachte den Wärmeaustausch eines Körpers bei Temperaturänderung (Wärmekapazität). Nun
muss man dabei angeben, wie die Temperaturänderung vonstatten gehen soll.
1. Das Volumen des Körpers soll (sowie alle weiteren Arbeitsvariablen) soll konstant bleiben.
Dann ist δW = 0 und somit:
µ
¶
dU
δQ
=
=
Cv =
dT
dT N,V fest
2. Der Körper kann sein Volumen ändern, wobei der Druck konstant bleiben soll (= Umgebungsdruck). Dann ist δQ = dU − δW = dU + P dV und somit
µ
¶
µ
¶
µ
¶
δQ
dU
dV
dH
=
Cp =
+P
=
dT
dT N,P fest
dT N,P fest
dT N,P fest
wobei wir die Enthalpie H = U + P V definiert haben.
58
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
Im thermodynamischen Gleichgewicht haben wir das vollständige Differential
dH =
dU
|{z}
+P dV + V dP = T dS + µdN + V dP
=T dS+µdN −P dV
Demach sind (S, N, P ) die natürlichen Variablen von H. Der Übergang von U zu H ist gerade
eine Legendretransformation2 .
Betrachte nun die bei einem reversiblen Prozess an einem System bei konstanter Temperatur
geleistete Arbeit
δW = dU − δQreversibel = dU − T dS = dF
mit der freien Energie F = U − T S, Diese hat das Differential
dF =
dU
|{z}
=T dS+µdN −P dV
−T dS − SdT = −SdT + µdN − P dV
Entsprechend können wir für weitere Legendretransformation bzgl. der Variablen V und N
machen. Auf diese Weise erhalten wir für Systeme, die sich im internen thermodynamischen
Gleichgewicht befinden die folgenden thermodynamischen Potentiale.
Entropie
innere Energie
Enthalpie
freie Energie
freie Enthalpie
großkanonisches Potential
Die freie Energie wird auch
Potential bezeichnet.
S(U, N, V )
U (S, N, V )
H(S, N, P ) = U + P V
F (T, N, V ) = U − T S
G(T, N, P ) = F + P V
J(T, µ, V ) = F − µN
als Helmholtz Potential
dS = T1 (dU − µdN + P dV )
dU = T dS + µdN − P dV
dH = T dS + µdN + V dP
dF = −SdT + µdN − P dV
dG = −SdT + µdN + V dP
dJ = −SdT − N dµ − P dV
und die freie Enthalpie als Gibbs’sches
Kennt man eines der thermodynamischen Potentiale als Funktion seiner natürlichen Variablen,
so kann man alle anderen Potentiale konstruieren.
Als Maxwell-Relationen bezeichnet man die Beziehungen zwischen den zweiten Ableitungen
der thermodynamische Potentiale, z.B.
∂ 2 F (T, N, V )
∂ 2 F (T, N, V )
=
∂V ∂T
∂T ∂V
⇒
∂S(T, N, V )
∂P (T, N, V )
=
∂V
∂T
Beispiel: Im idealen einatomigen Gas kennt man die beiden Zustandgleichungen, die z.B. auch
experimentell bestimmbar sind
P V = N kB T
3
Cv (T, N, V ) = N kB
2
thermische Zustandsgleichung
kalorische Zustandsgleichung
Damit folgt:
N kB T
∂F (T, N, V )
= −P = −
∂V
V
2
⇒
F (T, N, V ) = −N kB T log(V ) + f1 (T, N )
Wie in der Mechanik der Übergang von L(q, q̇) zu H(p, q)
(7.5)
59
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
und aus Cv = δQ/dT = T ∂S(T, N, V )/∂T :
∂S(T, N, V )
3
1
= N kB
∂T
2
T
⇒
3
S(T, N, V ) = N kB log(T ) + s(V, N )
2
und weiter
∂F (T, N, V )
= −S
∂T
⇒
3
F (T, N, V ) = − N kB (T log(T ) − T ) − T s(V, N ) + f2 (V, N )
2
Zusammen mit Gl. (7.5) haben wir s(V, N ) = N kB log(V ) + s(N )
3
F (T, N, V ) = − N kB (T log(T ) − T ) − N kB T log(V ) − T s(N ) + f (N )
2
(7.6)
Beachte S → −∞ für T → 0. Demnach zeigt der dritte Hauptsatz, dass die Ausdrücke bei
tiefen Temperaturen falsch werden müssen.
7.5
Zusammenhang mit den Zustandssummen
Bilde F̃ (T, N, V ) = −kB T log(Z). Dann gilt mit Gl. (6.8)
·
¸
1
∂
2 ∂
U = −T
F̃ (T, N, V ) = F̃ (T, N, V ) − T
F̃ (T, N, V )
∂T T
∂T
Vergleiche
U = F + T S = F (T, N, V ) − T
∂
F (T, N, V )
∂T
Daraus folgt: F (T, N, V ) = F̃ (T, N, V ) + δf (T, N, V ) mit
0 = δf (T, N, V ) − T
∂
δf (T, N, V )
∂T
⇒
δf (T, N, V ) = T c(N, V )
Ferner gilt:
∂
1 X ∂ −E` (V )/kB T X e−E` (V )/kB T ∂E` (V )
e
=
= −P
F̃ (T, N, V ) = −kB T
∂V
Z ` ∂V
Z
∂V
`
Da ∂F (T, N, V )/∂V = −P , folgt
∂
δf (T, N, V ) = 0
∂V
⇒
δf (T, N, V ) = T c(N )
Als Ergebnis haben wir den Zusammenhang zwischen den Zustandssummen und den thermodynamischen Potentialen:
F (T, N, V ) = −kB T log(Z(T, N, V )) + T c(N )
J(T, µ, V ) = −kB T log(Y (T, µ, V )) + T c
(7.7)
(7.8)
60
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
Die zweite Relation lässt sich entsprechend beweisen. Die Summanden T c(N ) bzw T c werden
in der Regel zu 0 gesetzt.
Beispiel: Nach Gl. (6.13) gilt für das einatomige ideale Gas
µ
¶
3
3
mkB
F ≈ N kB T log(N/e) − N kB T log(T ) − N kB T log(V ) − N kB T log
2
2
2π~2
√
wobei der erste Teil der Stirling’schen Formel N ! ∼ (N/e)N 2πN verwendet wurde. Dies
entspricht gerade Gl. (7.6). 3
7.6
Statistische Definition der Entropie
Aus der Gleichung (7.7) folgt
S=−


X
∂F (T, N, V )

= kB log(Z(T, N, V )) +
∂T

`
=− log(Zp` )=− log Z−log p`
Daraus folgt
S = −kB
X
E`
kB T
| {z
}
p` log p`

1 −E` (V )/kB T 

e

|Z
{z
}
=p`
(7.9)
`
Diese Definition ist allgemein und gilt für alle Ensembles im Gleichgewicht. Im mikrokanonischen Ensemble ist z.B. p` = 1/Γ(E) und es folgt direkt S = kB log[Γ(E)].
3
Beachte, dass die N −Abhängigkeit aus dem N !-Faktor ein makroskopischer Quanteneffekt ist, der z.B. bei
der Mischungsentropie wichtig ist.
Kapitel 8
Anwendungen
8.1
Wärmekapazität
Die Wärmekapazität c = δQ/dT bezeichnet die Wärmezufuhr bei der Erhöhung der Temperatur
eines Systems. Dabei kann der Prozess unterschiedlich geführt werden:
8.1.1
Konstantes Volumen
Hierbei führt man die Temperaturerhöhung bei fester Teilchenzahl und festem Volumen durch.
Im reversiblen Fall gilt dann:
µ ¶
µ
¶
δQ
T dS
∂S(T, N, V )
cV =
=
≡T
dT V,N =const
dT V,N =const
∂T
8.1.2
Konstanter Druck
Häufig hält man an Stelle des Volumens den Druck konstant. Gase dehnen sich bei Temperaturerhöhung typischerweise aus und leisten somit an der Umgebung Arbeit. Die hierfür nötige
Energie muss zusätzlich dem System zugeführt werden. Es gilt im reversiblen Fall
µ
¶
µ
¶
∂S(T, N, V )
∂S(T, N, V ) dV
T dS
cP =
≡T
+T
dT P,N =const
∂T
∂V
dT P,N =const
=cV + T
∂S(T, N, V ) ∂V (T, N, P )
∂V
∂T
Mit der Maxwell-Relation
∂S(T, N, V )
∂ 2 F (T, N, V )
∂P (T, N, P )
=−
=
∂V
∂V ∂T
∂T
folgt:
cP = c V + T
∂P (T, N, P ) ∂V (T, N, P )
∂T
∂T
61
(8.1)
62
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
8.1.3
Beispiel: Ideales Gas
Für das ideale Gas ist P V = N kB T . Damit folgt:
cP = c V + T
8.2
∂P (T, N, P ) ∂V (T, N, P )
N kB N kB
= cV + T
= cV + N k B
∂T
∂T
V
P
Adiabatische Expansion
Häufig (z.B. bei aufsteigenden Luftmassen in der Atmosphäre) verläuft eine Volumenänderung
so, dass gleichzeitig (fast) kein Wärmeaustausch und kein Teilchenaustausch möglich ist. Bei
einem solchen Prozess leistet das System (bei Ausdehnung) Arbeit. Ohne Wärmeaustausch
verringert sich die innere Energie und das System kühlt ab. Wir betrachten wieder reversible
Prozesse. Dann gilt:
¶
¶
µ
µ
∂S(T, N, V ) ∂S(T, N, V ) dT
1 δQadiabatisch
dS
=
=
+
0=
T
dV
dV adiabatisch |
∂V
∂T
{z
} |
{z
} dV adiabatisch
=
=cV /T
∂P (T,N,V )
∂T
Daraus folgt
µ
dT
dV
¶
adiabatisch
T ∂P (T, N, V ) (8.1) cP − cV
= −
=−
cV
∂T
cV
| {z
}
µ
dT
dV
¶
N,P =const
=γ−1
mit dem Adiabatenkoeffizient γ = cP /cV > 1.
Speziell für ideales Gas:
Also
µ
dT
dV
und mit P V = N kB T folgt
µ
¶
dT
dV
¶
adiabatisch
=
N,P =const
= (1 − γ)
P V γ = c2
T
V
P
T
=
N kB
V
→
mit γ =
cP
cV
T = c1 V 1−γ
(8.2)
(8.3)
Da γ > 1 fällt P schneller mit V als im isothermen Fall.
8.3
Der Carnot-Prozess
Als eine Wärmekraftmaschine bezeichnet man eine Apparatur, die in einem Kreisprozess (d.h.
Anfangs und Endzustand der Apparatur ist nach einem Zyklus gleich)HWärme aus einem warmen Reservoir in Arbeit umwandelt. Dabei wird die Arbeit ∆W = − dV Pext an das System
geleistet, bzw. die Apparatur leistet die
H Arbeit WUmgeb = −∆W an die Umgebung. Im reversiblen Fall ist P = Pext und WUmgeb = dV P entspricht der eingeschlossenen Fläche des P − V
Diagramms in Abb. 8.1(a). Für technische Anwendungen sind von Interesse:
63
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
(a)
P
(b)
V1
T
Tw
Tw
V2
V4
Tk
Tk
V3
1
2
4
3
V
S
Abbildung 8.1: Der Carnot Prozess im P − V Diagramm (a) und im T − S Diagramm (b).
Durchgezogene Linien sind Isothermen, gestrichelte Linien sind Adiabaten.
• An der Umgebung geleistete Arbeit WUmgeb
• Von dem warmen Reservoir der Apparatur zugeführte Wärme Qw
Wirkungsgrad η =
WUmgeb
Qw
Bei dem Carnot-Prozess betrachtet man einen mit einem Gas (das System) gefüllten Zylinder,
der mit Reservoiren zweier verschiedener Temperaturen Tw > Tk in Kontakt gebracht oder
thermisch isoliert werden kann. Der Prozess starte bei V1 , Tw und wird wie folgt geführt, siehe
Abb. 8.1:
1. Isotherme Expansion auf das Volumen V2 im thermischen Kontakt mit dem warmen
Reservoir Tw
2. Adiabatische Expansion (bei thermischer Isolierung) bis die Temperatur Tk und das Volumen V3 erreicht wird.
3. Isotherme Kompression auf das Volumen V4 im thermischen Kontakt mit dem kalten
Reservoir Tk
4. Adiabatische Kompression (bei thermischer Isolierung) bis die Temperatur Tw und das
Ausgangsvolumen V1 erreicht wird.
8.3.1
Der Wirkungsgrad des Carnot-Prozesses
Wird der Prozess reversibel geführt, dann gilt mit dem zweiten Hauptsatz dS = δQ/T , und man
kann den Carnot-Prozess besonders einfach im T − S Diagramm 8.1(b) betrachten. Man liest
direkt ab, dass die vom warmen Reservoir zugefügte Wärme Qw = ∆Q1→2 = Tw (S2 −S1 ) ist. Die
vom kalten Reservoir aufgenommene Wärme ist entsprechend Qk = ∆Q3→4 = Tk (S1 − S2 ) < 0.
Da ∆U = 0 für den gesamten Kreisprozess gilt, folgt aus dem ersten Hauptsatzes
∆W = −∆Q = −Qw − Qk = −(Tw − Tk )(S2 − S1 )
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
64
und somit folgt für den Wirkungsgrad bei reversibler Prozessführung
η0 =
−∆W
Tw − T k
=
Qw
Tw
Führt man den Prozess nicht reversibel so gilt:
• Da nach dem zweiten Hauptsatz die Entropie eines Systems eindeutig bestimmt ist, muss
das System nach einem Zyklus die gleiche Entropie wie anfangs haben. Also ist ∆S1→2 +
∆S2→3 + ∆S3→4 + ∆S4→1 = 0
• Im irreversiblen Fall ist δQ < T dS. Insbesondere gilt auf den Adiabaten ∆S2→3 > 0 und
∆S4→1 > 0, da δQ = 0 ist.
• Auf dem Weg 1 → 2 gilt T < Tw und auf dem 3 → 4 gilt T > Tk , da sonst der
Wärmeübergang nicht spontan stattfinden kann.
Damit folgt:
Z
2
T dS < Tw ∆S1→2 = −Tw (∆S2→3 + ∆S3→4 + ∆S4→1 ) < −Tw ∆S3→4
Z 4
Tw
T
< −Tw
dS < − Qk
Tk
3 Tk
Qw <
1
Aus dem ersten Hauptsatz folgt für den Kreisprozess WUmgebung = −∆W = Qw + Qk und wir
erhalten den Wirkungsgrad
Tw − T k
Qw + Q k
<
= η0
η=
Qw
Tw
Zusammengefasst gilt:
Der Carnot Prozess
• entzieht dem warmen Reservoir die Wärme Qw
• fügt dem kalten Reservoir die Wärme −Qk = −∆Q3→4 = (1 − η)Qw zu
• leistet die Arbeit WUmgeb = ηQw an der Umgebung
• Der Wirkungsgrad beträgt η ≤ η0 = (Tw − Tk )/Tw , wobei das Gleichheitszeichen für
reversible Prozesse gilt.
Der reversible Kreisprozess kann auch umgekehrt geführt werden. Dann muss man von außen
die Arbeit am System leisten und transportiert dabei Wärme von der tieferen Temperatur zur
höheren. Dies ist das Prinzip von Kühlschrank und Wärmepumpe.
8.3.2
Reversibler Carnot-Zyklus mit idealem Gas
Im Folgenden wollen wir einen reversiblen Carnot-Prozess für ein ideales Gas betrachten. Als
Grundlage verwenden wir dabei lediglich den ersten Hauptsatz und die Zustandsgleichungen
65
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
des idealen Gases U = cV T und P V = N kB T . Demnach gilt dann auf einer Isothermen
dU = 0 = δQ + δW . Damit erhalten wir:
Z V2
∆W1→2 = −
dV P = −N kB Tw log(V2 /V1 )
∆Q1→2 = N kB Tw log(V2 /V1 )
V1
∆W2→3 = . . .
Z
∆W3→4 = −
∆Q2→3 = 0
V3
V4
dV P = −N kB Tk log(V4 /V3 )
∆W4→1 = . . .
∆Q3→4 = N kB Tk log(V4 /V3 )
∆Q4→1 = 0
Da ∆U = 0 für den gesamten Kreisprozess gilt wegen des ersten Hauptsatzes
∆W = −∆Q = −∆Q1→2 − ∆Q3→4 = −N kB Tw log(V2 /V1 ) − N kB Tk log(V4 /V3 )
Wegen Gl. (8.2) gilt V1 /V4 = (Tw /Tk )1/(1−γ) und V2 /V3 = (Tw /Tk )1/(1−γ) , da die Volumina durch
Adiabaten verknüpft sind. Daraus folgt V1 /V2 = V4 /V3 . Damit erhalten wir den Wirkungsgrad
des idealen Gases im reversiblen Fall.
ηideal =
Tw log(V2 /V1 ) + Tk log(V4 /V3 )
Tw − T k
∆Q1→2 + ∆Q3→4
=
=
∆Q1→2
Tw log(V2 /V1 )
Tw
Dies ist gerade der Wirkungsgrad η0 aus dem vorigen Abschnitt.
8.3.3
Bedeutung des zweiten Hauptsatzes
Nun betrachten wir allgemeine Wärmekraftmaschinen die zwischen zwei Reservoiren mit Temperaturen Tw , Tk arbeiten und den Wirkungsgrad η habe. Dann liefert die Maschine die Arbeit
WUmgeb = ηQw . Mit dieser Arbeit kann man den idealen Carnot-Zyklus aus dem letzten Abschnitt rückwärts betreiben und erhält hier
Qideal
=
w
η
−WUmgeb
= −Qw
ηideal
ηideal
Entsprechend gilt Qk = (η − 1)Qw und Qideal
= (ηideal − 1)Qideal
w . Durchlaufen beide Maschinen
k
eine Zyklus, so lautet die Bilanz für die Reservoire:
• Dem warmen Reservoir wird die Wärme −Qw − Qideal
= Qw (η/ηideal − 1) zugeführt.
w
• Dem kalten Reservoir wird die Wärme Qk + Qideal
= −Qw (1 − η) + (1 − ηideal )Qw η/ηideal =
k
Qw (η/ηideal − 1) entzogen.
• Die Arbeitsbilanz ist Null.
Aus dem zweiten Hauptsatz hatten wir in Abschnitt 8.3.1 gefolgert, dass η ≤ η 0 = ηideal gilt.
Dann ist Qw (η/ηideal − 1) ≤ 0 was nun folgender Aussagen entspricht:
Es gibt keine Kombination von Maschinen, die bei einem Kreisprozess lediglich Wärme von
einem Reservoir niedriger Temperatur in ein Reservoir höherer Temperatur transferieren.
66
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
Das Wort lediglich ist dabei essentiell, da man selbstverständlich Maschinen hat, bei denen ein
solcher Wärmestransfer durch eine Arbeitsleistung am System bewirkt wird.
Falls η > ηideal wäre, so könnte man nur den Teil ηideal /η der Arbeit aus der allgemeinen
Maschine verwenden, um den Carnot-Zyklus rückwärts betreiben. Dann erhält man folgende
Bilanz:
• Die Wärmebilanz für das warme Reservoir ist Null.
• Dem kalten Reservoir wird die Wärme (η − ηideal )QW entzogen.
• An der Umgebung wird die Arbeit (η − ηideal )QW geleistet.
Nun entspricht η ≤ η0 = ηideal der Aussage
Es gibt keine Kombination von Maschinen, die Wärme eines einzigen Reservoirs in Arbeit
transferieren (Perpetuum mobile zweiter Art).
8.4
8.4.1
Das Reale Gas
Die Van-der-Waals-Gleichung
Zustandsgleichung des idealen Gases P V = N kB T wird modifiziert durch
• Endliche Ausdehnung der Moleküle: → V 0 = V − N b steht den Molekülen zur Verfügung
• Die Anziehung der Moleküle ist ∝ (N/V )2 . Diese reduziert den Druck an der Oberfläche,
so dass der Binnendruck P 0 = P + a(N/V )2 höher ist
Mit der modifizierten Gasgleichung P 0 V 0 = N kB T erhalten wir die
¶
µ
N2
Van der Waals Gleichung
P + a 2 (V − N b) = N kB T
V
(8.4)
die reale Gase relativ gut beschreibt.
Abb. 8.2 zeigt starke Abweichungen von dem einfachen Verhalten P ∝ 1/V für das ideale Gas.
Insbesondere gibt es für T < Tc einen Volumenbereich in dem ∂P (T, N, V )/∂V > 0 gilt, d.h.
der Druck mit dem Volumen wächst. Die kritische Temperatur Tc ergibt sich aus
∂P (T, V, N )
= 0 und
∂V
∂ 2 P (T, V, N )
=0
∂V 2
⇒
k B Tc =
8a
a
, Vc = 3N b , Pc =
27b
27b2
Insbesondere ergeben sich für CO2 Tc = 304.2 K und Pc = 7.29 MPa (gleich 72.9 bar).
8.4.2
Instabilität des mittleren Astes
Der mittlere Ast mit ∂P (T, N, V )/∂V > 0 ist thermodynamisch instabil. Dies ergibt sich aus
folgender Überlegung:
67
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
15
T=320 K (ideales Gas)
T=320 K
T=304 K
T=290 K
T=277 K
P [MegaPascal]
10
5
0
0
100
200
300
400
500
3
V [cm ]
Abbildung 8.2: Isothermen aus der Van-der-Waals-Gleichung für 1 mol (d.h. Na = 6.022 × 1023
Moleküle) CO2 mit den Koeffizienten a = 0.37Pa m6 /(Na2 ), b = 4.33 × 10−5 m3 /Na .
Betrachte eine Substanz in einem festen Volumen 2V0 , das durch eine Wand in zwei Teilvolumina
V1 , V2 mit festen Teilchenzahlen N1 = N2 = N0 eingeteilt ist. Zunächst seien beide Teilvolumina
gleich, d.h. V1 = V2 = V0 , und der Zustand liege auf dem mittleren Ast mit der Dichte N0 /V0 und
dem Druck P1 = P2 = P (T, N0 , V0 ) (siehe Abb. 8.3). Sei nun V2 = V0 +δV mit δV > 0 eine kleine
zufällige Verschiebung der Wand. Da ∂P (T, N, V )/∂V > 0 wächst der Druck im Teilvolumen
2 und fällt im Teilvolumen 1. Da wir einen Überdruck bei 2 haben, wächst somit das Volumen
2 spontan weiter, bis eine Situation entsteht bei der wieder P (T, N0 , V1 ) = P (T, N0 , V2 ). gilt.
Dann liegt V2 > V0 auf dem rechten und V1 < V0 auf dem linken Ast. Somit gilt für die Dichten
N0 /V1 > N0 /V2 , d.h. es koexistieren ein Zustand niedriger Dichte (Dampf) und ein Zustand
hoher Dichte (Flüssigkeit) miteinander. Das reale Gas kann also in den beiden Phasen flüssig
und gasförmig auftreten.
Die Van-der-Waals-Gleichung zeigt ferner, dass die Koexistenz von Dampf und Flüssigkeit nur
für T < Tc möglich ist. Bei höheren Temperaturen verschwindet der Unterschied zwischen
Dampf und Flüssigkeit. (Bei Wasser ist Tc = 647.4 K)
8.4.3
Dampfdruck
Im letzten Abschnitt wurde das Verhalten unter der Bedingung untersucht, dass keine Teilchen von der einen in die andere Phase übergehen können. In einem physikalischen System
können aber Teilchen von einer in die andere Phase übergehen (Kondensation bzw. Verdampfung von Molekülen). Dieser Prozess findet spontan statt, wenn sich die chemischen Potentiale
µflüssig , µgasf. beider Phasen unterscheiden.
Da sich mit dem Teilchenaustausch auch die Volumina beider Phasen ändern, ist es zweckmäßig,
das System nun bei festem äußerem Druck Pext (und, wie schon vorher, fester Temperatur T )
68
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
6
T=277 K
V0
V2
V1
P [MegaPascal]
5
4
3
0
100
200
300
400
500
3
V [cm ]
Abbildung 8.3: Beispiel einer Ausbildung zweier Phasen mit Volumina V1 und V2 in einem festen
Gesamtvolumen 2V0 für T < Tc ohne Teilchenaustausch.
zu betrachten. Die mechanische Gleichgewichtsbedingung legt dann für beide Phasen P = Pext
fest. Für vorgegebenen Druck und vorgegebene Temperatur ist die freie Enthalpie G(T, N, P )
das geeignete thermodynamische Potential. Nun ist N die einzige extensive Variable von G.
Also gilt G = N g(T, P ). Da gleichzeitig ∂G/∂N = µ gilt, folgt:
G = N µ(T, P )
D.h. die Bedingung µflüssig = µgasf. impliziert (bei gleicher Teilchenzahl beider Phasen) Gflüssig =
Ggasf. . Nun folgt aber
Ggasf. − Gflüssig = F (T, N, Vgasf. ) + P Vgasf. − F (T, N, Vflüssig ) − P Vflüssig
Z Vgasf.
∂F (T, N, V )
dV
= P (Vgasf. − Vflüssig ) +
∂V
Vflüssig
|
{z
}
=−P
Die rechte Seite beschreibt gerade die Differenz der Flächen, die zwischen der Strecke P = Pext
und der Kurve P (V ) im P V -Diagramm eingeschlossen ist. Nun sieht man graphisch aus Abb. 8.4
R Vgasf.
• Bei kleinem Pext ist Vflüssig
dV P > P (Vgasf. − Vflüssig ) und somit µgasf. < µflüssig . Dann
gehen Teilchen spontan von der flüssigen Phase in den Dampf über (Verdampfung).
R Vgasf.
• Bei großem Pext ist Vflüssig
dV P < P (Vgasf. −Vflüssig ) und somit µflüssig < µgasf. . Dann gehen
Teilchen spontan vom Dampf in die flüssigen Phase über (Kondensation).
R Vgasf.
• Es gibt ein Pext = PKoexistenz (T ), bei dem Vflüssig
dV P = P (Vgasf. − Vflüssig ) gilt (Flächengleichheitsregel). Dann sind beide Phasen im Gleichgewicht. PKoexistenz (T ) ist der Dampfdruck der Flüssigkeit.
69
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
6
T=277 K
5
Vgasförmig
P [MegaPascal]
Vflüssig
P=PKoexistenz
4
3
0
100
200
300
400
500
3
V [cm ]
Abbildung 8.4: Die Flächengleichheitsregel bestimmt den Druck PKoexistenz (T ), bei dem beide
Phasen im chemischen Gleichgewicht (d.h. µflüssig = µgasf. ) sind.
Die Verdampfungswärme beträgt
δQ = δU − P ∆V = Fgasf. − Fflüssig =
8.4.4
Z
Vgasf.
dV P (T, N, V )
Vflüssig
Phasendiagramm
In Abhängigkeit von T und P kann man nun in ein Phasendiagramm die Bereiche der flüssigen und gasförmigen Phase einzeichnen. Hinzu kommt die feste Phase, die hier bislang nicht
diskutiert wurde. Abb. 8.5 zeigt ein typisches Beispiel.
8.5
Fermi- und Bose-Verteilung
Betrachte ein quantenmechanisches System identischer Teilchen, das sich näherungsweise als
Summe von Einteilchen-Hamilton-Operatoren beschreiben lässt.
Ĥ ≈
N
X
i=1
ĥi
mit ĥ|ϕα i = Eα |ϕα i
Dies gilt z.B. für freie Teilchen oder das Atom im Rahmen des Zentralfeldmodelles. In wechselwirkenden Systemen, kann man den Hamiltonoperator oft auf ein System von schwach wechselwirkenden Quasiteilchen transformieren (z.B. Cooper-Paare in der Supraleitung).
70
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
gasfoermig
log(P)
Tc
fest
fluessig
log(T)
Abbildung 8.5: Phasendiagramm für eine typische Substanz. Der Kreis zeigt den Tripelpunkt
an dem alle drei Phasen im Gleichgewicht sind.
Nach dem Symmetrisierungspostulat sind die Zustände des Gesamtsystems durch die Angabe
der besetzten Einteilchenzustände eindeutig beschreiben. Dies geschieht durch die Besetzungszahlen nα = 0, 1, 2 . . . der einzelnen Zuständen |ϕα i.
Im Folgenden betrachten wir die Besetzung eines Zustands |ϕγ i. Hierzu nehmen wir an, dass
das System im Kontakt mit einem Reservoir mit chemischen Potential µ ist. Dann können wir
die großkanonische Verteilung verwenden. Der Beitrag zur Gesamtenergie des Zustands γ ist
gerade nγ Eγ .
8.5.1
Fermi-Dirac Verteilung
Wir betrachten Fermionen. Dann gilt wegen des Pauli-Prinzips nγ ∈ {0, 1}. Wir erhalten die
großkanonische Zustandssumme
X
eβ(nγ µ−nγ Eγ ) = eβ0 + eβ(µ−Eγ )
Y =
nγ
und die mittlere Besetzung
hnγ i =
X
nγ
nγ
eβ(nγ µ−nγ Eγ )
eβ(µ−Eγ )
1
=
= β(Eγ −µ)
β(µ−E
)
γ
Y
1+e
e
+1
Die mittlere Besetzung eines (nahezu wechselwirkungsfreien) Einteilchenzustandes γ mit dem
Energieeigenwert Eγ im Kontakt mit einem Reservoir mit dem chemischen Potential µ beträgt
für Fermionen
hnγ i = nF (Eγ − µ) mit der Fermifunktion nF (E) =
1
+1
eβE
71
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
1
kBT=0.1
kBT=1
kBT=10
nF(E- µ)
0.8
0.6
0.4
0.2
0
0
2
4
8
6
10
E
12
14
16
18
20
Abbildung 8.6: Fermiverteilung für µ = 10 und verschiedene Temperaturen. Man sieht, dass
nF ≈ 1 für E < µ − 3kB T und nF ≈ 0 für E > µ + 3kB T .
8.5.2
Beispiel: Elektronenverteilung in einem Metall
In einem Metall (z.B. Natrium) sind die Valenzelektronen (äußerste Schale) der Atome über
den Kristall delokalisiert. Sie lassen sich durch nicht wechselwirkende Quasiteilchen mit Index k (dem Blochvektor) und Energie Ek = ~2 k2 /2m∗ beschreiben. Dann lautet die mittlere
Besetzung dieser Blochzustände
hnk i = fk = nF (Ek − µ)
Die Gesamtzahl der freien Elektronen ist
hN i = 2(für Spin)
X
fk
k
Bei ausgedehnten Kristallen muss die Ladung der Valenzelektronen gerade die Ladung der
Ionenrümpfe kompensieren, damit Ladungsneutralität herrscht. Hierdurch ist die Gesamtzahl
der Elektronen vorgegeben. Dies bestimmt dann das chemische Potential.
8.5.3
Bose-Einstein Verteilung
Wir betrachten Bosonen. Dann können beliebige Besetzungszahlen nγ ∈ {0, 1, 2, . . .} angenommen werden. Wir erhalten die großkanonische Zustandssumme
Y =
X
e
β(nγ µ−nγ Eγ )
nγ
=
∞
X
¡
nγ =0
eβ(µ−Eγ )
¢nγ
=
1
1−
eβ(µ−Eγ )
und die mittlere Besetzung
X 1
Y
n
γ
1
dY
eβ(µ−Eγ )
1
nγ eβ(nγ µ−nγ Eγ ) = kB T
=
= β(Eγ −µ)
β(µ−E
)
γ
{z
}
|
Y
dµ
1−e
e
−1
d β(nγ µ−nγ Eγ )
=kB T dµ
e
(8.5)
72
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
10
kBT=0.1
kBT=1
kBT=10
nB(E)
8
6
4
2
0
0
2
4
E
Abbildung 8.7: Boseverteilung für µ = 0 und verschiedene Temperaturen. Man sieht, dass
nB (E) bei E = 0 divergiert.
Die mittlere Besetzung eines (nahezu wechselwirkungsfreien) Einteilchenzustandes γ mit dem
Energieeigenwert Eγ im Kontakt mit einem Reservoir mit dem chemischen Potential µ beträgt
für Bosonen
1
hnγ i = nB (Eγ − µ) mit nB (E) = βE
e −1
8.5.4
Phononen
Betrachte ein System entkoppelter Oszillatoren
¶
X µ1
1 2 2
2
P α + ω α Qα
H(P, Q) =
2
2
α
wobei Qα die Normalkoordinaten und Pα die zugehörigen kanonischen Impulse sind (vergleiche
Theo Ia). Quantisierung ergibt, dass die Energie-Eigenwerte jedes Oszillator E α (nα ) = ~ωα (nα +
1/2) lauten. Für jeden Oszillator γ gilt die kanonische Verteilung
e−β~ωα (nα +1/2)
p(nγ ) =
Z
mit Z =
∞
X
e−β~ωα (nα +1/2)
nγ =0
Dies ergibt die mittlere Anregung
hnγ i =
∞
X
nγ p(nγ )
wie (8.5)
=
nB (~ωγ )
nγ =0
Die mittlere Anregung der Schwingungsmode verhält sich wie die Besetzung eines Energieniveaus Eγ = ~ωγ mit Bosonen bei einem chemischen Potential µ = 0. Sprachgebrauch: Die
”
Schwingungsmode γ ist mit nγ Phononen besetzt“.
73
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
8.6
Plancksche Strahlungsformel
Betrachte einen Hohlraum mit Volumen V , in dem die elektromagnetische Strahlung im Gleichgewicht mit der Umgebung (Temperatur T ) ist.
Im Vakuum hat man ein freies Lichtfeld
(
)
X
ik·r−ω(k)t
E (r, t) = <
E α (k)e
kα
(
X 1
B(r, t) = <
k × E α (k)eik·r−ω(k)t
ω(k)
kα
)
das sich aus Moden mit Wellenvektor k und jeweils zwei Polarisationsrichtungen E α ⊥ k zusammensetzt. Dabei ist ω(k) = c|k|. Nun sind die einzelnen Moden des elektromagnetischen Feldes
derart quantisiert, dass ihr Beitrag zur Energie im Hohlraum gerade E(n αk ) = (nαk +1/2)~ω(k)
beträgt. Entsprechend der Rechnung aus Abschnitt (8.5.4) folgt die Besetzung jeder Mode gerade der Bose-Verteilung, also gilt
hnαk i = nB (~ω(k))
Man spricht davon, dass die Mode α, k mit n Photonen besetzt ist.
Um die Gesamtenergie des Strahlungsfeldes im Hohlraum bestimmen, müssen wir über die
möglichen Werte von k summieren. Dies wollen wir für ein großes Volumen V = Lx Ly Lz untersuchen, das hier der Einfachheit halber als Quader angenommen wird. Die möglichen Werte von
k ergeben sich aus den Randbedingungen an den Rändern. Besonders einfach ist dies für periodische Randbedingungen. Aus E (ryz−Ebene , t) = E (ryz−Ebene + Lx ex , t) folgt direkt kx L = 2πn.
Damit beträgt der Abstand benachbarter zulässiger kx -Werte ∆kx = 2π/Lx . Entsprechendes
gilt für ∆ky und ∆kz . Daraus folgt für beliebige Funktionen f (k)
Z ∞
Z ∞
Z ∞
X
X
X
V
Lx Ly Lz X
∆kz f (k) ≈
∆ky
∆kx
dkx
dky
dkz f (k)
f (k) =
3
3
(2π)
(2π)
−∞
−∞
−∞
kz
ky
kx
k
Z
V
=
d3 k f (k)
3
(2π)
(8.6)
R 3
P
3
d k gilt für große Volumina, wenn die Moden k so dicht
Den Übergang
k → V /(2π)
beieinander liegen, dass sich die Funktion f (k) auf der Skala 2π/L nicht ändert. Man bezeichnet
ihn Kontinuumslimes. Insbesondere erkennt man, dass die Anzahl der Moden proportional zum
Volumen ist.
Nun ist die Gesamtenergie des Hohlraumes
Z ∞
XX
~ω(k)
V
U=
4π
dk k 2 β~ω(k)
[nB (~ω(k)) + 1/2]~ω(k) = 2
3
(2π)
e
−1
0
α
k
|{z}
→2
Der Summand 1/2, der die Grundzustandsenergie der Oszillatoren beschreibt liefert einen divergierenden Term. Da er aber nicht von der Temperatur abhängt, lassen wir ihn weg (Renormierung der Energieskala). Mit der Substitution k = ω/c erhalten wir die
Z ∞
ω3
V~
dω β~ω
U= 2 3
π c 0
e
−1
74
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
Dies ergibt die
ω3
V~
dω ,
(8.7)
π 2 c3 eβ~ω − 1
die die spektrale Energieverteilung der Hohlraumstrahlung beschreibt (Max Planck, 1900).
Planck’sche Strahlungsformel dU =
Dies war historisch das erste Erscheinen von ~, der grundlegenden Konstanten der Quantenmechanik (Planck hatte h = 2π~ verwendet).
Mit der Substitution ω = xkB T /~ erhalten wir weiter
Z
x3
V (kB T )4 ∞
dx
U= 2
π (~c)3 0
ex − 1
|
{z
}
=π 4 /15
Dies ergibt das Stefan-Boltzmann Gesetz1 , das besagt, dass die Energiedichte des schwarzen
Strahlers proportional zur vierten Potenz der Temperatur ist.
8.7
Bose-Einstein-Kondensation
Betrachte ein Gas freier Teilchen, die bosonischen Charakter haben. Dann sind die EinteilchenEigenzustände ebene Wellen eik·r mit der Energie Ek = ~2 k2 /2m. Aus der Bose-Verteilung folgt
die Gesamtzahl der Teilchen
X
N=
nB (Ek − µ)
k
Bei der Berechnung der Summe separieren wir den niedrigsten Zustand k = 0 ab und verwenden
für die restliche Summe den Kontinuumslimes (8.6)
Z
Z ∞
V
1
V
3
d knB (Ek − µ) = hn0 i +
4π
dkk 2 β(~2 k2 /2m−µ)
N = hn0 i +
3
3
(2π)
(2π)
e
−1
0
Mit der Substitution x = β~2 k 2 /2m folgt
1
(2mkB T )3/2
N
= hn0 i +
V
V
4π 2 ~3
Z
∞
0
√
dx x
1
e(x−βµ)
−1
Für gegebene Temperatur gibt dies den Zusammenhang der Dichte N/V mit µ, wobei die Dichte
mit µ wächst. Nun muss µ < 0 gelten, da sonst die Fermifunktion bei k = 0 unendlich wird.
Nun gilt
Z ∞
√
1
dx x (x−βµ)
= 2.31 . . .
lim−
µ→0
e
−1
0
Falls nun
N
(2mkB T )3/2
>
2.31
(8.8)
V
4π 2 ~3
gilt, so muss die mittlere Besetzung des Grundzustands hn0 i in der Größenordnung von N
sein, dass heißt, ein makroskopischer Anteil der Teilchen ist im Grundzustand. Dies bezeichnet
1
Diese Beziehung wurde 1879 von Stefan experimentell gefunden und 1884 von Boltzmann im Rahmen der
klassischen Physik begründet. Die Konstante blieb dabei natürlich offen, da sie ~ enthält.
75
Theoretische Physik IIIa, 13. November 2003
man als Bose-Einstein-Kondensat. Dies ist tatsächlich möglich, wenn µ → 0− geht, da dann
hn0 i = nB (µ) divergiert, also beliebig groß wird. Der Effekt wurde 1924 von Satyendra Bose
und Albert Einstein vorhergesagt. Aus (8.8) findet man die kritische Temperatur
~2
Tc = 3.32
mkB
µ
N
V
¶2/3
Für ein Gas aus Natrium-Atomen m = 3.8 × 10−26 kg mit der geringen Dichte N/V = 1014 /cm2
(damit sich kein Festkörper bildet) hat man Tc = 1.5µK. Dies wurde erstmals 1995 experimentell
beobachtet (Physical Review Letters 75, 3969 (1995); Science 269, 198 (1995); Nobelpreis 2001
für Cornell, Wieman und Ketterle).
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