Prozesse der synthetischen Evolutionstheorie ¨Ubersicht

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BIOLOGIE
Dein Lernverzeichnis
Basiswissen | Aufgaben und Lösungen
◮ Evolution | Prozesse der synthetischen Evolutionstheorie | Variabilität
Skript
Prozesse der synthetischen Evolutionstheorie
Variabilität
Übersicht
1 Mutation
1
2 Rekombination
3
c Karlsruhe 2013 | SchulLV | Verena Bessenbacher
Vervielfältigung nur innerhalb einer Lehrer-/Klassen- oder Schullizenz und mit Hinweis auf BiologieLV erlaubt.
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◮ Evolution | Prozesse der synthetischen Evolutionstheorie | Variabilität
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Alle Individuen unterscheiden sich voneinander. So wie jeder Mensch keinem anderen gleicht und
durch seine individuelle Merkmalskombination in Genom und Erscheinung einzigartig ist, so gleicht
kein Individuum einem anderen, egal um welche Art es sich handelt. Wie kommt es zu dieser großen
Variabilität (= Unterschiedlichkeit) der Individuen untereinander?
Die Antwort ist in der Genetik zu finden, ein Forschungszweig, der erst nach D ARWINs Tod entstand
(mit Ausnahme der Klassischen Genetik, siehe Skript Klassische Genetik“). In der Genetik wurden
”
wichtige Erkenntnisse gewonnen, die es erlaubten, die Grundsätze D ARWINs Evolutionstheorie auf molekularer Ebene zu erklären. Die Genetik erklärte, wie Merkmale vererbt werden können und wieso die
Individuen sich unterscheiden.
Sie schloss damit eine wichtige Lücke in der darwinischen Evolutionstheorie und erlaubte das Aufstellen der synthetischen Evolutionstheorie, mit der heute der Artwandel erklärt wird.
Als Gründe für die Variabilität von Organismen fand die Genetik die Prozesse der Mutation und Rekombination, die im Folgenden erklärt werden. Eine genauere Darstellung findest du in den entsprechenden Skripten der Zytogenetik und molekularen Genetik.
1 Mutation
Mutationen sind die einzigen Mechanismen, mit denen
neue Allele im Genpool einer Art gebildet werden können.
Mutationen sind zufällige Veränderungen in der DNA ei-
Definition: Ein Genpool ist die Gesamtheit aller Allele einer Art oder Po-
pulation.
nes Individuums, die durch verschiedene chemikalische,
physikalische Gründe oder Strahlung ausgelöst werden können. Mutationen treten in Individuen immer wieder auf. Die natürliche Mutationsrate liegt bei durchschnittlich einer Mutation pro Generation
und pro 100.000 Genen.
Anschaulich: Der Gemüsekohl (Brassica oleracea, Abbildung 1) hat
ungefähr 100.000 Gene. Bei ihm tritt im Durchschnitt also pro Generation und pro Pflanze eine Mutation auf. Ein Mensch dagegen
besitzt nur ungefähr 23.000 Gene. Beim Menschen treten Mutationen seltener auf.
Abbildung 1: Gemüsekohl (Brassica
oleracea)
wikipedia.org - Dinkum (CC-BY-SA-1.0)
Tritt eine Mutation in einem Individuum auf, kann dies ganz verschiedene Folgen haben:
1. Meistens: Die Mutation hat keinerlei Vorteile oder Nachteile auf das Individuum. Dies ist der
Fall bei einer stummen Mutation. Hier wird nur ein Basenpaar im Genom verändert, dass keine
Konsequenz für die daraus codierte Aminosäure hat. Das Protein wird gleich aufgebaut und die
Mutation hat nur eine Auswirkung auf die Menge des gebildeten Proteins. Eine neutrale Mutation
zieht ebenfalls keine Vor- oder Nachteile mit sich, obwohl hier der Phänotyp durch das mutierte
Gen verändert worden sein kann.
2. Oft: Die Mutation hat Nachteile für das Individuum. Das Individuum verliert an Fitness und
das veränderte Gen wird im Prozess der Selektion und des survival of the fittest“mit großer
”
Wahrscheinlichkeit verschwinden.
Beispiel: Ein Wolf ist aufgrund einer Mutation an einem Bein lahm und kann nicht mehr so schnell
laufen. Er erbeutet nicht mehr genug Tiere und verhungert.
3. Selten: Die Mutation bedeutet einen Vorteil für das Individuum. Das Individuum besitzt so einen
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Fitnessvorteil gegenüber seinen Artgenossen, überlebt eher und kann sich bevorzugt fortpflanzen.
Das mutierte Gen wird so bevorzugt an die Nachkommen weitergegeben und breitet sich im Genpool der Art immer weiter aus.
Beispiel: Eine Giraffe hat durch eine Mutation einen längeren Hals als ihre Artgenossen. Sie
kommt an die höher gelegenen Blätter eines Baumes heran, die ihre Artgenossen nicht erreichen,
und ist nicht mehr einer so großen Konkurrenz um Nahrung ausgesetzt. Die Giraffe ist gut ernährt,
lebt lange und kann sich oft fortpflanzen. Ihr mutiertes Gen wird an ihre Nachkommen weitergegeben.
Tritt eine Mutation in einem Individuum auf, wird sie nicht automatisch an ihre Nachkommen weitergegeben. Ob die Mutation weitervererbt wird, entscheidet der Entstehungsort der Mutation. Entsteht
die Mutation in einer somatischen Zelle, das heißt in einer normalen Körperzelle, die nicht an der Fortpflanzung beteiligt ist, wird die Mutation nicht an die Nachkommen weitergegeben.
Beispiele:
• Mutiert beispielsweise eine Körperzelle der Bronchien in den Lungen, kann Lungenkrebs entstehen. Dieser Lungenkrebs befällt zwar das Individuum, bei dem die Mutation aufgetreten ist, der
Krebs wird jedoch nicht an die Nachkommen weitergegeben. Einzig eine Veranlagung zu dieser
Krebserkrankung (beispielsweise eine Schwäche im Immunsystem) kann über die Gene weitergegeben werden, dies hat damit aber nichts zu tun.
• Bei einigen Maispflanzen mutiert das Pigment in einzelnen Maiskörner. Die Maiskörner einer
Maispflanze haben damit unterschiedliche Farben (siehe Abbildung 2)
• Bei einer Tulpenpflanze kann ein Blütenblatt mutieren, es ändert die Farbe (Abbbildung 3).
Tritt die Mutation jedoch in einer Körperzelle auf, die an der Fortpflanzung beteiligt ist (beispielsweise
beim Menschen in den Spermien oder Eizellen), wird die Mutation an die Nachkommen weitergegeben.
Beispiele: Bei diversen menschlichen Genen wird vermutet, dass sie aufgrund einer Mutation entstanden sind.
• Etwa 90% aller Menschen besitzen eine braune Augenfarbe. Es gibt aber auch einen kleinen Prozentsatz an Menschen, die eine blaue Augenfarbe besitzen. Nach einer wissenschaftlichen Theorie
ist diese blaue Augenfarbe (Abbildung 4) durch Mutation des Gens, dass die Augenfarbe festlegt,
entstanden. Da diese Mutation sehr spezifisch ist, geht man davon aus, dass sie nur bei einem
Menschen stattfand. Nach dieser Theorie stammen also alle Menschen, die blaue Augen besitzen,
von einem Menschen ab, bei dem diese Mutation stattfand.
• Menschen waren ursprünglich nur im Säuglingsalter in der Lage, den in der Milch (Abbildung 5)
erhaltenen Milchzucker Lactose zu verdauen. Im Erwachsenenalter verliert sich diese Fähigkeit,
sie können keine Lactose mehr verdauen und leiden an Lactoseintoleranz. Bei einigen Menschen
trat vor vielen tausend Jahren eine Mutation auf, die es ihnen ermöglichte, den Milchzucker auch
noch im Erwachsenenalter zu verdauen. Diese Mutation setzte sich schnell im europäischen Raum
durch, da die Nahrungsgrundlage der Menschen hier aus der Milch von Rind, Ziege und Schaf
bestand. Die heutige europäische Bevölkerung ist weitgehend lactosetolerant. Auf anderen Kontinenten wie beispielsweise Asien oder Südamerika sind bis zu 98% der Menschen lactoseintolerant.
Hier setzte sich die Mutation nicht durch, da die Menschen andere Nahrungsgrundlagen besaßen
und die Lactose nicht verdauen können mussten.
Durch den variabilitätsbedingenden Evolutionsfaktor der Mutation können also neue, unter Umständen
vorteilhafte Allele in den Genpool eingebracht werden, wenn sie an die Nachkommen des Mutanten
weitergegeben werden.
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Bei Arten ohne sexuelle Fortpflanzung (beispielsweise Bakterien), die sich nur durch Zellteilung vermehren, ist die Mutation die einzige Möglichkeit, den Genpool zu verändern. Bei diesen Arten ist der
Artwandel deswegen langsamer als bei Arten, die sich sexuell fortpflanzen.
Nur mit Mutationen können neue Allele im Genpool einer Art gebildet werden.
Abbildung 2: Pigmentmutationen
bei
Maispflanzen
Abbildung 3: Eine Tulpenpflanze mit
einer mutierten, zur Hälfte gelb gefärbten
Blütenblatt
wikipedia.org - LepoRello (CC-BY-SA-3.0)
Abbildung 4: Die blaue Augenfarbe eines
Menschen
Abbildung 5:
enthält Lactose
wikipedia.org - Steve Jurvetson from Menlo Park, USA
(CC-BY-SA-2.0)
wikipedia.org - Stefan Kühn (CC-BYSA-3.0)
Kuhmilch
Quelle: www.biotechnologie.de/BIO/Navigation/DE/Foerderung/foerderbeispiele,did=72022.html - Sam
Fentress
2 Rekombination
Durch Rekombination können im Rahmen der sexuellen Fortpflanzung neue Merkmalskombinationen
entstehen. Bei der Rekombination werden durch drei unterschiedliche Mechanismen verschiedene Gene oder Genabschnitte in den Keimzellen der Organismen neu gemischt oder umgeordnet. Diese drei
Mechanismen sind:
1. zufällige Anordnung der homologen (väterlichen und mütterlichen)
Chromosomen bei der Entstehung der Gameten während der ersten
Meiose (Abbildung 6).
Während der Meiose I wird die Anzahl der Chromosomen der sich teilenden Zelle halbiert. Da der Mensch 23 Chromosomenpaare (2n) besitzt (je 23
Chromosomen von Vater und Mutter) besitzt die Zelle nach der Teilung 23
Chromosomen (n). Dabei wird zufällig verteilt, welche der beiden Chromosomen eines Paares in die neue Zelle kommt.
Abbildung 6: Entstehung
der haploiden Gameten
Beispiel: Jeder Mensch besitzt das 5. Chromosom zweimal (vom Vater und
von der Mutter). Teilt sich eine Zelle meiotisch, besitzt danach eine der beiden Tochterzellen das 5. Chromosom vom Vater, eine andere das 5. Chromosom von der Mutter. Welche Tochterzelle welches 5. Chromosom erhält,
ist durch den Zufall bestimmt.
2. das Crossing-Over während der ersten Meiose (Abbildung 7).
Während im Prozess der ersten Meiose sich die Chromosomen zur Vorbereitung der Teilung kondensieren, also bündig zur typischen X-Form eines Chromosoms zusammenknäulen (Prophase I), findet das Crossing-over
statt. Es liegen in der Zelle nun die homologen Chromosomen nebeneinander vor (also im obigen Beispiel befinden sich die beiden 5. Chromosomen
von Vater und Mutter nebeneinander). Beim Crossing-over überlagern die
Chromosomen sich nun und Stücke der Chromosomen werden zwischen
den homologen Chromosomen ausgetauscht. Teile des mütterlichen Chromosoms werden also in das väterliche eingebaut und umgekehrt.
Abbildung 7: Crossing-over
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Dabei werden jedoch nur Teile ausgetauscht, die einander entsprechen, so
dass keine Erbinformation verloren geht. Es kommt so zu neuen Merkmalskombinationen und eine Mischung der elterlichen Gene, die ohne Crossingover nicht möglich wäre.
Beispiel: Beispielsweise werden 100 Gene, die sich am unterern linken Ende des väterlichen 5. Chromosoms befinden, mit den entsprechenden 100
Genen am unteren linken Ende des mütterlichen 5. Chromosoms ausgetauscht.
3. die zufällige Kombination zweier Gameten (Eizelle und Spermium) bei
der Befruchtung. (Abbildung 8).
Während der Befruchtung verschmelzen zwei haploide (n) Gameten miteinander und bilden eine diploide (2n) Zygote, aus der sich ein Kind entwickelt. Die Gameten haben durch obige Prozesse alle eine unterschiedliche
Erbinformation. Mit der Vereinigung zu einer diploiden Zygote ergeben die
Abbildung 8: Befruchtung
Erbinformationen von Eizelle und Spermium die neue Erbinformation des
heranwachsenden Kindes.
Quelle:
http://www.pdimages.com/web9.htm
Wenn du nicht mehr genau weißt, was mit den einzelnen Schritten gemeint ist, schau dir doch noch
einmal das Skript Zellteilung“in der Genetik an.
”
Wie mächtig das Instrument der Rekombination zur Vervielfältigung der Genotypen ist, siehst du an
folgender Rechnung: Der Mensch besitzt 23 Chromosomenpaare. Im ersten Schritt entstehen Gameten,
die aus einer Kombination von homologen Chromosomen entstehen. Für 23 Chromosomenpaare (2n
= 4) ergeben sich damit 223 = 8.388.608 Möglichkeiten, diese Gameten zu bilden. Einer der 8.388.608
möglichen Gameten verschmilzt nun bei der Befruchtung mit einem ebenso gebildeten Gameten des
anderen Geschlechts. Es ergeben sich so 223 · 223 = 70.368.744.177.664 Möglichkeiten, aus den Genomen
der Elternteile ein Genom des Kindes zu bilden.
Ohne Berücksichtigung des schwer vorhersehbaren Crossing-overs gibt es beim Menschen also 70,36
Billionen Möglichkeiten, aus dem Genom der Elternindividuen ein Genom des Nachkommen zu bilden.
Nur mit Rekombination können neue Genkombinationen im Genpool einer Art gebildet werden.
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