Neue Einblicke in die molekularen Grundlagen des Gedächtnisses

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Neue Einblicke in die molekularen Grundlagen des Gedächtnisses
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Deutschen Zentrums
für Neurodegenerative Erkrankung (DZNE) aus Göttingen und München
haben neue Erkenntnisse über die molekularen Grundlagen des Gedächtnisses gewonnen.
Ihre Studie bestätigt, dass die Entstehung von Erinnerungen mit einer veränderten Aktivität
spezieller Gene einhergeht. Darüber hinaus fanden sie in bisher nicht erreichtem Umfang
Belege dafür, dass chemische Markierungen am Rückgrat der DNA (sogenannte DNAMethylierung) möglicherweise die molekulare Grundlage des Langzeitgedächtnisses bilden.
Das Forscherteam berichtet darüber im Fachjournal „Nature Neuroscience“.
Das Gehirn birgt noch viele Unbekannte. Grundsätzlich geht man davon aus,
dass es Erlebnisse abspeichert, indem Verbindungen zwischen Hirnzellen verändert werden.
Auf dieser Wandlungsfähigkeit – auch „Plastizität“ genannt – beruhen demnach
das Gedächtnis und die Gabe zum Lernen, also die Gabe aus Erinnerungen, Schlüsse zu
ziehen. Auf molekularer Skala werden diese Veränderungen durch Anpassungen
in der Expression spezieller Gene vermittelt, die je nach Bedarf die Kopplung zwischen
den Hirnzellen verstärken oder abschwächen.
Für die aktuelle Studie untersuchte ein Forscherteam um Dr. Stefan Bonn
und Prof. André Fischer aus Göttingen, gemeinsam mit Kollegen des DZNE-Standorts
München, wie die Aktivität solcher Gene reguliert wird. Die Wissenschaftler stimulierten
das Langzeitgedächtnis von Mäusen, indem sie die Tiere darauf trainierten, eine bestimmte
Versuchsumgebung wiederzuerkennen. Anhand von Gewebeproben konnten die Forscher
nachvollziehen, wie sich durch diese Lernaufgabe die Aktivität der Gene in den Hirnzellen
der Mäuse veränderte. Der Fokus richtete sich dabei auf sogenannte epigenetische
Modifikationen. Diese betreffen die DNA und spezielle Proteine, die in Verbindung
mit der DNA vorliegen.
Epigenetische Veränderungen
„Die Zelle nutzt verschiedene Mechanismen, um Gene an- oder auszuschalten,
ohne dass sich die DNA-Sequenz dabei verändert. Das nennt am ‚Epigenetik‘“,
erläutert Dr. Magali Hennion, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Team von Stefan Bonn.
Prinzipiell kann die Genregulation über eine sogenannte Methylierung geschehen,
wodurch das Rückgrat der DNA an spezifischen Stellen chemisch markiert wird.
Ebenfalls möglich sind Veränderungen an den „Histonen“: Hierbei handelt sich um Proteine,
die die DNA verpacken.
Hennion: „In Hinblick auf das Gedächtnis steht die Erforschung epigenetischer
Veränderungen erst am Anfang. Wir schauen uns solche Merkmale an, nicht nur um das
Gedächtnis besser zu verstehen. Wir suchen auch nach möglichen Ansatzpunkten
für Medikamente, die einem Gedächtnisverfall entgegenwirken könnten.
Letztlich geht es also um Therapien gegen Alzheimer und ähnliche Hirnerkrankungen.“
Ein Code für Gedächtnisinhalte?
Im Rahmen der aktuellen Studie konnten die Forscher sowohl Modifikationen
an den Histonen als auch an der Methylierung der DNA feststellen. Veränderungen
der Histone hatten jedoch nur geringe Auswirkung auf die Aktivität für die Neuroplastizität
wichtiger Gene. Des Weiteren entdeckten Bonn und seine Kollegen epigenetische
Modifikationen nicht nur an Nervenzellen, sondern auch in nicht-neuronalen Zellen
des Gehirns.
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„Welche Bedeutung nicht-neuronale Zellen für das Gedächtnis haben, ist eine spannende
Frage, die wir weiter verfolgen werden“, sagt André Fischer, Standortsprecher des DZNE
in Göttingen und Professor an der Universitätsmedizin Göttingen (UMG). „Des Weiteren
deuten unsere Beobachtungen darauf hin, dass die Neuroplastizität maßgeblich von der
Methylierung der DNA gesteuert wird. Das ist zwar keine neue These, doch unsere Studie
hat in bislang unerreichtem Umfang dafür Belege gefunden. Demnach ist die Methylierung
möglicherweise ein wichtiger molekularer Baustein des Langzeitgedächtnisses.
Sie wäre dann eine Art Code für Gedächtnisinhalte und könnte somit neue Ansatzpunkte
für Therapieverfahren gegen Alzheimerdemenz liefern. Diesen Aspekt wollen wir in weiteren
Studien gezielt untersuchen.“
Quelle: idw – Informationsdienst Wissenschaft
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