PARTEIEN UND PARTEIENSYSTEME IN AFRIKA

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PARTEIEN UND
PARTEIENSYSTEME
IN AFRIKA
Berichte der Friedrich-Ebert-Stiftung
MADAGASKAR
POLITISCHE PARTEIEN UND PARTEIENSYSTEM
IN MADAGASKAR
Stefanie Hanke, FES Madagaskar
Jean-Aimé Raveloson
2005
Warum diese Berichte?
Politische Parteien sind unverzichtbare Ak-
Aufgrund der jahrzehntelangen Präsenz in
teure eines repräsentativen demokratischen
vielen Ländern Sub-Sahara-Afrikas und der
Systems. Um ihre Funktionen erfüllen zu
kontinuierlichen Unterstützung der Demo-
können, müssen Parteien in ein funktionie-
kratisierungsprozesse in diesen Ländern,
rendes
sein.
verfügen die MitarbeiterInnen der Friedrich-
Während zur Arbeit politischer Parteien und
Ebert-Stiftung über detaillierte Kenntnisse
den
konsolidierten
der historischen Entstehung von Parteien
westlichen Demokratien zahlreiche Studien
und Parteiensysteme in den jeweiligen Län-
existieren, ist dies für die Länder Sub-
dern. Diese werden in den Länderberichten
Sahara-Afrikas nicht der Fall. Verlässliche
der Reihe „Parteien und Parteiensysteme in
Informationen liegen, wenn überhaupt, nur
Afrika“ gebündelt präsentiert. Es liegen
sehr verstreut vor. Sie sind außerdem meist
Berichte zu den folgenden Ländern vor:
Parteiensystem
eingebettet
Parteiensystemen
in
nicht sehr detailliert, häufig nicht aktuell
und beschränken sich zudem üblicherweise
•
Angola
auf das formale Regelwerk, ohne auf die
•
Äthiopien
tatsächlichen Abläufe einzugehen.
•
Benin
•
Botswana
•
Côte d’Ivoire
•
Ghana
•
Kamerun
•
Kenia
•
Madagaskar
•
Mali
•
Mauritius
•
Mosambik
Transiti-
•
Namibia
onsprozessen, deren Ergebnisse noch offen
•
Nigeria
sind. Für ein besseres Verständnis und eine
•
Sambia
präzisere Einschätzung des Verlaufs und des
•
Senegal
gegenwärtigen
Transiti-
•
Simbabwe
onsprozesse fehlen oft detaillierte Informa-
•
Südafrika
tionen. Indem die Berichte dieser Reihe die
•
Tansania
historische Entwicklung von Parteien und
•
Uganda
Dabei sind detaillierte Informationen zu den
politischen
Systemen
Sub-Sahara-Afrikas
heute notwendiger denn je. Die „dritte Welle der Demokratisierung“ (Samuel P. Huntington 1993) hat seit 1990 auch den afrikanischen Kontinent erreicht. In den meisten Ländern wurden Mehrparteiensysteme
geschaffen und demokratische Wahlen abgehalten. Seitdem befinden sich diese Länder
in
mühsamen
politischen
Standes
dieser
Parteiensystemen nachzeichnen sowie die
aktuelle Situation in den Ländern SubSahara-Afrikas darstellen, tragen sie dazu
bei, diese Informationslücke zu schließen.
Aufgrund des thematischen Fokus auf Parteien konnten alternative Akteure der Demokratisierung nur am Rande berücksichtigt
werden.
POLITISCHE PARTEIEN UND PARTEIENSYSTEM IN MADAGASKAR
Inhaltsverzeichnis
I.
GESCHICHTE UND STRUKTUR DES MEHRPARTEIENSYSTEMS
1. Historische Genese
2. Rechtliche Rahmenbedingungen des Mehrparteiensystems
3. Institutionen des Mehrparteiensystems
4. Richtlinien, Fördereinrichtungen und Sanktionsformen
II. DIE PARTEIEN
1. Überblick über die wichtigsten Parteien
2. Einzeldarstellung
III. DIE PARTEIEN IM PARLAMENT
1. Politisches System und Wahlergebnis
2. Wahlergebnisse der letzten drei Wahlen
3. Arbeit der Parteien im Parlament
4. Relevanz der Fraktionen
5. Dienstleistungen der Parlamentsverwaltung für Parteien und Fraktionen
6. Verhaltenskultur von Politikern im Kontext von Wahlen
IV. ZUSAMMENFASSENDE BEWERTUNG
V. AUSBLICK
POLITISCHE PARTEIEN UND PARTEIENSYSTEM IN MADAGASKAR
Stefanie Hanke, FES Madagaskar
Jean-Aimé Raveloson
2005
I
GESCHICHTE UND STRUKTUR DES
Regierungschef eingesetzt wurde. Er initiier-
PARTEIENSYSTEMS
te die Bildung einer „Nationalen Front zur
Verteidigung der Revolution“ als Vorstufe
1. Historische Genese
der angestrebten Einheitspartei. Diese Nati-
Die ersten Parteien entstanden im Prozess
onale Front galt als der offizielle Rahmen für
der Entkolonialisierung Madagaskars im Jahr
alle politischen Aktivitäten, sie kontrollierte
1946.
jegliche Parteitätigkeit. Sieben Parteien exis-
Die im Februar gegründete MDRM (Mou-
tierten innerhalb dieser Nationalen Front.
vement Démocratique pour la Rénovation
Malgache), die sich für die sofortige Unab-
Um den zögerlichen Prozess der Bildung
hängigkeit Madagaskars einsetzte, wurde
einer Einheitspartei voranzutreiben, gründe-
ein Jahr später nach einem landesweiten
te Ratsiraka 1976 die AREMA (Avant Garde
blutigen Aufstand gegen die Kolonialherr-
de la Révolution socialiste Malagasy). Die
schaft, der mehr als 80.000 Tote forderte,
massive Kooptation, vor allem von ehemali-
aufgelöst. Die im Dezember 1946 gebildete
gen PSD- und PSM-Mitgliedern, die teilwei-
PADESM (Parti des Déshérités de Madagas-
se Zwangsmitgliedschaft in Armee und
car) wurde von der Kolonialregierung als
Verwaltung, die Schaffung von AREMA
Gegenbewegung initiiert und gefördert.
Komitees und Gruppen in staatlichen und
Interne Machtkämpfe führten 1956 zur Ab-
parastaatlichen Betrieben und Einrichtungen
spaltung der PSD, der Partei des zukünfti-
an Schulen und Universitäten und nicht zu-
gen Staatspräsidenten Philibert Tsiranana.
letzt massiver Wahlbetrug führten zur raschen Etablierung der AREMA als dominie-
Mit Unterstützung Frankreichs wurde Tsira-
render Staatspartei. Damit hat in Madagas-
nana 1958 durch eine „Assemblée constitu-
kar nie eine echte Einheitspartei existiert, ein
ante” zum Präsidenten gewählt und Mada-
Umstand, welcher vom langjährigen Dikta-
gaskar am 26.6.1960 in die Unabhängigkeit
tor Ratsiraka immer wieder dazu benutzt
entlassen. Die Oppositionsparteien wurden
wurde, sein Land als Ursprungsland des
zu regionalen Parteien reduziert oder koop-
Mehrparteiensystems zu propagieren.
tiert. Tsiranana wurde 1972 mit 99,72% der
Stimmen wiedergewählt. Bereits im selben
Im Rahmen der politischen Liberalisierung
Jahr wurde er durch eine studentische Pro-
wurde 1990 schließlich ein neues Parteien-
testbewegung gestürzt.
gesetz erlassen, welches die Bildung politischer Parteien auch außerhalb der FDRN
Übergangsregie-
zuließ. Von den 24 neu gegründeten Partei-
rungen, bis schließlich 1975 Fregattenkapi-
en positionierten sich acht im Oppositions-
tän Didier Ratsiraka zum neuen Staats und
lager. Sie hatten kein programmatisches
Es folgten verschiedene
4
Profil und stützten sich im Wesentlichen auf
der, sowie ihren thematischen Zielen und
einige politische Persönlichkeiten und deren
Schwerpunkten. Änderungen sind dem Mi-
reaktivierte Klientelnetze.
nisterium laut Gesetz innerhalb einer einmonatigen Frist mitzuteilen.
Alle politischen Parteien wurden vor allem
aktiv im Rahmen der ersten Demokratisie-
4. Richtlinien, Fördereinrichtungen und
rungswelle von 1991/92. Nachdem sich die
Sanktionsformen
Oppositionsparteien zunächst an die vom
4.1 Parteienfinanzierung
ökumenischen Bund der Kirche geführten
Die Parteien erhalten vom Staat keine Mit-
Oppositionsplattform „Forces Vives“ an-
tel, generell gibt es keine besonderen Rege-
schlossen, konnten sie schließlich 1993 im
lungen bezüglich der Parteienfinanzierung.
Alleingang eine Konvention mit Präsident
Es gibt keine Pflicht zu Finanzberichten und
Ratsiraka aushandeln, die eine weitere De-
Audits.
mokratisierung des Landes einleitete.
4.2 Regelungen für Parteien
Im Rahmen der gewalttätigen Auseinander-
Artikel 14 der Verfassung (siehe oben) und
setzungen im Jahr 2001 agierten die Oppo-
das Parteiengesetzt sind der gesetzliche
sitionsparteien an der Spitze des Ravaloma-
Rahmen für Parteiaktivität. Demnach stellen
nana - Unterstützungskomitees und setzten
die Parteien für die Bürger die politische
sich für die Anerkennung des heutigen Prä-
Ausdrucksform mit „demokratischen und
sidenten als Wahlsieger ein.
pazifistischen” Mitteln dar. Reglementierungen gibt es jedoch wenige. Verboten
2. Rechtliche Rahmenbedingungen des
Mehrparteiensystems
sind Parteien, die sich gegen die „nationale
Einheit, nationale Souveränität, territoriale
Die rechtlichen Grundlagen des Parteiensys-
Integrität” stellen oder Segregationismus
tems sind im Parteiengesetz von 1990 (siehe
nach Ethnie, Stamm oder Konfession an-
4.2) geregelt, welches im Zuge der politi-
streben (Artikel 4). Die Parteien â∏ååÉå=Par-
schen Liberalisierung entstand. Laut Artikel
teitage und Versammlungen abhalten nach
14 der Verfassung „organisieren sich die
den in ihren Statuten festgelegten Bedin-
Bürger frei und ohne vorige Autorisation in
gungen. Vorgeschrieben ist dagegen die
Assoziationen und politischen Parteien“.
Organisationsform
Alle Parteien setzen sich heute für die Ände-
und „Lokalsektionen”, sowie der Parteisitz
rung des bestehenden Parteiengesetzes ein,
auf madagassischem Territorium.
in
„Zentralgremium”
jedoch mit unterschiedlichen Zielsetzungen.
Für das Kandidieren um Mandate ist keine
Parteiämter können nur von Madagassen
Parteizugehörigkeit notwendig.
(mit einem Mindestalter von 21 Jahren)
wahrgenommen werden.
3. Institutionen des Mehrparteiensystems
Spenden und Beiträge â∏ååÉå die Parteien
Die Parteien sind beim Innenministerium
entgegennehmen, ohne festgeschriebene
registriert mit Name, Abkürzung, Adresse
Höchstgrenze oder sonstige Reglementie-
des Hauptsitzes, Statuten, den zwei Haupt-
rung (Artikel 11).
vertretern, Emblem, Organen, Aufnahmebedingungen und Beitragshöhe für Mitglie5
Im Parteiengesetz ist die unter 3. ausgeführ-
expandierte „Tiako Iarivo“ über die Stadt-
te Registrierungspflicht beim Innenministeri-
grenzen hinaus. Die Partei hat keine regio-
um festgeschrieben. Verstöße gegen das
nale oder ethnische Bindung, aber eine
Parteiengesetz werden laut Gesetzestext mit
„strukturelle“ und personelle Bindung zum
Geldstrafen (ca. 15 bis 150 Euro) bis hin zu
Megakonzern TIKO, der die Partei auch
Parteiverboten geahndet.
hauptsächlich finanziert. Die Farben der
Partei sind identisch mit den Farben des
Konzerns und der Hauptsitz der Partei be-
II. DIE PARTEIEN
findet sich im TIKO-Hauptgebäude. Laut
1. Überblick über die wichtigsten Par-
Verfassung darf der Präsident keine Parteiarbeit machen. Ravalomanana hat also kein
teien
Aus heutiger Sicht sind die bedeutendsten
offizielles Amt in der Partei, was aber die
Parteien:
Folgsamkeit der Partei gegenüber dem Kurs
•
TIM (Tiako i Madagasikara = Ich mag
der Regierung in keiner Weise mindert.
Madagaskar)
•
•
AREMA (Avantgarde pour la Rénais-
Organe der Partei sind ein nationales Büro,
sance de Madagascar)
sowie verschiedene Sektionen in den Regio-
AVI (Asa Vita no Ifampitsarana =
nen, Kommunen und Fokontany (kleinste
Judged by Your Work)
•
MFM (Mpitolona ho amin ny Fampandrosoana an’I Madagasikara = Partei
für die Entwicklung Madagaskars)
•
RPSD (Rassemblement pour la SocialDémocratie)
•
TEZA
•
AKFM Renouveau (Erneuerte Madagassische Kongresspartei)
Aus historischer Sicht sind in erster Linie
anzuführen die AKFM (Madagassische Kongresspartei und die PSD (Parti SocialDémocrate).
Sekretariat mit fünf festen Angestellten, an
dessen Spitze der Generalsekretär steht. Die
TIM hat keine internationale Mitgliedschaft,
unterhält jedoch besondere Kontakte zur KP
China.
Im Dezember 2004 fand der erste Kongress
statt, zu dem 4000 Delegierte aus dem ganzen Land angereist waren. Dort wurden
erstmals Mandatsträger gewählt, wobei sich
die Basis aus zahlreichen Ex-AREMA Mitgliedern rekrutierte. Gleichzeitig wurde das
Programm verabschiedet, welches quasi
identisch mit dem kurz vorher erstellten
2. Einzeldarstellung
TIM (Tiako i Madagasikara = Ich mag
Madagaskar)
Die Partei TIM wurde 2002 durch den heutigen Staatspräsidenten Marc Ravalomanana
gegründet. Sie entstand auf Basis der Assoziation „Tiako Iarivo“, mit welcher Ravalomanana bereits zum Bürgermeister der
Hauptstadt Antananarivo gewählt worden
war. Über Strukturen und Personal von Ravalomananas
Verwaltungseinheit). Die Partei unterhält ein
Nahrungsmittelfirma
langfristigen Regierungsprogramm des Präsidenten ist.
Die TIM hat nach eigenen Angaben ca.
500.000 Mitglieder, deren Beiträge sich
nach Kategorien monatlich zwischen mindestens 500 Ar. (= ca. 20 cent) und bis zu
50.000 Ar. (= ca. 20 Euro) für Amtsträger
bewegen.
TIKO
6
AREMA (Avant Garde la Révolution so-
befindet sich seit den verlorenen Präsident-
cialiste Malagasy)
schaftswahlen von 2001 in einer schweren
Die AREMA wurde 1977 als Vorhutpartei
strukturellen Krise. Die Mitgliederzahl ist von
einer vom damaligen Staatspräsidenten Rat-
einer Million aus Zeiten der Einheitspartei
siraka angestrebten Einheitspartei gegrün-
(1977-1990) inzwischen auf unter 300.000
det. Die AREMA hat zwar keine besondere
gesunken. Mitgliederkarten werden seit
regionale oder ethnische Bindung, allerdings
2002 nicht mehr ausgegeben, die Mitglie-
kam es in der Vergangenheit immer wieder
derlisten werden zur Zeit auf Aktualität ü-
zu internen Konflikten, die von einzelnen
berprüft, Beiträge (vormals ca. 0,10 Euro im
Führungspersönlichkeiten geschürt wurden,
Monat) nicht mehr erhoben. Viele Repräsen-
die sich regional-ethnisch zu profilieren ver-
tanten sind nach Frankreich geflohen, wie
suchten. Spannungen gab es auch vor den
der Nationalsekretär, andere inhaftiert oder
Wahlen 2001, als sich interne Flügel um den
nur noch „in Untergrundstrukturen aktiv“.
ehemaligen
Staatspräsidenten
Ratsiraka
einerseits und seinen Premierminister Pierrot
Die Partei hat keine internationalen Mit-
Rajaonaivelo andererseits bildeten. Nach wie
gliedschaften, auch keine bezahlten Ange-
vor droht die Abspaltung einzelner Flügel,
stellten.
bestehend aus Anhängern Pierrots und Zafys einerseits, zweitens Anhängern Ratsira-
AVI (Asa Vita no Ifampitsarana)
kas und drittens Sympathisanten des amtie-
Gegründet
renden Staatspräsidenten Ravalomanana.
Staatschef Norbert Ratsirahonana (Interims-
wurde
die
AVI
durch
Ex-
regierung 1996 nach der Enthebung Zafy
Die Partei hat seit ihrer Gründung erst einen
Alberts aus dem Präsidentenamt), welcher in
Parteitag abgehalten. Auf diesem wählten
der ersten Republik der PSD und in der
1997 800 Delegierte die Nationaldirektion,
zweiten Republik der AREMA angehörte.
(ein sich monatlich treffendes Gremium
Aus juristischen Gründen ist AVI heute nicht
bestehend aus je 10 Vertretern pro Region,
mehr als Partei angemeldet, sondern hat die
davon sind 22 z. Zt. auch Senatoren) sowie
Form einer Assoziation angenommen.
das Politbüro aus Nationalsekretär, VerwalNationalkoordinator.
Allgemein gilt die AVI als Partei der Staats-
Außerdem legten sie die immer noch aktuel-
beamten. Allerdings sind die meisten Mit-
len Statuten fest.
glieder Mandatsträger oder Beschäftigte in
tungssekretär
und
der öffentlichen Verwaltung. So zählen 300
Programmatisch folgt die AREMA dem Slo-
Bürgermeister (die größte Konzentration
gan „République écologiste et humaniste“
befindet sich in den Provinzen Fianarantsoa
(ökologische und menschliche Republik),
und Antanarivo) zu der Partei.
bleibt jedoch inhaltlich sehr vage. Fest steht
die Förderung kleiner und mittlerer Unter-
AVI wird von einem „bureau national“ ge-
nehmen, gerade um die nach Ansicht der
leitet, das aus einem Präsidenten, einem
Partei bestehende Monopolisierung durch
Generalsekretär, einem Vize-Generalsekretär
Präsident Ravalomananas Firma TIKO aufzu-
und einem Schatzmeister besteht. Darunter
halten.
gibt es Strukturen in den Provinzen, den
Regionen, den Distrikten und den Kommu-
Die wichtigste Oppositionspartei AREMA
nen. Die Partei hat keine festen Angestell7
ten. Es gibt keine Parteitage, da aber die
MFM (Mpitolona ho amin ny Fam-
meisten Mitglieder sich in Ämtern oder in
pandrosoana an’i Madagasikara = Partei
der Verwaltung befinden, gibt es themen-
für die Entwicklung Madagaskars)
bezogene Treffen sogenannter Assoziatio-
Die MFM wurde von den Führern der
nen, die eng mit dem „bureau national“
1972er Studentenbewegung als progressiv-
zusammenarbeiten. Außerdem treffen sich
linke Partei im Jahr 1973 gegründet. Im
alle AVI Bürgermeister zwei Mal im Jahr in
Zuge des Zusammenbruchs des real existie-
der Hauptstadt. Die Statuten der Partei
renden Sozialismus in Osteuropa und der
wurden durch die sieben Gründungsmit-
negativen Auswirkungen des madagassi-
glieder verfasst und dann weiter durch das
schen Sozialismus fand 1988 eine radikale
„bureau national“ bearbeitet.
inhaltliche Umorientierung zugunsten des
Liberalismus statt. Seitdem verfolgt die Par-
Durch die hohe Zahl an Bürgermeistern und
tei das Ziel, kleinere und mittlere Betriebe zu
Stadträten unter den Mitgliedern kann man
unterstützen und so Arbeitsplätze zu schaf-
von einer in ganz Madagaskar repräsentier-
fen (deshalb der Slogan „200.000 Arbeits-
ten und relativ dezentral agierenden Partei
plätze pro Jahr“). Hierfür hält die MFM nach
sprechen.
Angabe des Nationalsekretärs einen „liberalen Kontext“ für am aussichtsreichsten, d.h.
Nach eigenen Angaben hat die Partei etwa
Freiheit der Märkte und des Kapitals. Seit
5000 Mitglieder. Der Status einer Associati-
Ende der 80er Jahre fordert sie die politische
on ermöglicht es der AVI aber, die Frage der
Liberalisierung und eine auf Regionen und
Mitgliedschaft sehr locker zu handhaben.
Kommunen basierende Dezentralisierung,
Um Mitglied zu werden, ist ein monatlicher
welche heute realisiert wird. Auf Wirken der
Beitrag von umgerechnet etwa 4 Euro-Cent
MFM begann der Staatspräsident 2001 mit
zu entrichten. Zusätzlich müssen all jene, die
dem Bau von 20.000 Straßenkilometern,
ein Mandat ausüben oder einen öffentli-
um die 22 Regionen miteinander zu verbin-
chen Posten haben, 10% ihres Gehaltes in
den.
die Parteikasse zahlen. Da es jedoch keine
Sanktionen gibt, liegt die Deckung der Zah-
Die MFM galt stets als Hauptinitiator bzw.
lungen nach Angaben der Partei bei 58%.
Hauptträger aller „mouvements populaires“
Trotz der hohen Konzentration von Mitglie-
in Madagaskar und ist darüber hinaus die
dern in bestimmten Gegenden, rekrutiert
einzige Partei, die nicht versucht, Mitglieder
die Partei nicht anhand regional-ethnischer
entlang regionalethnischer Linien zu rekru-
Kriterien.
tieren. Basisstrukturen existieren also landesweit, sind aber zum Teil abgekoppelt
Die Ziele der Partei sind eigenen Angaben
von der Parteispitze.
entsprechend die folgenden: die Umsetzung
von rechtstaatlichen Prinzipien, Good Go-
Die Partei verfügt über ein Bureau Politique,
vernance sowie die Einhaltung der Men-
dieses besteht jedoch zur Zeit nur aus dem
schenrechte. Diese Prinzipien sollen auch
Präsidenten (die anderen beiden Posten des
auf dezentraler Ebene verfolgt werden.
Generalsekretärs und des Schatzmeisters
sind seit deren Tod vor 2 Jahren vakant). Der
Präsident wird vom alle 4 Jahre stattfindenden Partei-Kongress gewählt. In der Praxis
8
fanden jedoch keine Wahlen statt, so dass
ein Komitee (das Vovonana, letzte Wahl
Im Rahmen der politischen Liberalisierung
2002) aus 3 gewählten Repräsentanten der
der 80er Jahre spaltete sich von ihr die
111 Distrikte den Präsidenten ernennt. Wei-
AKFM-Renouveau rund um den protestanti-
teres Parteiorgan ist das Comitee Directeur
schen Pastor Richard Andriamanjato ab.
(Repräsentanten der 22 Regionen), welches
Von jener AKFM-Renouveau spalteten sich
vom Conseil national (bestehend aus 3 Rep-
später die TEZA rund um Moxe Ramandim-
räsentanten pro Region) gewählt wird. Dar-
bilahatra, sowie die AME unter Général Ra-
unter folgen die Parteistrukturen in Kom-
makavelo ab.
munen und schließlich die Basis. Alle Parteiämter sind ehrenamtlich, es gibt keine be-
Die AKFM zählt zwischen 3000 bis 6000
zahlten Mitarbeiter.
Mitglieder bei einem Monatsbeitrag von ca.
0,10 Euro. und setzt sich aus Bauern, Beam-
Vor Eintritt in die Partei ist ein internes Reg-
ten und Selbstständigen aber auch Arbeits-
lement (Statuten) zu unterschreiben. Der
losen zusammen.
Beitrag der über 50.000 Mitglieder beläuft
sich auf ca. 1,5 Dollar jährlich.
Laut Statuten und internem Reglement
wählt ein Kongress aus ca. 250 Mitgliedern
Da die MFM noch nie in der Regierungsver-
alle 5 Jahre ein Zentralkomitee mit 10 Ver-
antwortung war, wird sie von vielen Wäh-
tretern für jede der 50 Provinzen. In der
lern als regierungsunfähig betrachtet. Die
Praxis fanden die letzten Kongresse 1998
MFM ist seit 2001 Mitglied des African Libe-
und 2004 statt. Jenes Zentralkomitee wählt
ral Network, sowie Mitgliedskandidat der
das Politbüro, bestehend aus Präsident, 6
Internationalen Liberale.
Vizepräsidenten, einem Generalsekretär und
dessen 5 Vertretern; es tritt zweimal wö-
AKFM (Madagassische Kongress Partei)
chentlich zusammen und wird kontrolliert
Diese älteste Partei Madagaskars wurde
vom Koordinationskomitee der Provinzen,
1958 als Plattform für die Unabhängigkeit
welches aus den untergeordneten Gliede-
aus mehreren kleinen Parteien gegründet.
rungen (Regionen, Kommunen, Stadtteilen)
Das Ziel verschob sich nach Erreichen der
aufsteigend gewählt wird.
Unabhängigkeit hin zum Aufbau des Sozialismus in Madagaskar, woran die Partei in
Auf dem Kongress werden die Statuten
ihrer Regierungszeit von 1975 bis 1981 ar-
debattiert und abgestimmt, welche jedes
beitete. Heute ist die AKFM postkommunis-
Neumitglied erhält. Die AKFM leistet sich
tisch eingestellt, gesteht jedoch eine gewis-
lediglich einen bezahlten Sekretär, alle an-
se Anpassung an die neoliberale Tendenz
deren Personen arbeiten ehrenamtlich.
der aktuellen Regierung ein, und würde bei
einem erneuten Machtgewinn nicht den
Mitgliedschaften bestehen bei attac und
Sozialismus, sondern „mehr soziale Gerech-
dem Weltfriedensrat. Allerdings pflegt die
tigkeit und Gleichheit” und Abschaffung
AKFM enge Kontakte und Informationsaus-
der „Ausbeutung des Menschen durch den
tausch zu den kommunistischen Parteien
Menschen” verfolgen. Weiteres Ziel ist die
Europas, Chinas, Japans, Vietnams und be-
Unabhängigkeit Madagaskars von ausländi-
sonders der Réunion.
schem Kapital.
9
TEZA EÄÉå~ååí=å~ÅÜ=ÇÉê=_~ìã~êí=qbw^F
PSD (Parti Social-Démocrate)
Die kleinere TEZA-Partei wurde 1998 von
Die PSD wurde in der ersten Republik durch
ihrem heutigen Vorsitzenden Moxe Raman-
den ersten madagassischen Präsidenten
dimbilahatra (vormals AKFM und dann
Philibert Tsiranana gegründet, sie wurde in
AKFM-Renouveau) gegründet, welcher ge-
der zweiten Republik verboten. Zur Zeit gibt
genwärtig Berater des Präsidenten ist. Im
es folgende Abspaltungen der aktuell von
Gegensatz zur AKFM steht die TEZA somit
Tsirananas Adoptivtochter Ruffine Tsiranana
Präsident Ravalomanana nahe. Die Partei
geführten PSD :
stellt sich als die demokratischste dar: Sie
•
Die RPSD rund um Marson Evariste,
plädiert für ein Parteiengesetz und hält mo-
der inzwischen Berater des Präsiden-
natlich themenbezogene Treffen zwischen
ten ist, mit starker regionaler Bindung
Politbüro und interessierten Mitgliedern
zum Südwesten des Landes;
zum Informations- und Meinungsaustausch
•
Die RPSD-Nouveau, gegründet vom
ab. Das Politbüro, bestehend aus dem Vor-
Oppositionspolitiker Jean-Eugène Vo-
sitzenden, 4 Stellvertretern, dem General-
ninahitsy mit starker Bindung zum
sekretär mit 2 Stellvertretern beschäftigt
Distrikt Maintirano;
zwei bezahlte Mitarbeiter und wurde auf
•
Die ebenfalls in Mahajanga verankerte
dem ersten Kongress der Partei 2003 ge-
PFDM von Tsiarananas Sohn Pierre Tsi-
wählt, gemeinsam mit den Statuten und
ranana, einem Oppositionspolitiker.
einem Wahlprogramm. Zukünftig sollen alle
5 Jahre Parteitage stattfinden. Die 600 Mit-
Alles in allem ist die PSD aber heute so gut
glieder der Partei sind in 20 Regional- und
wie nicht mehr aktiv.
weiteren Kommunalbüros organisiert und
zahlen 50.000 FMg, bzw. 5 Prozent ihres
UNDD (Nationale Union für Entwicklung
Gehalts pro Jahr. Eine große Zahl führender
und Demokratie)
Parteimitglieder stammt aus ländlichen Gebieten, vor allem im Süden, Mittelwesten
und Osten des Landes, wo die TEZA über
insgesamt 120 Bürgermeister und Conseils
Municipaux sowie einen Senator verfügt. Ein
wichtiges programmatisches Ziel ist deshalb
die Dezentralisierung in 22 Regionen, wofür
sich
Berater
Moxe
beim
Präsidenten
schwerpunktmäßig einsetzte. Der Vorsitzende hat sich inhaltlich weitgehend vom
einstigen Sozialismus seiner Ex-Partei AKFM
gelöst, die Programmatik der TEZA ist aber
weniger liberal als die der Regierungspartei
TIM.
Die TEZA pflegt besondere Kontakte (Informationsaustausch und gemeinsame Seminare) mit den Grünen Frankreichs.
Die UNDD wurde 1990 durch Albert Zafy
und Emmanuel Rakotovahiny gegründet,
beide Ex-Minister der Militärregierung von
1972-73. Die Unzufriedenheit der Bevölkerung über die Misswirtschaft der Ära Ratsiraka und dessen Verlust an Legitimität durch
den Fall der Sowjetunion ermöglichte Zafy,
als Kandidat der Erneuerung die Wahl zur
Präsidentschaft 1992 zu gewinnen. Er legte
einen sehr populistischen Führungsstil an
den Tag und vernachlässigte die Entwicklung des Landes zugunsten seiner politischen Ambitionen. Mit der Änderung der
Verfassung, durch die das damals parlamentarisch geprägten Systems in Richtung Präsidentialdemokratie rückte, brachte er 1995
das Parlament gegen sich auf, das ihm 1996
das Vertrauen entzog und damit seines Am10
tes enthob. Zafys Regierungsstil war geprägt
Heute nicht mehr an der Regierung, hat die
von systematischem Misstrauen gegenüber
UNDD ihr politisches Vokabular etwas an-
den großen Parteien, da die UNDD im Ver-
gepasst. Die UNDD konzentriert sich weiter-
gleich sehr unbedeutend war.
hin auf ethnisch-provinziale Strukturen. Die
Mitglieder werden vor allem in den Regio-
Die Partei ist inhaltlich und strukturell stark
nen Diego, Mahajanga und Tuléar gewor-
auf die Person Albert Zafys ausgerichtet und
ben. Sie sieht sich gerne als Opfer eines
dient ihm zur Umsetzung seiner politischen
undemokratischen Systems. Die Wahlergeb-
Ambitionen. Sie ist heute eine radikale Op-
nisse von 2002 und die neue Regierung
positionspartei, die formal die aktuelle Re-
wurden bisher nicht anerkannt. Deshalb
gierung nicht anerkennt. Das erklärt, warum
betrachtet die UNDD den konventionellen
die Partei heute nur sehr schwach organi-
politischen Rahmen (Verfassung und Wahl-
siert ist und viele ihrer ehemaligen Mitglie-
gesetz) nicht als den Weg, um an die Macht
der in andere Parteien, vorzugsweise in die
zu gelangen, sondern fordert, dass eine
Regierungspartei, gewechselt sind.
„pouvoir de transition” (Übergangsgewalt),
dessen Bestandteil sie ist, die Regierungsge-
Es ist derzeit keine offizielle Mitgliederzahl
schäfte übernimmt.
bekannt, doch dürfte sie relativ gering sein.
Um Mitglied zu werden, muss man von ei-
III. DIE PARTEIEN IM PARLAMENT
nem Mitglied der Partei vorgeschlagen werde. Von den Mitgliedern wird erwartet, jähr-
1. Politisches System und Wahlsystem
lich einen symbolischen Beitrag zu entrich-
Es handelt sich beim politischen System Ma-
ten. Die Finanzierung der Partei stützt sich
dagaskars um ein präsidentielles System
also ausschließlich auf klientelistische Struk-
nach französischem Vorbild. Der Präsident
turen der Partei und dessen Umfeld, die je
wird alle 5 Jahre direkt gewählt und kann
nach Bedarf und Kontext aktiv werden.
bis zu zwei Mal kandidieren.
Der letzte Parteitag fand 1993 statt. Damals
Der Präsident ernennt den Premierminister
wurden die 1990 festgelegten Statuten ü-
und sitzt dem Ministerrat vor. Der Premier-
berarbeitet. Es scheint aber keine regelmä-
minister ernennt die Minister und leitet den
ßigen partizipativen Strukturen in der UNDD
Regierungsrat.
zu geben. Sie wird von einem Politbüro geleitet, bestehend aus einem Präsidenten,
Senat und Nationalversammlung bilden die
einem Ehrenpräsidenten und einem Gene-
zwei Kammern. Die Abgeordneten zur Nati-
ralsekretär. Die Partei beschäftigt einige
onalversammlung werden alle 5 Jahre direkt
Angestellte.
gewählt. Der Senat dagegen setzt sich zu
zwei Dritteln aus gewählten Repräsentanten
Während seiner Regierungszeit stützte Zafy
der Regionen und zu einem Drittel aus
seine Legitimität vor allem auf einen popu-
„aufgrund ihrer Kompetenz“ durch den
listischen regional-ethnischen und sich auf
Präsidenten ernannten Senatoren zusam-
traditionelle Werte (wie das „fihavanana” =
men. Die Senatsmandate gelten für 6 Jahre.
Solidarität) berufenden Diskurs. Substantiel-
Allgemein herrscht heute das Prinzip des
le Konzepte zur Entwicklung des Landes
Mehrheitswahlrechts, das Wahlgesetz ist
waren nicht Bestandteil des Programms.
jedoch unterschiedlich interpretierbar.
11
Kompetenzen und innere Organisation der
NVVT=
zwei Kammern sind fast identisch. Die Nati-
mê®ëáÇÉåíëÅÜ~Ñíëï~ÜäW==
onalversammlung
besitzt
das
exklusive
•
Didier RATSIRAKA (AREMA) 50,7%
Recht, die „motion de censure“ (Misstrau-
•
Albert ZAFY (AFFA) 49,3%
ensantrag) einzubringen und sie kann bei
k~íáçå~äîÉêë~ããäìåÖ=W
Uneinigkeit mit dem Senat die entgültige
•
AREMA: 63 Sitze
Entscheidung über ein Gesetz treffen. Vor-
•
LEADER/Fanilo: 16 Sitze
•
AVI: 14 Sitze
•
RPSD: 11 Sitze
•
AFFA: 6 Sitze
•
MFM: 3 Sitze
•
AKFM/Fanavaozana: 3 Sitze
•
GRAD/Iloafo: 1 Sitze
•
Fihaonana: 1 Sitze
•
Unabhängige: 32 Sitze
her muss das Gesetz jedoch durch beide
Kammern gegangen und an einem Vermittlungsausschuss gescheitert sein. Wenn der
Präsident durch gesundheitliche oder andere Gründe daran gehindert ist, die Geschäfte der Regierung weiterzuführen, übernähme dies für eine Übergangszeit der Präsident des Senats.
Das Parlament – also Senat und Nationalversammlung – hat die Aufgaben, einerseits
OMMNLOMMO=
über Gesetze abzustimmen und zweitens
mê®ëáÇÉåíëÅÜ~Ñíëï~Üä=W==
die Regierung zu kontrollieren (siehe 3.).
•
Marc RAVALOMANANA (TIM) 50,5%
Das Parlament besitzt ebenso wie die Regie-
•
Didier RATSIRAKA (AREMA) 37,7%
rung das Recht, Gesetzesinitiativen einzu-
k~íáçå~äîÉêë~ããäìåÖ=W=
bringen. Außerdem berät der Senat die Re-
•
TIM: 102 Sitze
gierung in Fragen der Dezentralisierung.
•
FP (Nationale Union): 22 Sitze
•
RPSD (Rassemblement pour la social-
2. Wahlergebnisse
der
letzten
drei
Wahlen
démocratie): 3 Sitze
•
NVVOLNVVP=
socialiste Malagasy): 3 Sitze
mê®ëáÇÉåíëÅÜ~Ñíëï~ÜäW==
•
•
Albert ZAFY (UNDD) 67%
•
Didier RATSIRAKA (AREMA) 33%
k~íáçå~äîÉêë~ããäìåÖ=W=
•
Cartel
AREMA (Avant Garde la Révolution
FV
=
HVR
Leader Fanilo (Fackelträger): 1 Sitz
Die nächsten Präsidentschaftswahlen finden
im November 2006 statt.
(Hery
Velona
Rasalama): 47 Sitze
3. Arbeit der Parteien im Parlament
•
MFM: 15 Sitze
Die Arbeit der Parteien im Parlament ist ge-
•
Leader Fanilo (Fackelträger): 14 Sitze
kennzeichnet durch die überwältigende
•
PROAREMA: 11 Sitze
Mehrheit der TIM Fraktion in der National-
•
FIHAONANA: 9 Sitze
versammlung und eine starke Vertretung
•
RPSD (Rassemblement pour la socialdémocratie): 8 Sitze
•
AKFM/F: 5 Sitze
•
UNDD: 5 Sitze
derselben im Senat, obwohl hier die oppositionelle AREMA die meisten Sitze inne hat.
Die TIM-Parlamentarier unterstellen sich in
12
ihren Entscheidungen den Direktiven der
men die Prioritäten der Tagesordnung bei-
Parteiführung bzw. des Staatspräsidenten
der Kammern.
Ravalomanana. Der Zusammenhalt innerhalb der Partei ist sehr groß und es wird
Um die Regierung zu kontrollieren gibt es 4
keine Kritik an der
mögliche Prozeduren:
Regierung geübt. Die
Oppositionsfraktionen, die den Senat domi-
1) Die Minister legen Jahresberichte ab,
nieren, verhalten sich bei Abstimmungen als
für die sie sich in der Nationalver-
„Blockwähler“ zugunsten der eigenen Par-
sammlung rechtfertigen müssen.
tei. Dies wird dadurch verstärkt, dass, um
2) Monatlich findet eine offene Frage-
gewisse Interventionsrechte wahrnehmen zu
stunde statt, welche oft von 9 Uhr bis
können, die Parlamentarier einer sogenann-
Mitternacht dauert und live im öffent-
ten „groupe parlementaire“ angehören
lichen TV und Radio übertragen wird.
müssen, die aus mindestens 8 Personen in
3) Die Opposition kann schriftliche An-
der Nationalversammlung und mindestens 5
fragen an Minister schicken, die ge-
im Senat bestehen muss.
meinsam mit deren Antworten im
Journal Officiel de la Republique veröf-
Obwohl der Opposition theoretisch die
fentlicht werden.
Möglichkeit offen steht, in beiden Kammern
4) Letztlich können auch Anhörungen
Gesetzesentwürfe einzubringen, hat sie in
der Minister zu bestimmten Fragen
der Praxis bisher wenig unternommen, um
anberaumt werden.
auf diese Weise die Politik des Landes zu
gestalten. Zum Teil ist dies durch die Domi-
In der Praxis werden diese Instanzen auf-
nanz des Präsidenten und seiner Regierung
grund der großen Dominanz der TIM Frakti-
im politischen System Madagaskar zu erklä-
on selten in Anspruch genommen.
ren. Der Präsident besitzt unter anderem das
Recht (ähnlich wie in Frankreich) Gesetze
Im Parlament stellt jede Provinz einen Vize-
unilateral über den Ordonanzweg (ordo-
präsidenten.
nances, décrets) durchzusetzen. Andererseits schöpfen die Parlamentarier aber ihren
Die regierungsbildenden Parteien sind TIM,
Handlungsrahmen auch nicht voll aus. Dies
sowie mit je einem Minister AVI (Tourismus
liegt an ihrem Mangel an Organisiertheit,
und Kultur) und MFM (Energie und Berg-
einem Fehlen finanzieller Ressourcen sowie
bau). Im Präsidialamt sind vertreten die Par-
von Know-how und an fehlendem Engage-
teien RPSD (in Form des Präsidentenberaters
ment der Parlamentarier, außerhalb einer
Marson Evariste), TEZA (durch Berater Moxe)
Beteilung am Regime die Politik mitzube-
und die MFM (durch den Berater Manada-
stimmen.
fy). Außerdem gibt es noch parteilose Minister.
In der Nationalversammlung gibt es insgesamt neun themenbezogene Kommissio-
Bei der letzten Regierungsumbildung wurde
nen, deren Präsidenten aus allen Parteien
die Viceprimature abgeschafft und ein De-
kommen, allerdings stellt die TIM Fraktion
zentralisierungsministerium geschaffen.
die Mehrheit aller Kommissionspräsidenten.
Im Senat gibt es zwölf solcher Kommissio-
Das Präsidialamt verfügt über Parallelstruk-
nen. Die Kommissionspräsidenten bestim-
turen zu einigen bereits bestehenden Minis13
terien (z.B. Direction de la décentralisation).
Die wichtigsten Großprojekte sind ebenfalls
Es gibt 5 Dienstleistungsdirektionen: Sicher-
der Presidence unterstellt. Darunter finden
heit, Öffentlichkeitsarbeit, Innerparlamenta-
sich u.a. FID, CSLCC/BIANCO zur Korrupti-
rische Beziehungen und Kommunikation,
onsbekämpfung, Lutte contre le sida zur
Legislation und schließlich Verwaltung und
HIV/Aidsbekämpfung, MCA, Programme de
Finanzen.
Gouvernance et de Développement des
Institutions (PGDI), sowie „Vitrine de Mada-
Die weiteren Dienstleistungen umfassen den
gascar“.
wissenschaftlichen Dienst, den EDV-Service,
den medizinisch-sozialen Dienst sowie Fahrdienst und Protokoll.
4. Relevanz von Fraktionen
In der Nationalversammlung existieren vier
Fraktionen: TIM, AVI, RPSD und GPR (Groupe Parlementaire pour le Rassemblement).
6. Verhaltenskultur von Politikern im
Kontext von Wahlen
Letztere sind ein Zusammenschluss aus Ab-
Auf lokaler Ebene werden in Madagaskar
geordneten mehrerer Parteien: MFM, ARE-
Koalitionen gebildet, die nicht unbedingt
MA und Unabhängige. Somit ist Partei nicht
den Kräftekonstellationen auf nationaler
gleich Fraktion.
Ebene entsprechen. Politiker verschiedener
Parteien versuchen, das schlechte Image
Die Fraktionen im Senat sind TIM, AVI und
ihrer Partei dadurch zu umgehen, dass sie
AREMA. Aufgrund der Mehrheit der opposi-
im Rahmen von Assoziationen zu Wahlen
tionellen AREMA im Senat will die Regie-
antreten, durch die sie Kontakt zur Zivilge-
rung jedoch nicht vom Senat beraten wer-
sellschaft halten.
den, mit Ausnahme der Dezentralisierungsthematik, hier sind die Senatoren zu Mit-
So sind die meisten Parteien bei den letzten
gliedern des Conseil Régional geworden.
zwei Wahlen (nationale und kommunale
Durch die AREMA-Mehrheit ist der Senat
Wahlen) Allianzen mit anderen Parteien
der Regierung gegenüber also zwar prinzi-
eingegangen. Daraus ergaben sich z.B. die
piell kritischer eingestellt, jedoch fehlen den
„Nationale
Senatoren inhaltliche Kenntnisse, um die
pirenena“), bestehend aus TIM, AVI und
Regierung letztlich wirksam kontrollieren
RPSD, was wiederum zur Spaltung der RSPD
oder beraten zu können. Auch ist der Senat
führte, da ein Flügel nicht mit der TIM ko-
formal der Nationalversammlung unterstellt
operieren wollte und in die Opposition ging.
und kann Gesetzesentwürfe nur zeitlich
Einzelne Parteien, wie etwa die MFM oder
blockieren, nicht aber ganz kippen.
die Leader-Fanilo, wollen ihre Unabhängig-
Solidarität“
(„Firaisankinam-
keit wahren und gehen keine Koalitionen
5. Dienstleistungen
der
Parlaments-
verwaltung für Parteien und Frakti-
ein. Damit verspielen sie jede Chance auf
einen Sitz im Parlament.
onen
Die Nationalversammlung wird von einem
Langfristige Parteibindungen von Politikern
Bureau Permanent verwaltet, bestehend aus
sind eher die Ausnahme. Parteipolitiker, die
einem Präsidenten, 6 Vizepräsidenten und 2
sich hohe Posten erhoffen, tendieren dazu,
Quästoren. Alle Mitglieder des Büros gehö-
sich opportunistisch kritiklos gegenüber der
ren der TIM an.
Regierung zu verhalten und sind gegebe14
nenfalls auch bereit, aus der Partei auszutre-
rungspartei, hat ein detailliertes Programm
ten oder diese zu wechseln. Präsident und
verabschiedet, welches identisch mit dem
Premierminister rekrutieren ihre Minister in
bereits
der Regel außerhalb der Parteikanäle. Viele
gramm des Präsidenten ist. Diese Chronolo-
Minister sind parteilos, andere – auch hohe
gie ist symptomatisch für die Beziehung von
Beamte – haben die Partei gewechselt und
Präsident und Regierungspartei. Letztere
sind in die Regierungspartei TIM eingetre-
vollzieht kritiklos jede Entscheidung des
ten, z.B. der amtierende Arbeitsminister.
Präsidenten und entwickelt keine sichtbare
vorher
erstellten
Regierungspro-
Eigeninitiative.
IV. ZUSAMMENFASSENDE BEWERTUNG
Es gibt keine Partei, die wegen ihrer ProDas Mehrparteiensystem in Madagaskar hat
grammatik oder Politikgestaltung der Fried-
keine ausreichende gesetzliche Grundlage.
rich-Ebert-Stiftung besonders nahe steht.
Zwar hatten sich insgesamt 22 größere Par-
Der „traditionelle“ oder „natürliche“ Part-
teien im Jahr 2002 auf einen Minimalkon-
ner der Stiftung in Madagaskar, die sozial-
sens geeinigt und ein entsprechendes Par-
demokratische Partei Tsirananas PSD, ist
teiengesetz vorbereitet, dieses wird jedoch
diskreditiert und spielt keine Rolle bei der
heute von der Regierungspartei blockiert.
Politikgestaltung. Die Regierungspartei TIM
Ein neues Wahlgesetz wird von der Opposi-
ist dominiert von ihrem Ehrenvorsitzenden,
tion eingefordert, die Regierung zeigt je-
dem Präsidenten, und finanziell abhängig
doch bis jetzt keine Initiative, dringend not-
von dessen Unternehmen TIKO. Sein mehr
wendige Änderungen in Angriff zu nehmen.
oder weniger offen ausgesprochenes Motto
Die Opposition ergreift jedoch ihrerseits
lautet in etwa: „Die Armen reicher machen,
keine Initiative, ein solches Gesetz zu ent-
ohne die Reichen ärmer zu machen”. Die
werfen und vorzuschlagen. Dies ist um so
AREMA ist mit internen Machtkämpfen be-
dringlicher, als die für 2006 anstehenden
schäftigt und in sich gespalten. Weiterhin
Wahlen unter dem Eindruck des Wahldesas-
ziehen die alten Machthaber um Ratsiraka
ters von 2002 unter hohen Erfolgsdruck
im Hintergrund wichtige Fäden.
stehen.
Das Parteiensystem hat keine Relevanz für
Der Parlamentarismus in Madagaskar ist
die Politikgestaltung. Die wesentlichen Ent-
gekennzeichnet durch die Dominanz der
scheidungen sind beim Präsidenten oder
Regierungspartei, die sogar die Tagesord-
beim Präsidialamt zentralisiert. Die Regie-
nung im Parlament bestimmt. Das Parla-
rungspartei vollzieht die Politik des Präsiden-
ment ist nicht in der Lage, die Exekutive zu
ten, innerparteiliche Diskussionen über Poli-
kontrollieren. Die Opposition ist weder per-
tikgestaltung werden nicht geführt. Einzelne
sonell noch strukturell in der Lage, ihre
Parteien mit intellektuellem Potential wie
Funktion wahrzunehmen. Die Volatilität ist
TEZA oder MFM sind nach französischem
hoch, das Parteienspektrum fraktioniert.
Vorbild, ad personam durch persönliche
Berater des Präsidenten in das System integ-
Die politischen Parteien haben in der Regel
riert und versuchen auf diese Weise, die
keine Programme. Wenn sie ein Programm
Politikgestaltung zu beeinflussen.
haben, wird dieses nicht in konkrete Politik
umgesetzt. Lediglich die TIM, die Regie-
Die Politikgestaltung ist geprägt durch das
15
tagespolitische Geschehen. Kennzeichnend
ist die aktuelle Krise der in diesem Jahr privatisierten Stromgesellschaft. Hier wurde
seit der zweiten Republik unter Ratsiraka so
lange Mangelverwaltung betrieben, bis die
Stromversorgung in einigen Landesteilen
komplett zum Erliegen gekommen ist.
Langfristige Vorhaben lassen sich erst neuerdings in Ansätzen erkennen und entstehen vor allem auf Druck der Weltbank oder
nach dem Willen des Präsidenten. Diese
betreffen vor allem die Reform der Zollverwaltung, den Ausbau der Ökonomie und
den Umweltschutz.
V. AUSBLICK
Ein echter Demokratisierungsprozess ist in
Madagaskar erst mit dem Politikwechsel im
Jahr 2002 eingeleitet worden. Dementsprechend hoch ist der Reformbedarf. Dringend
notwendige Änderungen betreffen vor allem die Verfassung, das Wahlgesetz, die
Schaffung einer unabhängigen Wahlkommission, ein neues Parteien- und Parteienfinanzierungsgesetz und die Förderung der
politischen Parteien in Sachen Programmatik,
Mobilisierungsfähigkeit
und
interne
Demokratie.
Ein reibungsloser Ablauf der 2006/2007
stattfindenden Wahlen ist unabdinglich für
die Konsolidierung der Demokratie. Ein
Scheitern dieser Wahlen wird zu ernsthaften
Konflikten oder gar einer Wiederholung des
Krisenszenarios von 2001 führen.
16
Die Friedrich-Ebert-Stiftung
Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) wurde 1925 gegründet und ist die älteste politische Stiftung
Deutschlands. Sie ist eine private und gemeinnützige Institution und den Ideen der Sozialen Demokratie verpflichtet. Die Stiftung trägt den Namen des ersten demokratisch gewählten deutschen Staatspräsidenten, Friedrich Ebert, und führt sein Vermächtnis der politischen Gestaltung
von Freiheit, Solidarität und sozialer Gerechtigkeit fort. Diesem Auftrag entspricht sie im In- und
Ausland mit ihren Programmen zur Politischen Bildung, Internationalen Zusammenarbeit sowie
Studienförderung und Forschung.
Die Internationale Arbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung
Die Abteilung Internationale Entwicklungszusammenarbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung fördert
nachhaltige Entwicklung und Demokratie in Afrika, Asien, Lateinamerika sowie dem Nahen Osten. Zusammen mit ihren Partnern, gesellschaftspolitischen Akteuren in über 100 Ländern, trägt
sie dazu bei, dass in Zukunft:
•
Demokratische Strukturen unter Einbeziehung möglichst aller gesellschaftlicher Gruppen
gesichert,
•
Reformprozesse und Mechanismen eines friedlichen Interessenausgleichs gefördert sowie
•
Globale Zukunftsstrategien gemeinsam gestaltet werden.
Gegenwärtig unterhält das Afrika-Referat der Friedrich-Ebert-Stiftung in den Ländern südlich der
Sahara 19 Büros mit 23 deutschen Mitarbeitern und ca. 180 Ortskräften. Darüber hinaus werden Projekte in 4 weiteren Ländern (Kapverden, Togo, Mauritius, DR Kongo) durchgeführt, die
jeweils von einem angrenzenden Büro oder der Zentrale mitbetreut werden. Für diese Arbeit
standen im Jahre 2005 ca. 12 Mio. € zur Verfügung.
Weitere Informationen sowie FES-Publikationen zu Afrika finden Sie auf unserer Homepage unter: http://www.fes.de/international/afrika.
Friedrich-Ebert-Stiftung
Referat Afrika
Abteilung Internationale Entwicklungszusammenarbeit
Leiter: Dr. Werner Puschra
Godesberger Allee 149
53175 Bonn
Tel.: +49 228 883-576
Fax: +49 228 883-623
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