Skript Teil 1

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Analysis II
SS 2017
Prof. Dr. Bernd Dreseler
Inhaltsverzeichnis
1 Gleichmäßige Konvergenz
1.1 Lokal gleichmäßige Konvergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
5
2 Metrische Räume
2.1 Topologische Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
11
3 Stetigkeit
3.1 Kompaktheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2 Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.3 Kurven im Euklidischen Raum . . . . . . . . . . . . . .
3.4 Dierenzierbare Abbildungen . . . . . . . . . . . . . .
3.5 Richtungsableitungen, partielle Ableitungen . . . . . .
3.6 Mittelwert- und Schrankensätze . . . . . . . . . . . . .
3.7 Höhere Ableitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.8 Das Taylorpolynom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.9 Lokales Verhalten einer Funktion . . . . . . . . . . . .
3.10 Dierentation parameterabhängiger Integrale . . . . . .
3.11 Reihen von Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . .
3.12 Der Fixpunktsatz . . . . . . . . . . . . . . 6 . . . . .
3.13 Der Umkehrsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.14 Über das Lösen von Gleichungen . . . . . . . . . . . .
3.15 Extrema unter Nebenbedingungen . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
14
17
21
24
26
29
30
31
33
35
38
39
41
41
43
46
4 Dierentialgleichungen (gewöhnliche)
4.1 Lineare Dierentialgleichungen erster Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . .
47
51
5 Untermannigfaltigkeiten
5.1 Tangentialraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2 Normalraum und Multiplikatorregel von Lagrange
5.3 Krümmung von Kurven . . . . . . . . . . . . . .
5.4 Ein Beispiel aus der Variationsrechnung . . . . . .
56
59
62
63
64
I
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1
Gleichmäßige Konvergenz
Sei iq : G C, q IN, eine Folge von Funktionen. Dann konvergiert (iq ) punktweise
gegen die Grenzfunktion i : G C, falls für alle { G limq iq ({) = i ({). Frage:
Welche Eigenschaften hat die Grenzfunktion, welche Eigenschaften erbt die Grenzfunktion?
Sei z.B. {0 G und iq stetig in {0 für alle q IN. Stetigkeit von i im Punkte {0 G
bedeutet dann (wenn die iq punktweise gegen i konvergieren)
i
stetig
lim i ({) = i({0 ) = q
lim iq ({0 )
lim lim iq ({) = {{
{{0 q
iq
0
stetig
=
lim lim iq ({)=
q {{0
Die Stetigkeit in {0 vererbt sich also, wenn die Limites links und rechts vertauscht werden
können.
Beispiele:
1. Die iq : [0> 1] IR, iq ({) = {q , sind stetig und
( konvergieren punktweise gegen die
0
0{?1
nicht stetige Funktion i : [0> 1] IR, i({) =
.
1
{=1
1
0.8
0.6
0.4
0.2
00
0.2
0.4
0.6
0.8
1
2. iq : [0> 1] IR, iq ({) = q1 q { + qq , ist dierenzierbar, q 1. Für festes q ist iq monoton wachsend. Also 0 iq ({) iq (1) q2 , also konvergiert iq (punktweise) gegen
die Funktion 0. Die Funktion 0 ist dierenzierbar mit Ableitung 0. Die Ableitung von
1q
1q
1
iq ist ( q1 ({ + qq ) q )0 = q12 ({ + qq ) q , also iq0 (0) = q12 (qq ) q = q12 qq1 = qq3
und damit iq0 (0) für q . Die Grenzfunktion i ist zwar dierenzierbar, aber
i 0 ist nicht (punktweise) Grenzwert der iq0 .
2
q
iq ({) =
{ + qq
1q
q
1
3. iq : [0> 1] IR sei wie im Bild erklärt (stückweise linear).
1
q
1
2
Dann gilt iq ({) 0 { [0> 1], aber
R1
0
1
q
1
2
1
2
+
1
q
iq ({) g{ = 1, also
1
R1
0
iq ({) g{ @
R1
0
0 g{ = 0.
Denition: Sei iq : G C, q IN, eine Folge von Funktionen. Dann konvergiert (iq )
gleichmäßig gegen die Grenzfunktion i : G C, wenn es zu jedem % A 0 ein Q gibt
mit |iq ({) i ({)| ? % für alle { G und alle q Q.
%
%
i
{
Bemerkungen:
1. Gleichmäßige Konvergenz punktweise Konvergenz.
2. iq konvergiert gleichmäßig gegen i zu jedem % A 0 gibt es ein Q mit kiq ikG ? %
für alle q Q.
3. i : [d> e] C ist Regelfunktion es gibt eine Folge von Treppenfunktionen *q :
[d> e] C die gleichmäßig gegen i konvergiert.
Satz 1: Die Folge iq : G C konvergiere gleichmäßig gegen i : G C. Falls die iq
stetig in {0 G sind, so ist auch i stetig in {0 .
Beweis: Sei % A 0 vorgegeben. Dann gibt es ein Q, so daß |iq ({) i({)| ? 3% für alle
{ G und alle q Q. Nun ist iQ stetig in {0 . Zu dem gegebenen % gibt es also ein
A 0 mit |iq ({) iq ({0 )| ? 3% für alle { G mit |{ {0 | ? . Für diese { folgt:
|i ({) i ({0 )| |i ({) iQ ({)| + |iQ ({) iQ ({0 )| + |iQ ({0 ) i({0 )| ? %. Also ist i stetig
in {0 . qed.
Satz 2: Die Folge iq : [d> e] C konvergiere gleichmäßig gegen i : [d> e] C. Falls die
iq Regelfunktionen sind, so ist i Regelfunktion und
Z e
d
i({) g{ = q
lim
2
Z e
d
iq ({) g{=
Beweis: Da der Denitionsbereich ein kompaktes Intervall [d> e] ist, sind Regelfunktionen
als gleichmäßige Grenzwerte von Treppenfunktionen charakterisiert. Insbesondere gibt es
zu iq eine Treppenfunktion *q : [d> e] C mit kiq *q k ? q1 Dann konvergiert *q
gleichmäßig gegen i : sei % A 0 vorgegeben. Dann gibt es ein Q IN mit kiq i k ? 2% und
1
? 2% für alle q Q. Insgesamt folgt für q Q:
q
k*q ik k*q iq k + kiq ik ?
1 %
+ ? %=
q 2
Also ist i Regelfunktion. Nun gilt
¯Z
¯ e
¯
¯ (iq
¯ d
also
Re
d
iq ({) g{ Re
d
¯
¯
i )({) g{¯¯¯
|e d| · kiq i k>
i ({) g{. qed.
Satz 3: Sei L ein Intervall und iq : L C eine Folge stetig dierenzierbarer Funktionen
mit folgenden Eigenschaften:
1. iq konvergiert punktweise gegen i : L C;
2. iq0 konvergiert gleichmäßig.
Dann ist i stetig dierenzierbar und i 0 ({) = limq iq0 ({) für alle { L.
Beweis: Sei i : L C die Grenzfunktion der iq0 . Nach Satz 1 ist i stetig auf L. Sei nun
d L fest gewählt. Für alle { L gilt dann
iq ({) =
Z {
d
iq0 (x) gx + iq (d)=
Nach Satz 2 folgt:
(1)
i ({) = q
lim iq ({) = i(d) +
0
Z {
d
i (x) gx>
also ist i dierenzierbar mit i = i . qed.
Cauchy-Kriterium: Sei iq : G C eine Folge von Funktionen. Dann konvergiert (iq )
gleichmäßig genau dann, wenn zu jedem % A 0 ein Q existiert mit kiq ip k ? % für alle
q> p Q.
Beweis: Für alle { G gilt |iq ({)ip ({)| kiq ip k, also ist (iq ({)) eine Cauchy-Folge
für alle { G. Also existiert i ({) := limq iq ({). Falls nun % vorgegeben ist und Q wie
oben bestimmt ist, so gilt für alle { G und q Q
|i({) iq ({)| = | p
lim ip ({) iq ({)| = p
lim |ip ({) iq ({)| %=
Also konvergiert iq gleichmäßig gegen i . qed.
3
P
Denition: Eine Reihe in : G C konvergiert gleichmäßig,
n=1 in von Funktionen
Pq
wenn die Folge der Partialsummen vq = n=1 in gleichmäßig konvergiert. Im KonverP
genzfall bezeichnen wir die Grenzfunktion ebenfalls mit n=1 in .
Das Cauchy-Kriterium liefert
P
Korollar 1: Die Reihe n=1 in von Funktionen in : G C konvergiert genau dann
gleichmäßig, wenn zu jedem % A 0 ein Q existiert, so daß
° q
°
°X °
°
°
in °°°
°
n=p
?%
G
für alle q p Q.
Daraus folgern wir
Korollar 2: Normale Konvergenz gleichmäßige Konvergenz.
Das Korollar folgt aus der Dreiecksungleichung:
° q
°
°X °
°
°
in °°°
°
n=p
q
X
n=p
G
kin kG =
Leibniz-Kriterium: Sei in : G IR, n IN, eine Folge von Funktionen , so daß gilt:
1. für jedes { G ist in ({) monoton fallend,
2. (in ) konvergiert auf G gleichmäßig gegen 0.
P
n
Dann konvergiert n=1 (1) in gleichmäßig auf G und für die Grenzfunktion i : G IR
Pq
gilt ki n=1 (1)n in kG kiq+1 kG
Beweis: Nach dem Leibniz-Kriterium für Reihen reeller Zahlen wissen wir, daß
Pq
n
n=1 (1) in ({) fürPalle { G konvergiert. Wir erhalten damit eine Grenzfunktion
n
i : G IR, i ({) = n=1 (1) in ({). Wir müssen zeigen, daß die Folge der Partialsummen
gleichmäßig gegen i konvergiert. Dies folgt aus der behaupteten Abschätzung, die wir jetzt
beweisen.
P
n
Sei dazu q IN. Setze vp = p
n=q+1 (1) in , p q + 1.
1. q ungerade: Dann (für p q + 1)
vp ({) = iq+1 ({) iq+2 ({) + iq+3 ({) + = = = + (1)p ip ({), also
vq+1 ({) = iq+1 ({) vq+3 ({) vq+5 ({) = = = i({) 0 vq+2 ({) vq+4 ({) = = = i({) daher 0 i({) Pq
n
n=1 (1) in ({)
q
X
(1)n in ({) und
n=1
(1)n in ({)>
n=1
iq+1 ({) für alle { G.
4
q
X
2. q gerade: Man erhält mit einem analogen Argument: iq+1 ({) i ({)
0 für alle { G.
Pq
n=1
in ({) Insgesamt erhalten wir für q Q beliebig
¯
¯
q
¯
¯
X
¯
¯
¯i ({) i
n ({)¯
¯
¯
n=1
|iq+1 ({)| { G, also
°
°
°
°i
°
q
X
n
(1)
n=1
°
°
in °°°
kiq+1 kG =
G
qed.
1.1
Lokal gleichmäßige Konvergenz
Stetigkeit und Dierenzierbarkeit sind lokale Eigenschaften, man kann daher die gleichmäßige Konvergenz ersetzen durch einen schwächeren Begri:
Denition: Eine Folge von Funktionen iq : G C, q IN, konvergiert lokal
gleichmäßig gegen die Grenzfunktion i : G C, wenn es zu jedem {0 G eine
Umgebung X von {0 in G gibt, so daß (iq |X ) gleichmäßig gegen i|X konvergiert.
Bemerkungen:
1. gleichmäßige Konvergenz lokal gleichmäßige Konvergenz punktweise Konvergenz.
2. Seien X1 > = = = > Xn Teilmengen von G, so daß (iq |Xl ) gleichmäßig konvergiert für
1 l n. Dann konvergiert (iq |Sn Xl ) gleichmäßig.
l=1
3. Falls (iq ) lokal gleichmäßig gegen i : G C konvergiert und die iq in {0 G stetig
sind, so ist i stetig in {0 .
Begründung: zu {0 gibt es eine Umgebung X von {0 G, so daß iq : X C
gleichmäßig gegen i : X C konvergiert. Sei nun % A 0 vorgegeben. Dann gibt es
ein Q IN, so daß |i({) iq ({)| ? 3% für alle { X und q Q. Nun ist iQ stetig in
{0 . Es gibt also eine Umgebung Y von {0 in G, so daß |iQ ({) iQ ({0 )| ? 3% für alle
{ Y . Nun ist Z := X Y eine Umgebung von {0 in G und für alle { Z gilt
|i({) i ({0 )| |i ({) iQ ({)| + |iQ ({) iQ ({0 )| + |iQ ({0 ) i({0 )| ?
% % %
+ + = %=
3 3 3
Daher ist i stetig in {0 .
In Satz 2 können wir statt [d> e] ein beliebiges Intervall L nehmen und gleichmäßig durch
lokal gleichmäßig ersetzen, um die erste Behauptung zu erhalten. Für d ? e in L folgt die
zweite Behauptung in Satz 2 mit Argumenten weiter unten (Heine-Borel und Bemerkung
2 oben).
In Satz 3 können wir gleichmäßig durch lokal gleichmäßig ersetzen.
5
Denition:
1. Eine oene Überdeckung von [ IR ist eine Familie von oenen Intervallen (L )D
S
mit [ D L .
2. [ IR hat die Heine-Borelsche Überdeckungseigenschaft (HBÜ), wenn aus
jeder oenen Überdeckung (L )D von [ endlich viele Intervalle L1 > = = = > Lp ausgewählt werden können mit [ L1 = = = Lp .
Beispiele:
1. { q1 | q IN} hat nicht die HBÜ.
2. { q1 | q IN} {0} hat die HBÜ.
Satz: (Heine-Borel). Für [ IR sind äquivalent:
1. [ ist kompakt.
2. [ hat die HBÜ.
Beweis: (1) (2): [ kompakt, also beschränkt. Sei nun (L )D eine oene Überdeckung
von [, die keine endliche Teilüberdeckung hat. Weil [ beschränkt ist, gibt es ein Intervall
[d1 > e1 ] mit [ [d1 > e1 ]. Durch fortgesetztes Halbieren erhalten wir eine Intervallschachtelung [dq > eq ], so daß [dq > eq ] [ nicht durch endlich viele der L überdeckt wird. Sei nun
T
{q [dq > eq ] [ und sei { der wohlbestimmte Punkt in q1 [dq > eq ]. Dann folgt {q {
für q . Also ist { [, denn [ ist kompakt. Daher gibt es ein mit { L . Nun ist
L ein oenes Intervall, es gibt also ein % A 0 mit [{ %> { + %] L , also ist [dq > eq ] L
für alle q genügend groß. Widerspruch.
(2) (1): Sei ({q ) eine Folge in [ ohne Häufungswert in [. Zu { [ gibt es dann ein
oenes Intervall L{ mit { L{ , so daß zu L{ nur endlich viele q existieren mit {q L{ . Dann
ist (L{ ){[ eine oene Überdeckung von [. Es gibt daher eine endliche Teilüberdeckung.
Widerspruch, denn IN ist nicht endlich. qed.
Korollar 1: Sei L IR ein Intervall und iq : L C, q IN, sei lokal gleichmäßig konvergent. Dann ist (iq |N ) gleichmäßig konvergent für jedes kompakte N L.
Korollar 2: Sei L IR ein kompaktes Intervall und iq : L C, q IN, eine Folge von
Funktionen. Dann ist (iq ) gleichmäßig konvergent genau dann, wenn (iq ) lokal gleichmäßig
konvergent ist.
Zum Beweis von Korollar 1 und 2 benützt man, daß kompakte Intervalle die HBÜ besitzen.
Bemerkung 2 oben liefert dann die Behauptungen.
6
2
Metrische Räume
Sei [ eine Menge. Eine Metrik auf [ ist eine Abbildung g : [ × [ [0> ], so daß
M1. g({> |) 0 für alle {> | [ und = 0 genau dann, wenn { = |;
M2. g({> |) = g(|> {) für alle {> | [ (Symmetrie);
M3. g({> }) g({> |) + g(|> }) für alle {> |> } [ (Dreiecksungleichung).
Ein metrischer Raum ist eine Menge [ zusammen mit einer Metrik g. Wir nennen g({> |)
den Abstand oder die Distanz von { zu |. Oft sagen wir ”sei [ ein metrischer Raum”
und meinen damit, daß auf der Menge [ eine Metrik fest vorgegeben ist.
Beispiele:
1. [ = IR oder [ = C zusammen mit g({> |) = |{ ||.
2. Sei [ = IRq oder [ = Cq und sei s 1. Setze dann
g({> |)
v
u q
X
u
s
=t
|{
l=1
l
|l |s >
{ = ({1 > = = = > {q )>
| = (|1 > = = = > |q )=
Trivialerweise sind M1 und M2 erfüllt. M3 ist die Minkowski-Ungleichung. Der wichtigste Fall ist s = 2; die entsprechende Metrik heißt Euklidische Metrik. Wenn
nichts anderes speziziert wird, denken wir uns IRq bzw. Cq mit der Euklidischen
Metrik versehen.
3. Sei I (G) = {i : G C}. Für i> j I (G) setze g(i> j) = ki jkG .
(
2
4. French Railway Metrik: [ = IR und g({> |) =
0
k{k + k|k
(
5. Diskrete Metrik: sei [ eine Menge. Setze g({> |) =
0
1
falls { = |
.
sonst
falls { = |
sonst
Beispiele 1 und 2 haben eines gemeinsam: Die Distanzfunktion rührt von einer Norm auf
dem zugrundeliegenden Vektorraum her.
Sei IK = IR oder IK = C und Y ein Vektorraum über IK. Eine Norm auf Y ist eine
Abbildung k k : Y IR, so daß
N1. k{k 0 für alle { Y und k{k = 0 genau dann, wenn { = 0;
N2. k{k = ||k{k für alle { Y , IK (Homogenität);
N3. k{ + |k k{k + k|k für alle {> | Y (Dreiecksungleichung).
Falls Y ein IK-Vektorraum mit Norm k k, dann ist g({> |) = k{ |k eine Metrik auf Y .
7
Denition: Sei ([> g) ein metrischer Raum.
1. Für { [, u A 0 heißt Nu ({) = {| [ | g({> |) ? u} die oene Kugel um {
mit Radius u. Für u 0 heißt Nu ({) = {| [ | g({> |) u} die abgeschlossene
Kugel um { mit Radius u.
2. Eine Teilmenge X [ heißt Umgebung von { [, wenn es ein % A 0 gibt mit
N% ({) X ; wir nennen N% ({) auch die %-Umgebung von {.
3. Eine Teilmenge X [ heißt oen, wenn X Umgebung ist von allen { X . Anders
gesagt: X ist oen, wenn es zu jedem { X ein % A 0 gibt mit N% ({) X.
4. Eine Teilmenge D [ heißt abgeschlossen, wenn [ D oen ist.
Einige elementare Eigenschaften: Sei ([> g) ein metrischer Raum
1. und [ sind oen, also auch abgeschlossen. Für { [ und u A 0 ist Nu ({) oen
(g({> |) ? u, wähle % A 0 mit g({> |) + % ? u, die Dreiecksungleichung impliziert
N% (|) Nu ({)). Analog zeigt man: Nu ({) ist abgeschlossen.
2. Sei { [ und X eine Umgebung von {. Dann ist { X und jede Obermenge von X
ist ebenfalls Umgebung von {. Die beliebige Vereinigung oener Mengen ist oen.
3. Seien X1 > = = = > Xn Umgebungen von { [. Dann ist X1 = = = Xn ebenfalls Umgebung
von {. Entsprechend gilt: der Durchschnitt endlich vieler oener Mengen ist oen.
4. Die endliche Vereinigung abgeschlossener Mengen ist abgeschlossen. Ein beliebiger
Durchschnitt abgeschlossener Mengen ist abgeschlossen.
5. Endliche Teilmengen von [ sind abgeschlossen.
6. Zu { 6= | [ gibt es Umgebungen X von { und Y von | mit X Y = (Hausdor’sche Trennungseigenschaft).
Denition: Sei ({n ) eine Folge im metrischen Raum [. Dann konvergiert ({n ) gegen
d [, wenn es zu jeder Umgebung X von d ein Q gibt mit {n X für alle n Q. Anders
gesagt: zu % A 0 gibt es Q mit g({n > d) ? % für alle n A Q. Gegebenenfalls schreiben wir
limn {n = d oder {n d für n und nennen d den Grenzwert von ({n ).
Bemerkungen:
1. Eine Folge ({n ) in [ hat höchstens einen Grenzwert. Denn seien d> e Grenzwerte
von ({n ) und sei % A 0. Dann gibt es ein Q, so daß g({n > d) ? % n A Q und
g({n > e) ? % n A Q. Damit g(d> e) g(d> {n ) + g({n > e) ? 2% (n A Q). Also d = e.
8
2. D [ ist abgeschlossen genau dann, wenn der Grenzwert jeder konvergenten Folge
({n ) in [ mit {n D n IN ebenfalls in D liegt.
Beweis: Sei D abgeschlossen und ({n ) eine konvergente Folge mit {n D n IN.
Sei d = lim {n . Nun ist [ D oen. Zu { [ D gibt es daher ein % A 0 mit
N% ({) [ D, also {n @N% ({) n IN. Damit { 6= d, daher d D. Umgekehrt
sei nun der Grenzwert jeder in [ konvergenten Folge ({n ) mit {n D n IN in D
enthalten. Wenn D nicht abgeschlossen ist, dann ist [ D nicht oen. Dann gibt es
{ [ D, so daß N% ({) @ [ D für alle % A 0; also N% ({) D 6= für alle % A 0.
Daher gibt es zu n IN ein {n N 1 ({) D. Nach Konstruktion gilt {n D n IN
n
und lim {n = {. Widerspruch. Also ist D abgeschlossen. qed.
Lemma 1: Eine Folge ({n ) in IRq konvergiert genau dann gegen d IRq , wenn
lim {nl = dl >
n
1 l q ({n = ({n1 > = = = > {nq )> d = (d1 > = = = > dq )=)
Beweis: Die Behauptung folgt sofort aus
|{nl dl | k{n dk = g({n > d) q
X
m=1
|{nm dm |>
1 l q=
qed.
Denition: Eine Folge ({n ) in einem metrischen Raum [ heißt beschränkt, wenn es
einen Punkt { [ und ein u A 0, u ? gibt mit g({> {n ) u n IN. Wenn ({n )
beschränkt ist, dann gibt es zu jedem { [ ein u (0> ) mit g({n > {) ? u n IN.
Satz 1: (Bolzano-Weierstraß). Eine beschränkte Folge in IRq besitzt eine konvergente
Teilfolge.
Beweis: Es gibt u A 0 mit k{n k u n IN. Also ist |{nl | u n IN, 1 l q. Induktiv erhalten wir eine Teilfolge, so daß die entsprechenden Folgen der Komponenten einen
Grenzwert haben, vgl. das Argument für den Satz von Bolzano-Weierstraß für beschränkte
Folgen komplexer Zahlen. qed.
Denition: Eine Folge ({n ) in einem metrischen Raum heißt Cauchy-Folge , wenn zu
jedem % A 0 ein Q existiert mit g({n > {o ) % für alle n> o Q. [ heißt vollständig,
wenn jede Cauchy-Folge in [ konvergent ist.
Bemerkung: Eine Norm k k auf einem IKVektorraum Y induziert eine Metrik, g({> |) :=
k{|k. Wir nennen den normierten Vektorraum Y einen Banachraum, wenn Y bezüglich
dieser Metrik vollständig ist.
Satz 2: Der euklidische Raum IRq ist vollständig.
9
Beweis: Eine Cauchy-Folge ({n ) in IRq ist beschränkt, denn zu % = 1 gibt es ein Q mit
k{n {o k2 1 für alle n> o Q. Dann folgt
k{n k2 max{k{1 k2 > = = = > k{Q k2 } + 1
für alle n. Also ist ({n ) beschränkt und hat damit nach Bolzano-Weierstraß eine konvergente
Teilfolge {nl d für l . Weil ({n ) eine Cauchy-Folge ist, folgt {n d für n . Sei
dazu % A 0 vorgegeben. Dann gibt es Q1 > Q2 mit k{nl dk 2% für l Q1 ; k{n {o k2 2%
für n> o Q2 . Setze Q = max{nQ1 > Q2 }. Für n Q gilt dann
k{n dk2 k{n {nm k2 + k{nm dk2 >
wobei m Q so gewählt ist, daß nm Q ist. Dann
k{m {nm k2 + k{nm dk2 ?
% %
+ = %=
2 2
qed.
Denition: Zwei Normen k k und k k auf einem IKVektorraum Y heißen äquivalent,
wenn es Konstanten f1 > f2 A 0 gibt, so daß
f1 k{k k{k f2 k{k { Y=
Bemerkung: Wegen der Homogenität reicht es, zu verlangen f1 k{k f2 { Y> k{k =
1.
Lemma 2: Zwei Normen k k und k k sind äquivalent genau dann, wenn für jede Menge
P Y gilt: P ist oen bezüglich k k genau dann, wenn P oen ist bezüglich k k .
Beweis: Mit Nu (d) bezeichnen wir die Kugel um d mit Radius u bezüglich k k,
Nu (d) = {{ Y | k{ dk ? u}; entsprechend Nu (d) = {{ Y | k{ dk ? u}.
Falls nun k k und k k äquivalent sind und f1 > f2 A 0 Konstanten wie in der Denition,
dann gilt
Nf1 u (d) Nu (d) Nf2 u (d) d Y> u A 0=
Eine Menge P ist also oen bezüglich k k genau dann, wenn P oen ist bezüglich k k .
Seien nun die oenen Mengen beider Normen gleich. Nun ist N1 (0) oen bezüglich k k, also
auch bezüglich k k (wegen unserer Annahme). Also gibt es ein % A 0 mit N% (0) N1 (0).
Für alle { Y> { 6= 0 gilt damit
°
°
° %{ °
°
°
°
°1
° 2k{k °
und daher 2% k{k k{k für alle { Y . Analog erhält man f2 . qed.
10
Satz 3: Sei Y ein endlichdimensionaler IKVektorraum. Dann sind je zwei Normen auf
Y äquivalent.
Beweis: Wir betrachten zunächst den Fall Y = IRq , N = IR. Es genügt, die Äquivalenz
einer gegebenen Norm k k zur euklidischen Norm k k2 zu zeigen. Sei dazu h1 > = = = > hq die
P
Standardbasis des IRq . Dann gilt für { = ql=1 {l hl ,
k{k q
X
l=1
|{l |khl k v
v
u q
u q
uX
uX
2
t
|{ | t kh k2
l=1
l
l=1
l
=
v
u q
uX
t
kh k2
l=1
l
· k{k2 = f2 k{k2 >
qP
q
2
f2 =
l=1 khl k . Sei nun V = {{ Y | k{k2 = 1} und f1 = inf{k{k | { V} 0. Dann
ist f1 A 0, sonst gibt es eine Folge ({n ) in V mit k{n k 0 für n . Nun ist ({n ) in V,
also eine beschränkte Folge im eukidischen IRq . Nach Bolzano-Weierstraß können wir nach
Übergang zu einer Teilfolge annehmen {n d für n , d = (d1 > = = = > dq ). Nach Lemma
P
P
1 gilt limn {nl = dl , 1 l q, also 1 = limn k{n k22 = limn ql=1 {2nl = ql=1 d2l und
damit d V. Andererseits gilt für alle n,
kdk kd {n k + k{n k f2 k{n dk2 + k{n k 0
{
k f1 ,
für n , also d = 0. Widerspruch. Also f1 A 0. Für alle { 6= 0 gilt daher k k{k
2
und damit f1 k{k2 k{k für alle { Y . Allgemeiner Fall: Sei Y ein endlichdimensionaler
IKVektorraum und seien k k, k k zwei Normen auf Y . Dann ist Y IRisomorph zu IRq
für ein geeignetes q. Wähle einen IRIsomorphismus I : Y IRq . Deniere Normen auf
IRq durch
k{kI := kI 1 ({)k> k{kI = kI 1 ({)k =
Dann sind k kI , k kI äquivalent, es gibt daher Konstanten f1 > f2 A 0 mit f1 k{kI k{kI f2 k{kI { IRq , also f1 kyk kyk f2 kyk y Y . qed.
Konsequenz: Für je zwei Normen auf endlichdimensionalem Y stimmen die entsprechenden Systeme von oenen Mengen überein. Dieses System ist also kanonisch zu Y assoziiert
und heißt die kanonische Topologie von Y . Begrie wie Konvergenz von Folgen etc. sind
unabhängig von der gewählten Norm.
2.1
Topologische Räume
Sei [ eine Menge. Eine Topologie auf [ ist eine Menge R von Teilmengen von [ ,
genannt oen, so daß gilt
O1. Der Durchschnitt endlich vieler oener Mengen ist oen.
O2. Die Vereinigung (beliebig vieler) oener Mengen ist oen.
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O3. und [ sind oen.
Ein topologischer Raum ist eine Menge [ zusammen mit einer Topologie.
Beispiele:
1. Sei [ ein metrischer Raum mit Metrik g. Nenne X [ oen, wenn es zu jedem
{ X ein % A 0 gibt mit N% ({) X. Die Menge der oenen Mengen ist dann eine
Topologie von [, die von g induzierte Topologie.
2. Diskrete Topologie auf [: alle Teilmengen von [ sind oen bezüglich der diskreten
Topologie.
3. Triviale Topologie auf [: R := {> [}.
Denitionen und Bemerkungen: Sei [ ein topologischer Raum.
1. X [ heißt Umgebung von { [, wenn eine oene Teilmenge Y von [ existiert
mit { Y X . Es gilt:
(a) Der endliche Durchschnitt von Umgebungen von { ist eine Umgebung von {.
(b) Jede Umgebung von { enthält { und jede Obermenge einer Umgebung von { ist
eine Umgebung von {.
(c) Eine Teilmenge von [ ist oen genau dann, wenn sie Umgebung jedes ihrer
Punkte ist.
(d) [ ist Umgebung von jedem { [.
2. Eine Teilmenge D [ heißt abgeschlossen, wenn [ D oen ist. und [ sind
abgeschlossen.
3. Sei P [. Dann heißt { [
(a) innerer Punkt von P, wenn es eine Umgebung X von { gibt mit X P. Die
Menge P aller inneren Punkte heißt Inneres oder oener Kern zu P. P ist die größte in P enthaltene oene Teilmenge von [.
(b) Berührungspunkt von P, wenn jede Umgebung von { einen Punkt von P
enthält. Punkte aus P sind Berührungspunkte. Die Menge P aller Berührungspunkte heißt Abschluß oder abgeschlossene Hülle von P. P ist die kleinste
abgeschlossene Teilmenge von [, die P enthält.
(c) Randpunkt von P, wenn jede Umgebung von { Punkte aus P und [ P enthält. Randpunkte sind Berührungspunkte von P. Die Menge CP aller
Randpunkte von P erfüllt P = P CP, P = P CP.
(d) Häufungspunkt von P, wenn jede Umgebung von { einen von { verschiedenen
Punkt aus P enthält.
12
(e) isolierter Punkt von P, wenn { P und es eine Umgebung X von { gibt
mit X P = {{}.
4. Sind R1 und R2 Topologien auf [ mit R1 R2 , so heißt R1 gröber als R2 und R2
feiner als R1 . Die feinste Topologie auf [ ist die diskrete Topologie, die gröbste ist
die triviale Topologie.
5. Für eine Topologie R auf [ nennen wir E R Basis von R, wenn jedes X R
Vereinigung von Elementen aus E ist.
Beispiel: [ metrisch, E = {N% ({) | { [> % A 0}.
Denition: Sei [ topologischer Raum und ({n ) eine Folge in [. Dann heißt ({n ) konvergent gegen { [, wenn es zu jeder Umgebung X von { ein Q gibt mit {n X für
alle n Q.
Denition: Sei [ ein topologischer Raum. Dann heißt [ Hausdor-Raum, wenn es zu
je zwei Punkten {> | [, { 6= |, Umgebungen X von { und Y von | gibt mit X Y = .
(Haussdorsches Trennungsaxiom).
Metrische Räume erfüllen das Hausdorsche Trennungsaxiom.
Satz: Sei [ ein Hausdor-Raum. Dann hat eine Folge in [ höchstens einen Grenzwert.
Gegebenenfalls schreiben wir limn {n = {.
Beweis: ist klar.
Zwei natürliche Verfahren , Topologien zu bestimmen:
1. Teilraumtopologie (Relativtopologie): Sei [ ein topologischer Raum und P [. Dann nennen wir X [ oen in P (oder oen relativ P), wenn es eine oene
Teilmenge Y von [ gibt mit X = P Y (X ist i.a. nicht oen in [). Dies erklärt
eine Topologie auf P. Sei { P. Dann ist X Umgebung von { in P, wenn es eine
Umgebung Y von { in [ gibt mit X = P Y .
2. Produkttopologie: Seien [1 > = = = > [q topologische Räume. Auf [ = [1 × = = = × [q
erklären wir eine Topologie wie folgt: X [ nennen wir oen, wenn es zu jedem
{ = ({1 > = = = > {q ) X (mit {l [l , 1 l q) Umgebungen Xl von {l in [l gibt mit
X1 × = = = × Xq X.
Bemerkung: Die kanonische Topologie auf IKq ist gleich der Produkttopologie (IKq =
IK × = = = × IK). Denn für { IKq gilt
N% ({) = N% ({1 ) × = = = × N% ({q )>
wobei links die %-Kugel von { bezüglich der k k -Norm steht und rechts die %-Kugeln um
{l bezüglich | |.
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