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Z
ukunft Biochips
Mikroarrays – Zukunftstechnik für
genetische Grundlagenforschung
Die Entschlüsselung des menschlichen Genoms im Rahmen des Human Genome Project
erschließt ein enormes Potenzial für die Erforschung von Genstrukturen und Genfunktionen im menschlichen Erbgut. Ziele solcher Interpretationen des genetischen Bauplanes sind insbesondere die Frühdiagnose von Krankheitsveranlagungen sowie die Effizienzsteigerung hochwirksamer Medikamente. Eine wesentliche Rolle bei der Analyse dieser
Genfunktionen spielen Biochips oder – wie es eigentlich korrekt heißen müsste – DNAMicroarrays. Solche Biochips stellen heute unverzichtbare Werkzeuge in der molekularbiologischen Grundlagenforschung dar, um etwa das Zusammenspiel der Gene in den aktiven
Stoffwechselwegen in unterschiedlichen Zellstadien aufzuklären oder Genveränderungen
bei Krebserkrankungen zu untersuchen. Die gleichzeitige Erfassung der Aktivität tausender charakteristischer Gene erlaubt außerdem in vielfältiger Art und Weise die Präzisierung
medizinischer Befunde. Je mehr genetische Informationen in den kommenden Jahren und
Jahrzehnten aus den Genomprojekten gewonnen werden, desto mehr spezielle BiochipAnwendungen werden denkbar sein. Fast täglich werden neue Belege gefunden, dass bereits
kleine Abweichungen in einzelnen DNA-Basenpaaren eines Gens für das Zustandekommen
von Krankheitsbildern verantwortlich sind. Für die schnelle Diagnose individueller
Krankheitsvarianten bieten sich Biochips geradezu an. Die Entwicklung von Verfahren zur
Genfunktionsanalyse ist ein weltweit enorm wachsender Forschungs- und Wirtschaftsmarkt,
an dem deutsche Forschungsinstitute – und hier auch Wissenschaftler der UDE – maßgeblich beteiligt sind.
C
hancen für die Krebsforschung
DNA-Mikroarrays bieten die Möglichkeit, ein
Expressionsprofil – eine Art Fingerabdruck – aller Gene eines Organismus für ein bestimmtes
Gewebe oder einen bestimmten Zelltyp zu erstellen, wenn die Sequenz dieser Gene bekannt
ist. Ein Expressionsprofil ist ein Analyseverfahren, das anzeigt, welche Gene in einer bestimmten Situation tatsächlich in Proteine übersetzt
werden. Um ein Expressionsprofil gewinnen zu können,
muss zunächst aus
dem Untersuchungsmaterial die so genannte messenger-RNA
(mRNA) isoliert werden. Diese Boten-RNS
ist die Arbeitskopie
eines Gens, die im
normalen Zellstoffwechsel aus dem Zellkern
wandert, um in den Ribosomen der Zelle in
Protein übersetzt zu werden. Die isolierte mRNAPopulation, die je nach Zelltyp aus 30.00050.000 verschiedenen mRNA-Spezies besteht,
wird enzymatisch in eine doppelsträngige cDNA,
also eine Kopie der ursprünglichen DNA, umgeschrieben, aus der wieder eine cRNA durch
in vitro-Transkription gewonnen wird. Hierbei
wird ein spezielles Nukleotid eingebaut, das eine
spätere Markierung der cRNA erlaubt. Nukleotide sind die Grundbausteine der DNA. Sie bestehen aus einer der vier basischen Stickstoffverbindungen Adenin, Cytosin, Guanin und
Thymin, einem Zuckeranteil sowie einer Phosphatgruppe. Die so modifizierte cRNA des Untersuchungsmaterials wird auf den Mikroarray
aufgetragen (Abb. 2). Unter geeigneten Bedingungen binden nun die modifizierten cRNAMoleküle spezifisch an die auf dem Array
vorhandenen komplementären Genfragmente.
Abbildung 1: Schematischer Aufbau eines DNA-Mikroarrays, der aus einer
großen Zahl von DNA-Molekülen besteht, die in kleinen Sektoren auf dem Glasträger immobilisiert sind (weiße Quadrate). Herausvergrößert ist ein sog. Probeset,
das aus jeweils ca. 20 verschiedenen Oligonukleotiden mit perfekter Sequenz (obere
Reihe) und den dazugehörigen 20 Kontrolloligonukleotiden (untere Reihe) besteht.
Kontrolloligokuleotide enthalten einen Basenaustausch (Mismatch) gegenüber der
perfekten Sequenz und sollten eine deutlich schwächere oder keine Hybridisierung
zeigen.
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Abbildung 2: Darstellung des Verfahrens zur Messung von Genaktivität mittels DNA-Mikroarray-Hybridisierung. Die isolierte mRNA wird enzymatisch modifiziert und auf den Mikroarray aufgetragen. Nach dem
Waschen bleiben nur perfekt komplementäre mRNA-Moleküle an den immobilisierten DNA-Fragmenten
gebunden und ergeben nach Färbung mit Streptavidin-Phycoerythrin (hier gelb dargestellt) ein spezifisches
Signal im Laser-Scanner.
Ungebundene cRNA-Moleküle, die keine komplementären DNA-Fragmente auf dem Array
finden, werden durch Waschen entfernt, und die
gebundenen cRNA-Moleküle werden mit einem
Farbstoff markiert. Schließlich wird der Mikroarray in einem Scanner ausgemessen, indem der
Farbstoff durch Laserlicht angeregt und die
Fluoreszenz in den verschiedenen Sektoren, die
den bekannten Genfragmenten entsprechen, gemessen wird (Abb. 3, 4). Die Stärke der Fluoreszenz in den verschiedenen Genfragmenten ist ein
sehr präzises Maß für die Menge der im Ausgangsmaterial vorhandenen mRNA-Moleküle
und damit in erster Näherung auch ein Maß
für die Menge der entsprechenden Proteine. Da
mehrere Mikroarrays parallel beschickt und
nacheinander ausgewertet werden können,
kann zum Beispiel das Expressionsprofil des
derzeit bekannten Anteils des menschlichen Genoms (> 90 %) in einem bestimmten Gewebe in
einem einzigen Arbeitsgang analysiert werden.
Jede Zellart kann so anhand ihres charakteristischen Expressionsprofils identifiziert werden.
Das Verfahren ermöglicht eine quantitative Aussage über das Expressionsniveau der Gene eines
gesamten Genoms in einem Arbeitsgang und in
sehr kurzer Zeit. Weiterentwicklungen dieser
einfachsten Form des Mikroarrays erlauben darüber hinaus auch, bestimmte Mutationen wie
etwa Polymorphismen, die auf einzelnen Basenaustauschen im DNA-Strang beruhen (so genannte single nucleotide polymorphisms oder SNPs),
für eine Reihe von Genen zu erkennen. Diese
neue Technologie und vor allem die Messung
der Expressionsprofile verspricht einen rascheren Zugang zur Identifikation von Signalübertragungswegen, ein besseres Verständnis der
Wirkung von Medikamenten und auch einen
differenzierteren Zugang zu einer molekular definierten Prognose von Erkrankungen als herkömmliche Verfahren. Insbesondere für die
Krebsforschung könnte diese neue Technologie
von großer Bedeutung sein. Clusteranalysen von
Expressionprofilen, also die Auswertung zahlreicher Einzelresultate aus einer Vielzahl von
Tumorgeweben, könnten Auskunft über den
Verlauf der Erkrankung und über die Mechanismen der Therapieresistenz geben. Wie bei jeder
neuen Technologie wird allerdings abzuwarten
sein, welche der erhofften Anwendungen unser
Verständnis molekularbiologischer und biochemischer Zusammenhänge tatsächlich deutlich
vertiefen wird.
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Universität Duisburg–Essen
A
uf 1,5 cm2 12000 Gene
Ein DNA-Mikroarray besteht aus einem Glasträger, auf dem Fragmente bekannter Gene
oder noch wenig charakterisierter, einzelner
exprimierter Sequenzen (EST s) in einem
dicht gepackten, geordneten Muster aufgebracht sind. Die Anordnung der Genfragmente ist durch ein Koordinatensystem
definiert. Schon heute sind die Voraussetzungen für eine sehr umfassende MikroarrayAnalyse des menschlichen Genoms und anderer Genome, deren Sequenz vollständig
bekannt ist, gegeben.
Im Falle der von der Firma Affymetrix hergestellten DNA -Mikroarrays werden statt
cDNA -Fragmenten von mehreren hundert Abbildung 3: Ergebnis der Messung eines DNABasenpaaren kurze Oligonukleotide in einem Mikroarrays im Laser-Scanner (Übersicht). Gezeigt ist ein
photolithographischen Verfahren direkt auf Pseudocolor-Bild. Die Floureszenzintensität nimmt von
dem Glasträger synthetisiert. Hierbei han- schwarz (inaktiv, keine Expression) über blau, grün, gelb,
delt es sich um kurze Nukleinsäurefäden, die rot und weiß (höchste Intensität) zu.
aus nur wenigen Bausteinen bestehen. Da
sowohl das verwendete Material als auch das
Hefe abdecken. Die Arrays, die Gensequenzen
Herstellungsverfahren starke Parallelen zur
der Ratte und der Maus enthalten, werden insComputerchip-Herstellung aufweisen, hat sich
besondere bei der Analyse der Wirkungsweise
die alternative Bezeichnung Biochip oder auch
von therapeutisch interessanten neuen WirkGen-Chip für Mikroarray eingebürgert. In dem
stoffen an Zellkulturen und Versuchstieren und
angesprochenen Array-Herstellungsverfahren
in der Grundlagenforschung zunehmend an Bewerden pro Gen bis zu 20 verschiedene 25erdeutung gewinnen.
Oligonukleotide in winzigen Sektoren auf den
Träger aufgebracht. Heute lassen sich so auf eiIm Vergleich zu herkömmlichen RNA-Bener ca. 1,5 cm2 großen Fläche Fragmente von
stimmungsmethoden, mit denen bei ähnlichem
bis zu 12.000 verschiedenen Genen mit dazugeZeitaufwand allenfalls bis zu 10 Gene parallel
gemessen werden können, stellt dies eine für
hörigen Kontrollen – in insgesamt mehr als
400.000 Sektoren – in einem geordneten MusBiologen und Mediziner hoch interessante
Innovation dar, die letztlich die Kosten für
ter unterbringen (Abb. 1). Die Firma Affymetrix
bietet für verschiedene Fragestellungen Arrays
die Durchführung einer solchen Analyse rechtmit einer unterschiedlichen Auswahl und Anzahl
fertigt. Ein weiterer, großer Vorteil der Methode ist, dass vergleichsweise wenig Gewebe
von Genen an und hat Genchips entwickelt, die
annäherungsweise die gesamten Genome verbzw. mRNA für die Untersuchungen benötigt
schiedener Spezies wie Mensch, Maus, Ratte oder
wird.
DNA
(engl.: Desoxyribonucleic-acid, deutsch: DNS) Träger der genetischen
Information in der Zelle. DNA besteht aus den Basen Adenin,
Thymin, Guanin und Cytosin, dem Zucker Desoxyribose sowie
Phosphorsäure. Jeweils zwei Molekülstränge sind durch Wasserstoffbrücken parallel miteinander verbunden und in einem gewundenen Strang, der so genannten Doppel-Helix, miteinander verdrillt.
Bestimmte Untereinheiten der DNA bewirken jeweils die Produktion
einer Aminosäure. Mehrere solcher Untereinheiten bilden ein Gen.
RNA
(engl.: Ribonucleic-acid, deutsch: RNS ) Einfach-strängiges Polynucleotid, besteht im Unterschied zur DNA aus den Basen Adenin,
Guanin, Cytosin und Uracil, dem Zucker Ribose und einem Phos-
phorsäurerest. Es gibt unterschiedliche Formen von RNA , zum
Beispiel die Transfer- oder tRNA als Aminosäureüberträger, die
messenger- oder mRNA als Informationsüberträger bei der Proteinsynthese in der Zelle sowie die ribosomale oder rRNA als Bestandteil der Ribosomen.
cDNA
(copy- oder complementary-DNA ), Kopie eines RNA -Teils.
Basenpaare
Verbindung von je zwei der vier Basenpaare in der DNA über
Wasserstoffbrücken, die die doppelsträngige Struktur der DNA
ergibt. Adenin bindet nur mit Thymin, Cytosin ausschließlich
mit Guanin.
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„P
harmacogenomics“
Einen sehr hohen Stellenwert wird die Mikroarray-Analyse in Zukunft in der Grundlagenforschung einnehmen, da sie erlaubt, auf molekularer Ebene in die verschiedensten Prozesse der
biologischen Steuerung Einblick zu nehmen.
Erste Erfahrungen mit Zellen in Kultur zeigen,
dass etwa die Stimulierung von Membranrezeptoren mit Liganden oder die Expression konditioneller Allele von Transkriptionsfaktoren eindeutige und reproduzierbare Messergebnisse
liefern. Membranrezeptoren sind bestimmte Molekülgruppierungen der Zellmembran, die aus
integrierten Proteinen, Lipiden und einem Enzym bestehen. Liganden sind Signalstoffe, die auf
die Membranrezeptoren einwirken und so chemische Reaktionen der Zelle auslösen. Ein Allel
ist die Ausprägung eines bestimmten Merkmals
aufgrund eines Gens; unter Transkriptionsfaktoren versteht man Proteine, die die Übersetzung der Gene in RNA steuern. Dies wird die
Aufklärung von Signalübertragungswegen und
die Identifizierung von Zielgenen vieler bekannter Transkriptionsregulatoren (Gene, die die
Bildung von Transkriptionsfaktoren bewirken)
enorm erleichtern und beschleunigen. Neben
kultivierten Zellen können auch verschiedene
Gewebe aus Modellorganismen analysiert werden, wenn sie vergleichbare Zellpopulationen
enthalten. Modellorganismen sind Tier- oder
Pflanzenarten, die wissenschaftlich gut untersucht werden können und stellvertretend für
eine größere Gruppe von Lebewesen stehen.
Bekannte Beispiele sind Mäuse oder die Taufliege Drosophila.
Eine schier unerschöpfliche Quelle für Mikroarray-Analysen bieten die Vielzahl von Mausmutanten, die mittels Gene Targeting, also durch
das gezielte Abschalten bestimmter Gene, hergestellt wurden und die spezifisch eingeführte
Gendefekte aufweisen. Eine weitere Anwendung
von DNA-Mikroarrays kann mit dem Wort
Pharmacogenomics beschrieben werden. Hierbei
handelt es sich um die Analyse von Effekten,
die Pharmaka oder andere niedermolekulare
Wirkstoffe auf das Transkriptionsprofil von
Zellen haben. Ein Ziel ist hier, toxische Wirkungen von Pharmaka mit spezifischen Transkriptionsprofilen zu verbinden. Dies kann die
Auswahl von Wirkstoffen erheblich vereinfachen, da man ohne Tierversuche solche Kandidaten aussortiert, die bekannte Toxizitätsmuster
aufweisen. Eine Vielzahl der heute üblichen
Therapeutika greift nämlich direkt in Signalwege ein. Man kann davon ausgehen, dass etwa
10% der wichtigsten Pharmaka dadurch wirken,
dass sie mittelbar oder unmittelbar Transkription
Abbildung 4: Ausschnittsvergrößerung eines DNA-Mikroarrays nach Hybridisierung. Beispielhaft sind die Ergebnisse für die Probesets für das Gen adipogenesis
inhibitory factor, das in diesem Experiment keine Expression zeigt, und für das
Fibromodulin-Gen gezeigt. Das Fibromodulin-Gen wird exprimiert, da in der
oberen Reihe des Probesets, die die perfekt hybridisierenden Oligonukleotide
enthält, stärkere Signale zu sehen sind als in der unteren Reihe, die die mismatchOligonukleotide enthält.
kontrollieren. Ein Beispiel sind Cortison, Östrogen oder Thyroxin, die an Kernrezeptoren,
speziellen Proteinen im Zellkern, binden, welche selbst als Transkriptionsfaktoren agieren.
Das zur Immununterdrückung eingesetzte Cyclosporin wirkt etwa dadurch, dass es das Enzym Calcineurin daran hindert, den Transkriptionsfaktor NF-AT (Nuclear Factor of
Activated T-cells) zu aktivieren. Das weitverbreitete Salicylat verhindert unter anderem die Aktivierung des Transkriptionsfaktors NF kappa B .
Diese und weitere Beispiele unterstreichen die
große Bedeutung der Transkriptionskontrolle
bei der Wirkung von Pharmaka. Es ist offensichtlich, dass der Erstellung von Transkriptionsprofilen für klinische Wirkstoffe in sehr
naher Zukunft eine enorme Bedeutung zukommen wird.
Ko n t a k t
Univ.-Prof. Dr. Tarik Möröy
Priv.-Doz. Dr. Ludger Klein-Hitpass
Institut für Zellbiologie und Tumorforschung
Universitätsklinikum Essen
Tel. 02 01/7 23-33 80
Tel. 02 01/7 23-59 04
[email protected]
[email protected]
http://www.ifz.uni-essen.de/
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