Der Befruchtungsvorgang und die frühe Entwicklung als Teil einer

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Der Befruchtungsvorgang und die frühe Entwicklung als Teil einer
medizinischen Therapie
Prof. Christian De Geyter
Universitätsfrauenklinik Basel
Durch die Einführung der in-vitro Fertilisation (IVF, Befruchtung von menschlichen Eizellen
im Labor) als Therapie für die Überwindung von Unfruchtbarkeit, ist nicht nur der Prozess
der Befruchtung sichtbar und für Forschungszwecke zugänglich gemacht worden, sondern
auch die Reifung der Gameten (unreifen Samenzellen im Hoden, unreife Eizellen im
Eierstock) und die frühe Embryonalentwicklung. Dieses hat nicht nur die Entwicklung neuer
Therapieverfahren für bis dahin nicht behandelbare Krankheitsbilder ermöglicht, sondern
auch eine ethische Debatte hinsichtlich der Grenzen des Machbaren ausgelöst, welche bis
heute anhält.
Mit diesem Beitrag soll der zeitliche Ablauf der Befruchtung und die Momente, in denen neue
Therapieansätze denkbar wären und gleichzeitig restriktive gesetzliche Vorschriften
eingreifen (siehe Fortpflanzungsmedizingesetz FMedG) aufgezeigt werden.
Für den reibungslosen Verlauf der in-vitro Fertilisation werden zu einem genau definierten
Zeitpunkt des Menstruationszyklus (unmittelbar vor dem Eisprung, Ovulation) Eizellen
(Oozyten) gewonnen, die vor dem Ablauf des meiotischen Vorganges unmittelbar befruchtbar
sein müssen. Diese Eizellen haben einen Durchmesser von circa 150 µm und sind noch
umgeben von der Zona pellucida (eine Schale aus Glykoprotein) sowie von spezialisierten
Granulosazellen des Ovarialfollikels (Corona radiata, Cumulus oophorus). Bei der in-vitro
Fertilisation werden dann Samenzellen des Partners in die Nähe der Eizelle gebracht, so dass
diese die Eizelle befruchten können. Damit die Samenzellen an die Zona pellucida haften und
diese penetrieren können, bleiben die Samenzellen und die Eizelle über mehrere Stunden in
Kontakt (circa sechs Stunden). Der Befruchtungsvorgang ist nicht sehr effektiv, da lediglich
in circa 65 % der inseminierten Eizellen eine Befruchtung nachgewiesen werden kann.
Der Befruchtungsvorgang selber dauert allerdings viel länger. Erst circa 16 bis 20 Stunden
nach der Insemination werden die Vorkerne (Pronuklei) sichtbar: der eine Vorkern enthält die
Chromosomen der Eizelle, der andere, etwas kleinere Vorkern die Chromosomen der
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Samenzelle. Beide Vorkerne sind haploid, da sie lediglich die Hälfte der Chromosomen
enthalten. Es dauert noch weitere circa 8 Stunden bis die Vorkerne nicht mehr sichtbar sind
und miteinander verschmelten (Syngamie). Das Fortpflazungsmedizingesetz (FMedG)
definiert die Enstehung eines neuen Individuums mit der Syngamie. Die aus der Eizelle
hervorgangene Zelle, in der die Vorkerne miteinander verschmolzen sind, wird Zygote
genannt.
Die erste Zellteilung der frühen Embryonalentwicklung kann nach circa 12 Stunden
beobachtet werden. Aus der Zygote entsteht zuerst ein zwei-Zellenembryo, danach ein vierZellenembryo. Die Übertragung des Embryos erfolgt zumeist, wenn das Embryo aus vier bis
acht Zellen besteht. Die Zellteilung erfolgt immer rascher, so dass ein Embryo nach circa 72
Stunden bereits aus circa 16 Zellen besteht. Das Embryo ist zu diesem Zeitpunkt immer noch
von der Zona pellucida umgeben. Das Volumen des Präimplantationsembryos (vor der
Einnistung in das Endometrium des Uterus) entspricht dem Volumen einer Oozyte. Die
Schlüpfung des Präimplantationsembryos aus der Zona pellucida erfolgt nach circa fünf oder
sechs Tage. Um diesen Schlüpfungsprozess zu erleichtern, wird vor der Übertragung des
Embryos in die Gebärmutter der Frau die Zona pellucida mit einem feinen Laserstrahl
geöffnet (sogenannes „assisted hatching“). Der Embryo Transfer erfolgt jedoch viel früher, da
die Erfahrung gezeigt hat, dass sich aus dem früheren Embryo Transfer keinerlei Nachteil
ergibt.
Erst nach fünf Tage erreicht die Embryonalentwicklung das Blastozystenstadium, in dem das
Embryo aus der Zona pellucida schlüfen und sich in das Endometrium einnisten kann.
Lediglich 15 bis 20 % der entstehenden Embryonen entwickeln sich bis zum
Blastozystenstadium. Da die Schwangerschaftsrate in einem natürlichen Menstruationszyklus
bei weniger als 5 % betragen würde, wird die in-vitro Fertilisation heute nahezu immer im
Rahmen einer hormonellen Stimulation der Ovarialfunktion durchgeführt, so dass pro
Therapieversuch durchschnittlich acht Eizellen zur Befruchtung gebracht werden können.
Eventuell überzählige Eizellen können dann im Vorkernstadium eingefroren (kryopräserviert)
und später wiederaufgetaut und in einem natürlichen Zyklus übetragen werden. Auf dieser
Weise erreicht die in-vitro Fertilisation (IVF) heute Schwangerschaftsraten von 40 bis 60 %
pro Stimulationsbehandlung.
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Das Fortpflanzungsmedizingesetz greift tief in die täglich Praxis der in-vitro Fertilisation und
verwandter Therapieformen ein. So ist es nicht erlaubt, mehr Embryonen zur Entwicklung zu
bringen als in einem Therapieversuch übertragen werden dürfen. Daher werden keine
Embryonen, sondern Eizellen im Vorkernstadium kryopräserviert. Ausserdem dürfen keine
Zellen aus dem Verband eines Präimplantationsembryos entfernt werden. Schließlich ist es
nicht erlaubt, innerhalb von einem Behandlungszyklus mehr als drei Embryonen zu
übertragen.
Letztere
Restriktion
wurde
eingeführt,
um
die
Anzahl
der
Mehrlingsschwangerschaften (Zwillinge, Drillinge und mehr) zu begrenzen.
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