Warum die US-Steuerreform zu einem Paradigmenwechsel führen

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Warum die US-Steuerreform zu einem
Paradigmenwechsel führen könnte
Die bisher vorgeschlagenen Änderungen hätten weitreichende Auswirkungen auf viele Länder und
Branchen und würden die relative Wirtschaftsaktivität, die Rentabilität von Unternehmen, zukünftige
Emissionstendenzen und die Nachfrage auf Branchenebene beeinflussen. Geplant sind unter anderem
die Senkung der individuellen und Körperschaftssteuersätze, niedrige Steuern auf die Repatriierung von
Gewinnen aus dem Ausland und die Einführung des steuerlichen Grenzausgleichs. Durch das mögliche
Streichen der Steuervergünstigung auf Zinsen und die vollständige Abschreibung von Investitionen wird
es Gewinner und Verlierer geben.
Sind erst einmal die Details bekannt, so wird es an den Märkten sicherlich extremen „Verstimmungen”
kommen. Angesichts der gegenwärtigen Ungewissheit bieten sich in den nächsten zwölf Monaten viele
Chancen, da die Marktteilnehmer sich auf die neusten Schlagzeilen fixieren, was zu deutlichen
Verzerrungen bei den Bewertungen führen könnte.
Die vorgeschlagenen Änderungen der Körperschaftssteuer, die zu einer deutlichen Senkung der
effektiven Steuersätze führen würden, sind für das Wirtschaftswachstum in den USA und für
Unternehmen sehr günstig. Allerdings werden ihre Auswirkungen, je nach Branche und Wertpapier,
unterschiedlich ausfallen: Je nachdem, zu welchen Veränderungen es kommen wird, werden CFOs ihr
Verhältnis von Fremd- zu Eigenkapital und ihre geografische Verteilung an ausgewiesenen Erträgen
genau prüfen. Die mögliche Streichung der Steuervergünstigung auf Zinsen könnte sich je nach
Branche oder Unternehmen unterschiedlich auswirken, was sich wiederum auf Investitionen, Fusionen
und Übernahmen und Unternehmensemissionen unterschiedlich auswirkt. Die steigenden Kosten von
Fremdkapital könnten letztlich zu weniger Emissionen im Investment-Grade-Bereich führen. Dies
wiederum verlängert den gegenwärtigen Kreditzyklus.
Die geplante Streichung des Sparerfreibetrags könnte sich in Kombination mit der möglichen
vollständigen Abschreibung von Investitionen auf eine bestimmte Untergruppe von Emittenten sogar
ungünstig auswirken, nämlich solche mit einem hohen Verhältnis von Zinsaufwand zu Investitionen. Das
steuerpflichtige Einkommen dieser Gruppe könnte höher ausfallen. Allerdings weisen die meisten
Emittenten am Hochzinsmarkt ein ausgewogenes Verhältnis von Zinsaufwand und Investitionen auf. Die
inländischen Investitionen einiger großer Sektoren im Bank of America Merrill Lynch US High Yield
Index, wie Energie und Telekommunikation, übertreffen sogar ihren Zinsaufwand. Analysen deuten
darauf hin, dass nur etwa 10 bis 15 Prozent des High-Yield-Marktes betroffen wären.
Steuerlicher Grenzausgleich
Der steuerliche Grenzausgleich war Bestandteil des Steuerplans, der im Sommer 2016 vom
republikanischen Repräsentantenhaus vorgestellt wurde. Nach diesem System wäre der Kauf
ausländischer Waren und Dienstleistungen nicht absetzbar, das Einkommen durch Exporte wäre jedoch
nicht steuerpflichtig. Dies würde den effektiven Steuersatz auf Einkommen durch Importe anheben und
den Steuersatz auf Einkommen durch Exporte senken.
Die Öffentlichkeit widmet dem Konzept große Aufmerksamkeit. Kein Wunder, angesichts der tendenziell
protektionistischen Haltung der US-Regierung und Tweets, die Unternehmen anklagen, die Arbeitsplätze
ins Ausland verlagern – überdies ist noch unklar, inwieweit der Plan von Präsident Trump unterstützt
wird. Wird er umgesetzt, so könnte dies der erste Schritt zur Einführung einer territorialen Besteuerung
in den USA sein, die für viele ihrer Handelspartner bereits Realität ist.
Der steuerliche Grenzausgleich wäre angelegt, um die fiskalischen Folgen der niedrigeren
Körperschaftssteuer abzufangen. Theoretisch wären die Folgen im Hinblick auf den Handel neutral, da
der Kostenvorteil bei Exporten (und der Nachteil bei Importen) durch eine Aufwertung des US-Dollars
ausgeglichen würde, was die Zahlungsbilanz beeinflusst. In der Praxis könnte die Sache jedoch ganz
anders aussehen und gravierende Auswirkungen haben: Unter Umständen kommt es bei den
Steuersätzen weltweit zu einem Abwärts-Wettlauf.
Insbesondere Branchen mit einem hohen COGS (Cost of Goods Sold, „Kosten der verkauften Waren“)
wären von dem geplanten steuerlichen Grenzausgleich betroffen. Der Einzelhandel ist hierfür ein
besonders gutes Beispiel. Innerhalb des Hochzinsanleihenmarkts erwirtschaftet der Sektor über 50
Prozent seines COGS außerhalb der USA. Die meisten anderen Hochzinsunternehmen beziehen jedoch
ihre Waren im Inland, was die negativen Auswirkungen des steuerlichen Grenzausgleichs auf unter 15
Prozent des Markts beschränkt. Auch im Einzelhandel mit Investment-Grade-Rating sind einige der
größten Emittenten große Importeure, die durch den steuerlichen Grenzausgleich belastet werden
würden. Diese sehr bekannten und einflussreichen Unternehmen werden sicher zu den
„Verstimmungen“ an den Märkten beitragen, da sie die möglichen Nachteile der Änderungen, wozu
auch höhere Preise für die US-Verbraucher zählen, deutlich machen werden. So könnte die Drohung
dieser Unternehmen, ihre Preise anzuheben, echte Schlagzeilen machen.
Gegenwärtig machen die Handelsebenen auf dem Hochzinsanleihenmarkt keinen Unterschied im
Hinblick darauf, wie sehr Emittenten von möglichen Veränderungen des Steuergesetzes betroffen sein
könnten. Eines der wichtigsten Unterscheidungsmerkmale bei der Performance wird in Zukunft das
Vermeiden von Emittenten mit Abwärtsrisiken bei diesen Themen sein.
Der eventuell bevorstehende Grenzausgleich sowie die Haltung der Trump-Regierung hatten bis jetzt
nur vereinzelt Auswirkungen außerhalb der USA, eine Ausnahme ist hier etwa der mexikanische Peso.
Das Augenmerk der europäischen Anleihenmärkte lag weniger auf der US-Steuerpolitik als auf
europäischen Entwicklungen; darunter der nächste Zinsschritt der Europäischen Zentralbank, Wahlen in
Europa und die Brexit-Verhandlungen.
Sollten die geplanten Maßnahmen jedoch umgesetzt werden, könnten sie erheblichen Einfluss auf die
Devisenmärkte nehmen. Während der mexikanische Peso erheblichem Druck ausgesetzt war, war der
kanadische Dollar beispielsweise noch kaum betroffen, und das, obwohl auch Kanada ein wichtiger
Handelspartner der USA ist. Der kanadische Dollar könnte die Auswirkungen jedoch zunehmend zu
spüren bekommen. Ganz allgemein könnten sich protektionistischere US-Maßnahmen im
Zusammenhang mit Besteuerung und anderen wirtschaftlichen Belangen auf exportorientierte
Volkswirtschaften nachteilig auswirken. In Asien könnte dies Länder in die Arme Chinas treiben und die
Bande des Landes in der Region enger knüpfen. Zu den bislang noch unklaren Aspekten bei diesem
Thema zählt auch die Frage, ob Rohstoffexporteure von dem Grenzausgleich ausgenommen würden.
Dessen ungeachtet unterstützen allgemein günstige globale Wachstumstrends die Attraktivität von
Währungen rohstoffexportierender Länder. Doch auch wenn die Märkte eine fiskalpolitische
Unterstützung eingepreist haben, die fehlenden Einzelheiten dazu machen die Anleger langsam
unruhig. Da eine Aufwertung des US-Dollars für den Beschäftigungszuwachs in den USA ungünstig
wäre, könnte die Trump-Regierung irgendwann Abstand nehmen vom historischen Standpunkt einer
Politik des starken Dollars.
Kommunalanleihen
Zu bedenken sind weiter die möglichen Auswirkungen von Veränderungen des Steuergesetzes auf
Kommunalanleihen. Etwa zwei Drittel des US-Markts für Kommunalanleihen in Höhe von 3,8 Billionen
US-Dollar befinden sich im Besitz vermögender Privatpersonen, Schaden- und Unfallversicherern und
anderen Institutionen. Berücksichtigt man die Steuervergünstigung für Zinsen von Kommunalanleihen,
so werden die Renditen in diesem Sektor im Vergleich zu Treasuries zu einem Abschlag gehandelt.
Der Sektor ist heute relativ günstig und wird zu einem Verhältnis von 96 Prozent im Vergleich zu
Schatzanweisungen mit ähnlicher Laufzeit gehandelt (gegenüber einem historischen Durchschnitt von
etwa 80 Prozent). Dennoch wird er sich bei abnehmenden Steuersätzen schwierigen Zeiten
gegenübersehen. Die untenstehende Tabelle vergleicht die Renditen von Kommunalanleihen mit AAARating und einer Unternehmensanleihe. Es wird gezeigt, wie die Renditen von Unternehmensanleihen
nach Abzug von Steuern von der Einführung zwei verschiedener Pläne von Donald Trump und dem von
Republikanern kontrollierten Repräsentantenhauses beeinflusst würden. Die Zahlen zeigen, welche
Auswirkung die Senkung der Einkommenssteuer von 39,6 Prozent auf 33 Prozent nach beiden Plänen
hätte. Ferner ist die Abschaffung der Zusatzsteuer von 3,8 Prozent auf den Kapitalertrag von
Besserverdienern und die Einführung einer Steuervergünstigung von 50 Prozent auf Dividenden und
Zinsen nach dem Plan des republikanischen Repräsentantenhauses dargestellt.
Demzufolge würden die Steuerpläne die Renditen von Treasuries und Unternehmensanleihen nach
Abzug von Steuern erhöhen. Der Spread von Kommunalanleihen nach Abzug von derzeit geltenden
Steuern würde hingegen verringert oder vernichtet, insbesondere im Hinblick auf
Unternehmensanleihen. Der Nettoeffekt wäre, dass Anleger Geld aus den Margen in
Unternehmensanleihen umschichten würden und dass die Renditen von Kommunalanleihen
wahrscheinlich steigen, um die Veränderung des Steuergesetzes auszugleichen, das
Unternehmensanleihen begünstigen würde.
An den Märkten besteht vor allem die Befürchtung, dass Kommunalanleihen ihre Steuerbefreiung
verlieren könnten. Geht man jedoch davon aus, dass aktuelle Emissionen ausgenommen sind, wäre dies
für die Bewertungen günstig, da Kommunalanleihen in den nächsten Jahren einen Seltenheitswert
genießen würden. Der Sektor könnte tatsächlich eine größere Nachfrage erleben, da die Kauflust
institutioneller Anleger zunimmt, die gegenwärtig noch nicht in den Sektor investieren. Angesichts der
Beliebtheit der Steuerbefreiung bei Personen und Kommunen ist dies jedoch ein eher
unwahrscheinliches Szenario.
Aus Anlegersicht ist die Länder- und Titelauswahl künftig besonders wichtig, da die Zinsen 2017
voraussichtlich steigen werden. Die Inflation stellt ein größeres Risiko dar als in den letzten Jahren,
woran der Markt so nicht gewöhnt ist. Inflationsgeschützte US-Anleihen hat das Fixed Income
Investment Strategy Committee bei Neuberger Berman daher besonders stark übergewichtet.
Inflationserwartungen – die durch Breakeven-Inflationsraten gemessen werden – haben einen
Aufschlag, der mit dem begrenzten Angebot dieser Wertpapiere und dem Risiko zusammenhängt, dass
die Inflation die Erwartungen übertrifft, nicht vollständig eingepreist. Die vorgeschlagene Handelspolitik
Trumps, ein bereits angespannter Arbeitsmarkt und die über Jahre entgegenkommende Geldpolitik und
Liquidität könnten die Inflation anfachen. Eine Kombination aus begrenzter kurzfristiger Arbeitskraft und
Kapitalkapazität, weniger Bestimmungen, die die Verfügbarkeit von Kredit regulieren, und höheren
Wachstumserwartungen in den USA könnten sowohl von Angebots- als auch von Nachfrageseite Druck
auf die Inflation ausüben. Zu achten ist auf eine Aufwertung des US-Dollars, die diese Entwicklung
ausgleichen könnte.
Was Staatsanleihen der Industrieländer betrifft, so sind wir neutral bis negativ eingestellt. Zum ersten
Mal seit Jahren deuten die weltweiten wirtschaftlichen Bedingungen auf allgemein höhere Zinsen und
Inflation. Nach einem rasanten Anstieg der Renditen von US-Treasuries nach der US-Wahl gaben sie
inzwischen etwas nach, da die weitere Entwicklung wachstumsfördernder, reflationärer Maßnahmen
weiterhin unklar ist. In Zukunft könnte diese Unsicherheit und die „Anziehungskraft“ globaler Zinsen,
die sich durch eine lockere Geldpolitik in Europa und Japan ergibt, die Zinsschritte der US-Notenbank
Fed in Schach halten. Dennoch dürfte das Potenzial für Steuersenkungen und Deregulierung in
Kombination mit drei erwarteten Zinsanhebungen durch den Offenmarktausschuss im Jahresverlauf
letztlich die Renditen nach oben drücken. In der Zwischenzeit lohnt sich ein taktischer Ansatz bei der
Durationspositionierung.
Globale Zinssätze stehen in Zusammenhang mit US-Zinssätzen
Globale Zinssätze stehen in engem Zusammenhang mit den US-Zinsen. Der Zinsanstieg in einem
Industrieland wird auf andere Industrieländer einen Aufwärtsdruck ausüben. Die Lage der einzelnen
Volkswirtschaften ist jedoch sehr unterschiedlich, sodass positive Wirtschaftsfaktoren für die USA
wahrscheinlich zulasten ihrer größten Handelspartner gehen werden. Während die BrexitVerhandlungen weiter voranschreiten, zieht die Europäische Zentralbank andere stimulierende
Maßnahmen in Betracht. Bevorstehende Wahlen könnten Wachstum und Inflation beeinflussen. Das
Ergebnis ist weitere Volatilität in der Eurozone.
Die Aussichten für Schwellenländeranleihen sind unseres Erachtens verhalten. Wir bevorzugen Anleihen
in Hartwährung gegenüber Lokalwährung. Die US-Wahl führte zu großer Unsicherheit im Hinblick auf die
Handelsbeziehungen zwischen den Schwellenländern und den USA. Am gefährdetsten sind die
offeneren Volkswirtschaften und solche mit engen Bindungen an die USA. Hierzu zählen
lateinamerikanische Märkte, wie Mexiko und Kolumbien, sowie asiatische Märkte, wie Taiwan und
Südkorea. Ein zunehmendes Wirtschaftswachstum und geringere Leistungsbilanzdefizite könnten hier
ein Gegengewicht darstellen. Anleihen in Lokalwährung erscheinen weniger attraktiv als Anleihen in
Hartwährung. Das ist bedingt durch den Aufwärtsdruck auf Zinsen über die Reflation ebenso wie den
Druck auf Devisen über das Handelsrisiko.
Zusammengefasst stellen die geplanten Änderungen den größten Umbruch des Steuergesetzes seit den
1980er Jahren dar. Damals blieb den Anlegern aber genug Zeit, um Entwicklungen zu analysieren und
sich entsprechend aufzustellen. Heutzutage werden Information dagegen wesentlich schneller
eingepreist. Die Märkte werden die Entwicklungen in den kommenden Monaten zu spüren bekommen,
während Anleger die möglichen Folgen verschiedener geplanter Steuerreformen verarbeiten und die
Umsetzung der Reform immer näher rückt. Für Anleger ist es somit wichtig, die potenziellen
Auswirkungen verschiedener Reformpläne zu verstehen, sie auf bestimmte Märkte, Sektoren und
Themen zu übertragen, zu erkennen, wo Märkte erwartete Veränderungen widerspiegeln oder sich auf
andere Entwicklungen konzentrieren, und schließlich Positionen einzunehmen, wo echte Überzeugung
herrscht.
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