F. Bonnaire, Stationäre Heilverfahren aus ärztlicher Sicht. Verband

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Trauma und Berufskrankheit
UMED Dresden 14/15.mai 2011
Stationäre Heilverfahren
„Die Sicht der für die Berufsgenossenschaften tätigen Ärzte vom Verband der
für die Berufsgenossenschaften tätigen Ärzte“
Prof. Dr. med. Felix Bonnaire
Die künftige Struktur der stationären Heilverfahren in der gesetzlichen Unfallversicherung sieht ein dreistufiges System vor, angepasst an die Systematik des Traumanetzwerks der DGU. Vorgesehen sind im Vertrag mit der DGUV

Krankenhäuser der unfallchirurgischen Basisversorgung außerhalb des Verletzungsartenkatalogs ohne gesonderten Reglungsbedarf, entsprechend einem
Basistraumazentrum der DGU, in welchem die flächendeckende Versorgung
von Arbeitsunfällen außerhalb des Verletzungsartenverfahrens erfolgen soll.

Verletzungen aus dem Katalog des VAV sollen von diesen Kliniken zur Versorgung in die Krankenhäuser mit Zulassung zum VAV verlegt werden entsprechend der Regelung im Traumanetz der DGU, eingestuft als regionale
Traumazentren.

Ausgewählte, besonders schwere und komplikative Fälle sollen zudem in BGKliniken und vergleichbare Einrichtungen, z. B. SGB-7-Traumazentren genannte, als herausgehobene Kliniken mit besonders hohem Versorgungsaufwand
entsprechend den überregionalen Traumazentren.
Wesentlich für die Argumentation der DGUV ist auch im stationären Bereich die
Forderung nach einem Qualitätssicherungssystem. Ein anderer wichtiger Aspekt,
der bei den neuen stationären Heilverfahren eine zentrale Rolle spielt, ist die Bedarfsorientierung je nach Spezialisierung und Einstufung der Kliniken innerhalb der
drei Versorgungsstufen. Die DGUV verspricht die Ausbildung eines Netzwerkes mit
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einer effizienten Steuerung der Belegung der eigenen Kliniken mit verbindlichen
Vorgaben, in welchen Fällend zwingend die Verlegung in eine BG-Klinik oder einer kooperierenden Klinik zu erfolgen hat. Sie setzt auf eine gemeinsame Strategie
zur Abstimmung der Leistungsangebote sowie auf einheitliche Abläufe und Strukturen innerhalb dieses koordinierten Klinikverbundes.
Neben der Akutversorgung soll die Rehabilitation in der stationären Weiterbildung
(BGSW, komplexe stationäre Rehabilitation) eine bedarfsgerechte Zuweisungssteuerung der unfallverletzten Rehabilitanden in die jeweils geeignete Rehabilitationsklinik erfahren. Grundlage einer Zulassung als Reha-Schwerpunktklinik wird die Zulassung durch die DGUV bzw. ein Abschluss eines Versorgungsvertrages sein. Wesentliche Kriterien werden auch hier die Rehabilitationsergebnisse und besondere Aspekte der Verletzung und der Qualifikation für Rehabilitationsmaßnahmen sein. Analog
zum System der Akutversorgung sind drei unterschiedliche Qualitätsstufen vorgesehen, deren Spektrum von der einfachen Anschlussrehabilitation im Sinne der Kranken- und Rentenversicherung über eine UV-spezifische BGSW bis hin zu komplexen
Maßnahmen im Sinne der komplexen stationären Rehabilitation, die in besonderen
Kompetenzzentren mit dem Schwerpunkt der Rehabilitation von schweren Unfallverletzungen durchgeführt werden sollen.
Ein weiterer wichtiger Punkt für die DGUV liegt in der Verzahnung der Versorgungssektoren unter der Berücksichtigung des Reha-Managements. Hier wird ein besonderes Augenmerk auf die Fallsteuerung und Integration der verschiedenen Versorgungssektoren gerichtet. Man stellt sich hierbei Reha-Sprechstunden, Fallkonferenzen
und regelmäßige Zusammenkünfte im Netzwerk zur Fallbesprechung vor, auch
wechselseitige Hospitationen und Qualifizierungen der D-Ärzte in BG-Kliniken und Einrichtungen von Netzwerken, z. B. in der Handchirurgie oder zwischen stationären und
ambulanten Rehabilitationsmaßnahmen.
Neu in den künftigen stationären Heilverfahren ist für den D-Arzt die kontinuierliche
Fortbildung bis zum Ende seiner beruflichen Karriere. Dies betrifft Fortbildungen im
Gutachterwesen, in der Steuerung der Heilverfahren, in der Rehabilitationsmedizin
sowie in der Kindertraumatologie. Entsprechende Kurrikula sind in Planung und es
wird der Nachweis einer erfolgreichen Teilnahme alle fünf Jahre verlangt. Zudem
werden die Teilnahme an zwei unfallmedizinischen Tagungen innerhalb von fünf Jah-
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ren sowie 250 Fortbildungspunkte alle fünf Jahre zur weiteren Teilhabe am System
vorausgesetzt.
Die grundsätzliche Gliederung der Abstufung der Akutversorgung und Rehabilitationstherapie in drei Stufen erscheint logisch und nachvollziehbar und ist an die neue
Weiterbildungsordnung im Fach Orthopädie/Unfallchirurgie und auch sinnvoll an die
Gliederung des Traumanetzes der DGU angepasst. Auch hier stehen Qualitätsmerkmale sowie Versorgungsaufwand und die flächendeckende Versorgung von
schwerverletzten Patienten als wesentliche Forderungen im Raum. Das DGUTraumanetzwerk ist ein Erfolgsmodell, an welches sich die stationären Heilverfahren
der DGUV aus unserer Sicht anschließen werden.
Die im Ärztevertrag verpflichteten, auf die Ärzte zukommenden Forderungen sind aus
unserer Sicht berechtigt, wenn durch das System die Position der D-Ärzte an den
Krankenhäusern gegenüber den Verwaltungen gestärkt wird und die Lebensqualität
der D-Ärzte durch Vereinfachung bürokratischer Abläufe beibehalten werden kann.
So muss weiterhin gewährleistet sein, dass der D-Arzt die volle Verantwortung für die
Erstversorgung von Arbeitsunfällen behält, dass ihm ein entsprechend qualifiziertes
Team weisungsbefugt untersteht und dass ihm logistisch günstige Räumlichkeiten für
die Versorgung von schwerstverletzten Unfallopfern unterstellt sind. Wo dies nicht
gewährleistet ist, muss der Durchgangsarzt die Möglichkeit haben, mit der Unterstützung der Regionalverbände diese Rechte einzufordern. Die hohen Qualitätsansprüche bedürfen natürlich auch einer hohen Qualifikation und der Überprüfung, dass
nur hochqualifizierte Ärzte mit angepasster Honorierung die Leistungen erbringen.
Die Forderung nach Qualitätssicherung beinhaltet die Überprüfung der Prozess- und
Ergebnisqualität. Die D-Arzt-Berichte sollen bezüglich Laufzeiten, Inhalt, vollständigen
Diagnosen und den daraus abzuleitenden Vorstellungspflichten überprüft werden.
Dies gilt für den niedergelassenen Bereich ebenso wie den stationären Sektor. Auch
soll die Patientenzufriedenheit abgefragt werden und hierzu ist ein wissenschaftliches
Modell unter Leitung der Universität Greifswald zur möglichst objektivierbaren Auswertung geplant. Die Durchgangsärzte sollen vermehrt Rückmeldung bezüglich ihrer Ergebnisse erhalten, damit eine Anpassung kontinuierlich möglich ist.
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Diese Vorgaben sind nachvollziehbar und verständlich. Von Seiten der Leistungserbringer muss jedoch eine hohe Transparenz der Ergebnisermittlung, eine Mitarbeit bei
der Entwicklung der Modellvorhaben und eine nachvollziehbare Bewertung die Voraussetzung für einen fairen Umgang sein. Zudem darf die Qualitätssicherung nicht zu
einer Ausweitung der jetzt schon erstellten Dokumentationsarbeit des D-Arztes führen.
Die Qualitätssicherung muss mit den jetzt schon vorhandenen Daten möglich sein.
Wesentlich für den Erfolg der neuen stationären Heilverfahren wird sein, ob die Netzwerkbildung mit dem Abgleich zum Weißbuch der DGU gelingt. Es müssen Kriterienkataloge erarbeitet werden, die den Patienten in die geeignete Klinik lotsen und dies
kann nur gelingen, wenn das Rettungssystem vom Rettungssanitäter bis zum Notarzt
klar verständlich und nachvollziehbar ist. Zudem muss die Vergütung entsprechend
dem Aufwand an Vorhaltungen und Versorgungen angepasst werden. Die Qualität
wird nicht in jedem Fall abhängig von der Versorgungseinstufung der Krankenhäuser,
sondern auch vom persönlichen Engagement des verantwortlichen D-Arztes abhängen. Dieser wird in Zukunft auf meiner Sicht immer stärker daran interessiert sein müssen, in seinem regionalen Umfeld ein zusätzliches Netzwerk mit den niedergelassenen D-Ärzten aufzubauen, um die Rehabilitation nach stationärer Akutversorgung
über die stationäre Rehamaßnahme bis hin in die ambulante Reha zu steuern und zu
verfolgen und bei Problemen mittels Fallkonferenzen zur Verfügung zu stehen. Auch
für diese Leistungen, die entscheidend für den Behandlungserfolg sein können, müssen nachvollziehbare Honorarvereinbarungen entwickelt werden.
Der derzeitige Verletzungsartenkatalog muss aus unserer Sicht überarbeitet oder abgestuft werden. So wie er derzeit gestaltet ist, wird es nicht möglich sein, eine flächendeckende Versorgung von Unfallverletzten zeitnah aufrecht zu erhalten.
Die geplante Reduktion der VAV-Häusern von derzeit 900 auf 300 ist zwar derzeit
rechnerisch aufgrund der anfallenden Patientenzahlen nachvollziehbar, wird jedoch
bei dem derzeitigen Katalog zu einer erheblichen Durchsatzsteigerung in den verbleibenden VAV-Kliniken führen. Zwar geht die Rate der Unfallverletzten durch verbesserte Unfallprophylaxe kontinuierlich zurück, es ist jedoch nicht mit einem ähnlich
gravierenden Abfall zu rechnen, wie in den Plänen der DGUV anhand der VAVKliniken geplant. Die Reduktion der VAV-Kliniken wird zudem bedarfsorientiert erfolgen müssen, um sogenannte „weiße“ Flecken in der Versorgung nicht entstehen zu
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lassen. Es wird also auch Ausnahmeregelungen geben müssen. Die Mindestfallzahl
von 100 Patientenversorgungen nach dem Verletzungsartenverfahren würde zu einer
Einstufung von 60 bis 80 Kliniken auf der Stufe der BG-Kliniken und SGB-7Traumazentren und 200 bis maximal 250 Kliniken mit Zulassung zum VAV beinhalten.
Auf welchem Weg die Reduzierung der VAV-Kliniken erfolgen soll und in welchem
Zeitrahmen diese Zielvorstellung realisiert wird, ist noch nicht konkret. Derzeit wird
noch an der Mindestfallzahl 100 festgehalten, an der Qualifikation des D-Arztes mit
zweijähriger Weiterbildungsberechtigung und strukturellen Vorgaben.
Wenn eine Fallsteuerung in BG-Kliniken und SGB-7-Traumazentren funktionieren soll,
müssen transparente Vorgaben durch die DGUV erarbeitet werden. Die Versorgungswege müssen praktikabel eingerichtet werden und Verlegungsgründe müssen
diagnoseassoziiert oder komplikationsorientiert sein. Auch RehaKompetenzgesichtspunkte werden hier eine Rolle spielen. An der Sinnhaftigkeit der
Fallsteuerung ist nicht zu zweifeln, die Vorgaben müssen jedoch mit den D-Ärzten auf
ihre Praktikabilität überprüft werden.
Das Qualitätssicherungssystem der DGUV beinhaltet eine Rezertifizierung innerhalb
von drei bis fünf Jahren. In der Probezeit sollen die Ergebnisse von Heilverfahren bei
bestimmten Verletzungsarten überprüft werden. Der Trend zur weiterführenden Spezialisierung und Konzentration wirft die Frage auf, ob die Zulassung von Krankenhäusern zum VAV in jedem Fall für alle Verletzungen des Verletzungsartenverzeichnisses
gelten soll oder ob sich die Unfallversicherung die besondere Kompetenz einzelner
Schwerpunktkliniken für bestimmte operative Eingriffe stärker zu nutze machen sollte.
Im Einzelfall könnten für bestimmte Leistungen Selektivverträge zwischen Unfallversicherungsträgern und Krankenhaus erfolgen. Um Missbräuchen vorzubeugen, spricht
jedoch vieles dafür, einzelvertragliche Nutzung von spezialisierten Leistungserbringern
durch die Unfallversicherungsträger auf planbare Eingriffe zu beschränken. Die flächendeckende Versorgung von Unfallversicherten könnte hierdurch gefährdet werden.
Erstmals in den Überlegungen der DGUV eine Belegungssteuerung durch Sanktionsmöglichkeiten angedacht. Diese sollen gelten, wenn Unfallversicherte an einem
Krankenhaus behandelt werden, das nicht für das jeweilige Verletzungsmuster zugelassen ist. Bislang ist die Vorstellungspflicht zum VAV nur für den am Krankenhaus täti-
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gen D-Arzt, nicht aber auch für den Krankenhausträger oder einzelnen Abteilungen
verbindlich geregelt. Entsprechend dem Vertrag Ärzte/UV-Träger könnte eine Durchsetzbarkeit von Strukturen oder Vorstellungspflichten im stationären Bereich über finanzielle Sanktionen, d. h. Wegfall des Vergütungsanspruchs des nicht zugelassenen
Krankenhauses, erhöht werden. Gedacht ist dabei an einen bundesweit geltenden
Vertrag mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft.
Aus Sicht des Verbandes der für die BG tätigen Ärzte liegt das größte Konfliktpotential zwischen DGUV und Ärzten nicht in der Nachvollziehbarkeit der erhobenen Forderungen nach Qualitätssicherung und flächendeckender Versorgung, sondern in der
Umsetzbarkeit der erhobenen Forderungen. Die Forderungen werden als grundsätzlich sinnvoll und nachvollziehbar angesehen, müssen jedoch aufgrund des erhöhten
Aufwandes für die Qualität auch eine entsprechende Stärkung der Position der DÄrzte am Krankenhaus mit sich ziehen.
Facit
Für die Entwicklung des noch nicht festgelegten Kriterienkatalogs einschließlich des
VAV-Katalogs stehen wir zur Diskussion gerne bereit. Entscheidend für die Zukunft wird
die Abstimmung mit dem Traumanetzwerk der DGU und der Aufbau eines sektorübergreifenden Netzwerkes sein, um den gesicherten Erfolg der berufsgenossenschaftlichen Heilverfahren auch nachweisen zu können.
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