Bundesarbeitsgemeinschaft Mobile Rehabilitation e.V. Dr. Werner Winkler, Sankt Augustin, Februar 2004 Positionspapier der BAG Mobile Rehabilitation e.V. : Bedarfsgerechtigkeit, Wirtschaftlichkeitsgebot und Realisierung A. Ziel dieses Papiers Dieses Papier soll all denen Hilfestellung geben, die in Kooperation mit Leistungsund Kostenträgern, vor allem mit Krankenkassen, eine Mobile Rehabilitation (MoRe) in ihrer Region verwirklichen wollen. Es soll zeigen, dass diese Therapieform sowohl den gesetzlichen Anforderungen der Sozialgesetzbücher SGB V und XI und IX entspricht, als auch eine gute wirtschaftliche Alternative bei geeigneten Indikationen zu anderen, vor allem stationären Rehaformen ist. B. Formale (gesetzliche) Voraussetzungen der MoRe 1. Erfüllung der Grundkriterien des Wirtschaftlichkeitsgebotes des § 12 SGB V und der Bedarfsgerechtigkeit des § 40 I SGB V sowie des Rehabilitationsanspruches nach SGB XI 1.1. Die MoRe ist eine therapeutische Versorgungsform für Patienten, die nicht an Maßnahmen der stationären Rehabilitation (Reha) teilnehmen können1 (nicht vorhandene Infrastruktur; nicht transportfähige Patienten; u.a.), oder die die spezifischen Wirkungen von MoRe zur Erreichung des Rehaerfolges benötigen. Sie ist eine therapeutisch zweckmäßige und notwendige Rehamaßnahme, die nach § 40 I letzter Satz SGB V wohnortnah erbracht wird. Sie erfüllt gleichzeitig alle Kriterien des § 12 SGB V und des § 29 SGB XI hinsichtlich der Notwendigkeit, der Zweckmäßigkeit und der Wirtschaftlichkeit im engeren Sinn. 1.1.1. Sie ist notwendig, da die Patienten nach Krankenhausaufenthalt bei bestimmten Indikationen (vgl. Abschnitt 1.2.) unabweisbar (i.S.v. §§ 12 SGB V und §§ 5 sowie 29 SGB XI) Rehamaßnahmen erhalten müssen, soweit die Voraussetzungen von § 11 Abs. 2 SGB V i.V.m. § 27 Abs. 1 Nr. 6 gegeben sind, damit ihre Gesundheit soweit gesichert und stabilisiert wird, dass eine kurzfristige (und damit kostspielige) stationäre Rückverlegung (Drehtüreffekt) zu Lasten der Solidargemeinschaft wenig wahrscheinlich wird. Dies gilt selbst dann, wenn derartige Maßnahmen sonst nur im Rahmen einer ärztlich therapeutischen Rehamaßnahme als Heilmittel i.S.v. § 32 SGB V verordnet werden. Die Notwendigkeit ist immer dann gegeben, wenn keine andere Maßnahme als die MoRe bzw. keine andere gleich geeignete Maßnahme der Reha wohnortnah zur Verfügung steht, um die im Gesetzt festgelegten Ziele der Reha (SGB V, IX und XI) zu erreichen. 1.1.2. Die MoRe ist eine zweckmäßige therapeutische Maßnahmen i.S.v. §§ 12 I SGB V und 29 SGB XI, da sie bei den o.a. Indikationen die einzig zweckentsprechende Therapieform ist, die dem derzeitigen Bedarf, Zustand, Rehafähigkeit und der 1 vgl. hierzu: Leitlinien der Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenversicherungen für gemeinsame Modellvorhaben zum Aufbau und Ausbau der ambulanten geriatrischen Rehabilitation v. 18.12.1997 Bundesarbeitsgemeinschaft Mobile Rehabilitation e.V. Rehaprognose der betroffenen Patienten gerecht wird. Darüber hinaus ist sie sehr geeignet, den Zustand nach einem stationären Aufenthalt auch bei den Patienten zu stabilisieren und den Therapieerfolg langfristig zu sichern, die für stationäre Rehamaßnahmen nicht geeignet sind. Vor allem ist sie keine überflüssige medizinische Leistung, da der betroffene Patient ohne diese Rehamaßnahmen rasch wieder stationär behandelt werden muss, an den Folgen der Krankheit unverhältnismäßig leidet und/oder ein vermeidbares Ausmaß der Behinderung erfährt. 1.1.3. Die MoRe ist auch eine wirtschaftlich im engeren Sinn (§§ 12 SGB V und 92 SGB XI) wirksame Therapieform, deren Wirksamkeit inzwischen durch eine Reihe von Studien und Modellversuchen untermauert werden konnte. Sie hat sich dabei als eine gleich und/oder spezifisch wirksame und zugleich meist kostengünstigere Therapieform gezeigt. Außerdem ist sie oft die einzige Rehamaßnahme, die den betroffenen Patienten vor Ort angeboten werden kann. Damit sind die im Rahmen einer MORE erbrachten Leistungen bereits alleine nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot durch die Krankenkassen als Leistungsträger von Rehamaßnahmen im therapeutisch notwendigen Umfang zu vergüten. 1.1.4. Die MoRe ist auch bedarfsgerecht i.S. v. § 40 I letzter Satz, da sie die geeignete wohnortnahe Versorgungsform für alle rehafähigen Patienten ist, für die stationäre Rehamaßnahmen entweder nicht indiziert ist und oder wohnortfern erbracht werden müsste (z.B. in ländlich strukturierten Gebieten wegen der großen Entfernungen zu einer solchen Einrichtung) und damit für die hier betroffenen Patienten nicht sinnvoll ist (vgl. Nr. C 1.1.), weil eine ambulante Rehamöglichkeit nicht vorhanden ist bzw. nicht genutzt werden kann.. 2. Nach § 5 SGB XI sind auch bei Pflegebedürftigen bzw. von Pflegebedürftigkeit bedrohten Patienten frühzeitig und in vollem Umfang Rehaleistungen einzusetzen, um den Zustand der Patienten z.B. nach stationärem Aufenthalt zu verbessern und soweit zu stabilisieren, dass eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes, so weit wie medizinisch möglich, zu verhindern. Der hiervon betroffenen Patientenkreis umfasst sowohl noch nicht pflegebedürftige Patienten nach einem Akutkrankenhausaufenthalt (z.B. nach Apoplex, Folgen orthopädisch-traumatologischer Akutbehandlungen) als auch als pflegebedürftig eingestufte Personen (in der Regel Patienten der Pflegestufen 2 und 3). Deren Zahl beträgt inzwischen fast 1 Mio. Personen2. Hierbei sind auch stationär versorgte Pflegebedürftige erfasst, sofern die therapeutisch notwendigen Rehamaßnahmen den Rahmen der im SGB XI festgelegten Behandlungspflege bzw. der aktivierenden Pflege überschreiten. Die therapeutisch erforderlichen Rehamaßnahmen können in vielen Fällen nachweislich - gerade für dieses Klientel - weder durch stationäre Rehamaßnahmen (i.S.v. § 40 SGB V) noch durch ambulante Krankenbehandlung in Form therapeutischer Einzelmaßnahmen bzw. im Rahmen der Verordnung von Heilmitteln nach § 32 II SGB V erfüllt werden. Die MoRe ist eine besonders geeignete Versorgungsform, die wohnortnah (§ 40 I SGB V) angeboten wird. Sie erfasst auch solche Patienten, die sonst mangels eines medizinisch sinnvollem stationären, teilstationären oder ambulanten Rehaangebotes vor Ort nicht die Rehahmaßnahmen erhalten können, die ihnen vom Gesetzgeber als therapeutisch sinnvoll und notwendig zugebilligt werden. 2 2 Quellen: 2. Pflegebericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Pflegeversicherung (2000); sowie 3. Altenbericht der Bundesregierung (2002) Bundesarbeitsgemeinschaft Mobile Rehabilitation e.V. C. Bedarfsermittlung für den Einsatz der ambulanten mobilen Rehabilitation 1. Indikationen für die Anwendung einer mobilen ambulanten Rehabilitation 1.1. Ein- und Ausschlusskriterien für die Anwendung der mobilen ambulanten Rehabilitation Da, bereits aus ökonomischen Gründen, die Indikationen für den Einsatz der MoRe ebenso wie auch bei anderen Rehahmaßnahmen sehr eng einzugrenzen sind, kann auch diese Versorgungsform immer nur auf eine überschaubare Zahl von rehafähigen Patienten angewendet werden. Nach den Grundsätzen der ‚Rahmenkonzeption Mobile Rehabilitation‘ der Bundesarbeitsgemeinschaft Mobile Rehabilitation e.V. gehören hierzu nur Patienten, bei denen eine Reintegration in die häusliche Umgebung aus dem Krankenhaus oder anderen stationären Einrichtungen nur mit speziell rehabilitations-medizinischen Hilfen erfolgen kann und andere (wohnortnahe) Einrichtungen ein entsprechendes Angebot nicht stellen können. Daher können i.d.R. solche Patienten ausgeschlossen werden, bei denen der Gesundheitszustand nach Entlassung eine stationäre Reha sinnvoll erscheinen lässt. Entsprechendes gilt auch für Rehaanschlußleistungen in einer Einrichtung nach §§ 111 SGB V oder in einer Tagesklinik, in der ebenfalls Rehabilitationsleistungen angeboten werden.3 Stattdessen sollten alle die Patienten mit Rehabedarf und positiver Rehaprognose in die Behandlung durch die MoRe eingeschlossen werden, für die die MoRe anstatt eines stationären Rehaaufenthaltes zur Erreichung des Rehazieles gleich gute oder bessere Ergebnisse erwarten lässt. für die nur eine wohnortnahe Versorgung mit Rehabilitation zu Hause wegen der mit durch die längere Entfernung aus ihrem sozialen und/oder Wohnumfeld oft verbundenen psychisch bedingten Gefährdung der Betroffenen in Betracht kommt. für die eine stationäre Reha wegen des die stationäre Reha erheblich erschwerenden schlechten körperlichen Zustandes und/oder anderer chronischer Erkrankungen, wie z.B. Erkrankungen der ableitenden Harnwege, psychischer Erkrankungen und/oder seelischer Behinderungen nicht in Betracht kommt; bei denen Angehörige in den Rehaprozess einbezogen werden müssen, um sowohl gemeinsam mit diesen angemessene Bewältigungsstrategien für die weitere häusliche Betreuung der betroffenen Patienten zu erarbeiten, als auch die Besonderheiten des häuslichen Umfeldes für die Sicherung des Rehaerfolges zu nutzen. Geht man von den Definitionen der ICF aus, ist MoRe besonders dann indiziert, wenn es darum geht, 3 Körperfunktionen im realen Kontext wiederzuerlangen und zu üben, Aktivitäten zu ermöglichen, die stark von Kontextfaktoren abhängig sind, Partizipation zu ermöglichen, durch die Berücksichtigung und vor allem die Beeinflussung der Kontextfaktoren (Förderfaktoren und Barrieren). wegen des notwendigen Rehabiltationsteams vgl. Abschnitt 2 3 Bundesarbeitsgemeinschaft Mobile Rehabilitation e.V. 1.2. Zielgruppen und Inzidenz für rehabilitations-bedingende Erkrankungen Aufgrund der Indikationshäufigkeit und der Notwendigkeit frühzeitig Rehaleistungen (möglichst bereits während der Akutbehandlung im Krankenhaus) durchführen zu müssen, eignen sich folgende Erkrankungen besonders gut für den Einsatz der MoRe: 1. 2. Zustand nach Schlaganfall Zustand nach komplizierten orthopädisch-traumatologischen Eingriffen. Dies gilt insbesondere für ältere, u.U. bereits pflegebedürftige Patienten, denen nach einem Krankenhausaufenthalt die Teilnahme an einer stationären Reha nicht zuzumuten ist, die mangels fehlender Compliance mit den dort angebotenen Rehamaßnahmen keinen oder nur geringen Rehaerfolg erwarten lassen oder die wegen bestimmter Begleiterkrankungen wie Demenzen, Inkontinenz u.ä. von stationären Rehaeinrichtungen nicht mehr aufgenommen werden bzw. die an gravierenden Beeinträchtigungen der Kommunikation (Patienten mit Aphasie, Migranten). Für diese Zielgruppe ist eine wohnortnahe mobile Rehabilitation bereits nach § 40 I SGB V dringend erforderlich, da die sog. „Frühmobilisation im Krankenhaus“ in keinem Fall ausreicht, um den Rehaerfolg zu sichern. Außerdem ist nach § 11 Absatz 2 der Einsatz der MoRe für diese Patienten auch notwendig und sachgerecht, da nur durch die rasche Einleitung von Maßnahmen der MoRe wohnortnah und im häuslichen Umfeld der Patienten eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit so weit wie möglich abgewendet, beseitigt oder wenigstens gemindert werden kann. Außerdem ermöglicht der Einsatz eines entsprechend geschulten Teams mit fachüberschreitender Zusammenarbeit 4 auch die Sicherung der Qualität der dort erbrachten medizinischer Leistungen nach § 137 d SGB V. Zu 1. Gerade nach Schlaganfall ist ein großer Rehabedarf vorhanden, da sowohl Rehafähigkeit und positive Rehaprognose einen sofortigen Beginn von Rehamaßnahmen erfordern, um den Zustand der betroffenen Patienten zu stabilisieren und dann schrittweise zu verbessern. Die in einem Krankenhaus begonnenen Maßnahmen müssen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus lückenlos weitergeführt werden. Hierzu eignet sich der Einsatz der MoRe im besonderen Maß, da diese das häusliche Umfeld der Patienten und die Mitarbeit der Angehörigen und ggf. des später alleine zuständigen ambulanten Pflegedienstes (auch zur langfristigen Sicherung des Rehabilitationserfolges) berücksichtigt. Die Zahl der hiervon betroffenen Patienten kann man gut abschätzen. In Deutschland gibt es jährlich ca. 190.000 rehafähige (ohne Todesfälle, Spontanheilungen) Patienten nach Schlaganfall. Von diesen können nach den bisherigen Erfahrungen aus den Modellmaßnahmen zur MoRe5 wenigstens 15 % besser durch die MoRe nach § 40 I SGB V als durch andere Rehamaßnahmen nach Entlassung aus dem Krankenhaus betreut werden. Da nicht nur medizinische, sondern vor allem auch ökonomische Daten für diese Form der Reha sprechen, könnten mindestens 28.000 Patienten/Jahr entsprechend versorgt werden. Voraussetzung ist, dass ein geschultes Rehateam vor Ort diese Leistungen anbieten kann. Nur 4 5 4 vgl. Rahmenempfehlungen der BAR und der BAG entsprechende Zahlen findet man in: B. Häussler et al.: Schlaganfallversorgung in Rheinland-Pfalz, Teil 1: Bedarfsanalyse und Versorgungsstruktur, Teil 2: Analyse von Behandlungsverläufen, Hrsg. MASFG-RP, IGIS Berlin (1993 und 1995) Bundesarbeitsgemeinschaft Mobile Rehabilitation e.V. die in diesem Team praktizierte fachüberschreitende Zusammenarbeit unter Leitung eines Arztes kann den notwendigen Rehaerfolg erreichen. Eine einfache Bündelung von Heilmitteln nach § 32 SGB V, die nicht lückenlos aufeinander abgestimmt sind und bei denen die Therapeuten unabhängig voneinander arbeiten, reicht gerade bei Zuständen nach Schlaganfall keinesfalls aus. Hier ist der Rehaerfolg meist fragwürdig und bedeutet eine Verschwendung von Ressourcen. Damit würden sowohl die in § 12 SGB V festgelegte Verpflichtung der Krankenkassen zur Wirtschaftlichkeit im engeren Sinn, d.h. zur sparsamen Mittelverwendung, als auch die in § 137 d SGB V für alle Rehamaßnahmen geforderte Qualitätssicherung deutlich verletzt. Zu 2. Ebenso liegt, wie nach Schlaganfall, beim Zustand nach orthopädisch-traumatologischen Eingriffen ein großer Rehabedarf vor, da bei den betroffenen Patienten (viele davon in höherem Alter) sowohl Rehafähigkeit und positive Rehaprognose einen sofortigen Beginn von Rehamaßnahmen erfordern. Damit kann ihr Zustand z.B. nach Oberschenkelhalsfraktur, nach komplizierten Brüchen des Schenkels oder des Armes, stabilisiert und dann durch gezielte Rehamaßnahmen schrittweise verbessert werden. Auch hier müssen die im Rahmen der Erstversorgung und Akutbehandlung begonnenen Maßnahmen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus rasch und lückenlos weitergeführt werden. Gerade bei diesen, in ihrer Mobilität erheblich eingeschränkten Patienten ist der Einsatz der MoRe im besonderen Maß indiziert. Durch die Berücksichtigung des häusliche Umfeldes der Patienten und die Mitarbeit der Angehörigen und ggf. des später alleine zuständigen ambulanten Pflegedienstes (auch zur langfristigen Sicherung des Rehabilitationserfolges) wird gerade bei den älteren Patienten dennoch ein erheblicher Rehaerfolg erreicht. Die Zahl der hiervon betroffenen Patienten kann man gut abschätzen. In Deutschland gibt es jährlich ca. 115 000 Patienten mit hüftgelenksnaher Femurfraktur, davon ca. 79 000 in der Altersgruppe der über 75 jährigen , mehr als 100 000 Patienten mit einer Hüftendoprothese, die orthopädisch-traumatologisch versorgt werden. Hinzu kommen über 40 000 Patienten mit Endoprothesen der Kniegelenke. Die Zahl der sturzbedingten proximalen Femurfrakturen steigt rasant mit der Zunahme des Anteils älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung. Stürze sind dabei meist Resultat eines multifaktoriellen Geschehens. Bislang erreicht höchstens ein Drittel aller Hüftfrakturpatienten wieder das vorherige lokomotorische Niveau. Von dieser Patientengruppe können nach den bisherigen Erfahrungen aus den Modellmaßnahmen zur MoRe6 wenigstens 15 % ebenso gut oder besser durch die MoRe nach § 40 I SGB V als durch andere Rehamaßnahmen versorgt werden. So kommen in der BRD mindestens 20 000 Patienten/Jahr für diese Art der Reha in Frage, da bei diesen Patienten oft nur eine adäquate Versorgung im eigenen häuslichen Umfeld den notwendigen Rehabilitationserfolg verbürgt. Nur die in diesem Team praktizierte fachüberschreitende Zusammenarbeit unter Leitung eines Arztes kann auch bei schwierigen Fällen den notwendigen Rehaerfolg erreichen, da in der Regel eine recht gute Rehaprognose vorliegt. Ebenso wie beim Schlaganfall reicht die einfache Bündelung von Heilmitteln nach § 32 SGB V, die nicht lückenlos aufeinander abgestimmt sind und bei denen die Therapeuten unabhängig voneinander arbeiten, bei vielen schweren Verletzungen des Bewegungsapparates nicht 6 entsprechende Zahlen findet man in: B. Häussler et al.: Schlaganfallversorgung in Rheinland-Pfalz, Teil 1: Bedarfsanalyse und Versorgungsstruktur, Teil 2: Analyse von Behandlungsverläufen, Hrsg. MASFG-RP, IGIS Berlin (1993 und 1995) 5 Bundesarbeitsgemeinschaft Mobile Rehabilitation e.V. aus. Nur die Erbringung der Rehaleistungen durch das transdisziplinär arbeitende Team, bei dem neben dem Ergotherapeuten und dem Krankengymnasten vor allem Arzt und Pflege im Vordergrund stehen, verhindert eine unnötige und frühe andauernde Behinderung bei den Betroffenen und erfüllt die in § 12 SGB V festgelegte Verpflichtung der Krankenkassen zur Wirtschaftlichkeit im engeren Sinn, d.h. zur sparsamen Mittelverwendung. Gleiches gilt für die Maßnahmen zur Qualitätssicherung durch die MoRe, da das Team diese Aufgabe durch seine gute und regelmäßige Zusammenarbeit bei allen Behandlungsfällen in Form eines rationellen Personal- und Mitteleinsatzes und einer adäquater Dokumentation gut erfüllt. 2. Das fachüberschreitend arbeitende Rehabilitationsteam 2.1. Zusammensetzung und fachliche Qualifikation Die ambulante wohnortnahe Reha, vor allem in Form der MoRe erfordert ein Team von Therapeuten, das unter der Leitung eines Arztes7 arbeitet. Bei dieser Zusammenarbeit wirken Krankengymnasten Ergotherapeuten Logopäden und Pflegekräfte soweit im Einzelfall erforderlich Sozialarbeitern, Psychologen u.a. als zusätzliche Leistungserbringer zusammen, um auf der Basis eines Rehabilitationsplanes, der im Rahmen eines Eingangsassessment erarbeitet wurde, die notwendigen Rehabilitationsmaßnahmen wohnortnah, i.d.R. im häuslichen Umfeld des Patienten, zu erbringen. Es wird dabei erwartet, dass die Teammitglieder, wegen der speziellen Probleme bei den in Nr. 1.2. aufgezeigten Indikationen, über die notwendigen Zusatzqualifikationen (z.B. Therapien nach Bobath oder Vojtha, manuelle Therapien) verfügen. Sie müssen in der Lage und bereit sein, fachüberschreitend zusammenzuarbeiten, da die Therapien der einzelnen Professionen aufeinander bezogen und miteinander verknüpft sind. Beispiele wären: Verknüpfung der Behandlung von Schluckstörungen und Atmungsstörungen (Logopäde) mit Problemen bei der Sitzposition/ Körpertonus (Ergotherapeut/Krankengymnast) mit dem Ziel, der verbesserten Körperwahrnehmung. Hierbei könnten auch der Einsatz einer Pflegefachkraft und die Einbindung der Angehörigen erforderlich werden. Diese transdisziplinäre Zusammenarbeit muss von den Teammitgliedern, einschließlich des Arztes erst erlernt und eingeübt werden, da die einzelnen Professionen von ihrer Ausbildung und ihrem Selbstverständnis her, fast nur auf die Erbringung unabhängiger Einzelleistungen eingestellt sind8. 7 8 6 Dabei kann es sich sowohl um einen eigenen Arzt der Rehaeinrichtung als auch um einen Krankenhausarzt oder um einen besonders qualifizierten Arzt mit eigener Niederlassung bzw. in einem Gesundheitszentrum handeln. Dies hängt i.d.R. von der Art der Anbindung und regionalen Faktoren ab Die Erfahrung in den Modellprojekten des BMG mit ambulanter und mobiler ambulanter Rehabilitation haben diese Defizite deutlich herausarbeiten können. Bundesarbeitsgemeinschaft Mobile Rehabilitation e.V. 2.2. Die Leistungen des Teams und dessen Vergütung in Form einer Komplexleistung Zur Feststellung des Rehabedarfes und der Rehafähigkeit jedes einzelnen Patienten muss, möglichst bereits im Akutkrankenhaus, in dem z.B. nach Schlaganfall, die Reha möglichst sofort begonnen werden sollte, ein ärztliches Eingangsassessment, ggf. gemeinsam mit den eingebundenen Therapeuten, erstellt und ein vorläufiger Rehaplan erstellt werden. Nach der Entlassung aus dem Akutkrankenhaus muss die im Krankenhaus begonnene Reha möglichst nahtlos fortgesetzt werden, um den Rehaerfolg zu stabilisieren und zu sichern. Deshalb ist die rasche Einbindung eines wohnortnah vorhandenen Teams der MoRe sowie der Angehörigen des Patienten und ggf. eines Pflegedienstes in diesen Überleitungsprozess für den späteren Rehaerfolg von entscheidender Bedeutung. Dabei muss der Arzt, der das Team leitet, alle erforderlichen Informationen über den Patienten erhalten, um den Rehaprozess planen und gestalten, sowie den Rehafortschritt, der später über Zwischenassessments bestimmt wird, sicher beurteilen zu können9. Am Schluss der gesamten Behandlung wird dann – auch zum Zweck der Bestimmung der Ergebnisqualität - ein Abschlußassessment vom leitenden Arzt in Zusammenarbeit mit den anderen beteiligten Teammitgliedern durchgeführt. Die Leistungen des Teams richten sich nach dem im Rehabilitationsplan festgelegten Ablauf. Der aktuelle Zustand des Patienten (Aufnahmevermögen, Compliance u.a.) könnte aber Änderungen in der Reihenfolge oder im Zeitplan der Rehabilitationsleistungen erforderlich machen. Diese sind dann im Team zu erörtern und mit dem leitenden Arzt festzulegen, um den Gesamterfolg der Rehabilitation zu sichern. Das Team muss regelmäßig über die von ihm betreuten Patienten sprechen und aufgetretene Probleme, besondere Auffälligkeiten und/ oder besondere Fortschritte erörtern, um ggf. die Rehabilitationsplanung an den jeweiligen Zustand der betreuten Patienten anzupassen. Damit gehen die Teamleistungen weit über die einfache, unabhängig voneinander parallel erbrachten Leistungen von Logopäden, Ergotherapeuten und Krankengymnasten nach der Verordnung von Heilmitteln i.S.v. § 32 i.V.m. §§ 124 f durch niedergelassene Ärzte hinaus, da hier das für die mobile Rehabilitation, vor allem in der Form der mobilen ambulanten Rehabilitation, wesentliche Element der Koordination und fachüberschreitender Abstimmung fehlt. Es ist daher gerade im Sinne des zu behandelnden Patienten sinnvoll, diese Teamleistung über eine Komplexleistung zu vergüten, in die die notwendigen Assessments ebenso einbezogen sind, wie die erforderlichen regelmäßigen Teambesprechungen. Außerdem besteht bei der reinen Verordnung von Heilmitteln die Gefahr, dass diese nicht oder nur in unzureichender Menge verordnet werden, da durch die qua Gesetz festgelegte Budgetobergrenze für den verordnenden niedergelassenen Arzt nur ein begrenztes Interesse besteht, diese Heilmittel in der notwendigen Größenordnung zu verordnen, geschweige denn, ihre Verwendung ohne zusätzliches Honorar zu überwachen oder gar zu koordinieren. Es ist daher wichtig (vgl. Abschnitt 4) mit den Landesverbänden der gesetzlichen Krankenkassen zu Vereinbarungen zu kommen, die diese Leistung außerhalb der Vergütungen halten, die von der jeweiligen KV für ihre zugelassenen Ärzte verwaltet werden, und sie im Etat für Reha unterzubringen. 9 Inwieweit der MDK z.B. zur vorläufigen Festlegung einer Pflegestufe einzubeziehen ist, soll hier nicht diskutiert werden. 7 Bundesarbeitsgemeinschaft Mobile Rehabilitation e.V. 3. Mobile Rehabilitation und Kosten 3.1. Art und Umfang der Leistungserbringung und Kostenerfassung Da je nach Indikation die notwendigen Rehaleistungen von den einzelnen Heilberufen im Team sowohl einzeln, wie hintereinander bzw. auch gleichzeitig erbracht werden müssen, ist zur Ermittlung des tatsächlichen Umfanges der erforderlichen Komplexleistungen eigentlich nur deren Anzahl/Patient je Indikation zu erfassen. Mit den beteiligten Professionen und der erfassten Leistung kann dann auch bestimmt werden, wie viele Patienten von einem Rehateam der MoRe maximal betreut werden können. Die Gesamtkosten der ambulanten Reha können zwar auf diese Weise erfasst werden, die Zielsetzung der ambulanten Reha im häuslichen Umfeld geht aber über die einer stationären Rehamaßnahme hinaus. Die Einbeziehung des häuslichen Umfelds mit den wichtigen Kontextfaktoren für die weitere Teilnahme am sozialen Leben und die mögliche Alltagsbewältigung, die vor Ort praktisch eingeübt werden kann, geht über die Möglichkeiten jeder stationären Rehamaßnahme hinaus. Fällt daher ein Kostenvergleich zwischen stationären und (mobilen) ambulanten Rehamaßnahmen zugunsten der ambulanten Reha aus, ist ein solcher, positiver Kostenvergleich immer höher zu bewerten, da weitere geldwerte Vorteile, die sich im Langzeiterfolg ausdrücken, zu den reinen Kosten der Behandlung hinzugerechnet werden müssen. Dennoch müssen die Kosten bei den jetzt funktionierenden Rehateams, die MoRe erbringen, auf klassische Art erfasst und mit Kosten anderer Rehaformen (stationäre Rehabilitation, Tagesklinik, reine Heilmittelerbringung) verglichen werden, um mit den Leistungsträgern auf rationaler Basis verhandeln zu können. Die anderen Argumente können zusätzlich angeführt werden, um ein neues Team der MoRe besser durchsetzen zu können. 3.2. Kostenvergleich mit stationären Rehaeinrichtungen Obwohl der Kostenvergleich mit stationären Rehamaßnahmen nur bedingt sachgerecht ist (s.o.), fällt die bisherige Bilanz der im Rahmen der Modellvorhaben zur MoRe ermittelten Teamkosten über Komplexleistungen positiv aus. Bei den Gesamtkosten für die Reha nach Schlaganfall fallen neben den Kosten für die drei Assessments i.d.R. 36 Hausbesuchseinheiten für die fachüberschreitende Therapie an. Hierfür werden in Bad Kreuznach 75,00 € pro Therapieeinheit im häuslichen Umfeld angesetzt10. Andere Modelle gehen von 40 – 50 Hausbesuchseinheiten (je nach Komplexität des Falles) aus. Hierfür werden Kosten von ca. 50,00 € angegeben, zu denen noch die Arztkosten, die Kosten für die Assessments, die Dokumentation und die Teambesprechungen kommen11. Damit liegen in beiden Fällen, die Gesamtkosten12, die mit den Kosten der stationären Reha (ca. 5.500,00 €/Fall) zu vergleichen sind bei rd. 3.000 – 4.000 €/Fall. Bei orthopädischtraumatologischen Indikationen fallen nach Modellrechnungen ebenfalls Kosten in dieser Höhe an. Der noch mögliche Vergleich mit reinen Heilmittelverordnungen sollte eigentlich aus den vorher diskutierten Begründungen für die unabdingbar notwendige fachüberschreitende 10 11 12 8 Angaben von Dr. Schmidt-Ohlemann für die Diakonie in Bad Kreuznach (November 2002) vgl. hierzu: Dr. Winkler: Modellrechnungen für Nagold auf der Basis von Zahlen aus Hessen einschließlich ärztlicher Leistungen aber ohne Akutkrankenhausbehandlung Bundesarbeitsgemeinschaft Mobile Rehabilitation e.V. Rehaerbringung (sei es in einer stationären Einrichtung oder durch eine MoRe) ausgeschlossen werden. Aber selbst bei einem solchen – nicht sinnvollen - Vergleich liegen die Kosten – bei deutlich schlechterer Erfolgsprognose - in einem ähnlichen Bereich wie bei der MoRe. Damit erfüllt die MoRe wegen ihrer (immanenten) höheren Wirksamkeit und bei gleichen oder geringeren Kosten die Kriterien der § 12 Absatz 1 SGB V in vollem Umfang. 3.3. Einsatzbereich der mobilen (ambulanten) Rehabilitation aufgrund der Forderungen des SGB V und SGB XI Schränkt man den Indikationsbereich für die MoRe in obiger Weise sinnvoll ein, kommt ihr Einsatzbereich gerade im Bereich der geriatrischen Reha in Betracht. Hier kann sie ihre Leistungen im häuslichen Umfeld und in kontinuierlicher Zusammenarbeit mit dem Hausarzt und den Angehörigen der Patienten wirksamer und kostengünstiger erbringen als dies mit anderen Rehamaßnahmen möglich ist. Da sie dabei (s.o.) kostengünstiger, allenfalls gleich teuer ist wie diese Vergleichsmaßnahmen, spricht sowohl die größere Wirksamkeit als auch die flexible, sehr gut an den jeweiligen Patientenzustand angepasste fachüberschreitende Vorgehensweise für die hohe Wirtschaftlichkeit dieses Therapieansatzes, der idealtypisch den Forderungen der §§ 12 Absatz 1 und 40 SGB V entgegenkommt. 4 Vertragliche Vereinbarungsmöglichkeiten mit den Krankenkassen 4.1. Zulassung der Teams Grundlage der Zulassung einer Einrichtung für MoRe ist eine Konzeption, die Aufgaben und Ziele sowie den Personenkreis festlegt und Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität als Maßnahme medizinischer Reha i.S. von § 40 Abs. 1 letzter Satz SGB V beschreibt. Ein Rahmenvertrag oder ein landesweiter Vertrag ist dazu nicht erforderlich, da es sich um eine am örtlichen Bedarf orientierte Versorgungsform handelt. Grundlage für die Zulassung sollte die Rahmenkonzeption der BAG MoRe sein. Inhaltlich müssen insbesondere folgende Bedingungen erfüllt sein: die Standards der Rahmenempfehlungen zur ambulanten medizinischen Rehabilitation der BAR müssen erfüllt werden, soweit sie nicht spezifisch für die mobile Leistungserbringung zu modifizieren sind. Sofern geriatrische Patienten versorgt werden, kann eine Anwendung der Rahmenempfehlungen für die ambulante geriatrische Reha erforderlich sein. Unverzichtbare Bestandteile für die Zulassung einer Einrichtung zur MoRe sind: Ärztliche Leitung mit Präsenz des für die MoRe zuständigen Arztes Komplettes, transdisziplinär arbeitendes Team (Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie/Sprachheiltherapie, Arzt, Sozialarbeit, Pflege) Teamarbeit ( d.h. mehrfach wöchentliche Besprechungen und Abstimmungen) Durchführung von Assessments, Entwicklung und Befolgung des Rehaplanes, Evaluation des Rehaerfolges, Erstellung eines Abschlussberichtes Kooperation mit den niedergelassenen Ärzten und Therapeuten 9 Bundesarbeitsgemeinschaft Mobile Rehabilitation e.V. Die Teammitglieder müssen sich in einem festen Anstellungsverhältnis zum Träger befinden. Eine bestimmte Teamgröße der MoRe (zu definieren) darf nicht überschritten werden. Unbeschadet möglicher Übergangsregelungen ist jede vom MoRe-Team eingeleitete Rehamaßnahme von den betroffenen Krankenkassen zu genehmigen. Für die MoRe gelten dabei auch die gleichen Regelungen (Eigenbeteiligung etc.) wie für alle anderen Rehamaßnahmen. Die vorgesehene Versorgungsregion und der dort zu befriedigende Bedarf sind vorab bei der Zulassung von neuen MoRe-Teams zu definieren. 4.2. Vertragsgestaltung Sind die o.a. qualitativen Standards (z.B. nach den Rahmenempfehlungen der BAR und BAG) erfüllt, hat der Träger dem Grunde nach Anspruch auf eine Zulassung nach § 40 Abs. 1 letzter Satz SGB V als Einrichtung zur ambulanten wohnortnahen Rehabilitation. Um sich refinanzieren zu können, ist jedoch auch eine Vergütungsvereinbarung erforderlich. Diese ist zwischen dem Träger und den Landesverbänden der Krankenkassen ohne Beteiligung der KV abzuschließen. Dieser sollte zweckmäßigerweise auch eine vertragliche Vereinbarung zur Konzeption (s.o.) zugrunde gelegt werden, wobei vor allem eine zugeordnete Leistungsdefinition zu vereinbaren ist. Der gesetzlich geforderten Qualitätssicherung kommt dabei besondere Bedeutung zu. Die Vergütung muss der Höhe nach angemessen sein, um die geforderte Erbringung der Leistung in der vereinbarten Qualität zu ermöglichen. Die Genehmigung der Anzahl der Rehamaßnahmen der MoRe und damit die Belegung einer Einrichtung der MORE zur Sicherung der Auslastung wird in der Regel nicht vereinbart. Dabei sollte sichergestellt sein, dass die Mittel für die Vergütung der Leistungen der MoRe aus dem Etat für Rehabilitation und nicht aus dem Heilmittelbereich oder der ärztlichen Gesamtvergütung finanziert werden Auch mit anderen Sozialleistungsträgern können Verträge geschlossen werden. 10