Krankenbericht über einen Patienten der Chirurgischen

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Krankenbericht
über einen Patienten der Chirurgischen Veterinärklinik
Die Untersuchung findet am 2.3.2000 in der Zeit von 8.00 - 9.00 Uhr in der Poliklinik der
Chirurgischen Veterinärklinik statt.
Vorbericht
Signalement
Allgemeine klinische Untersuchung
Spezielle klinische Untersuchung
Haare/ Haut
Schleimhäute
Lymphsystem
Zirkulationsapparat
Respirationsapparat
Verdauungsapparat
Harn- und Geschlechtsapparat
Bewegungsapparat
Neurologische Untersuchung
Ergänzende Untersuchungen:
Röntgen
Diagnose
Bei diesem Hund liegt eine traumatisch bedingte Femurkopfluxation des
Hüftgelenkes vor.
Differentialdiagnosen
Differentialdiagnostisch zur Femurkopfluxation kommen Frakturen im Bereich des Hüftgelenkes
(Femurkopf-, -hals- und Acetabulumfrakturen) in Frage. Bei dem hier untersuchten Schäferhund ist
dies allerdings auszuschließen, da die Röntgenbilder keinen Hinweis auf eine Fraktur liefern.
Außerdem wären im Falle einer Fraktur bei der klinischen Untersuchung eine deutlich ausgeprägte
Schwellung und Krepitation aufgefallen.
Epikrise
Bei der Luxation des Hüftgelenkes sind die traumatische Femurkopfluxation und die angeborene
Hüftgelenksdysplasie, bei welcher der Femurkopf subluxiert ist, zu unterscheiden.
Die beim Hund selten vorkommende traumatisch bedingte Femurkopfluxation kommt vorwiegend
beim ausgewachsenen Tier (>1 Jahr) vor. Bei Welpen und Hunden die sich noch im Wachstum
befinden, sind die Femurkopfepiphysen und der Femurhals noch nicht so kräftig wie die
Gelenkkapsel und das Ligamentum capitis ossis femoris, so daß es hier weitaus häufiger zu
Femurkopfepiphysen- und Femurhalsfrakturen als zu Femurkopfluxationen kommt.
Die Luxation liegt fast immer einseitig vor.
Da der Femurkopf nur vom Ligamentum capitis ossis femoris, der Gelenkkapsel und der
periartikulären Muskulatur im Acetabulum gehalten wird, kann eine Luxation relativ leicht
erfolgen. Als Ursache kommt äußere Gewalteinwirkung in Frage, wie dies bei Verkehrsunfällen,
Stürzen aus großer Höhe und Bewegungsunfällen der Fall ist. Die Luxation beruht allerdings
weniger auf direkter traumatischer Einwirkung auf das Hüftgelenk als auf indirekten Dreh- und
Hebelwirkungen. Das Ligamentum capitis ossis femoris und die Gelenkkapsel zerreissen hierbei
fast immer. Als Folge ist die Gelenkpfanne mit Bandresten, Knorpel- und Knochenanteilen,
Blutkoagula und später auch mit proliferierten Kapselanteilen und fibrösem Gewebe gefüllt, was
die Reposition erschwert oder sogar verhindert. Die periartikuläre Muskulatur ist überdehnt oder
zerrissen. Da der Femurkopf nach Luxation außerhalb des Acetabulum liegt, kommt es zu
Abreibungen mit Zerstörung des Knorpelüberzugs, wobei das Ausmaß der Schädigung von der
Intensität und Dauer der Einwirkung abhängt. Außerdem sind degenerative Veränderungen
beschrieben.
Bei dem größten Teil der Patienten ist der Femurkopf nach craniodorsal (90 %) verlagert, seltener
auch nach cranioventral (3%) und sehr selten nach caudodorsal oder caudoventral.
Ist der Femurkopf nach craniodorsal luxiert, hält das Tier das luxierte Bein typischerweise leicht
angewinkelt und adduziert. Der Femurkopf liegt dem Os ilium lateral an. Das Ligamentum capitis
ossis femoris sowie Teile der Gelenkkapsel sind zerrissen. Im Vergleich zur gesunden Seite steht
der Trochanter major deutlich hervor und der Abstand zwischen verlagertem Trochanter major und
Tuber ischiadicum ist vergrößert. Zur Sicherung der Diagnose gibt es drei Untersuchungsmethoden:
1.) Der Untersucher drückt an der eingedrehten Gliedmaße den Daumen zwischen Trochanter major
und Tuber ischiadicum. Wird das Bein nun bei erhaltenem Daumendruck nach außen gedreht und
der Daumen dabei nicht durch den Trochanter major weggedrängt, muß die Verbindung zwischen
Femurkopf und Acetabulum unterbrochen sein. 2.) Triangel-Test: Zwischen Trochanter major,
Darmbeinschaufel und Sitzbeinhöcker der verletzten Gliedmaße wird ein imaginäres Dreieck
gebildet und mit der Kollateralseite verglichen. Bei Luxation des Femurkopfes nach craniodorsal ist
das Dreieck flacher, bei Luxation nach ventral breiter als normal. Hierbei muß besonders beachtet
werden, daß auch eine beidseitige Luxation möglich ist. 3.) Gliedmaßenlänge-Test: Beim
anästhesierten, auf dem Rücken liegenden Tier erscheint das luxierte Bein bei maximaler Streckung
der Gliedmaßen nach caudal verkürzt. Werden die gestreckten Gliedmaßen im Hüftgelenk maximal
gebeugt, so ist die luxierte Gliedmaße länger.
Bei Femurkopfluxation nach caudodorsal oder –ventral hält das Tier den Oberschenkel abduziert,
wobei das Kniegelenk nach innen und das Sprunggelenk nach außen rotiert sind. Palpatorisch kann
ein verringerter Abstand zwischen Trochanter major und Tuber ischiadicum festgestellt werden.
Beim Gliedmaßenlänge-Test erscheint die betroffene Gliedmaße leicht verlängert. Ein großes
Risiko bei der Caudalluxation ist die Möglichkeit einer Verletzung des Nervus ischiadicus. Eine
Luxation nach ventral birgt das Risiko, daß sich der Femurkopf im Foramen obturatum verkeilt und
so den Nervus obturatorius schädigt.
Eine zweite Form der Hüftgelenksluxation stellt die angeborene Hüftgelenkdysplasie dar, bei der
der Femurkopf subluxiert ist. Ursache ist eine Gelenkinkongruenz aufgrund von dysplastischer
Ausbildung von Femurkopf und Acetabulum. Der wichtigste Unterschied zur traumatischen
Femurkopfluxation besteht darin, daß der Femurkopf sich noch innerhalb der Gelenkkapsel befindet
und die Gelenkkapsel und das Ligamentum capitis ossis femoris zwar gedehnt sind, aber nicht
zerrissen.
Therapie
Grundsätzlich sollte zunächst immer versucht werden, die Luxation konservativ (gedeckt) zu
reponieren. Erfolgt diese Therapie innerhalb von 48 Stunden nach der traumatischen Einwirkung,
so gelingt die Reposition in vielen Fällen (Erfolgsrate 50 %). Das Tier wird anästhesiert, wobei
besonders auf eine gute Muskelrelaxation zu achten ist. Falls die Muskelkontraktion trotzdem noch
zu stark ist, kann sie überwunden werden, indem der Patient für 15-20 Minuten an der betroffenen
Gliedmaße aufgehängt wird. Bei der Femurkopfluxation nach craniodorsal wird das Tier mit der
betroffenen Gliedmaße nach oben in Seitenlage gebracht. Eine breite Schlinge, welche zwischen
den Oberschenkeln hindurchgeschlungen wird, fixiert das Becken in craniodorsaler Richtung und
dient während der Reposition als Gegenlager. Nun wird ein gleichmäßiger Druck auf den
Trochanter major ausgeübt, während das Knie nach innen rotiert und die Gliedmaße abduziert wird.
Wird dabei genügend Zug auf das Bein ausgeübt, so gleitet der Femurkopf in das Acetabulum
zurück. Um Gewebereste, Blut etc. aus dem Acetabulum zu entfernen und den Femurkopf somit
besser an die Pfanne anzupassen, wird der Femurkopf nach Reposition fest in das Acetabulum
gepreßt und gleichzeitig das Gelenk über mehrere Minuten in alle Richtungen bewegt. Dabei zeigt
sich auch, ob das Hüftgelenk stabil ist, oder ob der Femurkopf spontan wieder reluxiert
Falls eine konservative Reposition nicht möglich oder die Hüfte danach instabil ist, bei länger
bestehenden oder rezidivierenden Luxationen, Abrißfrakturen und multiplen Verletzungen muß eine
operative Reposition und Fixation durchgeführt werden: Der Zugang zum Hüftgelenk erfolgt von
dorsolateral. Der Hautschnitt verläuft von dorsal des Hüftgelenkes über den Trochenter major bis
zum Übergang vom proximalen zum mittleren Drittel des Femurschaftes.Ebenso werden
Unterhautgewebe und oberflächliche Faszie inzidiert, so daß die Glutaealmuskulatur und der
Muskulus tensor fasciae latae sichtbar sind.Besonders wichtig ist es, den Nervus ischiadicus
darzustellen und zu schonen. Hierzu wird die Fascia lata, welche über dem Muskulus quadriceps
liegt, gespalten. Dadurch wird der dicke Nerv, welcher von craniodorsal kommt und caudal vom
Acetabulum/Femurhals und –schaft nach distal zieht, sichtbar. Nachdemman denMuskulusglutaeus
superficialis freipräpariert und amTrochanter major tenotomiert hat, wird er zurückgeklappt. Der
Trochanter wird osteotomiert und mit dem Muskulus glutaeus medius und einem Teil des Muskulus
glutaeus profundus hochgeklappt. Nachdem der Rest des Muskulus glutaeus profundus tenotomiert
wurde, ist die Gelenkkapsel sichtbar. Sie wird von craniodorsal zwischen Acetabulum und
Femurhals eröffnet, so daß das Gelenk freiliegt. Vor der Reposition muß das Acetabulum von
Geweberesten gereinigt werden. Nach der Reposition werden die Gelenkkapsel und das umgebende
Gewebe genäht. Der Trochanter major wird etwas caudal und distal seiner ursprünglichen
Ansatzstelle bei leichter Innenrotation wieder befestigt. Die somit verbesserte Hebelwirkung für die
Glutaealmuskulatur erhöht den Anpreßdruck gegen das Acetabulum. So wird eine gute Fixation
erreicht und somit die postoperative Luxationstendenz vermindert.
Nachbehandlung
Nach einer operativen Reposition sollte über einen Zeitraum von 7-10 Tagen eine Ehmer-Schlinge
angelegt werden, welche eine Immobilisation gewährleistet: Die im Knie- und Sprunggelenk
abgebeugte Gliedmaße wird mit einer elastischen Binde mit 3-4 Achtertouren im Uhrzeigersinn
umwickelt. Durch Auswärtsrotation des Sprunggelenkes und Abduktion der Gliedmaße wird der
Femurkopf tief in das Acetabulum gedrückt. Um dies zu gewährleisten ist eine Röntgenkontrolle
nach Anlegen der Schlinge anzuraten. Die Schlinge sollte spätestens nach 10 Tagen entfernt
werden, da sonst Komplikationen in Form von Muskelkontrakturen, Gelenkfibrosen und
verlängerter Rehabilitationsdauer auftreten können. Nach Entfernung der Ehmer-Schlinge soll das
Tier ca. 3 Wochen lang so ruhig wie möglich gehalten werden (Bewegung auf das Haus
beschränken, Leinenzwang), danach kann die Belastung über eine Dauer von 2-3 Wochen langsam
gesteigert werden (öfters kurze Spaziergänge, schwimmen).
Ellis pins, elastische Bänder und transartikuläre Nägel müssen wieder entfernt werden während
andere Implantate verbleiben und nur bei Beschwerden entfernt werden.
Prognose
Nach offener Reposition und Stabilisierung ist die Prognose der traumatisch bedingten
Femurkopfluxation mäßig gut. Mit den oben beschriebenen Operationen sind anatomische und
funktionelle Heilung zwar möglich, oft kommt es aber sekundär zu degenerativen oder
mechanischen Schäden an Femurkopf und Gelenkknorpel. Besonders hoch ist die
Wahrscheinlichkeit des Auftretens sekundärer Schäden bei jungen Hunden und Tieren, die erst sehr
spät (>4 Wochen) behandelt werden.
Liegen gleichzeitig mit der Luxation irreparable Frakturen von Acetabulum oder Femurkopf sowie
Traumata anderer Gliedmaßen vor, so ist die Prognose entsprechend schlechter.
Bleibt die Femurkopfluxation unbehandelt, so entwickelt sich eine hochgradige Nearthrose/
Coxarthrose. Monate später zeigt das Tier in der Regel keine Lahmheit mehr; wenn das Tier doch
noch Schmerzen hat sind eine Femurkopfresektion oder auch eine Totalendoprothese indiziert.
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