2.3. Die Theorie des Kopernikus

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3.
Das Copernicanische Weltsystem
3.1
Leben und Anliegen der Copernicus
3.1.1 Copernicus im Rahmen seiner Zeit
NICOLAUS COPERNICUS:
* Torun (Polen) 19.2.1473, + Frauenburg/Frombork, damals Ermland, heute Polen, 24.5.1543:
Begründer der modernen Astronomie.
Restaurativer Anspruch; Verwandtschaft mit den Vorstellungen des Ptolemäus.
Copernicus war eher der letzte Astronom der Antike als der erste Astronom der Neuzeit.
Primäres Anliegen: verbesserte Umsetzung des Platonischen Gleichförmigkeitspostulats.
Im Verfolg dieser Restauration der Grundsätze der antiken Astronomie ergab sich das
heliozentrische System.
Starke inhaltliche Kontinuität des Copernicanischen Denkens mit anderen Forschungsansätzen der
Zeit; sein Abstand zu heute geläufigen Ansichten und Denkweisen deutlich.
(1) Neben die geläufige Abhängigkeit von der Ptolemäischen Astronomie tritt die Anlehnung an
die arabische Astronomie.
(2) Fremdartigkeit der naturtheoretischen Vorstellungen des Copernicus: Maßgeblich sind
Zweckmäßigkeit, Vollkommenheit und inneres Streben.
3.1.2 Das Leben des Copernicus
Niklas Koppernigk; „Copernicus“ als zeitübliche Latinisierung. Eindeutschung: „Kopernikus“.
Studium der septem artes liberales in Krakau.
1495/1497: Canonicus/Domherrn der Kathedrale von Frauenburg.
Ab 1496 Studium des Kirchenrechts in Bologna.
Dabei Arbeit mit dem Astronomen Domenico Maria di Novara.
Dort Einführung in die Theorie des Ptolemäus sowie in die arabische Astronomie und deren
europäische Rezeption.
Ab 1501 Studium der Medizin in Padua.
1503 Promotion zum Doctor iuris canonici in Ferrara.
Astronomische Prägungen Copernicus’ durch Domenico in Bologna.
Entwurf des heliozentrischen Kosmos in Italien; 1503 Rückkehr nach Frauenburg als
„Copernicaner“.
3.2
Der Entwurf der neuen Astronomie
Umrisse des heliozentrischen Systems: Commentariolus: wahrscheinlich 1509, ab 1514 als Manuskript zirkulierend; Veröffentlichung 1878.
Programmschrift mit thesenartiger Darstellung des heliozentrischen Weltsystems.
“Zweite Forderung: Der Mittelpunkt der Erde ist nicht die Weltmitte, sondern nur der von Schwere
und Mondkreis.
Dritte Forderung: Alle Kreise laufen um die Sonne, als stünde sie in der Mitte von allen, und
deshalb liegt der Weltmittelpunkt nahe bei der Sonne.“ (Copernicus 1509, 5)
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Kreise oder orbes als die Kugelschalen der Tradition: Die Planeten bewegen sich zwischen den
Kreisen, nicht auf ihnen.
=> Berücksichtigung der Bewegung der Erde bei der Beschreibung der Himmelsbewegungen:
Scheinbare tägliche Umdrehung der Sternensphäre als Ausdruck der Erdrotation.
Scheinbare jährliche Bewegung der Sonne als Manifestation des Jahreslaufs der Erde.
=> Darstellung der scheinbaren Ungleichförmigkeiten der Planetenbewegungen als Folge der
Erdbewegung: jene haften nicht der Bewegung der Himmelskörper selbst an, sondern sind der
ständig wechselnden Perspektive des erdgebundenen Beobachters zuzurechnen.
„Nachdem ich also dies begriffen hatte, überlegte ich oft, ob nicht etwa eine vernünftigere
Anordnung von Kreisen zu finden sei, von welchen alle erscheinende Ungleichmäßigkeit abhinge,
wobei diese aber in sich selbst alle gleichmäßig bewegt wären, wie doch die Weise
vollkommenerer Bewegung dies fordert.“ (Copernicus 1509, 3-5)
Einreihung in das gemäßigte Physikalisierungsprogramm der Marāgha-Schule: Verteidigung des
Ptolemäischen Ansatz zur mathematischen Astronomie gegen die averroistischen Vertreter der
konzentrischen Schalen.
Anmahnung der strikteren Umsetzung des Gleichförmigkeitsprinzips.
Neuartig: Diesem geläufigen Anliegen soll durch „eine vernünftigere Anordnung von Kreisen“
Rechnung getragen werden.
Allerdings streng genommen kein heliozentrisches System: Sonne nicht im Zentrum der Erdbahn.
Die Planetenbahnen besitzen keinen gemeinsamen Mittelpunkt; und in keinem dieser Mittelpunkte
ruht die Sonne.
Die Weltmitte ist leer; die Sonne verharrt unbeweglich in ihrer Nähe.
Copernicanismus weniger heliozentrisch als heliostatisch.
Abhängigkeiten der mathematischen Anlage des Commentariolus von der Marāgha-Schule, die
zwingend auf eine Beeinflussung verweisen.
3.3
Theorien der bewegten Erde vor Copernicus
„Ägyptische Hypothese“: Merkur und Venus kreisen um die Sonne.
Diese umläuft mit ihren Begleitern und den übrigen Planeten die Erde.
=> Geoheliozentrisches Weltsystem des Tycho Brahe (ca. 1580): Sämtliche Planeten umkreisen die
Sonne, die ihrerseits um die Erde läuft.
Heliozentrisches System: ARISTARCHOS VON SAMOS (310-230 v. Chr.):
Zentralstellung der Sonne; Ruhe der Sonne und der Fixsternsphäre.
Die Erde umkreist mit den übrigen Planeten die Sonne.
Archimedes zu Aristarch:
„Es wird nämlich angenommen, daß die Fixsterne und Sonne unbeweglich seien, die Erde sich um
die Sonne, die in der Mitte der Erdbahn liege, in einem Kreise bewege, die Fixsternsphäre aber,
deren Mittelpunkt im Mittelpunkt der Sonne liege, so groß sei, daß die Peripherie der Erdbahn sich
zum Abstande der Fixsterne verhalte, wie der Mittelpunkt der Kugel zu ihrer Oberfläche.“ (Hamel
1994, 58)
Postulat der gewaltigen Abmessungen des Universums.
Grund: Entkräftung der astronomischen Argumente zugunsten der Zentralstellung der Erde.
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Sowohl die offenkundigen Erfahrungsdaten als auch fachastronomische Beobachtungsbefunde
begünstigten die geozentrische Vorstellung des Zwei-Kugel-Universums.
Die heliozentrische Theorie erwuchs aus der Rezeption antiker Quellen.
Copernicus beanspruchte kaum Originalität für die Annahme der Bewegung der Erde um sich
selbst und um die Sonne.
3.4 Die Genese des heliozentrischen Ansatzes
Swerdlow 1973:
Bevorzugung des Heliozentrismus vor dem Geoheliozentrismus, weil dieser eine Überschneidung
der Kugelschalen von Sonne und Mars beinhaltete.
=> Ausschluss der realistischen Deutung der Kugelschalen.
=> Copernicus: Stattdessen Festhalten an der traditionellen Vorstellung der Kugelschalen.
=> Übergang zum Heliozentrismus.
Copernicus’ Rekapitulation der Entwicklungsstufen seines Denkens in De revolutionibus:
– Ausgang von der ägyptischen Hypothese
– Verallgemeinerung zum Geoheliozentrismus
– Übergang zur Bewegung der Erde wg. Erhaltung der kosmischen Proportionen.
Kuhns externalistische Deutung: Nur durch Einbezug des geistesgeschichtlichen Umfelds
erschließt sich die heliozentrische Wende.
Swerdlows internalistische Deutung: Innerwissenschaftliche Faktoren exklusiv relevant.
Die Genese des heliozentrischen Ansatzes folgt einer inneren Entfaltungslogik, die zur Gänze von
astronomischen Gründen geleitet ist.
Gegen die Bedeutsamkeit des Neuplatonismus spricht, dass selbst die Annahme einer
geometrischen Sonderstellung der Sonne nicht zwangsläufig zum heliozentrischen System führt.
Vielmehr Ableitung dieser Sonderstellung aus dem Ptolemäischen System: Sonne als der mittlere
Planet.
Die heliozentrische Hypothese war nicht aus unabhängigen Gründen angestrebt.
=> Irrelevanz geistesgeschichtlicher Strömungen, die der Sonne eine herausgehobene Stellung
zuschrieben.
Die Zentralposition der Sonne war für Kopernikus kein treibendes Motiv, sondern eine
Nebenfolge.
Reform durch getreuliche Befolgung alter Grundsätze
Neuerung durch Rückgriff auf die ursprünglichen Denkweisen über den betreffenden Sachverhalt.
Typische Argumentationsfigur des Renaissancehumanismus: Behebung eines Missstands durch
Rückgang auf die Ursprünge der zugehörigen Tradition.
Copernicus’ Gründe für die Kugelform des Universums.
(1) Vollkommenheit der Kugel: Aristoteles.
(2) Maximale Aufnahmekapazität der Kugel: Ptolemäus.
(3) Kugelform aller Gestirne: Aristoteles.
(4) Kugelform als Ziel einer natürlichen Veränderung, deren „Prinzip der Bewegung“ im
betreffenden Gegenstand liegt und entsprechend von den Himmelskörpern ausgeführt wird:
Aristoteles.
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=> Mit Aristoteles und Ptolemäus Rückgriff auf Ziele und Zweckursachen, nicht auf Kräfte und
Wirkursachen.
Vollkommenheit, Wohlordnung und das Streben nach Verwirklichung des eigenen Wesens als erklärungsleitende Gesichtspunkte.
3.5 Die Veröffentlichung von De revolutionibus
Weiterentwicklung im Hauptwerk De revolutionibus orbium coelestium, Nürnberg 1543: Wie im
Almagest Vorhersagbarkeit der Position jedes Himmelskörpers zu jeder beliebigen Zeit angestrebt.
1539 Reise von GEORG JOACHIM RHETICUS (1514 -1576) aus Wittenberg nach Frauenburg.
Narratio prima de libris revolutionibus (1540).
Druck durch Andreas Osiander.
Dabei unautorisiert hinzugefügtes anonymes Vorwort, in dem Osiander die Theorie als bloßes
Rechenwerk deutet, nicht als Wiedergabe der Beschaffenheit des Kosmos.
Eindruck der nur begrenzten Originalität von De revolutionibus.
Zwar: Sämtliche Elemente des heliozentrischen Umbruchs waren vorhanden – und sie waren Copernicus bekannt.
Aber: Die Teile waren geläufig, ihre Verknüpfung war es nicht.
Denn niemals zuvor war es unternommen worden, „durch eine vernünftigere Anordnung von
Kreisen“ (Copernicus 1509, 5) das Problem der scheinbaren Ungleichförmigkeit der
Planetenbewegungen zu lösen.
Kein anderer Astronom hat das Physikalisierungsprogramm durch die Bewegung der Erde
umzusetzen versucht.
3.6 Planetenbewegung im Copernicanischen System
3.6.1 Gleichförmigkeitspostulat und der Einfluss der Erdbewegung
Zentrales Anliegen: Verstärkte Umsetzung des Platonischen Gleichförmigkeitspostulats.
Gründe für die Kreisförmigkeit der Himmelsbewegungen:
(1) Anschluss an Platon: Kugelform der Himmelskörper: Dieser ist die Kreisbewegung gemäß.
(2) Anschluss an Aristoteles: Gleichförmige Kreisbewegung als einzige natürliche Bewegung
fester Periodizität.
Die Vollkommenheit der Himmelskörper verlangt, dass deren Bewegung auf Kreisen und im
Gleichmaß verläuft.
Die Absage an die Äquanten des Ptolemäus
Äquanten führen wirkliche Ungleichförmigkeiten ein, die der Vollkommenheit der Himmelskörper
widersprechen.
Übernahme der begrifflichen Hilfsmittel der Ptolemäischen Astronomie mit ihren arabischen
Erweiterungen.
Die Copernicanische Revolution ist mit einer ausgeprägten Kontinuität auf der Ebene der
theoretischen Mechanismen verbunden.
Aufgabe: Rekonstruktion der scheinbaren Ungleichförmigkeiten der Planetenbewegungen als
Ausdruck der Erdbewegung.
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=> Verschiebung des Planetenbegriffs.
Charakteristikum: Umlauf um die Sonne (statt Bewegung relativ zu den Sternen).
=> Sonne und Mond: Keine Planeten mehr.
Erde: Wird zu einem Planeten.
Traditionell:
— Beibehaltung der kristallinen Sphären: Fixsterne fest auf der äußersten Sphäre angebracht.
— Räumliche Begrenzung des Universums.
— Sonne kein Stern.
3.6.2 Retrogression der äußeren Planeten
Schwierigkeit der wechselseitigen Abhängigikeit zwischen den Bewegungen der Planeten und der
Bewegung der Erde.
Copernicus’ Lösungsvorschlag:
Registrieren der Position des Planeten relativ zu den Sternen jeweils bei Opposition zur Sonne.
Dabei erscheint der Planet von der Erde aus an der gleichen Stelle des Sternenhimmels wie von der
Sonne aus.
Die Einzelheiten der Erdbewegung spielen dann keine Rolle.
Beobachtungsbefunde für die äußeren Planeten:
(1) Auftreten von zeitweise rückläufiger Jahresbewegung,
(2) Gleichzeitigkeit von retrograder Bewegung und maximaler Helligkeit des Planeten,
(3) Verkürzung der Abstände zwischen zwei Retrogressionen mit zunehmendem Erdabstand,
(4) Retrogression nur bei Oppositionsstellung des Planeten zur Sonne.
Alle Befunde sind Ptolemäisch erklärbar.
Jedoch: Für jede Erklärung ist eine separate Annahme erforderlich.
(1) Auftreten von Retrogression: Epizykel.
(2) Korrelation mit dem Helligkeitsmaximum: Anpassung des Umlaufsinns.
(3) Zunahme der Retrogressionshäufigkeit mit wachsendem Erdabstand: Anpassung der
Umlaufperioden der Epizyklen.
(4) Bindung an die Opposition zur Sonne: Parallelität von Epizykelrotation und Sonnenumlauf.
Übereinstimmung der Grundlage der Ermittlung der Geschwindigkeiten der Planeten im
Ptolemäischen und Copernicanischen System: Relativgeschwindigkeit des Planeten zu den Sternen
als Maßstab.
Übereinstimmendes Resultat: Veränderlichkeit der Umlaufgeschwindigkeit mit dem Abstand von
der Peripherie.
Aber entgegengesetzte Einschätzung der Richtung der Änderung: Für Ptolemäus bewegen sich die
äußeren Planeten schneller, für Copernicus die inneren.
Copernicus: Retrogression als Folge perspektivischer Verschiebung während des Überholens eines
anderen Planeten.
Aus den heliozentrischen Grundsätzen folgt:
– das Auftreten von Retrogression,
– deren Bindung an die Opposition zur Sonne,
– die Verknüpfung mit dem Helligkeitsmaximum des Planeten,
– die Zunahme der Häufigkeit mit abnehmender Eigengeschwindigkeit des überholten Planeten:
Verrringerung der Perioden vom Mars zum Saturn.
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=> Retrograde Bewegung und ihre beobachteten Eigenschaften Ausdruck der Jahresbewegung der
Erde.
Vergleichende Erklärungsleistung:
– Den Beobachtungen können beide Ansätze Rechnung tragen.
– Bei Copernicus folgt die Erklärung ohne jede theoretische Anpassung aus dem Grundmodell.
– Die Ptolemäische Erklärung der Retrogression und ihrer Eigenschaften war ad-hoc.
=> Trotz der näherungsweisen empirischen Äquivalenz beider Zugangsweisen ist die
Erklärungskraft des Copernicanischen Systems überlegen:
Vergleichbare empirische Resultate werden mit einer geringeren Zahl unabhängiger Grundsätze
erzielt.
3.6.3 Beschränkung der Elongation der inneren Planeten
Beobachtung: Begrenzung des maximalen Winkelabstands von Merkur und Venus von der Sonne.
Ptolemäische Bindung der Umlaufzeiten beider Planeten an den Sonnenumlauf: Schwierigkeiten
bei der Ermittlung der Reihenfolge.
Heliozentrisch:
Beschränkung der Elongation Folge der Anordnung von Merkur und Venus zwischen Erde und
Sonne.
Beschränkung zeigt, dass der betreffende Planet innerhalb der Erdbahn umläuft.
=> Eindeutige Fixierung der Stellung zur Sonne.
Ermittlung der Sonnenumlaufzeit der Venus ohne Schwierigkeit möglich.
Quantitative Abmessungen der Bahnen:
Winkel der maximalen Elongation => relativer Sonnenabstand.
Copernicanisch: Option der Bestimmung sämtlicher relativer Sonnenabstände der Planeten.
Erklärbarkeit der Beschränkung der Elongation in beiden Theorieansätzen.
Jedoch: Ptolemäus:
– Beschränkung durch explizite Kopplung der Umlaufbewegungen eingeführt.
– Nach Anpassung bleibt Freiraum für die Reihenfolge der Planeten.
Dagegen Copernicus:
– Zwangsläufige Folge der geometrischen Anordnung.
– Reihenfolge der Planeten eindeutig durch die Beobachtungen bestimmt.
=> Überlegene Erklärungskraft der Copernicanischen Theorie.
3.6.4 Die dreifache Bewegung der Erde
Qualitative Erklärungen nicht hinreichend; quantitative Positionsbestimmungen der Planeten
erforderlich.
Zwar Vermeidung der großen Epizykel, aber Erfordernis einer Vielzahl von Exzentern und
Korrekturepizykeln.
=> Annäherung an die Komplexität des Erscheinungsbild des Ptolemäischen Systems.
Dreifache Bewegung:
Erste Bewegung: Tägliche Rotation der Erde um ihre Achse.
Zweite Bewegung: Jahresbewegung der Erde um die Sonne.
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Dritte Bewegung: Jährliche kegelförmige Bewegung der Erdachse.
Kompensiert die Bewegung der Erdachse aus dem Jahresumlauf: Erklärt die Jahreszeiten.
Beseitigung der dritten Bewegung durch WILLIAM GILBERT (1544-1603): Erdachse von vornherein
fest zu den Sternen ausgerichtet.
Galilei: Die scheinbare dritte Bewegung ist tatsächlich das Fehlen einer Bewegung; sie beinhaltet
die raumfeste Orientierung der Erdachse.
3.7 Empirische Schwierigkeiten der Copernicanischen Theorie
3.7.1 Komplexität und Ungenauigkeit
Zugunsten der neuen Lehre sollen Übersichtlichkeit und Einfachheit sprechen.
„Also reichen aufs Ganze 34 Kreise aus, mit deren Hilfe das ganze Welt-Werk und der gesamte
Sternenreigen erklärt sei.“ (Copernicus 1509, 35)
Jedoch tatsächlich aufwändiges Arrangement von Kreisen und Hilfskreisen erforderlich, durch das
ein komplexes System ineinander geschachtelter Kugelschalen entsteht.
Almagest: 55 Kreise; De Revolutionibus: 48 Kreise.
Copernicanische Theorie in quantitativer Ausformung höchstens unwesentlich einfacher.
Die tatsächliche Berechnung der Planetenpositionen folgt dem traditionellen Muster und ist kaum
weniger verwickelt als das Ptolemäische Vorbild.
Die Copernicanische Theorie lieferte keine genaueren Bestimmungen der Planetenpositionen.
Quellen von Komplexität und Ungenauigkeit:
(1) Unzutreffende Grundsätze: Planeten bewegen sich nicht gleichförmig auf Kreisbahnen, sondern
ungleichförmig auf Ellipsenbahnen.
(2) Fehlerhafte Beobachtungen: Beispiel: Säkulare Änderung der Präzession der Äquinoktien:
„Trepidation“.
Trepidation als Zyklus von 1717 Jahren mit abwechselnd wachsenden und sinkenden Werten.
3.7.2 Das Fehlen der Fixsternparallaxe
Wichtige astronomische Anomalie: Fehlende Fixsternparallaxe.
Fixsternparallaxe:
Durch die Jahresbewegung der Erde sollten die Sterne von unterschiedlichen Punkten der Erdbahn
aus unter verschiedenem Winkel erscheinen.
Copernicus (wie Aristarch): Die Sterne sind zu weit von der Erde entfernt, als dass ihre Bewegung
zu einer merklichen Winkelverschiebung führte.
Copernicus: Die „Sonnen-Erd-Entfernung [ist] ... im Verhältnis zur Höhe des festen Himmels
unmerklich“ (1509, 7).
Copernicus: Unermesslichkeit der Ausdehnung des Universums als Zeugnis der Größe Gottes.
Abschätzung: Radius der Sternensphäre mindestens 1000 Erdbahnradien.
Verbreitete Einschätzung: Absurdität der vom heliozentrischen Ansatz erzwungenen
Abmessungen des Universums.
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Brahe (1590): Aberwitzige Abmessungen der Sterne:
– Bestimmung der scheinbaren Größe der Sterne.
– Mindestentfernung der Sterne von der Erde bekannt.
=> Ermittlung der wahren Größe der Sterne.
=> Die Ausdehnung größerer Sterne sollte den Abmessungen des bekannten Planetensystems
entsprechen.
Beeinträchtigung der kosmischen Proportionen durch die Aufblähung der Sternensphäre: gewaltige
Leere zwischen Saturn und den Sternen.
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