Erkrankungen der Schilddrüse

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Endokrinologie
Schilddrüse
Eine Zusammenstellung der pathophysiologischen, pathobiochemischen,
pathologischen und klinischen Grundlagen im Bereich Endokrinologie für das 3. und
4. Studienjahr der Medizin an der Universität Zürich
Autoren:
Prof. G.A. Spinas , Prof. Ph. U. Heitz
Darstellung und Programmierung:
Dr. med. N. Lüthi
Basierend auf der MEGRU-Lernumgebung Endokrinologie:
www.megru.unizh.ch/j3/module/endokrinologie/
Dieses Skript wurde direkt aus der WWW-Lernumgebung generiert und dient als ergänzende Informationsquelle und kann
respektive will die e-Learning-Umgebung keinesfalls ersetzen.
Links zu PatientInnen-Dossiers, Animationen, MC-Fragen usw. sind nicht mehr aktiv.
Schilddrüse 2004 Prof. G. A. Spinas, Prof. Ph. U. Heitz
Infos zu diesem Kapitel
Lernziele, geschätzter Zeitaufwand, Dossiers und MCFragen zum Kapitel Schilddrüse
Lernziele: Nach Durcharbeiten dieses Kapitels....




...kennen die Studierenden die von der Schilddrüse produzierten Hormone und deren
Effekte auf die Zielorgane.
...beschreiben die Studierenden die physiologischen Regulationsmechanismen der
Steuerung der Schilddrüsenfunktion sowie die wichtigsten Teste zur Evaluation
derselben.
...kennen die Studierenden die wichtigsten Ursachen, die zu einer Vergrösserung der
Schilddrüse führen können.
...nennen die Studierenden die nachfolgend aufgeführten Erkrankungen, die zu einer
Schilddrüsen-Unter- oder -Überfunktion führen können:
- Morbus Basedow
- Toxisches (autonomes) Adenom
- Toxische multinoduläre Struma
- Euthyroid Sick Syndrom
Dabei kennen die Studierenden die wichtigsten Ursachen der Krankheit, deren
Leitsymptome sowie die Prinzipien der Diagnostik und Therapie.
Erwähnt im "Swiss Catalogue of Learning Objectives for Undergraduate Medical Training"
sind


Hyperthyreose Level 2
Hypothyreose Level 1
Zeitaufwand für dieses Kapitel:
2-3h.
Web-Ressourcen:
Der Interaktive Histologie-Atlas von Prof. Groscurth bietet einen sehr guten Überblick über
die Histologie. (Verfügbar via VAM).
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Anatomische Grundlagen
Anatomie der Schilddrüse
Die Schilddrüse besteht aus:




Rechter Lappen (lobus dexter)
Linker Lappen (lobus sinister)
Isthmus
Lobus pyramidalis (Relikt des ductus thyreoglossus)
Normale Schilddrüse (Gesamtgewicht 19g) von
hinten. Der Isthmus verbindet die beiden Lappen.


Wachstum der Schilddrüse wird nach oben durch m. sternothyroideus begrenzt (bei
Struma: Ausdehnung nach hinten und unten → retrosternale Struma).
Blutversorgung: a. thyroidea superior/inferior; ev. a. thyroidea ima (10%); v. thyroidea
superior/media/inferior; plexus thyroideus impar.
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Embryologische Entwicklung der Schilddrüse



die Schilddrüse entsteht aus einer Aussprossung des Mundbodenepithels, die sich nach
kaudal verlängert → ductus thyreoglossus.
am kaudalen Ende des ductus thyreoglossus entsteht die Schilddrüsenanlage.
Rückbildung des ductus thyreoglossus von kranial her (Relikt: foramen caecum am
Zungengrund).
Embryonal liegen gebliebenes Drüsengewebe entlang des ductus thyreoglossus kann zu
ektopem Schilddrüsengewebe (z.B. Zungengrundstruma) führen
Eine Zunahme der Durchblutung (z.B. bei Hyperthyreose) kann auskultatorisch zu einem
Schwirren oder einem Strömungsgeräusch über der Schilddrüse führen.
Histologie der Schilddrüse

die Schilddrüse besteht aus Follikeln, die «Kolloid» enthalten.
Histologisches Bild einer normalen
Schilddrüse mit unterschiedlich grossen im
Allgemeinen runden bis ovalären, von einem
einschichtigen Follikelepithel ausgekleideten
Follikeln. Diese sind gefüllt mit Kolloid,
welches u.a. Thyreoglobulin, T3 und T4
enthält.
Die Läppchenunterteilung ist durch Spalten
(Fixationsartefakt) sichtbar (Pfeile).


Die Follikel werden von Thyreozyten (Follikelepithelzellen, einschichtig) gebildet
(apikal: zahlreiche Mikrovilli).
zwischen den Follikelepithelzellen befinden sich die kalzitoninproduzierenden CZellen.
Grösse und Höhe der Follikel des Epithels variieren:


inaktiver Zustand (keine TSH-Stimulation): Follikelepithelzellen flach; Follikellumen
weit.
aktiver Zustand (TSH-Stimulation): Follikelepithelzellen hochprismatisch;
Follikellumen eng.
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Physiologische Grundlagen Schilddrüsenhormone
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Einführung
Iodmetabolismus und Schilddrüsenhormonsynthese

Iod ist ein Spurenelement (Tagesbedarf an Iod: ca. 150µg)

Reiche Iodvorkommen in Küstengebieten, Iodmangel in Berggebieten oder
Binnenländern (potentielle Gebiete für endemische Struma und endemischen
Kretinismus).

Vorkommen von Iod in Fisch, iodiertem Kochsalz, Medikamenten (z.B. Amiodaron),
Röntgenkontrastmitteln u.a.

Aufnahme von Iod: Iod → Magen → Iodid → Speicherung in der Schilddrüse
(Thyreoglobulin, T3, T4).
Es besteht ein Gleichgewicht zwischen Iod-Aufnahme und Iod-Ausscheidung (IodAusscheidung im 24-Stunden-Urin ist ein gutes Mass für die Iod-Aufnahme aus der Nahrung
[direkte Proportionalität]).
Die Aminosäure Tyrosin ist ein wichtiger
Baustein für die Schildrüsenhormon-Synthese:
Die Synthese der Schilddrüsenhormone wird in der Vertiefung besprochen
Struktur und Synthese der Schilddrüsenhormone
3-Monoiodtyrosin (MIT) / 3,5-Diiodtyrosin (DIT)


iodinierte Tyrosinmoleküle: Vorstufen von T3 und T4
keine biologische Aktivität
3,5,3'-Triiodthyronin (T3)


macht 9% der von der Schilddrüse sezernierten Hormone aus
biologisch aktive Form der Schilddrüsenhormone
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
ist in äquimolaren Konzentrationen 3 bis 8 mal stärker wirksam als T4
3,3',5'-Triiodthyronin (reverse T3, rT3)


macht 1% der von der Schilddrüse sezernierten Hormone aus
keine biologische Aktivität; wird vermehrt bei schweren Allgemeinerkrankungen
gebildet («Sparmechanismus»)
3,5,3',5'-Tetraiodthyronin (Thyroxin, T4)


macht 90% der von der Schilddrüse sezernierten Hormone aus
in der Peripherie durch Deiodinasen zu T3 deiodiniert («Prohormon» von T3)
Komponenten der Hormonsynthese
Thyreoglobulin (Tg)



grosses Glykoprotein (MW 660’000) mit dimerer Struktur, enthält 140 TyrosinReste
TSH stimuliert die Transkription des Tg-Gens
Synthese im rER der Follikelepithelzelle → Glykosylierung im Golgi-Apparat →
Verpackung in exkretorische Vesikel und Exozytose ins Follikellumen →
Iodinierung der Tyrosinreste
Schilddrüsen-Peroxidase (Thyroidea Peroxidase, TPO)




membrangebundenes Glykoprotein (MW 102’000)
liegt an der apikalen Membran des Thyreozyten zwischen Zelle und Kolloid
das Enzym katalysiert:
o die Oxidation der Iodid-Ionen
o den Einbau von Iod in die Tyrosinreste des Thyreoglobulins
o die Verbindung von MIT bzw. DIT zu T3 und T4
das Enzym ist hemmbar durch Thyreostatika: Propylthiouracil,
Methimazol, Carbimazol (werden zur Therapie der Hyperthyreose eingesetzt)
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Schilddrüsenhormone Synthese
Schritte der Schilddrüsenhormon-Synthese
1) IodidTransport in Thyreozyt (iodid-trapping, iodination)



aktiver Prozess: Iodid wird durch Na+/K+-ATPasen-abhängigen Na+/I--Symport in den
Thyreozyten transportiert → Aufbau eines Konzentrationsgradienten zwischen Zelle
und Serum
Iodidkonzentration in der Zelle ist 30-40 mal höher (I--Speicherung nur in den
Thyreozyten möglich)
der Iodidtransport ist:
o sättigbar mit grossen Mengen von Iodid
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o
o
stimulierbar durch TSH und TSH-Rezeptor stimulierende Antikörper (M.
Basedow)
hemmbar durch: ClO4- (Perchlorat), SCN- (Thiozyanat) und TcO4(Pertechnat)
CIO4- und SCN- können zur Therapie der thyreotoxischen Krise bezw.
der iodid-induzierten Hyperthyreose verwendet werden, da sie den I-Speicher entleeren und eine weitere Iodid-Aufnahme verhindern.
Natrium-Pertechnat Tc 99m (γ-Strahler) wird zur szintigrafischen
Visualisierung der Schilddrüse verwendet.
o
2) Iodinierung von Tyrosin-Resten des Thyreoglobulins (Iodisation)
o
o
Iodid wird an apikaler Membran durch H2O2 oxidiert (katalysiert durch TPO),
es entsteht ein Zwischenprodukt ("aktiviertes Iod")
TPO katalysiert den Einbau des "aktivierten Iods" in Tyrosin-Reste des
Thyreoglobulins (Iodinierung)
→ Zwischenprodukte Monoiodtyrosin (MIT) und Diiodtyrosin (DIT)
3) Verbindung von Iodtyrosinmolekülen zu Schilddrüsenhormonen
o
o
durch TPO katalysiert
zwei DIT verbinden sich zu einem Molekül T4; ein MIT und ein DIT
verbinden sich zu einem Molekül T3 (intra- und intermolekulare Verbindungen
möglich)
Speicherung von T3 und T4 (an Tg gebunden) im Follikellumen
4) Proteolyse des Thyreoglobulins, Sekretion von T3 und T4
o
o
o
o
Kolloid gelangt durch Pinozytose wieder in Thyreozyten, wo durch Hydrolyse
des Thyreoglobulins T3, T4, MIT, DIT, Peptidfragmente und Aminosäuren
freigesetzt werden
Proteolyse von Thyreoglobulin wird durch Iodid-Überschuss und Lithium
(Antidepressivum) gehemmt
T3 und T4 werden via Stimulation durch TSH von der Zelle sezerniert
es wird v.a. T4 (100 nmol) und weniger T3 (5 nmol) gebildet, T4 wird in der
Peripherie zu T3 konvertiert
5) Abbau von MIT/DIT
o
o
MIT und DIT werden deiodiniert (intrazelluläre Deiodinase), Iodid und
freigewordenes Tyrosin werden wieder verwendet
der grösste Teil der Schilddrüsenhormone ist im Plasma an spezifische
Proteine gebunden
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Transport und Metabolismus der
Schilddrüsenhormone
Transport der Schilddrüsenhormone





nur 0.04% des T4 und 0.4% des T3 sind ungebunden: entsprechen dem «freien» Anteil
(fT4 bzw. fT3)
das freie Hormon ist für die Hormonwirkung verantwortlich
es besteht ein Gleichgewicht zwischen gebundenem und freiem Anteil
Änderungen der Bindungsproteinkonzentrationen führen zu veränderten
Gesamthormonkonzentrationen
die Schilddrüsenhormone sind an drei Transport- bzw. Bindungsproteine gebunden
Thyroxin-bindendes Globulin (TBG)
Thyroxin-bindendes Präalbumin
- 54 kDa-Polypeptid mit Homologie zu α-1- - 55-kDa Polypeptid
Antitrypsin
- bindet ca. 10% des T4
- hohe Bindungsaffinität für T4 und T3
- Affinität für T3 gering
- T4 und T3 sind etwa zu 75% an TBG
gebunden
- erhöhte TBPA-Konzentrationen, können
familiär oder bei bestimmten endokrinen
Pankreastumoren auftreten (T4 ↑, fT4
normal, keine Hyperthyreose)
Albumin
- bindet ca. 15% des T4 und T3
- rasche Dissoziation der Hormone
(wichtige Quelle für freie Hormone in der
Peripherie)
- Hypalbuminämie bei nephrotischem
Syndrom, Leberzirrhose: T3 und T4 ↓, fT4
und fT3 normal (keine Hypothyreose)
- bei der familiären dysalbuminämischen
Hyperthyroxinämie (selten) zeigt das
Albumin eine hohe Bindungsaffinität für
T4: T4 ↑, fT4 normal (Euthyreose)
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Veränderung der Konzentration der Bindungsproteine

Erhöhte TBG-Konzentrationen
o können auftreten bei Zuständen mit Hyperöstrogenämie (Schwangerschaft,
orale Antikonzeption), versch. Krankheiten (Hepatitis)
o T3 und T4 ↑, fT3 und fT4 normal (keine Hyperthyreose)

Erniedrigte TBG-Konzentrationen
o können bei Einnahme bestimmter Medikamente (androgene Steroide,
Glukokortikoide) und schweren Systemerkrankungen (Leberzirrhose,
nephrotisches Syndrom) auftreten
o T3 und T4 ↓, fT4 und fT3 normal (keine Hypothyreose)

Interaktionen mit Medikamenten bei normaler Konzentration von
Bindungsproteinen
o Medikamente (z.B. Phenytoin, Salizylate, Diazepam) können an TBG binden
und T3/T4 verdrängen
o Heparin stimuliert die Lipoproteinlipase → Freisetzung von freien Fettsäuren
(FFA) → FFA verdrängen T4 und T3 aus TBG → erhöhte Konzentrationen von
fT4
Gleichgewicht zwischen proteingebundenem Hormon und freier
Hormonkonzentration
A Initialer steady-state
B Zunahme der Konzentration der Bindungsproteine
C Neuer steady-state
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Sekretion und Plasma-Halbwertszeiten der
Schilddrüsenhormone

tägliche Sekretion von Schilddrüsenhormonen:
T4: 100 nmol/d;
T3: 5 nmol/d;
rT3: < 5 nmol/d






grösster Anteil des Plasma-T3
entsteht durch Deiodinierung von T4
in der Peripherie
Art der Deiodinierung von T4
bestimmt die biologische Aktivität:
o 5’-Deiodinierung führt zu
T3: sog. "step-up"-Prozess
o 5-Deiodinierung führt zu
reverse T3 (rT3) ohne
biologische Aktivität: sog.
"step-down"-Prozess
verschiedene Faktoren können zu
einer verminderten Konversion von
T4 zu T3 führen (fetales Leben,
schwere Systemerkrankungen,
Medikamente)
es gibt drei Typen von Deiodinasen
welche gewebe- und
substratspezifisch sind
8o% des T4 wird durch Deiodinierung metabolisiert: (35% zu T3 und 45% zu
rT3), der Rest durch Glukuronidierung, Sulfonidierung, Deaminierung und
Deiodinierung in Leber und Niere inaktiviert
Plasma-Halbwertszeiten für die verschiedenen Hormone sind:
- für T4: 7 Tage
- für T3: 1 Tag
- für rT3: 0.2 Tage
Lokalisation und Bedeutung der Deiodinasen
Typ 1-Deiodinase (5’-Deiodinase)
Typ 2-Deiodinase (5’-Deiodinase)
Typ 3-Deiodinase (5’-Deiodinase)









häufigste Form in Leber, Niere,
Schilddrüse, Skelett- und
Herzmuskel
konvertiert T4 zu T3
Aufgabe:
T3 für Peripherie bereitstellen
erhöhte Aktivität bei
Hyperthyreose (hohe T3-Spiegel im
Blut)
gehemmt durch Propylthiouracil
(PTU): T3-Konzentrationen sinken

in Gehirn und Hypophyse
konvertiert T4 zu T3
Aufgabe:
intrazelluläres T3 im ZNS
konstant halten
reagiert sehr sensibel auf
zirkulierendes T4
→ tiefe T4-Spiegel: erhöhte
Aktivität des Enzyms
→ hohe T4-Spiegel: erniedrigte
Aktivität des Enzyms (Schutz des
ZNS vor T3-Exzess)
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

in Plazenta, fetaler Leber und
Gliazellen des ZNS
deiodiniert T4 zu rT3 und T3 zu 33’-Diiodothyronin (beides
biologisch inaktiv)
Aufgabe: Inaktivierung von T4 und
T3
→ Inaktivierung des mütterlichen
T4
→ Schutz des Fetus/ZNS vor T4Exzess
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Regulation der Schilddrüsenhormone
Regulation der Schilddrüsenfunktion
Die Schilddrüsenfunktion wird im Wesentlichen durch folgende 4 Mechanismen reguliert:
1.
2.
3.
4.
5'-Deiodinase in Peripherie und Hypophyse
HHS → Hypothalamus-Hypophysen-Schilddrüsenachse (TRH und TSH)
Autoregulation der Hormonproduktion durch Iodangebot
Stimulation/Hemmung durch TSH-Rezeptor-Antikörper
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Die Hypothalamus-Hypophysen-Schilddrüsenachse (HHS)
TSH wirkt via TSH-Rezeptor über eine G-Protein-gekoppelte Adenylatzyklase und das PIP2System. TSH stimuliert:



Zellwachstum der Thyreozyten und Vaskularisierung der Schilddrüse
alle Phasen der Hormonsynthese: Iodaufnahme, Iodinierung und Proteolyse des
Thyreoglobulins
Sekretion der Hormone
Autoregulation der Schilddrüsenfunktion
Die Schilddrüse besitzt die Fähigkeit, ihre Funktion an die Verfügbarkeit von Iod
(Mangel/Überschuss) anzupassen
→ dieser Anpassungsmechanismus wird durch TSH nicht beeinflusst
Wirkung von Iod-Mangel auf Hormonsynthese



erhöhte Iodaufnahme
erhöhte Synthese von T3
vermehrte Deiodinierung von T4 zu T3 (verminderte Sekretion von T4)
Wirkung von Iod-Überschuss auf Hormonsynthese



permanenter Iod-Überschuss bei normaler Schilddrüsenfunktion hemmt Iodaufnahme
und Hormonsynthese (sog. "Wolff-Chaikoff-Effekt")
nach einigen Tagen setzt ein "escape"-Phänomen ein: Hemmung der Hormonsynthese
wird wieder aufgehoben; Schilddrüse produziert trotz Iod-Überschuss weiter Hormone
in einigen Fällen versagt dieser "escape"-Mechanismus (z.B. bei PatientInnen mit
autoimmuner Thyreoiditis) und es kommt zur Iodid-induzierten Hypothyreose
Stimulation/Hemmung der Schilddrüsenfunktion durch
Auto-Antikörper

bei autoimmunen Schilddrüsenerkrankungen können Auto-Antikörper gebildet
werden, die die Schilddrüsenfunktion stimulieren (Autoimmunhyperthyreose [M.
Basedow]) oder hemmen (Autoimmunhypothyreose [chronische lymphozytäre
Thyreoiditis])
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Wirkungen der Schilddrüsenhormone
Der SchilddrüsenhormonRezeptor



im Zellkern lokalisiert; besitzt DNAbindende und Hormon-bindende Region
(strukturelle Verwandtschaft mit
Steroidrezeptoren)
T3 gelangt durch Diffusion und spezielle
Transportsysteme in Zellkern oder entsteht in
der Zelle durch Deiodinierung von T4
T3 bindet an Zellkernrezeptor →
Inhibierung/Stimulation der Transkription
gewisser Gene (durch Aktivierung/Hemmung TR Schilddrüsenhormonrezeptor
der RNA-Polymerase) → mRNA → Protein TRE thyroid-hormone responsive
element
→ Effekte
Pol II RNA-Polymerase
Ganzer Vorgang dauert Stunden bis Tage: Effekte der Schilddrüsenhormone werden erst nach
einer gewissen Latenzzeit bemerkbar
Mutation im Gen, das den Rezeptor codiert kann zur Hormonresistenz führen
(Schilddrüsenhormon-Rezeptordefekt)
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Wirkungen der Schilddrüsenhormone auf diverse
Organsysteme
Fetale Entwicklung
Physiologische Effekte
Effekte bei Hormonüberschuss Effekte bei Hormonmangel
 fördert ZNS- und
 Kretinismus:
Skelettentwicklung
Minderwuchs,
 Schilddrüse und HVLTaubstummheit,
System sind im Fetus
mentale
erst ab der 11. SSW
Minderentwicklung
funktionstüchtig
Grundumsatz
Physiologische Effekte
Effekte bei Hormonüberschuss Effekte bei Hormonmangel
 ↑Grundumsatz (
 ↑Körpertemperatur,
 ↓Körpertemperatur,
↑O2-Verbrauch,
WärmeKälte↑Wärmeproduktion)
Überempfindlichkeit
Überempfindlichkeit
 Stimulation der
("Thermophobie")
("Thermophilie")
+ +
Na /K -ATPase in
 warme, feuchte Haut
 trockene, raue Haut,
allen Geweben (ausser
 Gewichtsabnahme trotz
glanzloses, struppiges
Gehirn, Milz, Hoden)
gesteigertem Appetit
Haar
 Gewichtszunahme
Kardiovaskulär
Physiologische Effekte
Effekte bei Hormonüberschuss Effekte bei Hormonmangel
 β-adrenerge
 ↑ Herzfrequenz,
 Bradykardie,
Stimulation bzw. α↑ HMV
↓ HMV (Zyanose)
adrenerge Hemmung
 ↑ syst. Blutdruck,
 ↓ GFR: Azotämie,
(Zu- bzw. Abnahme
↑ Blutdruckamplitude
Hyponatriämie, Ödeme
der Rezeptoranzahl) im
 ↑ Durchblutung aller
 Rechts-,
Myokard (und
Organe (z.B. in Niere:
Linksherzdilatation mit
Skelettmuskel,
↑ GFR)
ev. Hydroperikard
Fettgewebe,
 bei älteren Patienten
 low voltage der P- und
Lymphozyten)
auch: Herzinsuffizienz,
T-Welle und QRS positiv inotrop, positiv
kardiale
Komplex
chronotrop
Rhythmusstörungen
 bei älteren Patienten
 Erhöhung der
häufig Koronaropathie
Sensitivität für
Katecholamine am
Myokard
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Pulmonal
Physiologische Effekte
Effekte bei Hormonüberschuss Effekte bei Hormonmangel
 Aufrechterhaltung der
 Hypoventilation und
Atemregulation durch
respiratorische
hypoxische /
Insuffizienz
hyperkapnische Reize
(Myxödem-Koma)
auf das Atemzentrum
 ev. Pleuraerguss mit
Pneumonie
Erythropoese
Physiologische Effekte
↑ ErythropoietinKonzentration und ↑
Erythropoese
 ↑ 2,3-DGPKonzentration in
Erythrozyten

Effekte bei Hormonüberschuss Effekte bei Hormonmangel
 Anämie
Gastrointestinal
Physiologische Effekte
Effekte bei Hormonüberschuss Effekte bei Hormonmangel
 Stimulation der
 Diarrhoe
 Obstipation
Darmmotilität
 Gewichtsverlust
 ev. Koprostase /
(Stimulation der glatten
(durch Malabsorption)
paralytischer Ileus
Muskulatur)
Knochenmetabolismus
Physiologische Effekte

↑ Knochen-turnover:
Anstieg der Kalziumkonzentrationen in
Plasma und Urin
Effekte bei Hormonüberschuss Effekte bei Hormonmangel
 ev. Zeichen einer
Osteoporose (negative
Kalziumbilanz):
Hyperkalzämie,
Hyperkalzurie
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Neuromuskulär
Physiologische Effekte



↑ Protein-turnover mit
konsekutivem Verlust
von Muskelgewebe
Zunahme der
Muskelkontraktion
und -relaxation
stimulierende Wirkung
auf ZNS




Effekte bei
Hormonüberschuss
Muskelschwäche
(schnelle
Ermüdbarkeit),
Kreatininurie
motorische Unruhe,
feinschlägiger Tremor
Hyperreflexie
Nervosität,
Stimmungslabilität,
Schlafstörungen
Effekte bei Hormonmangel





chron. Müdigkeit und
erhöhtes
Schlafbedürfnis
Muskelkrämpfe,
Hyporeflexie
Verlangsamung,
Apathie,
↓ mnestische
Funktionen
Agitation/paranoides
Verhalten ("myxedema
madness")
Parästhesien,
Schwerhörigkeit,
zerebelläre Ataxie
Lipid-/KH-Stoffwechsel
Physiologische Effekte
Effekte bei Hormonüberschuss Effekte bei Hormonmangel
 ↑ hepatische
 übermässige Reaktion
 ↑ Serumcholesterin,
Glukoneogenese /
auf Glukagon und
↑ Triglyzeride
↑ Glykogenolyse
Katecholamine
 ↑ intestinale
 Tendenz zur
Glukoseabsorption
Hyperglykämie
 ↑ Cholesterin-Synthese
 Verschlechterung /
und Abbau (Erhöhung
Manifestation einer
der LDL-Rezeptoren in
bestehenden
der Leber)
diabetischen
 ↑ Lipolyse: Freisetzung
Stoffwechsellage
von freien Fettsäuren
 ↓ Serumcholesterin
und Glyzerin
Endokrines System
Physiologische Effekte
Effekte bei Hormonüberschuss
 ↑ Umsatz von
 ↑ Abbau von Kortisol
Hormonen (und
 Verschlechterung /
Medikamenten)
Manifestation einer
 zahlreiche Effekte auf
bestehenden NNRandere
Insuffizienz
Hormonsysteme:
 Hyperprolaktinämie,
(Prolaktin und
Interferenz mit
Gonadotropine)
Gonadotropinsekretion
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Effekte bei Hormonmangel
 Menorrhagien,
anovulatorische
Zyklen,
Unfruchtbarkeit
(Interferenz mit
pulsatiler LH-/ FSHSekretion)
 verminderte Libido
und Potenz
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Erkrankungen der Schilddrüse
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Schilddrüsenvergrösserung (Struma)
Schilddrüsenvergrösserung (Struma)
Vergrösserung der gesamten Schilddrüse (diffuse Schilddrüsenvergrösserung) oder von
Teilen der Schilddrüse (knotige [adenomatöse] Schilddrüsenvergrösserung)
Unabhängig von Pathogenese, Funktionslage und Dignität
Patientin mit einer knotigen Struma
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Ursachen einer Struma
Iodmangel


häufigste Ursache eines Kropfes: in Endemiegebieten (alpine Regionen) vor Iodierung
des Tafelsalzes
Gefahr der Kropfbildung, wenn Iodaufnahme < 50 µg/d siehe dazu Pathogenese
Strumigene Substanzen



Iod in hohen Dosen: Medikamente (z.B. Amiodaron), Tabletten mit Meeresalgen
(Kelp)
thyreostatische Medikamente: Lithium, Carbimazol, Perchlorat, Propylthiouracil
Pflanzenstoffe: Thiozyanate in Kassawawurzel, Kohlarten
Subakute Thyreoiditis (Thyreoiditis De Quervain)

durch Viren (Mumps, Grippe, Coxsackie, Masern, EBV) ausgelöst
Chronische (autoimmune) Thyreoiditis (Thyreoiditis Hashimoto)



häufigster Grund für Schilddrüsenvergrösserung in Industrieländern
häufiger bei Frauen, assoziiert mit bestimmten HLA-Merkmalen und anderen
Autoimmunerkrankungen (Diabetes mellitus Typ 1, chronische Polyarthritis)
charakterisiert durch lymphozytäre Infiltrate und Vorhandensein von AutoAntikörpern: (siehe bei autoimmuner Thyreoiditis)
o Anti-Thyroideaperoxidase-AK (anti-TPO-AK, mikrosomale AK)
o Anti-Thyreoglobulin-AK (anti-Tg-AK)
o blockierende Anti-TSH-Rezeptor-AK (anti-TSH-R-AK [block])
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Neoplasien
Manifestation als Schilddrüsenknoten (benigne/maligne):

follikuläre Adenome
Definition follikuläres Adenom:
Das follikuläre Adenom ist ein gutartiger epithelialer Tumor mit follikulärer
Differenzierung
Klinik:



Follikuläre Adenome imponieren nach Radiojodgabe szintigrafisch als
kalte Knoten.
Praktisch immer Thyreoglobulin-Produktion.
Bei Auftreten einer Hyperthyreose, unter anderem durch TSHStimulation, spricht man vom sog.
toxischen (dekompensierten oder autonomen) Adenom.
Pathogenese:




TSH stimuliert über den TSH-Rezeptor des Thyreozyten das
Wachstum von Adenomen.
25% der toxischen Adenome besitzen aktivierende Punktmutationen
im TSH-Rezeptor, mit der Konsequenz, dass die GTP-ase-Aktivität
gehemmt wird.
(Hemmung der GTP-ase-Aktivität des Thyreozyten, dadurch
Stimulation T3- und T4-Produktion).
Entstehung von follikulären Karzinomen nach langem Verlauf
möglich.
differenzierte Karzinome (papilläre, follikuläre Karzinome)
Definition follikuläres Karzinom:
Das follikuläre Karzinom ist ein maligner epithelialer Tumor mit follikulärer
Differenzierung, ohne papilläre Anteile.
Epidemiologie:


Treten in einer vorbestehenden Knotenstruma (cave
Jodmangelgebiete) wesentlich häufiger auf, als in der nicht
vergrösserten Schilddrüse.
Häufigster maligner Schilddrüsentumor in Struma-Endemiegebieten.
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Feinnadelpunktat einer follikulären
Neoplasie der Schilddrüse: es handelt sich
bei diesem Punktat um ein mässig
differenziertes follikuläres Karzinom.
Papanicolaou-Färbung.
Copyright-Hinweis
Aus Böcker, W.; Denk, H.; Heitz, Ph.U.; (Hrsg.)
Pathologie, 2.Auflage, 2001
Urban & Fischer Verlag, München, Jena. Mit freundlicher
Genehmigung des Verlages.
Histologie eines hoch differenzierten,
follikulären, teils trabekulären,
Schilddrüsenkarzinoms mit noch deutlich
erkennbaren Schilddrüsenfollikeln, HEFärbung.
Copyright-Hinweis
Aus Böcker, W.; Denk, H.; Heitz, Ph.U.; (Hrsg.)
Pathologie, 2.Auflage, 2001
Urban & Fischer Verlag, München, Jena. Mit freundlicher
Genehmigung des Verlages.
Einbruch des follikulären
Schilddrüsenkarzinoms in eine kleine
Kapselvene.
Copyright-Hinweis
Aus Böcker, W.; Denk, H.; Heitz, Ph.U.; (Hrsg.)
Pathologie, 2.Auflage, 2001
Urban & Fischer Verlag, München, Jena. Mit freundlicher
Genehmigung des Verlages.
Klinik und Prognose:


Prognose ist etwas schlechter als beim papillären Karzinom.
10-Jahres-Überlebensrate beim mikroinvasiven Karzinom 80-90%,
beim makroinvasien Karzinom 35-40%.
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Patientin mit einem linksseitigen wenig
verschieblichen solitären Knoten der
Schilddrüse: follikuläres
Schilddrüsenkarzinom.
Patient mit grossem solitärem wenig
verschieblichem rechtsseitigem Knoten
der Schilddrüse und entsprechendes J131Szintigramm mit kalter Zone (kaltem
Knoten) rechts: follikuläres
Schilddrüsenkarzinom.
Definition papilläres Schilddrüsenkarzinom:
Das papilläre Karzinom ist ein maligner epithelialer Tumor mit papillären, aber
oft auch follikulären Strukturen.
Epidemiologie:

Das papilläre Karzinom ist ausserhalb von Struma-Endemiegebieten
der häufigste maligne Schilddrüsentumor
Morphologie:
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Feinnadelpunktat eines papillären
Schilddrüsenkarzinoms mit
Pseudopapillen und Milchglasaspekt der
Zellkerne. Papanicolaou-Färbung.
Copyright-Hinweis
Aus Böcker, W.; Denk, H.; Heitz, Ph.U.; (Hrsg.)
Pathologie, 3.Auflage, 2003
Urban & Fischer Verlag, München, Jena. Mit freundlicher
Genehmigung des Verlages.
Operationspräparat eines sehr kleinen
papillären Schilddrüsenkarzinoms mit
deutlicher Fibrosierung (Mikrokarzinom,
22-jährige Frau).
Copyright-Hinweis
Aus Böcker, W.; Denk, H.; Heitz, Ph.U.; (Hrsg.)
Pathologie, 2.Auflage, 2001
Urban & Fischer Verlag, München, Jena. Mit freundlicher
Genehmigung des Verlages.
Immunzytochemische Lokalisation von
Thyreoglobulin in Epithelzellen eines
papillären Schilddrüsenkarzinoms
(braunes Reaktionsprodukt).
Klinik und Prognose:


Praktisch alle papillären Schilddrüsenkarzinome produzieren
Thyreoglobulin
Metastasierung in regionale Lymphknoten, relativ spät auch in Lunge
möglich
Lymphknoten mit ausgedehnten
Infiltraten eines papillären
Schilddrüsenkarzinoms. HE-Färbung.
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


Gute Prognose bei PatientInnen unter 45 Jahren
> 45 Jahre: 10 Jahres-Überlebensrate 50%
undifferenzierte (anaplastische) Karzinome
Definition undifferenziertes (anaplastisches Karzinom):
Das anaplastische Karzinom ist ein hochmaligner Tumor, der aus wenig
differenzierten Zellen besteht.
Klinik und Prognose:




Das anaplastische Karzinom ist hochmaligne und metastasiert früh
hämatogen und lymphogen.
Lokale Komplikationen durch das infiltrativ-destruktive Wachstum
meist im Vordergrund.
1 Jahres-Überlebensrate höchstens 20%.
Therapie: Wenn möglich, Operation.
Morphologie:
Feinnadelpunktat eines Karzinoms
mit polymorphen Tumorzellen:
anaplastisches Schilddrüsenkarzinom.
Papanicolaou-Färbung.
Hochgradig polymorphe Tumorzellen
ohne erkenntliche strukturelle
Anordnung in einem anaplastischen
Schilddrüsenkarzinom. HE-Färbung.
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
medulläre (C-Zell-) Karzinome: produzieren Kalzitonin
Definition medulläres Schilddrüsenkarzinom = C-Zell-Karzinom:
Das medulläre Karzinom ist ein maligner Tumor mit phänotypischer C-ZellDifferenzierung.
Epidemiologie:


5-10% der malignen Schilddrüsentumoren.
Vorkommen: spontan oder familiär gehäuft im Rahmen einer
multiplen endokrinen Neoplasie Typ 2A (siehe unten).
Morphologie:

Wichtiger Aspekt ist unter anderem die Produktion von Kalzitonin
Klinik und Prognose:

Bei fehlenden Lymphknoten-Metastasen zeigt das spontan auftretende
medulläre Karzinom eine gute Prognose.
Beispiel einer Familienuntersuchung auf
das Vorliegen einer multiplen endokrinen
Neoplasie Typ 2A. Die Erstpatientin mit
medullärem Schilddrüsenkarzinom ist
Trägerin einer Mutation des Codons 611
im Ret-Proto-Onkogen, Exon 10. Zwei
ihrer Schwestern mit erhöhtem
Serumkalzitonin sowie 2 ihrer Kinder mit
erhöhtem Serumkalzitonin sind ebenfalls
Träger der identischen Mutation (rote Pfeile). Die weiteren Familienmitglieder
tragen die Punktmutation nicht und sind somit keine Risikopatienten. Sie
benötigen dementsprechend keine weiteren Kontrolluntersuchungen.

Metastasen
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Ektopische Schilddrüse

entsteht aus embryonal liegen gebliebenem Schilddrüsengewebe: z.B.
Zungengrundstruma
Zungengrundstruma (Pfeil) bei
einer 43-jährigen Patientin
MR-Aufnahme mit kugeliger
Zungengrundstruma
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Angeschnittenes
Operationspräparat
Defekte der Schilddrüsenhormonsynthese

genetische Defekte von Enzymen, die zur Hormonsynthese benötigt werden (sog.
«familiärer Kropf»). Mindestens fünf Defekte bekannt: defekter Iod-Transport,
defekte Thyroideaperoxidase, fehlende Deiodinase etc.
Schilddrüsenhormon-Resistenz

defekter Schilddrüsenhormonrezeptor: periphere Hormonresistenz (erhöhtes T4 und T3
bei normalem TSH, i. d. R. euthyreote Klinik)
Morbus Basedow

Siehe Kapitel M. Basedow
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Pathogenese der Struma




Kropfbildung entsteht bei Iodmangel und Defekten der Hormonsynthese: Anstieg der
TSH-Sekretion
TSH induziert eine diffuse Hyperplasie ("Anpassungshyperplasie") des
Schilddrüsengewebes
daraus entsteht bei fortbestehendem Iodmangel eine knotige, irreversible Struma
Aus der diffusen TSH-abhängigen Struma kann sich auch eine multinoduläre TSHunabhängige (autonome) Struma entwickeln (fokale Autonomien); dies ist auf eine
fokale Aktivierung von TSH-Rezeptoren zurückzuführen
Substratmangel: grosse Struma
(Gewicht 580 g) d.h. deutliche
knotige
Vergrösserung der Schilddrüse
wegen
Jodmangels.
Copyright-Hinweis
Aus Böcker, W.; Denk, H.; Heitz, Ph.U.; (Hrsg.)
Pathologie, 2.Auflage, 2001
Urban & Fischer Verlag, München, Jena. Mit
freundlicher Genehmigung des Verlages.
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Klinisches Erscheinungsbild der Struma
Blande Struma


diffuse oder knotige Schilddrüsenvergrösserung
bei ausgedehnten Strumen können Kompressionssymptome auftreten:
o bei Einengung der Trachea (substernale Ausdehnung): Dyspnoe,
inspiratorischer Stridor, Schluckbeschwerden
o bei Kompression des n. laryngeus recurrens: Heiserkeit (selten)
Subakute Thyreoiditis (Thyreoiditis De Quervain)




Schilddrüse druckdolent (Schmerzen typischerweise in Kinn und Ohren ausstrahlend)
protrahierter Verlauf im Rahmen eines grippalen Infektes
Fieber, Halsschmerzen, Blutsenkungsreaktion und CRP erhöht
am Anfang ev. Zeichen einer Hyperthyreose möglich; später wieder euthyreote oder
(selten) hypothyreote Stoffwechsellage. (Heilt spontan aus).
Chronische (autoimmune) Thyreoiditis (Thyreoiditis Hashimoto)



schmerzlos
am Anfang sind hyperthyreote Zustandsbilder möglich
führt später häufig zu einer Hypothyreose (autoimmune Zerstörung der
Schilddrüsenzellen)
Schilddrüsenmalignom: (siehe auch Ursachen von Struma - Neoplasien)


derbe Knoten (einzel/multipel): langsam wachsend
meist euthyreoter Zustand
Diagnostik bei Struma




klinischer Befund (Inspektion, Palpation)
Bestimmung der Schilddrüsenhormone
ev. Bestimmung der Auto-AK
Sonografie, Feinnadelpunktion, ev. Szintigrafie
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Therapie bei Struma


falls hypothyreote Stoffwechsellage:
o T4-Substitution, ev. Iod bei Iodmangel
o antientzündliche Therapie bei Thyreoiditis (keine Thyreostatika)
o chirurgische Resektion, Radioiodtherapie, Bestrahlung bei Neoplasmen
bei Hyperthyreose:
o Therapie gemäss Ätiologie (siehe entsprechende Kapitel)
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Schilddrüsenüberfunktion: Hyperthyreose
Schilddrüsenüberfunktion: Hyperthyreose
Klinisches Syndrom, das durch übermässige Schilddrüsenhormonkonzentrationen im Blut
(damit "verstärkte" periphere Wirkung der Schilddrüsenhormone) verursacht wird
Ursachen von Hyperthyreose





Morbus Basedow (Grave's disease)
Toxisches (autonomes) Adenom
Toxische multinoduläre Struma
Hyperthyreote Phase einer subakuten oder chronischen Thyreoiditis
Seltenere Formen
o TSH-sezernierendes HVL-Adenom (sekundäre Hyperthyreose)
o T3-/T4-Resistenz des HVL
o Metastasierendes Schilddrüsenkarzinom
o Struma ovarii (Teratom mit schilddrüsenhormonproduzierendem Gewebe)
o Thyreotoxicosis factitia
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Morbus Basedow (Grave's disease)
Morbus Basedow
durch TSH-Rezeptor-Autoantikörper induzierte Hyperthyreose
Manifestiert sich durch eines oder mehrere der folgenden Symptome:




Hyperthyreose
Struma
endokrine Ophthalmopathie (Exophthalmus)
Dermopathie (prätibiales Myxödem, Akropachie)
Pathogenese des Morbus Basedow



Autoimmunerkrankung mit familiärer Prädisposition
o assoziiert mit HLA-DR3 und anderen Autoimmunkrankheiten (Diabetes
mellitus Typ 1, M. Addison, chronische Polyarthritis)
Frauen fünf mal häufiger betroffen als Männer
Erkrankungshäufigkeit am höchsten zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr
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Hyperthyreose
Lymphozytäre Infiltration der Schilddrüse und Bildung von Auto-Antikörpern gegen den
TSH-Rezeptor (TRAK; auch: TSI, thyroidea stimulating immunoglobulin).
Histologie der Immunhyperthyreose.
Unregelmässig geformte, meist verzogene, teils
kolloidfreie Schilddrüsenfollikel. Im Interstitium
ausgedehnte und dichte lymphoplasmazelluläre
Infiltrate. (Pfeile).
Copyright-Hinweis
Aus Böcker, W.; Denk, H.; Heitz, Ph.U.; (Hrsg.)
Pathologie, 2.Auflage, 2001
Urban & Fischer Verlag, München, Jena. Mit freundlicher Genehmigung des
Verlages.
Histologie der Immunhyperthyreose (vergrössert).
Unregelmässig geformter kolloidarmer Follikel mit
Follikelepithelzellhyperplasie und hoch-zylindrischen
(hypertrophen) Follikelepithelzellen.
Copyright-Hinweis
Aus Böcker, W.; Denk, H.; Heitz, Ph.U.; (Hrsg.)
Pathologie, 2.Auflage, 2001
Urban & Fischer Verlag, München, Jena. Mit freundlicher Genehmigung des
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Stimulation der Schilddrüsenfunktion:
→ Hyperthyreose (Anstieg von T3 / T4; Suppression von TSH)
Stimulation des Schilddrüsenwachstums
→ Struma
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Endokrine Ophthalmopathie

Postuliert wird ein gemeinsames Antigen in orbitalen Fibroblasten, Muskelzellen und
Schilddrüsenzellen.
Pathogenese der endokrinen Orbitopathie
Infiltrierende aktivierte Lymphozyten führen - direkt oder über Zytokine - zu
einer Entzündungsreaktion.
→ Einlagerung von Glykosaminglykanen (binden Wasser)
→ Ödeme
→ Verdickung des retroorbitalen Gewebes und der Augenmuskeln
Dermopathie (prätibiales Myxödem)

Aktivierung von Fibroblasten durch Lymphozyten und Einlagerung von
Glykosaminglykanen (Ödeme)
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Klinik des Morbus Basedow
Allgemein


Symptome der Hyperthyreose (siehe Wirkung der Schilddrüsenhormone auf
Organsysteme)
diffuse Struma (siehe Kapitel Struma)
Endokrine Ophthalmopathie
Kann vor, während, oder nach der Hyperthyreose auftreten.


kommt bei ca. 40% der Patienten mit M. Basedow vor
Ophthalmopathie zeigt verschiedene Schweregrade:
1. periorbitales Ödem, Rötung der Konjunktiven
2. Exophthalmus (retroorbitales Ödem)
Exophthalmus und
Lidretraktion bei Patientin
mit M.Basedow.
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Aus Böcker, W.; Denk, H.; Heitz, Ph.U.;
(Hrsg.)
Pathologie, 2.Auflage, 2001
Urban & Fischer Verlag, München, Jena.
Mit freundlicher Genehmigung des
Verlages.
3. Augenmuskelbefall: Lähmungen, Doppelbilder
MR der Orbita mit
verdickten Augenmuskeln
(Pfeil) bei endokriner
Orbitopathie.
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Aus Böcker, W.; Denk, H.; Heitz, Ph.U.;
(Hrsg.)
Pathologie, 2.Auflage, 2001
Urban & Fischer Verlag, München, Jena.
Mit freundlicher Genehmigung des
Verlages.
4. Kompression des n. opticus: Visusverminderung und Erblindung
5. auch Lidmuskeln können betroffen sein: inkompletter Lidschluss
(Lagophthalmus), Zurückbleiben der Oberlider beim Blick nach unten (GraefeZeichen)
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Haut

verdickte, infiltrierte Haut (Myxödem): v.a. anterolateraler Unterschenkel (selten: 23% der Patienten)
Prätibiale Verdickung des subkutanen
Gewebes (Myxödem) bei Patientin mit
M.Basedow
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Pathologie, 2.Auflage, 2001
Urban & Fischer Verlag, München, Jena. Mit freundlicher
Genehmigung des Verlages.


derbe Weichteilschwellung der Phalangen (Akropachie)
Onycholyse
Diagnostik bei Morbus Basedow






fT4 ↑, fT3 ↑, TSH supprimiert
Schilddrüsenautoantikörper: bei M. Basedow sind TRAK (TSI) typisch (in 30% aber
negativ)
zusätzlich können Anti-TPO-Antikörper vorhanden sein (als Zeichen der
autoimmunen Schilddrüsenerkrankung)
ev. CT oder MRI zur Beurteilung der retroorbitalen Veränderungen (siehe CT in
Klinik)
Sonographie: aufgelockerte Echostruktur als Zeichen der diffusen Infiltration
Schilddrüsen-Szintigramm: diffus vergrösserte Struma mit vermehrter
Radioiodaufnahme
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Therapie des Morbus Basedow
Grunderkrankung

medikamentöse Therapie mit Thyreostatika
Thyreostatika: Gruppe der Thionamide
Wird unmittelbar nach der Resorption zu Methimazol umgewandelt.
Carbimazol / Methimazol
Wirkmechanismus
Hemmt die Bildung von Schilddrüsenhormonen durch:




Hemmung der Peroxidase
o → dadurch Oxidation von Jodid zu Jod↓
o → Jodierung des Thyreoglobulins gehemmt
Koppelung von Jodtyrosylresten und Jodthyronin gehemmt
Vermindert die Antikörpertiter bei M. Basedow (Mechanismus
unklar)
10x wirksamer als Propylthiouracil
Kinetik/Dynamik
Absorption rasch und vollständig: Hydrolyse/Decarboxylierung im Blut →
Thiamazol (Methimazol)
Wirkungsbeginn nach 2-3 Wochen
Vc ~ 1.4L/kg
Q0 ~ 0.9 Metabolisierung nicht bekannt
Dosierung
30-40mg/die per os als Einzeldosis, Dosen teilen falls dyspeptische Beschwerden
Nach 3-4 Wochen Dosis auf 5-15mg/d reduzieren
Behandlungsziel: fT3 und fT4 Normalisierung
Behandlungsdauer: 1-2 Jahre
Eigenschaften
Nicht an Plasmaproteine gebunden
HWZ: 4-6h
Wird in der Schilddrüse konzentriert
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Metabolismus von Methimazol bei Leberschädigung vermindert.
Unerwünschte Wirkungen
(Arzneimittelkompendium der Schweiz 2002)
U.a. Leukopenie, Agranulozytose sowie gelegentlich (in 0,5 bis 1% der Fälle)
und meist plötzlich auftretende Knochenmarksaplasie. Wahrscheinlich
dosisabhängige Wirkung.
Stomatitis, Furunkulose oft der Agranulozytose vorausgehend. Deshalb muss sich
der Patient dringend beim Arzt melden, wenn er diese Symptome unter der
Medikation entwickelt! (Patient aufklären!)
Exanthem ~ 10% ? geht meist von selbst wieder weg. Keine Kreuzreaktion mit
PTU.
Allergische Hautreaktionen, Erythem, Juckreiz, Urtikaria, Dermatitis,
Interaktionen
Keine wesentlichen
Bemerkungen
Passiert die Plazentaschranke und geht in die Muttermilch über. Während der
Schwangerschaft und Stillzeit ist deshalb Propylthiouracil Medikament der Wahl
- Thiamazol
- Propylthiouracil
Wirkmechanismus
Hemmt die Deiodinase peripher
→ Umwandlung von T4 zu T3 gehemmt (Leber)
Hemmt die T4 Synthese in der Schilddrüse
Kinetik/Dynamik
Wirkungsbeginn nach 2-3 Wochen
BV ~ 80%
Vc ~ 0.3 L/kg, HWZ 90 min
Q0 ~ 0.9, Metabolite Sulfat, Glukuronid
Dosierung
100-200 mg alle 8h bis zur Euthyreose (in der Regel nach 6-8 Wochen)
Erhaltungsdosis 50-150mg/die für 1-2 Jahre
Unerwünschte Wirkungen
Hautreaktionen wie bei Methimazol
Agranulozytose 1-5%,
tritt meist in den ersten zwei Behandlungsmonaten auf
selten nach dem vierten Behandlungsmonat
bei Patienten > 40 Jahren häufiger
Hepatopathie selten (hepatozelluläre Hepatitis)
Bemerkung
Mittel der Wahl während der Schwangerschaft und Stillzeit wegen schlechterer
Penetration durch Plazentaschranke
Schwangerschaftskategorie D: Hypothyreose und Kropfbildung beim Kind
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- (Jod)
Wegen der ausgeprägten Tachyphylaxie wird Jod eigentlich nur vor der
Strumektomie oder in der thyreotoxischen Krise eingesetzt (kurzfristig).
Präparat: Solutio lugolis forte (100mg KJ und 50mg I2).
Wirkmechanismus
Blockiert Synthese und Sekretion Thyroxin
Hohe Dosen von stabilem Jodid blockieren Aufnahme von radioaktivem Jodid
(Kompetition)
Bei längerem Gebrauch ( > 14 Tage ): Adaptation ? Hyperthyreose
Dosierung
Präoperativ: 50-100 mg alle 8h für 5-10 Tage
Prophylaxe Strahlenschäden: 100mg/die für 7-10 Tage nach Exposition
Kinetik/Dynamik
Effekt nach 24-48h
Serumspiegel > 200 mg/l blockieren die Iodidaufnahme durch die Schilddrüse
Unerwünschte Wirkungen
Jodismus bei langdauernder Einnahme: metallischer Geschmack,
Kopfschmerzen, Schwellung Thyroidea, Diarrhoe, Hyperthyreose, Rash
Schwangerschaft und Stillzeit
Kontraindiziert wegen Kropfbildung beim Kind
Komedikation zur Behandlung der immunogenen Hyperthyreose (M. Basedow)
in schweren Fällen Komedikation mit Propanolol
Wirkmechanismus
Nicht selektiver β-Blocker: Wirkung auf β1- und β2-Rezeptoren
Keine intrinsische Aktivität
Kein Effekt auf α-adrenerge Rezeptoren
aktiver Metabolit: 4-Hydroxypropanolol
Propanolol beeinflusst gut Tremor und Unruhe.
Kinetik/Dynamik
Hoher first-pass effect, deswegen Bioverfügbarkeit gering: maximal 25%
(interindividuelle Schwankungen)
lipophil
Verteilungsvolumen ca. 3,5 l/kg
Plasmaproteinbindung 80-95%
Q0 = 1.0
Durchdringt die Blut/Hirn- und die Liquor-Schranke rasch
tritt in die Muttermilch über
HWZ: 3-6 h
Dosierung
3-4x tägl. 20-40mg Propanolol
kann mit zunehmender Wirkung der Thyreostatika reduziert werden
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Eigenschaften
Beeinflusst positiv v.a. Tachykardie und Tremor, bis die thyreostatische Therapie
greift (dauert 2-4 Wochen)
Kontraindikationen
Asthma bronchiale oder Bronchospasmus
dekompensierte Herzinsuffizienz
AV-Block 2. und 3. Grades
schwere periphere Durchblutungsstörungen (PAVK Grad III/IV)
Unerwünschte Wirkungen
Herz und Gefässe: Bradykardie, AV-Block, orthostatische Hypotonie
Hypoglykämien
Bronchospasmen
Parästhesien
selten Hautausschläge, psoriasiforme Hautreaktionen, Exazerbation einer
Psoriasis und Alopezie
selten Agranulozytose, Leukopenie, Thrombozytopenie und Purpura


chirurgische Therapie (subtotale Strumektomie): v.a. bei grosser Struma
(Atembeschwerden), Rezidiv nach thyreostatischer Therapie oder Radioiodtherapie
Radioiodtherapie (131I): gelegentlich Ersttherapie oder bei Rezidiven nach
Thyreostatikatherapie
Endokrine Ophthalmopathie




Prednison in hohen Dosen möglichst frühzeitig
retrobulbäre Bestrahlung bei Kompression des n. opticus
ev. chirurgische Interventionen: Dekompression der Orbita, Korrekturoperationen der
Augenmuskeln
ev. (selten) immunsuppressive Therapie (Zyklosporin), z.T. experimentell
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Toxisches (autonomes) Adenom
Toxisches (autonomes) Adenom
Hypersekretion von T3/T4 durch autonomen (TSH-unabhängigen) Schilddrüsenbezirk
(«heisser Knoten»; meist follikuläres Adenom)
führt zum klinischen Bild der Hyperthyreose
Ursachen des toxischen Adenoms



in vielen Fällen: aktivierende Punktmutation des G-Proteins des TSH-Rezeptors (im
Adenom) → konstitutive Stimulation der Schilddrüsenfunktion
prädisponierender Faktor kann eine konstante Stimulation der
Schilddrüse durch TSH sein (z.B. bei Iodmangel-Struma)
häufig ältere Patienten (>40. LJ)
Klinik des toxischen Adenoms

tastbarer Knoten in Schilddrüse
Operationspräparat eines autonomen
Adenoms:
In der Mitte eingeschnitten mit teils braunem,
teils eingeblutetem Parenchym.

Symptome der Hyperthyreose, oft oligosymptomatische Patienten
Ein autonomes Adenom ist oft ein Zufallsbefund bei der Abklärung von
Herzrhythmusstörungen, Tachykardien, Gewichtsverlust, Schwächezuständen
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Diagnostik bei toxischem Adenom
Laborbefunde:
fT3 ↑↑, fT4 ↑ , TSH supprimiert, keine Antikörper
Szintigrafie:
heisser Bezirk (= Iod-aufnehmend)
Rest des Schilddrüsengewebes ist supprimiert
Dekompensiertes autonomes Adenom im
Szintigramm:
Das Adenom als Knoten zeigt eine intensive J131Aufnahme; hingegen zeigt der inaktivierte Rest des
Schilddrüsenparenchyms praktisch keine
Jodaufnahme.
Histologie
Histologischer Schnitt
Hochaktives Parenchym aus einem autonomen
Adenom mit Hyperplasie und Hypertrophie der
Follikelepithelzellen, in unregelmässig geformten
praktisch kolloidfreien Follikeln.
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Inaktivierte Schilddrüsenfollikel im Restparenchym
mit entsprechend praktisch fehlendem Kolloid.
Therapie des toxischen Adenoms



Radioiodtherapie bei kleineren Adenomen
chirurgische Resektion bei grösseren Knoten
Thyreostatika nur zur OP-Vorbereitung
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Toxische multinoduläre Struma
Toxische multinoduläre Struma
Knotenstruma mit verschiedenen autonomen Arealen (Synonym: toxische Knotenstruma).
Ursachen der toxischen multinodulären Struma


meist bei älteren Patienten mit vorbestehender Knotenstruma (Iodmangel)
kann durch exogene Iodzufuhr ausgelöst werden (sog. «Iod-Basedow»-Effekt):
o Röntgenkontrastmittel
o Amiodaron → 2% der Patienten unter Amiodaron-Therapie entwickeln eine
Iod-induzierte Hyperthyreose
Pathogenese bei der toxischen multinodulären Struma



Iodüberschuss hemmt normalerweise Iodaufnahme und Hormonproduktion der
Schilddrüse (Wolff-Chaikoff-Effekt)
bei autonomen Adenomen versagt dieser Effekt: → exzessive Hormonproduktion
wegen hohen Iodkonzentrationen
Fokale erhöhte Aktivität von TSH-Rezeptoren (aktivierende Punktmutationen)
Klinik der toxischen multinodulären Struma



Zeichen der Hyperthyreose (Tachykardie, Gewichtsverlust, etc.)
häufig oligosymptomatisch
palpatorisch ev. mehrknotige Struma
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Diagnostik bei toxischer multinodulärer Struma
Laborbefunde:
fT3 ↑ , fT4 (↑), TSH supprimiert, keine Antikörper
Szintigrafie:
mehrere heisse (= aktive) Bezirke
kalte Knoten: degenerativ verändertes Schilddrüsengewebe (Nekrose)
J131-Szintigramm einer toxischen multinodulären
Struma mit mehreren Zentren intensiver Jodaufnahme
in einer knotigen Schilddrüse
Therapie der toxischen multinodulären Struma



Radioiodtherapie
chirurgische Resektion
Thyreostatika zur OP-Vorbereitung
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Seltenere Formen der Hyperthyreose
Überblick über seltenere Formen der Hyperthyreose
TSH-sezernierendes HVL-Adenom (Sekundäre Hyperthyreose)


oft assoziiert mit Gonadotropin-Mangel (Amenorrhoe, Impotenz)
vgl. Kapitel Hypophyse
Schilddrüsenhormon-Resistenz des HVL



Versagen des negativen Feedbackmechanismus (genetisch)
TSH-Spiegel: normal/erhöht
fT3-, fT4-Konzentrationen erhöht
Struma ovarii


Teratom des Ovars mit hormonproduzierendem Schilddrüsengewebe
Szintigrafie: Radioiodanreicherung im Becken
Schilddrüsen-Karzinom

selten bei Metastasen eines follikulären Schilddrüsen-Karzinoms (Szintigramm zeigt
Herde in z.B. Lunge, Knochen)
"Hamburger-Thyreotoxikose"


epidemische Hyperthyreose in USA
verursacht durch unsauber präpariertes Fleisch, das Schilddrüsengewebe enthielt
Thyreotoxicosis factitia


psychoneurotische Störung
übermässige Einnahme (ev. in suizidaler Absicht) von Schilddrüsenhormonen zur
Gewichtsabnahme
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Thyreotoxische Krise
Thyreotoxische Krise
Komplikation der Hyperthyreose mit akuter Exazerbation aller Symptome einer
Schilddrüsenüberfunktion (oft lebensbedrohlich)
Ursachen einer thyreotoxischen Krise
Plötzliche Freisetzung von Schilddrüsenhormonen (verminderte Bindung an TBG) und
Katecholaminen (Stress) bei Patienten mit hyperthyreoter Stoffwechsellage
→ erhöhte Anzahl von β- adrenergen Rezeptoren am Myokard
auslösende Ursachen können sein:



Iodexposition
Stressereignisse bei Patienten mit unerkannter Hyperthyreose: Myokard-Infarkte,
Operationen, Unfälle, Sepsis, Verbrennung
Exazerbation einer bereits bestehenden, schweren Hyperthyreose
Klinik der thyreotoxischen Krise




Fieber (38-41°C) mit Schwitzen und Flush (Exsikkose)
ZNS-Symptome mit Delirium, Sopor oder Koma
gastrointestinale Symptome: Nausea, Erbrechen, Durchfall (Exsikkose)
kardiale Symptome: Tachykardie, Vorhofflimmern, dekompensierte Herzinsuffizienz
(kardiogener Schock)
Therapie der thyreotoxischen Krise




Thyreostatika (Methimazol, Thiamazol) hochdosiert: sofortige Blockade der
Hormonproduktion
β - Rezeptoren-Blocker (Propanolol): Verminderung der Sensitivität für
Katecholamine
ev. Glukokortikoide (Prednisolon/Dexamethason)
ev. Frühoperation
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Hypothyreose
Schilddrüsenunterfunktion - Hypothyreose
Klinisches Syndrom, das infolge Schilddrüsenhormonmangels durch einen Zustand des
Hypometabolismus gekennzeichnet ist
Ursachen einer Hypothyreose
Primäre Hypothyreose (Ursache liegt in der Schilddrüse)

Chronische Autoimmun-Thyreoiditis (Hashimoto)
o mit Struma (hypertrophe Form): jüngere Patienten
Operationspräparat einer deutlich vergrösserten
Schilddrüse (Struma) mit chronischer
lymphozytärer Thyreoiditis im floriden
Stadium: diffuse graue Veränderung des
Schilddrüsenparenchyms infolge ausgedehnter
lymphoplasmazellulärer Infiltration.
Copyright-Hinweis
Aus Böcker, W.; Denk, H.; Heitz, Ph.U.; (Hrsg.)
Pathologie, 2.Auflage, 2001
Urban & Fischer Verlag, München, Jena. Mit freundlicher
Genehmigung des Verlages.
Histologie einer floriden chronischen
lymphozytären Thyreoiditis mit Lymphfollikel
links und weitgehend zerstörten kolloidarmen
bis kolloidfreien zusammengesinterten
Schilddrüsenfollikeln und ausgedehnter
lymphoplasmazellulärer Infiltration. HEFärbung.
Copyright-Hinweis. Aus Böcker, W.; Denk, H.; Heitz, Ph.U.; (Hrsg.)
Pathologie, 2.Auflage, 2001
Urban & Fischer Verlag, München, Jena. Mit freundlicher
Genehmigung des Verlages.
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Chronische lymphozytäre Thyreoiditis mit
ausgedehnter diffuser B-LymphozytenInfiltration der Schilddrüse. Braunes
Reaktionsprodukt: Immunglobulin G.

«idiopathische» Schilddrüsenatrophie (atrophische Form): ältere Patienten
→ Endzustand der chronischen Thyreoiditis: autoimmune Zerstörung des
Schilddrüsengewebes
Links: floride chronische lymphozytäre
Thyreoiditis, HE-Färbung. Rechts:
Spätstadium einer chronischen lymphozytären
Thyreoiditis mit ausgedehnter Vernarbung des
Parenchyms, Restlymphozyteninfiltraten und
vereinzelten, weitgehend kolloidfreien nicht
funktionell aktiven Schilddrüsenfollikeln
(Darstellung der Zytokeratine).
Copyright-Hinweis
Aus Böcker, W.; Denk, H.; Heitz, Ph.U.; (Hrsg.)
Pathologie, 2.Auflage, 2001
Urban & Fischer Verlag, München, Jena. Mit freundlicher
Genehmigung des Verlages.





Status nach Radioiodtherapie
Status nach (zu radikaler) Strumektomie
nach exzessiver Iodaufnahme (Kontrastmittel, Amiodaron)
o → normale Schilddrüse reagiert auf den Wolff-Chaikoff-Effekt nach einigen
Tagen mit einem «escape»-Mechanismus, d.h. sie beginnt trotz hohen IodKonzentrationen wieder T3 und T4 zu produzieren
o → bei anormalen Schilddrüsen (z.B. autoimmun-verändert) versagt dieser
«escape»-Mechanismus: Stillstand der Hormonproduktion (Iod-induzierte
Hypothyreose)
nach subakuter Thyreoiditis (de Quervain): selten
seltene Ursachen in Industrieländern: Iodmangel, Medikamente (Lithium,
Thyreostatika)
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Sekundäre Hypothyreose



HVL-Adenom, das hormonproduzierendes Gewebe verdrängt
nach Hypophysenresektion
bei Hypophyseninsuffizienz: oft kombiniert mit anderen Hormonausfällen
(partielle/totale HVL-Insuffizienz)
Tertiäre Hypothyreose


sehr selten; Läsionen des Hypothalamus
fehlendes TRH
Hypothyreose beim Neugeborenen
Angeborene (irreversible) Hypothyreose (sporadischer Kretinismus)



Schilddrüsen-Aplasie (Athyreose); Schilddrüsen-Hypo- oder Dysplasie (Ektopie)
Hormonsynthesestörungen (Iodverwertungsstörungen, Enzymdefekte)
periphere Hormonresistenz; TSH-Mangel (sekundäre Hypothyreose)
Intrauterin erworbene (reversible oder teilreversible) Hypothyreose



Iodmangel (endemischer Kretinismus)
Iodexzess oder Gabe von strumigenen Substanzen oder Thyreostatika während der
Schwangerschaft
immunogen bedingt: Mutter mit autoimmuner Thyroiditis (plazentagängige
Antikörper)
Pathophysiologische Folgen der Hypothyreose


charakteristisch: Akkumulation (verminderter Abbau) von Glykosaminglykanen (z.B.
Hyaluronsäure) in interstitiellen Geweben
zusätzlich erhöhte Kapillarpermeabilität: interstitielle Ödeme in Herz- und
Skelettmuskel, Haut (sog. Myxödem)
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Klinik der Hypothyreose
Neugeborene



intrauterin erworbene Hypothyreose (Iodmangel): ev. Struma; euthyreot / meist jedoch
hypothyreote Funktionslage
angeborene Hypothyreose: Symptome treten verzögert auf (mütterliches SchilddrüsenHormon versorgt Kind noch während 4-12 Wochen)
Symptome:
o respiratorische Insuffizienz/Zyanose
o Icterus prolongatus; Trinkschwäche; Obstipation
o Bewegungsarmut, Muskelhypotonie
Kinder




Wachstumsrückstand mit disproportioniertem Kleinwuchs, Epiphysendysgenesie;
verzögerte Dentition
verminderte Entwicklung geistiger Fähigkeiten/Intelligenzdefizite
Myxödem; grobe Gesichtszüge; leise Stimme
Innenohrschwerhörigkeit; Strabismus; spastischer Gang
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Erwachsene





Symptome der Hypothyreose (vgl. Tabelle )
Gesichtsödem, periphere Ödeme (Myxödem)
raue, tiefe Stimme (Stimmlippenödem)
Myopathie der Skelettmuskulatur (CK und Myoglobin erhöht)
Anämie (veränderte Hämoglobinsynthese, Eisenmangel, Folatmangel, Vit. B12Mangel durch autoimmune Genese [perniziöse Anämie])
Typischer Gesichtsausdruck, Skelettdeformationen und
disproportionierter Kleinwuchs bei Patientin mit
endemischem Kretinismus.
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Diagnostik bei Hypothyreose




Neugeborene: Frühdiagnose entscheidet über Prognose (Screening am 5. Tag p.p [im
Rahmen des Guthrie-Tests])
primäre Hypothyreose: fT4 ↓, TSH ↑↑
sekundäre/tertiäre Hypothyreose: fT4 ↓, TSH ↓
Schilddrüsenautoantikörper (Ausschluss einer autoimmunen Thyreoiditis); keine
Szintigrafie
Unterschied primäre ←/→ sekundäre Hypothyreose
primäre Hypothyreose
sekundäre Hypothyreose
Therapie der Hypothyreose



Substitution mit synthetischem T4 (Levothyroxin), übliche Dosierung 75-150 µg/d
bei physiologischer Dosierung: praktisch keine Nebenwirkungen
Überdosierung: Symptome der Hyperthyreose (v.a. kardial: Herzversagen, Angina
pectoris, Arrhythmien) und Osteoporose
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Hypothyreotes Koma (Myxödem-Koma)
Hypothyreotes Koma (Myxödem-Koma)
Lebensbedrohliches Endstadium einer unbehandelten Hypothyreose mit schlechter Prognose
Ursachen von hypothyreotem Koma

permanenter hypothyreoter Zustand, ausgelöst durch:
o lange Kälteeinwirkung
o Stressereignisse (Operationen, Infarkte)
o Faktoren, die zu Hypoventilation führen (Sedativa, Opiate, Narkotika,
Alkohol)
Pathophysiologische Folgen bei hypothyreotem Koma



respiratorische Störungen (verändertes Ansprechen auf Atemreize) führen zu
alveolärer Hypoventilation (Hyperkapnie und Hypoxie) mit respiratorischer Azidose
Hypothermie wegen fehlender Stimulation der Thermogenese
Flüssigkeits- und Elektrolytstörungen durch übermässige ADH-Sekretion (SIADH)
Klinik des hypothyreoten Komas








Zeichen der Hypothyreose
Hypothermie (< 34°C)
zunehmende Bewusstseinstrübung: Schwäche, Sopor, Koma, Krämpfe
Hyponatriämie mit Wasserintoxikation
Hypoglykämie
extreme Muskelschwäche
ev. Zeichen einer NNR-Insuffizienz (v.a. bei sekundärer Hypothyreose)
Schock bis Tod
Diagnostik bei hypothyreotem Koma




klinische Befunde und Anamnese (Fremdanamnese!)
fT4 ↓↓, fT3 ↓↓
TSH ↑↑ (bei primärer Hypothyreose),
TSH ↓/- (bei sekundärer Hypothyreose)
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Therapie des hypothyreoten Komas





T4 (Levothyroxin, initial tief dosiert, dann langsame Steigerung)
bei NNR-Insuffizienz: zusätzliche vorgängige Kortisolsubstitution
Intubation und Beatmung
Flüssigkeitsrestriktion wegen Hyperhydratation
intensivmedizinische Überwachung (ZVD, Diurese, Elektrolyte)
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Euthyroid Sick Syndrom
Euthyroid Sick Syndrome
Akute oder chronische Erkrankungen führen zu einer Verminderung der zirkulierenden T3und T4-Konzentrationen aufgrund spezifischer Mechanismen (protektive Effekte)
Pathogenese des euthyroid sick syndrome

Schwere Allgemeinerkrankungen führen zu...
o Veränderungen des peripheren Metabolismus (Deiodinasen): Inhibierung der
Typ 1-Deiodinase und Aktivierung der Typ 3-Deiodinase (z.B. durch
Zytokine) -> verminderte Konversion zu T3 (dafür mehr rT3)
o Veränderung der Bindungsproteine (TBG, Albumin)
o Unterschied zur Hypothyreose: freie Hormonkonzentrationen bleiben normal!
(keine Hypothyreose)
Man unterscheidet zwei Formen: low T3-syndrome und low T3- / T4-syndrome:
1) Low T3-syndrome


physiologische Reaktion beim Fetus
pathologisch bei: Ernährungsstörungen(Malnutrition, anorexia nervosa), Diabetes
mellitus, Systemerkrankungen, Medikamente, die Typ 1-Deiodinase hemmen
(Kortikosteroide, Amiodaron)
Laborbefunde:
o T3 ↓ , T4 normal , fT4 normal / (↑)
o fT3 ↑ (nicht routinemässig bestimmt)
o TSH normal (ev. erniedrigt)
2) Low-T3 / T4-syndrome


bei fortschreitender Erkrankung fällt auch das T4 ab
kritischer Zustand (50% Mortalität)
Laborbefunde
o T3 ↓ , T4 ↓ , fT4 normal
o fT3 ↑ (nicht routinemässig bestimmt)
o TSH normal (ev. erniedrigt)
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Infos zu diesem Kapitel .............................................................................................................. 2
Lernziele, geschätzter Zeitaufwand, Dossiers und MC-Fragen zum Kapitel Schilddrüse. 2
Anatomische Grundlagen ........................................................................................................... 3
Anatomie der Schilddrüse .................................................................................................. 3
Embryologische Entwicklung der Schilddrüse .................................................................. 4
Histologie der Schilddrüse ................................................................................................. 4
Physiologische Grundlagen - Schilddrüsenhormone ................................................................. 5
Einführung .............................................................................................................................. 6
Iodmetabolismus und Schilddrüsenhormonsynthese ......................................................... 6
Schilddrüsenhormone Synthese .............................................................................................. 8
Schritte der Schilddrüsenhormon-Synthese ....................................................................... 8
Transport und Metabolismus der Schilddrüsenhormone ..................................................... 10
Transport der Schilddrüsenhormone ................................................................................ 10
Veränderung der Konzentration der Bindungsproteine ................................................... 11
Gleichgewicht zwischen proteingebundenem Hormon und freier
Hormonkonzentration................................................................................................... 11
Sekretion und Plasma-Halbwertszeiten der Schilddrüsenhormone ................................. 12
Lokalisation und Bedeutung der Deiodinasen ................................................................. 12
Regulation der Schilddrüsenhormone .................................................................................. 13
Regulation der Schilddrüsenfunktion ............................................................................... 13
Die Hypothalamus-Hypophysen-Schilddrüsenachse (HHS) ........................................... 14
Autoregulation der Schilddrüsenfunktion ........................................................................ 14
Stimulation/Hemmung der Schilddrüsenfunktion durch Auto-Antikörper ...................... 14
Wirkungen der Schilddrüsenhormone .................................................................................. 15
Der Schilddrüsenhormon-Rezeptor .................................................................................. 15
Wirkungen der Schilddrüsenhormone auf diverse Organsysteme ................................... 16
Fetale Entwicklung ....................................................................................................... 16
Grundumsatz ................................................................................................................ 16
Kardiovaskulär ............................................................................................................. 16
Pulmonal....................................................................................................................... 17
Erythropoese................................................................................................................. 17
Gastrointestinal............................................................................................................. 17
Knochenmetabolismus ................................................................................................. 17
Neuromuskulär ............................................................................................................. 18
Lipid-/KH-Stoffwechsel ............................................................................................... 18
Endokrines System ....................................................................................................... 18
Erkrankungen der Schilddrüse ................................................................................................. 19
Schilddrüsenvergrösserung (Struma) ................................................................................... 20
Schilddrüsenvergrösserung (Struma) ............................................................................... 20
Ursachen einer Struma ..................................................................................................... 21
Iodmangel ..................................................................................................................... 21
Strumigene Substanzen ................................................................................................ 21
Subakute Thyreoiditis (Thyreoiditis De Quervain) ...................................................... 21
Chronische (autoimmune) Thyreoiditis (Thyreoiditis Hashimoto) .............................. 21
Neoplasien .................................................................................................................... 22
Ektopische Schilddrüse ................................................................................................ 28
Defekte der Schilddrüsenhormonsynthese ................................................................... 29
Schilddrüsenhormon-Resistenz .................................................................................... 29
Morbus Basedow .......................................................................................................... 29
Pathogenese der Struma ................................................................................................... 30
Seite 59 von 61
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Klinisches Erscheinungsbild der Struma.......................................................................... 31
Blande Struma .............................................................................................................. 31
Subakute Thyreoiditis (Thyreoiditis De Quervain) ...................................................... 31
Chronische (autoimmune) Thyreoiditis (Thyreoiditis Hashimoto) .............................. 31
Schilddrüsenmalignom: (siehe auch Ursachen von Struma - Neoplasien) .................. 31
Diagnostik bei Struma ...................................................................................................... 31
Therapie bei Struma ......................................................................................................... 32
Schilddrüsenüberfunktion: Hyperthyreose ........................................................................... 33
Schilddrüsenüberfunktion: Hyperthyreose ....................................................................... 33
Ursachen von Hyperthyreose ........................................................................................... 33
Morbus Basedow (Grave's disease) ..................................................................................... 34
Morbus Basedow .............................................................................................................. 34
Pathogenese des Morbus Basedow .................................................................................. 34
Hyperthyreose .............................................................................................................. 35
Endokrine Ophthalmopathie ........................................................................................ 36
Dermopathie (prätibiales Myxödem) ........................................................................... 36
Klinik des Morbus Basedow ............................................................................................ 37
Allgemein ..................................................................................................................... 37
Endokrine Ophthalmopathie ........................................................................................ 37
Haut .............................................................................................................................. 38
Diagnostik bei Morbus Basedow ..................................................................................... 38
Therapie des Morbus Basedow ........................................................................................ 39
Grunderkrankung ......................................................................................................... 39
Endokrine Ophthalmopathie ........................................................................................ 42
Toxisches (autonomes) Adenom ........................................................................................... 43
Toxisches (autonomes) Adenom ...................................................................................... 43
Ursachen des toxischen Adenoms .................................................................................... 43
Klinik des toxischen Adenoms ......................................................................................... 43
Diagnostik bei toxischem Adenom .................................................................................. 44
Therapie des toxischen Adenoms ..................................................................................... 45
Toxische multinoduläre Struma ........................................................................................... 46
Toxische multinoduläre Struma ....................................................................................... 46
Ursachen der toxischen multinodulären Struma .............................................................. 46
Pathogenese bei der toxischen multinodulären Struma.................................................... 46
Klinik der toxischen multinodulären Struma ................................................................... 46
Diagnostik bei toxischer multinodulärer Struma ............................................................. 47
Therapie der toxischen multinodulären Struma ............................................................... 47
Seltenere Formen der Hyperthyreose .................................................................................. 48
Überblick über seltenere Formen der Hyperthyreose ...................................................... 48
TSH-sezernierendes HVL-Adenom (Sekundäre Hyperthyreose) ................................ 48
Schilddrüsenhormon-Resistenz des HVL .................................................................... 48
Struma ovarii ................................................................................................................ 48
Schilddrüsen-Karzinom ................................................................................................ 48
"Hamburger-Thyreotoxikose" ...................................................................................... 48
Thyreotoxicosis factitia ................................................................................................ 48
Thyreotoxische Krise ............................................................................................................ 49
Thyreotoxische Krise ....................................................................................................... 49
Ursachen einer thyreotoxischen Krise.............................................................................. 49
Klinik der thyreotoxischen Krise ..................................................................................... 49
Therapie der thyreotoxischen Krise ................................................................................. 49
Hypothyreose ........................................................................................................................ 50
Seite 60 von 61
Schilddrüse 2004 Prof. G. A. Spinas, Prof. Ph. U. Heitz
Schilddrüsenunterfunktion - Hypothyreose ..................................................................... 50
Ursachen einer Hypothyreose .......................................................................................... 50
Primäre Hypothyreose (Ursache liegt in der Schilddrüse) ........................................... 50
Sekundäre Hypothyreose.............................................................................................. 52
Tertiäre Hypothyreose .................................................................................................. 52
Hypothyreose beim Neugeborenen .............................................................................. 52
Pathophysiologische Folgen der Hypothyreose ............................................................... 52
Klinik der Hypothyreose .................................................................................................. 53
Neugeborene................................................................................................................. 53
Kinder ........................................................................................................................... 53
Erwachsene................................................................................................................... 54
Diagnostik bei Hypothyreose ........................................................................................... 55
Therapie der Hypothyreose .............................................................................................. 55
Hypothyreotes Koma (Myxödem-Koma) .............................................................................. 56
Hypothyreotes Koma (Myxödem-Koma) ........................................................................ 56
Ursachen von hypothyreotem Koma ................................................................................ 56
Pathophysiologische Folgen bei hypothyreotem Koma ................................................... 56
Klinik des hypothyreoten Komas ..................................................................................... 56
Diagnostik bei hypothyreotem Koma .............................................................................. 56
Therapie des hypothyreoten Komas ................................................................................. 57
Euthyroid Sick Syndrom ....................................................................................................... 58
Euthyroid Sick Syndrome ................................................................................................ 58
Pathogenese des euthyroid sick syndrome ....................................................................... 58
1) Low T3-syndrome .................................................................................................... 58
2) Low-T3 / T4-syndrome ............................................................................................. 58
Seite 61 von 61
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