über das Thema Demenz finden Sie hier als Artikel zum

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von Christian Luksch
Demenz, aus dem lateinischen de (= weg) und mens (= Geist) heißt wörtlich übersetzt
soviel wie „Der Geist (oder die geistigen Fähigkeiten) ist weg.“ In der Psychiatrie
versteht man darunter eine organisch bedingte Beeinträchtigung der allgemeinen
Hirnleistungsfähigkeiten, verbunden mit negativen Auswirkungen auf die sozialen
Funktionen.
Ursachen
Demenz kann sowohl die Folge einmaliger schwerer Hirnerkrankungen (Trauma), wie
auch die Folge chronisch toxischer Einwirkungen auf das Gehirn (Alkohol) oder
fortschreitender Hirnabbauprozesse (M. Alzheimer) sein. Demenz ist charakterisiert
durch den Verlust von Gedächtnis und intellektuellen Fähigkeiten,
Orientierungsstörungen, Urteilsschwäche und Persönlichkeitsveränderungen. Zu den,
nicht-altersbedingten dementiellen Abbauprozessen zählen neben eher seltenen
Erkrankungen wie M. Creutzfeld-Jakob, M. Pick, BSE und die sogenannte AIDSDemenz, die im Rahmen eine HIV-Infektion in 60% aller Fälle von Aids-Erkrankung
auftreten kann. Etwa 15% haben vaskuläre Ursachen (MID = Multiinfarkt-Demenz), 60 –
65% der Demenzen sind degenerativer Natur (M. Alzheimer, M. Pick).
Oft wird zwischen senilen und präsenilen Demenzen unterschieden, wobei diese
Differenzierung nicht ganz zulässig ist, da die sogenannten präsenilen Demenzen auch
im Senium (über dem 65. Lj.) auftreten können und der Ausdruck „Senile Demenz“
impliziert, dass Demenz eine quasi natürliche Folge des Alterns sei. Dies ist aber nicht
richtig. Tatsächlich beträgt die Rate der an SDAT erkrankten Menschen zwischen dem
65. und 85. Lj. 5-10%. Ab dem 85. Lj. kann diese Rate, abhängig vom sozialem Umfeld
und persönlicher Lebensgeschichte auf bis zu 30% ansteigen. Das heißt aber, das 9590% aller Menschen zwischen 65 und 85, bzw. 80-70% aller Menschen über dem 85.
Lj. keine Demenz haben.
Alte Menschen somit obligatorisch eine mehr oder minder ausgeprägte Demenz zu
unterstellen, ist daher unzulässig und unmoralisch.
Zum Problem wird das Krankheitsbild einerseits durch die sogenannte Überalterung der
Gesellschaft, die aber nicht so sehr auf das Mehrwerden der alten Menschen zurückzuführen ist, als auf das Wenigerwerden der Jüngeren, da die Durchschnittsfamilie der
heutigen Zeit aus nur mehr einem Kind besteht, während noch unsere Eltern
mindestens zwei Geschwister hatten. Ein weiteres Problem ergibt sich aus der
Aufwendigkeit der Pflege der alten Menschen, die bislang in keiner Art und Weise den
Anforderungen gerecht wird und geradezu dementielle Dekompensationen alter
Menschen provoziert.
Einsparungsmaßnahmen des Gesundheitswesens auf dem Rücken alter und dementer
Menschen und deren Betreuer sind mit allen Mitteln vehement zurückzuweisen. Hier
muss Pflege in einem umfassenden Sinn auch politisch werden.
Multi-Infarkt-Demenz (MID)
Die MID ist durch multiple, vaskulär bedingte Hirnläsionen gekennzeichnet, die bei
ihrem Auftreten zu vorübergehenden oder auch bleibenden neurologischen Defiziten
geführt haben und bei denen es in zeitlicher Übereinstimmung schrittweise zu
entsprechenden kognitiven Einbußen kommt. Ursachen und Risikofaktoren sind
Hypertonie, Hyperlipidämie, Diabetes, kardiovaskuläre Erkrankungen, Alter, genetische
Veranlagung und Rauchen. Diese vaskulär bedingte Demenz ist vor allem durch die
begleitende neurologische Symptomatik und die vaskulären Veränderungen
gekennzeichnet. Im CCT und MRT lassen sich relativ früh Hinweise auf eine MID
finden.
Im Anfangsstadium stehen bei der MID Gedächtnisstörungen weniger häufig im Vordergrund als bei der SDAT. Wichtigstes Unterscheidungsmerkmal ist allerdings der
plötzliche Beginn der Verwirrung, die meist nachts auftritt und oft von relativ kurzer
Dauer ist. In der Anamnese finden sich häufig Arteriosklerose, Schlaganfälle und in
vielen Fällen eine ausgeprägte Hypertonie.
Von therapeutischer Seite her sind MID relativ gut zu behandeln, wenn die Therapie
früh genug einsetzt. An erster Stelle steht dabei die Beseitigung der Risikofaktoren, also
eine gute und stabile Einstellung der Hypertonie bzw. des Diabetes, eine Beseitigung
der Hypercholesterinämie und die Nikotinabsenz. Ergänzt wird die Therapie durch eine
Verbesserung der Hämodynamik durch eine Behandlung der Herzinsuffizienz bzw. der
Herzrhythmusstörungen, eine allfällige Senkung des Hämatokrits und der Gabe von
Acetylsalicylsäure in einer Dosierung von 100 – 300 mg/d (Kinderaspirin).
Zur Behandlung von kognitiven Störungen sind wie bei den degenerativen Abbauprozessen Nootropika indiziert. Wichtig sind allerdings auch hier kognitive und
mnestische Trainingsformen und ein vernünftig durchstrukturierter Tagesablauf.
Demenz vom Alzheimer-Typ (SDAT, M. Alzheimer, Alzheimer Desease)
Erstmals 1907 von Alois Alzheimer beschrieben, zeichnet sich diese, eigentlich
präsenile Demenz durch massive Hirnatrophie, pathologische Fibrillenveränderung und
sogenannte amyloide Plaques aus. Da sie sich in morphologischer und
psychopathologischer Hinsicht nur wenig bis gar nicht von der senilen Demenz
unterscheidet, werden sowohl M. Alzheimer, als auch die senile Demenz vom
Alzheimer Typ als ein Krankheitsbild angesehen.
Ehe ein M. Alzheimer diagnostiziert werden darf,müssen alle anderen hirnorganischen
Erkrankungen ausgeschlossen werden, insbesondere vaskuläre, entzündliche und
raumfordernde Krankheiten. Zwar können in CCT und MRT atrophische Prozesse
nachgewiesen werden, allerdings sagen diese nichts über die kognitive
Leistungsfähigkeit aus. Ein Morbus Alzheimer kann also nicht aufgrund einer
Hirnatrophie diagnostiziert werden!
Symptome
In milden oder frühen Formen der Demenz besteht die Schwierigkeit im
Aufrechterhalten der geistigen Leistungsfähigkeit. Oft stellen sich für den Betroffenen
typische Charaktereigenschaften übertrieben dar. Aus dem Sparsamen wird dann der
Geizige, aus dem gutmütigen der Willenlose. Aber auch eine generelle Verlangsamung,
Antriebsminderung, erhöhte Reizbarkeit, gesteigerte emotionale Labilität affektive
Einengung und depressive Verstimmung gehören zu den Frühsymptomen einer
Demenz.
Charakteristische Symptome der Demenz sind gekennzeichnet durch Störungen
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des Gedächtnisses
der Orientierung
der Wahrnehmung
der intellektuellen Funktionen
der Urteilsfähigkeit
der Entscheidungsfähigkeit
des seelischen Empfindens
des sozialen Verhaltens
der Impulskontrolle
der Persönlichkeit
Mögliche Störungen sind weiters: Aphasie, Agnosie, Apraxie, Alexie, Agraphie, und
Akalkulie
Um ihre kognitive Störungen nicht offensichtlich werden zu lassen, entwickeln die
Patienten Vermeidungsstrategien, z.B. Witzchen machen, Phrasen dreschen, Ablenken
des Fragenden auf andere Weisen. Wir sprechen in diesem Zusammenhang auch von
einer Fassade des Patienten, ein äußeres Erscheinungsbild, daß mitunter sehr
kunstvoll zurechtgemacht ist und nur sehr schwer, bei intensiverer Kommunikation mit
dem Patienten offensichtlich wird. Das Bewusstsein der Patienten bleibt jedoch
weitgehend ungestört.
Bei Fortschreiten der Demenz werden Leistungseinbußen häufiger, sie verlegen sich
auf alltägliche Aufgaben, so daß der Patient schließlich die notwendigen täglichen
Verrichtungen nicht mehr alleine bewerkstelligen kann. In schweren Fällen der Demenz
kann der Patient nur mehr sehr intensiv bzw. früh Gelerntes behalten, neue
Informationen werden schnell vergessen. Schließlich vergessen die Patienten die
Namen ihrer Angehörigen, ihren Beruf, sogar ihren Namen. Schwer demente Patienten
können schließlich autistisch werden.
Diagnose
Die klinische Diagnose eines dementiellen Patienten beruht auf der Anamnese des
Patienten und den Angaben aller verfügbaren Daten, insbesondere der Angehörigen. In
der Regel kommt der Patient aber erst dann zum Arzt, bzw. in die Klinik, wenn die
Defizite so offensichtlich sind, dass bereits ein schwerer Einschränkungsgrad der
Erfüllung der ATLs vorliegt.
Als Screening-Untersuchung hat sich die Mini-Mental-State-Untersuchung bewährt.
Wenn ein Patient bei diesem Testverfahren weniger als 24, von 30 erreichbaren
Punkten erreicht, so ist dies eine Bestätigung der klinischen Diagnose. Es gibt aber
noch eine Menge anderer Untersuchungsmethoden, z.B. den ADL –Test oder den
Benton Test.
Wichtig ist der differentialdiagnostische Prozess: Demenz muss von anderen
hirnorganischen Erkrankungen ohne nachweisbare Ursache unterschieden werden. Die
erste wichtige Unterscheidung ist dabei zum Delir zu ziehen, welches sich von der
Demenz unterscheidet durch: Plötzliches Auftreten von Bewusstseinstrübung mit relativ
kurzer Dauer.
Ein weiteres schwieriges Problem ist die Unterscheidung zwischen Depression und
Demenz, vor allem deswegen, weil eine depressive Symptomatik häufig die Demenz
begleitet bzw. eine mögliche Reaktion auf das Erkennen der Leistungseinbußen ist.
Besonders schwierig wird die Differenzierung, wenn ein depressives Krankheitsbild die
kognitiven Leistungen so beeinflusst, dass daraus das Bild einer Demenz entsteht. Wir
sprechen dann auch von einer sogenannten Pseudodemenz. Teilweise kann hier nur
durch den Verlauf oder durch das Ansprechen auf Antidepressiva eine Differenzierung
erfolgen. Manchmal kann bei der Pseudodemenz auch ein konkreter Beginn der
Symptome von den Angehörigen angegeben werden.
Seitens der Pflegediagnostik muss unbedingt ebenfalls ein differential-diagnostischer
Prozess vollzogen werden, der sich hier allerdings nicht auf die Differenzierung zu
anderen Krankheitsbildern bezieht, sondern auf die Differenzierung der
Einschränkungen im Bezug auf das soziale Umfeld, also zwischen dem des
Krankenhauses und dem des primären Umfeldes.
Erschwert wird diese Differential-Pflegediagnostik durch den Umstand, dass viele
Patienten sich bereits in einem Rückorientierungsprozess befinden und sich an
Erlebnisinhalte erinnern, die mit dem unmittelbaren vorigen Umfeld nichts mehr zu tun
haben. Das Seniorenheim, aus dem sie kommen ist also nicht mehr das gewohnte
soziale Umfeld, in dem eine Reaktivierung möglich ist, da es im Rahmen des
Reuorientierungsprozesses nicht als „Zuhause“ erkannt wird.
Therapie und Pflege
Je früher ein dementieller Prozess beginnt, desto schneller schreitet er voran. Je früher
er erkannt wird, desto wirksamer ist eine Therapie. Tatsächlich können aber lediglich
10% der erkannten dementiellen Prozesse auch geheilt werden.
In der Regel ist eine ursächliche Therapie der degenerativen Demenz nicht möglich,
weshalb sich eine symptomatische Therapie empfiehlt. Dies bedeutet in
pharmakologischer Richtung vor allem den Einsatz von sogenannten Nootropika, sowie
bei depressiver Symptomatik den Einsatz von Antidepressiva, wobei allerdings auf
Antidepressiva mit anticholinergen Eigenschaften weitgehend verzichtet werden sollte,
da diese ein pharmakogenes Delir provozieren können und den zugrundeliegenden
pathologischen Prozess beschleunigen.
Nootropika heilen die Demenz nicht, können den Krankheitsverlauf allerdings
verlangsamen. Dieser Effekt tritt aber nur dann auf, wenn der pharmakologischen
Therapie auch psychotherapeutische Maßnahmen beigestellt sind, etwa durch
mnestisches und kognitives Training (Gedächtnistraining). Dieses ist wiederum nur
dann wirksam, wenn es mit dem Patienten vertrauten „Markern“, also
Erinnerungsinhalten, gestaltet wird, welche sich wiederum nach dem individuellen
Krankheitsbild bzw. dem entsprechenden Patienten richtet und möglichst hochfrequent
durchgeführt wird. Zweimal pro Woche eine halbe Stunde Gedächtnistraining oder
einmal täglich Nootropil ist eindeutig zuwenig.
Größte Vorsicht ist im Umgang mit Neuroleptika geboten, da speziell ältere Patienten
eine weitaus höhere Responsialität haben. Zudem wirken sich Neuroleptika negativ auf
die kognitiven Fähigkeiten älterer Patienten aus. Eine Dauermedikation von v.a. mittelund hochpotenten Neuroleptika, wie etwa Haloperidol ist abzulehnen. Tranquilizer,
insbesondere Barbituriate sind ebenfalls strikt abzulehnen, da sie pharmakogene
Delirien provozieren und durch die hohen Halbwertszeiten und den damit verbundenen
Hang-over lebensgefährliche Stürze insbesondere Nachts und am Morgen zur Folge
haben.
Vor allen in den Anfangsstadien haben sich psycho- und sozialtherapeutische
Maßnahmen, wie die o.a. kognitiven und mnestischen Trainingsmaßnahmen sowie in
fortgeschrittenen Stadien Reorientierungsverfahren und Selbsterhaltungstrainings als
sinnvoll erwiesen. Österreichischer State of the Art ist die Biographische Pflege nach
Böhm, aber auch Valdation nach Feil in fortgeschrittenen Stadien haben ihren Sinn.
Mittel der Wahl ist in so gut wie jeden Fall die möglichst rasche Rehabilitation in das
gewohnte Umfeld, wobei die Bedenken von Ärzten und Pflegepersonal, insbesondere
was hygienische Umstände betrifft, zweitrangig sind. Dem muss aber immer auch eine
intensive Aufklärung der Angehörigen folgen, sowohl bezüglich der Krankheit, als auch
der Betreuung des Patienten, insbesondere durch mobile und ambulante
Professionisten.
Dementielle Dekompensation
Unter einer Dekompensation wird die plötzliche und akute Verschlechterung der
Symptome der Demenz verstanden. Sie kann sowohl im Rahmen körperlicher
Erkrankungen, etwa eines simplen grippalen Infektes entstehen, vor allem verbunden
mit der durch Fieber verbunden Exsikkose entstehen, oder aber auch durch schwere
Verlusterlebnisse, etwa den Tod des Partners oder der Wohnung. Eine häufige Ursache
dementieller Dekompensation ist die Spitalseinweisung oder auch eine Transferierung.
Hier reichen oft die noch vorhandenen Copings des Patienten nicht mehr aus, um die
Vorgänge intellektuell nachzuvollziehen.
Meist entwickelt sich bereits zu Beginn eine akute Orientierungsstörung bis zum
einfachen Verwirrtheitszustand, also eine umfassende Desorientierung mit
Verworrenheit im Denken und Handeln. Die Menschen erscheinen ratlos und erstaunt.
In diesem Zustand besteht eine große Chance zur Rekompensation, vor allem durch
möglichst rasches Zurückbringen in gewohnte Umstände (Wohnung, Bezugsperson,
persönliche Orientierungsmarker).
Wird hier nicht rekompensierend eingegriffen kommt es so gut wie immer zur
Verschlechterung in Form deliranter Zustände. Das heißt, es kommt zusätzlich zu
Halluzinationen und psychomotorischer Unruhe. Dies wird oft als Paranoid verkannt und
mit Neuroleptika behandelt. Dadurch tritt eine Sedierung ein, die mehr oder weniger
lange aufrecht erhalten wird. Nach dem Absetzen dieser Neuroleptika ist eine
Rekompensation nicht mehr möglich.
Grundsätzlich ist die Pflege dementer Menschen nach Gesichtspunkten des
biopsychosozialen Paradigmas auszurichten, der Patient also als Produkt seiner
körperlichen, kognitiven, affektiven, sozialen und vor allem biographischen
Zusammenhänge zu sehen. Das bedingt höchste Rücksichtnahme auf die gewordene
Persönlichkeit, die Beistellung einer direkten Bezugsperson für den Patienten während
seines Krankenhausaufenthaltes, die Einbeziehung seines primären lokalen und
sozialen Umfeldes und die möglichst rasche Rehabilitation in dieses.
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