Zvi Lothane - Berliner Blätter für Psychoanalyse und Psychotherapie

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Published in Psychoanalyse im Widerspruch 48/2012:45-76
Zvi Lothane
Psychiatrie Professor honoris causa Dr. jur. Daniel Paul Schreber ist immer noch eine
Herausforderung für die Psychiatrie und die Psychoanalyse
Und so glaube ich daß an meinen Namen eine
Berühmtheit sich anknüpfte, die Tausenden von
Menschen von ungleich größerer geistiger
Begabung nicht zu Theil geworden ist (Paul
Schreber).
Es bleibt der Zukunft überlassen, zu entscheiden,
ob in der Theorie mehr Wahn enthalten ist, als
ich möchte, oder in dem Wahn mehr Wahrheit,
als andere heute gläubig finden (Freud).
Abstract:
In dieser neuerlichen Durchsicht der Geschichte von Paul Schreber korrigiert der Autor die
noch immer bestehenden Fehlwahrnehmungen und Fehler in der Darstellung, der Diagnose,
der Dynamik und der ethischen Aspekte zu diesem berühmtesten Patienten in der Geschichte
der Psychiatrie und der Psychoanalyse. Darüber hinaus gelingen Schreber, obwohl er Opfer
einer „Psychiatrie ohne Seele“ war, wichtige und für die Psychiatrie und Psychoanalyse
lehrreiche Einsichten. Die Ablösung der ersten so vielversprechenden dynamischen
Psychiatrie durch die Hirnmythologie seit Mitte des 19. Jahrhunderts und später durch die
organisch und statisch orientierte Psychiatrie, wie sie von Kräpelin und Jaspers etabliert
wurde, hat zu einer Entpersönlichung im Umgang mit den Patienten und bei den
psychiatrischen Behandlungen geführt, ein Problem das noch ganz aktuell ist. Deshalb sind
die Einsichten Schrebers und die Lehren, die man aus seinem Fall gewinnen kann, gerade
heute noch so wichtig. Und was therapeutische Psychoanalyse anbelangt: man soll nicht mit
präformierten Formeln handeln sondern historisch und individuell ein Leben deuten, wie es
die Dramatologie fordert. Absurderweise wurden Vater und Sohn Schreber mit Hitler und der
Naziideologie in Verbindung gebracht, was am Beispiel einiger Autoritäten erläutert wird.
Schlüsselwörter: Dynamische Psychiatrie, Psychiker versus Somatiker, Fehldiagnostik und
Fehlbehandlung von Schreber, Schreber als Lehrer von Psychiatrie und Psychoanalyse,
Kraepelin und Jaspers, politische und Massenparanoia, Hitler, Naziideologie, Dramalogie und
Interaktion.
Abstract:
In this new survey of Paul Schreber’s story the author corrects the still lingering
misconceptions and mistakes in the description, diagnosis, dynamics, and deontology (ethics)
of this most famous patient in the history of psychiatry and psychoanalysis. Moreover, even
as he was a victim of a “psychiatry without a soul,” Schreber was able to offer important
insights and lessons for psychiatry and psychoanalysis. The dismantling of the first and
1
promising dynamic psychiatry in the middle of the 19th century by brain mythology, and later
by an organically and statically oriented psychiatry à la Kraepelin and Jaspers, resulted in
depersonalizing the interpersonal doctor-patient interaction, a still ongoing problem for
psychiatry, making Schreber’s insights and lessons relevant today. And the lesson for
psychoanalytic therapy: it should not operate with preformed formulas but interpret a life both
historically and individually, as required by dramatology. It was absurd to invent a causal
connection between Schreber father and son and Hitler and Nazi ideology, as suggested by a
number of authorities.
Keywords: dynamic psychiatry, psychologists vs. somaticists, misdiagnosis and mistreatment
of Schreber, Schreber as teacher of psychiatry and psychoanalysis, Kraepelin and Jaspers,
political and mass paranoia, Hitler, Nazi ideology, dramatology and interaction
Ein mehrfaches Jubiläum1
2011 wurde ein Jubiläum gefeiert: der 100. Todestag Schrebers und Hundert Jahre Freuds
(1911) Aufsatz über Schrebers Denkwürdigkeiten und noch zwei dazu: 200 Jahre seit der
Ernennung von Johann Christian August Heinroth zum Professor für psychische Therapie an
der Leipziger Universität und die Eröffnung der Heilanstalt Sonnenstein. In einem Brief an C.
G. Jung begeisterte sich Freud über “den wunderbaren Schreber, den man zum Professor der
Psychiatrie und Anstaltsdirektor hätte machen sollen”, was zur “Analyse unseres lieben
geistreichen Freundes Schreber” führte. Jung hat Freuds Begeisterung völlig geteilt: "Es hat
mir wirklich Rührung und Freude verursacht, daß Sie die Größe des Schreberschen Geistes
und die erlösenden hieroi logoi der Grundsprache voll zu würdigen wissen. Es ist ein
würdiges Buch, das schon um des 'kleinen Flechsig' willen den Ehrenplatz in jeder
psychiatrischen Bibliothek verdient“.
Schrebers Buch ist in der Tat wunderbar und ganz modern: ein kreatives, kunstvolles
Gebilde, eine philosophische Abhandlung, eine Ideenquelle für Psychiater, Psychoanalytiker,
Philosophen und Schriftsteller, alles zugleich. Nie zuvor war einem ehemaligen
Anstaltsinsassen so viel Ehre zuteil geworden wie Schreber, der von nun an für Generationen
als Prototyp eines Paranoikers galt, wenn nicht gar eines Schizophrenen, der er allerdings
nicht war. Mehr noch, der Professor h.c. Schreber war nicht nur Augenzeuge und
Geschichtsschreiber der deutschen Psychiatrie zur Zeit der Jahrhundertwende, er war auch
deren Kritiker in Sachen Diagnose, Behandlung und Ethik.
Paul Schrebers Lebensdrama
1
Eine Neubearbeitung des Eröffnungsvortrags gehalten am 13.4.2011 an der Tagung „Die
Erfahrung der Moderne und die Performanz der Paranoia 100 Jahre Daniel Paul Schreber“,
Dresden und Pirna-Sonnestein, 13-15.4.2011.
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Paul Schreber wurde 1842 geboren, das drittes Kind des angesehenen Arztes Dr. Moritz
Schreber (1808-1861), Wissenschaftler, ärztlicher Pädagoge, und Vorkämpfer der modernen
Reha-Medizin, und Mutter Pauline (1815-1907), die reiche Tochter eines Professorenhauses.
Dem erstgeborenen Gustav (1839-1877) folgte Schwester Anna (1840-1944), die Urahnin
aller Nachfahren, und nach Paul noch zwei Schwestern, 1846 und 1848 geboren. Paul
Schreber lebte, liebte und litt zumeist in seiner Geburtsstadt Leipzig und in Dresden, und
verbrachte 13 seiner 69 Jahre in Irrenanstalten Sachsens, davon 8 gegen seinen erklärten
Willen. Er erlitt drei depressive Schübe: mäßig 1884-5, massiv 1893-1897, tödlich 19071911. Der Vater litt auch an Depressionen und starb als Paul 19 Jahre alt war. Die Mutter
Pauline, eine Matriarchin von überragender Kraft, hat ihren Paul stark beeinflußt. Es gibt
keine Dokumente über die Beziehungen zwischen Paul, seinen Eltern, und seinen
Geschwistern. Die zwei Quellen sind die Interessanten Berichte der Töchter Dr. Schrebers
über ihren Vater (Freund der Schreber-Vereine, 1909), die ein »Kinderparadies« im Haushalt
schilderten, und ein langes Gedicht von Paul zum 90. Geburtstag Paulines 1905 enthalten. In
der Wahl von Jura in Studium und Beruf, identifizierte sich Paul mit dem väterlichen
Großvater, nicht mit dem Vater. 1867 trat Paul in den Staatsdienst beim Justizministerium ein
und 1869 erlangte er den Titel »Dr. iur.« Die zweite schicksalhafte Wahl war die 1878 Ehe,
nicht standesgemäß laut der Familie, mit Sabine Behr (1857-1912), Tochter eines
Opernintendanten und Sängers, neun Monate nach dem Selbstmord Bruder Gustavs. Es muss
eine schwere Zeit gewesen sein, denn »soll der Kranke soll schon z. Z. seiner Heirat
hypochondrische Ideen geäußert haben.« Es war immer eine abhängige Liebe die Paul für
Sabine hegte. Über seine Sexualität schrieb Paul: »Es wird wenig Menschen geben, die in so
strengen sittlichen Grundsätzen aufgewachsen sind, wie ich, und die sich ihr ganzes Leben
hindurch, namentlich auch in geschlechtlicher Beziehung, eine diesen Grundsätzen
entsprechende Zurückhaltung in dem Maße auferlegt haben, wie ich es von mir behaupten
darf.« Die Ehe war durch Streit gezeichnet und gar mit Pauls Scheidungsdrohungen
verbunden. Franz Baumeyer merkte Sabines »etwas primitive, beinahe kindliche Schrift; Ihr
Verhalten gegenüber ihrem geisteskrank gewordenen Mann ist weitgehend von einer hilflosen
Angst getönt. In zahlreichen Briefen erkundigt sie sich nach seinem Befinden, verschiebt aber
angekündigte Besuche mehrfach unter dem Hinweis auf äußere Gründe.“ Eine merkwürdige
Lücke: es gibt keine Dokumente über Kontakte mit Bekannten und Freunden, was den
Eindruck eines ganz einsamen Mannes vermittelt.
1884 in mitten seiner friedlichen aber wenig heldenhaften Existenz entschied sich
Paul auf der Liste der Nationalliberalen Partei zur Wahl für den Reichstag aufstellen zu lassen
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und erlitt eine bedrückende Niederlage, die er nie direkt zugestanden hat. Verlieren,
Niederlage, Irrtum sind für die deutsche Einzel- und Volksseele nicht leicht zu verarbeiten.
Bei Paul heißt es nur: „Ich bin zweimal nervenkrank gewesen, beide Male in Folge von
geistiger Ueberanstrengung; das erste Mal (als Landgerichtsdirektor in Chemnitz) aus Anlaß
einer Reichstagskandidatur“. Darauf folgte die erste Depression und die erste Aufnahme bei
Prof. Paul Flechsig. Paul schrieb dazu: „Nach der Genesung von meiner ersten Krankheit
habe ich acht, im Ganzen recht glückliche, auch an äußeren Ehren reiche und nur durch die
mehrmalige Vereitelung der Hoffnung auf Kindersegen getrübte Jahre mit meiner Frau
verlebt.“ Die zuckerkranke Sabine erlitt vier Fehlgeburten und 1888 und 1892 gebahr sie zwei
tote Kinder, das letzte ein Knabe.
Das „zweite Mal [geschah] aus Anlaß der ungewöhnlichen Arbeitslast, die ich beim
Antritt des mir neuübertragenen Amtes eines Senatspräsidenten beim Oberlandesgericht
Dresden vorfand.“ Den Auftakt beschrieb er so: „In Juni 1893 wurde mir die Nachricht von
meiner bevorstehenden Ernennung zum Senatspräsident beim Oberlandesgericht Dresden zu
Theil. In diese Zeit träumte mir einige Male, daß meine frühere Nervenkrankheit wieder
zurückgekehrt sei. Ferner hatte ich einmal gegen Morgen noch im Bette liegend (ob noch halb
schlafend oder schon wachend weiß ich nicht mehr) eine Empfindung, die mich beim späteren
Nachdenken in vollständig wachem Zustande höchst sonderbar berührte. Es war die
Vorstellung, daß es doch eigentlich recht schön sein müsse, ein Weib zu sein, das dem
Beischlaf unterliege. — Diese Vorstellung war meiner ganzen Sinnesart so fremd; ich würde
sie bei vollem Bewußtsein mit Entrüstung zurückgewiesen haben.“ Dieser Traum war kein
Zeichen eines homosexuellen Impulses (Bleuler, 1912b) sondern einer Identitäts-Suche, einer
Identifizierung mit der Gestalt von Frau und Mutter, ein Lobgesang an das Ewig Weibliche
und an die Mütter (Goethe). Es folgten andere derartige Fantasien: „Ich habe (und zwar zu der
Zeit, als ich noch in der Flechsig’schen Anstalt war) zu zwei verschiedenen Malen bereits
einen wenn auch etwas mangelhaft entwickelten weiblichen Geschlechtsteil gehabt und in
meinem Leibe hüpfende Bewegungen, wie sie den ersten Lebensregungen des menschlichen
Embryo entsprechen, empfunden: durch göttliches Wunder waren dem männlichen Samen
entsprechende Gottesnerven in meinen Leib geworfen worden: es hatte also eine Befruchtung
stattgefunden“. Diese fantastische Frauwerdung war eine Wunscherfüllung, nämlich
Nachkommenschaft zu kriegen und seine Frau zu trösten.
Die obengenannte Phantasien waren Begleiterscheinungen einer tiefgreifenden
existentiellen Krise, eines dramatischen Konflikts: er war nicht imstand weiter im Beruf und
in der Ehe zu leisten, er hatte zu viele Gewissensbisse, um sich entscheidend von der Arbeit
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zu distanzieren, sich von Sabine zu scheiden und eine gesunde und fortpflanzungsfähige Frau
zu heiraten. Es bestand auch ein äußerer Konflikt zwischen Schreber und Gegenspielern, die
gegen ihn spielten: Sabine, sein Chef im Oberlandesgericht, seine Ärzte Paul Flechsig und
später Guido Weber. Schreber war nicht imstand diese Entscheidungs-Dilemmata aufzulösen
was zur Ursache des ganzen Dramas wurde.
Dieser Zustand seelischer Zerrissenheit machte ihn ruhelos und trübte sein Schlaf:
Methought I heard a voice cry "Sleep no more!
Macbeth does murder sleep," the innocent sleep,
Sleep that knits up the ravell'd sleave of care,
The death of each day's life, sore labour's bath,
Balm of hurt minds, great nature's second course,
Chief nourisher in life's feast (Shakespeare).
Schlaflosigkeit ist Zeichen der Depression, nicht einer Schizophrenie.
Ab Februar 1894 und fortan verschlechterten sich Pauls Beziehungen zu Flechsig
und zu seiner Frau. Etwa im März oder April hat Flechsig entschieden daß Schreber nicht
mehr heilbar war und daß laut den Statuten der Anstalt der erlaubte Aufenthalt von sechs
Monaten seinem Ende entgegenging. Schreber konnte entweder nach Haus oder in eine
andere Anstalt gehen. Waren seine Mutter oder Sabine bereit Paul zu Hause zu pflegen oder
im großen Haus seiner Mutter in der Zeitzerstraße 43 in Leipzig, wo rund um die Uhr Pfleger
und Schwestern zur Verfügung ständen, bis die Suizidgefahr vorüber war? Zudem
verkomplizierte sich die Situation zwischen den Eheleuten durch Geldstreitigkeiten, in welche
auch das Justizministerium verwickelt war. Oberlanlandesgerichts Direktor Werner riet der
„Frau Dr. Schreber , den Antrag auf Einleitung der Zustandvormundschaft anheimzugeben.“
So konnte der vom Gericht eingesetzte Vormund zusammen mit Sabine das Vermögen
Schrebers fortan kontrollieren. Die Krisis mit Flechsig kam zum in dem berühmten
„Seelenmord“ zum Ausdruck, in dem gegen ihn „gerichteten Komplott (etwa im März oder
April 1894), welches dahinging, nach einmal erkannter oder angenommener Unheilbarkeit
meiner Nervenkrankheit mich einem Menschen in der Weise auszuliefern, daß meine Seele
demselben überlassen.“ Die Überlassung, ein Abbruch des Vertrags Arzt-Patient und die
Auslieferung nach Sonnenstein, bildeten den eigentlichen Seelenmord. Die Überweisung nach
Sonnenstein war höchst traumatisch. Paul machte einen vergeblichen Fluchtversuch, erlebte
einen „kurzen Ohnmachtsanfall,“ und war in einem langen psychotischen Angst- Depressionund Wutzustand versunken die er als metaphorische Wunder, eigentlich Wunden bzw.
Traumen wie er es im l1. Kapitel beschrieb: „Eines der abscheulichsten Wunder war das
sogenannte Engbrüstigkeitswunder, daß ich mindestens einige Dutzend Male erlebt habe; es
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wurde dabei der ganze Brustkasten zusammengepreßt, so daß der Zustand der durch
Athemnoth verursachten Beklemmung sich dem gesamten Körper mittheilte.“ Es waren
„Traum- und Wahnvorstellungen wirklich nichts Anderes seien als die gleichfalls organisch
bedingten, sinnbildlichen Darstellungen eben jener Stimmungen und Sensationen«, wie 18581859 der Psychiker Dr. A. Krauss es definierte.
Hinsichtlich dieser Vokabel, Engbrüstigkeit, die noch heute als Synonym für
Atemnot dient, hat der deutsch-jüdische Psychoanalytiker Niederland (1978) dieses Wort
beim Sohn grob mißverstanden und mit Nutzen von Geräten beim Vater falsch beschrieben
und verbunden: „Der Vater erfand in seiner zwanghaften Besessenheit von Körperhaltung der
Kinder eine Reihe von orthopädischen Apparaturen, den sogenannten Geradhalter, ... die
zugleich am Brustkorb des Kindes und an dem Tisch befestigt wurde, ... das im
„Engbrüstigkeits“-Wunder erhaltene Stück historischer Wahrheit darstellt“. Der Geradhalter,
eine horizontale eiserne Stange, war keineswegs am Brustkorb befestigt und Paul hat es
keineswegs im Sinne gehabt wenn er das Gefühl der Beklemmung bildlich darstellte.
Niederland hat Tatsachen tendenziös geändert und eine Metapher konkretisiert, also
versteinert. In der schwarzen Pädagogik à la Schatzman wurden die Apparaturen zu
Maschinen, zu Folter-Maschinen.
Schreber erholte sich allmählich, war „im Vollbesitze seiner geistigen Kräfte in jeder
anständigen Gesellschaft sich angemessen zu betragen wisse...mindestens schon seit dem
Beginn des Jahres 1897recht wohl möglich gewesen “ (S. 425; Schrebers Hervorhebung), also
fähig die Anstalt zu verlassen. In Anbetracht Webers Diagnose der Unheilbarkeit, der
Entmündigung, wobei Schreber in rechtlicher Beziehung einem Kinde unter sieben Jahren
gleichgestellt wurde, und der Ratlosigkeit seiner Frau, war er auch noch 5 Jahre einer
Freiheitsberaubung ausgesetzt. Webers psychiatrisches Urteil war überdies mit Geldinteresse
vermengt: der Aufenthalt kostete 2.100 Mark pro Jahr, ein Drittel von Schrebers Pension,
gutes Einkommen für die Anstalt. Die Richter haben Schreber freigesprochen: „Denn dem
Kläger ist auch darin recht zu geben, daß die Rücksicht, auf das Wohlbehagen dritter
Personen, und wären es selbst die nächsten Familienangehörigen, hierbei nicht in Anschlag
kommen darf. Die Entmündigung hat in erster Linie für das Wohl des zu Entmündigenden zu
sorgen. Sie lediglich im Interesse anderer zu verfügen ist unstatthaft.“
Anstaltdirektor Guido Weber hatte keine Ahnung von den psychologischen
Einsichten von A. Krauss, der Freuds Methode in der Traumdeutung vorwegnahm. Für Weber
waren die Wunder Zeichen einer chronischen Form des Wahnsinns die „als Paranoia zu
bezeichnen ist wo charakteristisch Wahnideen auftreten, sich bald fixieren und zu einem
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dauernden, uncorrigierten und unerschütterlichen Wahnsystem verarbeitet werden, also
Verfolgungsideen und Überschätzungsideen die sich combinieren.“ Diese Wahnideen
brauchte man gar nicht korrigieren, sondern verstehen, also im Sinne Freuds analysieren!
Webers war eine parteiische, materialistisch-organische, statische Gesinnung eines
forensischen Psychiaters. Mit Recht betonte Schreber: „An und für sich steht hier Behauptung
gegen Behauptung“.
Im Kräftespiel zwischen Patient und Psychiater war die Paranoia-Diagnose zu einer
politischen Waffe geworden. Insofern Schreber ein System, einen vermutlichen Irrsinn hatte,
insofern hatte Weber ein spiegelbildliches System der auf einen Irrtum beruhte, indem er
Halluzinationen und Wahngebilde als eine organische Wahrnehmungsstörung und nicht als
Fantasien ansah. Wie auch immer, warum sollte dies eine Angelegenheit für den Staatsanwalt
sein? Darüber hinaus findet man in Webers Gutachten kein Krümelchen an biographischer
Anamnese, so daß die Ergebnisse der psychiatrischen Untersuchung erzielt wurden, als ob es
sich um eine neurologische Anamnese und Untersuchung gehandelt hätte. Aus gutem Grund
kann Schreber daher schreiben: “Vor jener Zeit (d. h. etwa vor Ostern 1900) hat der Herr
Sachverständige, ich möchte sagen, nur die pathologische Hülle kennengelernt, die mein
wahres Geistesleben verdeckte.“ Es ist kein Wunder daß Weber sich in seiner Funktion als
Gerichtsarzt als Vertreter der Staatsmacht erwies und kein Fürsprecher seines Patienten
gegenüber dem Staat war. Vor ihm hatte Flechsig schon dasselbe getan. Ein
Gerichtspsychiater ist genauso wie ein Gerichtsmediziner nicht am Täter interessiert, sondern
nur an der Tat, dem begangenen Verbrechen, an der Feststellung des Abnormen und der zu
stellenden Diagnose. Tatsache ist, daß der Universitäts- und der Anstaltspsychiater
gleichermaßen ihr Fachwissen in den Dienst des Staates und nicht des Einzelmenschen
stellten, ohne jede Einfühlung für dessen Interessen (Lothane, 2010b). Die Loyalitäten eines
Privatpsychiaters sind da ganz anders, er interessiert sich für den ganzen Menschen, für das
Individuum, er sieht im weitesten Sinne das Ganze der sittlichen und geistigen Persönlichkeit,
deren Drama und Geschichte, deren bewußtes und unbewußtes Seelenleben, das
Wohlbefinden dieses Menschen. Darüber hinaus, war zur Zeiten Webers die erste, echte
deutsche dynamisch-psychologische Psychiatrie der Psychiker der ersten Hälfte des 19ten
Jahrhunderts, wie sie durch Heinroth, A. Krauss und Blumröder repräsemtiert worden war,
längst verschwunden. Die zweite, erstarrte, seelenlose Psychiatrie lebt in der Jaspers’schen
Phänomenologie und im DSM-IV fort.
Aber Weber hatte es mit seinem Patienten nicht leicht. Als Schreber ab 1895
besser ging, war er “immer noch erregt. Doch läßt er sich zu Unterredungen über
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gleichgültige Dinge herbei. Spielt Klavier, Schach und liest wieder. Über seine
Wahnvorstellungen ist nichts zu erfahren. Schreit oft nachts laut u. brüllend zum Fenster
hinaus immer dieselben Schimpfworte oder «ich bin der Senatspräsident Schreber“
(Krankenkarte). Das beschrieb Weber wie folgt: “Die Reaktion gegen die Halluzinationen
wurde immer geräuschvoller und intensiver, er haranguirte eine Zeitlang den «Seelenmörder»
Flechsig, wiederholte endlos «kleiner Flechsig», oder schrie zwar auch nachts […] mit
solcher Kraftanstrengung hinaus, daß die Leute in der Stadt sich ansammelten und über die
Störung laut wurden.“ Weber, der im Anstaltsgelände wohnte, muß das laute Schreien
ebenfalls gehört haben. Es kam Weber nicht in den Sinn, daß Schreber wie ein Tiger im Käfig
brüllte, weil er „in fast gefänglicher Absperrung lebte, namentlich vom Umgang mit
gebildeten Menschen, selbst von der (den sog. Pensionären der Anstalt zugänglichen)
Familientafel des Anstaltsvorstands ausgeschlossen war, niemals aus den Mauern der Anstalt
herauskam usw.“, ohne Psychotherapie, nie ernst genommen, und ohne Möglichkeit für
Geschlechtsverkehr mit seiner Frau.
Erstaunlicherweise hatte der sprichwörtliche Paranoiker mehr Einfühlung für seine
Ärzte als diese für ihn, wie es Schreber erzählt:
eine Zeit lang (wohl im Frühjahr oder Herbst 1895) habe ich die Füße oft während
der Nacht bei offenem Fenster durch die Gitter des letzteren herausgesteckt, um
sie dem kalten Regen auszusetzen; solange ich das that, konnten die Strahlen den
Kopf nicht erreichen und befand ich mich daher vollkommen wohl. Dieses mein
Verhalten irgendwie zu Ohren der Ärzte gekommen und dadurch Veranlassung zu
einer Maßregel geworden ist, die meinen Unwillen im höchsten Grade erregte: an
dem Fenster meines Schlafzimmers hatte man schwere hölzerne Läden anbringen
lassen, die während der Nacht verschlossen wurden, sodaß nunmehr vollständige
Finsterniß in meinem Schlafzimmer herrschte und auch am Morgen die
eintretende Tageshelle so gut wie keinen Einlaß fand. Natürlich werden die Ärzte
keine Ahnung davon gehabt haben, wie empfindlich mich diese Maßregel in
meiner ohnedies so maßlos schwierigen Selbstvertheidigung gegen die auf
Zerstörung meines Verstandes gerichteten Absichten traf. Auf der anderen Seite
wird man begreiflich finden, daß sich meiner eine tiefe Verbitterung bemächtigte,
die auf lange Zeit hinaus vorgehalten hat. Ich habe aber geglaubt, den Vorgang
mit den Fensterläden ausführlicher besprechen zu sollen, um das tiefe Mißtrauen
verständlich zu machen, das mich den Ärzten gegenüber jahrelang beherrscht hat
und von dem dieselben vielleicht auch in meinem Verhalten manche Anzeichen
gefunden haben werden. Die erwähnten Fensterläden (die einzigen auf dem von
mir bewohnten Flügel der Anstalt) sind jetzt noch vorhanden, werden aber schon
seit langer Zeit nicht mehr verschlossen. Sonst finden sich dergleichen
Fensterläden nur in den für Tobsüchtige eingerichteten Zellen im Erdgeschosse
und im ersten Stockwerke des Rundflügels der Anstalt. In verschiedenen dieser
Zellen habe ich während zweier Jahre (1896 - 98) geschlafen, wobei die durch die
Verfinsterung erzeugten Übelstände für mich womöglich noch schlimmer
hervortraten.
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So argumentiert kein Paranoiker, obwohl Schreber dem Despotismus der totalen
Institution unterlag. Warum hat sich Schreber als Verfolgter empfunden? Eben weil er kein
Paranoiker war. Letzten Endes war Schreber der Sieger, ein Sigfried, dessen Leitmotiv aus
Wagners Oper über den Eingang an 15a Angelikastrasse in Dresden gemeißelt ist, wo
Schreber nach der Entlassung aus Sonnenstein mit seiner Frau und Adoptivtochter Fridoline,
die er mit Liebe erzog, 5 gute Jahre verbrachte. 1906 erschien in Deutsches Wochenschach
und Berliner Schachzeitung Schrebers Artikel „Über Urheberrecht an Turnpartien.“ 1907,
nach dem Tode der Mutter und dem Schlaganfall der Frau, kam der letzte Schub und vier
Jahre später Tod durch ärztliche Fahrlässigkeit verursacht.
Noch bei Flechsig spielte Paul für Sabine die Arie aus Händels Messias "Ich weiß,
daß mein Erlöser lebt", Diese Hiobs-Rede ist eine doppelte Anspielung an den Prolog im
Himmel im Buch Hiob und Goethes Faust. Gleich Satan, hat Mephisto-Flechsig Gott entführt
um Schreber mit gräßlichen Wunder zu martern. Auf diese Weise hat Schreber sein
Alltagsdrama in ein Heldendrama umgestaltet (Lothane, 1998a).
Freud über Schreber
Dank meinem Meister Freud sind Paul und Moritz Schreber unsterblich geworden. Ende 1899
erscheint Freuds Hauptwerk, Die Traumdeutung, vordatiert auf 1900, um das moderne
Jahrhundert anzukündigen, in welchem der Kern der psychoanalytischen Methode als
Verstehen, Forschen und Heilen vorliegt, die Gleichsetzung von Traum, Neurose, und
Psychose: „Was nun eigentlich die Untat Flechsigs und welches seine Motive dabei waren,
das wird als eine besonders intensive Wahnbildungsarbeit angesehen werden dürfen, wenn es
gestattet ist die Paranoia nach dem Vorbild des um so viel besser bekannten Traumes zu
beurteilen“, also Wahnbildungsarbeit gleich wie Traumbildungsarbeit, Wahndeutung gleich
Traumdeutung. Freud blieb aber seiner Traum Methode nicht treu und zwar aus zwei
Gründen. Erstens, er vermischte Traum mit Trieb (Sexualtrieb), eine Reduktion; zweitens, in
seiner Theorie der Psychopathologie griff er nach einer Verallgemeinerung und hoffte daß es
ihm „gelingt, gerade den Kern der Wahnbildung mit einiger Sicherheit auf seine Herkunft aus
bekannten menschlichen Motiven zurückzuführen“. Aber kein Knecht kann zwei Herren
dienen: man kann entweder eine Fantasie bzw. Wahnidee wie einen Traum individuell und
historisch, mit den Einfällen des Analysanden, interpretieren; oder dieselbe unter einer
Verallgemeinerungs-Formel schablonenartig subsumieren. Und da liegt das Problem: Freud
versuchte Schrebers Idee, daß „Flechsig [...] an dem Kranken einen ‚Seelenmord’ begangen
[hat]“ durch eine einfache Formel aufzulösen, und damit „alle Fäden des Komplotts“ zu
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erraten. Als Schreber sich an seine frühere Krankheit erinnerte, so Freud, erlebte er die
„Sehnsucht, ich möchte Flechsig wieder einmal sehen, die eine Verstärkung zur Höhe einer
erotischen Zuneigung gewann und der Kranke einen sexuellen Mißbrauch von seiten des
Arztes fürchtete. Ein Vorstoß homosexueller Libido war also die Veranlassung dieser
Erkrankung... und das Sträuben gegen diese libidinöse Regung erzeugte den Konflikt, aus
dem die Krankheitserscheinungen entsprangen.“ Falsche Beschreibung macht falsche
Deutung. Diese reduktive Freudsche Deutung, das Reduzieren von Liebe als agape auf Sexus,
ist weit hergeholt und haltlos, er hat Schrebers Frauenwerdung-Fantasie als homosexuelle
Begierde umgeschrieben und umgedeutet, Entmannung als Kastration umgedeutet und damit
den metaphorischen Sinn der Schreberschen Entmannung verpaßt. Konflikt stimmt, aber
zwischen einer weiblichen und männlichen Identität, die C. G. Jung in der Typologie von
Anima und Animus übernahm. Die Freudsche Umdeutung ist Freuds Wahn (siehe
Leitspruch), während Schrebers Wahn die Wahrheit über Flechsig enthält. Schreber war
weder ein offensichtlicher Paranoiker noch ein verborgener Homosexueller, diese ganze
Konstruktion stürzt wie ein Kartenhaus ein, oder, wie er gestanden hatte, Kant zitierend, „in
die lächerliche Rolle geraten, als des Mannes, der das Sieb unterhält, während ein anderer den
Bock melkt“ (S. 268).
Freud hat seine eigenen Zweifel bezüglich seiner Schreber-Analyse zum Ausdruck
gebracht: An C. G. Jung schrieb er: “Der Schreber ist formell unausgebildet, wirklich nur
flüchtig hingemacht aber er enthält einige schöne Momente. Im Gegensatz zu früheren
Arbeiten bin ich diesmal über die innere Güte ganz urteillos, dank der dabei vorgefallene
Bekämpfung innerer Komplexe (Fließ)“, also eigener Homosexualität. An S. Ferenczi schrieb
Freud: "Der Schreber ist saure Arbeit. Hohngelächter oder Unsterblichkeit or both“; und
wiederholt an Binswanger: “Es wird ein kühner Vorstoß ins Herz der feindlichen Stellung in
der Paranoiafrage werden”. Das mag wohl sein, aber Freud hat doch die falsche ParanoiaDiagnose gebilligt und Schrebers ganze Lebensgeschichte verkannt. Ein Genie kann sich
wohl irren aber auch diese geniale Einsicht zum Ausdruck bringen: " W a s w i r f ü r
dieKrankheitsproduktion halten, die Wahnbildung, ist in
Wirklichkeit der Heilungsversuch, die Rekonstruktion “
(1911, S. 308; Ergänzung bei Freud).
Da Freud sich viel mit Drama, mit Sophokles und Ibsen, beschäftigte (Brandell,
1976) wäre er mit meiner Dramatologie einverstanden (Lothane, 2009, 2010c, 2011c): „ein
Paradigma das sich einerseits of Dramatisierung in Gedanken (in Träumen und Phantasien
erlebte Bilder und Szenen) und andererseits im Handeln (in Dialogen und anderen
10
Interaktionen der dramatis personae untereinander) bezieht, die in Handlungen von Liebe und
Hass, Treue und Betrug [Ehebruch], Ehrgeiz und Mißerfolg, Triumph und Niederlage, Angst
und Tod, Verzweiflung und Hoffnung verstrickt sind“ (Lothane, 2010e, S. 98), Handlugen
welche mit Emotionen und deren Ausdruck in Gespräch, Gestik, und Gebaren verbunden
sind.
Gruppen- und Massenparanoia
Bislang haben wir uns nur mit der Paranoia des Einzelnen beschäftigt. Nietzsche lehrt: „Der
Irrsinn ist bei einzelnen etwas seltenes, - aber bei Gruppen, Parteien, Völkern, Zeiten die
Regel.“ Paranoisch heißt feindlich, mißtrauisch, überheblich, destruktiv gegen Andere denken
und handeln, und damit Verantwortung für das Denken oder die Handlung zu leugnen: da
sieht man den Unterschied zwischen Schrebers vorübergehender mißtrauisch-paranoischer
Stimmung und Webers festgelegte „unheilbare Paranoia“. Paranoisch waren Gruppen, z. B.
die Kreuzfahrer gegen deutschen Juden während des Schwarzen Todes, Parteien, wie die
Antisemiten-Fraktion im Reichstag, zur Zeiten Schrebers, Völker wie Türken gegen
Armenier, und und Verfolgungsmaßnahmen gegen eine Bevölkerung durch den grausamsten
Diktatoren des 20. Jahrhunderts, Stalin and Hitler, inspiriert. Bei Einzel-Paranoia leidet ein
Mensch der sich verfolgt fühlt durch reale bzw. gedachte Feinde weil er Liebe sucht. Bei
Gruppen-Paranoia leiden unzählige Menschen wenn sie aktiv verfolgt sind weil die Gruppe
oder ihr Führer Macht suchen, sodaß Paranoia Politik wird, eine Real-Politik dazu.
Das kommt besonders klar bei Militarismus und Hurra-Patriotismus. GruppenParanoia war zu erkennen in der englischen Form des letzteren, Jingoismus, im
Amerikanischen Spread-Eagleismus, in der Außen- und Kriegspolitik des letzten Kaisers.
Und damals so gut wie heute ist die Gruppen-Paranoia mit der Lüge eng verbunden, wie uns
Nietzsche lehrt: „Aber der Staat lügt in allen Zungen des Guten und Bösen; und was er auch
redet, er lügt - und was er auch hat, gestohlen hat er's.“ Unser Präsident Bush hat gelogen über
Saddams weapons of mass destruction, eigentlich weapons of mass deception. Dagegen, mit
Präsident Clinton: „when Clinton lied, nobody died“. Paranoisch war die Oberste
Heeresleitung welche die Dolchstoßlegende, bzw. die Dolchstoßlüge, eine Komplott-Theorie,
schuf: das Heer ist „im Felde unbesiegt“ geblieben aber die Niederlage des Deutschen
Reiches ist erst durch einen „Dolchstoß von hinten“ verursacht, durch innere („heimatlose
Zivilisten, Saboteure und Defätisten,“ Sozial-Demokraten). Damit wurde auch die deutsche
Kriegsverantwortung verleugnet. Die Nationalsozialisten haben die Dolchstoßlüge fortgesetzt
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und die demokratischen Weimarer Politiker und das Internationale Judentum beschuldigt.
Und so kam es zur Ermordung von Matthias Erzberger und Walther Rathenau.
Paranoisch war auch Hitler, Führer und Verführer des deutschen Volkes vor und
nach der Machtergreifung. Der Jude, wie Hitler in Mein Kampf schreibt,
„(Der Jude) ist und bleibt der ewige Parasit, ein Schmarotzer, der wie ein
schädlicher Bazillus sich immer mehr ausbreitet, sowie nur ein günstiger
Nährboden dazu einlädt. Die Wirkung seines Daseins aber gleicht ebenfalls der
von Schmarotzern: wo er auftritt, stirbt das Wirtsvolk nach kürzerer oder längerer
Zeit ab. Wohl hängt er seine Frauen manchmal einflußreichen Christen an, allein,
er erhält seinen männlichen Stamm grundsätzlich immer rein. Er vergiftet das Blut
der anderen, wahrt aber sein eigenes. Der Jude heiratet fast nie eine Christin,
sondern der Christ die Jüdin. Die Bastarde aber schlagen dennoch nach der
jüdischen Seite aus. Besonders ein Teil des höheren Adels verkommt vollständig.
Der Jude weiß das ganz genau und betreibt deshalb diese Art der „Entwaffnung“
der geistigen Führerschicht seiner rassischen Gegner planmäßig. Zur Maskierung
des Treibens und zur Einschläferung seiner Opfer jedoch redet er immer mehr von
der Gleichheit aller Menschen, ohne Rücksicht auf Rasse und Farbe. Die Dummen
beginnen es ihm zu glauben.“
Und aus Hitlers Reichstage Rede am 30. Januar 1939:
„Ich will heute wieder ein Prophet sein: Wenn es dem internationalen
Finanzjudentum in und außerhalb Europas gelingen sollte, die Völker noch einmal
in einen Weltkrieg zu stürzen, dann wird das Ergebnis nicht die Bolschewisierung
der Erde und damit der Sieg des Judentums sein, sondern die Vernichtung der
jüdischen Rasse in Europa.“
1960 versuchte Elias Canetti in Masse und Macht Hitlers angebliche Paranoia mit Paul
Schrebers “Paranoia” gleichzusetzen, eine Verleumdung, wobei die Komplexität des
Nazismus auf eine psychiatrische Banalität reduziert wird (Lothane, 1996). Der
amerikanische Psychiater Morton Schatzman, Nachahmer Niederlands und Verfasser des
Reissers Die Angst vor dem Vater, zitierte Canetti:
„Wir werden bei Schreber ein politisches System von beunruhigender Vertrautheit
finden. Es wurde in etwas roherer und weniger ‚gebildeter’ Fassung zum Credo
eines grossen Volkes. Schrebers Ansprüche sind damit von seinen Jüngern
nachträglich anerkannt worden“
tja, ehrlich, jeder Schuljunge trug ein Exemplar der Denkwürdigkeiten in seinem Tornister
und Adolf Hitler hat diese auch gelesen. Canetti verriet allerdings nicht daß er diese Idee von
Freuds Bewunderer Arnold Zweig plagiierte. In seinem 1933 Buch Bilanz der deutschen
Judenheit, wies Zweig Parallelen zwischen der “paranoiden” antisemitischen und
nationalistischen “Massenpsychologie” der Nazis und dem „Zeugnis der wahrhaft genialen
Selbstbeschreibung des geisteskranken, entmündigten und ungewöhnlich scharfsinnigen
12
Dresdener Senatspräsident Dr. Schreber“ auf. Zweig verglich Hitlers Mein Kampf, »diese
Mischung von besessener Propaganda, abgestandenen Brocken einer kümmerlichen
Autodidaktenbildung, schlagartig falschen Bildern«, »die unheimliche Geschwätzigkeit, den
affektgedrängten Vortrag und von Gedankenflucht ausgehende Schachtelsätze« mit dem
»unheimliche[n] Durch- und Nebeneinander von Wahn und geistiger Schlagkraft« im Werk
Schrebers. Mit dieser Logik meinte A. Zweig, »den maßlosen Uniformtrieb des
Deutschnationalismus« und die »völkischen Agitatoren und Gläubigen« durch Vergleiche mit
Schreber erklären zu können. Die Antwort auf die Frage, warum diese Propaganda so viele
Vollstrecker hatte, soll man in der Dynamik der Massenpsychologie suchen (Freud, 1921;
Lothane, 2006).
Moritz Schreber wurde gleichermaßen verunglimpft. Laut Schatzman, sind „Dr.
Schrebers Ansichten ein Vorspiel der Ideologie der Nazis, die 80 Jahre später Menschen aus
Gründen der ‚Rassenhygiene’ oder ‚Gesundheit’ töteten. Hitler und seinesgleichen wuchsen
in einer Zeit auf, als Dr. Schreber Sr. den Familientotalitarismus predigte“, so daß die „mikrosoziale Despotie der Familie Schreber“ den Weg zur „makro-sozialer Despotie des NaziDeutschlands“ ebnete. Unsinn! Die Auflagen Schrebers Bücher waren ganz bescheiden und
enthielten keine ähnliche Ideologie. Hitler und seine Zeitgenossen wurden nicht mit seinen
Büchern erzogen. Der Hitler-Jugend Nachwuchs unterlag der NS-Ideologie von Hitler, Baldur
von Schirach, Goebbels und Dr. Johanna Haarer (siehe unten) dessen unzählige Nachfolger
im Stalingrad-Kessel (Plievier, 1952) und anderen Schlachtfeldern ihren Tod fanden.
Seelenmord und Vernichtungsparanoia: der Holocaust als Mord und Seelenmord
Paul Schreber warnte die Psychiatrie „vor unwissenschaftlicher Generalisierung und
vorschneller Aburtheilung [um nicht] mit beiden Füßen in das Lager des nackten
Materialismus [zu] treten“ (S. 80). Ihren Höhepunkt erreichte die erstarrte, materialistische
seelenlose Psychiatrie ihren schrecklichen Höhepunkt mit der Publikation des Buches von
Jurist Binding und Psychiater Hoche (1920), Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten
Lebens Ihr Maß und ihre Form. Der Jurist verband die „Tötung von Nebenmenschen“ mit der
rechtmäßigen Euthanasie und betrachtete die Freigabe der Tötung der „zufolge Krankheit
oder Verwundung unrettbar Verlorenen,“ beifügend die Bewußtlosen, Idioten und unheilbaren
Geisteskranken, als „Pflicht gesetzlichen Mitleids. Das Gute und das Vernünftige müssen
geschehen trotz allen Irrtumsrisikos. “ Hoche, zuvor als prominenter Freud-Feind bekannt,
verwies auf „Ballastexistenzen“ und sah vor daß „wir werden vielleicht eines Tages zu der
Auffassung herantreten, daß die Beseitigung der geistig völlig Toten kein Verbrechen, keine
13
unmoralische Handlung, keine gefühlsmäßige Roheit, sondern einen erlaubten, nützlichen Akt
darstellt.“ 1936 schrieb Hoche:„ich lehne den Standpunkt ab, daß der Arzt die bedingunglose
Pflicht hat, das Leben zu verlängern...es gibt Umstände, unter denen für dem Arzt das Töten
kein Verbrechen bedeutet“ (S. 290).
Während des NS-Regimes wurde Sonnenstein unter seinem Direktor Dr. Nitzsche verurteilt und hingerichtet wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit – wurde Sonnenstein
zu einem Euthanasiezentrum für die planmäßige Ermordung von Siechen, psychisch Kranken
und sowjetische Kriegsgefangenen verwandelt (Böhm, 2000). Die planmäßige Ermordung
von Siechen, psychisch Kranken, und sowjetischen Kriegsgefangenen mit Gas wurde zur
Generalprobe für Auschwitz, wie es Harry Friedlander in seinem Buch The origins of Nazi
genocide From euthanasia to the final solution, 1995 darstellte.
Schreber contra Flechsig
Seelenmord war keine Wahnidee bzw. -system sondern eine Reaktion auf die Art, wie
Schreber behandelt wurde: Es war die iatrogene Wirkung bzw. die Wirkungslosigkeit der
Behandlung, die Mißhandlung durch rohe Wärter, und endlich die Überlassung durch
Flechsig. Wie gesagt, Schreber gestaltete dieses Gesamt-Trauma in ein Drama in der Art eines
Hiob und eines Faust um (Lothane, 1998a, 2008). Er dramatisierte (Lothane, 2009, 2011)
seine traumatischen Erlebnisse unter Verwendung von zweierlei Stilmittel: einerseits
nüchterne Erzählprosa und andererseits Sprache der Phantasie und des magischen Realismus à
la Goethe. Infolgedessen sah Schreber in Flechsig eine mephistophelische Gestalt, welche
Gott versuchte, wie Satan im Buch Hiob, einen unschuldigen Mann verfolgen und bestrafen:
„Daß Gott selbst der Mitwisser, wenn nicht gar der Anstifter des auf den an mir zu
verübenden Seelenmord und die Preisgabe meines Körpers als weibliche Dirne gerichteten
Plans gewesen sei, ist ein Gedanke, der sich mir erst sehr viel später aufgedrängt hat, ja zum
Theil, wie ich sagen darf, mir erst während der Niederschrift des gegenwärtigen Aufsatzes zu
klarem Bewußtsein gekommen ist“ (S. 59). In der phantasierten "Seelensprache" wurde
Flechsig "Seelenmörder" genannt und selbst noch in dem “Offenen Brief an Herrn Geh. Rath
Prof. Dr. Flechsig“ von 1903, Schreber war bereits ein freier Mann, ist er noch vorsichtig
genug, Flechsig nicht offen des Kunstfehlers zu bezichtigen: „ob nicht vielleicht das ganze
Stimmengerede, daß irgend Jemand Seelenmord getrieben habe, darauf zurückzuführen sei,
[...] den Seelen (Strahlen) überhaupt als etwas Unstatthaftes erschienen sei und daß man zu
möglichst kräftiger Kennzeichnung dieser Unstatthaftigkeit mit der den Seelen durchaus
eigenen Neigung zu hyperbolischer Ausdrucksweise in Ermangelung eines anderen gleich zur
14
Verfügung stehenden Ausdrucks des irgendwie von früher her geläufigen Ausdrucks
"Seelenmord" sich bedient habe“ (S. X-XI). Seelenmord war also kein psychotischer
Neologismus Schrebers sondern ein juristischer Begriff, den Anselm Feuerbach (1775-1833)
auf die Gefangenhaltung des berühmten Kaspar Hauser angewandt hatte. Schreber sah sich
wie Kaspar Hauser als ein Opfer eines „Verbrechen am Seelenleben“, der „in fast
gefänglicher Absperrung lebte, namentlich vom Umgang mit gebildeten Menschen, selbst von
der (den sog. Pensionären der Anstalt zugänglichen) Familientafel des Anstaltsvorstands
ausgeschlossen war, niemals aus den Mauern der Anstalt herauskam usw.“ (S. IV). Schreber
beschuldigte Flechsig, er habe ihn "liegen gelassen", er habe seinen Statut auf ihn angewandt,
nach welchen ein Patient nur sechs Monate in einer Universitätsklinik liegen durfte, anstatt
daß er von seiner Macht als Direktor Gebrauch gemacht hätte, um ihn bis zur Besserung zu
behalten. Mehr noch, kurz vor Ende der sechs Monate geriet Schreber mit seiner Frau in Streit
um Geld. Sabine Schreber hatte sich an den Vorgesetzten ihres Mannes gewandt, Direktor Dr.
Karl Edmund Werner (1835-1898), der ihr riet, eine gerichtliche Entmündigung anzuregen,
was dann 1895 geschah; damit, und mit Webers Diagnose der chronischen Paranoia, war
Schrebers Schicksal doppelt besiegelt
Schreber contra Weber
Schrebers Einwände gegen Weber sind in seiner sorgfältig verfaßten Berufungsbegründung
enthalten und in seiner forensisch-psychiatrischen Schrift “Unter welchen Voraussetzungen
darf eine für geisteskrank erachtete Person gegen ihren erklärten Willen in eine Heilanstalt
festgehalten werden?” (Schreber, 1903, S. 363-376), wo das Wort Freiheitsberaubung 13 Mal
auftritt, zugleich der meist fortgelassene Untertitel der Denkwürdigkeiten, weshalb er das
Buch überhaupt geschrieben hat, nämlich die Aufhebung der Entmündigung zu erreichen und
den Sonnenstein noch als Lebender verlassen zu dürfen, wie Schreber darin ausdrücklich
erklärt hatte: “Ich muß den Wunsch hegen, daß, wenn einmal mein letztes Stündlein schlägt,
ich nicht mehr in einer Heilanstalt, sondern in geordneter Häuslichkeit in der Umgebung
naher Angehöriger mich befinde, da ich vielleicht einer liebevolleren Pflege bedürfen werde,
als mir in einer Anstalt zuteil werden kann’’ (1903, S. 338).
Nach der als traumatisierend erlebten Verlegung nach der Sonnenstein-Anstalt
machte Schreber einen Fluchtversuch, erfolglos. Während des ersten Jahres hat Gott dem
Schreber allerlei quälende Wunder oder Wunden auferlegt, die in Kapitel XI beschrieben
werden. Ab 1895 trat eine Besserung ein, was folgendermaßen in das Krankenblatt
eingetragen wurde: “Immer noch erregt. Doch läßt er sich zu Unterredungen über
15
gleichgültige Dinge herbei. Spielt Klavier, Schach und liest wieder. Über seine
Wahnvorstellungen ist nichts zu erfahren. Schreit oft nachts laut u. brüllend zum Fenster
hinaus immer dieselben Schimpfworte oder «ich bin der Senatspraesident Schreber.“ Weber
beschrieb dieses Verhalten als „Reaktion gegen die Halluzinationen,“ ohne den
psychologischen Sinn bzw. die dynamische und reaktive Struktur der Halluzinationen zu
verstehen. Webers Beschreibung war allerdings eine voreingenommene Vermutung auf
Grund einer falschen Theorie. Es kam Weber nicht in den Sinn, daß Schreber wie ein Tiger
im Käfig brüllte, und er wie folgt argumentierte: „Die Brüllzustände, die mit den
Lärmausbrüchen katatonischer Kranker kaum etwas gemein haben dürften. Bei Paranoikern zu diesen will man mich ja nun einmal zählen - scheinen dieselben ein sehr ungewöhnliches
Vorkommnis zu sein: Das Gutachten des Geh. Rat Dr. Weber vom 5. April 1902 weiß nur von
einem einzigen Fall, in dem angeblich ähnliches an einem Paranoiker beobachtet worden sein
soll, zu berichten“ (S. 355).
Obwohl Weber in seinem Bericht (1899) korrekt bestätigt hatte: „Insofern indes
konnte etwa seit dem Frühjahr 1897 eine Wandlung bei dem Patienten wahrgenommen
werden“ (S. 385), wollte Weber nicht gehenlassen und die Frau weigerte sich ihn nach Hause
zu nehmen, weil sie Angst vor seinem Schreien hatte. So mußte Schreber bis 1902 kämpfen
um freigesprochen zu werden. Weber war auch aus folgenden Gründen total empört:
„Überblickt man den Inhalt seiner Schrift, berücksichtigt man die Fülle der Indiskretionen,
[…] so würde man es ganz unverständlich finden, daß ein Mann, der sich sonst durch Takt
und Feingefühl ausgezeichnet hat, eine ihn vor der Öffentlichkeit so schwer
kompromittierende Handlung beabsichtigen könne“ (S. 402). Die Richter am
Oberlandesgericht ergriffen jedoch Schrebers Partei und gaben ihm seine Freiheit zurück und
retteten die Denkwürdigkeiten vor der Zerstörung. Der Schreber-Fall wurde in der
forensischen Psychiatrie zu einem forensisch wichtigen Präzedenzfall.
In jeder klinischen Begegnung spielen kulturbedingte Vorstellungen über Gesundheit
und Krankheit und die Härte, in welcher diese aufeinander treffen, eine herausragende Rolle.
Daher ist es notwendig, bei einer Störung alle möglichen individuellen, sozialen, natürlichen
oder übernatürlichen in der Kultur liegenden Erscheinungen und Perspektiven in Betracht zu
ziehen, auch wenn diese einander zu widersprechen scheinen. Der Arzt wird dadurch
toleranter, dem Patienten verschafft es Entlastung für sein Leiden. Es ermöglicht die Klärung
der Frage, was normal oder unnormal ist, auch transkulturelle Gesichtspunkte zu
berücksichtigen. Wenn man die Ursachenfrage in dieser Weise berücksichtigt, dann können
Arzt und Patient besser miteinander kommunizieren, dann können sie die kommunikative
16
interpersonelle Bedeutung von Körperzeichen und Symptomen besser verstehen und können
gemeinsam herausfinden, was hinsichtlich einer Behandlung nützlich und wirksam ist.
Die Richtung meiner Analyse wird vermutlich als antipsychiatrisch gebrandmarkt
werden, ein nicht völlig harmloses, jedoch entschuldbares Mißverständnis. Die Idee der
Antipsychiatrie stammt von Bernhard Beyer (1912): “Die Stunde, in der die Irrenärzte die
Geisteskranken zu Menschen machten, war auch die Geburtsstunde des Mißtrauens, aus dem
dann wieder die a n t i p s y c h i a t r i s c h e Bewegung herauswuchs. Die „IrrenreformBewegung“ ist unbedingt als eine a n t i p s y c h i a t r i s c h e , d. h. eine gegen die
Psychiatrie resp. deren Vertreter, die Irrenärzte, im a l l g e m e i n e n gerichtete anzusehen“
(S. 10; Sperrung Beyer). Beyer bemerkte auch, daß der Leipziger Verleger Oswald Mutze mit
demselben Pinsel arbeite wie "die T h e o s o p h i s c h e Z e n t r a l - B u c h h a n d l u n g
in Leipzig" und nicht nur "Machwerke" wie “Alexander N. Aksakows Animismus und
Spiritismus, Versuch einer kritischen Prüfung der mediumistischen Phänomene mit
besonderer Berücksichtigung der Hypothesen der Halluzinationen und des Unbewußten“
veröffentlichte, sondern ebenfalls „die antipsychiatrischen Schriften von P. Schreber,
Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken" (S. 58-59). Allerdings, wenn Antipsychiatrie zwar
nicht nur eine bösartige Bewegung der "Feinde" der Psychiatrie war, dann waren doch die
Mißbrauchsfälle nicht nur Wahnprodukte querulatorischer Paranoiker, sondern die vielen
Fälle von Freiheitsberaubung waren in rechtlicher und sozialer Hinsicht ein Faktum, das zu
den berühmten Debatten im Reichstag führte und wurde am Ende auch eine Stimme der
Selbstkritik innerhalb der Profession selbst: “Da der Laie die therapeutische Ohnmacht des
Psychiaters sieht und seine widersprechenden Gutachten hört, glaubt er mit seinem «gesunden
Menschenverstand» ebenso oder besser zu verstehen. Über einen Staatsanwalt, der sich
souverän über das Gutachten unserer Autoritäten bewußt hinwegsetzt, regt sich schon heute
niemand mehr auf“ (Dobrick, 1911, S. 382; 1912; vgl. die Kapitel über Flechsig und Weber in
Lothane 2004). 50 Jahre später hat Goffman (1973) in Asyle die Anstalt as totale Institution
geschildert und wie diese, nicht nur die Krankheit, das Drama des Patienten prägt. Schreber
würde von Bleuler im Burghölzli, von C. G. Jung , von Riklin, A. Maeder ganz anders
behandelt.
Schreber contra Kraepelin
Emil Kraepelin, der noch heute in dem amerikanischen DSM und dem europäischen ICD
lebendig ist, erreichte seine Ziele indem er tausende von Einzelbeobachtungen und Berichten,
wie sie auf den legendären Zählkarten festgehalten worden waren, durch Abstraktion,
17
Verallgemeinerung und Schematisieren in seine neue Taxonomie psychischer Krankheiten
einbrachte. Das fing schon mit der ersten Auflage seine Lehrbuchs 1883 an. Als Schüler von
Wundt (der eine schicksalhafte Rolle in seinem Leben spielte, Vertreibung aus Leipzig durch
Flechsig, Exil in Dorpat und triumphale Rückkehr nach Heidelberg) dachte Kraepelin weit
mehr in psychologischen Kategorien als seine Zeitgenossen. Kraepelin war sich bewusst der
„Unmöglichkeit einer durchgreifenden Scheidung zwischen gesunden und
krankhaften Zuständen, … zwischen den einzelnen schulmässigen
«Krankheitsformen» alle möglichen Uebergänge im Leben anzutreffen. Sehen wir
doch auch in der inneren Medicin […] die Menge der selbst die eigenartigsten
Krankheitsgruppen … sich allmählich in anders benannte «Krankheitsspecies»
hinein verlieren. […] [und] somit von einer glatten Eintheilung der
Seelenstörungen, etwa im Sinne Linnés [auch Sydenhams Konzept der species
morbosa, Z. L.], für alle Zeiten, und von einer Aufstellung wissenschaftlich fest
begründeten Typen für jetzt noch absehen müssen“ (1896, S. 312).
Dies war auch Freuds Anliegen. Die zeitliche Mitte zwischen 1811 und 1911 sah den
Übergang von den Psychikern, wie Heinroth, zu den Somatikern. Die Psychiker waren sowohl
durch die rationalistischen Denker, etwa durch Immanuel Kant, angeregt worden wie auch
von romantischen Schriftstellern wie Schlegel oder Novalis sowie von den Philosophen wie
Schelling und romantischen Medizinern wie Jacob Joseph Görres, C. G. Carus, Heinroth und
Hufeland, ganz abgesehen von dem Einfluß, den Goethe ausübte. Die phantasiereiche
romantische Medizin auch Wissenschaft war (Leibbrand, 1956) und hat bedeutende
psychologische Beiträge zur Psychiatrie geliefert, vor allem mit ihrer Betonung der Einheit
von Körper und Seele, der Bedeutung der Sexualität, der Polarität in den sexuellen
Beziehungen, der sexuellen Identitäten, der Beziehungen von Psyche und Soma und
schließlich der Psychotherapie. Durch den Triumph der Neuroanatomie in der zweiten Hälfte
des Jahrhunderts ging das Pendel von der dynamischen zur organischen, hirnorientierten,
statischen Seite hinüber und wurden vor allem in den Heilanstalten praktiziert, z. B. von
Flechsig und Weber. Auf der anderen Seite war Freuds Methode des Biographischen und des
Psychotherapeutischen eine Rückkehr zu den Psychikern und damit zu einer Humanisierung
der Psychiatrie (Lothane, 1992a, 2004, 2008a). Im Zusammenhang mit Schreber ist der
Psychiker Blumröder zu erwähnen.
Was wäre, wenn Schreber den Blumröder gelesen hätte?
Über Psychikern wie Heinroth und Gustav Blumröder (1836) goß Kraepelin (1917) viel Spott
aus. Blumröder, der, wie Schreber, über persische Gottheiten nachdachte, Schelling anrufend:
„Man hat aus Gott und Natur, Ormuzd (Licht) und Ariman (Finsternis), dem
Chinesischen Yang und Y[i]n, dem guten Gott und dem bösen Gott, Gott und
18
Teufel, Intensiven und Extensiven, Beharrendem und Wechselndem, Freien und
Unfreien, Bewußtseyendem und Bewußtlosen, Kraft und Materie das Daseyende,
das All construirt; Der Mensch besteht aus Blut (Ariman) und Hirnmark
(Ormuzd), welches in ihm auf das Innigste verbunden und zu Eins verwachsen ist;
der Gott Ariman, das Blinde , das Basische, Plastische, das Treibende, der
Treiber, das Wechselnde, Viele, die Phantasie in Dir ist Dein Blut; — das Licht,
der Phosphorus, der Gott Ormuzd, das Wollende, Höhere, Erkennende,
Urtheilende, Beharrende, Eine, das Denkende in Dir ist Dein Hirn, und Du selbst
bist die Einheit dieser zwei Gegensätze zu Eins verwachsen. Ohne diese
Gegensätze wärest Du nicht. Erst durch sie, wird Trieb, Verlangen, Lust und
Schmerz, Wollen, Streben und Leben; ohne sie wäre eitel Leere, Unthätigkeit,
dumpfe Nichtigkeit. So aber ist Impuls gegen Impuls gegenseitig aus sich selber
und somit Leben. Er ist beides in Eins, er ist die Eine Ganzheit dieser beiden
Gegensätze, er ist sonst nichts, als diese, und diese sind sonst nichts, als er selber."
Leibbrand hat das Ganze somatische Mystik genannt, und Freud wäre einverstanden: .
„Ferner waltet und wirkt die Phantasie in überwiegendem Grade nach
geschlechtlicher Richtung hin und es mag hier unerörtert bleiben, welch grossen
Antheil Geschlechtslust an den bei weitem meisten ästhetischen Phantasien
überhaupt habe. In der Brautkammer der Schädelhöhle feiert die plastische
Phantasie ihre fortwährende Begattung mit der Hirnmasse...Nach jeder Nacht ist
sie wiederjungfräulich und der Bräutigam Phosphorus immer rüstiger. In dieser
Ehe, solange sie harmonisch Eintracht heiliget, feiert auch Ariman durch den
Ormuzd seine fortwährende Erlösung. Bei der produktiven Phantasie ist das Blut
das schwängernde Prinzip.“
Und Blumröder hatte Folgendes über Halluzinationen zu sagen: „Die
Hallucinationen für sich aber sind noch kein Irreseyn, obschon es veranlassend und
begleitend. Erst wenn der Kranke die subjektive Sinnestäuschung für objektiv Reales oder
ausser ihm Wirkliches hält, ist er ein Irrer"; klar genug, nicht alle Phantasien werden zu
Wahnerscheinungen erklärt.
Es gibt für mich zwei Gründe, warum ich Blumröder zitiere. Erstens, weil er ebenso
wie Schreber persische Gottheiten erwähnt, um etwas Wahres in poetischer Weise zu
erklären; und zweitens, weil Schrebers Phantasien ihm irreführend als “wahnhafte
Vermischung” oder “wahnhaftes Material” (Niederland, 1978, S. 130) oder gar als
“Wortsalat” (S. 11) ausgelegt wurden. Phantasie ist im Alltagsleben wie in der Literatur ein
psychologisches Geschehen und Begriff, ein Bild der Einbildungskraft, eine Vorstellung.
Wahn dagegen ist ein psychiatrisches und forensisches Konzept mit ernsthaften rechtlichen
Konsequenzen, was sich etwa daraus ergibt, wie Schreber durch seine Psychiater behandelt
worden ist (Lothane, 1992a, 2004, 2010b).
Da Kraepelin der Generation angehörte, welche mit den Psychikern brach, ordnete er
die Halluzinationen als grundlegende "Erscheinung des Irreseins" und als “Störungen des
Wahrnehmungsvorganges” ein (1896, 1899) und nicht als Erscheinungen der Einbildung.
19
Man vergleiche dies mit dem methodologischen Ansatz des Psychikers Leubuscher (1852)
aus der anthropologischen Perspektive heraus:
„das Wort Sinnestäuschung [ist] nicht anzuerkennen, denn die Sinne selbst
täuschen sich nicht, und wir dürfen eigentlich nur von T ä u s c h u n g e n
d u r c h d i e S i n n e r e d e n (S. 2). Sie entsteht 1) durch und bei dem
u n w i l l k ü r l i c h ablaufenden p h a n t a s t i s c h e n Spiel der
V o r s t e l l u n g e n ; 2) durch einen Affekt oder eine Leidenschaft; 3) durch den
Willen, durch auf eine bestimmte Vorstellung gerichtete und fixierte Intention (S.
27). Man könnte die letztere Weise der Hallucinationen als p s y c h i s c h e
bezeichnen, insofern sie a l l e i n von der Erregung der den Vorstellungen,
Gefühlen und Willensäusserungen dienenden Nerventheile abhängen, die selbst
durch psychische Ursachen hervorgerufen ist; […] Die specielle Darstellung der
Ursachen zeigt, wie oft die Hallucination des Einzelnen nur die
V e r d i c h t u n g dieser allgemein in der Zeit schwebenden Vorstellung
gewesen ist“ (S. 32) (Sperrung im Original).
Dagegen lehrte Kraepelin, daß das “Gemeinsame dieser ganzen Gruppe von
Sinnestäuschungen liegt in der vollkommen s i n n l i c h e n
D e u t l i c h k e i t
derselben. […] Die Kranken g l a u b e n nicht nur, zu sehen, zu hören, zu fühlen, sondern
sie sehen, hören, fühlen w i r k l i c h “ (1896, S. 100; Sperrung im Original) Aber da ist
das Problem: was ist “wirklich” und für wen? Wer hat da das Recht zu urteilen? Wir können
unter keinen Umständen wissen, was die Patienten sehen. Schreber unterschied sehen mit dem
„leiblichen Auge“ (S. 157) von „mit dem geistigen Auge sehen" (S. 123). Es ist daher nicht
Aufgabe des Psychiaters zu entscheiden ob die Kranken etwas „wirklich“ sehen sondern
ausschließlich, dem Patienten zuzuhören, den Sinn seiner Erfahrung zu verstehen und sein
Verstädnis dem Kranken mitteilen, wie es Freud sah: “in jedem Wahn steckt auch ein
Körnchen Wahrheit, es ist etwas an ihm, was wirklich den Glauben verdient, und dieses ist
die Quelle der also so weit berechtigten Überzeugung des Kranken” (Freud, 1907, S. 108).
Freud nannte das psychische Realität, ich schlage dafür emotionale Realität vor. Schreber war
einverstanden: „Ich bin der Meinung, daß den meisten Vorstellungen des Volksaberglaubens
irgendein Körnchen Wahrheit, irgendeine Ahnung übersinnlicher Dinge zugrunde liegt“
(Schreber, S. 339), so daß Schrebers Visionen und Vorstellungen seine emotionale Realität
waren.
Schreber stimmte diesen Worten Kraepelins zu: „Ich will durchaus nicht bezweifeln,
daß man es in sehr vielen derartigen Fällen mit bloßen Sinnestäuschungen zu thun haben mag,
als welche sie in dem genannten Lehrbuche durchweg behandelt werden“ (S. 78). Aber er
stimmte durchaus nicht Kraepelins Meinung über den "ü b e r n a t ü r l i c h e n
Charakter der gehörten Stimmen” zu (S. 110; Sperrung im Original), angewandt auf sich
selbst, da er sich selbst nicht als Geisteskranken sah, sondern als einen Mystiker:
20
„Allein, die Wissenschaft würde meines Erachtens doch sehr unrecht thun, wenn
sie alle derartige Erscheinungen als jeder objektiven Realität entbehren als
„Sinnestäuschungen“ in die allgemeine Rumpelkammer der unwirklichen Dinge
werfen wollte, wie dies vielleicht bei den von Kräpelin Seite 108 ff. behandelten,
mit übersinnlichen Dingen nicht in Zusammenhang stehenden Sinnestäuschungen
gerechtfertigt sein mag. Ich halte es durchaus nicht für ausgeschlossen, daß es
sich wenigstens in einer gewissen Anzahl derartiger Fälle um wirkliche
Geisterseher niederen Grades“ (S. 78-79; Schrebers Hervorhebungen).
Ganz ähnlich urteilte Schreber über die Medien:
„Auch die sogen. Medien der Spiritisten dürften, wenn schon in vielen Fällen
Selbsttäuschung und Betrug mit unterlaufen mag, doch in einer nicht geringen
Zahl von anderen Fällen als wirkliche Geisterseher niederen Grades in dem
angegebenen Sinne anzusehen sein. Man hüte sich also in solchen Dingen vor
unwissenschaftlicher Generalisierung und vorschneller Aburtheilung“ (S. 79-80).
Und Schreber debattierte Kraepelin, wie er zuvor Weber disputierte:
„Auf der andern Seite wird man von einer «Unfähigkeit des Kranken zu scharfer
und durchgreifender Berichtigung der neuen Vorstellungen an der Hand der früher
gemachten Erfahrungen», S. 146 und von einer „Urtheilsschwäche“, Kräpelin S.
145 bei mir nach dem gesamten Inhalt der gegenwärtigen Arbeit wohl schwerlich
etwas entdecken können. Ich glaube bewiesen zu haben, daß bei mir [Ergänzung
Schrebers] nicht bloß eine «gedächtnismäßige Beherrschung feststehender
Gedankenreihen und früher erworbener Vorstellungen» vorliegt, sondern daß
auch die «Fähigkeit zu kritischer Berichtigung des Bewußtseinsinhaltes mit Hilfe
von Urteil und Schluß» (S. 146) in voller Schärfe vorhanden ist“ (Fussnote No.
42).
Bleibt die Frage, wie erkennt man nun einen wirklichen Mystiker? Man kann vielleicht beim
Propheten Hesekiel, beim Heiligen Johannes vom Kreuz, bei der Heiligen Theresa von Avila,
wie Schreber, aber ebenso bei der Hildegard von Bingen, der Mechtild von Magdeburg oder
Jakob Böhme (Buber, 1923). Und Schreber erklärt:
„ Dabei betone ich von neuem, wie schon an anderer Stelle (Kap. VI der
Denkwürdigkeiten) geschehen, daß ich nicht im mindesten Anstand nehme, das
Vorhandensein eines krankhaft erregten Nervensystems als Voraussetzung für das
Hervortreten aller derartiger Erscheinungen [„Stimmen“, „Visionen“]
anzuerkennen. [...]" Der Mensch mit gesunden Nerven ist eben demjenigen
gegenüber, der infolge seiner krankhaften Nervenverfassung übersinnliche
Eindrücke empfängt, sozusagen geistig blind, er wird daher den Visionär
ebensowenig von der Unwirklichkeit der Visionen überzeugen können, wie etwa
der körperlich sehende Mensch von dem (körperlich) Blinden sich einreden läßt,
daß es keine Farben gebe, Blau nicht Blau, Rot nicht Rot sei usw.“ (S. 306-308).
Ganz ähnlich haben andere stationäre Patienten von sich aus behauptet, daß ihnen während
psychotischer Episoden wichtige mystische Einsichten zuteil geworden seien (Boisen, 1936,
1960; Custance, 1952, 1954). Zuletzt hat Obeyesekere (2012) Schrebers als Visionär
gutgeheißen. Wie dem auch sei, bleibt auch die Frage übrig: was ist Halluzination?
Wahn und Halluzination
21
Keine andere Manifestation des Seelenlebens hat unter Psychiatern so viele Diskussionen
hervorgerufen wie die Theorien über Wahn und Halluzinationen, endend in unzähligen
Antinomien und Aporien. Goethe hat das Problem auf den Punkt gebracht: „Die Sinne trügen
nicht, aber das Urteil trügt.“ Um das besser zu verstehen, habe ich eine methodologische
Analyse vorgenommen (Lothane, 1982, zitiert bei Spitzer, 1988). Die Mißverständnisse über
die Natur der Halluzinationen rühren von daher, daß Wahrnehmung und Vorstellung
miteinander vermischt werden (Russell, 1921; Ryle, 1949; Sartre, 1940; Strauss, 1962). Die
Psychiater wurden Opfer eines philosophischen Fehlers, indem sie Wahrnehmung mit
Vorstellung gleichsetzten, d. h. in Bildern zu denken, was auf David Hume (1711-1776)
zurückgeht: “Leute fortwährend Dinge mit ihrem geistigen Auge sehen und im Geiste hören,
kein Beweis kein Beweis dafür, daß die Dinge existieren, die sie sehen und hören, oder daß
diese Leute wirklich etwas sehen oder hören. So wie etwa ein Bühnenmord ein Opfer fordert
und kein Mord ist, kann man etwas im Geiste sehen unabhängig von der Existenz des
Gesehenen oder dem Ereignis von Sehakten“ (Ryle, 1949, p. 245; Übersetzung S. 335f.).
Denken in Bildern bzw. Vorstellungen hat Freud (1900) methodologisch klargestellt:
„Der Traum denkt also vorwiegend in visuellen Bildern [und] auch mit
Gehörsbildern und in geringerem Ausmaße mit Eindrücken [Bildern, Z. L.] der
anderen Sinne. Vieles wird auch im Traum einfach gedacht oder vorgestellt
(wahrscheinlich also durch Wortvorstellungen vetreten), ganz wie sonst im
Wachen. Charakteristisch für den Traum sind aber doch nur jene Inhaltselemente,
welche sich wie Bilder verhalten, d.h. den Wahrnehmungen ähnlicher sind als den
Erinnerungvorstellugen.... [D]er Traum h a l l u z i n i e r t, daß er Gedanken
durch Halluzinationen ersetzt. In dieser Hinsicht besteht kein Unterschied
zwiszchen visullen und akustischen Vorstellungen ... und
Erinnerungsvorstellung[en]. ... Aus diesen Bildern gestaltet der Traum eine
Situation, er stellt etwas als gegenwärtig dar, er d r a m a t i s i e r t eine Idee“ (S.
52-53; Sperrung Freuds).
1937 verknüpfte Freud das Halluzinieren mit Erinnerungen in der psychoanalytischen Kur:
„(die Patienten) bekamen lebhafte Erinnerungen, von ihnen selbst als
‘überdeutlich’ bezeichnet, [die] Details z. B. die Gesichter der [in der
Konstuktion] genannten Personen überscharf, oder die Räume. Diese
Erinnerungen hätte man Halluzinationen nennen können, wenn zu ihrer
Deutlichkeit der Glaube an ihre Aktualität hinzukommen wäre bei anderen, gewiß
nicht psychotischen Fällen. Vielleicht ist es ein allgemeiner Charakter der
Halluzination, bisher nicht gewürdigt, daß in ihr etwas in der Frühzeit Erlebtes
und dann Vergessenes wiederkehrt. Und bei der nahen Beziehung der
Halluzinationen zu bestimmten Formen von Psychose sind die Wahnbildungen
nicht so unabhängig vom Antrieb des Unbewußten und von der Wiederkehr des
Verdrängten. Das ist doch auch der uns bekannte Mechanismus des Traumes, den
schon uralte Ahnung dem Wahnsinn gleichgesetzt hat“ (S. 53-54).
22
Es ist klar genug, daß die altehrwürdige Definition, Halluzinationen seien
Sinneswahrnehmungen ohne Objekt, in sich widersprüchlich und daher falsch ist. Es ist
absurd, ein positves Phänomen, eine Vorstellung, als defekte Wahrnehmung zu definieren, als
etwas, was einen Defekt des Gehirns oder der Nerven zur Ursache hat; es ist absurd, passiv
erlittene Defekte der Sinnesorgane oder des Muskelapparates mit Vorstellungen, also aktiven
seelischen Vorgängen, zu verwechseln. Wenn man das Phänomen Halluzination wirklich
verstehen will, muß man sich in Analogie zum Träumer als Person, d.h. dem Halluzinanten,
zuwenden, denn er ist der Autor der Halluzinationen. Bislang war es üblich, den Unterschied
zwischen Sinneswahrnehmung und Vorstellung am Beispiel der optischen Wahrnehmung und
lebhaften optischen Halluzinationen zu erläutern. Wenn es um akustische Wahrnehmung
einerseits und akustische Halluzinationen in Form von gesprochenen Worten und dem lauten
Hören der eigenen Gedanken andererseits geht, sind die phänomenologischen Unterschiede
komplexer: "Weitaus die meisten Halluzinationen sind solche des Hörens, WortHalluzinationen, ... eher diskursartig und intellektuell, woraus sich die Beziehung zu
Wahnideen erklärt." (Lothane, 1982, p. 341), und so auch Kraepelin:
„G e h ö r s t ä u s c h u n g e n welche als «Stimmen» auftreten, ein Ausdruck, den der
wahre Gehörshallucinant fast immer sogleich versteht. Der Grund dafür liegt offenbar in der
tiefgreifenden Bedeutung, welche die Ausbildung der S p r a c h e für unser Denken besitzt”
(1896, S. 108). Klar, das Gehirn ist zwar das lebendige Organ, welches Gedächtnisfunktionen,
Einbildungsbilder, Gedanken und Gefühle des ganzen Menschen ermöglicht, im wirklichen
Leben ist es aber der Mensch, der die psychischen Funktionen bewirkt. Man kann zum
Zwecke der Analyse das Ganze philosophisch, empirisch oder experimentell in seine Teile
zerlegen, an der psychischen Realität ändert das aber nichts. Dagegen neigen die
Neurophilosophen dazu, einzelne Teile des Gehirns zu personalisieren und zugleich den
Menschen, die Person, zu depersonalisieren.
Jaspers versus Freud
Jaspers (1973) setzte Kraepelins Lehre der Halluzinationen fort indem er diese definierte als
künstlich abstrahierte "Einzelphänomene" und "Elementarerscheinungen", “die fundmentalen
Phänomene des Daseinbewußtseins, die isoliert zu betrachtenden Einzephänomene, wie z. B.
Truwahrnehmungen, Gemütszustände, Triebregungen“ (p. 49). Jaspers (1973) selbst
bezeichnete seine Betrachtungsweise als statisch, nicht genetisch (s. 23), also nicht
dynamisch. In Folge davon gab er der Somatisierung eine neue Bedeutung, indem er
"Lebhaftigkeit", das frühere dynamische Charakteristikum in Bezug auf Träumen,
23
Imagination und Halluzinationen, durch das statische Konzept der Körperlichkeit oder
"Leibhaftigkeit" ersetzte: “die [leibhaftigen] pathologischen Bewusstheiten [treten] völlig
primär auf und mit diesem Charakter des Eindringlichen, Gewissen, Leibhaftigen“ (Jaspers,
1973, S. 67) (Lothane, 1982). Diese „Leibhaftigkeit,“ vermutlich ein Kriterium der
Objektivität, hat Jaspers von dem Russischen Psychiater Viktor Chr. Kandinskii, der selbst
einen psychotischen Schub erlitt, übernommen, um das Konzept der "echten Wahnideen" zu
formulieren, im Sinne Urphänomene, welche “psychologisch nicht weiter zurückzufolgen,
sind phänomenologisch etwas Letztes. Bei [den echten Wahnideen] werden wir versuchen
müssen, dem eigentlichen Wahnbestand des Wahnerlebnisses näherzukommen, wenn es auch
nicht gelingt, uns in dies so fremdes Geschehen klar und anschaulich zu vergegenwärtigen“
(S. 78). Gegen diese Auffassung wurden Einwände erhoben durch Kurt Goldstein (1912),
Hüter (1929), und Schorsch 1934). Kurz und gut: der Phänomenologe sich wesentlich für die
Form und das Physiologische des Krankhaften interessiert und nicht für dessen Inhalt. Jaspers
war der Meinung, daß die Suche nach der Bedeutung des Inhalts zu endlosen Interpretationen
zweifelhafter Art führen werde, wogegen das Auffinden von Formen des Bewußtseins ein
sinnvolles Ziel für die deskriptive Psychopathologie sei. Da Jaspers seine Aufmerksamkeit
vor allem den organisch definierten endogenen Psychosen zuwandte, war er an reaktiven
Psychosen weniger interessiert, erstere als geeignet für die statische und organisch erklärende
Psychologie, die lezterere dagegen für eine "verstehende Psychologie", die doch eine gewisse
Affinität zu Freuds dynamischen und psychoanalytischen Psychologie hat. Niederland (1984)
hat auch auf diese „ambiguity“—um nicht Feindlichkeit zu sagen—in Jaspers hingewiesen (S.
166).
Die Bedeutung von Emotionen
Goethe lehrt: „Gefühl ist alles, Name Schall und Rauch.” Emotionen hat auch Kraepelin
betont:
„unter den Namen der Paranoia fasst eine grosse Zahl Deutscher Irrenärzte
zusammen daß die Störung [Paranoia] sich hauptsächlich oder ausschliesslich
a u f d e m G e b i e t e d e r V e r s t ä n d l i c h k e i t abspielt. In
Gegensatz zu Manie und Melancholie, bei denen man die massgebenden
Störungen auf dem Gebiete des Gefühlslebens erblickte, die bei [Paranoia]
gelegentlich beobachteten Affectschwankungen sollten auschliesslich «secundär»,
durch Vermittlung von Wahnbildungen oder Sinnestäuschungen, zu Stande
kommen. Es bedarf wohl kaum einer besonderer Ausführung, daß ich diese
Entwicklung der Paranoiafrage für eine völlig verfehlte halten muss“ (1896, S.
653- 655; Sperrung Kraepelin).
24
Diese Ansicht, die auch Schreber teilte (d. h. daß er an einer Gemütskrankheit litt) und wird
auch von Störring (1900), von Bleuler (1906, 1912a), Peters (1995), und schließlich von mir
selbst geteilt (Lothane, 2004, 2009, 2010c, 2010d, 2010e).
Weitere Funde und Einsichten
Wie gesagt, daß Schreber Vater und Sohn als Vorkämpfer der Nazi Ideologie zu bezichtigen
eine plumpe Lüge und ein historischer Rufmord sei (Lothane, 1996). In seinem Reisser hat
Morton Schatzman (1974) Moritz Schreber als Verfechter der Nazi Losung „Blut- und Boden
Bekenntnis“ dargestellt (S. 208), als „Vorspiel der Ideologie der Nazis die 80 später
Menschen aus Gründen der „Rassenhygiene“ oder „Gesundheit“ töteten“ (S. 211). Das
„Boden“ Schrebers waren die Schrebergärten hingegen mit Blut und Boden waren „zwei der
wichtigsten Begriffe in der Weltanschauung des Nationalsozialismus gemeint: die Rasse und
der Heimatboden auf dem sie entstanden, mit dem sie durch ihre Arbeit vebunden und
verwachsen ist“ (Schmidt, 1934, S. 83). Die Nazis haben sich mit Moritz Schreber
geschmückt (siehe auch Lothane, 2010d), genauso wie der prominenteste Nazi Ideologe,
Alfred Rosenberg, der sich die geistigen Ideen Meister Eckharts aneignete. Nun entdecke ich
letztens die Schriften von Dr. Johanna Haarer (1934, 1936, 1943) und über Haarer
(Chamberlain, 1996, 1997), die bislang von keinem Schreber-Biograph erwähnt worden sind,
deren Schriften bis 1987 eine Gesamtauflage von ca. 1,2 Millionen erreichten und noch in den
1960er Jahren als Lehrbuch in Berufs- und Fachschulen dienten (Wikipedie). Hitler und seine
Jünger waren gewiß nicht mit Schrebers Kallipädie erzogen. Hitler hatte seien eigene
Jugenderziehungsmethode, welche die nächste Generation und die Hitlerjugend inspirierte:
„Meine Pädagogik is hart. Das Schwache muß weggehämmert werden. In meinen
Ordensburgen wird eine Jugend heranwachsen, vor der sich die Welt erschrecken
wird. Eine gewalttätige, herrische, unbeschrockene, grausame Jugend will ich.
Jugend muß das alles sein. Schmerzen muß sie ertragen. Es darf nichts Schwaches
und Zärtliches an ihr sein. Das freie, herrliche Raubtier muß wieder aus ihren
Augen blitzen. Stark und schön will ich meine Jugend. Ich werde sie in allen
Leibesübungen ausbilden lassen. Ich will eine athletische Jugend. daß ist das
Erste und Wichtigste... Ich will keine intellektuelle Erziehung. Mit Wissen
verderbe ich mir die Jugend. ... Sie sollen mir in den schwierigsten Proben die
Todesfurcht besiegen lernen“ (zitiert in Hofer, 1957, S. 88).
In seiner homosexuellen Deutung Paul Schrebers Phantasien hat Freud die
Androgynität außer Acht gelassen, obwohl er Alfred Adlers Aufsatz, „Der psychische
Hermaphroditismus in Leben und in der Neurose. Fortschritte der Medizin 1910, Nr. 10“
(1911, S. 277) zitierte. Erstaunlicherweise, Freud scheint seinen Prioritätstreit mit Fliess und
Swoboda über Bisexualität vergessen zu haben!(Lothane, 2010d). Schreber fantasierte seine
25
Frauenwerdung als eine „Rückbildung oder eine Umkehr desjenigen Entwicklungsprozesses,
der in jeder menschlichen Leibesfrucht im vierten oder fünften Monate der Schwangerschaft
stattfindet, je nachdem die Natur dem künftigen Kinde das männliche oder das weibliche
Geschlecht zuertheilen will. In den ersten Monaten der Schwangerschaft sind bekanntlich
beide Geschlechter angelegt“ (S. 53), vielleicht eine Anspielung an Ernst Heinrich Weber, des
Vaters Biographen, der 1846 die Prostata und die Gebärmutter als homologe Strukturen
gleichsetzte. Relevant im Zusammenhang mit psychischem Hermaphroditismus sind auch
zwei Aufsätze (1983, 1986) Günter Ammons, aber ohne Schreber oder Freud über Schreber,
zu erwähnen.
Schreber hat mehrmals den „Machtfaktor“ (S. 247) erwähnt: „Macht“,
„Machtenfaltung“, „Machtmittel“ und „Willensmacht“, die „Machtfrage..., in welchen das
Recht des Stärkeren entscheidet (S. 60); ironisch, dass die „Machtbefugnisse des Professor
Flechsig als Verwalter einer Gottesprovinz bis nach Amerika erstreckt haben müssen“ (S. 98);
sachlich, dass die „tatsächlichen Macht, die den Leitern derartiger Anstalten über die Person
der darin Aufgenommenen eingeräumt werden muß“ (S. 364). Freud hat wenig über Macht
geschrieben, dagegen war der Machtrieb ein Grundbegriff Adlers, den Nietzsche’s Wille zur
Macht inspirierte.
Ich vermute daß auch Schreber von Nietzsche inspiriert worden war. Als Referendar
in Chemnitz könnte Schreber Nietzsches ersten Verleger (Morgenröthe, Also Sprach
Zarathustra), Ernst Schmeitzner, begegnet haben. Schon das vielgelesene Zarathustra könnte
ihn auf Ariman, Ormuzd und Zoroaster aufmerksam gemacht haben. Man findet bei ihm
etliche Parallelen zu Nietzsche und zwar: (1) die Idee des „ewigen Kreislaufs der Dinge, der
der Weltordnung zugrunde liegt“ (S. 19) – die Lehre von ewiger Wiederkehr; (2) „Der Begriff
der Schuld oder der Sünde ist ein menschlicher Begriff, der sich auf Seelen vermöge ihrer von
der menschlichen abweichenden Eigenart im eigentlichen Sinne gar nicht anwenden läßt. Von
Seelen kann man eben die menschlichen Tugenden der Ausdauer, Entsagungsfähigkeit usw.
nicht verlangen (S. 162)—Umwertung Aller Werte, „Jenseits von Gut und Böse“,
„Genealogie der Moral“; (3) „[in Betreff] den Glaubenssätzen unserer positiven Religion...
will ich keineswegs gesagt haben, daß ich alle christlichen Glaubenssätze im Sinne unserer
rechtgläubigen Theologie als wahr anerkenne“ (S. 3); „meine „Denkwürdigkeiten“ – die
gegenwärtige Arbeit – dereinst eine wichtige Erkenntnisquelle für den Aufbau eines ganz
neuen Religionssystems werden sollten (S. 189)—„Gott ist tot,“ „Antichrist“; (4) "Neue
Menschen aus Schreber‘schem Geist" (S. 288)—der Übermensch. Eine vollständigere Studie
wird der Zukunft vorbehalten.
26
Zum Schluß. Heute ist die Psychiatrie nochmals in einer Krise und einem Dilemma: haben
wir es mit Hirn-Pathologie oder mit seelischen und sozialen Problemen zu tun? Vielleicht
schmunzelt der Hirnanatom Flechsig in seinem Grabe: das Gehirn hat die Seele besiegt. Das
chinesische Ideogramm für «Krise» läßt sich als Gefahr und Chance lesen. Hoffen wir, daß
trotz aller Probleme dennoch Humanismus und Engagement für den Leidenden als das
Leitlicht der Psychiatrie als Heilkunst erhalten bleiben wird. Wie es Buber sagte, wer eine
Seele rettet, rettet die Welt.
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