Einführung in Wissenschaftstheorie und Geschichte der Psychologie

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Einführung in Wissenschaftstheorie und
Geschichte der Psychologie
-Teil 2Terminplan
19.11. Einführung
26.11. Logische Propädeutik 1
03.12. Zeichentheorie, Deduktion, Induktion
10.12. Standpunkte, Kriterien für Theorien
17.12. Wiss. Vorgehen in der Psychologie
07.01. Psychologie im 19. Jhdt. 1
14.01. Psychologie im 19. Jhdt. 2
21.01. Psychoanalyse
28.01. Behaviorismus
04.02. Kognitive (und biologische ?) "Wende"
11.02. -/18.02. Klausur
Logische Propädeutik (Fortsetzung)
Inhalte der Vorlesung
Die allgemeine Prädikation (Fortsetzung)
Die wissenschaftliche Prädikation
Der Satz
Die Aussage
Der Sachverhalt
Sachverhalt und Darstellung
Lernziele
Am Ende der Vorlesung sollten Sie wissen, ...
...was eine "Definition" ist
...was "Begriffe" sind
...was "Indikatoren", "Kennzeichnungen", "Junktoren", "Quantoren" sind
...was man unter "Termini" versteht
...was der Unterschied zwischen "Extension" und "Intension" eines Prädikators ist
...was Elementaraussagen und komplexe Aussagen kennzeichnet
1
...was das Wesen von "Sachverhalten" ist
...was die Anforderungen an gute Darstellungen (Texte) sind
Definition
Definition
= Gleichsetzung eines bisher unbekannten Wortes mit mindestens zwei bekannten
Wörtern
Schimmel = weisses Pferd
Man kann niemals mit Definition beginnen!
bekannte Wörter: exemplarisch eingeführt
in Praxis werden viele Wörter direkt eingeführt, die man auch definieren könnte
Redundanz erleichtert Zurechtfinden
2 Seiten der Definition
Schimmel
weisses Pferd
Definiendum
Definiens
das zu Definierende
das Definierende
kurz, neu
lang, alt
unbekannt, -verständlich
bekannt, verständlich
Begriff ist auch ein Wort
Begriff bezeichnet das, was gleich bleibt, wenn man "weisses Pferd" mit "Schimmel"
ersetzt
Begriff wird nicht durch bestimmtes Wort wiedergegeben
Gleichsetzen eines Wortes mit anderem Wort
1. Synonym: Schlips = Krawatte
2. Übersetzung: Pferd = cheval = horse
3. beide Seiten der Definition
Begriff kann jedes Wort/Wortgruppe aus einer Menge von Wörtern sein, die sich
gegenseitig vertreten können..bleibt übrig, wenn man vom Wort den Lautgehalt
abzieht = Abstraktion
Beispiel: "5 Euro"
2
Merke: einen Begriff kann man nicht definieren, nur ein Wort!
Bedeutung
"Begriff" = Bedeutung eines Wortes
Jeder lernt Gegenständen Prädikatoren zuzuordnen (durch praktischen Gebrauch)
durch Gebrauch lernen wir, was Prädikatoren bedeuten
Bedeutung eines Wortes = Begriff, den es zu verstehen gibt
(in der Wissenschaft: nicht Gebrauch, sondern Vereinbarung!)
PrädikatorenregelnBeispiele
Für "Spaten" kann man "Gerät" sagen
Für "Hase" kann man nicht "Pferd" sagen
Über- und Unterordnung von Prädikatoren
(eigentlich keine Regeln i. S. v. Konven-tionen, da Beziehungen nicht frei wählbar,
sondern aus Wirklichkeit stammend)
besser: "Feststellung von Prädikatorenverknüpfungen"
Indikatoren
wichtig für Logik
Beispiel: "Dies ist ein Tisch"
"relative Wörter", situationsabhängig
1. Pronomina: ich, du, wir, sie; dieser, jener
2. Adverbien: hier, dort, hinten; heute, vorhin
Indikatoren müssen mit Eigennamen von "relativen" in "absolute" Angaben
umgewandelt werden
Kennzeichnungen
= Eigennamen, die aus Indikatoren + Prädika-toren gebildet werden
Problem: Situationsabhängigkeit!
Indikator durch Eigennamen ersetzen
Gegenstand selbst mit Eigennamen belegen
weitere Bsp. für Kennzeichnungen: "die Innenstadt von Jena", "der Verfasser des
"Faust""
Junktoren
3
Konjunktionen: und, oder, wenn, weil, aber, obwohl, dass
"wenn es regnet, wird man nass"
Junktoren = Wörter, die Sätze/Ausdrücke miteinander verknüpfen
und, oder, entweder-oder, weder-noch
Achtung: andere Bedeutung in Alltag und Logik
Alltag
Logik
Obwohl Sonne scheint, ist
Sonne scheint und es
es kalt
ist kalt
nicht klein, sondern groß
groß und nicht klein
Weil Regen, Straße nass
Regen und Straße nass
Stimmt, dass ich hier bin
Es trifft zu: Ich bin hier
Logik formt umgangssprachl. Sätze in logische Normalform um
Quantoren
= "Quantifikatoren" = "Größenanteilsmacher"
Bsp.: alle, nicht alle, mindestens ein, kein;
manche, wenige, mehrere, viele, fast alle, manche nicht, viele nicht, nicht viele;
nur, auch, immerMerke: Prädikatoren, Indikatoren: Inhalt -- Junktoren, Quantoren:
Form
Die wissenschaftliche Prädikation
Der Terminus
wiss. Prädikation muss Ungenauigkeiten vermeiden, daher: Normierung von
Prädikatoren
explizite und exemplarische Einführung von P.
(Bsp.: bisher: Fachwörter nicht definiert, sondern an Beispielen gezeigt)
Alltags-Prädikatoren: Haus, fahren, rot
wiss. Prädikatoren: Prädikator, Eigenname, Junktor
Normierung = ausdrückliche Zuordnung eines Prädikators zu einem Gegenstand
Terminus = normierter Prädikator
Terminologie = System von Termini
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Bsp. Behaviorismus: konditionierter Stimulus, Reaktion, Konsequenz, Kontingenz,
negativer Verstärker
wissenschaftliche Definition
Alltag
Wissenschaft
Synonym
KFZ = Auto
Divisor = Teiler
Übersetzung
Pferd = horse
Dreieck = triangle
Definition
Schimmel =
Hypotenuse = dem
weisses Pferd
rechten Winkel gegenüberl. Seite etc.
wiss. Definition: Termini werden durch andere, gleichbedeutende ersetzt
Inhalt und Umfang
Inhalt ("Intension") eines Prädikators: seine Bedeutung
Umfang ("Extension"): die Menge aller Gegenstände, denen Prädikator
zugesprochen werden kann
einzelner Gegenstand: "Element" dieser Menge
4 verschiedene Arten von Beziehung zwischen Intension und Extension möglich
1. Intension gleich / Extension gleich?Alle Synonyme, Gleich- und Übersetzungen,
beide Seiten einer Definition
2. Intension verschieden / Extension gleich?Bsp.: "Lebewesen mit Herz" und
"Lebewesen mit Niere"
3. Intension verschieden / Extension verschieden?...das ist der Normalfall!
4. Intension gleich / Extension verschieden?
...das ist unmöglich!
Nominal- und Realdefinition
Alle Definitionen sind "Nominaldefinitionen" = Gleichsetzung beliebiger Nomina
(Wörter, Wortgruppen)
Bsp.: "Handy" = Mobiltelefon
"Ängstlichkeit" = überdauernde Disposition zu ängstlichem Verhalten und Erleben
"Realdefinition" = Versuch der Umschreibung der Bedeutung eines Prädikators
(Umgangssprache!)
Problem: 1) Reihenfolge der Einführung: sind benutzte Wörter wirklich bekannter?
2) Zirkeldefinition: A = B und B = A
Realdefinitionen: nur in Alltagssprache
Nominaldefinitionen in der Wissenschaft:
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•Reihenfolge der Einführung von Termini klar
•exakte Unterscheidung zwischen bekannt und unbekannt
Satzlehre
Themen
Die Aussage
Der Sachverhalt (Gegenstand der Aussage)
Sachverhalt und Darstellung"Subjekt" und "Prädikat": aus Logik in
Grammatik übernommene Begriffe
Heutige Logik unterscheidet nicht mehr zwischen Subjekt ("der Schwan") und
Prädikat ("ist weiss"): beides sind Prädikatoren ("das Weisse ist ein Schwan")!
Ausnahme: wenn statt des ersten Prädikators ein Eigenname ("Felix brüllt")
Elementaraussage (ein Prädikator)
Einem Gegenstand wird Prädikator zugeordnet
1) "dies ist eine Stadt"
Indikator, Prädikator
2) "dies ist Jena"
Indikator, Eigenname
3) "Jena ist eine Stadt"
Eigenname, Prädikator
1) und 3) sind Elementaraussagen, da nur 1 Prädikator
allg. Form: x ε P (x: Eigenname, ε "estin"=ist, P: Prädikator)
mehrstellige Prädikatoren: mehreren Gegenständen wird ein Prädikator
zugesprochen (Beziehung zwischen Gegenständen!)
Hans liebt Grete, Weimar liegt zwischen Jena und Erfurt
allg. Form: x1, x2, .... xn ε P
Elementaraussage (mehrere Prädikatoren)
1) Dieser Gegenstand ist ein Haus
2) Dieser Gegenstand ist zweistöckig
3) Dieses Haus ist zweistöckig
in der Logik ist (3) zwei Sätze (Elementaraussagen). Reihenfolge dabei ist
gleichgültig:
4) Dieses Zweistöckige ist ein Haus
allg. Form: x ε P1, P2, P3, ...,Pn
komplexe Aussage
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Mehreren Gegenständen werden mehrere Prädikatoren zugesprochen -- und durch
mehrstellige Prädikatoren zueinander in Beziehung gesetzt
"Das zweistöckige blaue Haus ist höher als das junge braune Pferd"Sachverhalt
Eigenname oder Prädikator beschreiben: "Gegenstand"
komplexe Aussagen (mehrere Gegenstände) beschreiben: "Sachverhalt"
Ein Sachverhalt ist der Gegenstand einer Aussage
(oder eines Satzes)
(Satz und Aussage verhalten sich wie Wort und Begriff: "das Haus ist dreistöckig" =
"this house has 3 floors")
Indifferenz des Sachverhalts
Ein Sachverhalt kann "alles" sein, er ist indifferent gegen alle möglichen
philosophischen Unterscheidungen
1. bestehend - nicht bestehend
Sachverhalt kann bestehen ("Tatsache", "wahre Aussage") oder nicht!
1) zweifelhafte Sachverhalte
a) nicht entscheidbare Fragen
zukünftige Sachverhalte
unentscheidbare (mathematische) Probleme
b) nicht festgestellte Sachverhalte
c) (noch) nicht festgestellte Sachverhalte
2) wechselnd eingestufte Sachverhalte
spielen in der Wissenschaft große Rolle!!!
(vorläufiges Annehmen von Hypothesen)
3) subjektive Sachverhalte
"Stockhausens Kompositionen sind Musik"2. wissenschaftlich - nicht
wissenschaftlich
wissenschaftlich: nur normierte Prädikatoren (Termini), entscheidend ist Kontext
Bsp.: "Person XY ist introvertiert"
3. Seinsweise
Sachverhalt kein "Ding an sich", sondern alles, was zum Gegenstand einer Aussage
gemacht werden kann
4. Wissenschaftliche Methode
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"Phobie = Ergebnis eines ungelösten Vater-Sohn-Konflikts"
"Phobie = Ergebnis verstärkten Vermeidungsverhaltens"
jeder Wissenschaft selbst überlassen, was sie als legitime Methode ansieht!
(Psychoanalyse: freies Assoziieren, projektive Tests; Experimentelle Psychol.:
objektiv messbare Sachverhalte)
Methodenpluralismus -- Aussagen innerhalb ihres methodischen Kontexts sehen!
5. Aussagestufe
"Objektsprache" - "Metasprache" - "Metametasprache"
Paradoxon vom lügenden Kreter:
"Was ich jetzt sage, ist falsch"
nicht paradox:
"Der folgende Satz ist wahr: 'Ich lüge immer'"
Aussagen in und über eine Sprache
Beispiele für wissenschaftliche Aussagen
"Krebs kann durch Viren ausgelöst werden"
"Keine natürliche Zahl ist Vorgänger von 0"
"Lernen ist ein Prozess, der erfahrungs-abhängig zu längerfristigen Änderungen des
Verhaltenspotentials führt"
"So auch Kant"
Wissenschaftliche Diskussion nur dann fruchtbar, wenn man sich auf der gleichen
Sprachebene bewegt
Aussagen über Sprache: Definitionen, Bedeutungserläuterungen
"Thrombosen entstehen dadurch, dass Fibrin aus dem Blutplasma ausfällt und
dadurch ein unregelmäßiges Maschenwerk gebildet wird"
Aussagen in Sprache: Behauptungen
"Unter einer "Thrombose" versteht man eine Blutgerinnselbildung mit Verstopfung
der Blutgefäße"
Übung 1:
Wo hört Definition auf, wo fängt Behauptung an?
1. Parforcejagd: Hetzjagd berittener Jäger mit Hunden auf Wild; in Deutschland
verboten
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2. Kalif: Titel der Nachfolger Mohammeds als religiöse und politische Herrscher des
Islam. Die Herrschaft der Kalifen begann in Medina und wurde später zur
Erbmonarchie
3. Lanzette: Zweischneidiges, spitzes, lanzenförmiges Messer zum Öffnen von
Abszessen, zum Aderlassen und ImpfenÜbung 2: Sie wollen sprachliche
Erläuterungen geben: welche Form der Äußerung ist besser?
1a "Ein durch einen erfahrungsabhängigen Auslöser in Gang gebrachter Reflex wird
als bedingter Reflex bezeichnet"
1b "Bedingte Reflexe werden durch erfahrungsabhängige Auslöser in Gang
gebracht"
2a "In der Utopie verbindet sich romantisches Fernweh mit dem Traumbild einer
besseren Welt"
2b "Im Begriff der Utopie liegt die Verbindung von romantischem Fernweh mit dem
Traumbild einer besseren Welt beschlossen"
Übung 3: Sie wollen Behauptungen aufstellen, nicht Worte erklären: welche
Formulierung ist besser?
a "Von Symbiose spricht man sowohl beim Zusammen-leben mehrerer Tiere als
auch von Pflanzen und Tieren"
b "Das als Symbiose bekannte Zusammenleben zu beiderseitigem Vorteil findet sich
sowohl zwischen Tieren als auch zwischen Tieren und Pflanzen"
Übung 4: Welche der beiden Paraphrasen trennt Behauptung über die Sprache
und Behauptung in der Sprache besser ?
1 Reizfaktoren, die einen Gegenstand auffällig machen, sind z. B. Bewegung, Farbe
und Neuartigkeit.
a "Als auffällig bezeichnet man einen Gegenstand z. B. dann, wenn er bewegt, farbig
oder neuartig ist. Diese Eigenschaften sind Reizfaktoren"
b "Als Reizfaktoren bezeichnet man Eigenschaften eines Gegenstandes, die ihn
auffällig machen. Diese Wirkung haben z. B. Bewegung, Farbigkeit und
Neuartigkeit."
Sachverhalt und Darstellung
mehrere Aussagen = Text
Folge komplexer Sachverhalte = Darstellung
Erkenntnis undenkbar ohne Sprache (Medium)
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Wissenschaftler muss kommunizieren
Forderung 1: optimale Formulierung
richtiger Anfang, Anknüpfen an Vorwissen (Beispiele), Verwenden von Definitionen
Forderung 2: nur so kompliziert wie nötig, nicht mehr!
verständlich, wenn alle Ausdrücke eingeführt wurden
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