Freitag · 7. Dezember 2012 20 Uhr · Volkshaus

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Freitag · 7. Dezember 2012
20 Uhr · Volkshaus
3. Philharmonisches Konzert Reihe C
Legenden aus der neuen Welt
Ernst von Dohnányi (1877-1960)
American Rhapsody op. 47
Ernest Bloch (1880-1959)
Schelomo (Hebraic Rhapsody)
für Violoncello und Orchester
Pause
Antonín Dvořák (1841-1904)
Sinfonie Nr. 9 e-Moll op. 95
»Aus der neuen Welt«
Adagio – Allegro molto
Largo
Scherzo
Allegro
Dirigent: GMD Marc Tardue
Violoncello: Henriette Lätsch
Der Dirigent
Marc Tardue wurde als Sohn franko-italienischer Eltern in Amerika geboren. Er absolvierte
das Peabody Conservatory in Baltimore und studierte anschließend Klavier und Dirigieren,
darüber hinaus ist er ausgebildeter Gesangslehrer und Klavierbegleiter. Schon kurz nach
Beendigung seiner Studien erhielt er von amerikanischen Choral-, Sinfonie- und
Opernensembles Engagements als musikalischer Leiter und Chefdirigent. Von 1982 bis 1984
war Marc Tardue Chefdirigent der National Opera von Reykjavik, 1984 gewann er den
internationalen Dirigentenwettbewerb Concours International d'Execution Musicale »Ernest
Ansermet« (CIEM). 1985 übernahm er kurzfristig beim Ensemble Instrumentale de Grenoble
Aufführungen der 9. Sinfonie von Beethoven und wurde sowohl vom Publikum wie auch den
Musikern dermaßen umjubelt, dass das Orchester ihn umgehend zum Musikdirektor wählte.
Unter seiner Leitung wurde das Repertoire des Klangkörpers um große Sinfonien sowie Chor-
und Opernwerke erweitert. Zwischen 1991 bis 2002 war Marc Tardue Chefdirigent des
Sinfonieorchesters des Theaters Biel (Schweiz), von 1999 bis 2007 Chefdirigent des Orquestra
Nacional do Porto (Portugal), seit 2010 ist er Künstlerischer Leiter und Musikdirektor der
Oper Schenkenberg (Schweiz). Als gern gesehener Gastdirigent arbeitet er mit renommierten
Orchestern im In- und Ausland zusammen. Für seine künstlerischen Leistungen wurde Marc
Tardue mit vielen Preisen und Auszeichnungen geehrt, unter anderem erhielt er 1989 den
französischen Kulturorden »Chevalier des Arts et des Lettres« und 2004 die »Medalha de
Mérito Cultural«, eine der höchsten Ehrungen Portugals. Mit Beginn der Spielzeit 2012/2013
ist Marc Tardue Generalmusikdirektor der Jenaer Philharmonie.
Die Solistin
Henriette Lätsch wurde im erzgebirgischen Annaberg-Buchholz geboren. Dort erhielt sie auch
ihren ersten Cellounterricht, bevor sie in Zwickau am Robert-Schumann-Konservatorium bei
Wieland Pörner weiter ausgebildet wurde. Im Jahr 2000 begann Henriette Lätsch ihr Studium
bei Prof. Peter Bruns in Dresden, welches sie 2005 mit Auszeichnung abschloss. 2005 bis
2008 war sie Aufbaustudentin bei Prof. Wolfgang-Emanuel Schmidt. Meisterkurse belegte sie
bei Boris Pergamentschikov, Siegfried Palm, Götz Teutsch, Frans Helmerson, Jens-Peter
Maintz, Wolfgang Boettcher und David Geringas. Von 2001 bis 2006 war sie als Substitutin in
der Staatskapelle Dresden tätig, von 2002 bis 2007 wurde sie außerdem von der
Studienstiftung des deutschen Volkes gefördert. 2006 erhielt sie das Carl-Maria-von-WeberStipendium der Stadt Dresden.
Seit 2007 ist Henriette Lätsch Solocellistin der Jenaer Philharmonie.
Die Komponisten und ihre Werke
Grenzgänger sind sie alle: Ernst von Dohnányi, der sein Heimatland Ungarn verließ und mit
seiner American Rhapsody ein wirkungsvolles, folkloristisches Werk geschaffen hat; Ernest
Bloch, von Amerika tief beeindruckt, mit Schelomo - eine Komposition, die in New York
uraufgeführt wurde - die Worte des Predigers Salomon musikalisch vergegenwärtigt; und
Antonin Dvorák mit seinem Meisterwerk - der 9. Sinfonie "Aus der Neuen Welt", eines der
wohl populärsten Werke des 19. Jahrhunderts der Musikgeschichte.
Ernst von Dohnányi gilt bis heute als vielseitigster Musiker und Komponist seines
Heimatlandes Ungarn seit Franz Liszt. 1877 in Bratislava geboren, kommt Dohnányi bereits
im Kindesalter mit Musik und Persönlichkeiten der kulturellen Szene in Kontakt; seinem
Studium an der Musikakademie Budapest bei István Thóman (Klavier) und Hans von Kössler
(Komposition) geht eine rege Tätigkeit als Pianist und Komponist voraus. Sein Debüt als
Pianist feiert Dohnányi 1898 in London unter dem Dirigat von Hans Richter. Schnell kann er
sich als Künstlerpersönlichkeit einen Namen machen und findet in Johannes Brahms einen
prominenten Fürsprecher. Eine Professur zieht Dohnányi für zehn Jahre nach Berlin,
woraufhin er 1915 nach Budapest zurückkehrt, um sich intensiver mit der Musiktradition
seines Heimatlandes zu beschäftigen und diese zu fördern. Höhen und Tiefen prägen die Jahre
zwischen den beiden Weltkriegen: 1919 muss er seinen Lehrauftrag an der Musikakademie
niederlegen; als Chefdirigent des Budapester Philharmonischen Orchesters sowie des New
York State Symphony Orchestra feiert er große Erfolge; 1928 wird er Direktor der
Musikakademie Budapest, einen Posten, den Dohnányi nach Hitlers Machtergreifung
niederlegen muss.
1948 verlässt Dohnányi Ungarn und zieht nach Argentinien, um sich ein Jahr später endgültig
in den USA niederzulassen. Hier entsteht auch eines seiner letzten Werke – die American
Rhapsody op. 47, eine Komposition voller hinreißender Melodien. Mit ihren folkloristischen
Elementen erinnert Ernst von Dohnányis Rhapsodie an Dvoráks Sinfonie.
Schelomo (Hebraic Rhapsody) für Violoncello und Orchester aus dem Jahre 1916 entsteht
in der mittleren Schaffensphase des in Genf 1880 geborenen Ernest Bloch. Schelomo ist
Bestandteil mehrerer Kompositionen, die Bloch als Jüdischen Zyklus bezeichnet. Entstanden
zwischen 1912 und 1926 verzichtet Bloch auf die bloße Verwendung von Originalmelodien,
sondern orientiert sich lediglich an den stilistischen Elementen der jüdischen Musik. Bloch
fasst diese Herangehensweise wie folgt zusammen: »Es ist weder meine Absicht, noch mein
Wunsch, eine Wiederherstellung jüdischer Musik zu versuchen oder meine Werke auf mehr
oder weniger authentische Melodien zu begründen. (...) Es ist eher der jüdische Geist, der mich
interessiert, die vielschichtige, brennende und bewegte Seele, die ich durch die Bibel hindurch
schwingen fühle: die Frische, die Gewalt der prophetischen Schriften, der Schmerz und die
unermessliche Größe des Buches Hiob, die Sinnlichkeiten des Hohen Liedes. Es ist alles das,
was ich in mir zu hören und in Musik zu übertragen bemüht bin.«
Gezeichnet von den Qualen und Leiden des Ersten Weltkriegs findet Ernest Bloch Halt im
Buch »Der Prediger Salomon« – eine Sammlung von Sprüchen und Lebensweisheiten welches die Grundlage bildet für eine zunächst für Stimme und Orchester angelegte
Komposition. Der russische Cellist Alexandre Barjansky regt Bloch dazu an, die Solostimme
dem Violoncello zuzuweisen, ein Instrument, welches den Worten Blochs nach inniger und
intensiver klingt, als die gesprochene Sprache selbst. In Schelomo repräsentiert das
Violoncello die Stimme des Königs Salomon, während das Orchester seine Umgebung
repräsentiert.
Die dreiteilige Rhapsodie beginnt mit einer klagenden Melodie des Soloinstruments, welche
sogleich in eine Kadenz führt. Die Komposition ist hochexpressiv und von Beginn an
farbenreich angelegt. Charakteristische Elemente der jüdischen Musik wie Halbtonschritte und
nicht aufgelöste Dissonanzen prägen das musikalische Geschehen. Bloch setzt auf extreme
Kontraste in der Melodik und erzeugt somit eine enorme Intensität, welche am Ende des ersten
Abschnitts im Orchestertutti kulminiert und in den schnellen Mitteil führt. Soloinstrument und
Orchester vereinen ganz allmählich die eingeführten Themen, wobei das Orchester die
Oberhand zu gewinnen scheint. Diese vollständige Themen-Vereinigung vollzieht Ernest
Bloch im abschließenden langsamen Teil, in dem sich eine gedämpfte Stimmung durchsetzen
kann, und in dem das Violoncello die Rhapsodie Schicksalsergeben beendet.
Die 9. Sinfonie des tschechischen Komponisten Antonín Dvořák markiert zugleich den Endund Höhepunkt in seinem sinfonischen Schaffen und ist der kompositorische Beginn auf
amerikanischem Boden, den er im September 1892 zum ersten Mal betritt. Er folgte einer
Einladung der New Yorker Millionärin Jeanette Thurber, die 1885 das National Conservatory
for Music gegründet hatte. Dass diese Berufung mit hohen Erwartungen verbunden war belegt
ein Brief Dvoraks an seinen Freund Hlávka kurz nach seiner Ankunft: »Die Amerikaner
erwarten große Dinge von mir, vor allem soll ich Ihnen den Weg ins gelobte Land und in das
Reich der neuen, selbständigen Kunst weisen, kurz, eine nationale Musik schaffen! (...) Es ist
gewiß eine große und hehre Aufgabe für mich und ich hoffe, daß sie mir mit Gottes Hilfe
gelingen wird.« (Antonín Dvořák)
Abgehalten von den vielseitigsten Tätigkeiten in New York, den Besuchen bei bedeutenden
Persönlichkeiten sowie von der zeitintensiven Arbeit als Lehrer, gelingt es Dvorak erst einige
Monate nach seiner Ankunft sich Freiraum zu schaffen und zu komponieren. Spontan und
zügig entstehen die ersten Skizzen für eine neue Sinfonie – Aus der neuen Welt – basierend
auf dem Epos »The Song of Hiawatha« mit Schilderungen der amerikanischen
Naturschönheiten. Amerikanisch ist dabei jedoch nicht das verwendete thematische Material,
sondern vielmehr die allgemeine Atmosphäre der Musik der Ureinwohner des Landes
(Pentatonik, Synkopierungen, auf Intervalle, die wir heute »blue notes« - unentschiedene Terzund Septimintervalle - nennen).
»Ich habe keine dieser Melodien (Melodien der Indianer) direkt verwendet. Ich habe einfach
eigene Melodien erfunden, in die ich die Eigenheiten der Indianermusik eingearbeitet habe.
Diese Themen habe ich dann mit allen Mitteln moderner Rhythmik, Harmonik, Kontrapunkt
und Orchesterfarben verarbeitet.« (Antonín Dvořák)
Dem Kopfsatz ist eine Adagio-Einleitung in klassischer Manier vorangestellt. In den Hörnern
erklingt das synkopierte Hauptthema des nachfolgenden Allegro molto, ein gebrochener
Dreiklang über vier Takte hinweg. Ihm antworten Klarinetten und Fagotte in Terzen. Dvorak
geht hierbei harmonisch äußerst effektiv zu Werke, indem er ganz einfach den harmonischen
Grundzyklus e-Moll, G-Dur, H-Dur, e-Moll abschreitet. Das vermutlich eigentliche
Seitenthema aber beginnt erst in den parallel geführten Flöten und Oboen. Doch beide
Themenansätze entpuppen sich als Kolorierung: das wirkliche Seitenthema erscheint in der
Soloflöte. Die Exposition dieser Sinfonie verdient insofern Beachtung, als an ihr Dvoraks
Kunst der motivischen Arbeit deutlich wird. Von ausgebildeten Themen lässt sich im Grunde
nicht sprechen. Es sind Akkordbrechungen, -umdeutungen, Motive, Signale, Partikel –
amerikanisch eingefärbte Bausteine. Erst am Ende dieses Prozesses, kristallisiert sich als
Ergebnis dieses Thema in der Flöte heraus.
Nach kompakten Bläserakkorden trägt das Englischhorn das Thema vor. Ein bewegter
Mittelteil in enharmonischem cis-Moll schließt sich an. Nach einer Oboenepisode bricht das
Tutti in ein Fortissimo aus, in den Posaunen erscheint das Hauptthema des ersten Satzes.
Abrupt kehrt der Satz dann nach Des-Dur und zum Englischhorn zurück.
Auch am Beginn des Scherzos steht wieder eine Floskel, eine bloße Tonfolge, präzisiert durch
Rhythmisierung packender Art. Eine schöne Kantilene (böhmisch und infolge der
Synkopierung amerikanisch zugleich) in Flöte und Oboe hebt an, in die sich bald wieder die
Rhythmusfloskel des Beginns drängt. In der Überleitung zum eigentlichen Trio hören wir
wieder das Hauptthema des ersten Satzes. Eine kurze prägnante Coda beschließt das Scherzo.
Im Fortissimo ebnen die Streicher in einem neuntaktigen Ansturm den Hörnern und
Trompeten den Weg zum marschartigen Hauptthema, das im Folgenden variierend fortgeführt
wird. Dieser Variationsarbeit gesellen sich – vornehmlich im Holz – ständig prächtige
Kantilenen hinzu. Im Rahmen der Variationsarbeit kommt es zu immer neuen Abspaltungen.
Dvorak benutzt vielmehr das Mittel der Reduktion und des Zitats, wobei Motive aus allen
Sätzen auftauchen und gleichsam Erinnerungslichter auf das vorab Gehörte setzen. Der
Vorwärtsdrang des Satzes, der sich kontinuierlich steigert kommt nur während der kurzen
Reprise beinahe zum Stillstand. Umso mächtiger erhebt sich jedoch die Coda zum absoluten
Höhepunkt der Sinfonie.
Bereits während der Uraufführung wird Dvoraks Sinfonie gefeiert, die Kritik vereinnahmt sie
sogleich als amerikanische Sinfonie.
Die Sinfonie »Aus der neuen Welt«, eine Studie nationaler Musik. Eine Lehre für die
amerikanischen Komponisten.« (New York Times)
Bis heute gehört Antonín Dvořáks Sinfonie Nr. 9 zu den populärsten des 19. Jahrhunderts.
Text: Markus Pietrass
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