Donald Davidson – Rationale Lebewesen

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Donald Davidson – Rationale Lebewesen
S. 117
- Kernkriterium für Rationalität: Propositionale Einstellungen haben (Bsp.: Überzeugung,
Wunsch, Absicht, Scham)
- Wann aber hat ein Geschöpf propositionale Einstellungen?
- Wichtig: keine ganz und gar empirische Frage => denn: welche Evidenz ist für die
Entscheidung relevant, wann ein Geschöpf propositionale Einstellungen hat?
- Davidson fängt damit an, die Antwort auf eine Frage zu geben => die Antwort lautet: „ein
rationales Lebewesen zu sein heißt ja, propositionale Einstellungen zu haben, wie wirr,
widersprüchlich, absurd, ungerechtfertigt oder abwegig diese Einstellungen auch sein mögen
S. 118
- Die Frage lautet: Welche Lebewesen sind rational? Im Sinne von: Was macht ein
Lebewesen (oder auch: irgend etwas anderes) rational?
- propositionale Einstellungen: interessantes Kriterium => treten nur in einem auf einander
abgestimmten Ensemble auf => eine einzige Einstellung zu haben heißt, umfassende
Ergänzungen dazu zu haben
=> denn: Eine einzige Überzeugung erfordert viele Überzeugungen, und Überzeugungen
verlangen nach anderen grundlegenden Einstellungen wie Absichten, Wünschen und, wenn
ich Recht habe, nach dem Geschenk der Sprache => Davidson möchte auf den
INTRINSISCH HOLISTISCHEN CHARAKTER von propositionalen Einstellungen
aufmerksam machen.
- ob man einige oder keine solcher Einstellungen hat ist dementsprechend ein ganz
entscheidendes Kriterium für Rationalität => und diese Einstellungen, so Davidsons schon
hier vorgetragene These, erfordern Sprache bzw. sind vom Besitz von Sprache abhängig
S. 119
- Davidson führt Malcolms Beispiel des Hundes, der am Baum, von dem er glaubt, dass auf
ihm die vom Hund gejagte Katze sitzt, hinaufbellt.
- Malcolm behauptet, dass unter den gegebenen Umständen jemand, der dem Hund diese
Überzeugung zuschriebe („er denkt/glaubt, die Katze sei diese Eiche hochgeklettert“), sehr
wohl Recht haben könnte, ja fast sicher Recht hätte. Er hätte genau die Art von Evidenz, die
erforderlich sei, um eine solche Zuschreibung zu rechtfertigen.
S. 119/120
- Davidson will Malcolms Behauptung in Zweifel ziehen => Wenn wir berechtigt sind, derart
wie Malcolm es tut, auf Überzeugungen zu schließen, sind wir auch berechtigt, auf Absichten
und Wünsche (und vielleicht auf noch viel mehr) zu schließen
- Zur angeblichen Überzeugung des Hundes: Zufällig ist der Baum auch der älteste in
Sichtweite - dachte der Hund nun auch „Die Katze ist den ältesten Baum in Sichtweite
hochgeklettert?“ Oder „... denselben Baum wie beim letzten Mal, als der Hund sie gejagt
hat?“
- Davidson: Es fällt schwer, diesen Fragen einen Sinn zu geben. Dann scheint es aber NICHT
MÖGLICH zu sein, zwischen ziemlich verschiedenen Dingen zu unterscheiden, von denen
man sagen könnte, dass der Hund sie glaube.
- Wie schreiben wir normalerweise eine propositionale Einstellung zu?
=> eine Weise ist: Wir stellen fest, dass die Sätze, die wir für die Zuschreibung
verwenden, von wahren zu falschen Sätzen werden können, wenn wir bei den
Wörtern, die den Gegenstand der Einstellung herausgreifen, einen referierenden
Ausdruck durch einen anderen ersetzen, der auf dasselbe Ding referiert
Am Bsp. des Hundes?
„Der Hund glaubt, dass die Katze die Eiche hochgeklettert ist“
bspw. ersetzen wir bei den Wörtern, die den Gegenstand der Einstellung herausgreifen, den
referierenden Ausdruck „Eiche“ durch einen anderen, der auf dasselbe Ding referiert!
„Der Hund glaubt, dass die Katze den ältesten Baum in Sichtweite hochgeklettert ist“
Sind das die gleichen propositionalen Einstellungen? => Davidson: NEIN
=> Wenn wir Wörter wie glauben, denken und beabsichtigen verwenden, dabei aber das
Merkmal der semantischen Undurchsichtigkeit weglassen, stellt sich die Frage, ob wir diese
Wörter verwenden, um propositionale Einstellungen zuzuschreiben. => denn: man hat schon
vor langem erkannt, dass semantische Undurchsichtigkeit das Reden über propositionale
Einstellungen vom Reden über andere Dinge unterscheidet.
Auch ein entgegnender Vorschlag ist für Davidson nicht überzeugend (siehe S. 120/121)
S. 121
Wir identifizieren Gedanken, unterscheiden zwischen ihnen und beschreiben sie als das, was
sie sind, da sie nur in einem engmaschigen Netz von miteinander verbundenen
Überzeugungen lokalisiert werden können.
=> Davidson: „Ganz gleichgültig, wo wir beginnen [...]“, wir werden „bald bei einer Art von
Überzeugungen ankommen, von denen wir überhaupt nicht wissen, wie wir von ihnen sagen
können, ob ein Hund sie hat, und die doch gleichzeitig solcherart sind, dass unsere erste
zuversichtliche Zuschreibung ohne sie zweifelhaft erscheint“
S. 122
- Gedanken haben, genau wie Propositionen, logische Relationen => Da die Identität eines
Gedankens nicht von seinem Platz in einem logischen Netz anderer Gedanken geschieden
werden kann, lässt er sich in diesem Netz nicht anderswo hinsetzen, ohne dass er ein anderer
Gedanke wird. Eine radikale Inkohärenz von Überzeugungen ist daher unmöglich. Eine
einzige propositionale Einstellung zu haben heißt, eine weitgehend korrekte Logik, d.h. ein
logisch kohärentes Muster von Überzeugungen zu haben.
S. 123
- Der entscheidende Punkt ist, dass die Möglichkeit von Irrationalität zu einem hohen Grad
von Rationalität abhängt. Irrationalität ist nicht einfach ein Mangel an Vernunft, sondern eine
Krankheit oder eine Störung der Vernunft.
S. 124
- Aus dem, was über die Abhängigkeit der Überzeugungen von anderen Überzeugungen
gesagt wurde, geht klar hervor, dass man ein sehr komplexes Verhaltensmuster beobachten
muss, um die Zuschreibung eines einzigen Gedankens zu rechtfertigen. Oder genauer gesagt:
Es muss gute Gründe geben, um zu glauben, dass es ein derart komplexes Verhaltensmuster
gibt. => wenn ein solches Muster nicht vorliegt gibt es keinen Gedanken.
- Davidsons These: „Ich denke, dass es ein solches Muster nur gibt, wenn der Handelnde über
Sprache verfügt. Stimmt dies, so ist Malcolm nur dann berechtigt, seinem Hund Denken
zuzuschreiben, wenn er auf der Grundlage guter Evidenz glaubt, dass sein Hund über Sprache
verfügt“
- Davidson versucht nun, seine Position (die, wie er sagt, im Wesentlichen gar nicht neu ist)
der Ansicht, dass Denken Sprache erfordert, gegen andere abzugrenzen
=> Denken kann ihm zufolge NICHT auf sprachliche Tätigkeit reduziert werden
=> was wir nicht sagen können, können wir dennoch durchaus denken
=> Diese von Davidson vorgenommene Abgrenzung ist vor dem Hintergrund seiner Theorie
des Geistes (Anomaler Monismus) zu sehen.
Davidson also: „Meine These lautet somit nicht, dass die Existenz jedes einzelnen Gedankens
von der Existenz eines Satzes abhängt, der diesen Gedanken ausdrückt. Mein These lautet
vielmehr, dass ein Geschöpf keinen Gedanken haben kann, wenn es nicht über Sprache
verfügt.“
S. 125
Dann sagt Davidson jedoch auch: „Diese Erwägungen verweisen auf Sprache, aber sie
kommen nicht einem Beweis gleich, dass Sprache notwendig für das Denken ist. Diese
Erwägungen legen in der Tag nur nahe, dass es ohne Sprache wahrscheinlich nicht viel
Denken geben kann“
Was gegen die Abhängigkeit des Denkens von Sprache spricht, ist dass wir das Verhalten von
Lebewesen ohne Sprache erfolgreich erklären und manchmal voraussagen, indem WIR
IHNEN ÜBERZEUGUNGEN, WÜNSCHE UND ABSICHTEN ZUSCHREIBEN.
Trotzdem, so Davidson, sollten wir folgenden Fall betrachten:
Beispiel mit der Infrarotrakete
Was spricht dagegen?
S. 126
1) Zahlreiche Lebewesen gleichen in der Spannweite ihres Verhaltens weit mehr den
Menschen als Raketen
2) Wir haben oft keinen besseren Weg zur Erklärung ihres Verhaltens, als ihnen
propositionale Einstellungen zukommen zu lassen.
Davidson: „Um ein schlagendes Argument zu haben, benötigen wir also eine
Charakterisierung dessen, was uns durch Sprache zur Verfügung gestellt wird, das zum
Denken notwendig ist. Denn wenn es eine solch notwendige Bedingung gibt, können wir
weiterhin das Verhalten von sprachlosen Geschöpfen erklären, indem wir ihnen
propositionale Einstellungen zuschreiben, und gleichzeitig erkennen, dass solche Geschöpfe
nicht wirklich propositionale Einstellungen haben.“
Davidson will nun dies aufweisen – was also nötig ist, um von einem Lebewesen zu sagen, es
denke, was aber nur durch Sprache zur Verfügung gestellt wird.
Argumentation umfasst zwei Schritte:
1. Um eine Überzeugung zu haben, ist es notwendig, den Begriff von Überzeugung zu
haben
2. Um den Begriff von Überzeugung zu haben, muss man über Sprache verfügen.
S. 128
Zum Bsp. von D. Weiss: Davidson => Wenn der Superhund aus Weiss’ Beispiel überrascht
ist, hat er reflektierende Gedanken und somit natürlich auch Überzeugungen.
 was dies aber nicht sogleich heißt, ist: dass alles Denken selbstbewusst ist, oder dass
wir immer dann, wenn wir denken, dass p, uns bewusst sein müssen, dass p, oder
glauben, dass wir glauben, dass p, oder denken, dass wir denken, dass p.
 Davidson: Um überhaupt eine propositionale Einstellung zu haben, ist es notwendig,
den Begriff von einer Überzeugung zu haben.
 Was ist aber notwendig, um den Begriff von einer Überzeugung zu haben =>
Davidson: hier ist das Phänomen der Überraschung bedeutsam => denn Überraschung
erfordert den Begriff von einer Überzeugung
S. 129
 Eine Überzeugung zu haben hat die Möglichkeit von Überraschung zur Folge: Ich
glaube z. B., dass eine Münze in meiner Tasche ist, leere die Tasche und finde keine
Münze vor. Ich bin überrascht, WEIL ich zuvor glaubte (propositionale Einstellung),
dass eine Münze in meiner Tasche war!
 Es kann, wenn ich glaube, dass eine Münze in meiner Tasche ist, etwas geschehen, das
meine Meinung ändern würde
 DAS ENTSCHEIDENDE ist für Davidson aber: „Es genügt nicht, dass ich zuerst
glaube, in meiner Tasche sei eine Münze, und dann nach dem Leeren meiner Tasche
diese Überzeugung nicht mehr habe. Überraschung erfordert, dass ich mir eines
Gegensatzes zwischen dem, was ich glaubte, und dem, was ich jetzt glaube, bewusst
bin. Ein solches Bewusstsein ist jedoch eine Überzeugung von einer Überzeugung“
 Wenn ich überrascht bin, dann glaube ich nun unter anderem dass meine ursprüngliche
Überzeugung falsch gewesen ist (vielleicht muss nicht jeder Fall von Überraschung
die Überzeugung beinhalten, dass eine frühere Überzeugung falsch war)
 Überraschungen beinhalten quasi Überzeugungen hinsichtlich der Korrektheit der
eigenen Überzeugungen
 Überraschung ist somit für Davidson EINE NOTWENDIGE UND HINREICHENDE
BEDINGUNG FÜR DENKEN IM ALLGEMEINEN.
Zweiter Teil des Arguments:
 Überzeugung: Zustand eines Organismus, der wahr oder falsch sein kann => ein
Zustand eben, der einen Sachverhalt in der Welt richtig oder falsch vermeint (bzw. in
einer anderen Überzeugungsmodalität intendiert)
 Davidson: den Begriff von Überzeugung zu haben heißt demnach, den Begriff von
objektiver Wahrheit zu haben
 Bsp.: Wenn ich überrascht bin herauszufinden, dass in meiner Tasche keine Münze ist,
gelange ich zu der Überzeugung, dass meine vorherige Überzeugung nicht mit dem
Zustand meiner Finanzen (etwas, das einen objektiven Sachverhalt – quasi einen: es ist
so und so - Sachverhalt – in der Welt darstellt) übereingestimmt hat. Ich habe die Idee
von einer objektiven Realität, die von meiner Überzeugung unabhängig ist (denn
meine Überzeugung kann diese Realität „verfehlen“)
S. 130
 Davidson: Ein Geschöpf kann auf komplexe Weise mit der Welt interagieren, ohne
irgendwelche Propositionen zu erwägen. Es kann zwischen Farben, Geschmäckern,
Klängen und Formen unterscheiden. Es kann lernen, d. h. sein Verhalten ändern, und
zwar derart, dass sein Leben erhalten oder seine Nahrungsaufnahme vermehrt wird. Es
kann in dem Sinn „verallgemeinern“, dass es auf neue Reize reagiert wie es auch auf
frühere Reize reagiert hat.
 Entscheidend aber für Davidson: Wie erfolgreich dies auch angesichts seiner
Maßstäbe sein mag: Nichts davon zeigt, dass das Geschöpf den Gegensatz beherrscht
zwischen dem, was geglaubt wird, und dem, was der Fall ist, so wie es von der
Überzeugung gefordert wird.
 Sprachliche Kommunikation würde dies tun!
 Davidsons Begründung: Um die Rede eines anderen zu verstehen, muss ich fähig sein,
an dieselben Dinge zu denken, an die er denkt => z. B. muss ich – „denken“ hier als
eine propositionale Einstellung verstanden – eben auch solche propositionalen
Einstellungen haben bzw. zum Ausdruck bringen können, wie etwa „der Hund oder
die Katze da glaubt, es sei etwas Essbares oben auf dem Baum“ (ich beziehe mich auf
eine inhaltlich bestimmte, objektive Welt). Will ein anderer verstehen, was ich denke,
muss er auch fähig sein, dasselbe wie ich zu denken, dass heißt sich auf dieselbe
inhaltlich bestimmte objektive Welt zu beziehen.
 „[...] Davidson: um uneins zu sein, müssen wir über die gleichen Propositionen
verfügen, über den gleichen Gegenstandsbereich und den gleichen Wahrheitsbegriff“
 „Kommunikation hängt davon ab, dass jeder Kommunikationspartner den Begriff von
einer geteilten Welt – von einer intersubjektiven Welt – hat und korrekterweise auch
denkt, dass der andere ihn ebenfalls hat => Aber der Begriff von einer intersubjektiven
Welt ist der Begriff von einer objektiven Welt – von einer Welt, von der jeder
Kommunikationspartner Überzeugungen haben kann“
 Und hier kommt jetzt die Bedeutung von Sprache ins Spiel: für Davidson hängt
nämlich das Verfügen über den Begriff von intersubjektiver Wahrheit von
Kommunikation im vollen sprachlichen Sinn ab
 Was Davidson, wie er eingesteht, nicht zu zeigen vermag, ist, dass der einzige Weg,
auf dem man zum Kontrast Überzeugung – Wahrheit gelangen kann, darüber führt,
den Begriff von intersubjektiver Wahrheit zu haben. Aber wie sollte man sonst zum
Begriff intersubjektiver Wahrheit kommen können?
S. 131
 Davidson: Triangulation
 Schlussfolgerung, so Davidson: „Rationalität ist ein soziales Merkmal. Nur
Kommunikationspartner haben sie“
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