dann ist Gewalt als letzter Ausweg moralisch gerechtfertigt US

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. . . dann ist Gewalt als letzter Ausweg moralisch
gerechtfertigt
US-Intellektuelle rechtfertigen den "gerechten Krieg" gegen den
Terror und unterstützen Präsident George W. Bush / Auszüge aus
dem Aufruf
60 prominente Intellektuelle unterstützen mit einem Aufruf US-Präsident Bush und
dessen erklärten Kampf gegen den internationalen Terror. Zu den Unterzeichnern
des am Dienstag veröffentlichten 18-seitigen Papiers gehören zum Beispiel der
Soziologe Francis Fukuyama, der Kulturhistoriker Samuel Huntington und der
Gesellschaftstheoretiker Amitai Etzioni. Wir dokumentieren Auszüge. Der
komplette englische Originaltext ist im Internet unter www.americanvalues.org
abrufbar.
Manchmal wird es notwendig für eine Nation, sich mit Waffengewalt selbst zu verteidigen.
Weil aber Krieg eine schwerwiegende Angelegenheit ist, die das Opfern und Auslöschen
wertvoller Menschenleben einschließt, verlangt das Gewissen von jenen, die den Krieg
erwägen, dass sie die moralische Begründung ihres Handelns klar benennen, um
voreinander und vor der Weltgemeinschaft die Prinzipien zu klären, die sie verteidigen.
Wir bekräftigen fünf fundamentale Wahrheiten, auf die alle Menschen unterschiedslos
Anspruch haben.
1. Alle Menschen sind frei geboren und haben die gleiche Würde und die gleichen
Grundrechte.
2. Das Grundelement jeder Gesellschaftsordnung ist der Mensch. Jede Regierung hat die
legitime Aufgabe, die Grundlagen für menschliches Wohlergehen zu schützen und zu
befestigen.
3. Menschen haben das natürliche Bedürfnis, die Wahrheit über den Sinn des Lebens
und seine letzten Ziele zu suchen.
4. Gewissensfreiheit und Religionsfreiheit sind unverletzbare Rechte des Menschen.
5. Das Töten im Namen Gottes steht im Gegensatz zum Glauben an Gott und bedeutet
den schwerstwiegenden Betrug an der Universalität religiösen Glaubens.
Wir kämpfen, um uns selbst und diese allgemeingültigen Prinzipien zu verteidigen.
1. Was sind amerikanische Werte?
Seit dem 11. September haben Millionen Amerikaner sich selbst und ihresgleichen
gefragt: warum? Warum sind wir das Ziel dieser hasserfüllten Angriffe? (. . .) Wir
erkennen, dass unsere Nation bisweilen mit Arroganz und Ignoranz gegenüber anderen
Nationen gehandelt hat. Zu gewissen Zeiten hat unsere Nation eine fehlgeleitete und
ungerechte Politik verfolgt. Zu oft ist es unserer Nation nicht gelungen, nach unseren
eigenen Idealen zu leben. (.. .) Uns eint die Überzeugung - und wir sind überzeugt, dass
alle Rechtschaffenen dieser Welt dem zustimmen -, dass kein Verweis auf die Verdienste
oder das Versagen einer bestimmten Außenpolitik jemals den Massenmord an
unschuldigen Menschen rechtfertigen kann.
(. . .) Wir können nicht beanspruchen, die Motive unserer Angreifer und ihrer
Sympathisanten gänzlich zu verstehen. (. . .) Der Anführer der Al Qaida beschreibt die
"gesegneten Anschläge" des 11. September als Schlag gegen Amerika, "den Schuldigen
am Unglück der Welt". (. . .) In der Konsequenz richtet sich ihr Hass nicht allein gegen
das, was unsere Regierung tut, sondern gegen das, was wir sind - gegen unsere
Existenz.
Wer also sind wir? Was sind unsere Werte? Für viele Menschen, viele Amerikaner, einen
Gutteil der Unterzeichner eingeschlossen, sind einige Werte, die in Amerika sichtbar
werden, nicht erstrebenswert und schmerzlich. Konsum als Lebenszweck. Der Begriff von
Freiheit als Fehlen von Regeln. Das Verständnis des selbstbestimmten und
uneingeschränkt souveränen Individuums, als ob es anderen und der Gemeinschaft
nichts schuldig sei. Die Schwächung von Ehe und Familienleben. Zudem den enormen
Unterhaltungs- und Kommunikationsapparat, der solche Ideen rücksichtslos glorifiziert
und sie, ob willkommen oder nicht, in fast jede Ecke des Globus sendet.
(. . .) Gleichzeitig gibt es andere amerikanische Werte - die wir als grundlegende Werte
begreifen, die unsere Lebensweise definieren -, die sich von den zuvor genannten
unterscheiden und weit attraktiver sind nicht nur für Amerikaner, sondern für die
Menschen überall auf der Welt. (. . .)
1. die Überzeugung, dass alle Menschen eine angeborene Würde besitzen und dass
folglich jeder Mensch immer als Zweck an sich und nicht als Mittel zu betrachten ist (. . .),
Männer wie Frauen und unabhängig von Rasse und Hautfarbe. Der klarste politische
Ausdruck des Glaubens an eine transzendentale menschliche Würde ist die Demokratie.
2. (. . .) die Überzeugung, dass es universale moralische Wahrheiten gibt, zu denen alle
Menschen Zugang haben. Zu den eloquentesten Ausdrücken unseres Vertrauens in
diese Wahrheiten gehört unsere Unabhängigkeitserklärung, George Washingtons
Abschiedsrede, Abraham Lincolns Gettysburg-Rede und seine zweite
Amtseinführungsrede sowie Dr. Martin Luther Kings Brief aus dem Gefängnis
Birmingham.
3. die Überzeugung, dass unser individueller und kollektiver Zugang zu diesen
Wahrheiten unvollkommen ist und deshalb die meisten Meinungsverschiedenheiten über
Werte einen zivilen Umgang, die Offenheit für andere Sichtweisen und eine rationale
Auseinandersetzung erfordern.
4. Gewissens- und Religionsfreiheit (. . .) als Ausdruck grundlegender Menschenwürde
und als Voraussetzung anderer individueller Freiheiten.
(. . .) Keine andere Nation in der Geschichte hat ihre Identität (. . .) so direkt und
ausdrücklich mit den universalen Menschenrechten verbunden. Für uns hat kein anderes
Faktum über dieses Land höhere Bedeutung.
Manche geben zu bedenken, dass diese Werte nicht universal seien, sondern sich von
der westlichen, im Wesentlichen christlich geprägten Zivilisation herleiten. Sie
argumentieren: Wer diese Werte als universal begreife, leugne die Unterschiede zu
anderen Kulturen. Dem können wir nicht zustimmen. (. . .) Wir glauben daran, dass die
Freiheit aller Menschen möglich und gewünscht ist. Wir glauben, dass bestimmte
grundlegende moralische Werte überall in der Welt anzuerkennen sind. Wir stimmen (. . .)
der UN-Menschenrechts-Charta zu. (. . .)
2. Was ist mit Gott?
Seit dem 11. September haben Millionen Amerikaner sich selbst und ihresgleichen
gefragt: Und was ist mit Gott? (. . .) Wenn wir den Horror des Geschehenen bedenken
und die Gefahren, die wahrscheinlich vor uns liegen, werden viele fragen: Ist Religion ein
Teil der Lösung oder ein Teil des Problems?
Die Unterzeichner haben unterschiedliche religiöse und moralische Traditionen, teils
auch säkulare. (. . .) Viele von uns glauben, dass wir in Gottes Hand sind. Keiner von uns
glaubt, dass Gott jemals einen Menschen beauftragt, andere Menschen zu töten oder zu
besiegen. Jeder solche Ansatz, ob wir ihn "Heiliger Krieg" oder "Kreuzzug" nennen, (. . .)
negiert den Glauben an Gott, weil er Gott in ein Idol verwandelt, das menschlichen Zielen
dienen soll. (. . .)
Jene, die uns am 11. September angegriffen haben, sagen offen, dass sie sich in einem
"Heiligen Krieg" sehen. (. . .) Um das Unheil dieses Denkens zu erkennen, brauchen wir
Amerikaner uns nur an unsere eigene Geschichte und die des christlichen Westens zu
erinnern: die christlichen Religionskriege und die sektiererische christliche Gewalt (. . .).
Einige Unterzeichner glauben, dass Menschen von Natur aus religiös sind. (. . .) Alle
Unterzeichner erkennen an, dass religiöser Glaube und religiöse Institutionen (. . .) oft
eine wohltätige und heilende Funktion auf die Gesellschaft ausüben. Manchmal
allerdings bewirken sie Trennung und Gewalt.
3. Ein gerechter Krieg?
Wir anerkennen, dass jeder Krieg schrecklich ist und das Ergebnis des politischen
Versagens von Menschen darstellt. Wir wissen, dass die Trennungslinie zwischen Gut
und Böse nicht zwischen der einen und der anderen Gesellschaft verläuft, und noch
weniger zwischen der einen und einer anderen Religion. Diese Grenze läuft durch die
Mitte jedes menschlichen Herzens. (. . .) Doch die Vernunft und die moralische
Abwägung lehren uns, dass es Zeiten gibt, in denen die erste und wichtigste Reaktion auf
das Böse sein muss, es zu stoppen. Es gibt Zeiten, in denen es nicht nur moralisch
gerechtfertigt, sondern sogar geboten ist, den Krieg zu erwägen - als Antwort auf
katastrophale Gewaltakte, Hass und Ungerechtigkeit. Derzeit erleben wir einen solchen
Moment.
Der Gedanke des "gerechten Krieges" hat eine breite Grundlage; seine Wurzeln finden
sich in vielen Religionen und säkularen Moraltraditionen (. . .) in der jüdischen,
christlichen und moslemischen Lehre. (. . .) Nach den Prinzipien des gerechten Krieges
sind Angriffs- und Expansionskriege niemals akzeptabel. Es können auch keine legitimen
Kriege für den nationalen Ruhm, aus Rache für Unrecht in der Vergangenheit, zur
Gebietsvergrößerung oder für jeden anderen Zweck, der nicht der Verteidigung dient,
geführt werden. (. . .) Die primäre moralische Rechtfertigung eines Krieges ist,
Unschuldige vor sicherem Leid zu bewahren. (. . .) Wenn jemand unzweifelhafte Beweise
hat, dass Unschuldigen, die sich nicht selbst schützen können, schweres Leid droht,
sofern der Aggressor nicht mit zwingenden Gewaltmaßnahmen gestoppt wird, dann
verlangt der moralische Grundsatz der Nächstenliebe, die Gewalt einzusetzen.
Legitime Kriege können nicht geführt werden gegen Gefahren, die gering sind oder
fraglich oder deren Auswirkungen unklar sind, sowie gegen Bedrohungen, die sich durch
Verhandlungen ausräumen lassen, durch den Appell an die Vernunft, durch Vermittlung
Dritter oder andere nicht-gewaltsame Mittel. (Anmerkung im Anhang: Einige
argumentieren, die Anforderungen an den gerechten Krieg als letzten Ausweg seien nicht
erfüllt, solange nicht ein international anerkanntes Gremium wie die Vereinten Nationen
dem Waffeneinsatz zugestimmt hat. Diese Auffassung ist problematisch. (. . .) Es ist
fraglich, ob ein internationales Gremium wie die UN der beste Richter sein kann, wann
und unter welchen Bedingungen ein Waffeneinsatz als letzter Ausweg gerechtfertigt ist. (.
. .) Nach Aussage eines Beobachters, der früher Vize-Generalsekretär der UN war,
könnte es selbstmörderisch sein, die UN zu einer Schatten-Imitation eines Staates zu
machen mit dem Ziel, den internationalen Gebrauch von Gewalt zu regeln. (. . .) Ende der
Anmerkung.)
Wenn jedoch die Gefahr für unschuldiges Leben real und gewiss ist, und besonders
wenn der Aggressor von unversöhnlichem Hass getrieben ist - wenn also sein Ziel nicht
ist, Verhandlungen oder Nachgeben zu erzwingen, sondern die Zerstörung des Gegners
-, dann ist Gewalt gegen ihn als letzter Ausweg moralisch gerechtfertigt. Ein gerechter
Krieg kann nur von einer legitimen Autorität geführt werden, die Verantwortung trägt für
die öffentliche Ordnung. Eine nicht-staatliche, opportunistische oder individuell
begründete Gewaltanwendung kann niemals moralisch akzeptiert werden.
Ein gerechter Krieg darf nur gegen Personen, die Kombattanten sind, erwogen werden. (.
. .) Nicht-Kombattanten müssen vor vorsätzlichen Angriffen geschützt sein. (. . .) Auch im
Krieg muss die Heiligkeit menschlichen Lebens und das Prinzip der gleichen Würde der
Menschen gelten. Selbst bei den tragischsten Kriegshandlungen muss die grundlegende
moralische Wahrheit bedacht werden, dass alle "anderen" (. . .) das gleiche Recht auf
Leben, Würde und Grundrechte haben wie wir.
Am 11. September hat eine Gruppe von Individuen vorsätzlich die USA angegriffen. (. . .)
Sie waren Teil eines internationalen islamistischen Netzwerkes, das in 40 Ländern aktiv
und als Al Qaida bekannt ist. Sie wiederum bildet nur einen Arm einer größeren radikalen
islamistischen Bewegung. (. . .) Wir benutzen die Begriffe "Islam" und "islamisch", um
über eine der großen Religionen der Welt zu sprechen, die etwa 1,2 Milliarden Anhänger
hat, darunter mehrere Millionen US-Bürger, von denen einige am 11. September
ermordet wurden. Eigentlich ist es unnötig zu sagen - aber wir sprechen es hier einmal
klar aus - , dass die Moslems in ihrer überwältigenden Mehrheit (. . .) anständig, gläubig
und friedliebend sind.
Wir benutzen die Begriffe "Islamismus" und "radikale Islamisten", wenn wir über die
gewalttätige, extremistische und radikal intolerante religiös-politische Bewegung
sprechen, die jetzt die Welt bedroht, auch die moslemische Welt. Diese Bewegung
bekämpft (. . .) das Gründungsprinzip der modernen Welt, die religiöse Toleranz, sowie
die grundlegenden Menschenrechte (. . .) in der UN-Menschenrechts-Charta.
(. . .) Der Massenmord am 11. September hat belegt, dass diese Bewegung nicht nur die
Absicht, sondern auch die Kapazitäten und die Erfahrung hat, massive und schreckliche
Verwüstungen anzurichten - einschließlich des möglichen Zugangs zu chemischen,
biologischen und Atomwaffen sowie der Bereitschaft, sie zu benutzen.
(. . .) Organisierte Killer mit globaler Reichweite bedrohen uns alle. Im Namen der
universalen menschlichen Moral und im vollen Bewusstsein der Begrenzungen und
Anforderungen eines gerechten Krieges unterstützen wir die Entscheidung unserer
Regierung und unserer Gesellschaft, Waffengewalt gegen sie einzusetzen.
Wir versprechen, alles gegen die schmerzlichen Versuchungen zu tun, zu denen
Nationen im Krieg neigen - vor allem Arroganz und Chauvinismus. Gleichzeitig erklären
wir feierlich mit einer Stimme, dass es für unsere Nation und ihre Verbündeten darauf
ankommt, diesen Krieg zu gewinnen. Wir kämpfen, um uns selbst zu verteidigen, aber wir
sind überzeugt, dass wir dabei auch kämpfen, um die universalen Prinzipien der
Menschenrechte und menschlichen Würde zu verteidigen, die die größte Hoffnung für die
Menschheit darstellen. (. . .)
Übersetzt und gekürzt von Christoph von Marschall, Der Tagesspiegel.
Der Terror und die Folgen
FR-Spezial Der Terror und die Folgen: Alle Beiträge mit Videos, Flash-Animation, FotoChronologie und Infografiken
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Copyright © Frankfurter Rundschau 2002
Dokument erstellt am 13.03.2002 um 21:08:02 Uhr
Erscheinungsdatum 14.02.2002
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