Hartmut Fröschle - Deutsche Weltallianz German World Alliance

Werbung
Hartmut Fröschle
Die Deutschbrasilianer einst und jetzt
Rund 200 Jahre deutschsprachige Einwanderung und Siedlung in Brasilien.
Ein Überblick
Es ist ein merkwürdiges Phänomen, dass im deutschsprachigen Mitteleuropa – dem Teil
Europas, der die längste und umfassendeste Auswanderungsgeschichte dieses Erdteils hat - in
den Heimatländern von der Geschichte seiner Ausgewanderten, ihren Lebensumständen und
Leistungen in den adoptierten Ländern sehr wenig bekannt ist. Dies ist besonders ausgeprägt
in Deutschland, aber in Österreich und der Schweiz wahrscheinlich nicht viel besser. Deshalb
bin ich dem Österreichischen Staatsarchiv verbunden, dass es mir die Gelegenheit bietet, vor
einem geschichtlich interessierten Publikum über einen Aspekt dieses weithin unbeackerten
Gebietes zu referieren.
In den Ethnischen Studien Nordamerikas, zu denen ich mit dem von mir gegründeten und
lange mitherausgegebenen Deutschkanadischen Jahrbuch/German-Canadian Yearbook einen
Beitrag geleistet habe, bezeichnet man im allgemeinen als „Deutsche“ alle deutschsprachigen
Einwanderer und ihre Nachfahren, gleichgültig aus welchem Herkunftsstaat sie kamen. Als
entscheidend für die kulturelle Prägung einer ethnischen Gruppe wird also die
Sprache, nicht die geographische und staatliche Herkunft angesehen. Deutschsprachige
Einwanderung nach Brasilien z.B. erfolgte aus den heutigen Staaten Deutschland, Österreich,
der Schweiz, Frankreich, Italien, Polen, der Tschechei und Slowakei, Rumänien, Ungarn,
Kroatien und Serbien, aus Russland, den USA, Mexiko, Paraguay und anderen Ländern. Nur
innerhalb der sprachlichen Gemeinsamkeit einer ethnischen Gruppe ist es sinnvoll,
herkunftsmäßig regional differenzieren. Ähnlich wie in Nordamerika verhält es sich in
Lateinamerika. Dieser historische Hintergrund muss immer im Auge behalten werden, wenn
im Zusammenhang von Aus- und Einwanderung von Deutschen gesprochen wird.
1807 war der portugiesische Prinzregent Dom Joao VI. vor Napoleon nach Rio de Janeiro
geflüchtet, welchen Ort er zum Regierungssitz machte. 1808 wurden die Häfen der
portugiesischen Kolonien in Südamerika für Fremde geöffnet, es ist der Beginn der Zulassung
ausländischer Einwanderung. Wenn auch die deutsche Gruppeneinwanderung erst 1819 bzw.
1824 begann, so ist festzuhalten, dass eine Reihe deutscher Wissenschaftler und Experten
bereits ab 1810 im Lande wirkte, so dass man berechtigt ist, von ca. 200 Jahren
deutschsprachiger Einwanderung nach Brasilien zu sprechen. Zwei Namen mögen
stellvertretend für dieses frühe wissenschaftliche Engagement nach der Öffnung des Landes
stehen: Ludwig Freiherr von Eschwege (1777-1855), der von 1811 bis 1821 die ersten
Eisenhütten in Gang setzte und als Begründer der brasilianischen Geologie gilt, sowie
Maximilian Prinz zu Wied-Neuwied (1782-1867), der durch seine Forschungsreise von 1815
bis 1817 und durch seine nachfolgenden Publikationen die systematische geographische
Erforschung Brasiliens einleitete.
Die Präsenz einzelner Deutscher in Brasilien hat allerdings erheblich früher eingesetzt. Um
eines Gesamtbildes willen und um die Länge der zeitlichen Beziehungen der Deutschen zu
diesem Land der Neuen Welt zu verdeutlichen, kann auf ein paar Fakten vor der
Masseneinwanderung im 19. Jahrhundert nicht verzichtet werden. Obwohl weder das Heilige
Römische Reich deutscher Nation noch einzelne Länder dieses Reiches an der Kolonisation
Lateinamerikas teilnahmen, waren Deutsche vom ersten Tag der portugiesischen Landnahme,
vom 22. April 1500 an, mit dem Schicksal Brasiliens verbunden. An Bord der Karavellen von
Pedro Alvarez Cabral befanden sich deutsche Kanoniere (bombarderos), und der
wissenschaftliche Berater der Flotte, Meister Johann, der zum ersten Mal die geographische
Lage des neu entdeckten Landes bestimmte, das damals Ilha da Vera Cruz genannt wurde,
stammte aus Deutschland. Auch unter den ersten portugiesischen Siedlern, die ab 1532 mit
Hilfe von Indianer- und später Negersklaven durch Anlegen von Zuckerrohrplantagen das
Land erschlossen, befanden sich Deutsche. Am Aufbau der ersten Kolonie, Sao Vicente an
der Küste von Sao Paulo, und bei der Gründung von Rio beteiligte sich Heliodor Eoban
Hesse, der Sohn des bekannten Humanisten und Hutten-Freundes Helius Eobanus Hessus.
Während der holländischen Herrschaft von 1630 bis 1654 in Nordost-Brasilien (Pernambuco)
wurde der deutsche Offizier Christoph Lins zum Großgrundbesitzer, eroberte den heutigen
brasilianischen Bundesstaat Alagoas, wo er mehrere Zuckermühlen errichtete, und beteiligte
sich später an der Eroberung und Gründung des Staates Paraíba. Gouverneur dieses
holländischen Kolonialreiches war von 1637 bis 1644 Johann Moritz von Nassau-Siegen. Er
verwandelte, teilweise mit eigenen privaten Mitteln, das Dorf Recife in die damals größte
Stadt Amerikas mit ca. 10 000 Einwohnern. Unter den Wissenschaftlern, die er ins Land zog,
ragte Georg Markgraf hervor, der zusammen mit Wilhelm Pies verantwortlich ist für die
Historia Naturalis Brasiliae von 1648, ein Werk, das den Anfang der naturwissenschaftlichen,
ethnologischen und medizinischen Forschung in der Neuen Welt darstellt. Der erste
Geschichtsschreiber Brasiliens war Hans Staden, der als spanischer Landsknecht durch
Schiffbruch bei den Portugiesen landete und in deren Diensten als Kommandant eines Forts
fungierte. Er geriet in die Gefangenschaft indianischer Kannibalen und wurde nach
einjähriger Gefangenschaft von französischen Kaperern befreit. Zurückgekehrt nach
Deutschland, veröffentliche er 1557 sein berühmt gewordenes Buch „Wahrhaftige Historia
und
Beschreibung
einer
Landschaft
der
wilden,
nackten
und
grimmigen
Menschenfresserleute“. Nicht vergessen werden darf das segensreiche Wirken der Jesuiten in
Südamerika, die sich der geplagten Ureinwohner annahmen. Unter ihnen befanden sich nicht
wenige Deutsche. Johann Philipp Bettendorff aus Luxemburg, der in Maranhao Lateinschulen
gründete und die wirtschaftliche Basis des Ordens ausbaute, verfasste eine Chronik des
Ordens im Staat Maranhao und einige indianische Sprachkompendien. Der die riesige
Amazonas-Mission betreuende Pater Samuel Fritz (aus Trautenau im Sudetenland) verfasste
zusammen mit seinem Ordensbruder Aloys Konrad Pfeil (aus Konstanz) die erste Karte des
Amazonasstromes mit seinen Nebenflüssen. Der nur genial zu nennende Missionar Anton
Sepp von und zu Rechegg (1655-1733), ein Tiroler Ritter aus Kaltern, baute in der von ihm
gegründeten Reduktion Sao Joao Batista im heutigen Staat Rio Grande do Sul mit Hilfe der
von ihm ausgebildeten Indianer eine denkmalartige Kirche, die er mit Skulpturen und einer
selbstgebauten Orgel ausstattete. Pater Sepp gilt als der bedeutendste Musiklehrer des
gesamten Jesuitenstaats, der mit seinen Indianern mehrstimmige Chöre und Orchester mit
europäischen Instrumenten schuf, mit denen er kirchliche und weltliche Tonkunst pflegte.
Von der Spannweite seines zivilisatorischen Wirkens zeugen die Gründung und Leitung des
größten Kollegs der Sieben Missionen (in RS) sowie die Einrichtung von Schmelzöfen und
Gießereien mit Werkstätten zur Verarbeitung der Produktion. Aus dem 18. Jahrhundert muss
wenigstens eine herausragende Persönlichkeit erwähnt werden: Johann Heinrich Böhm (17081783) aus Bremen, der 1767 als Generalleutnant vom portugiesischen König nach
Südbrasilien entsandt wurde. Ausgebildet in der gleichen preußischen Kriegsschule, in der
auch Scharnhorst und Gneisenau ihre Erziehung erhielten, schuf er aus den diversen
zerstreuen und verschiedenartigen Truppenteilen ein modernes, diszipliniertes Heer, mit dem
er 1776 die Spanier aus Südbrasilien vertrieb und damit die Provinz Rio Grande do Sul für
Brasilien sicherte.
Die Beispiele national wichtigen und überzeitlichen Wirkens, die ich aufgezählt habe, stellen
nur die Spitze eines Eisbergs dar. Der deutschbrasilianische Geschichtsforscher Karl H.
Oberacker jr. hat die Tiefe und Breite dieses in seiner Dauer und Vielfalt respekteinflößenden
Wirkens zusammengefasst in seinem 1978 in Sao Paulo erschienenen 580seitigen
Standardwerk „Der deutsche Beitrag zum Aufbau der brasilianischen Nation“, ein Buch, das
eine Neuauflage durch einen deutschen Verlag verdient hätte.
Zurück zu den Anfängen der brasilianischen Staatlichkeit. Johann VI. fasste alle
portugiesischen Besitzungen zu einem Staat zusammen und erklärte diesen 1815 zum
Königreich Brasilien, das er zusammen mit Portugal in Personalunion regierte. 1821 kehrte er
nach Lissabon zurück und ließ seinen Sohn Dom Pedro zurück. Dieser hatte im Mai 1817 in
Wien die Erzherzogin Leopoldine Karoline Josephine von Habsburg geheiratet, die Tochter
Franz des II., des letzten Kaisers des „Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation“ und
des ersten Kaisers von Österreich. Diese 1797 geborene hochbegabte junge Frau, die
Französisch und Italienisch sprach und sich auch das Portugiesische schnell erwarb, die
Personen- und Landschaftsbilder malte, sehr gut Klavier spielte und naturwissenschaftlich
interessiert war, ging mit Energie an ihre neue Aufgabe heran. Sie brachte ein
wissenschaftliches Gefolge von Forschern, Gelehrten, Künstlern und Fachleuten mit, die
einen wesentlichen Beitrag zum Aufbau der brasilianischen Nation leisten sollten. Sie wurden
später ergänzt durch Soldaten, Bauern, Kaufleute und Unternehmer aus ihrer alten Heimat. Im
Abwehrkampf gegen die portugiesische Rekolonisierungspolitik stellte sie sich beherzt auf
die Seite Brasiliens, stabilisierte ihren zögernden Gatten und ergriff in einem Augenblick der
Krise die Initiative: Während einer Reise des Kronprinzen nach Sao Paulo beschloss der
Staatsrat unter ihrem Vorsitz die Loslösung von Portugal, die dann von Dom Pedro am 7.
September 1822 auf dem Ipiranga-Feld bestätigt wurde. Dies war der Beginn des
unabhängigen Staates Brasilien. Einen wichtigen Beitrag zum Entschluss von Dom Pedro, die
Unabhängigkeit auszurufen, trug auch die Regierung der wichtigen Provinz Sao Paulo unter
der Leitung des Generalkapitäns Johann Karl August von Oeynhausen bei. Zur Stabilisierung
des jungen Kaiserreichs trug auch das stehende Heer von ca. 2000 deutschen Soldaten von
1823 bis 1830 bei; ein Teil von ihnen nahm an den Kämpfen des brasilianischen Heeres um
die Provinz Cisplatina (das heutige Uruguay) teil; der brasilianische Generalstabschef war der
gebürtige Preuße Gustav Heinrich von Braun (1775-1859).
Das Jahr 1824 markiert den Beginn deutscher Gruppeneinwanderung in Brasilien. Wie hat
sich das aus der jahrzehntelangen Einwanderung entstandene Volkstum entwickelt? Was
muss bei der Charakterisierung einer ethnischen Gruppe beachtet werden, um ein zutreffendes
Gesamtbild zu entwerfen? Als ich in den 1970er Jahren in Zusammenarbeit mit 15
Sachkennern das Sammelwerk „Die Deutschen in Lateinamerika. Schicksal und Leistung“
zusammenstellte, ersuchte ich die Mitarbeiter, folgende übergeordnete Fragen zu
beantworten: 1) deutsche Einwanderung; 2) das Problem der Integration bzw. Assimilation; 3)
Bildungs- und Erziehungswesen, Bildungsstand der Volksgruppe; 4) Presse und
Organisationswesen; 5) die Beiträge zum Aufbau des Landes; 6) Frage der Identität und des
Selbstverständnisses; 7) Rolle der Religionszugehörigkeit; und 8) Wirkung der Kontakte zum
Mutterland. Dies übergeordneten Fragen wurden dann aufgeschlüsselt, so lautete es z.B. in
Frage 1 weiter: wann, in welchen Wellen, aus welchen Gründen; aus welchen Gegenden
kamen die Einwanderer; wo ließen sie sich nieder, warum? Entwicklung der
Bevölkerungszahl (wann wurden Bevölkerungsstatistiken zusammengestellt; wann gab es
Volkszählungen, wie wurden die Volkszählungen durchgeführt; wurde nach der ethnischen
Herkunft, der Muttersprache u.ä. gefragt? Welche sonstigen Mittel wurden angewandet, um
das ethnische Mosaik der Bevölkerung zu erfassen? Die Differenzierung der Frage 2 lautete
wie folgt: Wie siedelten die Einwanderer, geschlossen oder zerstreut, warum auf die eine oder
die andere Weise? Hatte die Art der Siedlung auf ihr kulturelles Niveau, auf die Erhaltung
oder Aufgabe ihres Volkstums einen Einfluss? Wurde die Muttersprache erhalten oder schnell
aufgegeben, warum? Hatte die Erhaltung des angestammten Volkstums positive oder negative
Auswirkungen hinsichtlich des sozialen Aufstiegs? Die Untergliederung der restlichen Fragen
möchte ich Ihnen ersparen. Wichtig erschien mir bei meinen Forschungen immer auch die
Leistungsgeschichte einer Gruppe, obwohl solche Bewertungen von Vertretern des
assimilierenden „nation building“ abgelehnt werden; warum aber soll ein Forscher nicht
herausarbeiten dürfen, dass Einwanderung nicht gleich Einwanderung ist, dass es mehr oder
weniger nützliche Immigration gibt. Wollte ich obigen Fragenkatalog mit einiger
Vollständigkeit beantworten, würde ich für das Thema „Die Deutschbrasilianer einst und
jetzt“ wohl zwei dreimonatige Semester benötigen; ich muss also um Nachsicht dafür bitten,
dass in einem 90-minütigen, überaus summarischen Überblick vieles nur angedeutet werden
kann.
Obwohl die ersten drei deutschen Kolonien 1818 bei Bahia gegründet wurden (die sich aber
mangels Zuwanderung nicht entwickeln konnten) und obwohl das erste Schiff mit deutschen
Einwanderern in Rio landete und die (bald durch Abwanderung geschwächte) Siedlung der
deutschen Immigranten in Nova Friburgo schon etwas früher begann, wird seit langem im
deutschbrasilianischen Schrifttum der Einwanderungsbeginn am 25. Juli, dem „Tag der
Kolonisten“ gefeiert. Am 25. Juli 1824 war die erste Gruppe deutscher Einwanderer in die
vormalige erfolglose königliche Fakturei in Sao Leopoldo eingezogen. Die Siedler waren von
Major der deutschen Legion Georg Anton von Schäffer in Deutschland mit der Zusage
großzügiger Anfangssubventionen angeworben worden; sie sollten die vorherigen
Sklavenarbeiter ersetzen und zur Stabilisierung der südlichsten Provinz Rio Grande do Sul
beitragen, wo es neben verstreuten Indianerstämmen nur eine dünne, von den Azoren
gekommene Bevölkerungsschicht gab. Nach anfänglichen Schwierigkeiten – die Kolonielose
wurden erst nach zwei Jahren vergeben – entwickelte sich die Kolonie durch weitern Zuzug
aus den deutschen Ländern und ist heute eine blühende Stadt mit ca. 70 000 Einwohnern; sie
ist eines der großen Zentren der Deutschbrasilianer mit einer von Jesuiten betriebenen
Universität und dem Seminar für evangelische Theologie. Im „Historischen Museum“ ist die
deutsche Einwanderung dokumentiert. Schon früh entwickelten sich Handwerk und Industrie
in Sao Leopoldo (1829 gab es schon mehrere Gerbereien, eine Seifenfabrik und eine
Getreidemühle), ebenso ein deutschbrasilianisches Verlags- und Druckereiwesen. Im
benachbarten
Novo
Hamburgo
entstanden
große
Gerbereien
und
Lederverarbeitungsindustrien. Die umgebenden Waldgebiete wurden zunehmend von
deutschen Siedlern gerodet und erschlossen, ab 1826 durch Pommern vom Seehafen Torres
aus ins Hügelland von Pelotas; als die Täler in allen Himmelsrichtungen kultiviert waren,
zogen die Kolonisten aufs Bergland der Serra bis zum Planalto, der waldoffenen Hochebene.
Nova Petropolis und Gramado, wo es ein Schulungsheim für deutschbrasilianische Musikund Tanzgruppen gibt, liegen auf den Höhen des Serra-Gebirges. So breitete sich im 19.
Jahrhundert
ein
Kleinbauerntum
mit
gemischter
Landwirtschaft
aus;
diese
Landwirtschaftsform, die die notwendigen Nahrungsmittel für das Staatsvolk an Ort und
Stelle zur Verfügung stellte, war ein Novum in Brasilien. 1849 entstand Santa Cruz als
Tochterstadt von Sao Leopoldo, 1856 wurde Estrela gegründet, 1857 Santo Anchelo, 1858
Teutonia. Aus Estrela, wo durch österreichische Initiative 1958 eine landwirtschaftliche
Mittelschule gegründet wurde, kam der brasilianische Staatspräsident Ernesto Geisel. 1855
erhielt das riograndensische Deutschtum Nachschub durch die Einwanderung vieler
abgemusterter „Brummer“, wie die 1851 ins Leben gerufene deutsche Fremdenlegion im
Volksmund hieß. Karl Ilg, der Innsbrucker Volkskundler, der in mehreren Expeditionen in
den
1960er
und
1970er
Jahren
als
erster
nach
den
zweiten
Weltkrieg
die
deutschbrasilianischen Siedlungen auch im Hinterland systematisch erforschte, schrieb über
die deutsche Pionierkolonisation in Rio Grande do Sul (1978): „Auf diese Weise wurde die
Urwaldrodung und die damit verbundene Erschließung neuen Kulturlandes die erste Großtat
unserer Landsleute! Sie pflanzte sich nachfolgend auch in den anderen südamerikanischen
Ländern fort und wurde damit für ganz Südamerika zu einer Kulturtat ersten Ranges. Sie
bedeutete eine großartige Entwicklungshilfe im 19. Jahrhundert! Weder Indianer noch
Portugiesen und Spanier haben sich als rodende Bauern in den Urwald hineingewagt.“ Karl
Oberacker würdigte die deutsche Siedlung in Südbrasilien folgendermaßen: „Die ersten
ausgesprochen kleinbäuerlichen Siedlungen, die etwas vollkommen Neues in der
brasilianischen Kolonisationsgeschichte darstellen und sich von der portugiesischen
Kolonisation wesentlich unterschieden, sind fast ausschließlich mit deutschen Kolonisten
angelegt worden. Staats-, sozial-, bevölkerungs- und militärpolitische Erwägungen und
Gründe haben bei de Entstehung dieser neuen Siedlungsform zusammengewirkt. Die
sklavenhälterischen Großbetriebe waren ein Ergebnis des portugiesisch-merkantilistischen
Kolonialgeistes; die kleinbäuerliche Kolonisation hingegen entsprang dem neuen Staatsgeiste,
der das Wohl des Landes zum obersten Gesetz erhoben hatte. Darum griff dieser Staat auch
zu einem Siedlerelement, das eine andere Gesinnung als die Einwanderer der Kolonialepoche
beseelte. Die deutschen Kolonisten trieb, ganz allgemein gesprochen, nicht die Sucht nach
Gold und leichtem Reichtum über das Meer. Sie wanderten aus, weil das übervölkerte
Deutschland ihnen nicht die Möglichkeit zu einem wirtschaftlichen Aufstieg bot. Ihr Ziel war
das Neuland selbst, in dem sie sich mit ihrer eigenen Hände Arbeit eine selbständige und
unabhängige Existenz gründen wollten Von vornherein war deshalb bei diesen Einwanderern
die seelische Bindung zum Neuland eine recht enge; sie betraten es nicht als abenteuerliche
Goldsucher und Einzelpersonen, sondern als Familienväter, als Land- und Heimatsucher. Sie
waren auch gerade darum auch das gewünschte Element zur Gründung des fehlenden
sozialen, vor allem ländlichen Mittelstandes, der auf der persönlichen freien Arbeitsleistung
beruht [...] Im Gegensatz zu den Azorianern waren die deutschen Einwanderer ganz anders
gegen den herrschenden Kolonialgeist, der bisher das Aufkommen eines ländlichen
Mittelstandes verhindert hatte, gefeit; denn sie schützte vor allem ihre sprachliche und
volkliche Andersartigkeit, insoweit man sie in ausgedehnteren und geschlossenen Siedlungen
ansetzte.“ Der französische Gelehrte Jean Roche, der 1959 in Paris eine umfassende Studie
über „La colonisation allemande et le Rio Grande do Sul“ vorlegte, bewertet die deutsche
Kolonieleistung wie folgt: „In der Entwicklung von Rio Grande so Sul vertreten die
deutschbrasilianischen Kolonisten nicht so sehr eine Quantität als vielmehr eine Qualität von
Menschen, die sich von den früheren Besitzern des Landes wesentlich unerschieden. Sie
stellten ein Ferment dar, auf Grund dessen sich eine neue typische Form der Kultur
entwickelte [...] Diese Kolonisten sind keine Deutschen mehr: sie sind, wie sie selbst von sich
sagen, Brasilianer deutscher Herkunft. Nach einer Zeit der Koexistenz in einem gewissen
gegenseitigen Desinteresse ist die Integration des deutschen Elements heute eine Tatsache.
Treu der Kultur und Überlieferung ihrer Vorfahren, sind sie treue Bürger ihres Landes.“
Viele Einwanderer in RS kamen aus der Pfalz, den Rheinlanden, dem Moselgebiet, auch aus
dem Taunus und dem Odenwald. Ihr Mischdialekt, der auch heute noch von vielen
Riograndensern verstanden und gesprochen wird, heißt im Volksmund „hunsrückisch“.
Die deutsche Einwanderung nach Brasilien kam 1859 für Jahrzehnte zu einem starken
Rückgang durch das sog. Heydte Reskript. Veranlasst durch Berichte über sklavenähnliche
Zustände von Deutschen, die auf Fazendas von Großgrundbesitzern im Staat Sao Paulo
arbeiteten, suchte der preußische Minister von der Heydt die Auswanderung nach Brasilien zu
verhindern, indem die preußische Regierung, ab 1871 die deutsche Regierung den
Auswanderern den staatlichen Schutz entzog und die Anwerbung verbot. Erst 1896 wurde
diese Verordnung wieder aufgehoben. Deshalb sind. Deshalb ist im 19. Jahrhundert nur noch
eine größere Kolonisationsleistung in RS zu vermelden: die Gründung von Neu-Württemberg
(heute Panambi) durch Dr. Hermann Meyer im Jahre 1899.
In Santa Catarina, dem an RS angrenzenden Bundesstaat, entstand Mitte des 19.
Jahrhunderts im Städtedreieck von Blumenau, Brusque und Joinville ein deutsches
Siedlungszentrum. Die Gründung von Brusque geht 1850 auf dem Grafen Schneeburg aus
dem Innsbrucker Bezirk Hötting zurück; seine Siedler kamen aus Vorderösterreich, sie waren
Badener, Elsässer und Schwaben, später kamen Oldenburger und Pommern hinzu. Dr.
Hermann Blumenau hatte im Einzugsgebiet des Itajai Land erworben, dessen Parzellen er ab
1852 an deutsche Einwanderer vergab. Seine in einem unwirtlichen, sumpfigen, regenreichen,
malariaverseuchten Gebiet angelegte Kolonie gedieh dank Blumenaus kolonisatorischer
Begabung und stellt heute das reichste Munizip, das größte Industriezentrum und den
landwirtschaftlichen Mittelpunkt von SC dar. Zur Anziehung von Touristen versucht die Stadt
seit einigen Jahrzehnten, durch alte und neue Fachwerkbauten ihren deutschen Charakter zu
betonen, und veranstaltet das drittgrößte Oktoberfest der Welt. Heute gilt die Stadt als
zweitgrößter Fremdenverkehrsort
Brasiliens. Nördlich von Blumenau gründete der
Hamburger Kolonisationsverein 1851 unter Senator Christian Matthias Schröder auf dem
sumpfigen Gelände des Prinzen von Joinville, des Schwagers von Pedro II., die Kolonie
Donna Franciska, das heutige Joinville. Zu den Siedlungspionieren gehörten nicht nur
Landarbeiter, sondern auch Angehörige gebildeten Standes, Akademiker und ehemalige
Offiziere, sog. 1848er, die die Heimat aus politischen Gründen verlassen hatten.
Von diesen drei Siedlungszentren in SC aus schlug die wachsende Bevölkerung Schneisen in
die schmalen Täler hinein und von dort die Hänge der Serra hinauf, so dass viele
Waldhufendörfer entstanden, die ihren Unterhalt durch Mais- und Reisanbau sowie durch
Schweinezucht verdienen. Durch die Erbteilung in den kinderreichen Familien gab es einen
ständigen Abzug von Nachfahren in unerschlossene Gebiete; deutschstämmige Siedler aus RS
und SC gehören zu den Pionieren in anderen Bundesstaaten, sie drangen über Paraná bis in
den Mato Grosso und neuerdings auch das Amazonasgebiet vor, auch über die Grenzen nach
Argentinien und Paraguay.
Das Städtedreieck Blumenau – Brusque – Joinville entwickelte sich in einigen Bereichen zu
einem Mittelpunkt der brasilianischen Industrie, z.B. im Textilbereich. Karl Renaux aus
Lörrach gründete 1862 in Brusque eine äußerst erfolgreiche Textilfabrik; die Gebrüder Hering
aus Chemnitz riefen 1879 in Blumenau eine Trikotagenfabrik ins Leben, die sich zur größten
in Lateinamerika entwickelte. Joinville wurde zu einem Schwerpunkt der brasilianischen
Metallindustrie und der Kunststoffherstellung. Statistiken von 1940 belegen, dass Joinville
419 industrielle Betriebe hatte, das verkleinerte Munizip Blumenau 518, und Brusque 402.
Das Deutschtum in Santa Catarina erhielt zweimal durch die Einwanderung von Österreichern
Verstärkung: 1873 gründeten Böhmerwäldler die Kolonie Sao Bento in der nördlichen Serra,
welche erfolgreich Holzindustrie betrieben und weitere Ortsgründungen in der Nähe auslöste.
Tiroler Einwanderer riefen im Westen der Provinz 1933 die Kolonie Dreizehnlinden ins
Leben; vor einigen Jahren wurde diese Siedlung, die das Tiroler Erbe bewusst pflegt, zum
führenden Touristenort Brasiliens gekürt.
Auch im Bundesstaat Sao Paulo setzte die deutsche Einwanderung früh ein, fast so früh wie
in RS. Am 4. Juli 1827 erging ein Bescheid aus Rio an die Regierung von Sao Paulo, auf
Regierungsland in Straßennähe und an der Küste Einwanderer anzusiedeln. Als Ende
Dezember 1827 die ersten 226 Einwanderer aus dem deutschen Sprachraum eintrafen, war die
Administration unvorbereitet, Erst nach einem Jahr erhielt ein Teil von ihnen Land in der
Nähe von Santo Amaro zugewiesen. Da diese Colonia Alema weder einen Priester noch eine
Schule bekam, außerdem von der Stadt zu weit entfernt war, um dort die landwirtschaftlichen
Produkte verkaufen zu können, wanderte der größte Teil der Siedler in die Städte Santo
Amaro und Sao Paulo ab; Santo Amaro ist heute ein Teil der Riesenstadt Sao Paulo, die
damals ca. 30000 Einwohner hatte. Die in der Kolonie Verbliebenen sanken sozial ab; ihr
vergessener deutscher Friedhof ist erst vor ca. 30 Jahren wieder entdeckt und inzwischen von
einem Friedhofsverein renoviert worden; neben ihm erinnert ein Gedenkstein an deutsche
Einwanderung von 1827. Bis 1830 waren es 926 Personen, die der Koloniedirektor
unterzubringen hatte. Viele von ihnen fanden ihr Unterkommen in der Stadt, als Handwerker,
Maurer, Zimmerleute, Gewerbetreibende, Kaufleute und Metallarbeiter, aber auch als Ärzte
und Apotheker. Obwohl zahlenmäßig gering, trugen die Deutschen im 19. Jahrhundert
erheblich zum Aufbau der gesellschaftlichen Infrastruktur bei. Louis Bücher gründete 1856
die Brauerei Antarctica, heute eine der bekanntesten Biermarken Brasiliens; im gleichen Jahr
eröffnete ein Glockengießer den ersten Tanzsaal. Der Dr. Theodo Reicher schuf 1851 die
erste Privatklinik, Gustav Schaumann zusammen mit Gustav Gravenhorst 1858 die erste
Apotheke. Daniel und Kornelius Knösel errichteten die erste Buchbinderei. Francisco Adolfo
Varnhagen gilt als einer der bedeutendsten Historiker Brasiliens und erhielt den Adelstitel
Visconte de Porto Seguro; die „Deutsche Schule“ in Sao Paulo trägt heute seinen Namen. Am
Anfang des 20. Jahrhunderts waren die Deutschen führend in Handel, Handwerk und
Industrie. Die deutschen Warenhäuser, vor allem die „Casa Alema“ der Familie Heydenreich,
waren berühmt für ihre Importwaren. Aus dem Jahre 1905 sind ca. 300 eingeschriebene
Gewerbebetriebe mit deutschem Namen bezeugt. Als Antwort auf die von den USA
zusammengestellten schwarzen Listen schlossen sich einige deutsche Firmen im November
1916 zu einem Verband zusammen und bildeten damit den Anfang der DeutschBrasilianischen Industrie- und Handelskammer.
Wie in anderen Städten war auch den Deutschen Sao Paulos pädagogisches und soziales
Engagement ein Anliegen. Die Angaben über Sao Paulo mögen also stellvertretend stehen für
ähnlichen Initiativen in Rio, Porto Alegre, Curitiba und anderswo. 1863 wurde der für das
Kulturleben der Stadt wichtige „Deutsche Hilfsverein“ gegründet, der auch ein Altersheim
betreut, in den 1860er Jahren entstanden einige Privatschulen, der Schulverein von 1878
bündelte die Anstrengungen; seine Gründung markiert den Beginn des heutigen Colegio
Visconte de Porto Seguro mit einigen tausend Schülern, von denen ein Teil Deutschunterricht
bis zum Abitur nimmt. 1878 nahm auch die noch heute existierende „Deutsche Zeitung“ ihre
Arbeit auf. Die deutsche evangelische Gemeinde wurde schon 1858 aus der Taufe gehoben.
Durch deutsche Initiative entstand auch ein großes Krankenhaus. 1938 wurde das HansStaden-Institut für Wissenschaft, Schrifttum und Kunst gegründet, das ab 1951 von der
Martius-Stiftung für Wissenschaft, Schrifttum und Kunst unterstützt wird und seit 1952 ein
deutschsprachiges Jahrbuch herausgibt mit Beiträgen zur Brasilkunde, darunter viele Artikel
über das deutschbrasilianische Erbe.
Obwohl die Zahl der Deutschstämmigen und Deutschsprachigen in Sao Paulo im Vergleich
zur Gesamtbevölkerung von 20 Millionen sehr gering ist (man schätzt sie auf 400 000 ),
haben diejenigen, die an ihrem Spracherbe festhalten wollen, in den letzten Jahrzehnten
dadurch eine Stabilisierung erhalten, dass sehr viele deutsche Firmen dort Zweigstellen
unterhalten; man spricht davon, dass Sao Paul in Hinsicht auf die Zahl der deutschen Firmen
die größte deutsche Wirtschaftsmetropole in der Welt ist.
Die bäuerlichen Siedlungen im Interior des Staates konnten sich aufgrund des Heydtschen
Reskripts nicht so kontinuierlich entwickeln wie das Stadtdeutschtum in Sao Paulo. Das von
dem Großgrundbesitzer Vergueiro 1842 eingeführte „Halbpartsystem“ führte teilweise dazu,
dass die durch Verträge gebundenen Landwirte in sklavenähnliche Abhängigkeit gerieten,
was den preußischen Minister 1859 zu seinem gegen Auswanderung nach Brasilien
gerichteten Erlass bewegte.
Zu dem nördlich von Santa Catarina gelegenen, geographisch durch Hochflächen
charakterisierten Bundesstaat Paraná kamen zwar die ersten 51 deutschen Familien auch
schon sehr früh, im Februar 1829, aber die bedeutenden deutschen Koloniegründungen
erfolgten erst im 20. Jahrhundert. Ab 1857 wurden schon Tochtersiedlungen von Santa
Catarina aus ins Leben gerufen, Die Anwerbung von Wolgadeutschen zwischen 1877 und
1889 führte auf der wenig fruchtbaren Steppe des Kamps leider nicht zu der von Kaiser Pedro
II. erwünschten Schaffung einer Kornkammer in Panara, was aber anderen wolgadeutschen
Einwanderergruppen dieser Jahre in der argentinischen Pampa gelang. Immerhin wurde die
Ostgrenze Brasiliens gegenüber Paraguay auch durch die Wolgadeutschen stabilisiert.
Vier große Kolonisationsleistungen in Paraná sind im 20. Jahrhundert zu vermelden, drei
durch deutsche Einwanderung und eine durch deutschbraslianische Binnenwanderung.
Rolandia
im
Norden
des
Landes
entstand
1932
durch
die
Initiative
einer
Siedlungsgesellschaft, der 1926 von der Reichsregierung unter Kanzler Luther gebildeten
„Gesellschaft für wirtschaftliche Studien in Übersee“. Ihr gelang der Ankauf größerer
Ländereien von der englischen Siedlungsgesellschaft „Companhia de Terras Norte do
Paraná“,
die den staatlichen Auftrag der
Erschließung Nordparanás
hatte.
Die
Auswanderungsorganisation stand unter der Führung ihres Präsidenten Minister a.D. Erich
Koch-Weser, der den Tropenlandwirt Oswald Nixdorf zum Kolonieleiter berief. Aufgrund des
politischen Umbruchs im Januar 1933 blieb der erwartete große Kolonistenstrom zunächst
aus; etwa 400 Familien, darunter 80 Emigrantenfamilien
– unter den letzteren auch
Techniker, Akademiker und Geschäftsleute mit Vermögen – wanderten in Rolandia ein.
Durch den Kaffee-Boom nach dem 2. Weltkrieg wurde die Kaffeefazenderos von Rolandia
reich; sie waren in entscheidender Weise daran beteiligt, dass durch umfangreiche Rodung
und Kultivierung Paraná in wenigen Jahren zum führenden Kaffee-Erzeuger Brasiliens wurde
und Sao Paulo überflügelte.
Traten die deutschen Siedler bislang als Erschließer des Urwalds in Erscheinung, so erwiesen
sie sich in zwei Nachkriegsgründungen auch als Pioniere im Kamp auf dem waldoffenen
Steppenboden Paranás: in den 1951 entstandenen Kolonien Witmarsum und Entre Rios. Als
Gründungstag der donauschwäbischen Kolonie Entre Rios bei Guarapuava gilt der 5. Mai
1951; die Einwanderer, ca. 500 Familien bzw. 2500 Personen, waren Flüchtlinge und
Vertriebene aus dem Banat und der Batschka, ihrer jahrhundertealten Heimat in Rumänien,
Ungarn und Jugoslawien; die Unterstützung der „Schweizer Europahilfe“ ermöglichte ihnen
den Sprung in die neue Welt. Was den Wolgadeutschen im 19. Jahrhundert nicht gelungen
war, schafften die Donauschwaben dank begabten Führungskräften und moderner
Bodenbearbeitung mit Kunstdünger im 20. Jahrhundert: sie schufen die größte Kornkammer
des Landes; bereits nach fünf Jahren lieferte Entre Rios 37% des Getreideaufkommens von
Paraná. Durch laufenden Zukauf wurde die Anbaufläche der Kolonie gewaltig vergrößert, so
dass die in der „Cooperativa Agraria“ zusammengefassten donauschwäbischen Landwirte
1971 schon zehn Prozent der gesamten brasilianischen Weizenernte erzeugten. Entre Rios
beherbergt auch die größte Mälzerei des Landes, eine Getreidemühle und seit 2004 auch eine
Fabrik der Firma Ireks, die Backmittel und Backmischungen für Bäckereien herstellt. Durch
ihre Erfolge sind die Donauschwaben Arbeitgeber für viele Einheimische.
Die zweite Erfolgsgeschichte auf dem Kamp Paranás wurde von Russlanddeutschen
Mennoniten geschrieben, großenteils Flüchtlingen aus der Sowjetunion, aber auch
Zuwanderern aus Kanada, wohin die ersten Russlanddeutschen Mennoniten bereits 1874
gekommen waren. Die Russlandflüchtlinge waren 1930 ins Bergland nach Santa Catarina
gekommen, wo sie aber nicht Fuß fassen konnten, weshalb 150 Familien im Jahr 1951 nach
Paraná westlich von Curitiba zogen, wo sie von dem österreichichstämmigen Fazendeiro
Roberto Glaser 7864 Hektar abkauften und den Ort Witmarsum gründeten; der Namen
erinnert an den Geburtsort ihres Religionsgründers Menno Simon. Durch Düngung und
unermüdliche Bodenbestellung verwandelten sie das Kampland in fruchtbaren Weideboden
und betreiben eine sehr erfolgreiche Milchwirtschaft. Die fleißigen Mennoniten schufen nicht
nur
ein
effizientes
Schulwesen,
sondern
auch
eine
weit
ausstrahlende
Wohltätigkeitsorganisation; überhaupt ist feststellbar, dass viele deutschbrasilianische
Organisationen sich sozialen Aufgaben widmen, die der Gesamtbevölkerung nutzen.
Die dritte bedeutende Kolonisationsleistung in Paraná nach dem 2. Weltkrieg erfolgte im
Westen des Landes durch größtenteils deutschbrasilianische Binnenwanderung; ihr ist die
Gründung der Städte Rondon und Toledo zu verdanken. Laut Karl Ilg, der die Familiennamen
der Kolonisten in Rondon aufgezeichnet hat, stammten 1978 90% der Bewohner Rondons von
deutschen Kolonisten aus Rio Grande und Santa Catarina ab. Wer diese saubere, lebendige,
anheimelnde Stadt besucht, kann sich nicht vorstellen, dass hier vor 50 Jahren noch der
Urwald herrschte.
Auch Rio de Janeiro und der ihn umgebende Stadtstaat Guanabara zogen natürlich deutsche
Einwanderer an. Die Stadt war seit 1763 Sitz der Vizekönige, von 1822 bis 1889 Kaiserstadt
und anschließend bis 1960 Hauptstadt Brasiliens. Rio war auch der Haupthafen für die
Einwanderung und ein Handelszentrum Hamburg eröffnete hier bereits 1818 ein
Generalkonsulat, und hier entstand 1821 die erste gesellschaftlich-kulturelle Vereinigung der
Deutschen namens „Germania“, 1844 gefolgt von einem „deutschen Hilfsverein“. 1845 ließ
Kaiser Pedro II. von dem deutschen Pioniermajor Julius Friedrich Koeler die
Sommerresidenzstadt Petropolis anlegen. Diese Stadt in den Bergen zog nicht nur Beamte und
Diplomaten an, sondern auch viele deutsche Kolonisten, die dort als Bauern; Handwerker und
Kaufleute wirkten.
Der nördlichste Bundesstaat, in dem deutsche Einwanderung in größerem Ausmaß stattfand,
ist Espirito Santo. 1847 wurden vom Kaiser Pedro II. in Santa Isabel am Rio Jucu 38
Familien aus dem Rheinland und dem Hunsrück angesiedelt. Zehn Jahre später erfolgte eine
Ansiedlung am Rio Santa Maria mit Holländern, Sachsen, Hessen, Badenern, Schweizern und
Tirolern; das Siedlungszentrum erhielt den Namen Santa Leopoldina. Die Einwanderer
benannten ihre Siedlungen mit heimischen Namen; so gibt es ein Holandia, ein Luxenbourg,
ein Suiza und ein Tirol; zum Teil waren die Neusiedler abgemusterte Legionäre. Mit dieser
gezielten Besiedlung des Berglandes sollte auch eine verkehrsmäßige Erschließung
herbeigeführt werden; denn bislang war durch die Unwegsamkeit des Berglandes Brasilien in
einen Nord- und einen Südteil zerrissen, der nur über das Meer verbunden werden konnte.
Nach anfänglichen Misserfolgen mit Ackerbau gingen die zumeist in Einzelhöfen lebenden
Siedler zum wirtschaftlich ertragreichen Anbau von Bergkaffee über, bis sie durch die
Bodenerosion und die übermächtige Konkurrenz durch den Kaffeeanbau auf den Fazendas
wieder zum Maniokanbau zurückkehren mussten. Einen zweiten Grundstock von deutschen
Siedlern in Espirito Santo bilden die Pommern, die Pomeranos. Auch ihre Einwanderung
begann schon um die Mitte des 19. Jahrhunderts, und die Pomeranos finden sich vor allem in
den nördlichen Orten Santa Maria und Sao Bento, aber auch in Domingos Martins, dessen
Beliebtheit zunimmt als Ausflugsort von der Hauptstadt Vitoria aus. Die Pommern von
Espirito Santo, lange Zeit vergessen, erleben in letzter Zeit eine Wiedergeburt, die sich in
bewußter Traditionspflege äußert.
Die Zahl der deutschen Einwanderer wurde bis 1940 auf ca. 300 000 Menschen geschätzt;
durch die starke Vermehrung der ländlichen Siedler nimmt man an, dass die heutige Zahl der
Deutschbrasilianer auf drei bis vier Millionen angewachsen ist. Da die Ankömmlinge
größtenteils in abgelegenen Gegenden, an den Grenzen der damaligen Zivilisation angesiedelt
wurden, mussten sie ihren Siedlungsgebieten die gesellschaftliche Infrastruktur selbst
schaffen, was sie mit großem Erfolg taten. Die Wirkung der deutschen Kolonisation bewertete
der Amerikaner J. F. Normano 1939 wie folgt: „Der deutsche Einfluss wirkte qualitativ stark,
denn die Deutschen lebten in Massen zusammen, übertrugen die Sitten und Gebräuche ihres
Landes, wandten ihre europäische Erfahrung an und stellten so Leitbilder auf, die als Vorbild
für erfolgreichere Produktionsmöglichkeiten dienten. Die deutschen Gemeinschaften
europäisierten, vor allem im Süden, in Rio Grande do Sul und in Santa Catarina, die koloniale
Atmosphäre.“
Diese neue Infrastruktur wurde geschaffen durch landwirtschaftliche Genossenschaften,
kirchliche, schulische, berufliche, kulturelle, soziale und gesellschaftliche Vereinigungen aller
Art. Es entstanden auch regionale Dachverbände, so der Verband der deutschen Vereine in
Rio Grande do Sul, den riograndenser Schützenbund, die Deutsche Turnerschaft von Rio
Grande do Sul, der Sängerbund des Itajaí-Tales und der Deutsche Sängerbund von Brasilien.
Da es außerhalb der großen Städte bei der Ankunft der Siedler keine staatlichen Schulen gab,
mussten die Einwanderer, denen die Erziehung ihrer Kinder sehr wichtig war, ihre eigenen
Schulen gründen. Zu Beginn der deutschen Einwanderung gab es in Rio Grande do Sul nur 8
staatliche Schulen. 1846 existierten in der „Deutschen Kolonie von Sao Leopoldo“ nur zwei
staatliche, hingegen 13 private Schulen; 1858 standen 27 Privatschulen nur drei staatliche
Schulen gegenüber. Ähnliche Verhältnisse existierten in den Pioniergebieten der anderen
Provinzen. Im Lauf der Zeit wurden aus den einfachen deutschen Kolonistenschulen
bilinguale Schulen, die nach den staatlichen Richtlinien unterrichteten und finanzielle
Unterstützung vom Munizip oder dem Staat erhielten. So waren die ursprünglich rein
deutschen Notschulen im Lauf der Zeit zu einem integralen Teil des brasilianischen
Schulwesens geworden. Dass diese Siedlerschulen noch lange notwendig waren, belegen
Zahlen von 1917: im Kreis Joinville gab es in diesem Jahr 5 staatliche und 64 private Schulen
mit 303 bzw. 3238 Schülern, und im Kreis Blumenau standen 10 staatlichen Schulen mit 520
Schülern 113 Privatschulen mit 5011 Schülern gegenüber. Ende der 1930er Jahre erstreckte
sich das deutschbrasilianische Schulwesen von der schlichten ein- bis zweiklassigen
Kolonieschule über Fachschulen bis zu Gymnasien, deren Abschlusszeugnis zum
Universitätsstudium berechtigte. Dass dieses Schulwesen ein Gewinn für Brasilien darstellte,
geht z.B. daraus hervor, dass der Anteil der Analphabeten in den Staaten mit deutschen
Privatschulen erheblich niedriger war als in den anderen Staaten; 1936 waren nach
Regierungsangaben noch fast 73% der brasilianischen Bevölkerung Analphabeten.
Zum Erhalt der Muttersprache bis zum Zweiten Weltkrieg trug auch die evangelische Kirche
bei, der die Mehrheit der brasilianischen Deutschen und Deutschstämmigen angehörte. Die
Pfarrer kamen in der Regel aus dem deutschsprachigen Mitteleuropa oder entstammten
deutschbrasilianischen Familien und erhielten ihre theologische Ausbildung an deutschen
Universitäten. Schon die ersten Einwanderer hatten Pastoren mitgebracht und schlossen sich
zu Kirchengemeinden zusammen, die im 20. Jahrhundert Synoden bildeten, welche sich am
26. Oktober 1949 zur „Evangelischen Kirche Lutherischen Bekenntnisses in Brasilien“
zusammenschlossen. Die treibende Kraft bei diesem Zusammenschluss war ihr erster Bischof,
der
langjährige
Pfarrer
Hermann
Dohms,
der
sich
auch
als
Gründer
eines
Synodalgymnasiums, des Proseminars (1922) und der Theologischen Hochschule (1946) auf
dem Spiegelberg bei Sao Leopoldo einen Namen machte. Zwischen den beiden Weltkriegen
hatte Dohms in seinen „Deutschen Evangelischen Blättern für ganz Brasilien“ die – von den
Pfarrern allgemein akzeptierte - Idee vertreten, dass die evangelische Kirche Brasiliens eine
Volkskirche sei, die Kirche der deutschen Einwanderer und ihrer Nachfahren, ohne
Missionsanspruch.
So war bis Ende der 1930er Jahre eine lebendige, auf vielen Gebieten fruchtbare und
fortschrittliche Volksgruppe herangewachsen, die trotz Festhalten an der ererbten Sprache und
Kultur in zunehmenden Maße im brasilianischen Staatsvolk integriert war. Das Ausmaß der
Integration zeigte sich vor allem durch Erfolge deutschstämmiger Brasilianer von regionaler
und teilweise nationaler Bedeutung im wirtschaftlichen, kulturellen und wissenschaftlichen
Leben des Landes, was hier nicht im einzelnen ausgeführt werden kann, wurde aber auch im
administrativen und politischen Bereich war Bewegung erkennbar. Durch die Publizistik von
Karl von Koseritz, einem Emigranten der 1848er Revolution und Begründer der
deutschbrasilianischen Idee, war unter den deutschen Siedlern die Einsicht gewachsen, dass
man auch in der Landespolitik tätig werden müsse. Obwohl parteipolitischer Ehrgeiz bei den
Deutschbrasilianern genau so wenig entwickelt war wie bei anderen deutschen
Auswanderergruppen, tauchten doch, vor allem seit Beginn der Republik Ende 1889,
zunehmend deutsche Namen in der Munizipal- und Landespolitik auf. Der bedeutendste
brasilianische Politiker deutscher Abstammung vor dem 2. Weltkrieg war Lauro Müller
(1863-1923); nachdem er dreimal Präsident des Staates Santa Catarina gewesen war, wurde er
1902 Verkehrsminister und 1912 sogar Außenminister.
Das blühende deutschbrasilianische Schul- und Vereinswesen kam 1938 zu einem abrupten
Ende. Die autoritäre Regierung von Getulio Vargas, der sich 1937 durch einen Staatsstreich
mit Hilfe des Militärs zum Alleinherrscher aufgeschwungen hatte und bis 1945 in seinem
„Estado Novo“ diktatorisch regierte, suchte durch erzwungenen Monolingualismus und
Zentralisierung des Erziehungswesens den Staat zu „nationalisieren“, wie das Programm
lautete. Der Schulunterricht durfte nur auf Portugiesisch durchgeführt werden, alle anderen
Sprachen waren im Schulunterricht verboten. Der Nationalisierung fielen ca. 1300 deutsche
Privatschulen, ca. 2000 Vereine, ungefähr 70 deutschsprachige Zeitungen und 10 Kalender
zum Opfer; die Schulen und Vereinshäuser wurden geschlossen oder beschlagnahmt. Als
Brasilien 1942 in den Krieg gegen Deutschland eintrat, wurde der öffentliche Gebrauch der
deutschen Sprache insgesamt bei Strafe verboten, die deutschen Passinhaber wurden
großenteils eingesperrt, aber auch einige Deutschbrasilianer wanderten in die Arbeitslager
oder die Gefängnisse. Das Verbot der deutschen Sprache galt für alle, also auch für die in den
30er Jahren eingewanderten Emigranten aus politischen oder rassischen Gründen. Wie konnte
es zu einer solch einschneidenden Maßnahme kommen? Wie Käte Harms-Baltzer in ihrem
1970 erschienenen Buch „Die Nationalisierung der deutschen Einwanderer und ihrer
Nachkommen in Brasilien als Problem de deutsch-brasilianischen Beziehungen 1930-1938“
detailliert nachweist, drängte eine nationalistische Bewegung bereits seit 1930 auf eine
„Nationalisierung“ der Minderheiten; Vargas führte nach der Oktoberrevolution des Jahres
1930 bis 1934 eine provisorische Regierung und wurde im Juli 1934 in einer
verfassungsmäßigen Wahl zum Bundespräsidenten gewählt. Im Dezember 1930 erließ die
Regierung ein Dekret, in dem die Arbeitseinwanderung beschränkt und verfügt wurde, dass
die Arbeitnehmer von Betrieben zu zwei Driteln aus Einheimischen bestehen müssen. Im
Zusammenhang mit der Vereinheitlichung des Landes wurde auch die Schulfrage
aufgeworfen. Die Verfassung von 1934 dekretierte die Einführung eines Quotensystems der
Einwanderung
nach
amerikanischem
Vorbild,
gemischte
Population
bei
Siedlungsgründungen, Nationalisierung der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes und
Nationalisierung des Privatschulwesens in Hinsicht auf die Unterrichtssprache. Gefordert
wurde landessprachlicher Unterricht in allen Fächern außer im Fremdsprachenunterricht;
diese spezifische Forderung war aber eingebettet in eine Vielzahl grundsätzlicher Art zum
brasilianischen
Erziehungswesen.
Nachfolgende
Gesetzesentwürfe
verschärften
die
Restriktionen gegen die Privatschulen. Unter demokratischen Gegebenheiten war aber die
Zwangsassimilation der Privatschulen nicht noch nicht durchführbar, erst im Estado Novo; als
Vorwand für das Fremdsprachenverbot diente auch das agitatorische Wirken der
Auslandsorganisation der NSDAP, welches zu Turbulenzen nicht nur zwischen dem
brasilianischen
und
dem
deutschen
Staat
führte,
sondern
auch
innerhalb
der
deutschbrasilianischen Vereine. Das undiplomatische, provozierende Verhalten einzelner
Reichsdeutscher konnte Vargas als willkommenen Anlass für seinen entscheidenden Schlag
nutzen, es war aber nicht seine Ursache.
Das Verbot der Muttersprache und die damit verbundene Zerstörung der gesamten
muttersprachlichen Infrastruktur löste bei den Deutschbrasilianern ein jahrzehntelanges
Trauma aus. Zwar wurde 1961 Deutsch als Fremdsprache wieder zugelassen und in einigen
Schulen auch einige Stunden in der Woche gelehrt, aber an einen Wiederaufbau der
Privatschulen vor allem im ländlichen Bereich war aus finanziellen, gesetzlichen und
verwaltungstechnischen Gründen nicht mehr zu denken. Da die Generation der ab 1932
Geborenen ohne muttersprachlichen Unterricht aufwuchs und die zumeist dialektgefärbte
Muttersprache nur in
der Familie weitergeben konnte, schwand die Zahl der
Deutschsprechenden zunehmend. Von mitentscheidender Bedeutung für den Sprachschwund
ist auch die Tatsache, dass die seit den 1970er Jahren von der EKD unabhängige EvangelischLutherische Kirche Brasiliens in der Predigt bewusst auf die portugiesische Sprache
umgestellt hat; deutschsprachige Gottesdienste sind Auslaufmodelle, obwohl es noch viele
Ältere gibt, die Predigten gerne in der Muttersprache hören würden. Deutsch ist heute also
auch in den deutschen Siedlungsgebieten nur noch eine Sprache, die mit anderen
Fremdsprachen, vor allem Englisch, Spanisch und Französisch, konkurrieren muss. Dass es
qualifizierte Deutschlehrer in befriedigender Zahl gibt, ist in erster Linie dem evangelischen
Institut zur Lehrerausbildung in Ivoti zu verdanken, das eng mit der Jesuitenuniversität
Unisinos in Sao Leopoldo zusammenarbeitet. Deutschunterricht spielt heute eine
herausragende Rolle nur noch in den deutschen Zweigen der großen ehemaligen deutschen
Schulen der Großstädte, etwa dem Colegio Cruzeiro und der Escola Alema Corcovado in Rio
sowie dem Colegio Visconte de Porto Seguro, dem Colegio Imperatriz Leopoldina und der
Humboldt-Schule in Sao Paulo. Deutschunterricht wird auch in den Goethe-Instituten in Porto
Alegre, Curitiba, Sao Paulo und Rio angeboten. Wenn in der Generation der heute 20-jährigen
Deutsch als Muttersprache praktisch ausgestorben ist, kann man sagen, dass die schon vor 70
Jahren angestrebte Nationalisierung, sprich Assimilation, endlich gelungen ist. Das
deutschbrasilianische Vereinswesen ist zwar ab den 1950er Jahren in viel bescheidenerem
Ausmaß wieder erstanden, und der Dachverband umfasste 2004 laut Aussage seines
Präsidenten Jorge Globig 172 Mitgliedsvereine. Aber nicht wenige dieser traditionellen
Vereinigungen sind überaltert und müssen um des Überlebens willen zunehmend Mitglieder
aufnehmen, die das Deutsche nicht beherrschen; d.h. sie verwandeln sich zunehmend von
landsmannschaftlichen zu rein geselligen Vereinen. Ob dem brasilianischen Staat aus der
Assimilation des deutschen Elements ein Nutzen erwächst, wird die Zukunft erweisen.
Ist der Schwund der immerhin 150 Jahre in Südbrasilien lebendigen deutschen Sprache zu
bedauern, da er die fruchtbare Interaktion zwischen Binnen- und Auslandsdeutschen
erschwert oder verhindert, so sind doch seit der Feier zur 150jährigen Einwanderung im Jahr
1974 auf diversen Feldern beachtliche Aktivitäten der Deutschbrasilianer festzustellen. Der
Erforschung verschiedener Aspekte der Geschichte der eigenen Volksgruppe widmen sich
Gelehrte an den Universitäten Unisinos, Porto Alegre, Santa Cruz do Sul und anderen.
Darüber hinaus wird viel lokale und regionale Forschung von Laien durchgeführt; es existiert
ein von dem Bürgermeister von Forquetinha, Waldemar Richter, gegründeter Verband
deutschbrasilianischer Geschichtsforscher, der schon einige Konferenzen organisiert hat. In
Lajeado gibt es ein deutschbrasilianisches Freilichtmuseum mit Kolonistenhäusern, in Sao
Leopoldo besteht seit ca. 20 Jahren ein Historisches Museum, das sich dem Pioniererbe
widmet. In Rio Pardinho ist es Pastor Werner gelungen, die alten Grabmäler des Friedhofs zu
retten, indem er ihn zum historischen Erbe erklären ließ. Auch andere Pastoren kümmern sich
um das historische Erbe, etwa Armindo Müller in Nova Friburgo, der die frühe Einwanderung
dorthin dokumentiert. In Colonia Velha bei Sao Paulo wurde der lange vergessene Friedhof
durch deutschbrasilianische Initiative restauriert. In Espirito Santo gibt es in letzter Zeit eine
lebhafte Forschung über die dort im 19. Jahrhundert eingewanderten Pommern, z.B. seitens
Prof. Ismaier Tessmann, der ein pommerisch-portugiesisches Wörterbuch erstellt hat. Nicht
zu vergessen ist natürlich das 1938 gegründete Instituto Martius Staden in Sao Paulo, der
archivarische
Mittelpunkt
der
deutschbrasilianischen
Forschung,
dessen
Forschungsergebnisse im „Staden-Jahrbuch“ veröffentlicht werden. Leider sind mit
Ausnahme dieses Jahrbuchs fast alle anderen deutschbrasilianischen Publikationen auf
Portugiesisch verfasst. Dies trägt zwar zum besseren Wissen der allgemeinen brasilianischen
Bevölkerung über die deutsche Volksgruppe des Landes bei, birgt aber die Gefahr in sich,
dass das Wissen im deutschsprachigen Mitteleuropa um die neuesten einschlägigen
Entwicklungen
in
Brasilien
schwindet
und
die
transatlantische
wissenschaftliche
Kommunikation zum Rinnsal wird.
Versucht man ein Fazit zu ziehen, was neben der historischen Erinnerung (soweit sie gepflegt
wird) bleibt, kommt einem die von den deutschen Einwanderern und ihren Nachfahren
geprägte Landschaft vor das innere Auge, die um die neugotische Kirche gruppierten
anheimelnden Dörfer und Kleinstädte, die mit ihren alten und neuen Fachwerkhäusern eine
spezifische Atmosphäre haben. Von Blumenau (dem Veranstaltungsort eines großen
Oktoberfestes) aus verbreitet sich seit den 1980er Jahren in den deutschstämmigen Siedlungen
Südbrasiliens die Sitte, den deutschen Charakter durch Fachwerk zu symbolisieren. Diese
Betonung des spezifischen kulturellen Erbes erweist sich zunehmend als Attraktion für
brasilianische Touristen aus dem Norden.
1981 publizierte ich ein Buch über die Deutschen in Kanada mit dem Untertitel „Eine
Volksgruppe im Wandel“. Einen Wandel in mehrfacher Hinsicht konnte ich auch bei meiner
siebenwöchigen Forschungsreise im Herbst 2004 bei den Deutschbrasilianern feststellen. Es
wird unerlässlich sein, in meiner für 2006 geplanten Eckart-Schrift über „Die
Deutschbrasilianer einst und jetzt“ neben den grundlegenden Fakten über Einwanderung und
Siedlungsentwicklung auch die tiefgreifenden Veränderungen zu würdigen.
Zeittafel
Die deutsche Volksgruppe in Brasilien
Nachfolgende Zeittafel informiert über wichtige Ereignisse in der Sozial- und
Kulturgeschichte der Deutschen in Brasilien, der Deutschbrasilianer. Wichtige Stationen der
politischen Geschichte Brasiliens sind in Kursiv gesetzt.
1494 Vertrag von Tordesillas zwischen Spanien und Portugal; Portugal bekommt von dem als
Schiedsrichter fungierenden Papst die Gebiete östlich des Meridians von Belem do Para und
Laguna zugesprochen
1500 Pedro Alvares Cabral nimmt Brasilien für Portugal in Besitz; unter seiner
Schiffsbesatzung befinden sich
deutsche Kanoniere und der seewissenschaftliche Berater der Flotte, Meister Johann
(João)
1549 Bahia wird Hauptstadt der Regierung
1557 Der Erlebnisbericht des Landsknechts Hans Staden über seine Abenteuer in Brasilien
erscheint und begründet das wissenschaftliche Schrifttum über dieses Land
1630-54 Holländisches Kolonialreich in Nordost-Brasilien (Pernambuco)
1637-44 Johann Moritz von Nassau-Siegen ist Gouverneur der holländischen Kolonie in
Nordostbrasilien
1648 Georg Markgraf und Wilhelm Pies publizieren die erste Naturgeschichte Brasiliens
(Historia Naturalis
Brasiliae). Zacharias Wagner stellt sein »Thier-Buch« her
1685 Manuel Beckmann (Bequimao)
Unabhängigkeitsbestrebungen
stirbt
als
erster
Märtyrer
brasilianischer
1748-52 Die Firma Oldenberg in Lissabon siedelt 3000 Familien von den Azoren in Santa
Catarina und Rio Grande do Sul an
1759 Die Jesuiten werden aus Brasilien vertrieben, darunter viele Deutsche, die wertvolle
Kulturarbeit im
17.und 18. Jahrhundert geleistet hatten
1763 Rio wird Hauptstadt (Sitz der Vizekönige)
1767-82 Johann Heinrich Böhm wird Generalinspekteur aller portugiesischen Truppen in
Amerika und gründet
das brasilianische Heer
1807 Der portugiesische Prinzregent Dom João VI. flüchtet vor Napoleons Invasion und
verlegt den
Regierungssitz nach Rio
1808 Öffnung der Häfen für Fremde; Beginn der Zulassung ausländischer Einwanderung
1810-1914 Viele deutsche Wissenschaftler leisten Pionierarbeit in Brasilien
1811-21 W. L. von Eschwege setzt die erste Eisenhütte Brasiliens in Gang
1815-22 Brasilien und Portugal bilden ein Königreich in Personalunion
1817 Dom Pedro heiratet die Erzherzogin Leopoldine von Österreich; in ihrem Gefolge
befinden sich
deutsche Wissenschaftler, Fachleute und Künstler
1817-20 Der Zoologe Spix und der Botaniker von Martius unternehmen große
Forschungsreisen durch
Brasilien und publizieren umfangreiche Werke darüber
1819 Schweizer gründen die erste kleinbäuerliche Kolonie Brasiliens, Nova Friburgo,
die1824 durch
deutsche Zuwanderer stabilisiert wird
1820 Brasilien erlässt ein Kolonisationsgesetz; Beginn der planmäßigen
Einwanderungsforderung
1821 Gründung des ersten deutschbrasilianischen Vereins, der Gesellschaft »Germania« in
Rio de Janeiro
1822 Dom Pedro I. ruft Brasilien als unabhängiges Kaiserreich aus; Leopoldina wird
Kaiserin
1824 Erste brasilianische Verfassung; Zulassung nichtkatholischer Einwanderer
3. Mai: Die ersten deutschen Einwanderer erreichen Nova Friburgo
25. Juli: Eine Gruppe deutscher Einwanderer gründet die Siedlung São Leopoldo, RS; dieses Datum wird
Entstehung der ersten deutsch-evangelischen Gemeinden Südamerikas in Nova Friburgo
und
São Leopoldo
1826f. Entstehung der deutschen evangelischen Gemeinde in Rio
1829 Gründung deutscher Kolonien in Santa Catarina, Paraná und São Paulo
1831-89 Regierungszeit Dom Pedros II.
1833 Eschweges Buch »Pluto Brasiliensis« legt das Fundament für die geologische
Erforschung
Brasiliens
1842ff. Deutsche Jesuiten wirken im Süden Brasiliens als Seelsorger und Lehrer
1842-1902 Der Verlag der Gebrüder Laemmert in Rio ist einflußreich im brasilianischen
Verlagswesen
1844 Entstehung des Deutschen Hilfsvereins in Rio
1845 Der Major Julius Friedrich Koeler gründet die Siedlung Petrópolis bei Rio, den
Sommersitz des Kaisers
1847 Gründung von Santa Isabel, der ersten deutschen Siedlung in Espirito Santo
1847-55 Gründung zahlreicher Halbpart-Kolonien in der Provinz São Paulo; die dortige
schlechte Behandlung
der Vertragsarbeiter hat negative Auswirkungen auf die deutsche Auswanderung
1848-74 Die Provinzen übernehmen die Kolonisationspolitik
1849 Gründung der Kolonie Santa Cruz, RS
1850 Verbot der Einführung von Sklaven
Dr. Hermann Blumenau gründet die gleichnamige Kolonie in Santa Catarina
1850 f. Der Hamburger Kolonisationsverein von 1849 gründet die Kolonie Dona Francisca
(Joinville), SC
1851 Bildung einer deutschen Fremdenlegion (»Die Brumrner«)
1852f. Die ersten deutschsprachigen Zeitungen entstehen in Porto A]egre, Dona Francisca
und Rio
1854 Eröffnung der ersten Eisenbahn
Gründung des ersten deutschbrasilianischen Gesangvereins, der »Helvetia« in Joinville
(heute
»Sociedade Harmonia-Lyra«)
1855 Nach Auflösung der deutschen Legion werden viele »Brummer« in RS ansässig
Gründung des Klubs »Germania« in Porto Alegre
1858 Jakob Rheingantz gründet mit Pommern die Kolonie São Lourenço bei Pelotas, RS
Gründung des deutschen Tumvereins in Joinville
1859 Der Erlaß des preußischen Ministers von der Heydt zum Schutz der Auswanderer
verbietet die
Anwerbung von Auswanderern nach Brasilien; das Dekret ist gültig bis 1896
1860 Gründung von Brusque, SC durch deutschbrasilianische Initiative
1863 Gründung des Deutschen Hilfsvereins in Säo Paulo
1867 Gründung eines Deutschen Hilfsvereins in Recife (Pemambuco) und eines deutschen
Schulvereins in Rio
1868 Gründung des Vereins »Germania« in Säo Paulo und des Deutschen Krankenvereins in
Porto Alegre
1870 Beginn der italienischen Einwanderung
1874-1938 »Koseritz’ Deutscher Volkskalender«, Porto Alegre
1877-79 Einwanderung von Wolgadeutschen in Brasilien; Siedlungsgründungen vor allem in
der Provinz
Paraná
1877 Dr. Wilhelm Rotermund gründet die Evangelische Buchhandlung in São Leopoldo
(heute Rotermund & Co.)
1878 Gründung der Deutschen Schule in São Paulo und der dortigen »Deutschen Zeitung«
1879 Die Brüder Hering aus Chemnitz gründen in Blumenau eine Trikotagenfabrik, die sich
zur größten in
in Lateinamerika entwickelt
1881 Neues Wahlgesetz; Eingebürgerte und Nichtkatholiken erhalten das passive Wahlrecht
Rotermund gründet den evangelischen »Deutschen Volkskalender für Brasilien« in São
Leopoldo (letzterer erscheint bis 1941)
1882 Gründung des Clubs Beethoven, des Schubert-Chors, des »Gesangvereins Frohsinn«
und der
»Deutschen Musikgesellschaft« in Rio
1883 f. Gründung des »Vereins deutscher Sängerbünde“ in Curitiba
1886 Gründung des Verbandes deutscher Vereine in Porto Alegre
1888 Aufhebung der Sklaverei
Villiger errichtet die »Companhia Cervejería Brahma« in Rio, heute eine der größten
Bierbrauereien
Brasiliens
1889 15.11.Brasilien wird Republik
Deutsche Orden werden in Brasilien zugelassen: Franziskaner, Steyler Missionare,
Benediktiner,
Pallottiner, Salesianer u. a. nehmen sich auch der deutschen Katholiken seelsorgerisch an
1891 Republikanische Verfassung. Dezentralisation. »Große Naturalisation«: Gleichstellung
der
Protestanten und Eingebürgerten mit den alteingesessenen Katholiken
Lauro Müller wird erstmals Präsident des Staates Santa Catarina (erneut 1902 und 1918)
1894 Gründung des »Deutschen Männer-Gesangvereins Lyra« in Säo Paulo (heute
„Sociedade Filarmonica
Lyra“)
1898-1938 Bestehen von deutschbrasilianischen Lehrervereinen, Lehrerseminaren und
Ruhegehaltskassen
(beginnend mit dem Katholischen - 1898 - und dem Evangelischen Lehrerverein - 1901 in RS)
1899 Gründung von Neu-Württemberg (Panambí), RS, durch Dr. Hermann Meyer
1900 In Brasilien erscheinen 15 deutsche Zeitungen (mit 58 Ausgaben pro Woche)
1912 Lauro Müller wird brasilianischer Außenminister
Der Schweizer Leonard Kessler gründet in Curitiba das Konservatorium von Paraná
Beuroner Benediktiner schaffen die Grundlage der Landwirtschaftlichen Universität von
Pernambuco
1912ff. »Sankt Paulusblatt« (das heute noch besteht)
1916ff. Entstehen deutsch-brasilianischer Handelskammern als Antwort auf den
amerikanischen Handelskrieg
1917 Brasilien erklärt Deutschland den Krieg
Verbot deutschsprachiger Veröffentlichungen und Vereinigungen während des Krieges
1919 Gründung des »Deutschen Vereins für Wissenschaft und Kunst« in São Paulo
1922 Deutsche Benediktiner schaffen das Jahrhundertkrankenhaus in Recife
1923 Carlos Frederico Hoehne ist der Begründer und erste Direktor des Botanischen Instituts
in
São Paulo
1924 Eine Statistik ergibt die Existenz von 335 deutschen Vereinen in Rio Grande do Sul.
Der 25. Juli wird ab jetzt als »Tag der deutschen Einwanderung« gefeiert
1925 Entstehung des »Deutschen Sängerbundes in Brasilien «Gründung des Landesverbandes
deutschbrasilianischer Lehrer mit Sitz in São Paulo; umfasst ca. 1400 Schulvereine
1926 Viktor Konder wird brasilianischer Verkehrsminister
1927 Deutschbrasilianer begründen auf Initiative Otto Ernst Meyers die erste (und heute
größte) Fluggesellschaft Brasiliens, VARIG (Viação Aerea Rio-Grandense)
1930 Mennoniten gründen die Kolonie Witmarsum, Bezirk Hansa-Hammonia, SC (später
nach Paraná verlegt). Gründung der Gesellschaft »Pro Arte Brasil« (zur Pflege von Kunst,
Literatur und Wissenschaft) in São Paulo.
1930-45 Bundespräsident Getúlio Vargas; Zeit eines übersteigerten lusobrasilianischen
Nationalismus ( Nativismus, „Nationalisierung“ der Minderheiten)
1932 Unter der Leitung von Oswald Nixdorf entsteht bei Londrina, PR, die Kolonie Rolandia
Eröffnung des Deutschen Krankenhauses in Porto Alegre
1933 Andreas Thaler gründet die tirolische Kolonie Dreizehnlinden (Treze Tilias) in SC
1934 Neue Verfassung; Einführung des Schulzwanges und zentrale Regelung des
Schulwesens; Einführung eines Quotensystems für die Einwanderung nach Brasilien.
1938 Gründung des „Hans-Staden-Instituts für Wissenschaft, Schrifttum und brasilianischdeutschen Kulturaustausch“ in São Paulo.
In Rio Grande do Sul gibt es 570 000 Deutschstämmige; die Rio Grandenser Synode der
evangelischen Kirche umfasst 460 Gemeinden. Die nativistische (fremdenfeindliche)
Richtung in Brasilien setzt durch, dass in Kirche und Schule nur noch die portugiesische
Sprache benutzt werden darf; »Nationalisierung«, d. h. Vernichtung des deutschsprachigen
Schul- und Vereinswesens: Ca. 1300 deutsche Privatschulen und ca. 2000 Vereine werden
vom Staat geschlossen oder beschlagnahmt; ca. 70 deutschsprachige Zeitungen und
Zeitschriften sowie 10 Kalender werden verboten. Alles »Deutsche« wird verfolgt und
unterdrückt. Auch das gut organisierte bäuerliche Genossenschaftswesen geht zugrunde
1942 Brasilien tritt in den Krieg gegen Deutschland ein; Beschlagnahmung deutschen
Eigentums und Vermögens
1946 Der spätere evangelische Bischof Hermann Dohms gründet eine Theologische
Hochschule in São Leopoldo
1948 Wiederaufnahme der Deutsch-brasilianischen Handelskammern
1949 Bildung der »Evangelischen Kirche Lutherischen Bekenntnisses in Brasilien«
1950 Gründung der Wochenzeitung »Brasil-Post« in São Paulo durch Karl Oberacker
Gründung der „Martius-Stiftung für Wissenschaft, Schrifttum und Kunst“ in São Paulo
Altsiedler aus RS und SC gründen die Orte Toledo und (Marechal Candido) Rondón in
Paraná
1951 Mennoniten aus Witmarsurn I gründen den Ort Witmarsum II in Paraná Gründung des
»Verbandes der Kulturvereine 25. Juli« in Porto Alegre (umfasste Mitte der 1970er Jahre ca.
30 Vereinigungen; heute gehören ihm 50 Vereine und eine Anzahl Einzelmitglieder an)
1951f. Die Schweizer Auslandshilfe siedelt 500 donauschwäbische Familien (etwa 2500
Menschen) im Munizip Guarapuava, PR, an. Entstehen der Kolonie Entre Rios
1953 ff. »Staden-Jahrbuch« (heute „Martius-Staden-Jahrbuch) in São Paulo
1954 Gründung des deutschen »Club Transatlantico São Paulo« (vor dem Krieg Klub
»Germania« genannt)
1955 Gründung der »Corcovado-Schule« (mit einem deutschen Zweig) in Rio
1956 Abkommen zwischen Brasilien und der Bundesrepublik Deutschland über die partielle
Rückgabe beschlagnahmten deutschen Vermögens
1960 Brasilia wird Hauptstadt Brasiliens. Die Stadt ist geprägt von Gebäuden Oskar
Niemeyers und Gartenanlagen von Roberto Burle Marx
1961 Neues Schulgesetz; Deutsch wird als Fremdsprache in brasilianischen Schulen wieder
zugelassen
1965 Gründung des Kulturvereins Gramado, RS; der Verein errichtet 1966 ein »Haus der
Jugend« in Gramado als Zentrum für Fortbildungskurse von Chören und Tanzgruppen,
Tagungen und Freizeiten
1967 Staatsbesuch von Bundespräsident Lübke in Brasilien
1973ff. Im tropischen Buschland des Mato Grosso (Bezirk von Barra do Garça) entstehen
deutsche Siedlungen durch Abwanderer aus den Altkolonien
1974 Als erster Protestant und Deutschstämmiger wird General Ernesto Geisel Präsident
Brasiliens; er regiert
bis 1979
Erfolgreiche 150-Jahr-Feiern der Deutschbrasilianer unter Beteiligung des
Staatspräsidenten
1990-2000 In dieser Zeit sind 21 brasilianische Minister und Vizeminister deutscher
Abstammung
2007 Die Zahl der deutschstämmigen Brasilianer wird von der Brasilianischen Botschaft auf 5
Millionen geschätzt; nur ein Bruchteil davon beherrscht noch die deutsche Sprache. In Rio
Grande do Sul ist der hunsrückische Dialekt noch lebendig
Herunterladen