Was heißt Widerstand?

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Jugend debattiert:
Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus
heute?
Materialien für
Lehrerinnen und Lehrer zur Vorbereitung auf den Wettbewerb
März 2004
Inhalt
Vorwort ........................................................................................................................................... 3
Einleitung ........................................................................................................................................ 4
Der Widerstand gegen die Diktatur. Hauptgruppen und Grundzüge der Systemopposition ............. 5
Von Peter Steinbach
Was heißt Widerstand? ................................................................................................................. 21
Von Ansgar Kemmann
Lebensbilder von Widerständlerinnen und Widerständlern mit Hessen-Bezug
Ludwig Beck ..................................................................................................................... 26
Alfred Delp ......................................................................................................................... 27
Hermann Kaiser ................................................................................................................. 28
Johanna Kirchner ............................................................................................................... 29
Wilhelm Leuschner ............................................................................................................ 30
Nora Platiel ........................................................................................................................ 31
Cilly Schaefer..................................................................................................................... 32
Rose Schlösinger ............................................................................................................... 33
Elisabeth Schumacher ....................................................................................................... 34
Adam von Trott zu Solz ...................................................................................................... 35
Zeitzeuginnen und Zeitzeugen
Günther Arndt ................................................................................................................... 37
Wolfgang Breckheimer....................................................................................................... 38
Karl Brozik ......................................................................................................................... 39
Peter Gingold..................................................................................................................... 40
Eugen Herman-Friede ....................................................................................................... 41
Irmgard Heydorn ................................................................................................................ 42
Anneliese Knoop-Graf ....................................................................................................... 43
Franz Kremer..................................................................................................................... 44
Trude Simonsohn .............................................................................................................. 45
Herbert Westenburger ....................................................................................................... 46
Einladung von Zeitzeugen: Leitfaden für Lehrkräfte....................................................................... 47
Von Andreas Hettiger
Kommentierte Literaturhinweise ................................................................................................... 50
Ausgewählte Filme zum Thema .................................................................................................... 68
Weiterführende Internetadressen ................................................................................................. 74
Impressum .................................................................................................................................... 75
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
2
Sehr geehrte Damen,
sehr geehrte Herren!
Am 20. Juli 2004 jährt sich zum 60. Mal der Tag des gescheiterten Staatsstreichs gegen
Adolf Hitler. Diesen Tag wollen wir zum Anlass nehmen, vor allem jungen Menschen die Frauen
und Männer des Widerstands aus Hessen – zum Zeitpunkt ihrer mutigen Haltung oft selbst
noch Jugendliche – nahe zu bringen. Wenn es Vorbilder für ein freies, demokratisches
Deutschland geben kann, dann sind das auch die Frauen und Männer des Widerstandes. Der
von Dolf Sternberger geprägte, von Jürgen Habermas wieder eingeführte Begriff des
„Verfassungspatriotismus“ erhält durch das Beispiel dieser Frauen und Männer des
Widerstands eine emotional nachvollziehbare Dimension. Insofern ist die genaue Erinnerung an
den Widerstand gegen das NS-Regime auch ein konkreter Beitrag zur gegenwärtigen
Patriotismus-Debatte.
Es gibt zahlreiche herausragende Persönlichkeiten des Widerstands, die von Hessen aus ihren
Weg genommen haben. Überlebende des Widerstands haben, obwohl in der auf Wiederaufbau,
ökonomische Prosperität und Verdrängen der Schuld orientierten Gesellschaft der fünfziger und
frühen sechziger Jahre eher isoliert, die hessische Nachkriegsgeschichte entscheidend
mitgeprägt. Die vielfältigen Motive ihres Handelns gegen den Nationalsozialismus reichen von
Positionen der Arbeiterbewegung über liberale bis zu konservativen Traditionen, von klarer
politischer Ablehnung des Nationalsozialismus über religiöse Beweggründe bis zu
mitmenschlicher Hilfe für verfolgte Nachbarn und Freunde und jugendlich-unangepasster
„Widerspenstigkeit“, wie bei der „Swing-Jugend“ und den „Edelweißpiraten“. Gemeinsam war
vielen von ihnen die Einsicht: Wir sind zu wenige. Wir stehen auf verlorenem Posten. Wir
werden wahrscheinlich erfolglos bleiben. Aber wir müssen es dennoch versuchen, die Barbarei
zu stoppen. – Gemeinsam war allen der Mut, ihre soziale Existenz, ihr Leben einzusetzen.
Mit unserem gemeinsamen Projekt „Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand
gegen den Nationalsozialismus heute?“ wollen wir jungen Menschen überall in Hessen die
ganze Vielfalt des Widerstands gegen die Nazibarbarei in Lebensbildern von Frauen und
Männern des Widerstands deutlich machen. Wir wollen die Auseinandersetzung mit ihren
politischen, religiösen und weltanschaulichen Positionen, auch mit Brüchen in ihren
Lebenswegen anregen und zugleich die Frage nach der heutigen Aktualität des Widerstands
gegen den Nationalsozialismus anstoßen.
Wir freuen uns über Ihr Interesse und Ihre Mitwirkung, hoffen, dass Ihnen die anliegenden
Handreichungen bei Ihren Unterrichtsvorbereitungen eine Hilfe sein können und wünschen
Ihnen einen erkenntnisreichen Unterricht über den Widerstand gegen den Nationalsozialismus.
Mit freundlichen Grüßen
Udo Corts
Hessischer Minister
für Wissenschaft und Kunst
Dr. Roland Kaehlbrandt
Geschäftsführer der
Gemeinnützigen Hertie-Stiftung
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
3
Einleitung
Zum 60. Jahrestag des gescheiterten Attentats auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 organisiert das
Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst in Zusammenarbeit mit der Gemeinnützigen
Hertie-Stiftung für Jugend-debattiert-Schulen in Hessen den Wettbewerb „Was bedeutet uns
der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?“.
Mit der Auswahl des vorliegenden Materials für Lehrerinnen und Lehrer versuchen die
Veranstalter, die Fokussierung des öffentlichen Gedenkens auf den 20. Juli 1944 und damit
ausschließlich auf den militärischen Widerstand gegen Adolf Hitler zu brechen. Vielmehr wollen
sie den Blick auch auf andere oppositionelle Gruppierungen, ihre Motivationen,
Handlungsspielräume und Schicksale lenken. Dabei spielt auch die Diskussion um die Fragen
eine Rolle: Was überhaupt ist Widerstand? Welche Möglichkeiten hatten der oder die Einzelne
in einer Diktatur, gegen den Staat zu opponieren?
Der Aufsatz des Experten der Widerstandsforschung Peter Steinbach führt auf breiter
Grundlage in das Thema ein und präsentiert verschiedene Widerstandsbewegungen
(Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschaften, Kirchen) und -formen (bürgerlicher,
militärischer sowie individueller Widerstand). Mit der allgemein gehaltenen Frage „Was heißt
Widerstand?“ reflek-tiert Ansgar Kemmann, Projektleiter Jugend debattiert, Möglichkeiten,
Ausformungen und Definitionen von oppositionellem Verhalten innerhalb des totalitären
Staates, aber auch innerhalb einer Demokratie.
In zehn Kurzporträts werden die persönlichen Schicksale von Widerstandskämpferinnen und
-kämpfern mit Hessen-Bezug vorgestellt. Die meisten von ihnen wurden vom Volksgerichtshof
abgeurteilt und hingerichtet; nur wenige überlebten und engagierten sich nach der Befreiung
politisch für das Bundesland Hessen. Speziell auf die Personen bezogene Literaturhinweise
erleichtern die Recherche nach weiteren biografischen Informationen.
Es folgen die Lebensgeschichten von zehn Personen, die bereit sind, als Zeitzeuginnen und
Zeitzeugen in den Schulen über die Zeit des Nationalsozialismus, ihren damaligen persönlichen
Widerstand, aber auch ihren heutigen Standpunkt zum Thema Zivilcourage beziehungsweise
ziviler Ungehorsam in einer Demokratie zu sprechen. Zum Teil handelt es sich um
Persönlichkeiten, die sich selbst einer oppositionellen Gruppierung angeschlossen hatten, oder
auch um solche, die vom Widerstand naher Angehöriger oder Freunde berichten können.
Mögliche Gesprächsthemen, Bedingungen für den Schulbesuch sowie weiterführende Literatur
sind jeweils angegeben.
Ein Leitfaden für Lehrkräfte, der zur Vorbereitung der Zeitzeugengespräche dient, umfassende
kommentierte Literatur- und Filmverzeichnisse sowie eine Aufstellung weiterführender
Internetadressen sind nützliche Hilfen, sich fundiert auf das Wettbewerbsthema vorzubereiten.
Literatur- und Filmlisten führen neben einschlägigen allgemeinen Darstellungen auch Literatur
und Medien zu diversen Widerstandsgruppen oder Einzelpersonen auf. Da – soweit ermittelbar
– die Bezugsquellen und Bestellsignaturen bereits angegeben sind, handelt es sich um
komfortabel benutzbare Findmittel.
Wir wünschen erkenntnisreiche Diskussionen und einen interessanten Wettbewerb!
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
4
Der Widerstand gegen die Diktatur*
Hauptgruppen und Grundzüge der Systemopposition1
Von Peter Steinbach
Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus zählt heute zu den zeitgeschichtlichen
Traditionslinien, die in besonderer Weise mit unserer Gegenwart verbunden sind und in der
Regel zur Vorgeschichte der deutschen Nachkriegsdemokratie gerechnet werden.2 Dieses
Interesse hat dazu beigetragen, dass die Beschäftigung mit dem Widerstand im Dritten Reich in
der politischen Kultur und in der politischen Bildung der Bundesrepublik Deutschland einen
festen Platz einnimmt.3 Dies bedeutete allerdings auch, dass vielfach, keineswegs jedoch
immer,4 die Würdigung des Widerstands aus einer gegenwartsorientierten Perspektive erfolgte.
Derartige Verengungen der Widerstandsgeschichte sind in den vergangenen Jahren weitgehend
überwunden worden. Immer stärker rückte nämlich in das Bewusstsein, dass die
entscheidenden Kriterien einer angemessenen moralischen Würdigung des Widerstands nicht
die Fragen des „Landesverrats“, des „Eidbruchs“ oder einer Verpflichtung zur Abwehr eines
Sieges der Roten Armee sein konnten, wie man noch in den fünfziger Jahren betont hatte,
sondern eine Handlungsorientierung, die ihre Rechtfertigung aus der „Vollmacht des
Gewissens“5 im Kampf gegen die nationalsozialistische Diktatur und aus der Bereitschaft zum
persönlichen Risiko zog. Die zunehmend akzeptierte Deutung des NS-Regimes als
Unrechtsstaat – mithin als Gegenbild des Rechtsstaates – und als Unrechtsordnung, die die
Ausgrenzung ganzer Bevölkerungsgruppen zum Ziel hatte und im Zusammenhang mit dem
entfesselten Rassen- und Weltanschauungskrieg die „Endlösung“ der „Judenfrage“ anstrebte,
rechtfertigte zunehmend den Widerstand, der seit den fünfziger Jahren mit den Attentätern des
20. Juli geehrt wurde.
Die nationalsozialistische Diktatur rechtfertigte so bereits durch ihre Existenz, vor allem aber
durch die in ihrem Namen begangenen Verbrechen, jeden Versuch, sich diesem Regime zu
entziehen oder sich ihm durch aktiven Widerstand entgegenzustellen. Im Widerstand, so lautet
*
1
2
3
4
5
Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors aus: Karl Dietrich Bracher/Manfred Eucke/HansAdolf Jacobsen (Hg.), Deutschland 1933-1945. Neue Studien zur nationalsozialistischen Herrschaft.
Bonn 21993, S. 452-473.
Die folgenden Überlegungen können nur einen ersten, sehr groben Überblick bieten. Dabei kommt es
mir primär nicht auf eine faktologisch umfassende Skizzierung, sondern auf die Akzentuierung
einiger grundsätzlicher Probleme der Widerstandsgeschichte an. Ich stütze mich dabei in einigen
Passagen auf Überlegungen, die ich zuerst in meinem Beitrag für den von Rudolf Lill und Heinrich
Oberreuter herausgegebenen Aufsatzband „20. Juli: Portraits des Widerstands“, Düsseldorf 1984, S.
29-46, niedergeschrieben habe. In Vorbereitung befindet sich ein Sammelband über den
Gesamtwiderstand, der einzelne Dimensionen und Probleme des Widerstands ausführlicher
behandeln soll, die ich hier nur knapp ansprechen kann und nicht selten ganz aussparen muss. Er
wird Ende nächsten Jahres in der Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung erscheinen.
Vgl. das Gutachten zur Planung des Bonner Hauses zur Geschichte, in dem die Geschichte des
Widerstands neben der Auseinandersetzung mit den nationalsozialistischen Gewaltverbrechen
schwerpunktmäßig dargestellt werden soll. Vgl. auch Thorsten-Dietrich Schramm, Der deutsche
Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Seine Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland in der
Wirkung auf Institutionen und Schulbücher. Berlin 1980.
Gedenkstätte. Deutscher Widerstand (Hg.), Der 20. Juli 1944: Reden zu einem Tag der deutschen
Geschichte, Bd. l (mit den in Berlin gehaltenen Reden). Berlin 1984; Bd. 2 (mit den in Bonn
gehaltenen Reden). Berlin 1986.
In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf die vielfältigen Arbeiten von Karl Dietrich Bracher zu
verweisen, der sehr früh in seiner Geschichte des Nationalsozialismus ein Gesamtbild zeichnete, das
sich das historische Urteil nicht durch politische Prämissen verstellen ließ.
Diese Kategorie wurde erstmals ganz unmissverständlich in zwei biographischen Sammelbänden
angesprochen, die Annedore Leber und Karl Dietrich Bracher in der Mitte der fünfziger Jahre
herausgegeben haben: „Das Gewissen steht auf“ und „Das Gewissen entscheidet“, jetzt in einem Band
neu herausgegeben von Karl Dietrich Bracher, Das Gewissen steht auf. Mainz 1984. In den sechziger
Jahren erschien dann Europäische Publikation e.V. (Hg.), Vollmacht des Gewissens, 2 Bde. Berlin 1960
und 1965.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
5
heute das nahezu einhellige Urteil, verkörperte sich eine politische, nicht zuletzt aber auch
moralische und ethische Alternative deutscher Politik, die nach der Befreiung vom
Nationalsozialismus den Weg Deutschlands in die Nachkriegsordnung erleichterte.
Deshalb wurde der Widerstand vielfach als Teil einer universalen Menschenrechtsbewegung
gedeutet. Hans Rothfels identifizierte in diesem Sinn am 20. Jahrestag des Anschlags auf Hitler
als „Grund des Widerstands“ dessen Bereitschaft und Befähigung, zum „Prinzipiellen“
vorzustoßen, „zu den Kräften moralischer Selbstbehauptung, die über die Erwägung des bloß
politisch Notwendigen hinausgehen“.6 In den sechziger und siebziger Jahren führte diese
Öffnung des Blicks zur Erschließung bis dahin oftmals vernachlässigter Widerstandsbereiche,
etwa von Jugendlichen, religiösen Kleingruppen, Frauen, Juden und Häftlingen.7 Dies hatte eine
inhaltliche Differenzierung des Widerstandsbegriffs zur Folge, der nun Elemente des Protestes,
des Konfliktes, der Widerstandsfähigkeit im Sinne gruppen- und regionalspezifischer Resistenz,
überdies der Dissidenz enthielt.8 Damit rückte auch der alltägliche, das heißt im Alltag
bewiesene, Widerstand in den Blick und leitete eine weit über die Erschließung eines neuen
Feldes der Geschichte von individueller Selbstbehauptung und Widerstand von 1933 bis 1945
hinausgehende begriffliche Inflationierung ein, die Widerstand zum geschichtspolitisch
legitimierten Schlagwort und Kampfbegriff zu machen drohte. Vor dieser Entwicklung haben
Historiker wie Karl Dietrich Bracher,9 Theologen wie Eberhard Bethge10 und Juristen wie Arthur
Kaufmann11 frühzeitig gewarnt.
Widerstandsgeschichtliche Forschungen der sechziger Jahre korrigierten allerdings auch das
vor allem in politischen Gedenkreden stark verbreitete Bild von einem freiheitlich-westlichen,
verfassungsstaatlich orientierten Ziel, das die Regimegegner gleichsam in die Vorgeschichte
des Grundgesetzes zu rücken suchte. Diese Revision führte vielfach zu groben
Verzeichnungen, die schließlich die Folgerung zu begründen schienen, daß sich im Widerstand
keine entscheidende Alternative zum NS-Staat finden lasse, sondern nur eine Fortsetzung alter
antiparteienstaatlicher und obrigkeitsstaatlicher Ressentiments, die für das Scheitern der
Weimarer Republik verantwortlich gewesen seien. Dagegen machte Andreas Hillgruber darauf
aufmerksam, dass der militärische und bürgerliche Widerstand häufig das Ergebnis eines
Prozesses war und nicht selten die Überwindung von politischen Positionen voraussetzte, die
manche der Regimegegner vor allem aus dem militärischen Widerstand zunächst mit den
Nationalsozialisten – zumindest partiell – geteilt hatten.12 Andreas Hillgruber sah deshalb im
Widerstand nicht nur den Ausdruck einer graduellen Steigerung prinzipieller Positionen, sondern
durchaus eine spezifische Zeitprägung, die im Kampf gegen das NS-Regime sowohl den
„Gegensatz“ als auch das „Produkt“ seiner Zeit erblickte.
Der totale Herrschaftsanspruch der Nationalsozialisten wurde vielen Zeitgenossen erst
allmählich deutlich, so sehr sie auch befürchtet hatten, dass die nationalsozialistische
Machtergreifung die „Legalisierung der Rache“13 bedeutete. Im Zuge der Gleichschaltung von
Staat und Gesellschaft richtete sich die nationalsozialistische Politik immer offener gegen
angebliche „Feinde“ im Innern, gegen die Anhänger oppositioneller Bestrebungen, die als
6
Hier zitiert nach Hermann Graml (Hg.), Deutsche Opposition gegen Hitler. Frankfurt am Main 1969,
erweitert 1977.
7 Vgl. als umfassende Deutung die entsprechenden Abschnitte in Karl Dietrich Bracher, Die deutsche
Diktatur. Entstehung, Struktur, Folgen des Nationalsozialismus. Köln/Berlin 1969 u. ö.
8
Einen Überblick bietet Peter Steinbach, Widerstand als Thema der politischen Zeitgeschichte.
Ordnungsversuche vergangener Wirklichkeit und politischer Reflexion, in: Gerhard Besier/Gerhard
Ringshausen (Hg.), Bekenntnis. Widerstand, Martyrium. Göttingen 1986, S. 11-75.
9 Karl Dietrich Bracher, Verwirrung um Widerstand, in: Rheinischer Merkur vom 8. Januar 1982.
10 Eberhard Bethge, Widerstand – damals und heute, in: Süddeutsche Zeitung vom 25./ 26. Juli 1981.
11 Arthur Kaufmann, Das Widerstandsrecht der kleinen Münze, in: Süddeutsche Zeitung vom 31. Dezember
1982, Beilage.
12 Andreas Hillgruber, Endlich genug über Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieg? Forschungsstand
und Literatur. Düsseldorf 1982, S. 47; eine vorzügliche Präsentation und Diskussion des
Forschungsstandes findet sich bei Klaus Hildebrand, Das Dritte Reich. München 31987, S. 209ff., mit
einer sehr ausgewogenen Urteilsbildung.
13 Theodor Wolff, Berliner Tageblatt vom 31. Juli 1932.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
6
Ausdruck des verhassten Weimarer Systems diffamiert und nach kurzer Zeit bereits durch neue
strafrechtliche Tatbestände und ein rasch wachsendes System von Konzentrationslagern14
bedroht wurden. Innerhalb weniger Monate wurde Verfolgung zum Kollektivschicksal – und
zugleich sahen Regimegegner im Widerstand zunehmend eine Aufgabe des einzelnen, der
Verbindung zu wenigen seiner Gesinnungsfreunde halten wollte und somit vor allem den
Zusammenhalt, weniger aber die Gelegenheit zum Umsturz des Regimes suchen konnte.
Ausdruck dieser Gesinnungspflege aus dem Geist der Opposition und der Bemühung um
Selbstbehauptung war eine spezifische Gruppenbildung, die Hans Rothfels einmal treffend als
„Kreiselei“ oder gar als „Vereinsmeierei“ bezeichnet hat.15 Die Nationalsozialisten verfolgten
derartige Bestrebungen als Versuch, den weltanschaulichen Führungsanspruch des Regimes
nachdrücklich und unbeirrbar in Frage zu stellen. Dennoch richtete sich der Wille zum
Widerstehen niemals allein gegen die Träger der NS-Herrschaft, sondern stets auch gegen
diejenigen, die durch ihre Anpassung bessere Voraussetzungen des eigenen Überlebens
schaffen wollten. Diese Tendenz wurde erleichtert, weil die Weimarer Republik auch vielfach von
jenen Kräften abgelehnt oder zumindest gleichgültig oder ohne ein tieferes republikanisches
Engagement betrachtet wurde, die sich gegen den Nationalsozialismus stellten.
I. Kommunisten im Widerstand
Anhänger der KPD zählten zu der ersten großen Gruppe von Verfolgten und Regimegegnern,
die bereits durch die Februarverordnung vom 28. Februar 1933, die sogenannte
„Reichstagsbrandverordnung“, kriminalisiert und zielstrebig aus der Rechtsordnung
ausgeschlossen wurden. Ihr Schicksal macht deutlich, dass mit der Zerstörung des Weimarer
Rechtsstaates auch das Recht zum politischen Herrschaftsinstrument geworden war und seinen
Charakter als „Schutz der Schwachen“ verloren hatte. Für die Nationalsozialisten waren die
Grenzen zwischen Kommunisten, Sozialisten, Sozialdemokraten und Gewerkschaftsmitgliedern
fließend: Alle „marxistischen“ Zeitungen wurden verboten, deren Verteilung als „Widerstand“
unter Strafe gestellt. Damit begann die NS-Führung, „Widerstand“ zu definieren und jeden Akt der
Opposition oder der geistigen und politischen Eigenständigkeit als Auflehnung gegen die
Staatsgewalt und Verletzung gesetzlicher Bestimmungen zu kriminalisieren. Hingegen
benutzten die Regimegegner den Widerstandsbegriff höchst selten. Die Kommunisten erkannten
zunächst nicht die Besonderheit des frühen nationalsozialistischen Terrors, der mögliche
Gegner ausgrenzen und lahmen, aber auch die Öffentlichkeit durch die Konfrontation mit den
Schrecken der Gewaltherrschaft beeindrucken und so wehrlos machen wollte. Sie erblickten
vielmehr in der Regel im „Hitlerfaschismus“ nicht wesentlich mehr als eine Fortsetzung des
„Papen-“ und „Schleicherfaschismus“. Dadurch hielten sie Hitlers Regierungsübernahme nur für
eine Zeiterscheinung und warteten vor allem auf die grundlegende Krise des kapitalistischen
Systems, aus der sie gestärkt hervorgehen wollten.16 Erst die Massenverhaftungen nach dem
Brandanschlag auf den Reichstag und die unmittelbare Konfrontation mit einem rasch
expandierenden und zunehmend wirksameren Unterdrückungsapparat ließen die KPD von der
Vorstellung eines massenhaften oder gar „legalen“ Protestes und eines demonstrativen
Widerstands Abstand nehmen. Obwohl die kommunistische Parteiführung später immer wieder
die angebliche Führungsrolle der KPD im Widerstand herausarbeiten ließ,17 müssen der
tatsächliche Erfolg und insbesondere auch der Einfluss von Kommunisten auf den
Gesamtwiderstand trotz außerordentlich hoher Verfolgten- und Opferzahlen relativiert werden.
Die entscheidenden politischen Frontstellungen der Weimarer KPD waren auch nach 1933 lange
Zeit festzustellen. Die Sozialfaschismusthese,18 der zufolge Sozialdemokraten als ebenso
14
15
16
17
18
Vgl. jetzt Johannes Tuchel, Konzentrationslager: Organisationsgeschichte und Funktion der „Inspektion
der Konzentrationslager“ 1934-1938. Boppard 1991.
Hans Rothfels, Deutsche Opposition gegen Hitler. Eine Würdigung, neue erw. Ausgabe. Hermann
Graml (Hg.). Frankfurt am Main 1986, S. 42.
Vgl. insgesamt Horst Duhnke, Die KPD von 1933 bis 1945. Köln 1972; ferner Detlev Peukert, Die KPD
im Widerstand. Verfolgung und Untergrundarbeit an Rhein und Ruhr 1933-1945. Wuppertal 1980.
Vgl. Klaus Mammach, Widerstand 1933-1939. Köln 1984; ders., Widerstand 1939-1945. Berlin (DDR)
1987.
Vgl. Wolfgang Wippermann, Zur Analyse des Faschismus: Die sozialistischen und kommunistischen
Faschismustheorien 1921-1945. Frankfurt am Main 1981.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
7
gefährlich, wenn nicht sogar als gefährlicher denn die Nationalsozialisten galten, wurde erst 1935
korrigiert, ohne die politischen Wunden heilen zu können, die die nun als „Bruderkampf“
gedeutete Auseinandersetzung zwischen Sozialdemokraten und Gewerkschaftern auf der
einen, Kommunisten auf der anderen Seite geschlagen hatte. Der KPD-Führung, die mit
wenigen entscheidenden Ausnahmen inhaftiert oder emigriert war, kam es zunächst vor allem
darauf an, den nationalsozialistischen Herrschaftsanspruch und vor allem auch die nationalsozialistische Gemeinschaftsideologie demonstrativ unglaubwürdig zu machen. Deshalb
war ihr die öffentliche Demonstration von Protest und Verweigerung so wichtig – mit dem
Ergebnis, dass die Gestapo rasch zugreifen und die kommunistischen Widerstandsgruppen bis
1935/36 weitgehend zerschlagen konnte. Deshalb blutete das kommunistische
Widerstandspotential weitgehend aus und musste immer wieder in zunehmend konspirativer
agierenden Gruppen, die sich auch relativ unabhängig von den kommunistischen
Auslandsleitungen machen konnten, neu organisiert werden. Die Unflexibilität der illegalen und
emigrierten KPD-Führung, die unter dem Einfluss des Stalin besonders ergebenen Walter
Ulbricht stand und beweglichere Kommunisten wie Willi Münzenberg auszuschalten wusste,
verhinderte letztlich jedoch eine selbstkritische Beurteilung der „sozialfaschistischen Generallinie“
und rechtfertigte so jene Kritiker in sozialistischen Kleingruppen und in der SPD, die Demokratie
und Sozialismus als Ausdruck eines westlich orientierten Freiheitswillens verbinden wollten und
deshalb in Stalin niemals einen politischen Rückhalt suchten, sondern sich in Prag, später in
Paris, Stockholm, London oder den USA auf Seiten der westlichen Demokratie am Kampf gegen
den Nationalsozialismus beteiligten.
II. Sozialdemokraten im Widerstand
Auch der sozialdemokratische Widerstand war von Anbeginn ohne Macht, denn seit
Reichskanzler Franz von Papens „Preußenschlag“ vom 20. Juli 1932, der verfassungswidrigen
Beseitigung
der
sozialdemokratisch
geführten
Minderheitsregierung,
hatte
die
sozialdemokratische Bereitschaft, die Republik gegen einen Staatsstreich zu verteidigen, den
entscheidenden Todesstoß erhalten.19 Hinzu kam, dass die Gewerkschaften einen Ausgleich
mit den faktischen Inhabern der Macht anstrebten und sich deshalb für politisch neutral
erklärten. Sozialdemokratischer und gewerkschaftlicher Massenwiderstand hätte deshalb nach
dem 30. Januar 1933 kaum eine Chance gehabt und möglicherweise dasselbe Schicksal erlitten
wie ein gutes Jahr später die österreichischen Sozialisten, die gegen das autoritäre Regime von
Engelbert Dollfuß, das sie als „Austrofaschismus“ bezeichneten, einen Aufstand riskierten
und in blutigem Kampf unterlagen.20 Lähmend wirkte sich auch die Orientierung vieler
Sozialdemokraten an einer Legalitätsstrategie aus, die der Verteidigung der Republik
dienen sollte. Sie bekannten sich zum Prinzip des Rechtsstaats und des
Parlamentarismus, wie die mutige Rede des sozialdemokratischen Parteivorsitzenden Otto
Wels im Reichstag bei der Ablehnung des „Ermächtigungsgesetzes“ belegen sollte, hatten
aber kaum die „Phantasie“, sich die Folgen der nationalsozialistischen Gewaltpolitik konkret
vorzustellen,
wie
im
Rückblick
Wilhelm
Hoegner,
seinerzeit
junger
Reichstagsabgeordneter, selbstkritisch beklagte.21 Die Sozialdemokratie war zudem im
Frühjahr 1933 einer schweren Zerreißprobe ausgesetzt. Einige führende Funktionäre
suchten nach außenpolitischen Gemeinsamkeiten mit dem neuen Regime, um so weitere
Verfolgungen abzuwehren. Andere, unter ihnen auch der bereits seit Ende Januar 1933
inhaftierte und erst infolge einer Massendemonstration wieder aus der Haft entlassene
junge Reichstagsabgeordnete Julius Leber, kritisierten die Parteiführung und bereiteten
sich auf die Illegalität vor. Andere, wie die Reichstagsabgeordnete Toni Pfülf, resignierten
angesichts der Haltung der Parteiführung und begingen Selbstmord. Leber, der später mit
Freunden wie Carlo Mierendorff und Theodor Haubach zum Kreisauer Kreis stieß,
kritisierte an der Weimarer Sozialdemokratie, dass neben politischem Realismus und
19
Erich Matthias, Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands, in: Erich Matthias/Rudolf Morsey (Hg.),
Das Ende der Parteien 1933. Darstellungen und Dokumente. Düsseldorf 1960, S. 101 ff.
20 Vgl. Helene Maimann/Siegfried Mattl (Hg.), Die Kälte des Februar. Österreich 1933-1938. Wien 1984.
21 Wilhelm Hoegner, Flucht vor Hitler. Erinnerungen an die Kapitulation der ersten deutschen Republik 1933.
Frankfurt am Main 1979, S. 85.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
8
Rationalität keine Zukunftsvisionen entwickelt worden seien. Er wurde lange Jahre
gefangen gehalten und gefoltert, ohne dass die Nationalsozialisten seinen
Widerstandswillen brechen konnten (kurz vor Kriegsende wurde er hingerichtet).
Der sozialdemokratische Widerstand war im Unterschied zum eher nach außen gerichteten
kommunistischen Widerstand vor allem durch den Versuch der Gesinnungspflege und
Gesinnungsbildung geprägt. Sozialdemokraten fanden sich in Diskussionskreisen
zusammen und versuchten zunächst, vor allem die Frage nach den Gründen für das
Scheitern der Republik von Weimar zu beantworten, danach aber auch, die
Entwicklungslinien einer neuen politischen Kooperation sozialdemokratischer und
sozialistischer Gruppen zu erörtern, Elemente sozialdemokratischer Programmatik zu
prüfen und die Konturen einer Neuordnung abzustecken. Exemplarisch werden diese Ziele
und Verhaltensweisen in Widerstandsgruppen wie „Neu Beginnen“, „Roter Stoßtrupp“ und
„Sozialistische Aktion“ deutlich. Daneben ging es auch um die Schaffung einer neuen, von
den Nationalsozialisten nicht kontrollierten Kommunikationsstruktur und um die
Vorbereitung des Kampfes gegen das Regime aus der Illegalität. Besonders wichtig für die
weitere Entwicklung wurden Zirkel, die vielfach von Mitgliedern kleiner sozialistischer
„Brückenparteien“ wie der „Sozialistischen Arbeiterpartei“ (SAP), dem „Internationalen
Sozialistischen Kampfbund (ISK)“ oder der „KPD (Opposition)“ gebildet wurden. Die
Wirkung dieser Gruppen lag in der gelungenen Beeinflussung der emigrierten SPD-Führung
unter Erich Ollenhauer, in ihrem Einfluss, den sie auf alliierte Nachkriegsplanungen nehmen
konnten, nicht zuletzt aber auch in der wirksamen Prägung der weiteren
sozialdemokratischen Programmdiskussionen, die nach dem Krieg den politischen
Entwicklungsweg der SPD begleiteten. Im sozialdemokratischen Widerstand hatte sich die
Möglichkeit eines antitotalitären Widerstands von links abgezeichnet: Das bedeutete die
Alternative zum antidemokratischen Widerstand der Kommunisten und die Relativierung des
Anspruchs aller „Antifaschisten“, die sich dem westlich-liberalen Demokratiegebot verweigerten
und sich auch im Widerstand und vor allem im Exil weiterhin an den Interessen und Positionen
der Sowjetunion orientierten und so die in Frankreich und im Spanischen Bürgerkrieg
proklamierte „Volksfront“ aller Gegner des Faschismus und Nationalsozialismus scheitern ließen.
Weil sich sozialdemokratische Regimegegner auf engere Freundeskreise konzentrierten und
somit auch zurückhaltender agierten, gelang es den nationalsozialistischen Verfolgern im
Vergleich zum kommunistischen Widerstand nicht, allzu tief in dieses Beziehungsgeflecht
einzudringen. Deshalb war die Zahl inhaftierter Sozialdemokraten wesentlich geringer als die
der verhafteten Kommunisten. In die sich später herausbildenden Kreise der Regimegegner um
Carl Friedrich Goerdeler und Ludwig Beck konnten sich Sozialdemokraten vergleichsweise
problemlos einbinden, weil sie von den Mitgliedern der militärischen Opposition, die zum
nationalkonservativ gesonnenen Widerstand enge Verbindungen hatten, als wichtige
Verbindung zur Arbeiterschaft angesehen wurden, die einen möglichen Umsturzversuch wegen
des ihren Wortführern unterstellten Zugangs zur breiteren Bevölkerung auch zum Erfolg machen
sollte.
III. Widerstand aus der Katholischen Arbeiterbewegung (KAB)
Nur selten finden sich in Gesamtdarstellungen des Widerstands aus der Arbeiterbewegung
Hinweise auf Mitglieder katholischer Gesellen- und Arbeitervereine, die sich bereits im 19.
Jahrhundert zusammengefunden hatten und eine überkonfessionelle Interessenvertretung der
Arbeiter auf christlicher Grundlage anstrebten.22 Bereits Ende der zwanziger Jahre ließen
Verbandszeitschriften der Katholischen Arbeiterbewegung keinen Zweifel an ihrer Ablehnung
des „Faszismus“, den sie als „widergöttlich, widersinnig und unorganisch“ bezeichneten. Nach
den großen nationalsozialistischen Wahlerfolgen von 1930 und 1932 bereitete die KAB-Führung
ihre Mitglieder auf die Auseinandersetzung mit den Nationalsozialisten vor und erklärte nach
Hitlers „Machtergreifung“, die Ausschaltung des Reichstags bedeute „zugleich die Ausschaltung
der sozialen Ideen“ und das „Geschwätz vom Staatsnotstand“ sei „nichts anderes als die
Aufforderung zu Hochverrat und Revolution“. Wortführer der Opposition der KAB wurden die
22
Vgl. Jürgen Aretz, Katholische Arbeiterbewegung und Nationalsozialismus. Mainz 1978; Heinz-Albert Raem,
Katholischer Gesellenverein und Deutsche Kolpingfamilie in der Ära des Nationalsozialismus. Mainz 1982.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
9
Kölner Bernhard Letterhaus, Nikolaus Groß, Joseph Joos und Otto Müller. Für sie war die
Auseinandersetzung mit dem NS-Regime aber nicht nur Ausdruck einer eigenständigen
Vertretung von Arbeiterinteressen, sondern zugleich Ausdruck eines Kampfes für den Glauben
und die „Treue zur Kirche“. So wurden sie Teil einer kirchlichen Oppositionsströmung
katholischer Gläubiger. Politische Gegensätze zum Regime entstanden aus dem Wunsch, die
KAB nicht in die „Deutsche Arbeitsfront“ einzugliedern. Immer mehr rückte Letterhaus in die
Rolle eines Wortführers dieser Opposition und hatte bald Kontakt zu anderen katholischen
Regimegegnern wie Josef Wirmer, zu Vertretern des Gedankens einer eigenständigen
Einheitsgewerkschaft wie Jakob Kaiser, Adam Stegerwald und Ernst Hadermann, vor allem
auch zu Wilhelm Leuschner. Letterhaus gehörte mit zu den schärfsten Kritikern der Bischöfe, die
dem Reichskonkordat vom 20. Juli 1933 zugestimmt hatten. Dabei berief er sich sogar auf den
Papst, der sich bereits Mitte Oktober 1933 protestierend gegen die „mit allen Mitteln betriebene
Niederhaltung und Erdrückung katholischer Vereine und Organisationen“ gewandt hatte.
Politisches Zentrum des KAB-Widerstands war das Kölner Ketteier-Haus.23 Einige Mitglieder
dieses Kreises hatten bald sehr enge Beziehungen zu den Berliner Widerstandsgruppen, aber
auch zu dem Münchener Jesuitenpater Alfred Delp, der zum Kreisauer Freundeskreis um die
Grafen Helmuth James von Moltke und Peter Graf Yorck von Wartenburg gehörte. Im
Mittelpunkt vieler Gespräche stand die Frage nach einer Einheitsgewerkschaft. Bald führte der
Weg aber einige Mitglieder in die aktive Unterstützung von Umsturzbestrebungen, die
schließlich im 20. Juli 1944 kulminierten. Die Manifestationen des Protestes aus der KAB lassen
sich in ihrer Form, die vielfach auch an den offenen Protest gläubiger Katholiken wie etwa die
„Glaubensfahrten“ anknüpfte, nicht mit den offenen Demonstrationen des kommunistischen
Widerstandswillens oder den Versuchen der Gesinnungspflege in sozialdemokratischen Zirkeln
vergleichen. Denn der Widerstand von Anhängern christlicher Gewerkschaften, katholischer
Gesellenvereine, der KAB und katholischer Jugendbünde verschmolz vielfach mit dem Willen
katholischer Christen, gegenüber dem NS-Regime durch eine offene Glaubensbekundung zu
widerstehen. So verbanden sich hier Motivationen und Ziele, und gerade dieses erleichterte die
Kontakte mit Regimegegnern, die sich auf die christliche Substanz ihres Widerstands besinnen
konnten.
IV. Gewerkschaftsmitglieder im Widerstand
Neben den Kommunisten und Sozialdemokraten waren auch einige Führer und Mitglieder der
Gewerkschaften in besonderer Weise bedroht,24 denn auch sie galten den Nationalsozialisten
als Marxisten. Allerdings war in der Gewerkschaftsbewegung stets das Bewusstsein vorhanden,
auch unter sich wandelnden politischen Bedingungen Kompromisse mit den Tarifpartnern zu
suchen und sich nicht prinzipiell gegen staatliche Institutionen zu stellen, die als Garanten der
Tariffreiheit und Sozialstaatlichkeit galten. Es war das besondere Verhängnis mancher
Gewerkschaftsführer, diesen für den sozialen Pluralismus unverzichtbaren Kompromiss- und
Kooperationswillen auch gegenüber der Regierung Hitlers beweisen zu wollen. Gerade die
Gewerkschaftsführung hat schwer unter dieser verhängnisvollen Fehleinschätzung gelitten – in
den Lagern und Gefängnissen der Nationalsozialisten, aber auch durch das Gefühl der
politischen Ohnmacht und den gravierenden Zeitverlust in den gewerkschaftlichen
Neuordnungsdiskussionen. Dennoch gab es in manchen Betrieben trotz einer sich dem
Nationalsozialismus doch überraschend gefügig erweisenden Arbeiterschaft eine
gewerkschaftlich geprägte innerbetriebliche Opposition, die durchaus auf einzelne
Betriebsangehörige und Funktionäre zurückgreifen konnte, ohne ihnen ein geistiges Dach zu
bieten. Deshalb sind die Grenzen des gewerkschaftlichen Widerstands zum politischen
Widerstand aus den politischen Arbeiterbewegungen stets fließend gewesen. Lediglich der
Wille einiger führender Gewerkschafter, in der Opposition zum Regime und in der
Auseinandersetzung mit dem Zusammenschluss der meisten Arbeiter in der „Deutschen
Arbeitsfront“ die Konturen einer neuen Einheitsgewerkschaft zu entwickeln und damit einen
23
24
Vgl. Günter Buchstab u.a., Verfolgung und Widerstand 1933-1945: Christliche Demokraten gegen Hitler.
Düsseldorf 1986, S. 218ff.
Vgl. Michael Schneider, Kleine Geschichten der Gewerkschaften. Ihre Entwicklung in Deutschland von
den Anfängen bis heute. Bonn 1989, S. 228ff.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
10
Beitrag
zur
Überwindung
politischer
Differenzen
zwischen
den
ehemaligen
Richtungsgewerkschaften zu leisten, mündete dann in die politische Zusammenarbeit mit
anderen Gruppen.
Aus diesen Diskussionen gingen neue Kontakte zwischen führenden Gewerkschaftern hervor,
die verschiedene Kreise zusammenführten und insbesondere Wilhelm Leuschner zur führenden
Persönlichkeit der Gewerkschaftsbewegung im Untergrund werden ließen. Er hatte bald enge
Verbindung zu den Berliner Widerstandskreisen um Goerdeler, Beck und später auch
Stauffenberg und sollte im Falle eines gelungenen Umsturzes wenn nicht die Aufgaben eines
Reichskanzlers, so doch die eines Vizekanzlers wahrnehmen. Leuschner bildete so eine
wichtige Verbindung des militärischen Widerstands in Berlin zu den Personen und Gruppen, die
als Vertreter der Arbeiterbewegungen empfunden wurden. Zu ihnen gehörten neben Leber,
Haubach, Mierendorff und Reichwein als Vertretern der Sozialdemokratie auch Jakob Kaiser,
Ernst Hadermann und Bernhard Letterhaus, um nur einige zu erwähnen. Sie hatten, wie Leber,
sogar Kontakt zum kommunistischen Widerstand gesucht und auf diese Weise die
„Massenbasis“ des Widerstands erweitern wollen, der sich als Bestrebung ohne ausreichenden
Rückhalt in der Bevölkerung – als „Widerstandsbewegung ohne Volk“ – verstand.
V. Widerstand trotz partieller Übereinstimmung
Die besondere Tragik und Schwierigkeit des Widerstands, der in den Traditionen des
bürgerlichen Denkens und des christlichen Glaubens stand, lag darin, dass seine Anhänger
vielfach aus einer Position teilweiser Übereinstimmung mit den Zielen nationalsozialistischer
Außenpolitik heraus handeln mussten. Eine ihrer wichtigsten und folgenschwersten
Forderungen, die im Bereich der Innen-, Wirtschafts-, Kultur- und Sozialplitik viele Unterschiede
und Gegensätze überwinden half, konzentrierte sich auf die Revision der Versailler
Friedensordnung. Die Feststellung einer partiellen Übereinstimmung zwischen NS-Regime und
Teilen des Widerstands bedeutet aber nicht, dass er zweitrangig gewesen wäre, sondern dass
sein Kennzeichen die Überwindung von Verhaltensweisen und Überzeugungen war, die nicht
allein aus Angst und Passivität, Anpassung und Bequemlichkeit oder dem Willen zu Verfolgung
und Terror erklärt werden können. In diesem Sinne charakterisierte Rüdiger von Voss den
Widerstand von Offizieren und Angehörigen des Bürgertums durch die „Überwindung“ von
Positionen, die ursprünglich sogar mit den Nationalsozialisten geteilt wurden.25 Antrieb dieser
Gegnerschaft waren häufig die moralische Empörung über nationalsozialistische Verfolgungsund Entrechtungsmaßnahmen, die Kritik an der Vorbereitung des Krieges durch Rüstung,
riskante außenpolitische Entscheidungen, eine verantwortungslose Wirtschaftspolitik oder die
Berufung auf Wertvorstellungen, die im Gegensatz zur nationalsozialistischen Ideologie standen
und deshalb den weltanschaulichen Führungsanspruch der Nationalsozialisten bestritten. Diese
einen Widerstand in vielen Schattierungen ermöglichenden Werte und Traditionen begründeten
eine Distanz gegenüber Zeiterscheinungen, erleichterten Resistenz und Dissidenz und konnten
sich zum risikobereiten Handeln als Konsequenz aktiver Konspiration steigern. Deshalb liegt die
wesentliche Bedeutung des Widerstands im Umfeld des 20. Juli 1944 darin, „daß eine
Führungselite die Ordnung, die sie miterdacht, mitermöglicht und mitverwirklicht hatte“,26 im
Bewusstsein der Lebensgefahr überwand, die mit der Wendung gegen die NS-Führung
verbunden war.
Viele dieser Widerstandsgruppen, die ständig wegen ihrer engen Einbindung in staatliche
Funktionen ein Maß zwischen Kooperation und Konfrontation finden mussten, bewegten sich auf
dem schmalen Grat zwischen Anpassung und Widerstand, zwischen Unterliegen und
Selbstbehauptung. Kaum ein Regimegegner blieb in dieser Verstrickung ohne jenen Schatten,
den das Erliegen gegenüber Zumutungen des Regimes aus gleichgültigem Schweigen oder
Schwäche, aus Vorsicht oder Kalkül bedeutete. Kaum jemand fand zu den Prinzipien, die
25
Rüdiger von Voss, Vorwort, in: Ernst-Otto Schüddekopf, Der deutsche Widerstand gegen den
Nationalsozialismus. Frankfurt am Main u.a. 1977, S.XII: „Eine wesentliche Bedeutung des 20. Juli
1944 liegt darin, daß eine Führungselite die Ordnung, die sie miterdacht, mitermöglicht und
mitverwirklicht hatte, in sich selbst überwunden und selbst den Versuch unternommen hat, dieses
System zu beseitigen.“
26 Ebd.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
11
Widerstehen
rechtfertigten
und
so
Widerstand
ermöglichten,
ohne
innere
Auseinandersetzungen und Zerreißproben, ohne das Gefühl, Freunde und Familienangehörige
zu gefährden, und ohne die Vereinsamung der „Gerechten“, die Zeugnisse ihres Glaubens,
ihrer Überzeugungen und ihres Wollens ablegten.
VI. Christen im Widerstand
Weil die NS-Führung ihre Herrschaft bis auf die Weltanschauung des Einzelnen und damit auf
sein Verständnis von sich und seinen Mitmenschen, ja von Gott, auszudehnen versuchte,
forderte sie den Widerstand vieler Gläubiger und ihrer Kirchen heraus. Sie wollten um ihres
Glaubens willen widerstehen und mussten dabei nicht nur Konflikte zwischen Gemeinde und
Partei, Staat und Kirche sowie Christen und Nationalsozialisten aushalten, sondern auch
innerhalb ihrer Kirchen Auseinandersetzungen überstehen.27 Die Kirche stand mit den Worten
Eberhard Bethges vielfach im Kampf zwischen Gemeindemitgliedern, die dem
Nationalsozialismus relativ positiv gegenüberstanden, und jenen, die die Autonomie ihres allein
durch die Heilige Schrift autorisierten Glaubens gegen Ansprüche des Staates und „Deutscher
Christen“ verteidigten. Bethge hat fünf Stufen des aus der Unbedingtheit des Glaubens
folgenden Widerstands definiert: Dem „einfachen passiven Widerstand“ folgte der „offene
ideologische Gegensatz, bei dem die Kirchen bzw. Männer wie Graf Galen, Niemöller und
Wurm ihre Aufgabe erfüllten“. Die „Mitwisserschaft“ an Umsturzvorbereitungen stellte eine
weitere, die dritte Stufe dar. Gesteigert wurde diese durch „aktive Vorbereitungen für das
Danach“, wie sie etwa das Denken und Handeln der Mitglieder des Kreisauer Kreises prägten.
Die fünfte Stufe des Widerstandes war die „aktive Konspiration“ – ohne Deckung durch
Institutionen war der Einzelne in Einsamkeit auf sich gestellt, um das zu tun, „was sich jedem
Regelfall entzog“.28
Die Ausgangslage des kirchlichen und christlich motivierten Widerstands wurde durch die
Traditionen des Obrigkeitsstaates, durch den Wunsch zur Verteidigung und Sicherung der
Institution Kirche und die aus der Weimarer Republik stammenden Konfliktlinien bestimmt. Sowohl
die evangelische als auch die katholische Kirche hatten nur schwer und keineswegs ein
entschieden positives Verhältnis zur Weimarer Republik gefunden. Politisch konservativ, in
außenpolitischer Hinsicht entschiedene Gegner des Versailler Vertrags, erlagen vor allem
Protestanten zunächst der Faszination außenpolitischer Erfolge Hitlers. Kirche und Republik,
Glauben und Demokratie bildeten so lange keine feste Verbindung, wie Toleranz und
Pluralismus als Voraussetzungen und Substrate der Nächstenliebe nicht akzeptiert waren.
Gerade innerhalb der evangelischen Kirche spannte deshalb ein vielfältig gebrochener
Richtungsstreit viele Kräfte an – bereits während der Weimarer Republik wurden so jene
Fronten sichtbar, die nach 1933 den Konflikt zwischen „Deutschen Christen“ und „Bekennender
Kirche“ bestimmten.29 Die „Deutschen Christen“ wollten Evangelium und nationalsozialistische
Ideologie miteinander verbinden und so die Kirche im Sinne der NS-Führung gleichschalten.
Diesen Bestrebungen widersetzten sich Geistliche und Gemeindemitglieder, die sich zur
alleinigen Autorität der Bibel – und zwar des Alten wie des Neuen Testaments – bekannten und
zugleich die Verfolgung von Juden aufgrund eines kirchlichen „Arierparagraphen“ ablehnten.
Sie schlössen sich zum „Pfarrernotbund“ und zur „Bekennenden Kirche“ zusammen. So begann
bereits im Mai der Kirchenkampf30 zwischen „Deutschen“ und „Bekennenden Christen“. Im
Zentrum stand dabei die Auseinandersetzung um das Gebot des Glaubens an Christus ohne
jeglichen politisch motivierten Abstrich oder in einem völkisch verfälschten Sinn. Heute ist
bekannt, wie schwierig der Kampf der Vertreter eines kompromisslosen Bekenntnisses und wie
27
28
29
30
Von grundsätzlicher Bedeutung ist in diesem Zusammenhang Heinz Hurten, Verfolgung, Widerstand
und Zeugnis. Kirche im Nationalsozialismus – Fragen eines Historikers. Mainz 1987.
Eberhard Bethge, Adam von Trott und der deutsche Widerstand, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 11
(1963), S. 221 f.
Vgl. Klaus Scholder, Die Kirchen und das Dritte Reich, Bd. 1: Vorgeschichte und Zeit der Illusionen 19181934. Frankfurt am Main u.a. 1977; ders., Die Kirchen und das Dritte Reich, Bd. 2: Das Jahr der
Ernüchterung 1934. Barmen und Rom, Berlin 1985.
Umfassend dazu das dreibändige Werk von Kurt Meier, Der evangelische Kirchenkampf. Gesamtdarstellung
in drei Bänden. Göttingen 1976 bis 1984.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
12
wirksam der Einfluss autoritärer Politikvorstellungen blieben. Vor allem die Gruppierung um
Dietrich Bonhoeffer,31 der nach Kriegsbeginn in der Abwehr Dienst tat und so bis zu seiner
Verhaftung im Kreis der Verschwörer um Hans Oster und des 20. Juli 1944 arbeitete, blieb
kompromisslos, während viele Mitglieder der „Bekennenden Kirche“ im Laufe der Jahre doch
den vermittelnden Positionen einer „Bekenntnisgemeinschaft“ erlagen.
Kompromittierend und in jedem Fall entscheidend war die Diskussion der „Judenfrage“: Für die
einen stellte sie die wesentliche Herausforderung dar, sich vor die „Judenchristen“ zu stellen,
für andere wurde die „Judenfrage“ vor allem als eine Frage der Juden an die Christen gedeutet,
ob der gemeinsame Gott von Christen und Juden nicht als ein entscheidender Hinweis auf die
gemeinsame Heilsgeschichte und die enge Verbindung zwischen Juden und Christen gedeutet
werden müsse. Die „Judenfrage“ wurde so zum zentralen Prüfstein der evangelischen
Opposition – wer sich in der Konsolidierungsphase des NS-Regimes für die Juden entschied,
musste bis zum Ende der NS-Herrschaft kompromisslos oppositionell bleiben. Dabei wurde das
Barmer Bekenntnis aus dem Jahre 1934 zur wichtigen Rechtfertigung christlicher
Selbstbehauptung im „totalen Staat“. Sehr früh stellte sich deshalb in den Gesprächskreisen
oppositioneller Christen die Frage, ob Kirche nicht mehr als die Verteidigung des Evangeliums
bewirken müsse. So bereitete sich kirchlicher Widerstand als Bemühung um die Verteidigung von
Recht und Menschlichkeit vor. Aus diesen Ansätzen entwickelte sich eine praktische Hilfe, die
stellvertretendes Handeln für Verfolgte und Unterdrückte sein wollte und sich nicht nur um
Glaubensfragen, sondern auch um praktische Nächstenliebe und mithin um jene bemühte, die
„unter die Räder des Staates“ geraten waren und die durch den Griff „in die Speichen“
(Bonhoeffer) verteidigt werden sollten. In dieser Hinsicht trafen sich Protestanten und
Katholiken, unter denen sich auch viele entschiedene Gegner des NS-Regimes finden ließen.
Denn nicht nur die Besinnung evangelischer Christen auf die Heilige Schrift, sondern auch die
Festigkeit des katholischen Bekenntnisses forderte die NS-Führung heraus.32 Sie hatten sich
bereits vor 1933 vielfach in der Auseinandersetzung mit der rassistischen und völkischen
Weltanschauung der NSDAP bewährt. Erleichtert wurde eine grundlegende Opposition durch die
katholische Naturrechtsvorstellung. Während sich Protestanten noch bemühten, die beiden
Reiche zu scheiden, verfügten die Katholiken bereits über Kriterien für die Bestimmung von
Zielen und Grenzen des Staates. Allerdings gab es im politischen Katholizismus auch
Strömungen, die keineswegs entschieden republikanisch oder demokratisch waren. Sie
unterstützten die Bemühungen hoher geistlicher Würdenträger, kirchliche Institutionen durch ein
Konkordat zwischen dem Vatikan und dem Reich zu festigen. Hitler nutzte diesen Wunsch der
Amtskirche, die Glaubensfreiheit und die Freiheit der religiösen Erziehung durch ein Konkordat
zu sichern. Durch das Reichskonkordat konnte er zunächst weite Teile des Katholizismus
lahmen und die Selbstauflösung des Zentrums und damit auch die Entmachtung des politischen
Katholizismus, nicht zuletzt jedoch die Lähmung des katholischen Verbandslebens vorbereiten.
Die kirchlichen Würdenträger hatten sich damit, wie sie später erkannten und zuweilen auch
zugaben, einer groben Täuschung hingegeben.
Ein Hauptproblem des frühen Widerstands von Katholiken wurde es deshalb, einerseits die
Kirche gegen Bedrohung ihrer Autonomie als Institution zu sichern und so den Gläubigen einen
festen Halt zu geben, andererseits aber mit ganz unterschiedlichen Mitteln gegen die aggressiv
antikirchliche Weltanschauung der NS-Führung, nicht zuletzt auch gegen die seit 1935
zunehmenden Priesterverfolgungen und gegen die Bedrohung des Gemeindelebens
einzuschreiten. Viele Geistliche setzten sich entschieden für die Ziele des Katholizismus und
Christentums ein, haderten mit einigen Bischöfen, denen sie ihr Entgegenkommen gegenüber
der NS-Führung vorwarfen, lehnten innerlich das Konkordat ab und versuchten, den
organisatorischen Zusammenhalt des katholischen Vereins- und Verbandslebens zu sichern.
Zunehmend schienen die Grenzen zwischen den Konfessionen unschärfer zu werden, vor allem
in der Jugendarbeit.
Die Zahl der deutschen katholischen Priester, die oftmals unmittelbar mit dem NS-Regime
konfrontiert wurden, betrug mehr als 10.000, mehrere Hundert wurden inhaftiert, etwa 100
31
32
Vgl. Eberhard Bethge, Dietrich Bonhoeffer. Eine Biographie. München 1978 u.ö.
Vgl. Geschichtsverein der Diozöse Rottenburg – Stuttgart (Hg.), Kirche im Nationalsozialismus.
Sigmaringen 1984.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
13
ermordet.33 Wie in der evangelischen Kirche, so ist auch im katholischen Lager Widerstand
nur als breites Verhaltensspektrum denkbar. Konrad Repgen hat die Bandbreite dieses
Spektrums als Steigerung von der Nonkonformität über den Protest – etwa in der
Auseinandersetzung nach der Beseitigung der Kruzifixe aus Schulen und Kindergärten – bis
zur Beteiligung am Umsturz beschrieben. Der „Loyalitätsentzug“, den Katholiken gegen das
NS-Regime als Drohung und Waffe gebrauchten und der von einer punktuellen über eine
partielle bis zu einer generellen Dimension gesteigert werden konnte, wird so als politische
Konsequenz eines glaubensbedingten Widerstands sichtbar.34 Zum Widerstand musste der
Loyalitätsentzug vor allem durch den Anspruch des „totalen Staates“ werden, alle
Lebensbereiche zu politisieren und den vor- oder unpolitischen Lebensraum in den
umfassenden nationalsozialistischen Gestaltungsanspruch einzubeziehen.
Seit 1935 verstärkte die NS-Führung den Kirchenkampf gegen den Katholizismus. Viele Priester
wurden nun wegen angeblicher Devisenvergehen oder „sittlicher Verfehlungen“ vor Gericht
gestellt.35 Dabei nutzte das Regime einen weitverbreiteten Antiklerikalismus aus, der in
Deutschland eine lange Tradition hatte. Als die NS-Führung immer unerbittlicher ihre
rassenpolitischen Vorstellungen verfolgte und schließlich sogar die Ermordung Geisteskranker
anordnete, fühlten sich hohe kirchliche Würdenträger, an ihrer Spitze der Bischof von Münster,
Clemens August Graf von Galen, herausgefordert. Sie griffen in Gottesdiensten, aber auch
durch Hirtenbriefe die Regierung Hitlers an und konnten sich dabei auf die päpstliche
Enzyklika „Mit brennender Sorge“ (1937), die von den Bischöfen Michael von Faulhaber
(München) und Konrad Graf von Preysing (Berlin) beeinflusst war, stützen. Ihr Protest wurde
auch von evangelischen Geistlichen wie dem Freiburger Bischof Theophil Wurm unterstützt,
der sich in einem offenen Brief gegen die Vernichtung des „menschlichen Lebens“ wandte.
Durch ihren entschlossenen Widerstand verstärkte sich die Unruhe in der Bevölkerung und
veranlasste Hitler, den Abbruch dieser Mordaktion anzuordnen. Sie wurde allerdings insgeheim,
wenngleich mit anderen Mitteln, fortgesetzt.
Hohe geistliche Würdenträger beteiligten sich zwar nicht an den Diskussionen über einen
Umsturz, hatten aber doch zuweilen Verbindungen zu den militärischen und zivilen
Widerstandsgruppen um Goerdeler und Beck. Vor allem der Kreisauer Kreis konnte mit dem
Jesuitenpater Alfred Delp eine wichtige Verbindung zum Katholizismus herstellen.36 Er arbeitete
mit den Jesuitenpatres Augustin Rösch und Lothar König im Ordensausschuss zusammen, der
sich gegen die Entrechtung und Enteignung von Ordensbesitz wandte und entscheidend die
Beratung oppositioneller Hirtenbriefe, vor allem zur Verteidigung der Menschenrechte,
beeinflussen konnte. Delp schließlich konnte die sozialpolitischen Vorstellungen des
Widerstands beeinflussen und zur Annäherung der Sozialdemokraten und Katholiken im
Kreisauer Kreis entscheidend beitragen.
VII. Widerstand von Einzelnen
Der christlich oder auch humanitär orientierte Widerstand wurde nicht nur von Institutionen oder
Kreisen, sondern immer wieder auch von Einzelnen getragen. Die Verletzung der
Menschenwürde und die Verfolgung des Andersdenkenden, vor allem aber auch die Bedrohung
des Mitmenschen aus rassischen Gründen aktivierten vielfach solidarisches Verhalten und
christliche Nächstenliebe. Immer wieder fanden sich Menschen, die bedrohten Juden beistanden,
Verfolgten Unterschlupf gewährten oder ihnen bei der Flucht halfen. Manche dieser Helfer
waren in Gruppen eingebunden, andere halfen als Einzelgänger. Sie gehören bis heute zu den
bekanntesten Regimegegnern, so der Berliner Domprobst Bernhard Lichtenberg, der bereits in
der Mitte der dreißiger Jahre gegen die Ermordung von KZ-Häftlingen protestiert und seit dem
33
34
35
36
Vgl. Ulrich von Hehl, Priester unter Hitlers Terror. Eine biographische und statistische Erhebung. Mainz 1984,
Einleitung.
Vgl. Konrad Repgen, Katholizismus und Nationalsozialismus: Zeitgeschichtliche Interpretationen und
Probleme. Köln 1983, S. 10f.
Vgl. Hans Günther Hockerts, Die Sittlichkeitsprozesse gegen katholische Ordensangehörige und Priester
1936/37. Eine Studie zur nationalsozialistischen Herrschaftstechnik und zum Kirchenkampf. Mainz 1971.
Vgl. Roman Bleistein (Hg.), Dossier: Kreisauer Kreis. Dokumente aus dem Widerstand gegen den
Nationalsozialismus. Frankfurt am Main 1987.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
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antisemitischen November-Pogrom wiederholt für das Leben von Juden gebetet hatte. Er wurde
aufgrund einer Denunziation verhaftet, starb auf dem Weg in das Konzentrationslager Dachau,
gab so ein besonders beeindruckendes Beispiel individueller Verweigerung und zeigte die
Grenzen der ideologischen Gleichschaltung auf. In München gelang dem Einzelgänger Georg
Elser, einem Schreiner, am 9. November 1939 fast ein Bombenanschlag auf Hitler.
Hier wurden die Grundlinien einer „Volksopposition“ sichtbar, die sich bis zur Fluchthilfe,
Gefangenenfürsorge und die Betreuung von Angehörigen oder Hinterbliebenen der
Regimegegner steigern konnte. Im Urteil vieler Regimegegner, die wegen ihrer
herrschaftsfernen Positionen niemals unmittelbar einen Umsturzversuch hätten unterstützen
können, verkörperte das NS-Regime die Herrschaft des Bösen, des „Antichristen“ – eine
derartige Vorstellung bedurfte aber des Glaubens an Gott und Christus und führte zu einer
christlichen Fundierung des Widerstandswillens.37 So erwuchs aus dem Gefühl der Verfolgung
und Bedrohung die Kraft, aber auch der Wille zum Martyrium. Es kam nicht mehr allein auf die
Wirksamkeit des Widerstandes an, sondern auf seine symbolische Dimension. In diesem Sinne
konnte der Widerstandskämpfer Henning von Tresckow schließlich die auflehnende Tat um ihrer
selbst willen fordern. Martyrium bedeutete aber nicht nur die Kraft zum Ablegen eines
Zeugnisses, sondern auch zum Leben in Vereinzelung und Einsamkeit, wie sie uns aus den
Moabiter Sonetten von Albrecht Haushofer, dem Tagebuch von Jochen Klepper, den
Gefängnisschriften von Bonhoeffer und Delp oder den letzten Briefen der zum Tode verurteilten
Regimegegner entgegentritt.
VIII. Widerstand aus der Tradition des Bürgertums
Gemeinhin wird auch der sogenannte „bürgerliche Widerstand“ als soziologisch abgrenzbarer
Bereich des Gesamtwiderstands begriffen.38 Dies ist problematisch, weil es sich beim
„bürgerlichen Widerstand“ niemals allein um die Manifestation der Widerständigkeit einer scharf
abgrenzbaren sozialen Gruppe gehandelt hat, sondern um die Demonstration eines Prinzips,
welches aus der Tradition eines politisch-bürgerlichen Denkens resultierte. Dieser Widerstand
zeigte sich äußerlich in den neu auflebenden Organisationsformen des bürgerlichen Zeitalters:
in Vereinen, Zirkeln und Kreisen, gruppendynamisch im Versuch, durch Diskussionen Klarheit
zu schaffen, inhaltlich dann in einer Radikalität des Denkens, das Kritiker des angeblich
„bürgerlichen Widerstands“ bis heute vielfach nicht akzeptieren können und wollen. Dolf
Sternberger hat früh betont, dass der Begriff „bürgerlich“ auch eine philosophische Dimension
hat, welche die Freiheit der Erkenntnis in „Unbestechlichkeit“ voraussetzt. Einige „bürgerliche“
Kritiker des Regimes verharrten in der Distanz einer „inneren Emigration“, andere festigten die
Voraussetzungen ihrer Nonkonformität, indem sie sich um die Begründung autonomer
Maßstäbe und antinationalsozialistischer Gegenentwürfe bemühten. Ein kleiner Kreis von
Regimegegnern ließ es auch damit nicht genug sein, sondern berief sich auf „Pflicht“ und
„Gesetz“ als verpflichtende Normen, die – in den Worten Sternbergers – einen „Eifer“ für das
„höhere Ganze“ begründeten. So konnte ein derartiges „bürgerliches Denken“ sich prinzipiell
zuspitzen und schließlich sogar rücksichtslos gegen sich selbst, ja gegen die eigenen
Angehörigen werden. Um seinen Grundsätzen treu zu bleiben, verbündete sich dieses Denken
und Handeln „mit der Idee des Ganzen, mit der Idee des Staates, um gegen die Mächtigen und
Glänzenden, gegen die Autoritäten eine stärkere Stellung zu haben“.39
Dieser Rigorismus drückte sich in Zirkeln und Kreisen aus, die sich im Hause der Solfs, in der
Mittwochsgesellschaft, in Freiburg um Adolf Lampe und Gerhard Ritter, in Restsprengeln
bündischer Jugendlicher, in München um Sperr, in vielen Städten, aber auch im Zirkel um Arvid
Harnack und schließlich in wohl idealtypischer Weise im Freundeskreis um die Grafen Moltke
und Yorck von Wartenburg, dem Kreisauer Kreis, trafen. Hier wurde politischer Rigorismus
ebenso deutlich wie das Bewusstsein einer Funktionselite hoher Beamter, Hochschullehrer,
auch Militärs – darunter viele „Ziviloffiziere“ –, in ihren Tätigkeitsbereichen eine höhere
37
Vgl. Gotthard Fuchs (Hg.), Glaube als Widerstandskraft. Frankfurt am Main 1986.
Dagegen wandte sich schon sehr früh Hans Rothfels, Die deutsche Opposition gegen Hitler (1948),
deutlich etwa in der ersten Neuausgabe seiner Studie. Frankfurt am Main 1969.
39 Dolf Sternberger, Aspekte des bürgerlichen Charakters, in: ders., „Ich wünschte, ein Bürger zu sein“:
Neun Versuche über den Staat. Frankfurt am Main 1967, S. 24f.
38
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
15
Verantwortung als nur den sklavischen Gehorsam gegenüber dem Regime übernehmen zu
müssen. Mochten zunächst nur Unbehagen und Unzufriedenheit über die Politik des NSStaates oder das Verhalten seiner Repräsentanten empfunden worden sein, so forderte bald
manche die Einsicht in den verbrecherischen Charakter der NS-Politik und des Krieges heraus.
Kritische Distanz steigerte sich so zum Wunsch, die politische Entwicklung zu beeinflussen und so
die Realitäten zu verändern. Nicht alle Gruppen und Zirkel des Widerstands strebten dabei den
gewaltsamen Umsturz an. Am Beginn ihrer Bemühungen stand oftmals die Absicht, den
Charakter des Regimes durch eine Beeinflussung der Willensbildung und gesamtstaatlichen
Zielbestimmung zu verändern.40 Dies erklärt die Vielzahl von Eingaben und Denkschriften, den
ausgedehnten Briefwechsel und die kaum überschaubaren Reiseaktivitäten und Kontakte der
Regimegegner. Viele Verbindungen waren das Ergebnis von beruflichen, kameradschaftlichen,
persönlichen und nicht zuletzt von verwandtschaftlichen Beziehungen.
Dies unterschied den Kern der „bürgerlichen“ Opposition von den Widerstands- und
Selbstbehauptungsanstrengungen der politischen und kirchlichen Gegner der Nationalsozialisten
und weckte später, nicht zuletzt auch unter dem Eindruck der nationalsozialistischen Deutung
des Widerstands im Umkreis des 20. Juli 1944, den Eindruck, eine „kleine Clique“ ehrgeiziger
Adeliger und zum Putsch entschlossener Offiziere habe sich, gleichsam in letzter Stunde
unmittelbar vor dem Ende des Krieges, zum Komplott zusammen gefunden. Diese Deutung war
falsch, denn die ersten Attentats- und Umsturzpläne wurden bereits vor dem Beginn des Zweiten
Weltkriegs entwickelt und zeugen so von prinzipieller, nicht aber bloß situativer Gegnerschaft.
Gerade unter den Lebensverhältnissen des „totalen Staates“ kamen zwischenmenschlichem
Vertrauen, Kameradschaft und Freundschaft eine große Bedeutung zu, denn sie waren die
Voraussetzung jener Zuverlässigkeit, ohne die Widerstand nicht möglich war. So entsteht
zuweilen sogar der Eindruck, dass freundschaftliche Verbindungen durch neu geknüpfte oder
auf andere Weise zusätzlich intensivierte verwandtschaftliche Beziehungen noch enger werden
sollten. Gerade diese Verbindungen, die auf vielfältige Weise gefestigt worden waren und sich
bewährten, hielten vielfach auch nach dem 20. Juli 1944. Ohne sie war Widerstand kaum
vorstellbar. Um so tragischer war für viele Widerstandskämpfer die Verfolgung und Entrechtung
ihrer Angehörigen, selbst von kleinen Kindern, aufgrund der willkürlichen „Sippenhaftung“. Die
Ehefrauen der meisten Attentäter wurden nach dem 20. Juli 1944 inhaftiert oder in ein
Konzentrationslager eingewiesen. Die jüngeren Kinder kamen in der Regel in ein Kinderheim,
das die SS kontrollierte. Offensichtlich sollten alle Familienbindungen zerstört und den Kindern
eine neue Identität aufgezwungen werden.41
IX. Widerstand im Krieg
Der Beginn des Zweiten Weltkriegs schuf neue Rahmenbedingungen für den Widerstand gegen
Hitler. Die NS-Herrschaft wurde während des Krieges immer drückender, und als sich der Terror
an der „Heimatfront“ seit 1942/43 nach den militärischen Niederlagen bei Stalingrad und in
Nordafrika zunehmend verschärfte, verschlechterte sich gleichzeitig die Aussicht auf einen
erfolgreichen Umsturz. Die Motivationen und Praktiken des Widerstands wurden noch einmal
vielfältiger: Während der eine oder andere im Alltag versuchte, politisch und rassisch Verfolgten
zu helfen, verstärkten einzelne Offiziere und „Zivilisten“ ihre verzweifelten und
lebensgefährlichen Anstrengungen, die Herrschaft der Nationalsozialisten gewaltsam zu
beseitigen.42 Auch der Widerstand aus der Arbeiterbewegung lebte nach Kriegsbeginn und
besonders nach dem Angriff auf die Sowjetunion neu auf. Vor allem der Abschluss des HitlerStalin-Paktes im August 1939 hatte die Kommunisten gelähmt, aber auch ihre Unabhängigkeit
von der Sowjetunion gestärkt. Da sie nun nicht mehr von außen gesteuert wurden, entwickelten
sie jetzt vielfach erste Ansätze eines eigenständigen „nationalen Kommunismus“. Die radikale
Ablehnung des NS-Regimes und die spürbare Distanz gegenüber Stalin führten 1944 schließlich
40
Vgl. dazu Klaus-Jürgen Müller, Die national-konservative Opposition vor dem Zweiten Weltkrieg: Zum
Problem ihrer begrifflichen Erfassung, in: Manfred Messerschmidt u.a. (Hg.), Militärgeschichte.
Probleme – Thesen – Wege. Stuttgart 1982, S. 215ff.
41 Vgl. jetzt Dorothee von Meding, Mit dem Mut des Herzens. Die Frauen des 20. Juli. Berlin 1991.
42 Vgl. Peter Hoffmann, Widerstand, Staatsstreich, Attentat. Der Kampf der Opposition gegen Hitler.
München 1969 u.ö.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
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sogar zu Kontakten zwischen Kommunisten und den Gruppen um Leber und Stauffenberg.
Besonders erfolgreich war die in Berlin wirkende Widerstandsgruppe um Arvid Harnack und
Harro Schulze-Boysen, die „Rote Kapelle“.43 Sie bestand aus weit über 100 Mitgliedern, die
Flugblätter vervielfältigten und verteilten, Verfolgten halfen, aber auch für die Sowjetunion
spionierten. Es lag deshalb in den fünfziger Jahren nahe, die Mitglieder dieser Gruppe als
„Landesverräter“ zu bezeichnen und ihren Widerstand aus „moralischen Gründen“
herabzusetzen, weil sie angeblich nur eine Diktatur durch eine andere hatten ersetzen wollen.
Dagegen wandte sich schon früh Hans Rothfels, als er zu bedenken gab: „Mochten ihre Ziele
und Mittel von denen der übrigen Gruppen abweichen, Gesinnung und Haltung taten es nicht.“44
Während des Krieges verstärkte sich auch der Widerstand von Jugendlichen und Studenten,
wenngleich unbestreitbar ist, dass sich nur wenige der Jüngeren entschieden dem Zwang und
der Gleichschaltung widersetzten, indem sie sich der Staatsjugendbewegung der Hitler-Jugend
entzogen. In manchen Orten bildeten sich Jugendgruppen, die sich als „Banden“, „Horden“ oder
„Blasen“ bezeichneten und an Abzeichen oder Kleidungsmerkmalen erkennbar waren. Sie
suchten, wie Gruppen von „Edelweißpiraten“, bewußt die Auseinandersetzung mit der HitlerJugend, begingen aber auch Eigentumsdelikte oder verübten sogar Überfälle auf
Parteimitglieder und Polizisten, die bis heute umstritten sind.45 Eine zunächst unpolitische Freude
an Jazzmusik verband die Mitglieder der Swing-Jugend, die wegen ihrer angeblichen Vorliebe
für „Negermusik“ von Himmler der Verfolgung und Straferziehung preisgegeben wurden. Diese
Beispiele zeigen, dass Widerstehen im Alltag nicht notwendigerweise aus einer prinzipiellen
Ablehnung des gesamten NS-Systems resultieren musste, sondern sich auch als Reaktion auf
Einschränkungen persönlicher Freiheit entwickeln konnte.
Demgegenüber leistete eine Gruppe junger Münchener Studenten seit 1941 einen vor allem
ethisch-moralisch motivierten Widerstand. Mitglieder der „Weißen Rose“, die zum
Freundeskreis der Geschwister Sophie und Hans Scholl gehörten, riefen nicht zuletzt unter
dem Eindruck von Massenerschießungen, von denen sie als Angehörige von
Studentenkompanien erfahren hatten, zum Widerstand auf. Sie hatten Kontakt zu
südwestdeutschen und Hamburger Studenten- und Schülergruppen und verbreiteten so ihre
Flugblätter. Nach der Niederlage der deutschen Wehrmacht bei Stalingrad erwarteten sie
offensichtlich einen Stimmungsumschwung in der deutschen Bevölkerung und verteilten vielleicht
deshalb ihr letztes Flugblatt nahezu ohne jegliche Vorsicht im Lichthof der Münchener
Universität. Vier Tage nach ihrer Verhaftung wurden die Geschwister Scholl zum Tode
verurteilt und hingerichtet; viele Freunde, unter ihnen Professor Kurt Huber, folgten ihnen
nach.46 Die Nachricht von ihrem Tun erregte auch im Ausland rasch Aufsehen. Nun wurde
zunehmend anerkannt, dass sich im Inneren Deutschlands eine Opposition gebildet hatte, die
das „andere Deutschland“ (Ulrich von Hassell) verkörperte. Allerdings wollten die Alliierten nicht
mit dem Widerstand zusammenarbeiten, sondern forderten die bedingungslose Kapitulation.
Immer wieder versuchten die Berliner Widerstandsgruppen um Goerdeler, Moltke und Beck,
Verbindung zu den westalliierten Regierungen zu bekommen. Dabei konnten sie sich auf
Gesinnungsfreunde in der Abwehr, aber auch im Auswärtigen Amt – Adam von Trott zu Solz
und Hans-Bernd von Haeften – stützen. Die unterschiedlichen Traditionen und Ziele dieser
Gruppen wurden im Gedanken des Rechtsstaates und in dem Gefühl gebündelt, den Bestand
des durch den Krieg gefährdeten Nationalstaates zu sichern.47
43
Vgl. Peter Steinbach, Die Widerstandsorganisation Harnack/Schulze-Boysen, in: Geschichte in
Wissenschaft und Unterricht, 42 (1991), S. 133ff.
44 Vgl. Hans Rothfels (Anm. 38), S. 23.
45 Vgl. Bernd A. Rusinek, Gesellschaft in der Katastrophe. Terror, Illegalität, Widerstand. Köln 1944/45.
Essen 1989.
46 Vgl. Franz Josef Müller u.a., Die Weiße Rose. Der Widerstand von Studenten gegen Hitler. München
1942/43, München 1991.
47 Vgl. Jürgen Schmädeke/Peter Steinbach (Hg.), Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Die deutsche
Gesellschaft und der Widerstand gegen Hitler. München 1986.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
17
X. Militärischer Widerstand
Nach der Ausschaltung der SA und der Vereidigung der Soldaten auf die Person Hitlers war die
Reichswehr seit 1934 weitgehend zum loyalen Partner der NS-Führung geworden. Die
erfolgreiche Revision des Versailler Vertrages, die Aufrüstung und auch die öffentliche
Aufwertung alles Militärischen machten hohe Offiziere vielfach zu Anhängern Hitlers. Nicht alle
ließen sich jedoch beeindrucken, sondern erkannten seit 1937 mit wachsender Besorgnis, dass
die deutsche Regierung zielstrebig einen neuen Krieg vorbereitete. 1938 löste Hitler ihm
gegenüber zurückhaltende und unbequeme hohe Militärs ab und ersetzte sie durch ihm
ergebene oder korrumpierbare Offiziere. Dennoch konnte er nicht alle warnenden Stimmen
innerhalb des Offizierskorps zum Schweigen bringen. So weigerte sich der Chef des
Generalstabs Ludwig Beck, den Einfall deutscher Truppen in die Tschechoslowakei
vorzubereiten. Am 16. Juli 1938 schrieb er, damit stünden „letzte Entscheidungen über den
Bestand der Nation auf dem Spiel“, die die Verantwortlichen „mit einer Blutschuld belasten“
müssten, „wenn sie nicht nach ihrem staatspolitischen Wissen und Gewissen handeln“. Beck
schloss seinen Appell mit den Worten, ihr „soldatischer Gehorsam (habe) dort eine Grenze, wo
ihr Gewissen und ihre Verantwortung die Ausführung eines Befehls verbieten“. Durch einen
geschlossenen Rücktritt der Wehrmachtsführung sollte der Krieg und so die nationale
Katastrophe verhindert werden. Beck fühlte sich nicht mehr an seinen Eid gebunden, sondern
bekannte sich zu einer „höchsten Verantwortung“, die weit über den „begrenzten Rahmen“
seiner „militärischen Aufträge“ hinausging – zu seiner „Verantwortung vor dem gesamten Volk“.48
Nach seiner Demission, die Beck jedoch nicht als öffentlichen Protest gestaltete, wurde er bald
zum Mittelpunkt einer Widerstandsgruppe von Offizieren, die engen Kontakt zu zivilen
Widerstandskreisen hielten und durch ihre Bestrebungen keine Militärregierung, sondern eine
neue zivile Regierung etablieren wollten.49 Viele der Sympathisanten, die in ihren Umkreis
gelangten, reagierten ablehnend auf die Kriegspläne oder, nach 1939, auf die Prinzipien
deutscher Besatzungsherrschaft. Die Zusammensetzung der Militäropposition schwankte –
manche wurden versetzt, resignierten, ließen sich korrumpieren oder gaben vor, sich durch Eid
und Befehlsgehorsam gebunden oder gelähmt zu fühlen. So blieb letztlich nur ein sehr kleiner
Kreis zusammen, der die tiefe Unzufriedenheit mit der nationalsozialistischen Politik und
soldatische Kritik mit der Verantwortung des militärischen Führers für den Bestand der Nation
bündelte und den prinzipiell motivierten Anschlag auf die verbrecherische Führung befürwortete.
Ein besonderer Glücksfall war, dass entschiedene Regimegegner wichtige Schaltstellen in der
Abwehr oder im Ersatzheer erlangen konnten. Sie hatten einen realistischen Einblick in die
Kriegslage und kamen aufgrund einer schonungslosen Analyse zu dem Entschluss, Hitler
ermorden zu müssen, um die Truppe „eidfrei“ zu machen.
Die Handlungsmöglichkeiten der Militäropposition waren ebenso vielfältig wie diejenigen der
anderen zivilen Widerstandsgruppen, die den Kirchen nahe standen oder sich auf die Prinzipien
des „bürgerlichen Denkens“ bezogen. Unterscheidbar sind Versuche, staatliche
Zielvorstellungen zu beeinflussen oder Wege zur Realisierung der Politik zu korrigieren, ferner
Bestrebungen, innerhalb der konservativer gesonnenen Eliten, die dem Regime gegenüber
kritische Distanz bewahrten, Unterstützung zu finden, auch die Regierungen anderer Mächte
vor deutschen Plänen zu warnen und so politische Gegenreaktionen zu bewirken, die der
deutschen Seite das volle Kriegsrisiko bewusst machen sollten. Deshalb finden wir neben der
„Denkschriftenopposition“
von
Beck
die
„Reiseopposition“
von
Goerdeler,50
die
„Besprechungsopposition“ von Eugen Gerstenmaier und die „Informationsopposition“ des
Staatssekretärs im Auswärtigen Amt Ernst von Weizsäcker. Allmählich reifte aber innerhalb von
48
49
50
Vgl. Klaus-Jürgen Müller, General Ludwig Beck. Studien und Dokumente zur politischmilitärischen
Vorstellungswelt und Tätigkeit des Generalstabschefs des deutschen Heeres 1933-1938. Boppard
1980, vor allem S. 537ff.
Vgl. Peter Steinbach, Der militärische Widerstand und seine Beziehungen zu den zivilen
Gruppierungen des Widerstandes, in: Militärgeschichtliches Forschungsamt (Hg.), Aufstand des
Gewissens. Militärischer Widerstand gegen Hitler und das NS-Regime 1933-1945. Bonn-Herford 1987,
S. 219ff.
Über ihn immer noch grundlegend Gerhard Ritter, Carl Goerdeler und die deutsche
Widerstandsbewegung. Stuttgart 1954.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
18
Gruppen jüngerer Offiziere51 der Entschluss, Hitler zu verhaften oder – und sei es „wie einen
tollen Hund“ – zu töten. Erste Versuche dieser Art lassen sich bereits im Jahr vor dem Beginn
des Zweiten Weltkrieges feststellen. Nach Kriegsbeginn und vollends seit dem Überfall auf die
Sowjetunion planten die Verschwörer immer wieder Anschläge, doch verhinderten die
Unentschiedenheit mancher der Beteiligten, überraschende Versetzungen oder die Ungunst der
Stunde bis zum Sommer 1944 die Verwirklichung dieser Pläne. Goerdeler war oftmals
verzweifelt: „Der eine will handeln, wenn er Befehl erhält, der andere befehlen, wenn gehandelt
wird.“
Seit 1941/42 erhielten die Verschwörer mit Henning von Tresckow und Claus Schenk Graf von
Stauffenberg nicht nur entscheidenden Zuwachs, sondern auch Offiziere, die Zugang zur
nächsten Umgebung Hitlers hatten. Henning von Tresckow hatte nationalsozialistische
Zielvorstellungen zunächst unterstützt, weil er die „Zerstörung aller Klassenschranken“ und den
Aufbau einer neuen „Volksgemeinschaft“ erwartete.52 Die Verfolgung Andersdenkender, der
Kirchenkampf und vor allem die Judenverfolgung öffneten ihm jedoch rasch die Augen, so dass
er feststellte, „Recht und Unrecht haben die Plätze gewechselt“. Seit 1938 trat er wie Beck gegen
die nationalsozialistische „Wildwestpolitik“ ein und ließ sich auch durch Hitlers politische und
militärische Erfolge nicht mehr beirren. Sein Ziel, den „Tyrannen“ Hitler auszuschalten, verlor er
auch als Stabschef der in der Sowjetunion kämpfenden „Armeegruppe Mitte“ niemals aus den
Augen.
Nachdem Tresckow 1943 von Berlin aus an die deutsche Ostfront versetzt worden war,
übernahm der sechs Jahre jüngere und durch schwere Kriegsverletzungen behinderte
Stauffenberg53 die Führung des militärischen Widerstands. Der 1907 in Schwaben Geborene
entstammte einer katholischen Adelsfamilie und zeichnete sich schon früh durch ein vor allem
sozialethisch begründetes Verantwortungsbewusstsein aus. Der Weimarer Republik stand er
zwar nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber, konnte ihr aber auch keine entscheidenden
positiven Seiten abgewinnen. Hitlers Machtergreifung hatte er zunächst wie andere seiner
Kameraden begrüßt. Erst im Verlauf des Krieges wurde ihm vollends der verbrecherische
Charakter nationalsozialistischer Politik bewusst. Nur allmählich und langsamer als viele seiner
späteren Mitverschwörer konnte er sich von den faszinierenden Wirkungen
nationalsozialistischer Erfolge befreien. Stauffenberg zählte zu den begabtesten deutschen
Offizieren und galt bei einigen Vorgesetzten als der „einzig geniale“ Generalstabsoffizier, den
seine Kameraden sogar als den „neuen Schlieffen“ bezeichneten. Bis 1943 nahm Stauffenberg
an vielen militärischen Operationen der deutschen Wehrmacht teil, wurde 1943
schwerverwundet aus Nordafrika ausgeflogen und im Oktober 1943 als Stabschef in das
Allgemeine Heeresamt versetzt, wo er zunächst unter General Friedrich Olbricht arbeitete.
Olbricht war seit 1938 eine treibende Kraft der militärischen Opposition und hatte enge
Verbindungen zu anderen oppositionellen Militärs in Berlin. Auf ihn gingen die Pläne zur
Widerstandsoperation „Walküre“ zur Übernahme und ersten Sicherung der Regierungsgewalt
durch die „Militäropposition“ zurück, die nach dem Anschlag auf Hitler realisiert werden sollten
und in die Stauffenberg bald eingeweiht wurde. Schon nach kurzer Zeit akzeptierte Olbricht
seinen jüngeren Untergebenen als führenden Kopf und neue treibende Kraft der auch
angesichts der mit Sicherheit erwarteten militärischen Niederlage auf die Tat drängenden
Militäropposition.
Anfang Juli 1944 wurde Stauffenberg zum Stabschef beim Befehlshaber des Ersatzheeres
General Friedrich Fromm ernannt. Durch diese Funktion erlangte er unmittelbaren Zugang zu
Hitler, ohne dadurch – wie Tresckow – den unmittelbaren Kontakt zu seinen Mitverschwörern im
Allgemeinen Heeresamt zu verlieren, das sich auf einer Etage mit den Räumen des
Befehlshabers des Ersatzheeres in der Berliner Bendlerstraße befand. Als sich wiederholt
Attentatspläne zerschlugen und die Gestapo enge Vertrauensleute der Militäropposition wie
Julius Leber verhaftete, entschloss sich Stauffenberg, so rasch wie möglich zu handeln. Am 20.
Juli 1944 gelang es ihm, während einer Besprechung Hitlers im ostpreußischen
Vgl. Detlef Graf von Schwerin, Die Jungen des 20. Juli 1944. Berlin 1991; ders., „Dann sind's die besten Köpfe,
die man henkt“. Die junge Generation im deutschen Widerstand. München 1991.
52 Vgl. Bodo Scheurig, Henning von Tresckow. Eine Biographie. Frankfurt am Main u.a. 1980.
53 Vgl. Christian Müller, Oberst i.G. Stauffenberg. Eine Biographie. Düsseldorf 1971.
51
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
19
„Führerhauptquartier Wolfsschanze“ bei Rastenburg eine Bombe zu zünden. Da Stauffenberg in
Berlin dringend benötigt wurde, um die Operation „Walküre“ zu unterstützen, musste er
Wolfsschanze eigentlich noch vor der Explosion verlassen. Dies bedeutete ein hohes
persönliches Risiko, aber auch eine Belastung des Umsturzplans. Später konnte man immer
wieder hören, der Anschlag sei diletantisch ausgeführt worden. Dieses Urteil ist unzutreffend.
Nicht persönliches Versagen, sondern eine Verkettung von Zufällen, die Hitler als Vorsehung
deutete, verhinderte den Erfolg. Stauffenberg konnte den hochgradig gesicherten Sperrbezirk
unmittelbar nach der Explosion überwinden und so nach Berlin entkommen, wo er den
Nachrichten vom Überleben Hitlers zunächst keinen Glauben schenkte. Daher versuchte er
weiterhin geradezu verzweifelt, hohe Offiziere in den Wehrkreiskommandos auf die Seite der
Attentäter zu ziehen. In Berlin gelang es überdies auch nicht, die wichtigen Ziele der Operation
„Walküre“ zu erreichen. Bald war der Bendlerblock von SS-Einheiten umstellt. Als Hitler
schließlich am Abend im Rundfunk sprach und damit zweifelsfrei feststand, dass er den
Anschlag überlebt hatte, brach der Umsturzversuch in sich zusammen. Noch in der Nacht
wurde Stauffenberg auf Befehl von Fromm mit seinen unmittelbaren Mitverschwörern Olbricht,
Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim und Werner von Haeften ermordet; Beck, der zum
Selbstmord gezwungen worden war, erhielt, nachdem der Suizidversuch gescheitert war, von
einem Feldwebel den Todesschuss.
Unmittelbar nach dem Anschlag setzte eine breite Verfolgung der Verschwörer durch
Sicherheitsdienst und Gestapo ein,54 die sich schließlich mit der „Aktion Gewitter“ zu einer
offenbar längst vorbereiteten Aktion ausweitete, durch die die Nationalsozialisten ihre gesamte
potentielle Gegenelite ausschalten wollten. Mehrere tausend Personen wurden in den folgenden
Wochen verhaftet. Die Attentäter und ihr engerer Kreis von Helfern wurden bis auf ganz wenige
Ausnahmen vom Volksgerichtshof unter Roland Freisler zum Tode verurteilt und – teilweise bis in
die letzten Kriegswochen hinein – ermordet. Die konspirierenden Offiziere hatten sich stets
bewusst als „Schwert des Widerstandes“ begriffen, das heißt sie wollten vor allem dem
Gesamtwiderstand neue Spielräume und damit politische Handlungsmöglichkeiten schaffen.
Dies fiel ihnen um so leichter, als sie viele weltanschauliche, politische und religiöse
Gemeinsamkeiten mit den „bürgerlichen“ Widerstandskreisen hatten. Unterschieden sie sich
auch in Einzelfragen einer politischen Neuordnung, der außenpolitischen Prioritäten und der
Übergangslösung, so überwog doch der gemeinsame Wunsch, die NS-Herrschaft zu beenden.
Die drohende militärische Niederlage, die politische Isolation des Deutschen Reiches, der
Wunsch, den deutschen Nationalstaat zu retten, nicht zuletzt aber auch der Wille, die
nationalsozialistischen Gewaltverbrechen zu beenden, waren für viele Widerstandskämpfer ein
wichtiger Anstoß für ihre Haltung.
Im NS-Regime erblickten sie den Ausdruck einer Unrechtsherrschaft, die Prinzipien des
Christentums ebenso wie jene des Humanismus, der Solidarität und der Aufklärung verraten
hatte. Dieser gemeinsame Bezugspunkt ihrer Kritik und Auflehnung einte sie, mochten sie auch
weiterhin ihr Verhalten aus ganz unterschiedlichen Denkvoraussetzungen motivieren und in
ihren zeit- und gruppenspezifischen Vorstellungen befangen sein. In der Gemeinsamkeit gab es
so immer eine Vielfalt, die sich nicht homogenisieren oder synchronisieren ließ. Diese Vielfalt
war Ausdruck eines politischen Selbstverständnisses, das nicht auf eine Einebnung des
Pluralismus innerhalb des Widerstands abzielte, sondern die Vielfältigkeit von Motivationen und
Absichten in einen neuen Konsens bündeln zu können glaubte. In diesem Anspruch verkörperte
sich ein grundlegender Neuansatz politischen Denkens und konkreter Zukunftsgestaltung, der in
den zehn Jahren nach dem Ende des NS-Regimes die Konflikte der Weimarer Zeit endgültig
überwand und einen neuen Weg politischer Kooperation aus dem Geist eines Kompromisses
suchte, der die Grundentscheidungen über die Gestaltung politischer Ordnung nicht einer
beliebigen Mehrheit auslieferte, sondern unaufhebbaren Verfassungsprinzipien unterstellte.
54
Vgl. Hans-Adolf Jacobsen (Hg.), „Spiegelbild einer Verschwörung“. Die Opposition gegen Hitler und der
Staatsstreich vom 20. Juli 1944 in der SD-Berichterstattung, 2 Bde. Stuttgart 1984.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
20
Was heißt Widerstand?
Von Ansgar Kemmann, Projektleiter Bundeswettbewerb Jugend debattiert
„Widerstand“ ist ein Wort mit vielen Bedeutungen. Nicht alle davon sind politisch relevant. Aber
selbst auf diesem Gebiet, und speziell im Hinblick auf den Nationalsozialismus bleibt der
Ausdruck schillernd. Um so wichtiger ist hier, genau zu klären, wovon man spricht. Die
folgenden Überlegungen sollen Sie und Ihre Schüler darin unterstützen.
1. Widerstand gegen den Nationalsozialismus ...
... ist im weitesten Sinne jede Form von Opposition gegenüber dem Nationalsozialismus.
Eine so allgemeine Bestimmung ist immer wieder anzutreffen, wenn es darum geht, eine
breite politische Identifikationsbasis zu schaffen, etwa im Sinne einer Übereinstimmung
aller billig und gerecht Denkenden. Sie bleibt aber zu vage, wenn man verstehen will, in
welcher Weise sich dieser Widerstand vollzog und welche erheblichen Unterschiede es
dabei gegeben hat.
... ist im engsten Sinne Entschlossenheit zum „Tyrannenmord“.
Eine derart zugespitzte Auffassung ist geeignet, diejenige Opposition herauszuheben,
die zum Äußersten entschlossen war, unter Einsatz von Leib und Leben. Sie verleitet
aber zur Überhöhung und verhindert damit ebenfalls ein tieferes Verständnis.
Beide Deutungen führen leicht in einen abstrakten Moralismus, der von den konkreten
Umständen politischen Handelns völlig absieht und sich in wohlfeilem Appell oder extremer
Forderung erschöpft. Beides bleibt letztlich unverbindlich.
Sinnvoller erscheint deshalb, die reale Situation zum Ausgangspunkt zu nehmen, aus der
heraus die Opposition gegen den Nationalsozialismus entstand, und zu bedenken, welcher
Handlungsspielraum dem Einzelnen tatsächlich zur Verfügung stand.
2. Resistenz
Soll politisch und historisch vor allem zählen, was in solchem Spielraum „getan und bewirkt, und
weniger das, was nur gewollt oder beabsichtigt war“,1 bietet es sich an, den Begriff des
Widerstands durch den Begriff der Resistenz zu ergänzen. Nach der Definition des Historikers
Martin Broszat ist Resistenz die „wirksame Abwehr, Begrenzung, Eindämmung der NSHerrschaft oder ihres Anspruches, gleichgültig von welchen Motiven, Kräften und Interessen
und Kräften dies bedingt war.“2
1 Martin
Broszat/Elke Fröhlich, Alltag und Widerstand. Bayern im Nationalsozialismus. München 1987,
S. 50.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
21
Der Akzent dieser Begriffsbildung liegt auf dem Merkmal „wirksam“, verstanden als tatsächlich
wirksam. Resistenz meint „in Handlungen oder kommunikative Wirkungen umgesetzte
gegnerische Einstellung“, im Unterschied zu bloßer Gesinnung.3 Vom individuellen Bewusstsein
des Handelnden wird geradezu abgesehen („gleichgültig von ...“). Damit ist es möglich,
ungeachtet der Erfolglosigkeit des Widerstands im Großen, den Widerstand im Kleinen zu
würdigen, die effektive Machtbegrenzung des Nationalsozialismus durch wie immer geartetes
abweichendes Verhalten einzelner Bürger.
3. Abweichendes Verhalten (Devianz)
Der soziologische Begriff des abweichenden Verhaltens bezeichnet jedes beobachtbare
Verhalten eines Individuums, das messbar von den sozialen Erwartungen und Regeln abweicht,
die in einer Gesellschaft gelten. Die Abweichung verletzt soziale Normen und wird als solche
von der Gesellschaft negativ sanktioniert. Abweichendes Verhalten lässt sich nicht durch
Merkmale, die ihm innewohnen, definieren, sondern nur im Hinblick auf die soziale Reaktion,
die auf die Abweichung erfolgt.
Alles Handeln, durch das sich ein totalitärer Staat gefährdet sieht, trägt den Charakter von
Resistenz und Devianz. Aus Sicht des Regimes kann dazu schon genügen, die falsche Musik
im Radio zu hören – unabhängig vom subjektiven Empfinden des „Täters“. Zu „Widerstand“
wird, was die Staatsmacht willkürlich als Abweichung erklärt. Der Begriff des Widerstandes
verwischt sich dadurch leicht bis zur Beliebigkeit. Ein gehaltvoller, auch normativ verpflichtender
Begriff von Widerstand lässt sich erst gewinnen, wenn man fragt, wodurch sich die Akteure des
Widerstands selbst verpflichtet sahen.
4. Legalität und Legitimität
Widerstand setzt geistig Resistenz voraus und zeigt sich sozial als abweichendes Verhalten.
Aber nicht das Faktum der Abweichung macht Widerstand zum Widerstand, sondern seine
Bindung an politische Gerechtigkeit. Handeln kann auf zweierlei Weise an Recht gebunden
sein: nach Legalität (Gesetzmäßigkeit) und Legitimität (Rechtmäßigkeit). Widerstand ist als
Normverletzung illegal, aber nicht illegitim, denn Widerstandshandeln ist darauf gerichtet, Recht
und Gesetz wieder in Einklang zu bringen. Kurz: Widerstand ist gesetzwidriges Handeln zur
Wiederherstellung des Rechts (im Sinne gerechter Ordnung).
Widerstand gründet in der Erfahrung, dass Recht zu Unrecht werden kann. Dies ist der Fall,
wenn Gesetze erlassen werden, die eine offensichtlich ungerechte Regelung zum Inhalt haben,
wie zum Beispiel die nationalsozialistischen Rassegesetze. Verbietet der Gesetzgeber jede Art
von Opposition, heißt das aber nicht, dass nunmehr alle Formen von Opposition gegen diesen
Gesetzgeber Widerstand sind (siehe oben, Ziff. 1). Widerstand leisten nur diejenigen, deren
Handeln unmittelbar auf die Wiederherstellung einer legitimen Ordnung gerichtet ist. Dies kann,
muss aber nicht die Tötung des Gewaltherrschers („Tyrannenmord“) einschließen. Würde etwa
2
3
Ebd., S. 49.
Ebd., S. 50.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
22
die Planung eines Attentats nur dazu dienen, selbst an diktatorische Macht zu gelangen, wäre
dies kein Widerstand, sondern schlicht ein Putschversuch.
Dieser Begriff von Widerstand ist trennscharf, solange man sich über die Kriterien legitimer
Ordnung einig ist. Davon kann jedoch im Hinblick auf die Akteure des Widerstands gegen den
Nationalsozialismus nicht ohne weiteres gesprochen werden. Denn: Wie ist das Handeln derer
zu beurteilen, die sich nur in Teilopposition befanden? Wie das Handeln derer, die einen
gerechteren Staat, aber keineswegs einen Rechtsstaat errichten wollten? Oder einen
Rechtsstaat, aber keinen demokratischen wie die heutige Bundesrepublik Deutschland? Und:
Wer bestimmt letztlich, was Recht und was Gerechtigkeit ist? Einfache Antworten gibt es hier
nicht. Was zeigt, wie sehr der Widerstand gegen den Nationalsozialismus nicht nur Respekt,
sondern auch intensives Nachdenken verlangt.
5. Widerstand im demokratischen Rechtsstaat
Auch im demokratischen Rechtsstaat kann es vorkommen, dass staatliches Handeln Bürgerund Menschenrechte verletzt. Doch befindet sich der Einzelne hier in einer völlig anderen,
nämlich rechtlich geschützten Position, aus der heraus er gegen staatliches Unrecht vorgehen
kann, darf und soll.
Die Hessische Verfassung vom 1. Dezember 1946 formuliert es in ihrem Artikel 147 wie folgt:
„Widerstand gegen verfassungswidrig ausgeübte öffentliche Gewalt ist jedermanns Recht und
Pflicht. Wer von einem Verfassungsbruch oder einem auf Verfassungsbruch gerichteten
Unternehmen Kenntnis erhält, hat die Pflicht, die Strafverfolgung des Schuldigen durch
Anrufung des Staatsgerichtshofs zu erzwingen. Näheres bestimmt das Gesetz.“ Widerstand ist
hier von vornherein legitimiert und legalisiert, er stellt insofern kein „abweichendes“ Verhalten
dar, sondern wendet sich gegen Abweichung, die von Seiten der Staates selbst kommen
könnte. Zudem ist der Rechtsweg zu beschreiten. Das Recht zum Widerstand ist kein Freibrief
zur Selbstjustiz, sondern ein Aufruf zur Zivilcourage.
Auch das Grundgesetz normiert (seit 1968) ein Recht zum Widerstand. In Artikel 20 Absatz 4
heißt es: „Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen [d. h. die Verfassung
des demokratischen und sozialen Bundesstaates], haben alle Deutschen das Recht zum
Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“ Das Widerstandsrecht ist hier enger
ausgelegt als in der Hessischen Verfassung: Es enthält keine Pflicht und gilt nur für Deutsche.
Widerstand ist hier als letztes Mittel im politischen Kampf gedacht, der auch Waffengebrauch
einschließen kann. Das Recht zum Widerstand ist vorsorglicher Rechtfertigungsgrund für
eventuell erforderliche Gesetzesübertretungen.
Seinem Selbstverständnis nach ist der demokratische Rechtsstaat legitime Ordnung. Eventuell
auftretende Legitimitätsdefizite sind auf den Wegen auszugleichen, die dafür vorgesehen sind:
öffentliche Debatten, parlamentarische Gesetzgebung und Verfassungsgerichtsbarkeit
(Normenkontrolle, Verfassungsbeschwerde). Für die Bekämpfung von Verfassungsfeinden gibt
es zudem polizeiliche Mittel Erst wenn diese Institutionen sämtlich versagen, und die Ordnung
als Ganze bedroht sein sollte, denkt das Grundgesetz an Widerstand.
Gleichwohl ist vorstellbar, dass Grundrechtsverletzungen drohen, ohne dass amtliche Abhilfe
abgewartet werden kann. Hier bleiben die Bürgerinnen und Bürger gefordert.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
23
6. Gesetzesgehorsam und Zivilcourage
Man hat die Tugend des Bürgers mit der Tugend des Soldaten verglichen: 4 Wie zu einem guten
Soldaten Befehlsgehorsam und die Tapferkeit im Gefecht gehören, so gehören zum aufrechten
Bürger Gesetzesgehorsam und Zivilcourage.
Kern des Gesetzesgehorsams im Rechtsstaat ist die Treue zur Verfassung, als der
Legitimitätsgrundlage aller Gesetze. Kern der Zivilcourage ist der Mut zur Meinungsäußerung,
gegenüber Mitbürgern wie gegenüber Trägern staatlicher Gewalt, vor allem dort, wo Unrecht
droht. An die Stelle der Waffe des Soldaten tritt das freie Wort. Zivilcourage ist jedoch nicht auf
das Wort beschränkt: Auch der Mut zur gewaltfreien Aktion, zur beherzten Tat gehört zu dieser
Haltung. Gewaltsamkeit aber bleibt Monopol des Staates.
Dies gilt auch dann, wenn ausnahmsweise an die Stelle der Befolgung der Gesetze der
bürgerliche oder zivile Ungehorsam tritt. Dabei handelt es sich um eine öffentlich sichtbare,
kalkulierte Gesetzesverletzung mit Appellcharakter (zum Beispiel Steuerboykott,
Platzbesetzung und ähnliches) Wie Widerstand zielt ziviler Ungehorsam auf Wiederherstellung
der Legitimität staatlichen Handelns. Im Unterschied zum Widerstandsrecht (im Sinne des
Grundgesetzes)
ist
ziviler
Ungehorsam
jedoch kein
Rechtfertigungsgrund für
Normverletzungen, weshalb die zugehörige Sanktion (zum Beispiel Bußgeld, evtl. Strafe) in
Kauf genommen wird. Zudem ist nicht erforderlich, dass die Ordnung als Ganze bedroht ist; es
genügt die Gefährdung elementarer Grundrechte.
7. Debatte als Ort demokratischer Kritik
Wer für Rechtsstaat und Demokratie eintreten will, sollte damit allerdings nicht warten, bis ihm
nur noch der zivile Ungehorsam bleibt. Besser ist, zu verhindern, dass es überhaupt dahin
kommt. Weil Macht missbraucht werden kann und Menschen irren, bedarf es politisch
beständiger Aufmerksamkeit und frühzeitiger Interventionen. Zu den Mindestbedingungen einer
freiheitlichen demokratischen Grundordnung gehört deshalb das „Recht auf verfassungsmäßige
Bildung und Ausübung einer Opposition“.5 Ihr Ort und Medium ist die Debatte. Als
Gesprächsform gründet die Debatte im Modus der Entscheidungsfrage, auf die man bekanntlich
nur mit Ja oder Nein antworten kann. Wer debattiert, muss Stellung nehmen, und wer Debatten
zulässt, zeigt damit an, dass man durchaus verschiedener Meinung sein kann. Das führt zu
Streit, der oft nicht einfach beizulegen ist. So viel es dann auch bedeutet, durch Argumente zum
Konsens zu kommen – die Würde der Debatte liegt darin, dass sie uns stets gestattet, auch
Nein sagen und im Nein bleiben zu dürfen.
4
Wolfram Wette (Hg.), Einleitung: Zivilcourage, in: ders., Zivilcourage. Empörte, Helfer und Retter aus
Wehrmacht, Polizei und SS. Frankfurt a. M. 2004, S. 15-32, 19.
5
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, Urteil vom 23. Oktober 1952.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
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Jugend debattiert:
Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus
heute?
Lebensbilder von Widerständlerinnen und Widerständlern
mit Hessen-Bezug
„Schämt Euch unserer nicht!
Ihr wißt, daß wir keine Untermenschen sind,
daß wir ... unserer besten Überzeugung folgten
unter Hintansetzung von Sicherheit, Ruhe und Bequemlichkeit.“
(Elisabeth Schumacher)
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
25
Ludwig Beck (29. Juni 1880 – 20. Juli 1944)
Lebensgeschichte
Ludwig Beck entstammte einer protestantischen Offiziersfamilie und wurde in Biebrich (heute
Stadtteil von Wiesbaden) als Sohn des Eisenhüttendirektors Ludwig Beck geboren. Nach dem
Abitur an einem humanistischen Gymnasium 1898 trat er in die preußische Armee ein und
absolvierte von 1908 bis 1911 die Kriegsakademie in Berlin. Seit 1911/12 dem Großen
Generalstab angehörend, fungierte er im Ersten Weltkrieg in verschiedenen Stellungen im
Generalstab an der Westfront. Ab 1916/17 war er in der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz
eingesetzt. Nach dem Krieg Übernahme in die Reichswehr und rasche Karriere bis zum
Generalleutnant (1932).
Beck begrüßte die „Machtübernahme“ durch die Nationalsozialisten als „verheißungsvolle
Voraussetzung für die Wiederherstellung der militärischen Gleichberechtigung Deutschlands“.
Als Chef des Truppenamtes (seit 1. Juni 1935 umbenannt in Chef des Generalstabes im
Oberkommando des Heeres) stand Beck seit 1. Oktober 1933 an der Spitze der operativen
Heeresplanung. 1935 Beförderung zum General der Artillerie.
Trotz anfänglicher Sympathien für die Nationalsozialisten distanzierte sich Beck nach der
Fritsch-Krise (1938), fortschreitender Beschneidung der Eigenständigkeit der Wehrmacht
zugunsten von NS-Einflüssen sowie angesichts Hitlers riskanter Expansionspolitik zunehmend
von der politischen Führung. Seine Bemühungen um eine Kurskorrektur zur Vermeidung eines
europäischen Krieges, für den er Deutschland nicht gerüstet sah, scheiterten, obwohl er sich
mit Denkschriften an Hitler selbst sowie an Generalfeldmarschall Walther von Brauchitsch
wandte. Letzterer verhinderte auch den von Beck geforderten geschlossenen Rücktritt der
Generalität, mit dem er eine politische Kehrtwende zu erzwingen hoffte. So reichte Beck
konsequenterweise am 18. August 1939 sein Rücktrittsgesuch ein.
Im Gefolge dieser Entscheidung avancierte Beck zum Zentrum einer oppositionellen
Bewegung, die über Papst Pius XII. Großbritannien zu Friedensverhandlungen bewegen wollte.
Er gilt als Mittler zwischen nationalkonservativen, militärischen und zivilen Positionen im
Widerstand.
Obgleich er zunächst ein Attentat auf Hitler ablehnte, änderte er unter dem Eindruck der
unmenschlichen NS-Politik seine Meinung. Zuletzt glaubte er, nur ein „Tyrannenmord“ könne
den im „Namen des Volkes geübten Verbrechen“ Einhalt gebieten und den Weg für einen
politischen Neubeginn frei machen. Deshalb beteiligte sich Beck an den Planungen des
Umsturzversuchs vom 20. Juli 1944. Er war von den Widerständlern als neues Staatsoberhaupt
vorgesehen.
Nach dem Scheitern des Attentats auf Hitler wurde Beck in Berlin durch General Friedrich
Fromm zur Selbsttötung gezwungen. Nach zwei misslungenen Suizidversuchen ermordete ein
Feldwebel den Schwerverletzten.
Literatur
Peter Kaupp, Hermann Kaiser (1885-1945) und Ludwig Beck (1880-1944) im Widerstand
gegenüber dem Nationalsozialismus, in: Hessische Landeszentrale für politische Bildung
(Hg.), Republik, Diktatur und Wiederaufbau. Hessische Persönlichkeiten des 20.
Jahrhunderts. Wiesbaden o. J. [1994], S. 45-54.
Helmut Krausnick, Ludwig Beck, in: Hermann Graml (Hg.), Widerstand im Dritten Reich.
Probleme, Ereignisse, Gestalten. Frankfurt am Main 21994, S. 204-211.
Helmut Krausnick, Ludwig Beck, in: Rudolf Lill/Heinrich Oberreuter, 20. Juli – Porträts des
Widerstands. München 1989, S. 73-86.
Klaus Jürgen Müller, Generaloberst Ludwig Beck – Zentralfigur des nationalkonservativen
Widerstandes, in: Renate Knigge-Tesche/Axel Ulrich (Hg.), Verfolgung und Widerstand
in Hessen 1933-1945. Frankfurt am Main 1996, S. 538-547.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
26
Alfed Delp (15. September 1907 – 2. Februar 1945)
„Wer nicht den Mut hat, Geschichte zu machen, wird ihr armes Objekt.“
Lebensgeschichte
Aus einer interkonfessionellen Kaufmannsfamilie stammend, wurde Delp als Sohn eines
Angestellten in Mannheim geboren und zusammen mit fünf Geschwistern zuletzt katholisch
erzogen. Während der Schulzeit schloss er sich dem 1919 gegründeten katholischen
Jugendbund „Neudeutschland“ an, in dem er sich als Gruppenführer engagierte. Er trat nach
dem Abitur an einem Dieburger Gymnasium 1926 in den Jesuitenorden ein und erhielt 1937 die
Weihe zum Priester. Sein Wunsch, 1939 ein Studium in München aufzunehmen, wurde ihm als
Jesuiten verweigert. Von 1937 bis 1941 arbeitete er als Redakteur der Zeitschrift „Stimmen der
Zeit“ in München, die ihr Erscheinen wegen angeblicher Papierknappheit einstellen musste.
Nach dem NS-Klostersturm 1941 musste er in Bogenhausen leben.
Delp sorgte für vertrauliche Diskussionsforen unter Gleichgesinnten, organisierte
Jugendgruppen und half verfolgten Juden. Inspiriert von Heideggers Existenzialphilosophie,
entwickelte er den Theonomischen Humanismus, der auf eine christlich geprägte und sozialen
Grundsätzen verpflichtete Gesellschaftsordnung hinzielte. 1935 veröffentlichte er sein Werk
„Tragische Existenz“, 1943 „Der Mensch und die Geschichte“ sowie – erst 1955 erschienen –
„Der Mensch vor sich selbst“. Eine zentrale Frage dabei war, ob der Mensch Gestalter oder
Sklave der Geschichte sei.
Delp pflegte zunächst auf Initiative Helmuth James Graf von Moltkes Kontakt zum Kreisauer
Kreis, der ihn als katholischen Soziologen und Experten für die „Wiederverchristlichung der
Arbeiterschaft“ einlud. Dort referierte er über die Soziallehre der katholischen Kirche. Dabei
vertrat er die revolutionäre Idee, dass eine „dauerhafte Eigentumsbildung für alle Schichten der
Bevölkerung ermöglicht werden“ müsse und der Staat nicht „als wirtschaftende Instanz
auftreten“ solle. Ein Manuskript zum von ihm entwickelten „Personalen Sozialismus“
vernichteten seine Mitbrüder vermutlich nach Delps Verhaftung.
Delp wurde nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 am 28. Juli in Bogenhausen verhaftet, denn er
hatte den Attentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg im Juni 1944 besucht. Fest in seinem
Glauben wurzelnd, gab er trotz Folter die Namen der Mitglieder des Kreisauer Kreises nicht
preis. Seit September war er gemeinsam mit den Verschwörern des 20. Juli in Berlin-Tegel
unter verschärften Bedingungen inhaftiert, obwohl ihm eine Mittäterschaft im Umfeld von
Stauffenberg nicht nachgewiesen werden konnte. In der Gefangenschaft legte er am 8.
Dezember 1944 sein Professgelübde ab und schrieb den eindringlichen Text „Im Angesicht des
Todes“ (veröffentlicht 1947).
Delp wurde vom Volksgerichtshof unter Vorsitz Roland Freislers, der ihn im Prozess immer
wieder niederschrie, am 11. Januar 1945 als „einer der aktivsten Verratsgehilfen Helmuth Graf
von Molktes“ und Verfechter der „Iustitia socialis“ zum Tode verurteilt und am 2. Februar 1945
in Plötzensee hingerichtet. Seine sterblichen Überreste wurden verbrannt und laut „FührerBefehl“ auf den Rieselfeldern Berlins verstreut. Die Mutter erhielt eine Todesnachricht und die
Mitteilung, dass die Veröffentlichung einer Todesanzeige unzulässig sei.
Literatur
Roman Bleistein, Alfred Delp, in: Rudolf Lill/Heinrich Oberreuter, 20. Juli – Porträts des
Widerstands. München 1989, S. 99-109.
Walter Dirks, Alfred Delp, in: Hermann Graml (Hg.), Widerstand im Dritten Reich. Probleme,
Ereignisse, Gestalten. Frankfurt am Main 21994, S. 200-203.
Michael Pope, Alfed Delp S. J. im Kreisauer Kreis. Die rechts- und sozial-philosophischen
Grundlagen in seinen Konzeptionen für eine Neuordnung Deutschlands. 240 S., Mainz
1994.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
27
Hermann Kaiser (31. Mai 1885 – 23. Januar 1945)
Lebensgeschichte
Hermann Kaiser wurde in Remscheid als Sohn eines Oberlehrers geboren. Die Mutter kam aus
einer Remscheider Fabrikantenfamilie. Der Vater war seit 1886 Direktor an der Oranienschule
in Wiesbaden. Die neunköpfige Familie lebte in Wiesbaden und Kassel, wohin der Vater 1901
als Provinzialschulrat befördert worden war. Das Elternhaus pflegte eine nationalliberale,
Bismarck-orientierte Haltung. Kaiser studierte in Halle und Göttingen Mathematik, Physik,
Geschichte und Kunstgeschichte und trat entsprechend der Familientradition der
Burschenschaft der Pflüger bei. Wie sein Vater ergriff auch Kaiser den Beruf des Lehrers und
unterrichtete ab 1912 an der Wiesbadener Oranienschule. Im Ersten Weltkrieg diente er als
Soldat und erhielt verschiedene Auszeichnungen; zuletzt war er als Soldatenrat gewählt
worden.
Der Weimarer Republik stand der National-Konservative zunächst negativ, später skeptisch
gegenüber. 1933 trat er der NSDAP bei. Trotzdem entwickelte er sich nach der Ermordung des
SA-Führers Ernst Röhm 1934 und weiterer, den Nationalsozialisten missliebiger Personen zum
Gegner des Nationalsozialismus. Dem Lehrer missfiel auch, dass „propagandistisch
aufgetriebene, unverdaute Halbwahrheiten als Weltanschauung dem Volke einzutrichtern“
seien, wie er 1939 schrieb. Als überzeugter evangelischer Christ gelangte er zu der Ansicht,
dass sich das deutsche Volk quasi selbstreinigend von Hitler und dem verbrecherischen
Regime befreien müsse. Nicht zuletzt verabscheute er die Deportationen der Juden, wie seinen
Tagebuchnotizen vom Oktober 1941 zu entnehmen ist.
Als Reserveoffizier wurde Kaiser bei Kriegsbeginn eingezogen und 1940 beim Oberkommando
des Heeres mit der Führung des Kriegstagebuches beim Stab des Befehlshabers des
Ersatzheeres General Friedrich Fromm berufen. In dieser Position gelang es ihm, die
Verbindungen zwischen zivilem und militärischem Widerstand herzustellen. Dabei stand er in
engem Kontakt zu den Widerständlern des Attentats vom 20. Juli 1944 Ludwig Beck, Carl
Friedrich Goerdeler und Claus Schenk Graf von Stauffenberg sowie zu Friedrich Olbricht oder
Henning von Tresckow, die sich in seinen Diensträumen trafen. Kaiser sollte nach dem
gelungenen Umsturz als Staatssekretär im Kultusministerium sowie als Verbindungsoffizier im
Wehrkreis XII (Wiesbaden) fungieren; das ihm von Goerdeler angetragene Kultusministerium
hatte er abgelehnt. Den Text für einen Aufruf an die Wehrmacht, der bei Gelingen des Attentats
veröffentlicht werden sollte, hatte Kaiser verfasst. Er war ebenso in die unmittelbaren
Vorbereitungen des Staatsstreichs einbezogen und handelte als Vertrauensmann Goerdelers in
Berlin.
Nach dem Anschlag vom 20. Juli 1944 nahm die Geheime Staatspolizei Hermann Kaiser und
seine beiden Brüder Heinrich und Ludwig am 21. Juli 1944 in Kassel fest. Hermann Kaiser
wurde später im Reichssicherheitshauptamt in Berlin inhaftiert. In seinen Unterlagen wurde
neben der programmatischen Denkschrift Goerdelers „Das Ziel“ auch ein Tagebuch gefunden,
in dem unter Decknamen alle nach dem Staatsstreich auszuschaltenden Personen aufgeführt
waren. Den Nationalsozialisten galt er damit als einer der geistigen Drahtzieher des Attentats.
Der Volksgerichtshof unter Vorsitz von Roland Freisler verurteilte ihn am 17. Januar 1945 zum
Tode. Er wurde am 23. Januar 1945 in Plötzensee gemeinsam mit neun weiteren
Widerständlern hingerichtet. Die beiden Brüder überlebten Haft und Folter.
Literatur
Peter M. Kaiser, Die Verbindungen der Verschwörer des „20. Juli 1944“ nach Hessen am
Beispiel der Brüder Kaiser, in: Renate Knigge-Tesche/Axel Ulrich (Hg.), Verfolgung und
Widerstand in Hessen 1933-1945. Frankfurt am Main 1996, S. 548-564.
Peter M. Kaiser, Anmerkungen zu Hermann Kaiser, in: Hessische Landeszentrale für politische
Bildung (Hg.), Republik, Diktatur und Wiederaufbau. Hessische Persönlichkeiten des 20.
Jahrhunderts. Wiesbaden o. J. [1994], S. 55-60.
Peter Kaupp, Hermann Kaiser (1885-1945) und Ludwig Beck (1880-1944) im Widerstand
gegenüber dem Nationalsozialismus, in: Hessische Landeszentrale für politische Bildung
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
28
(Hg.), Republik, Diktatur und Wiederaufbau. Hessische Persönlichkeiten des 20.
Jahrhunderts. Wiesbaden o. J. [1994], S. 45-54.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
29
Johanna Kirchner (24. April 1889 – 9. Juni 1944)
Lebensgeschichte
Johanna Stunz, auch Hanna genannt, wurde in Frankfurt am Main geboren und entstammte
einer sozialdemokratischen Familie. Ihre Schwester Betty heiratete den als Sozialdemokraten
verfolgten Konrad Arndt; beider Sohn Rudi Arndt war nach dem Zweiten Weltkrieg Hessischer
Minister und Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt. Nach dem Besuch der Uhlandschule und
einer Handelsschule arbeitete Kirchner als Sekretärin. Mit 14 Jahren trat sie der Sozialistischen
Arbeiterjugend (SAJ) und vier Jahre später der SPD bei. Von Partei- und
Gewerkschaftskongressen berichtete sie in Zeitungsartikeln und war später Mitarbeiterin der
SPD-Zeitung „Volksstimme“. Schon seit 1919 gehörte die junge Frau dem Vorstand der
Frankfurter SPD an. 1913 hatte die Sozialdemokratin den Gewerkschafter und SPDJournalisten Karl Kirchner geheiratet, dem sie in der Kriegsfürsorge während des Ersten
Weltkriegs zuarbeitete. Der Ehemann war 1918 Mitglied des Arbeiter- und Soldatenrates und
später SPD-Stadtverordneter und Fraktionsvorsitzender. Aus der Ehe gingen zwei Töchter
hervor. Kirchner zählte zu den Gründerinnen der Frankfurter Arbeiterwohlfahrt (AWO), die sie
wesentlich prägte. Die von ihr gesetzten Akzente in der AWO lagen bei der Sozialfürsorge und
der Jugendgerichtshilfe. Kirchner war in der Geschäftsstelle tätig und vertrat die AWO auf
Veranstaltungen. Während der Inflationszeit 1923/24 organisierte sie unter dem Motto „Helft
Rhein und Ruhr“ Erholungsfahrten für Kinder aus dem besetzten Ruhrgebiet in die Schweiz.
Auch bei der Gründung der „Kinderfreunde“, die für die Koedukation und eine Schulreform
eintraten, beteiligte sie sich 1925. Seit 1926 fungierte sie als hauptamtliche Parteisekretärin der
Frankfurter SPD und war Mitarbeiterin von Konrad Broßwitz und Carlo Mierendorff. Bereits
damals exponierte sich Kirchner in Reden als Frauenrechtlerin und Gegnerin des
Nationalsozialismus.
Johanna Kirchner – 1926 geschieden, wobei die Töchter beim Vater blieben – ging nach dem
Regierungsantritt Hitlers 1933 in das dem Völkerbund unterstellte Saarland, weil sie wegen
Hilfe für einen Verfolgten von Repressalien bedroht war, und emigrierte nach der
Saarabstimmung 1935 zunächst in das französische Forbach, dann nach Paris. Bei der
„Saarländischen Emigrantenfürsorge“ und später in Forbach bei der „Betreuungsstelle für
Saarflüchtlinge“ setzte sie sich für die Belange der aus Deutschland vertriebenen Exilanten ein.
Außerdem war sie politisch gegen das NS-Regime tätig, produzierte und verbreitete Flugblätter
und arbeitete dem Exilvorstand der SPD zu. Als „Reichsfeindin“ bürgerte sie das Reich 1937
aus.
Kirchner wurde 1940 in Paris verhaftet und im Mai 1940 in das Internierungslager Gurs
verschleppt. Dort entließ sie der ihr persönlich bekannte Lagerkommandant, obwohl sie auf den
deutschen Fahndungslisten stand. Anschließend flüchtete sie in das von Deutschen unbesetzte
Südfrankreich, unter anderen nach Avignon, zuletzt nach Aix-les-Bains. Die Konfessionslose
fand zeitweise Aufnahme in einem Kloster. Die französische Geheimpolizei verhaftete Johanna
Kirchner am 9. Juni 1942 und das mit Deutschland kollaborierende Vichy-Regime lieferte die
Sozialdemokratin nach Deutschland aus. Sie wurde in Moabit und im Frauenstrafgefängnis
Barnimstraße in Berlin sowie in Cottbus gefangen gehalten. Der Volksgerichtshof verurteilte
Kirchner im Mai 1943 zu zehn Jahren Zuchthaus. Der Präsident des Volksgerichthofes Roland
Freisler initiierte jedoch eine Neuverhandlung vor dem von ihm geführten „Besonderen Senat“,
wo sie wegen angeblicher Vorbereitung zum Hochverrat in einer wenige Minuten dauernden
Verhandlung am 21. April 1944 zum Tode verurteilt wurde. Ihr Hoffen auf einen Gnadenerweis
blieb unerfüllt. Das Urteil wurde am 9. Juni 1944 in Plötzensee vollstreckt.
Literatur
Antje Dertinger/Jan von Trott, „... und lebe immer in Eurer Erinnerung“. Johanna Kirchner – Eine
Frau im Widerstand. 212 S., Bonn 1985.
Johanna Kirchner, in: Wolfgang Klötzer (Hg.), Frankfurter Biographie. Bd. 1. Frankfurt am Main
1994, S. 394f.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
30
Renate Knigge-Tesche, Zwei Frauen aus der Arbeiterwohlfahrt im Widerstand: Lotte Lemke und
Johanna Kirchner, in: Renate Knigge-Tesche/Axel Ulrich (Hg.), Verfolgung und
Widerstand in Hessen 1933-1945. Frankfurt am Main 1996, S. 346-357.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
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Wilhelm Leuschner (15. Juni 1890 – 29. September 1944)
Lebensgeschichte
Als Sohn eines Ofensetzers in Bayreuth geboren, wuchs Leuschner in ärmlichen Verhältnissen
auf. Er ließ sich als Holzbildhauer ausbilden und übernahm 1909 in Darmstadt die Funktion
eines ehrenamtlichen Bezirksleiters im Zentralverein der deutschen Holzbildhauer. Im
Wintersemester 1909/1910 belegte der junge Handwerker einen Grundkurs in Gestaltungslehre
an der Königlichen Kunstgewerbeschule in Nürnberg; zeitlebens interessierte er sich für Kunst.
Ab 1910 arbeitete er in der Darmstädter Möbelfabrik Glückert. Kurz darauf trat er der SPD bei,
seitdem war er politisch und gewerkschaftlich aktiv und gehörte dabei stets zu den Jüngsten.
Im Ersten Weltkrieg kämpfte er zwei Jahre an der Ostfront. Ab 1919 fungierte Leuschner als
hauptamtlicher Vorsitzender der zusammengeschlossenen Darmstädter Gewerkschaften und
von 1926 bis 1928 als Bezirkssekretär des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes
(ADGB) in Hessen und Hessen-Nassau. Ab 1924 saß er für die SPD im hessischen Landtag
und bekleidete ab 1928 das Amt des Hessischen Innenministers. Der ADGB entsandte ihn
1932 in den Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes (IAA). Außerdem avancierte
Leuschner im Januar 1933 zum stellvertretenden Vorsitzenden des ADGB. Nach heftigen
Angriffen der Nationalsozialisten trat er im April 1933 als Innenminister zurück.
Im Zusammenhang mit der Zerschlagung und „Gleichschaltung“ der Gewerkschaften durch die
Nationalsozialisten Anfang 1933 wurde Leuschner von der SA verhaftet und misshandelt. Unter
Zwang begleitete Leuschner den Leiter der Deutschen Arbeitsfront (DAF) zur Konferenz des
IAA in Genf (Schweiz), wo er als renommierter Vertreter der Freien Gewerkschaften der NSOrganisation DAF die Anerkennung sichern sollte. Mutig berichtete er jedoch von der
Unterdrückung der Arbeiterbewegung, schwieg aber in den Plenarsitzungen und vereitelte
damit seine Instrumentalisierung zur Legitimierung der DAF. Trotz Warnungen nach
Deutschland zurückgekehrt, wurde Leuschner bis Juni 1934 ein Jahr im Zuchthaus Rockenberg
sowie in den Konzentrationslagern Börgermoor und Lichtenburg inhaftiert. Dort wurde er erneut
misshandelt.
Auf freien Fuß gesetzt, übernahm der Sozialdemokrat ein Unternehmen für
Bierflaschenverschlüsse und Zapfhähne in Berlin, das zur Schaltzentrale der „illegalen
Reichsleitung der deutschen Gewerkschaften“ wurde. Denn die Geschäftstätigkeiten erlaubten
ihm die Tarnung seiner Kontaktaufnahme mit sozialdemokratischen, kommunistischen und
christlichen Gewerkschaftern, um den gemeinsamen Widerstand zu organisieren. Jakob Kaiser
von den christlichen Gewerkschaften wurde zu einem wichtigen Partner. Gemeinsam
entwickelten sie die Idee der Einheitsgewerkschaft weiter. Weil seine Firma kriegswichtige
Patente für die Aluminiumverarbeitung besaß, kam er ab 1939 mit Vertretern des militärischen
Wiederstandes um Ludwig Beck und Carl Friedrich Goerdeler in Kontakt und nahm an
Zusammenkünften des Kreisauer Kreises teil. Goerdeler plante Leuschner als Repräsentanten
der Sozialdemokratie für eine Übergangsregierung nach dem Umsturz als Vizekanzler ein.
Nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 gelang es Leuschner zunächst, der Festnahme zu
entgehen. Die Umstände seiner Verhaftung sind unklar. Manche sprechen davon, dass er sich
nach der Verhaftung seiner Frau stellte und am 16. August inhaftiert wurde. Andere gehen von
Verrat aus. Die Verhöre fanden unter Folter statt. Der Volksgerichtshof verurteilte ihn am 8.
September 1944 zum Tode. Das Urteil wurde am 29. September 1944 in Plötzensee durch
Erhängen vollstreckt.
Literatur
Gerhard Beier, Sozialstaat als realutopische Perspektive im Kampf gegen den Hitlerismus und
für eine soziale Demokratie. Vergleichende Lebensbeschreibung von Willi Richter (18941972) und Wilhelm Leuschner (1890-1944) mit besonderer Berücksichtigung ihrer
Vorstellung von Staat und Gesellschaft, in: Hessische Landeszentrale für politische
Bildung (Hg.), Republik, Diktatur und Wiederaufbau. Hessische Persönlichkeiten des 20.
Jahrhunderts. Wiesbaden o. J. [1994], S. 61-65.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
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Gerhard Beier, Wilhelm Leuschner und das Verbindungsnetz sozialistischer Vertrauensleute in
Hessen, in: Renate Knigge-Tesche/Axel Ulrich (Hg.), Verfolgung und Widerstand in
Hessen 1933-1945. Frankfurt am Main 1996, S. 565-592.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
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Nora Platiel (14. Januar 1896 – 6. September 1979)
Lebensgeschichte
Nora Block kam in Bochum als achtes von zehn Kindern in einer liberalen jüdischen
Kaufmannsfamilie zur Welt. Schon früh sah sie sich mit Antisemitismus konfrontiert. Nachdem
der Vater 1912 starb, musste Nora mit 16 Jahren das Lyzeum verlassen. Das Abitur erwarb sie
auf dem Zweiten Bildungsweg. Später begann sie, in Frankfurt Nationalökonomie und
Sozialwissenschaften zu studieren. Aber der Wunsch, sich „für die Durchsetzung des Rechts in
der Gesellschaft einzusetzen“, hatte den Wechsel zu den Fächern Jura und Rechtsphilosophie
zur Folge. Das Studium nahm sie in Göttingen auf; Abschluss in Celle 1927. Ihre Begeisterung
entzündete sich an den Ideen des in Göttingen lehrenden Philosophen Leonhard Nelson, der
die „Befähigung des Menschen zur ethischen Selbstbestimmung aus der Vernunft“ und einen
ethischen Sozialismus propagierte. Seine Theorien beeinflussten Platiels intellektuelle
Entwicklung nachhaltig. 1922 trat die Studentin der SPD bei. Sie gehörte auch dem von Nelson
gegründeten Internationalen Sozialistischen Kampfbund (ISK) an, dessen Bochumer
Ortsgruppe sie leitete. Für das ISK-Organ „Funken“ schrieb sie immer wieder Artikel.
Beim ISK-Mitglied und Sozialisten Erich Lewinski konnte die junge Juristin in Kassel ihr
rechtsanwaltliches
Referendariat
absolvieren.
Als
Rechtsanwältin
arbeitete
die
Sozialdemokratin in ihrer Heimatstadt und verteidigte bis 1933 in politischen Prozessen
Kommunisten und Sozialdemokraten. Ihre anwaltliche Tätigkeit verstand sie als Teil des
politischen Kampfes gegen den Nationalsozialismus. Der spätere Vorsitzende des berüchtigten
Volksgerichtshofes und NSDAP-„Pg“ Roland Freisler, dem sie in Kassel beruflich begegnen
musste, forderte sie auf, aus der Anwaltschaft auszutreten oder dem Regime gegenüber loyal
zu sein.
Nach der Berufung Hitlers zum Reichskanzler sah sich Platiel als Jüdin, Sozialdemokratin und
ISK-Anwältin zur Emigration gezwungen und flüchtete 1933 in das französische Exil. In Paris
arbeitete sie in der ISK-Gruppe. Sie lebte gemeinsam mit dem ISK-Genossen Georg Kumleben,
der auch Vater ihres 1934 geborenen Sohnes war. Das Paar trennte sich jedoch bald. Seit
September 1933 konnte sie als Redaktionssekretärin der Exilzeitschrift „Das Neue Tagebuch“
etwas Geld verdienen. Die Juristin wurde 1940 im Lager Gurs interniert. Nachdem ihr die Flucht
gelungen war, versuchte sie anderen Emigranten zu helfen. 1940 lernte sie den Deutschen
Hermann Platiel kennen, den sie 1943 in Montauban heiratete. Der Ehemann wurde noch im
selben Jahr verhaftet; ihm gelang es, zu fliehen und sich bis Kriegsende bei Bauern zu
verstecken. Nora Platiel, die als Jüdin von Deportation bedroht war, konnte 1943 ohne Mann
und Sohn in die Schweiz entkommen, wo sie seit 1946 die Abteilung Nachkriegshilfe beim
Schweizerischen Arbeiterhilfswerk leitete.
Nora Platiel und ihr Ehemann kehrten 1949 nach Deutschland zurück, wo sie zunächst dank
ihrer alten Kontakte zu Lewinski als Landgerichtsrätin in Kassel und vor allem in der
„Wiedergutmachungskammer“ tätig war. Seit 1951 übernahm sie die Funktion einer
Landgerichtsdirektorin am Oberlandesgericht Frankfurt am Main. Außerdem schloss sie sich
erneut der SPD an. Den Hessischen Ministerpräsidenten Georg August Zinn (SPD) kannte sie
bereits seit ihrem Referendariat in Kassel und war ihm freundschaftlich verbunden. Für die
Sozialdemokraten saß Platiel von 1954 bis 1966 im Hessischen Landtag, wo sie 1959 als erste
Frau zur stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden gewählt wurde. Ihre Bewerbung um das Amt
der Landtagspräsidentin scheiterte 1962 jedoch knapp mit einer Stimme Vorsprung für Franz
Fuchs. Im Rechtsausschuss übernahm sie 1956 den Vorsitz von der Sozialdemokratin und
Frauenrechtlerin Elisabeth Selbert. Als nichtrichterliches Mitglied gehörte sie außerdem dem
Hessischen Staatsgerichtshof an. Auch nach dem Rückzug aus der aktiven Politik nahmen die
Eheleute am Geschehen regen Anteil und luden Studenten, Jusos und Junggewerkschafter zur
Diskussion in ihre Wohnung. Im Alter von 70 Jahren zeichnete das Land Hessen Nora Platiel
mit der Wilhelm-Leuschner-Medaille aus. Sie starb in Kassel.
Literatur
Helga Haas-Rietschel/Sabine Hering, Nora Platiel. Sozialistin – Emigrantin – Politikerin. Eine
Biographie. 212 S. Köln 1990.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
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Cilly Schaefer (25. Januar 1898 – 18. Januar 1981)
Lebensgeschichte
Cilly Schaefer kam als Cäcilie Tannenberg in Friedberg zur Welt und wuchs in ärmlichen
Verhältnissen mit vier Geschwistern auf. Der Vater starb 1908 bei einem Arbeitsunfall. Die
Mutter, die eine Wäscherei betrieb, ermöglichte den Kindern trotz Armut eine Ausbildung. Diese
mussten jedoch zum Lebensunterhalt beisteuern; die zehnjährige Cilly trug vor der Schule
Zeitungen aus. Anstelle der ursprünglich eingeplanten höheren Schule konnte sie aber nur die
Volksschule besuchen. Sie lernte Schneiderin und bestand bereits mit 21 Jahren die
Meisterprüfung. Nebenbei bildete sich die wissbegierige junge Frau an der Volkshochschule
weiter.
Nach dem Ersten Weltkrieg trat sie der Freien Sozialistischen Jugend (FSJ) bei. Gemeinsam
mit den Genossen traf sie sich täglich, um Texte von Karl Marx und Friedrich Engels zu lesen
und zu diskutieren. Seit 1920 gehörte sie auch zu den Naturfreunden, über die Schaefer zur
USPD stieß, die sich bald mit der KPD vereinigte. Ein Jahr später trat sie aus der Kirche aus
und schloss sich dem während der NS-Zeit verbotenen Freidenkerbund an. Im Juni 1921
heiratete sie den Schneidermeister und Bad Nauheimer KPD-Stadtrat Jakob Schaefer. Die
Eheleute blieben kinderlos; es ist überliefert, dass sie dem „Dritten Reich“ keine Kinder
schenken wollten. Während der Ehemann von 1927 bis 1931 für die KPD im Hessischen
Landtag saß, engagierte sich Cilly Schaefer in der Bad Nauheimer KPD-Ortsgruppe und
avancierte zur Frauenleiterin im Bezirk Hessen-Frankfurt. Die Ortsgruppen der KPD und der
NSDAP in Friedberg/Bad Nauheim bekämpften sich erbittert. Bei der Landtagswahl im Juni
1932 gelang Cilly Schaefer der Einzug ins Parlament. Als einzige Frau gehörte sie der KPDFraktion an. Nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler konnten die KPD- und SPDAbgeordneten an der letzten Sitzung des demokratisch gewählten Landtages am 13. März 1933
nicht mehr teilnehmen. Kommunisten und Sozialdemokraten wurden inzwischen offen verfolgt
und unter anderen auch die KPD verboten.
Bei einem konspirativen Treffen wurde Schaefer am 11. März 1933 verhaftet und vom
Sondergericht am 5. April 1933 zur Höchststrafe, einem Jahr Gefängnis ohne Anrechnung der
Untersuchungshaft, verurteilt. Sie musste die Strafe im Frauengefängnis in Mainz vollständig
absitzen. Ihr Mann kam im Juni 1933 in das Konzentrationslager Osthofen. Als Kommunisten
verloren die Schaefers ihre Wohnung. Nach der Haftentlassung fanden sie bei Verwandten
Unterschlupf in Marburg. Schaefer arbeitete als Hausschneiderin, um im direkten
Kundenkontakt gegen die Nationalsozialisten und für die KPD zu agitieren. Sie blieb
unentdeckt. Als nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 ehemalige Funktionäre von KPD und SPD
sowie der Gewerkschaften inhaftiert wurden, kam auch das Ehepaar Schaefer in
Konzentrationslager, der Mann nach Sachsenhausen und sie nach Ravensbrück, später nach
Oranienburg. Dort musste sie Zwangsarbeit leisten. Nach Bombenangriffen auf das Lager
wurden die Frauen in das Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht. Mit Hilfe anderer
Häftlinge konnte Schaefer ihren Mann täglich sehen und überstand eine Typhuserkrankung. Vor
der heranrückenden Front wurden die Häftlinge – Männer und Frauen getrennt – auf
„Todesmärsche“ gezwungen; beide Eheleute überlebten.
Cilly Schaefer stieg nach dem Krieg wieder in die Politik ein und gehörte zu den Gründerinnen
des überparteilichen Frauenausschusses in Marburg. Dort war sie die einzige Kommunistin und
sollte deshalb 1950 vor dem Hintergrund des Kalten Krieges ausgeschlossen werden. Sie baute
die Ortsgruppe der KPD mit auf und arbeitete 25 Jahre im Vorstand in der Vereinigung der
Verfolgten des Naziregimes (VVN) in Marburg. Ab 1951 vertraten beide Eheleute die KPD in
der Marburger Stadtverordnetenversammlung. Nach dem Verbot der KPD 1956 engagierten sie
sich in der Deutschen Friedensunion (DFU) und der Ostermarschbewegung. 1968 traten beide
der DKP bei. Seit 1971 verwitwet, zog Schaefer sich aus der aktiven Politik zurück.
Literatur
Ingrid Langer, Cäcilie (Cilly) Schaefer, KPD, in: Ingrid Langer, Zwölf vergessene Frauen. Die
weiblichen Abgeordneten im Parlament des Volksstaates Hessen. Ihre politische Arbeit
– ihr Alltag – ihr Leben. Frankfurt am Main1989, S. 524-565.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
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Schäfer, Cäcilie (Cilly), geb. Tannenberg, in: Elke Schüller, „Neue, andere Menschen, andere
Frauen“?. Kommunalpolitikerinnen in Hessen 1945-1956. Ein biografisches Handbuch.
Bd. 1: Kreisfreie Städte. Frankfurt am Main, S. 238-240.
Rose Schlösinger (5. Oktober 1907 – 5. August 1943)
Lebensgeschichte
Als Tochter des Werkzeugmachers Peter Ennenbach und der Fabrikarbeiterin Sophie
Ennenbach, geb. Schlösinger, in Frankfurt am Main zur Welt gekommen. Nach der Scheidung
der Eltern 1914 lebte Rose mit ihrer Schwester bei der Mutter. Diese setzte sich als linke
Sozialdemokratin und SPD-Stadtverordnete für die Interessen der Frauen ein, organisierte 1911
den Ersten Internationalen Frauentag in Frankfurt und baute die Abteilung für weibliche
Erwerbstätige beim Arbeitsamt auf. Die Töchter gingen in die Sozialistische Arbeiterjugend
(SAJ); Rose gehörte auch der Gewerkschaft und vermutlich der SPD an. Sie verließ die Schule
mit der Mittleren Reife. Nach einer hauswirtschaftlichen Ausbildung absolvierte sie von 1924 bis
1926 ein Kindergärtnerinnen-Seminar. Anschließend war sie drei Jahre in ihrem Beruf tätig.
1929 gehörte sie zu den ersten Studentinnen der Frankfurter Wohlfahrtsschule und legte 1931
das Examen in Berufsberatung und Jugendpflege mit Auszeichnung ab. Ihr Praktikum nahm sie
in der Sozialstation Nordend auf. Nach einer kurzen, 1932 geschiedenen Ehe mit dem
Handelslehrer Friedrich Heinemann, aus der im selben Jahr die Tochter Marianne hervorging,
lebte sie wieder bei der Mutter.
Kurz nach dem Regierungsantritt Hitlers wurde Schlösinger als Tochter einer „politisch
Unzuverlässigen“ aus dem Praktikum entlassen; auch die Mutter erhielt Berufsverbot. Die
Familie musste zeitweise von Wohlfahrtsunterstützung leben. In Erwerbslosenkursen wurde die
Sozialarbeiterin zur Sekretärin umgeschult. Die beiden Frauen zogen 1934 nach Chemnitz um,
wo Schlösinger eine Stelle bei den Wanderer-Schreibmaschinenwerken fand und die Familie
allein ernährte. Ihr Kind lebte zumeist bei der verheirateten Schwester. Nach der Heirat 1939
mit ihrem Vetter Bodo Schlösinger zog sie mit Mutter und Tochter nach Berlin um, wo sie als
Chefsekretärin in der Zentrale der Fabrik tätig war. Der Ehemann, Übersetzer für Englisch und
Russisch, arbeitete im Auswärtigen Amt in der Austauschstelle mit der Sowjetunion.
Das Ehepaar schloss sich etwa 1940 dem Widerstandskreis um Mildred und Arvid Harnack
sowie Libertas und Harro Schulze-Boysen an, der später von der Gestapo Rote Kapelle
genannt wurde. Auch die Mutter nahm anfangs an den Treffen teil. Dieser Kreis traf sich unter
anderem zu Schulungen, die den Beteiligten eigenständiges Denken und Urteilen in
wirtschaftlichen und politischen Fragen ermöglichen sollten, um sich auf das Leben nach dem
NS-Regime vorzubereiten. Er organisierte aber auch Flugblattaktionen und dokumentierte NSVerbrechen. Die Widerständler wollten ferner die Möglichkeiten für Friedensverhandlungen mit
der Sowjetunion schaffen. Erst Anfang der 40er Jahre bildeten sich festere
Organisationsformen in dieser Sammlungsbewegung heraus. Vermutlich gaben die Berichte
des seit 1941 an der Ostfront eingesetzten Ehemannes, der wohl von grauenvollen deutschen
Übergriffen auf die dortige Zivilbevölkerung wusste, den Ausschlag für Schlösinger, sich trotz
der Gefahren aktiv gegen das NS-Regime zu engagieren. Die Gruppe um Harnack und
Schulze-Boysen weihte sie daraufhin ein in ihre Flugblattaktionen sowie die Versuche des
Kommunisten Hans Coppi, der Sowjetunion per Funk militärische Informationen zukommen zu
lassen. Sie diente mehrfach als Kurierin zwischen Coppi und Harnack. Nachdem im August
1943 einer der Funksprüche entschlüsselt worden war, wurden 126 Mitglieder der Roten
Kapelle verhaftet und 62 von ihnen hingerichtet.
Auch Rose Schlösinger wurde am 18. September 1942 in ihrer Wohnung festgenommen und
zunächst im Polizeipräsidium am Alexanderplatz, dann im Gerichtsgefängnis Charlottenburg
und im Frauenstrafgefängnis Barnimstraße inhaftiert. Der 2. Senat des Reichskriegsgerichts
verurteilte sie wegen angeblicher Spionage am 20. Januar 1943 zum Tode. Das Gnadengesuch
lehnte Hitler am 21. Juli 1943 ab. Sie starb in Berlin-Plötzensee am 5. August 1943 unter dem
Fallbeil. Mit ihr wurden 13 andere Widerständlerinnen und zwei Widerständler der Roten
Kapelle im Dreiminutentakt ermordet. Rose Schlösinger kam als achte an die Reihe. Der
Ehemann nahm sich, nachdem er vom Urteil erfahren hatte, am 22. Februar 1943 an der Front
das Leben. Das Sorgerecht für das Kind erhielt der Vater, der es zu Verwandten gab.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
36
Literatur
Regina Griebel/Marlies Coburger/Heinrich Scheel, Erfasst? Das Gestapo-Album zur Roten
Kapelle. Eine Foto-Dokumentation. Halle 1992, S. 136-137.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
37
Elisabeth Schumacher (28. April 1904 – 22. Dezember 1942)
Lebensgeschichte
Als zweites von fünf Kindern des Ingenieurs Fritz Hohenemser und seiner Ehefrau Annerose
wurde Elisabeth Schumacher in Darmstadt geboren. Nach späterer, diskriminierender Definition
der Nationalsozialisten galt sie als „Halbjüdin“, denn der Vater entstammte einer jüdischen
Bankiersfamilie aus Frankfurt am Main. Bis 1914 lebte die Familie in Straßburg (Elsass), dann
in Frankfurt. Kurz nach dem Umzug kam der Vater als Soldat im Ersten Weltkrieg ums Leben.
Mit Mutter und Geschwistern siedelte sie zur mütterlichen Familie nach Meiningen über, wo
Elisabeth bis 1920 das Lyzeum besuchte. Dort schloss sie sich dem Jugendbund an. Seit 1921
lebte sie als Haustochter bei Verwandten in Frankfurt und studierte mit Unterbrechung bis 1925
an der Kunstgewerbeschule in Offenbach. Anschließend arbeitete sie bis 1928 in einem
Kunstgewerbeatelier, um dann bis 1933 bei Professor Ernst Böhm in Berlin Kunst zu studieren.
Schumacher arbeitete als Gebrauchsgrafikerin für das Deutsche Arbeitsschutzmuseum in
Berlin; zuletzt als „Halbjüdin“ nur noch freiberuflich.
1934 heiratete sie den Bildhauer Kurt Schuhmacher, der aus einer proletarischen KPD-Familie
kam und überzeugter Kommunist war. Beide glänzten als Mittelpunkt eines Bohèmezirkels.
Durch den Ehemann kam Schuhmacher in engeren Kontakt mit dem Freundeskreis um Harro
Schulze-Boysen, der später von der Geheimen Staatspolizei Rote Kapelle genannt wurde.
Dieser Kreis traf sich zum kulturellen Austausch, aber auch zu Schulungen, die den Beteiligten
eigenständiges Denken und Urteilen in wirtschaftlichen und politischen Fragen ermöglichen
sollten, um sich auf das Leben nach dem NS-Regime vorzubereiten. Er organisierte später
auch Flugblattaktionen und dokumentierte NS-Verbrechen. Die Widerständler wollten ferner die
Möglichkeiten für Friedensverhandlungen mit der Sowjetunion schaffen. Erst Anfang der 40er
Jahre bildeten sich festere Organisationsformen heraus. Elisabeth Schumacher beteiligte sich
ebenso wie ihr Ehemann an der Herstellung und Verteilung der Flugblätter, da sie als
Kunstfotografin über Spezialkenntnisse verfügte. Außerdem war sie Anfang 1941 wohl in die
Übermittlung der Nachrichten von Schulze-Boysen über deutsche Kriegsvorbereitungen an
einen sowjetischen Botschaftsangehörigen involviert, der die Sowjetunion vor dem deutschen
Überfall warnen wollte. Der Ehemann half einem aus dem Konzentrationslager geflohenen
Kommunisten über die Grenze in die Schweiz. Nachdem der Mann 1941 zum Kriegsdienst
einberufen worden war, übernahm Schumacher weitere Aufgaben im Widerstand. Der
Ehemann kam im Juli 1942 nach Berlin zurück. Vergeblich bemühte sich Schumacher, ihre
jüdischen Angehörigen vor der drohenden Deportation zu retten. Das Ehepaar nahm im August
1942 den Kommunisten Albert Hößler auf, der seit den 30er Jahren in der Sowjetunion lebte
und mit dem Fallschirm über Deutschland abgesprungen war, um der Widerstandsgruppe beim
Funken von Informationen nach Moskau zu helfen. Die Schumachers stellten für ihn den
Kontakt zu Schulze-Boysen her.
Nach der Entschlüsselung eines Funkspruchs 1942 wurden 126 Mitglieder der Roten Kapelle
verhaftet und 62 von ihnen hingerichtet. Auch Elisabeth Schumacher wurde am 12. September
1942 in ihrer Wohnung festgenommen, die ebenso wie das Archiv des Ehepaares von der
Geheimen Staatspolizei verwüstet wurde. Während Elisabeth Schumacher im Polizeipräsidium
am Alexanderplatz in Haft kam, wurde der Ehemann am selben Tag in die Gestapo-Zentrale,
Prinz-Albrecht-Straße, verschleppt und später im Strafgefängnis Spandau festgehalten. Beide
Eheleute verurteilte der 2. Senat des Reichskriegsgerichtes am 19. Dezember 1942 wegen
angeblicher Vorbereitung zum Hochverrat, Spionage und weiterer Vergehen zum Tode.
Zugleich erhielten auch Harro und Libertas Schulze-Boysen, die Harnacks und andere
Mitstreiter das Todesurteil. Elisabeth Schumacher wurde drei Tage später durch das Fallbeil in
Plötzensee hingerichtet. Auch ihr Ehemann war eine Dreiviertelstunde vorher dort gehängt
worden.
Literatur
Regina Griebel/Marlies Coburger/Heinrich Scheel, Erfasst? Das Gestapo-Album zur Roten
Kapelle. Eine Foto-Dokumentation. Halle 1992, S. 102-103.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
38
Heinrich Scheel, Elisabeth und Kurt Schumacher, in: Hans Coppi/Jürgen Danyel/Johannes
Tuchel (Hg.), Die Rote Kapelle im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Berlin
1994, S. 254-261.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
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Adam von Trott zu Solz (9. August 1909 – 26. August 1944)
Lebensgeschichte
Adam von Trott zu Solz kam in Potsdam als fünftes von acht Kindern des hessischen
Diplomaten August von Trott zur Solz zu Welt, der bis 1917 Preußischer Kultusminister und
zuletzt Vertreter von Hessen-Nassau in Berlin gewesen war. Von Trott studierte in Göttingen,
München und Berlin Jura und promovierte 1931 über „Hegels Staatsphilosophie und das
internationale Recht“. Anschließend erhielt er ein Rhodes-Stipendium für Oxford, wo er
Philosophie, Politik und Ökonomie studierte. Trotz seiner Ablehnung der „Machtergreifung“
durch die Nationalsozialisten kehrte der Adelige 1933 nach Deutschland zurück und absolvierte
bis 1936 das Referendariat in Rotenburg/Fulda, Hanau, Kassel, Berlin, Hamburg und Jüterbog.
Dem Druck, Mitglied einer NS-Organisation oder der NSDAP zu werden, vermochte er zu
widerstehen. Vielmehr stellte er Kontakte zu sozialistischen Widerstandsgruppen und anderen
NS-Gegnern her. 1935 veröffentlichte er Texte Heinrich von Kleists und verlangte in der
Einleitung den Kampf gegen Unfreiheit und Tyrannei. In weiteren Schriften verurteilte er den
zunehmenden Antisemitismus. Als Rhodes-Stipendiat konnte er die Jahre 1937/38 in den USA
und China verbringen. In Großbritannien lernte er die späteren Widerständler Helmuth James
Graf von Moltke und Peter Graf York von Wartenberg kennen – beide Protagonisten des
Kreisauer Kreises.
Nach der Rückkehr aus dem Ausland versuchte der Adelige vergeblich, eine verantwortliche
Stellung ohne den Preis der NSDAP-Mitgliedschaft zu bekommen. Vor Kriegsbeginn engagierte
sich von Trott in Großbritannien gegen eine militärische Eskalation und setzte seine
Bemühungen später in den USA fort, wo er das Bestehen einer deutschen Opposition
hervorhob. Trotzdem trat der 1940 gerade verheiratete Jurist der NSDAP bei, um quasi
„getarnt“ in der Informationsabteilung des Auswärtigen Amtes zu arbeiten, wo er zuletzt ab
November 1943 als Legationsrat tätig war. Zunehmend rückte von Trott seit 1941 in das
Zentrum des Kreisauer Kreises, dem er als außenpolitischer Sprecher diente. Seine Kontakte
zu Claus Graf Schenk von Stauffenberg und dem Sozialdemokraten Julius Leber wurden immer
enger. Zu seinen Zielen gehörte eine europäische Föderation. Bei den Alliierten warb er für den
deutschen Widerstand und darum, aus einem Staatsstreich keinen militärischen Nutzen zu
ziehen. Diese Mission scheiterte nicht nur an der alliierten Forderung einer bedingungslosen
Kapitulation, sondern auch an der Einbeziehung der Sowjetunion in die Verhandlungen sowie
unannehmbaren Gebietsforderungen der Deutschen. Als nicht unwesentlich erwies sich dabei
das Misstrauen gegenüber einem Diplomaten des „Dritten Reiches“.
Von Trott stand im Umfeld des Umsturzversuches des 20. Juli 1944 und war als Vermittler zu
den Westalliierten eingeplant. Er informierte Amerikaner und Briten indirekt über vom geplanten
Staatsstreich. Seine Versuche, die Sowjetunion zu kontaktieren, schlugen jedoch fehl. Kurz
nach dem erfolglosen Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 wurde Adam von Trott zu Solz
verhaftet, nachdem seine Verbindung zu von Stauffenberg bekannt wurde. Am 15. August 1944
verurteilte ihn der Volksgerichtshof zum Tode. Das Urteil wurde am 26. August 1944 in Berlin
Plötzensee durch Erhängen vollstreckt.
Literatur
Rainer A. Blasius, Adam von Trott zu Solz, in: Rudolf Lill/Heinrich Oberreuter, 20. Juli – Porträts
des Widerstands. München 1989, S. 321-334.
Joachim Fest, Spiel mit hohem Einsatz. Über Adam von Trott, in: Vierteljahreshefte für
Zeitgeschichte, 46. Jg., Heft 1 (1998), S. 1-18.
Hans Kühner-Wolfskehl, Adam von Trott zu Solz, in: Hermann Graml (Hg.), Widerstand im
Dritten Reich. Probleme, Ereignisse, Gestalten. Frankfurt am Main 21994, S. 194-199.
Andreas Schott, Adam von Trott zu Solz: Jurist im Widerstand. Verfassungsrechtliche und
staatspolitische Auffassungen im Kreisauer Kreis. Paderborn/München/Wien/Zürich
2001.
Clarita von Trott zu Solz, Adam von Trott zu Solz. Eine Lebensbeschreibung. Mit einer
Einführung von Peter Steinbach. 238 S., Berlin 1994.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
40
Jugend debattiert:
Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus
heute?
Zeitzeuginnen und Zeitzeugen
„Das Unverständnis Menschen gegenüber,
die sich lieber gegen das eigene Land stellten
statt einer verbrecherischen Regierung zu dienen,
ist immer noch ungeheuer stark.“
(Irmgard Heydorn, Januar 1995)
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
41
Günther Arndt
Lebensgeschichte
Günther Arndt, ein Neffe der 1944 als Sozialdemokratin hingerichteten Johanna Kirchner,
wurde 1924 in Bautzen als Sohn von Betty und Konrad Arndt geboren. Der Vater war
engagierter Gewerkschafter und Sozialdemokrat, gleichzeitig Führer der Eisernen Front und
des Reichsbanners Schwarz Rot Gold in Wiesbaden. Der junge Günther Arndt besuchte
Volksschulen in Wiesbaden und Frankfurt am Main, anschließend die Lehrerbildungsanstalt
in Idstein. Der Vater verunglückte am 13. November 1940 tödlich mit dem Auto. Angeblich
starb er an den Folgen eines Schädelbruchs. Widerstandskreise hingegen schlossen nicht
aus, dass Konrad Arndt von den Nationalsozialisten ermordet wurde. Dem Unfall waren ab
1935 längere Haftzeiten in den Konzentrationslagern Esterwegen (der „Hölle im Moor“) und
Sachsenhausen vorausgegangen.
Im Jahre 1942 wurde Günther Arndt wegen „antifaschistischen Redens und Verhaltens“ von
der Schule verwiesen. Er war zuletzt Soldat und bis 1946 in sowjetischer
Kriegsgefangenschaft. Nach dem Zweiten Weltkrieg trat er in die Kommunistische Partei
Deutschlands ein. Er arbeitet als Jugendsekretär für die Gewerkschaft, als
Versicherungsvertreter und Buchhalter. Schließlich übernahm er die Leitung eines
Reisebüros in Frankfurt.
Wie der Vater setzte sich auch Günther Arndt stets für die Arbeiterbewegung ein. So war er
zeitweise Vorsitzender der Holzarbeiter-Gewerkschaft für Frankfurt und Wiesbaden sowie
Mitglied im Hauptvorstand der Gewerkschaft Holz und Kunststoff. Ehrensenator der
Arbeiterwohlfahrt und Mitglied des Stiftungsrates der Johanna-Kirchner-Stiftung. Sein
Bruder Rudi Arndt war von 1972 bis 1977 Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt am Main.
Mögliche Gesprächsthemen


gewerkschaftlicher/sozialdemokratischer Widerstand des Vaters Konrad Arndt in
Wiesbaden
persönliche Verfolgung wegen antifaschistischer und antimilitaristischer Haltung
Bedingungen
Gespräche nur in Frankfurter und Offenbacher Schulen.
Literatur
Lothar Bembenek/Axel Ulrich, Widerstand und Verfolgung in Wiesbaden 1933-1945.
Magistrat der Landeshauptstadt Wiesbaden – Stadtarchiv (Hg.). Gießen 1990.
Axel Ulrich, Konrad Arndt. Ein Wiesbadener Gewerkschafter und Sozialdemokrat im Kampf
gegen den Faschismus. Wiesbaden 2001.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
42
Wolfgang Breckheimer
Lebensgeschichte
Wolfgang Breckheimer kam 1926 in Frankfurt am Main zur Welt. Er wuchs in dem
Arbeiterstadtteil Riederwald in einem sozialdemokratisch geprägten Elternhaus auf. Die
Mutter Cäcilie Breckheimer war jüdischer Herkunft. Sie wurde im Februar 1943 verhaftet
und in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz verschleppt, wo sie im Juli
1943 angeblich an „Körperschwäche“ starb.
Wolfgang Breckheimer absolvierte eine Ausbildung als Buchdrucker. In dieser Zeit bekam er
Kontakt zu den „Edelweiß-Piraten“, einer Gruppe von Jugendlichen, die Zwang und Drill, wie
er in der uniformierten Hitler-Jugend (HJ) praktiziert wurde, kategorisch ablehnten. Sie
trugen gerne bunte Schals und lange Haare, trafen sich in ihrer Freizeit zum Wandern,
Diskutieren, Musizieren, kurz: Sie lebten „ihr romantisches Jugendleben“. Im Januar 1945
wurde Wolfgang Breckheimer als nach den Nürnberger Gesetzen definierter „jüdischer
Mischling ersten Grades“ zur „Organisation Todt“ einberufen und später zur Zwangsarbeit
nach Osterode im Harz verschleppt. Dort erlebte er die Befreiung durch amerikanische
Truppen.
Wolfgang Breckheimer schreibt über seine Zeit als „Edelweiß-Pirat“: „Hier verlor ich das
sonst vorherrschende Ohnmachtsgefühl. In der Gemeinschaft der Gruppe strömte mir Kraft
und Hoffnung auf eine Zeit ohne Konzentrationslager und für persönliches Glück zu.“
Mögliche Gesprächsthemen


Jugendopposition bei den „Edelweiß-Piraten“
Verfolgung als „Mischling“
Bedingungen
Gespräche nur in Frankfurter und Offenbacher Schulen.
Literatur
Wolfgang Breckheimer, Von den Nazis verfolgt. Offenbach 2004 (zu beziehen über den
Autor).
Die Edelweißpiraten. Protestbewegung jugendlicher Arbeiter im Dritten Reich. Eine
Dokumentation. Frankfurt am Main 1980.
Jean Jülich, Kohldampf, Knast un Kamelle. Ein Edelweißpirat erzählt sein Leben. Köln 2003.
Detlev J. K. Peukert, Die Edelweiß-Piraten. Protestbewegungen jugendlicher Arbeiter im
"Dritten Reich". 3., erweiterte Auflage. Köln 1988.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
43
Dr. Karl Brozik
Lebensgeschichte
Karl Brozik wurde 1926 im böhmischen Teplitz-Schönau (heute: Teplice/Tschechische
Republik) als Sohn deutsch-jüdischer Eltern geboren; ein Bruder. Sein Nachname lautete
ursprünglich Abeles. Im Jahre 1938 nach der Okkupation des Sudetenlandes durch die
deutsche Wehrmacht floh die Familie nach Prag. Ab 1939 war Karl Brozik Mitglied in einer
zionistischen Jugendgruppe. Im Oktober 1941 wurde der damals 15-Jährige mit seinen
Angehörigen in das Ghetto Lodz verschleppt. Innerhalb von sechs Monaten verlor er Eltern
und Bruder, die an Unterernährung und Erschöpfung starben. Im Ghetto knüpfte Brozik
Kontakte zum kommunistischen Widerstand. Im Sommer 1944 Deportation in das
Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Auch dort schloss er sich dem Widerstand an. Karl
Brozik wurde im Januar 1945 auf einen „Todesmarsch“ in das Konzentrationslager
Mauthausen gezwungen und musste Zwangsarbeit in einem Stollen des Lagers Gusen II
leisten. Im Mai 1945 wurde er von den Amerikanern befreit und kehrte nach Teplice zurück.
Ab 1945 holte Karl Brozik das Abitur nach, schloss neben täglicher Fabrikarbeit ein
Jurastudium in Prag ab, wirkte als Jurist und Ökonom in der staatlichen
Außenhandelsgesellschaft. Im Jahre 1950 Heirat mit einer jüdischen Überlebenden des
Holocaust. Zwischen 1959 und 1968 leitete Brozik eine Produktionsgenossenschaft für
Kunsthandwerk. Nach der Niederschlagung des „Prager Frühlings“ im Mai 1968 Flucht mit
Ehefrau und Kindern in die Bundesrepublik Deutschland nach Frankfurt am Main. Von 1972
bis 1987 Tätigkeit als Jurist bei der United Restitution Organization (URO). Seit 1987
Repräsentant der Conference on Jewish Claims against Germany (kurz: Claims
Conference) und seit 1991 Direktor der Claims Conference Nachfolgeorganisation. Großes
Engagement bei den Verhandlungen über die Entschädigungsansprüche ehemaliger
Zwangsarbeiter in der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“. 1997 Verleihung
der Wilhelm-Leuschner-Medaille des Landes Hessen. 1999 wurde Brozik in Prag mit der
Medaille für Widerstand gegen den Faschismus ausgezeichnet. 2002 Verleihung der
Ehrenplakette der Stadt Frankfurt am Main. Karl Brozik ist Sprecher im Rat der
Überlebenden des Fritz Bauer Instituts, Mitglied im Beirat des Hessischen Härtefonds und
des Vorstands der Theresienstädter Initiative.
Mögliche Gesprächsthemen


Widerstand in Konzentrationslagern
Zwangsarbeit von Kindern und Jugendlichen in Lagern
Bedingungen
Gespräche in Frankfurter Schulen; wahrscheinlich ist nur ein Termin möglich.
Literatur
Stephan J. Kramer, Ein Kapitel deutscher Geschichte geschrieben. Karl Brozik leitet seit
1987 die Geschicke der Claims Conference in Deutschland, in: Aufbau – deutschjüdische Zeitung, Nr. 7, 29. März 2001.
Hans Riebsamen, Karl Brozik, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 176, 1. August 1998.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
44
Peter Gingold
Lebensgeschichte
Peter Gingold, geboren 1916 in Aschaffenburg, stammt aus einer jüdischen Familie. Er
hatte sieben Geschwister. Sein Vater arbeitete als Schneidermeister. Im Jahre 1930 zog
Familie Gingold nach Frankfurt am Main, genauer in das Ostend. Peter Gingold begann mit
14 Jahren eine kaufmännische Ausbildung, wurde Mitglied der Gewerkschaftsjugend, später
im Kommunistischen Jugendverband, und engagierte sich frühzeitig im Kampf gegen den
aufkommenden Nationalsozialismus. Nach 1933 nahm er an illegalen Aktivitäten teil, wurde
verhaftet und als polnischer Staatsbürger des Landes verwiesen. Im selben Jahr Flucht
nach Paris (Frankreich), wo inzwischen auch seine Eltern lebten. Dort schloss sich Peter
Gingold der Jugendgruppe deutscher emigrierter Antifaschisten an, schrieb Texte für einen
antifaschistischen Propagandasender und eine deutschsprachige Exilzeitung. 1936 lernte er
seine spätere Ehefrau Ettie Stein Haller kennen. Zeitweise war er in der Résistance, der
französischen Widerstandsbewegung, aktiv. Im Jahre 1943 wurde Peter Gingold von der
Geheimen Staatspolizei verhaftet und gefoltert. Es gelang ihm, zu fliehen und anschließend
für die Bewegung „Freies Deutschland“ zu arbeiten, eine von der Sowjetunion initiierte
Sammlungsbewegung kommunistischer deutscher Emigranten.
Peter Gingold erlebte das Kriegsende bei italienischen Partisanen. Über Berlin kehrte er
nach Frankfurt zurück und war dort bei der Neuorganisation der Kommunistischen Partei
Deutschlands (KPD) beteiligt. Bis 1956 galt er als „staatenlos“. Die Einbürgerungsanträge
für sich und die Familie wurden mit der Begründung abgelehnt, „... sein Verhalten (sei) in
der Vergangenheit und Gegenwart gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung
gerichtet“. Noch heute ist Peter Gingold politisch aktiv gegen Faschismus und Krieg, zum
Beispiel als Bundessprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der
Antifaschisten (VVN/BdA).
Mögliche Gesprächsthemen



Formen heutigen Widerstands gegen Rassismus und Diskriminierung
Engagement in der Résistance
Überlebender des Holocaust
Bedingungen
Bitte rechtzeitige Kontaktaufnahme. Schulbesuche in ganz Hessen.
Literatur
Brigitte Biehl, „Bei Unrecht den Mund öffnen.“ Konrad Haenisch-Schule: NS-Überlebender
Peter Gingold berichtet über sein Leben und mahnt vor Rassismus, in: Frankfurter
Rundschau, 19. März 2004.
Karl Heinz Jahnke, „Sie haben nie aufgegeben“ – Ettie und Peter Gingold. Widerstand in
Frankreich und Deutschland. Köln 2002.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
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Eugen Herman-Friede
Lebensgeschichte
Eugen Herman-Friede, 1926 geboren und in Berlin-Kreuzberg aufgewachsen, besuchte
zuletzt zwangsweise die jüdische Mittelschule bis zu deren Schließung 1942. Im Januar
1943 tauchte er unter, um seiner Deportation zu entgehen. Entfernte Bekannte und
hilfsbereite Fremde stellten Verstecke zur Verfügung, in denen er zunächst bleiben konnte.
Im Sommer 1943 wurde er nach Luckenwalde vermittelt, wo er ab Herbst 1943 die
Gründung der Widerstandsgruppe „Gemeinschaft für Frieden und Aufbau“ erlebte und in ihr
mitwirkte. Ziel dieser von der Herkunft ihrer Mitglieder recht heterogen zusammengesetzten
Bewegung war es, Bevölkerung und Soldaten gegen eine Fortführung des Krieges zu
mobilisieren. Zu der Gruppe gehörten auch untergetauchte Juden, für die nichtjüdische
Mitglieder Quartiere, Lebensmittel oder auch falsche Papiere besorgten. Im Dezember 1944
verhaftet, überstand Eugen Herman-Friede das Ende der nationalsozialistischen Diktatur in
verschiedenen Gefängnissen bis zu seiner Befreiung im April 1945.
Es begann ein neues Leben in der sowjetischen Besatzungszone: Eintritt in die
Kommunistische Partei Deutschlands (KPD), Ausbildung an verschiedenen Partei- und
Hochschulen, Journalist bei der „Märkischen Volksstimme“ in Potsdam. Im September 1948
wurde er im Zusammenhang mit angeblichen „Wirtschaftsverbrechen“ erneut verhaftet.
Anfang 1949 freigelassen, ging Eugen Herman-Friede zunächst nach West-Berlin, hielt sich
später mehrere Jahre in Kanada sowie Italien auf und kehrte schließlich in die
Bundesrepublik Deutschland zurück. Er lebt heute im Rhein-Main-Gebiet.
Mögliche Gesprächsthemen


rassistisch motivierte Verfolgung zur Zeit des Nationalsozialismus
Widerstand in der gemeinsam von Juden und Nichtjuden getragenen, heute
weitgehend unbekannten Gruppe „Gemeinschaft für Frieden und Aufbau“
Bedingungen
ab 10. Klasse, maximal 40 Schülerinnen und Schüler, zwei bis drei Schulstunden
Zeitkontingent. Möglichst baldige Terminabsprache.
Literatur
„Gemeinschaft für Frieden und Aufbau“, in: Wolfgang Benz/Walther H. Pehle (Hg.), Lexikon
des deutschen Widerstands. Frankfurt am Main 2001, S. 213-215.
Eugen Herman-Friede, Für Freudensprünge keine Zeit. Erinnerungen an Illegalität und
Aufbegehren 1942-1948 mit einem Nachwort von Barbara Schieb-Samizadeh. 5.
Auflage. Berlin 2002.
Barbara Schieb-Samizadeh, Die „Gemeinschaft für Frieden und Aufbau“. Eine wenig
bekannte Widerstandsgruppe, in: Dachauer Hefte 7 (1991).
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
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Irmgard Heydorn
Lebensgeschichte
Irmgard Heydorn, geb. Hose, wurde 1916 in Hamburg geboren. Sie stammt aus einem
liberal sozialistischen Elternhaus. Besuch einer reformpädagogischen Schule, 1936 Abitur.
Die Eltern waren Gegner des Nationalsozialismus. Dieser Haltung sah sich auch die Tochter
verpflichtet. Weil die Eltern mit jüdischen Familien Freundschaft pflegten, lernte Irmgard
Heydorn schon früh deren Schicksal und Leiden unter der Verfolgung kennen. Sie kam in
Kontakt mit oppositionellen Jugendlichen und schloss sich im Jahre 1936 dem
„Internationalen Sozialistischen Kampfbund“ (ISK) an. Die Gruppe besaß Informationen
über das nationalsozialistische Lagersystem und betrieb unter anderem durch Verteilen von
Flugblättern oder antinazistischen Aufklebern Aufklärungsarbeit. Außerdem warnte sie vor
Spitzeln und versteckte politisch Verfolgte. Heute sagt Irmgard Heydorn: „Widerstand zu
leisten ist nicht einfach, wenn die Mehrzahl der Bevölkerung begeistert Hitler nachläuft. Wir
hatten immer Angst.“ Sie selbst hatte das Glück, während der NS-Zeit nie als
Widerständlerin entdeckt zu werden.
Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb Irmgard Heydorn politisch aktiv. Sie nahm 1946 ein
Studium auf und war Gründungsmitglied des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes
(SDS). Irmgard Heydorn lebt seit 1962 in Frankfurt am Main. Schon lange engagiert sie sich
in Diskussionen mit Jugendlichen, denen sie die Zeit zwischen 1933 und 1945 nahe zu
bringen versucht. Dabei merkt sie häufig, wie schwierig es ist, bei den Zuhörern Verständnis
für Menschen zu erzeugen, „die sich lieber gegen das eigene Land stellten als einer
verbrecherischen Regierung zu dienen“.
Mögliche Gesprächsthemen


Opposition im „Internationalen Sozialistischen Kampfbund“ (ISK), Hamburg
Widerstand heute (Anliegen, Menschen dazu zu bewegen, auch heute einmal „Nein“
zu sagen)
Bedingungen
Gespräche nur gemeinsam mit Trude Simonsohn. Wenn diese in Schulen außerhalb
Frankfurts stattfinden, muss für die beiden Damen ein Fahrdienst eingerichtet werden. Bitte
keine auf das Thema nicht vorbereiteten Klassen. Telefonisches Vorgespräch mit den die
Veranstaltung begleitenden Lehrern.
Literatur
Irmgard Heydorn, „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns“ (Januar 1995), in: Sabine LemkeMüller (Hg.), Ethik des Widerstands. Der Kampf des Internationalen Sozialistischen
Kampfbundes (ISK) gegen den Nationalsozialismus. Bonn 1996, S. 278-284.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
47
Anneliese Knoop-Graf
Lebensgeschichte
Anneliese Knoop-Graf wurde am 30. Januar 1921 in Kuchenheim (Kreis Euskirchen)
geboren. Von 1931 bis 1939 besuchte sie die Ursulinen-Schule in Saarbrücken; Abitur.
Studium der Philologie (Deutsch, Französisch, Englisch) in Heidelberg, München, Freiburg.
Seit 1946 ist sie mit Dr. Bernhard Knoop verheiratet, mit dem sie gemeinsam bis 1969 das
Landeserziehungsheim „Schule Marienau e. V.“ (Kreis Lüneburg) leitete. Anneliese KnoopGraf lebt seit 1969 in Bühl (Baden). Ab 1978 leitete sie das Institut für Internatsbetreuung in
Bühl, und seit 1987 ist sie zweite Vorsitzende der Weiße-Rose-Stiftung e. V. in München.
Anneliese Knoop-Graf ist noch heute publizistisch tätig, vor allem zu den Themen
Internatserziehung,
Sexualpädagogik
und
Jugendwiderstand
gegen
den
Nationalsozialismus. 1992 Verleihung des Bundesverdienstkreuzes Erster Klasse und der
Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg. 2002 erhielt sie den Saarländischen
Verdienstorden und den Adenauer-de-Gaulle-Preis.
Mögliche Gesprächsthemen


als Schwester Willi Grafs, der 1943 als Mitstreiter der Weißen Rose hingerichtet
wurde, schildert Anneliese Knoop-Graf am Beispiel ihres Bruders die Hintergründe,
Motive und das Schicksal dieser Widerstandsgruppe.
Welche Aktualität besitzt die Weiße Rose heute, wenn man sich dem Erbe dieser
Widerstandsgruppe verpflichtet fühlt?
Bedingungen
Besuch nur in Schulen, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen sind. Bitte
vorab telefonischer Kontakt mit den die Veranstaltung begleitenden Lehrern. Möglichst
baldige Terminabsprache.
Literatur
Willi Graf, Briefe und Aufzeichnungen. Mit einer Einleitung von Walter Jens. Hg. von
Anneliese Knoop-Graf und Inge Jens. Frankfurt am Main 1994.
Hans Scholl und Sophie Scholl, Briefe und Aufzeichnungen. Hg. von Inge Jens. Frankfurt
am Main 1984.
Inge Scholl, Die Weiße Rose. Erweiterte Neuauflage. Frankfurt am Main 1982.
Die Weiße Rose. Der Widerstand von Studenten gegen Hitler. München 1942/43.
Zusammengestellt von der Weiße-Rose-Stiftung e. V. München (Selbstverlag) 1991.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
48
Franz Kremer
Lebensgeschichte
Franz Kremer kam 1925 in Frankfurt am Main zur Welt, wo er auch aufwuchs. Auf Wunsch
seiner Familie absolvierte er eine Ausbildung zum Metzger. Durch seinen älteren Bruder
bekam er Kontakt zum „Harlem-Club“, einer Swing-Gruppe; seitdem ist er von der Musik
begeistert. Wer nach 1933 jedoch als „Niggermusik“ diffamierten Jazz hörte oder spielte,
galt den Nationalsozialisten als „undeutsch“ und gefährlich. Franz Kremer, außerdem
Mitglied der sozialistischen Jugendbewegung, wurde 1941 im Alter von 16 Jahren verhaftet,
in der Frankfurter Zentrale der Geheimen Staatspolizei, Lindenstraße 27, verhört und
misshandelt. Viele seiner Freunde wurden in Konzentrations- und Arbeitslager verschleppt
oder zum Militär geschickt. Im Januar 1943 wurde auch Franz Kremer noch als Soldat
eingezogen. Schwer verwundet „auf der Bahre“ kam er nach Frankfurt zurück.
Nach Kriegsende machte Franz Kremer eine Gesangsausbildung und erhielt bis Ende 1969
regelmäßig Engagements an der Frankfurter Oper. Er lebt heute als Rentner in seiner
Heimatstadt Frankfurt.
Mögliche Gesprächsthemen


Sympathisant der „Swing-Jugend“ und Mitglied in der sozialistischen
Jugendbewegung
Haft in der Frankfurter Zentrale der Geheimen Staatspolizei, Lindenstraße 27
Bedingungen
Gespräche nur in Schulen Frankfurts und der nächsten Umgebung.
Literatur
Wilfried Breyvogel, Piraten, Swings und Junge Garde. Jugendwiderstand im
Nationalsozialismus. Bonn 1991.
Franz Kremer im Gespräch mit Dieter Schiefelbein, in: Lutz Becht (Bearb.), Frankfurt am
Main, Lindenstraße. Gestapozentrale und Widerstand. Institut für Stadtgeschichte
(Hg.). Frankfurt am Main/New York 1996, S. 198-250.
Dieter Schiefelbein, „Wir wollten nur unsere Musik hören“. Als Swing-Jugendlicher in
Frankfurt am Main, in: Lutz Becht (Bearb.), Frankfurt am Main, Lindenstraße.
Gestapozentrale und Widerstand. Institut für Stadtgeschichte (Hg.). Frankfurt am
Main/New York 1996, S. 101-141.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
49
Trude Simonsohn
Lebensgeschichte
Trude Simonsohn, geb. Gutmann, kam 1921 in Olmütz (Tschechoslowakei) zur Welt. Sie
wuchs zweisprachig in einem liberalen, zionistisch orientierten Elternhaus auf. Nach
eigenen Worten verlebte sie eine „gute, glückliche“ Kindheit. Von den Eltern wurde sie zur
Selbstständigkeit erzogen, betrieb leidenschaftlich Sport und engagierte sich in einer
zionistischen Jugendgruppe mit dem Ziel, später in Palästina in einem Kibbutz zu arbeiten.
Am 15. März 1939 marschierte die Wehrmacht in Prag ein. Böhmen und Mähren wurden zu
einem Protektorat zusammengeschlossen, das fortan zum Deutschen Reich gehörte. Auf
Wunsch ihres Vaters verließ Trude Simonsohn sofort das deutsche Realgymnasium in
Olmütz und arbeitete künftig in der Landwirtschaft. Im Juni 1942 wurde sie verhaftet, im
November desselben Jahres in das Durchgangs- und Konzentrationslager Theresienstadt
verschleppt. Dort lernte sie ihren späteren Ehemann Berthold Simonsohn kennen. In
Theresienstadt sorgte Trude Simonsohn als Betreuerin für eine Mädchengruppe. Im Jahre
1944 wurde sie in das Lager Auschwitz deportiert. Trude Simonsohn überlebte den
Holocaust und wurde im März 1945 im Konzentrationslager Mendorf (Schlesien) befreit.
Unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkrieges arbeitete Trude Simonsohn im Prager
Sozialministerium, 1946 reiste sie in die Schweiz aus. Ab 1950 lebte sie in der
Bundesrepublik Deutschland, zunächst in Hamburg, seit 1955 in Frankfurt am Main. In
Frankfurt engagierte sie sich sehr intensiv in der Jüdischen Gemeinde, von 1989 bis 1992 in
der Funktion als Gemeinderatsvorsitzende. Trude Simonsohn ist heute in vielen
Einrichtungen aktiv, die der Verständigung dienen und an der Geschichte interessiert sind.
Inhabern der Ehrenplakette der Stadt Frankfurt am Main, des Ehrensiegels der Jüdischen
Gemeinde Frankfurt am Main in Silber sowie der Wilhelm-Leuschner-Medaille des Landes
Hessen.
Mögliche Gesprächsthemen




Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Tschechoslowakei
Angehörige der zionistischen Jugend in der Tschechoslowakei
Überlebende des Holocaust
Kultur und Form des „geistigen Widerstands“
Bedingungen
Gespräche nur gemeinsam mit Irmgard Heydorn. Wenn diese in Schulen außerhalb
Frankfurts stattfinden, muss für die beiden Damen ein Fahrdienst eingerichtet werden. Bitte
keine auf das Thema nicht vorbereiteten Klassen. Telefonisches Vorgespräch mit den die
Veranstaltung begleitenden Lehrern.
Literatur
Ingrid Wiltmann (Hg), Jüdisches Leben in Deutschland. Frankfurt am Main 1999 (Gespräch
mit Trude Simonsohn), S. 100-118.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
50
Herbert Westenburger
Lebensgeschichte
Herbert (Berry) Westenburger kam 1920 in Frankfurt am Main zur Welt und wuchs im
Holzhausenviertel auf. Der Vater arbeitete als Architekt. Die Mutter war gebürtige
Amerikanerin. Die Großeltern mütterlicherseits lebten nach späterer nationalsozialistischer
Definition in „Mischehe“, die Großmutter war Jüdin. Im Jahre 1924 ließen sich die Eltern
scheiden. Herbert Westenburger lebte fortan bei seiner Mutter, die sich 1929 mit einem
Juristen erneut verheiratete. Im Frühjahr 1932 trat er dem Bund „Nerother Wandervogel“
bei. Diese Gruppe organisierte Fernreisen, veranstaltete Film- und Liederabende. Nach dem
Verbot im Jahre 1934 waren nur noch geheime Treffen möglich. Weiterhin war Herbert
Westenburger ab 1936 Mitglied in der ebenfalls schon bald verbotenen „Deutschen
autonomen Jungenschaft“. Die Gründer und Anführer beider Gruppierungen wurden
erbarmungslos von den Nationalsozialisten verfolgt, viele auch ermordet. Häufig gab es
Schlägerein mit dem Streifendienst der Hitler-Jugend (HJ), einer Art NS-Jugendpolizei.
Herbert Westenburger musste das Lessing-Gymnasium verfolgungsbedingt verlassen und
eine Lehre als Konditor beginnen, später besuchte er eine Hotelfachschule. Im Jahre 1938
wurde er für einige Wochen im Untersuchungsgefängnis Hammelsgasse inhaftiert. Es folgte
die Anklage vor dem Sondergericht Berlin.
Herbert Westenburger wurde amnestiert und kam anschließend sofort als Soldat an den
Westwall, 1942/43 in das Afrika-Korps. Westenburger geriet in britische
Kriegsgefangenschaft, wurde kurz darauf den Amerikanern übergeben, die ihn in die USA
verschifften. Dort erfuhr er vom Tod seiner Mutter, die als „Halbjüdin“ 1943 aus Frankfurt in
das Vernichtungslager Auschwitz deportiert worden war. Angeblich kam sie dort wegen
einer Herzmuskelschwäche zu Tode. Seit 1946 lebt Herbert Westenburger wieder in
Frankfurt.
Mögliche Gesprächsthemen

Opposition im „Nerother Wandervogel“ und in der „Deutschen autonomen
Jungenschaft“ (mit vielen Frankfurt-Bezügen)
Bedingungen
Gespräche nur in Frankfurter Schulen, wenn möglich Oberstufen-Klassen. Interessenten
bietet Herbert Westenburger Einsicht in sein Privatarchiv.
Literatur
Herbert Westenburger – Freundschaft, nicht Kadavergehorsam, in: Matthias G. von Hellfeld
(Hg.), Davongekommen. Erwachsenwerden im Holocaust. Frankfurt am Main 1990,
S. 19-35.
Herbert Westenburger, Platoff preisen wir den Helden, in: Matthias G. von Hellfeld (Hg.),
Davongekommen. Erwachsenwerden im Holocaust. Frankfurt am Main 1990, S. 3670.
„Verlaßt die Tempel fremder Götter ...“ – Interview mit Herbert Westenburger, in: Studienkreis zur Erforschung und Vermittlung der Geschichte des Deutschen Widerstandes 1933-1945 (Hg.), „Wir hatten andere Träume“. Kinder und Jugendliche unter
der NS-Diktatur. Frankfurt am Main 1995, S. 137-139.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
51
Einladung von Zeitzeugen: Leitfaden für Lehrkräfte
Von Andreas Hettiger
Was kann eine Begegnung mit Zeitzeugen leisten, was nicht?
Bei einem Wettbewerb zum Thema „Was bedeutet uns der Widerstand gegen den
Nationalsozialismus heute?“ treffen sich Schüler, Lehrer und Zeitzeuge in einer historischen
Übergangssituation: Der eingeladene Gast ist Zeuge einer hochbetagten Generation, die in
wenigen Jahren ihre Erfahrungen mit Nationalsozialismus und Widerstand, Resistenz und
abweichendem Verhalten nicht mehr zur Sprache bringen kann. Unaufhaltsam werden die
erzählten Geschichten „Geschichte“. An dieser historischen Schnittstelle bietet sich heute noch
einmal die Gelegenheit zur Vergegenwärtigung des Vergangenen: nicht als trockenes
Schulbuchwissen, sondern in lebendiger Erzählung, durch Nachfragen und im wechselseitigen
Gespräch. Dass die erzählten Geschichten auch Teil der eigenen nationalen Geschichte der
Schüler sind, wird im Gespräch, das den Erzählungen des Gastes folgen kann, vermittel- und
erlebbar.
Die Begegnung ersetzt nicht das gründliche Studium der historischen Situation und des
Phänomens Widerstand. Im Gegenteil: Erst eine vertiefte Kenntnis des Themenfeldes
Widerstand und abweichendes Verhalten im „Dritten Reich“ ermöglicht echtes Verstehen, erst
so wird die Begegnung für alle ein Gewinn. Die Veranstaltung vermittelt nicht in erster Linie
objektive Kenntnis von Geschichte – dafür gibt es Lehrbücher und Abhandlungen. Diese bilden
allerdings den Verständnishorizont für das Zusammentreffen mit dem Zeitzeugen, bei dem vor
allem auf die persönliche Aneignung von Geschichte und deren rhetorischen Ausdruck
fokussiert wird. Die Chance des schulischen Zeitzeugenprojekts liegt darin, dass Geschichte im
Brennglas eines persönlichen Schicksals erlebbar und im direkten Kontakt mit dem Zeitzeugen
auch als eigene Geschichte erfahrbar wird. In den Erzählungen des Zeitzeugen wird deutlich,
auf welche Weise ein Mensch fähig ist, mit Schlüsselerlebnissen seiner Biografie umzugehen
und sie in eine als sinnhaft konstruierte Lebensgeschichte zu integrieren. Damit bietet er auch
eine Projektionsfläche für biografische Schlüsselerlebnisse der Schüler. Zudem ist die
Zeitzeugenveranstaltung ein wichtiger Kontrapunkt zu jenen offiziellen Gedenkmodi, in denen
Erinnerung zu versteinern beginnt, etwa in groß angelegten Denkmalprojekten. Die persönliche
Erzählung und das anschließende Gespräch bieten die Chance einer lebendigen und
personenbezogenen Auseinandersetzung mit Vergangenheit, die sich an konkreter Erinnerung
entzündet. Geschichte wird in diesem Projekt verflüssigt in Formen rhetorischer und
kommunikativer Aktion.
Was ist bei der Einladung eines Zeitzeugen zu beachten?
Generell ist bei der Einladung eines Zeitzeugen davon auszugehen, dass die Anfrage in
ausgesprochener Gesprächsbereitschaft beantwortet werden wird (eine allgemeine Tendenz,
die seit Ende der 80er Jahre zu beobachten ist). Dies hat verschiedene Gründe: Durch die
Anfrage der Schule wird die Biografie des Angefragten retrospektiv aufgewertet und als wertvoll
anerkannt. Das Schulprojekt würdigt Leben und Verhalten des Zeitzeugen und schenkt ihm
Beachtung. Natürlich können gesundheitliche Gründe oder andere private Hindernisse dennoch
das Zustandekommen einer Begegnung in der Schule verhindern.
Ein telefonisches Vorgespräch zwischen Lehrkraft und Zeitzeuge stiftet den ersten persönlichen
Kontakt. Hier werden ganz praktische Fragen geklärt, zum Beispiel genaue Terminabsprachen
und ein Abholservice, ohne den manchen bereits gebrechlichen Gästen ein Kommen nicht
möglich wäre. Außerdem informiert der Projektlehrer über Art und Profil der Schule und die
Anzahl der zuhörenden Schüler. Der Gast wird gefragt, welches Vorwissen sich die Schüler aus
seiner Sicht aneignen sollten, um die Begegnung gelingen zu lassen.
Wie sieht die Vorbereitung aus?
Bereits im Vorfeld der Veranstaltung werden die Schüler im Unterricht sowohl für die
geschichtliche Problematik des Themas als auch für die Besonderheiten von Zeitzeugenschaft
sensibilisiert.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
52
1) Der Einstieg ins Thema des Wettbewerbs lässt sich wahrscheinlich am einfachsten über
„jugendliches nichtkonformes Verhalten“ und insbesondere über jenes Thema herstellen, das
Jugendliche neben wenigen anderen am meisten bewegt: Musik. Wer einen Song von Duke
Ellington gehört hat und anschließend erfährt, dass 16-Jährige diese Vorliebe mit mehrjährigen
KZ-Strafen zu büßen hatten, wird sich dem Thema nicht verschließen. Dass Radio hören ein
Verbrechen sein konnte, ist für heutige Jugendliche unfassbar. Da Musik schon immer jenes
Medium war, mit dem sich junge Menschen verordneten Verhaltensidealen widersetzten, knüpft
ein solcher Einstieg unmittelbar an den Erfahrungshorizont der Schüler an.
Ist das Interesse am Thema erst einmal geweckt, gilt es, sich historisches Wissen anzueignen.
Dieses Wissen kann exemplarisch erarbeitet werden, etwa an der Biografie jenes Zeitzeugen,
der Gast der Schule sein wird. Es ist hilfreich, diese Vorstudien nach Leitfragen zu gliedern: Wie
gestaltete sich das verordnete Verhaltensideal für Jugendliche in Hitlerjugend und Bund
Deutscher Mädel? Wie sah nichtkonformes Verhalten aus? Welche Konsequenzen hatten die
als widerspenstig geltenden Jugendlichen zu befürchten? Wie viele Jugendliche wurden für
abweichendes Verhalten bestraft? Was passierte in den Jugend-KZs, welche Rolle spielten
dabei deutsche Industriekonzerne? Wie gingen in der Nachkriegszeit jene Gemeinden mit ihrem
problematischen Erbe um, in denen sogenannte “Jugendschutzlager für Schwererziehbare“
errichtet worden waren? Wie haben solche Erlebnisse die weitere Biografien der jugendlichen
Abweichler beeinflusst? Ausgehend von diesem jugendspezifischen Kontext kann dann auf den
umfassenden Komplex Widerstand gegen den Nationalsozialismus übergeleitet werden: Was
weiß ich selber schon über Widerstand gegen den Nationalsozialismus? Was möchte ich
darüber hinaus noch wissen?
Erst wenn diese Fragen gestellt und zumindest in Teilen zu beantworten versucht wurde, ist es
sinnvoll, sich auch auf die konkrete Situation der Begegnung mit dem Zeitzeugen vorzubereiten.
Denn erst jetzt sind die Schüler in der Lage, sich angemessene Fragen zu überlegen, die sie
dem Gast im Anschluss an seine Erzählungen stellen könnten. Auch der Transfer auf die
Reflexion der eigenen Situation als Jugendlicher kann durch entsprechende Leitfragen angeregt
werden: Wann und wo habe ich bereits Widerstand gegen ein eingefordertes Verhalten
geleistet? Worin unterschied sich dieser Widerstand vom Widerstand des Zeitzeugen? Was
kann ich nachvollziehen, welches Erleben ist mir fremd? Eine gute Vorbereitung durch
geeignete Leitfragen darf aber nicht zu einem starren Frageverhalten während der
Veranstaltung führen. Gut vorbereitete Schüler werden sich trotz ihrer vorangehender Studien
die Offenheit für die Begegnung erhalten.
2) Für das grundlegende Verständnis von Zeitzeugenschaft eignet sich auch der Blick auf
etablierte Zeitzeugenprojekte wie die Shoa Foundation von Steven Spielberg 1 oder das
“Echolot“-Projekt von Walter Kempowski.2 Noch näher am Thema ist das SWR-Feature über
den Swing-Gitarristen Coco Schumann von J.M. Walther (2003)3 oder die einschlägige
Autobiografie.4 Welches Exempel eine Lehrerkraft vorzieht, entscheidet sich letztlich auch an
der lokalen Verfügbarkeit der entsprechenden Medien.
Der Erfolg der Veranstaltung hängt nicht nur vom Zeitzeugen, sondern im gleichen Maß auch
vom Zuhör- und Frageverhalten der Schüler und Lehrer ab. Daher gilt es, im Vorfeld dafür ein
Bewusstsein zu schaffen und eine entsprechende empathische Haltung zu schulen, die zu
Einfühlung und nachvollziehendem Verstehen befähigt – eine Haltung, die den Zeitzeugen in
seinem Verhalten vorerst nicht bewertet, sondern in seinem So-Sein akzeptiert, auch wenn es
fremd erscheint.
1
Vgl. www.vhf.org.
Walter Kempowski, Das Echolot. Ein kollektives Tagebuch. Januar und Februar 1943. 4 Bände.
München 1993ff.
3
„Die Musik hat uns das Leben gerettet – die Jazz-Legende Coco Schumann“.
4
Coco Schumann, Der Ghetto-Swinger. Eine Jazzlegende erzählt. Aufgezeichnet von M. Chr. Graeff u.
M. Haas. München 1997.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
53
2
Was ist während der Veranstaltung zu beachten?
Die Veranstaltung beginnt mit einer Begrüßung des Gastes, der zuvor bereits in einem
persönlichen Aufwärmgespräch durch den federführenden Projektlehrer auf die Situation vor
Ort vorbereitet wurde. Außerdem stellen sich die beteiligten Lehrer und Klassen (exemplarisch
durch einen Sprecher) kurz vor. Dann beginnt der Zeitzeuge mit seiner Erzählung. Im
Anschluss dürfen Schüler und Lehrer Fragen stellen. Die Fragen sind entweder konkrete
Nachfragen zum eben Gehörten oder offene Fragen, die dem Gast Raum zur Entfaltung seiner
Erinnerungen geben. Biografische Nachfragen und Gespräche sind in aller Regel als offene und
narrative angelegt, nicht aber als dialektische, oder gar als systematische Abfrage im Charakter
eines Verhörs.
Häufig werden Nachfragen von Zeitzeugen in einer ganz eigenen Art beantwortet, die nicht
unbedingt dem entspricht, was sonst im Unterricht geübt wird (zum Punkt kommen, direkte
Antworten). Manche Zeitzeugen mögen ihre Ausführungen in Anekdoten oder Abschweifungen
kleiden oder die Frage nach der eigenen Person in Erzählungen über andere Personen
beantworten. Auch diese rhetorischen Formen sind als Antworten auf die gestellten Fragen zu
verstehen – Biografie wird gerne in Geschichten erinnert und nicht immer in korrekter Antwort in
Manier eines Fragebogens.
Es ist hilfreich, die Schüler schon während der Veranstaltung zu einem „Erzähl- und
Gesprächsprotokoll“ zu animieren, in dem sie alles notieren, was ihnen auffällt und besonders
bemerkenswert erscheint. Diese Aufzeichnungen werden dann in die nächste, nachbereitende
Unterrichtsstunde mitgebracht.
Wie sieht die Nachbereitung aus?
Es ist wichtig, die Begegnung nicht unbearbeitet enden zu lassen. Wenn der Zeitzeuge vorher
sein Einverständnis erklärt hat, kann es hilfreich sein, die Begegnung auf einer Video- oder
Audiokassette aufzuzeichnen. Ausgewählte Partien dieser Aufzeichnung können dann noch
einmal angeschaut werden. Gerade die Asymmetrien des Erzählens und des Gesprächs – also
eventuelle Verstimmungen, Missverständnisse, Unklarheiten, signifikantes Verschweigen oder
der Unwille, etwas Bestimmtes zu erzählen – können zu einem wichtigen Teil des
Lernprozesses werden. Handelt es sich dabei doch nicht etwa um „Fehlleistungen“ des
Zeitzeugen, sondern zumeist um typische Prozesse im durchaus nicht einfachen Feld der
Verständigung zwischen den Generationen.
Sollte es also zu Missverständnissen, emotionalen Ausbrüchen, ratlosem Schweigen oder
anderen Auffälligkeiten gekommen sein, können gerade sie erkenntnisleitend zum Thema einer
Nachbereitung gemacht werden: Wo kam es zu Widersprüchen im Erzählfluss? Wo haben wir
den Zeitzeugen nicht verstanden? An welchen Stellen wurde die Veranstaltung besonders
emotional? Bei welchen Passagen hat der Gast besonders lebendig geschildert, wann war
seine Erzählung eher nüchtern, was könnten die Gründe sein? Welche Schlüsselwörter sind
gefallen? Wurden Gegen-Biografien zu der eigenen genannt? Zu welchen Punkten gab es die
meisten Nachfragen? Außerdem wird inhaltlich resümierend gefragt: Wie hat der Widerstand im
„Dritten Reich“ die weitere Biografie des Zeitzeugen beeinflusst?
Bei der Klärung solcher Fragen erleben sich die Schüler als Teil eines geschichtlichen
Kontinuums, das nicht ausschließlich aus unumstößlichem positiven Wissen besteht, sondern
sich erst im Erzählen und gemeinsam im Zuhören, Nachfragen und im Gespräch angeeignet
werden muss. Dass diese hermeneutische Anstrengung eigenes Interesse, eigenes Vorwissen,
eigene Studien und eigene Vorurteile mit einschließt, wird in dieser Nachbereitung rückblickend
exemplarisch deutlich. Zudem werden es die Projektlehrer nicht versäumen, auch dem Gast
eine nachträgliche Rückmeldung über den Erfolg der Veranstaltung sowie Motivation und
Interesse der Schüler zukommen zu lassen. Gehören die Schüler beispielsweise zu den
Preisträgern des Wettbewerbs, sollte dies dem Zeitzeugen unbedingt mitgeteilt werden. Für das
Gelingen des Projekts gilt es nicht nur, Kontakt herzustellen und zu gestalten, sondern ihn auch
bewusst wieder zu lösen.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
54
Jugend debattiert:
Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus
heute?
Kommentierte Literaturhinweise
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
55
Sie finden in der Liste, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, überwiegend neuere und
neueste Literatur, die möglichst eng umgrenzten Unterthemen zugeordnet wurde, um den
Zugang zu speziellen Fragen zu erleichtern. Besonders wurden Arbeiten mit Hessen-Bezug
berücksichtigt. Ein weiteres Auswahlkriterium war die leichte oder sogar kostenlose
Zugänglichkeit. So wurden speziell Publikationen aufgenommen, die bei der Hessischen
Landeszentrale für politische Bildung (HLZ) oder im Internet verfügbar sind. Die Kommentare
beziehen sich überwiegend auf umfangreichere Veröffentlichungen, um eine Vorstellung von
den dort bearbeiteten Themen zu geben.
Die mit „*“ gekennzeichneten Titel sind in der Bibliothek der Hessischen Landeszentrale für
politische Bildung vorhanden und dort auch per Post für vier Wochen ausleihbar; Anfrage per
Brief, Fax oder Mail. Die Adresse lautet: Hessische Landeszentrale für politische Bildung, PF 32
20, 65022 Wiesbaden, Fax: 0611-99197-44, E-Mail: [email protected] und im Internet:
www.hlz.hessen.de. Auch die persönliche Abholung in der Rheinbahnstraße 2 in Wiesbaden ist
möglich. Allerdings wird die HLZ im Frühjahr/Sommer 2004 umziehen, sodass eine Voranfrage
sinnvoll ist.
Die mit „#“ gekennzeichneten Titel sind als pdf-Datei von der Homepage der Gedenkstätte
Deutscher Widerstand (http://www.gdw-berlin.de/lit/publ/pu-ueb-d.htm) kostenlos herunter zu
laden. Sie eignen sich wegen der knappen Darstellung auf dem neuesten Forschungsstand
durchweg gut zur Einführung in die jeweiligen Spezialthemen.
1.
Bibliografien
Michael Ruck, Bibliographie zum Nationalsozialismus. 2 Bde. Darmstadt 2000.
Band 1 führt auf den Seiten 584-662 die neueste Literatur zum Thema Widerstand im
Nationalsozialismus auf.
2.
Allgemeine Darstellungen
Wolfgang Benz/Walter H. Pehle (Hg.), Lexikon des deutschen Widerstandes. 432 S.,
aktualisierte Ausgabe, Frankfurt am Main 2001.
Nachschlagewerk auf dem neuesten Forschungsstand mit zehn Überblickskapiteln, 65
alphabetisch geordneten Sachartikeln zu einzelnen Widerstandsgruppen jeweils mit
Literaturangaben und rund 650 Kurzbiografien.
#Andreas Biss, List als Mittel des Widerstandes. 24 S., Berlin 61987.
Bundeszentrale für politische Bildung (Hg.), Deutscher Widerstand 1933-1945. Informationen
zur politischen Bildung. 50 S., Heft 243. Neudruck Mai 1994.
Die kostenlos bei der Bundeszentrale erhältliche, bebilderte Broschüre enthält gut
lesbare kurze Artikel zu den Themen Kampf gegen den Nationalsozialismus vor 1933,
zum Widerstand der Arbeiterbewegung, der Kirchen, traditioneller Eliten, des Militärs,
der Verfolgten, der Jugend sowie im Alltag. Als Autor für den Großteil der Texte zeichnet
der Experte Wolfgang Benz verantwortlich. Das Heft eignet sich wegen der kompakten
Darstellung und der kostengünstigen Verfügbarkeit gut für den Unterricht.
#Fritz Eberhard, Arbeit gegen das Dritte Reich. 64 S., Berlin 31981.
Christine Fischer-Defoy, Arbeiterwiderstand in der Provinz. Arbeiterbewegung und Faschismus
in Kassel und Nordhessen 1933-45. Eine Fallstudie. 280 S., Berlin 1982.
Geschichte lernen. Widerstand im Nationalsozialismus. 69 S., 7. Jg, Heft Nr. 40 (1994)
Das Heft befasst sich mit den Themen Weiße Rose, Attentat und Umsturzversuch gegen
Hitler, Nationalkomitee Neues Deutschland sowie der Bekennenden Kirche.
*Hermann Graml (Hg.), Widerstand im Dritten Reich. Probleme, Ereignisse, Gestalten. 272 S.,
Frankfurt am Main 21994.
Der für einen breiten Leserkreis konzipierte Sammelband führt mit fünf Beiträgen zu
Gesellschaftsbild und Verfassungsplänen des Widerstandes, seinen außenpolitischen
Vorstellungen, seinem Verhältnis zu Glauben und Kirche, zur KPD in der Illegalität und
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
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zum konservativen Widerstand in das Thema ein. Es folgen biografische Skizzen zu
Georg Elser, Carl Goerdeler, Adam von Trott zu Solz, Alfed Delp, Ludwig Beck, FritzDietlof Graf von Schulenburg, Hans Oster, Henning von Tresckow und Julius Leber.
(Signatur der HLZ: NS-Wi 3496/95)
*Peter Hoffmann, Widerstand – Staatsstreich – Attentat. Der Kampf der Opposition gegen
Hitler. 1004 S., 4., neu überarbeitete und ergänzte Ausgabe, München 1985.
Hoffmann führt sämtliche „ernstzunehmenden Versuche, Hitler zu stürzen oder zu
ermorden“ auf. Er untersucht den Ablauf der Staatsstreich- und Attentatsversuche in
allen Einzelheiten und auf Grundlage umfassender Recherchen. Das Standardwerk
bietet laut Eigenwerbung die Berücksichtigung aller einschlägigen Literatur. Nur für
diejenigen geeignet, die es ganz genau wissen möchten. (Signatur der HLZ: NS-Wi
3315/94)
Ekkehard Klausa, Zu wenig und zu spät? Der Kampf des anderen Deutschland, in: Bernd
Sösemann (Hg.), Der Nationalsozialismus und die deutsche Gesellschaft. Einführung
und Überblick, S. 258-281.
Klausa stellt zunächst die Frage nach der Definition von Widerstand und führt
anschließend in die wichtigsten Apekte des deutschen Widerstands ein.
Renate Knigge-Tesche/Axel Ulrich (Hg.), Verfolgung und Widerstand in Hessen 1933-1945.
640 S., Frankfurt am Main 1996.
Das materialreiche und bebilderte Sammelwerk verdeutlicht die Bandbreite des
Widerstands in Hessen. Ausdrücklich wollen die Herausgeber den Blick nicht nur auf die
Widerständler des 20. Juli 1944, sondern auf die vielen Mutigen richten, die bereits
zuvor als Regimegegner ihr Leben oder ihre Freiheit verloren hatten. Das Buch versteht
sich als Bestandsaufnahme der regionalhistorischen Forschung.
*Richard Löwenthal/Patrik von zur Mühlen (Hg.), Widerstand und Verweigerung in Deutschland.
320 S., Neuausgabe Bonn 1997.
Das Besondere dieses Bandes besteht darin, dass sich in neun Kapiteln jeweils ein
wissenschaftlicher Artikel auf dem gegenwärtigen Forschungsstand und der
Erlebnisbericht eines noch lebenden Widerstandskämpfers zum selben Thema
gegenüberstehen. Dabei wird zuweilen auch das Auseinanderklaffen persönlicher
Erinnerung und wissenschaftlicher Analyse deutlich. Die Themen umfassen die gesamte
Palette des Widerstands: von den Gewerkschaften bis zur inneren Emigration. Der
Einführungsbeitrag von Richard Löwenthal reflektiert den Widerstandsbegriff. (Signatur
der HLZ: NS-Wi 3937/9)
#Detlev Peukert, Der deutsche Arbeiterwiderstand gegen das Dritte Reich. 68 S., Berlin 51990.
*Hans Mommsen, Alternative zu Hitler. Studien zur Geschichte des deutschen Widerstandes.
424 S., München 2000.
Das mit einem umfangreichen Anmerkungsapparat versehene Werk des Zeithistorikers
Mommsen versucht die Vielfalt der politischen Ziele der Widerständler zu ergründen. Er
führt in die Ideenwelt der Attentäter des 20. Juli, des Kreisauer Kreises, der
konservativen, sozialistischen, kirchlichen und militärischen Opposition ein. Dabei
unterschlägt er die teilweise unter den NS-Gegnern verbreitete Ablehnung der
Demokratie und ihre vielfach unentschiedene Haltung zur Verfolgung der Juden nicht.
Widerständler mit Hessen-Bezug beispielsweise Wilhelm Leuschner und Adolf
Reichwein sind kurz gewürdigt. Die Studie fasst den aktuellen Forschungsstand
zusammen und ist mit den in sich abgeschlossenen Kapiteln zu Einzelthemen für die
Oberstufe geeignet. (Signatur der HLZ: NS-Wi 4594/00)
*Gerhard Ringshausen (Hg.), Perspektiven des Widerstands. Der Widerstand im Dritten Reich
und seine didaktische Erschließung. 226 S., Pfaffenweiler 1994.
Der anlässlich des 50. Jahrestages des 20. Juli 1944 erschienene Tagungsband führt
zunächst in fünf Beiträgen in die historischen Dimensionen des Widerstands und seiner
Rezeptionsgeschichte ein. Die Autoren entwickeln außerdem didaktische Perspektiven
zur Vermittlung im Unterricht. (Signatur der HLZ: NS-Wi 3427/94)
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
57
*Ger van Roon, Widerstand im Dritten Reich. Ein Überblick. 256 S., 5., durchgesehene Auflage,
München 1990.
Der niederländische Historiker gibt auf neuerer Forschungsbasis einen knappen, aber
differenzierten Überblick eines Großteils des Widerstandsspektrums. Die unkomplizierte
Sprache macht es für den Unterricht geeignet. (Signatur der HLZ: NS-Wi 3096/93)
*Hans-Jochen Markmann, Der deutsche Widerstand gegen den Nationalsozialismus 19331945. Modelle für den Unterricht. Medien – Materialien – Dokumente. 292 S., Mainz
1984.
Markmann führt zunächst in einzelnen Kapiteln mit detaillierten Literaturhinweisen in die
Thematik ein. Besonderes Augenmerk richtet er auf den Widerstand von Jugendlichen.
Es folgt eine ausführliche Einführung in die fachdidaktische Problematik mit
Unterrichtsvorschlägen und Materialien. Auch wenn das Werk inzwischen zwanzig Jahre
alt ist, bietet es doch gute Anregungen für den Unterricht. (Signatur der HLZ: NS-Wi
1367/84)
Detlef Schmiechen-Ackermann (Hg.), Anpassung – Verweigerung – Widerstand. Soziale Milieus, politische Kultur und der Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Deutschland
im regionalen Vergleich. 307 S., Berlin 1997.
Peter Steinbach/Johannes Tuchel, Lexikon des Widerstandes. 251 S., 2., erweiterte und
überarbeitete Auflage, München 1998.
Nachschlagewerk mit Schwerpunkt auf den Protagonisten des Widerstands.
*Peter Steinbach/Johannes Tuchel (Hg.), Widerstand in Deutschland. Ein historisches
Lesebuch. 375 S., 3., durchgesehene Auflage, München 2000.
Das bebilderte Lesebuch stellt bekannte und bislang unveröffentlichte Texte, Reden
sowie Selbstzeugnisse von Widerständlern vor. Der jeweilige Urheber und der Kontext
werden kurz genannt. Es gliedert sich in acht Kapitel: Warnende Stimmen, Widerstand
der Arbeiterbewegung, von Christen, im Krieg, Kreisauer Kreis, Weiße Rose, Rote
Kapelle und 20. Juli 1944. Es entsteht ein authentisches Bild der Menschen, die aus
unterschiedlichsten Motiven gegen den Nationalsozialismus kämpften. Da die Texte
häufig recht kurz sind, eignen sie sich nach entsprechender Auswahl gut für den
Unterricht. (Signatur der HLZ: NS-Wi 3495/95)
Peter Steinbach/Johannes Tuchel (Hg.), Widerstand gegen den Nationalsozialismus.
Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Band 323. 672 S., Bonn 1994.
Hier sind Ergebnisse der Forschungsstelle Widerstandsgeschichte an der FU Berlin und
der Gedenkstätte Deutscher Widerstand versammelt. In Einzelaufsätzen werden
unterschiedliche Facetten von Widerstand und Umsturzversuchen erhellt. Den
Abschluss bildet ein Kapitel zur Auseinandersetzung mit dem Widerstand in beiden
deutschen Staaten nach 1945.
Peter Steinbach, Widerstand im Widerstreit. Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus in
der Erinnerung der Deutschen. 485 S., Paderborn 2001.
Nach umfangreicher Reflexion über den Widerstandsbegriff fragt Steinbach nach den
Möglichkeiten des Widerstands im Exil und von Juden. Er stellt Einzelkämpfer aber auch
umstrittene Widerständler wie die Rote Kapelle und das Nationalkomitee Neues
Deutschland vor. Militärischer Widerstand und Zivilcourage werden ebenfalls
thematisiert. Zum Schluss sondiert er, ob der Widerstand einen Bezugspunkt für unsere
heutige Kultur darstellen kann. Die jeweils in sich abgeschlossenen, etwa 25-seitigen
Kapitel informieren auf dem neuesten Forschungsstand.
Gerhard Teuscher, Widerstand im Nationalsozialismus. Konzeption und Evaluation einer
Unterrichtseinheit für das Lernen an Stationen. 95 S., Stuttgart 2003.
Hans-Ulrich Thamer, Gruppen und Formen des Widerstandes. Widerstand als Lernprozeß, in:
Hessische Landeszentrale für politische Bildung (Hg.), Republik, Diktatur und
Wiederaufbau. Hessische Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Wiesbaden o. J.
[1994], S. 35-44.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
58
Wolfgang Wippermann, Das Leben in Frankfurt zur NS-Zeit. Bd. 4: Der Widerstand.
Darstellung, Dokumente und didaktische Hinweise. 168 S., Frankfurt am Main 1986.
Nach einer theoretischen Einführung zum Widerstandsbegriff und seinen Dimensionen
legt Wippermann seine Schwerpunkte auf die Arbeiterbewegung und den Frankfurter
Kirchenkampf, wobei er SPD und KPD gleichermaßen berücksichtigt. Ein umfangreicher
Dokumententeil sowie didaktische Hinweise erleichtern Pädagogen die Arbeit im
Unterricht. Fazit: Noch immer eine wichtige regionalhistorische Studie!
3.
3.1
Widerstandsgruppen
Sozialisten
Gerhard Beier, Wilhelm Leuschner und das Verbindungsnetz sozialistischer Vertrauensleute in
Hessen, in: Renate Knigge-Tesche/Axel Ulrich (Hg.), Verfolgung und Widerstand in
Hessen 1933-1945. Frankfurt am Main 1996, S. 565-592.
Barbara Bromberger, Widerstand linkssozialistischer Kleinorganisationen, in: Renate KniggeTesche/Axel Ulrich (Hg.), Verfolgung und Widerstand in Hessen 1933-1945. Frankfurt
am Main 1996, S. 179-179.
Christopher Kopper, Zum Widerstand des Reichsbanners Schwarz Rot Gold im Rhein-MainGebiet, in: Renate Knigge-Tesche/Axel Ulrich (Hg.), Verfolgung und Widerstand in
Hessen 1933-1945. Frankfurt am Main 1996, S. 166-178.
*Sabine Lemke-Müller, Ethik des Widerstands. Der Kampf des Internationalen Sozialistischen
Kampfbundes (ISK) gegen den Nationalsozialismus. Quellen und Texte zum Widerstand
aus der Arbeiterbewegung 1933-1945. 368 S., Bonn 1996.
Neben einigen Zeitdokumenten aus der Arbeit des ISK berichten ehemalige Mitglieder
der Widerstandsgruppe, darunter Ludwig Gehm („Wir wollten zeigen: Es gibt noch
andere.“) und Irmgard Heydorn über ihre unbeirrte Arbeit gegen den NS-Staat. Dabei
wird ihre ethische und philosophische Orientierung beleuchtet. Wegen der sehr
persönlichen, mit Alltagserfahrungen gespickten Zeugnisse, ist die Lektüre für die
Herausarbeitung individueller Motivation für die Gegnerschaft zum Nationalsozialismus
gut geeignet. (Signatur der HLZ: NS-Wi 3910/9)
Hertmut Mehringer, Sozialistischer Widerstand, in: Wolfgang Benz/Walter H. Pehle (Hg.),
Lexikon des deutschen Widerstandes. Frankfurt am Main 2001, S. 42-54.
Marianne Peter, Widerstand und Verfolgung der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ), in:
Renate Knigge-Tesche/Axel Ulrich (Hg.), Verfolgung und Widerstand in Hessen 19331945. Frankfurt am Main 1996, S. 152-165.
3.2
Kommunisten
Rolf Engelke/Wolfgang Form, Kommunistischer Widerstand und NS-Verfolgungspraxis in
Hessen, in: Renate Knigge-Tesche/Axel Ulrich (Hg.), Verfolgung und Widerstand in
Hessen 1933-1945. Frankfurt am Main 1996, S. 213-235.
#Beatrix Herlemann, Der deutsche kommunistische Widerstand während des Krieges. 32 S.,
Berlin 1989.
Beatrix Herlemann, Kommunistischer Widerstand, in: Wolfgang Benz/Walter H. Pehle (Hg.),
Lexikon des deutschen Widerstandes. Frankfurt am Main 2001, S. 28-41.
#Hermann Weber, Kommunistischer Widerstand gegen die Hitler-Diktatur 1933-1939. 24 S.,
Berlin 1988.
Heinrich Scheel, Der Gelehrte Werner Krauss und sein Widerstand gegen den
Nationalsozialismus, in: Renate Knigge-Tesche/Axel Ulrich (Hg.), Verfolgung und
Widerstand in Hessen 1933-1945. Frankfurt am Main 1996, S. 498-507.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
59
3.3
Anarchisten
Andreas G. Graf (Hg.), Anarchisten gegen Hitler. Anarchisten, Anarcho-Syndikalisten,
Rätekommunisten im Widerstand und im Exil. 320 S., Berlin 2001.
Sammelband zu einem bislang wenig erforschten Gebiet.
Axel Ulrich, Syndikalistischer Widerstand in Hessen und im Raum Mannheim-Ludwigshafen, in:
Renate Knigge-Tesche/Axel Ulrich (Hg.), Verfolgung und Widerstand in Hessen 19331945. Frankfurt am Main 1996, S. 198-212.
3.4
Bürgerliche
Hedwig Brüchert-Schunk, Beispiele bürgerlichen Widerstandes in Hessen: Der Freundeskreis
Heinrich Roos in Wiesbaden und der Kaufmann-Will-Kreis in Gießen, in: Renate KniggeTesche/Axel Ulrich (Hg.), Verfolgung und Widerstand in Hessen 1933-1945. Frankfurt
am Main 1996, S. 508-524.
*Winfried Meyer, Unternehmen Sieben. Eine Rettungsaktion für vom Holocaust Bedrohte aus
dem Amt Ausland/Abwehr im Oberkommando Wehrmacht. 626 S., Frankfurt am Main
1993.
Die zunächst als Dissertation angenommene bebilderte Arbeit schildert detailliert und
auf reicher Materialbasis (150 Seiten Anmerkungen!) das Zusammenwirken Hans von
Dohnanyis und Hans Osters bei ihren Versuchen, einzelne von Deportation oder
Verfolgung bedrohte Menschen zu retten. (Signatur der HLZ: NS-Wi 3147/94)
Hans Mommsen, Bürgerlicher (nationalkonservativer) Widerstand, in: Wolfgang Benz/Walter H.
Pehle (Hg.), Lexikon des deutschen Widerstandes. Frankfurt am Main 2001, S. 55-67.
#Ger van Roon, Der Kreisauer Kreis zwischen Widerstand und Umbruch. 24 S., Berlin 21988.
3.5
Nationalsozialisten
Susanne Meinl, Nationalsozialisten gegen Hitler. Die nationalrevolutionäre Opposition um
Friedrich Wilhelm Heinz. 448 S., Berlin 2000.
Die Dissertation beschäftigt sich mit dem bislang wenig beachteten Thema der NSOpposition gegen Hitler. Sie porträtiert den in der Organisation Consul aktiven Heinz,
der später an der Formierung der Militäropposition im Amt Ausland/Abwehr teil hatte.
3.6
Militär/SS/Polizeiapparat/Desertion
#Philipp Freiherr von Boeselager, Der Widerstand in der Heeresgruppe Mitte. 24 S., Berlin
1990.
#Heinrich Bücheler, Generaloberst Erich Hoepner und die Militäropposition gegen Hitler. 24 S.,
Berlin 31985.
Hermann Graml, Militärischer Widerstand, in: Wolfgang Benz/Walter H. Pehle (Hg.), Lexikon
des deutschen Widerstandes. Frankfurt am Main 2001, S. 83-97.
Norbert Haase, Deutsche Deserteure. 124 S., Berlin 1987.
Jörg Kammler, Ich habe die Metzelei satt und laufe über. Kasseler Soldaten zwischen
Verweiterung und Widerstand (1939-1945). Eine Dokumentation. 278 S., 3., erweiterte
Auflage, Fuldabrück 1997.
#Klaus-Jürgen Müller, Witzleben – Stülpnagel – Speidel. Offiziere im Widerstand. 36 S., Berlin
1988.
Gerd R. Ueberschär (Hg.), NS-Verbrechen und der militärische Widerstand gegen Hitler.
214 S., Darmstadt 2000.
Der Sammelband beschäftigt sich in drei Abschnitten mit den Dimensionen des
militärischen Widerstands. Dabei geht es um antisemitische Einstellungen bei den
Widerständlern, um deren Konfrontation mit den NS-Verbrechen im Vernichtungskrieg
an der Ostfront und um die Motivation des Umsturzversuchs am 20. Juli 1944.
Unterschiedliche Autoren beleuchten jeweils andere Facetten der drei Themen. Im
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
60
Anhang finden sich ausgewählte Dokumente, die als Material im Unterricht einsetzbar
sind.
Wolfram Wette, Retter in Uniform. Handlungsspielräume im Vernichtungskrieg der Wehrmacht.
247 S., Frankfurt am Main 2002.
Wolfram Wette (Hg.), Zivilcourage. Empörte, Helfer und Retter aus Wehrmacht, Polizei und SS.
368 S., Frankfurt am Main 2004.
Der gerade veröffentlichte Sammelband stellt als Fortsetzung der Veröffentlichung
„Retter in Uniform“ nach einer Einleitung zu Empörten, Helfern und Rettern in den
bewaffneten Formationen des NS-Staates Personen vor, die sich aus diesen Gruppen
heraus zum Widerstand entschlossen. Der letzte Teil ist Perspektiven gewidmet – unter
anderem Betrachtungen zum Retterwesen. Die Texte eröffnen sicherlich einen ganz
neuen Blickwinkel auf die Zeit des Nationalsozialismus.
3.7
Juden
Hans
Erler (Hg.), Gegen alle Vergeblichkeit. Jüdischer Widerstand gegen den
Nationalsozialismus. 455 S., Frankfurt am Main 2003.
*Chaika Grossmann, Die Untergrundarmee. Der jüdische Widerstand in Bialystok. Ein
autobiographischer Bericht. 560 S., Frankfurt am Main 1993.
Die Überlebende des Ghettos von Bialystok Chaika Grossmann erzählt ihre und die
Geschichte von fünf weiteren Frauen, die nach der Liquidation des Ghettos
zurückblieben und sich den Partisanen in den Wäldern anschlossen. Gemeinsam
kämpften sie gegen die deutschen Besatzer. Grossmann hatte schon zuvor an der
Errichtung einer jüdischen Untergrundorganisation mitgearbeitet. Sie ging 1948 nach
Israel und war zuletzt Alterspräsidentin der Knesset. Als umfangreiches, aber
spannendes Selbstzeugnis ist das Buch nur als Hintergrundinformation zum jüdischen
Widerstand in Polen geeignet. (Signatur der HLZ: NS-Wi 3059/93)
*Susanna Keval, Die schwierige Erinnerung. Deutsche Widerstandskämpfer über die
Verfolgung und Vernichtung der Juden. 294 S., Frankfurt am Main 1998.
Im Zentrum der Publikation steht die Frage nach dem Verhalten deutscher
Widerstandskämpfer gegenüber der Verfolgung und Ermordung der Juden. Ausgehend
von einer Studie über den Widerstand in Frankfurt am Main führte Keval
Gruppengespräche mit ehemaligen Widerstandskämpfern unterschiedlicher politischer
und religiöser Herkunft, die von Keval kommentiert und gedeutet werden. Obwohl die
Interviews einen sehr persönlichen und anschaulichen Einblick in den Umgang mit der
Fragestellung geben, ist das Buch eher für eine sehr intensive Beschäftigung mit diesem
Spezialthema geeignet, da ein schneller Zugriff auf Informationen nicht möglich ist.
(Signatur der HLZ: NS-Wi 4950/0)
*Konrad Kwiet/Helmut Eschwege, Selbstbehauptung und Widerstand. Deutsche Juden im
Kampf um Existenz und Menschenwürde 1933-1945. 384 S., Hamburg 1984.
Nach der Darstellung der Rahmenbedingungen jüdischen Lebens und der Verfolgung
von Juden untersuchen die Autoren die Beteiligung von Juden im organisierten
Widerstand u.a. bei SPD, SAP, KPD, ISK und im spanischen Bürgerkrieg. Es folgen
Kapitel zum nonkonformen Verhalten: insbesondere Herstellung und Vertrieb illegaler
Schriften, Beteiligung an Attentaten, Sabotage und Spionage, Widerstand in Lagern und
Ghettos sowie als Kämpfer bei Partisanengruppen. Das materialreiche Buch eignet sich
wegen der abgeschlossenen, mit Beispielen angereicherten Kapitel gut als Einführung in
das Thema, auch wenn es inzwischen nicht mehr ganz dem aktuellen Forschungsstand
entspricht. (Signatur der HLZ: NS-Wi 331/85)
Arno Lustiger, „Wir werden nicht untergehen“. Zur jüdischen Geschichte. Aufsatzsammlung.
270 S., München 2002.
Arno Lustiger, Zum Kampf auf Leben und Tod! Das Buch vom Widerstand der Juden 19331945. 628 S., München 1997.
#Arnold Paucker, Deutsche Juden im Widerstand 1933-1945. Tatsachen und Probleme. 47 S.,
Berlin 1999.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
61
#Arnold Paucker, Jüdischer Widerstand in Deutschland. 24 S., Berlin 1989.
*Shmuel Ron, Die Erinnerungen haben mich nie losgelassen. Vom jüdischen Widerstand im
besetzten Polen. 168 S., Frankfurt am Main 1998.
Shmuel Ron war aktiv am jüdischen Widerstand in Polen beteiligt. Er schildert den Alltag
der Konspiration im Gebiet um Kattowice und das Netz der dortigen jüdischen
Widerstandsgruppen. Dabei setzt er sich auch mit der Politik der Judenräte auseinander.
Ron wurde im März 1944 verhaftet und überlebte die Konzentrationslager Auschwitz und
Mauthausen. Nach zweijährigem verfolgungsbedingtem Krankenhausaufenthalt ging er
1948 nach Israel. Das persönliche Zeugnis ist für die intensive Beschäftigung mit
jüdischem Widerstand im besetzten Polen geeignet. (Signatur der HLZ: NS-Wi 4690/0)
Mark Roseman, In einem unbewachten Augenblick. Eine Frau überlebt im Untergrund. 583 S.,
Berlin 2002.
#Wolfgang Wippermann, Die Berliner Gruppe Baum und der jüdische Widerstand. 31 S., Berlin
1
1981.
3.8
Kirchen, Glaubensgemeinschaften und religiös motivierter Widerstand
#Maria Theodora Freifrau von dem Bottlenberg-Landsberg, Die "Weißen Blätter" des KarlLudwig Freiherrn von und zu Guttenberg. Zur Geschichte einer Zeitschrift
monarchistisch-religiöser Opposition gegen den Nationalsozialismus 1934-1943. 32 S.,
Berlin 1990.
Hermann-Josef Braun, Widerstand aus den Reihen der katholischen Kirche, in: Renate KniggeTesche/Axel Ulrich (Hg.), Verfolgung und Widerstand in Hessen 1933-1945. Frankfurt
am Main 1996, S. 269-289.
*Günter Buchstab/Brigitte Kaff/Hans-Otto Kleinmann, Verfolgung und Widerstand 1933-1945.
Christliche Demokraten gegen Hitler. 288 S. ,Düsseldorf 1986.
Die bebilderte Quellensammlung ist in sechs Abschnitte gegliedert: Als Staatsfeinde
verfolgt, Exil, Widerstand im Alltag, Widerstandskreise, die „Aktion Gewitter“ und
christliche Demokratie im Neubeginn. Ein umfangreiches Personenregister sowie ein
Verzeichnis der Dokumente ergänzen den Band, der trotz seines Alters eine Menge
Material für den Unterricht bietet und auf jeden Fall zum Thema Christen und
Widerstand hilfreich ist. (Signatur der HLZ: NS-Wi 366/86)
*Otto Diehn, Der Kirchenkampf. Evangelische Kirche und Nationalsozialismus. Quellen und
Anregungen für den Unterricht. 144 S., Hamburg, 2., erweiterte Auflage 1970.
Etwas angestaubte, jedoch sehr systematisch aufgebaute Unterrichtshilfe u.a. zu den
Themen „Arierparagraf“, Euthanasie, totaler Staat versus Anspruch Gottes, Kreisauer
Kreis und Dietrich Bonhoeffer jeweils mit Quellen und Erläuterungen zu deren
Verständnis sowie Anregungen für den Unterricht. (Signatur der HLZ: NS-Wi 143/70)
Detlef Garbe, Zwischen Widerstand und Martyrium. Die Zeugen Jehovas im „Dritten Reich“.
605 S., 3., überarbeitete und um ein Nachwort ergänzte Auflage, München 1997.
Die Zeugen Jehovas entwickelten aus der Verteidigung ihres Glaubens eine
konsequente und verlustreiche Gegnerschaft zum Nationalsozialismus, die weithin lange
unbeachtet blieb. Als einzige Glaubensgemeinschaft widersetzten sie sich geschlossen
dem Kriegsdienst.
Hans Hesse (Hg.), „Am mutigsten waren immer die Zeugen Jehovas“. Verfolgung und
Widerstand der Zeugen Jehovas im Nationalsozialismus. 448 S., Bremen 1998.
Der Sammelband enthält Beiträge zum Widerstand der Zeugen Jehovas in
verschiedenen Konzentrationslagern und von Zeuginnen Jehovas. Viele Texte
beschäftigen sich mit der Nachkriegsgeschichte der Glaubensgemeinschaft.
#Heinz Hürten, Die katholische Kirche zwischen Nationalsozialismus und Widerstand. 32 S.,
Berlin 1989.
#Erich Klausener, Zum Widerstand der Katholiken im Dritten Reich. 24 S., Berlin 21985.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
62
Renate Knigge-Tesche, NS-Gegner im politisch-kirchlichen Zwischensektor: die religiösen
Sozialisten, in: Renate Knigge-Tesche/Axel Ulrich (Hg.), Verfolgung und Widerstand in
Hessen 1933-1945. Frankfurt am Main 1996, S. 307-323.
#Werner Koch, Der Kampf der Bekennenden Kirche im Dritten Reich. 24 S., Berlin 51988.
Günther van Norden, Widersetzlichkeit von Kirchen und Christen, in: Wolfgang Benz/Walter H.
Pehle (Hg.), Lexikon des deutschen Widerstandes. Frankfurt am Main 2001, S. 68-82.
Karl-Heinz Rueß/Marcus Zecha (Hg.), Mutige Christen im NS-Staat. 48 S., Göppingen 2002.
Die bebilderte Broschüre enthält die Biografien ganz unterschiedlicher Menschen, die
aus verschiedenen Motiven, aber verankert im Glauben Widerstand leisteten.
Klaus Martin Sauer, Widerstand in der Bekennenden Kirche, in: Renate Knigge-Tesche/Axel
Ulrich (Hg.), Verfolgung und Widerstand in Hessen 1933-1945. Frankfurt am Main 1996,
S. 290-306.
3.9
Frauen
Gernot Jochheim, Frauenprotest in der Rosenstraße Berlin 1943. Berichte, Dokumente,
Hintergründe. 223 S., Berlin 2002.
Ingrid Langer, Hessische Parlamentarierinnen im Widerstand, in: Renate Knigge-Tesche/Axel
Ulrich (Hg.), Verfolgung und Widerstand in Hessen 1933-1945. Frankfurt am Main 1996,
S. 324-334.
Gerda Szepansky (Bearb.), Frauen leisten Widerstand: 1933-1945. Lebensgeschichten nach
Interviews und Dokumenten. 291 S., Frankfurt am Main 1994.
In 15 Lebensbildern wird der Widerstand von Frauen vorgestellt.
Christl Wickert, Frauen gegen die Diktatur – Widerstand und Verfolgung im
nationalsozialistischen Deutschland 1933-1945. 189 S., Berlin 1995.
Christl Wickert, Frauen zwischen Dissens und Widerstand, in: Wolfgang Benz/Walter H. Pehle
(Hg.), Lexikon des deutschen Widerstandes. Frankfurt am Main 2001, S.140-155.
3.10
Jugendliche
Wilfried Breyvogel (Hg.), Piraten, Swing und Junge Garde. Jugendwiderstand im
Nationalsozialismus. 352 S., Bonn 1991.
In dem Sammelband, der aus einer Konferenz im Jahre 1990 erwuchs, finden sich
Forschungsergebnisse zum Jugendwiderstand und seiner Wirkungsgeschichte.
#Anna Sabine Halle, „Die Gedanken sind frei ....“ Eine Jugendgruppe der Berliner Quäker 19351941. 32 S., Berlin 41995.
Arno Klönne, Jugend gegen den NS-Staat – Nonkonformität, Opposition und Widerstand
hessischer Jugendgruppen, in: Renate Knigge-Tesche/Axel Ulrich (Hg.), Verfolgung und
Widerstand in Hessen 1933-1945. Frankfurt am Main 1996, S. 374-391.
*Detlev J. K. Peukert, Die Edelweiß-Piraten. Protestbewegungen jugendlicher Arbeiter im
„Dritten Reich“. 248 S., 3., erweiterte Auflage, Köln 1988.
Die Dokumentation, die zahlreiche Texte – darunter auch zeitgenössische
Überwachungsprotokolle, aber auch Alltagsberichte – zugänglich macht, bietet eine gute
Einführung in die „vergessene Protestbewegung“ der Edelweiß-Piraten. Besonders die
Kapitel Subkultur und Protestverhalten sowie Konflikte mit der HJ können sicherlich in
Ansätzen mit Erfahrungen heutiger Jugendlicher korrespondieren. Didaktische
Überlegungen am Ende des Bandes helfen beim Einsatz im Unterricht. (Signatur der
HLZ: NS-Wi 948/88)
Marianne Peter, Widerstand und Verfolgung der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ), in:
Renate Knigge-Tesche/Axel Ulrich (Hg.), Verfolgung und Widerstand in Hessen 19331945. Frankfurt am Main 1996, S. 152-165.
Dieter Schiefelbein, Zur Verfolgung der Swing-Jugend in Frankfurt am Main, in: Renate KniggeTesche/Axel Ulrich (Hg.), Verfolgung und Widerstand in Hessen 1933-1945. Frankfurt
am Main 1996, S. 392-403.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
63
Bruno Schmitt, Der Widerstand Jugendlicher im Nationalsozialismus. 258 S., Hamburg o. J.
Der Autor begibt sich auf Grundlage von Täterakten auf die Suche nach den Wurzeln
der Jugend-Opposition gegen Hitler. Er sucht nach ihrer Verortung in sozialen
Schichten, in Konfessionen oder politischen Traditionen. Am Schluss der
systematischen Untersuchungen kommen Zeitzeugen zu Wort.
Jürgen Zarusky, Jugendopposition, in: Wolfgang Benz/Walter H. Pehle (Hg.), Lexikon des
deutschen Widerstandes. Frankfurt am Main 2001, S. 98-111.
3.11
Homosexuelle
Manfred Herzer, Schwule Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus. Neue Studien
zu Wolfgang Cordan, Wilfried Israel, Theodor Haubach und Otto John, in: Burkhard
Jellonnek/Rüdiger Lautmann (Hg.), Nationalsozialistischer Terror gegen Homosexuelle.
Verdrängt und ungesühnt. Paderborn/München/Wien/Zürich 2002, S. 127-146.
Herzer betrachtet hier das Thema Homosexualität und Nationalsozialismus aus einem
bislang praktisch nicht systematisch erforschten und sehr speziellen Blickwinkel:
Homosexualität und Widerstand. Der Leser wird mit einem Zwischenstand der
Forschung konfrontiert. Anhand von vier Lebensläufen, darunter auch des lebenslangen
Freundes von Carlo Mierendorff und Frankfurters Theodor Haubach (1896-1945),
versucht der Autor, die Wurzeln der Gegnerschaft zum Nationalsozialismus vor dem
Hintergrund des Schwulseins näher zu beleuchten. Der mit vielen Vermutungen
gespickte Text ist wegen seiner komplexen Darstellungsweise nur für die Oberstufe
geeignet.
Dieter Schiefelbein, Zur Verfolgung der Homosexuellen in Frankfurt am Main, in: Renate
Knigge-Tesche/Axel Ulrich (Hg.), Verfolgung und Widerstand in Hessen 1933-1945.
Frankfurt am Main 1996, S. 404-414.
3.12
20. Juli 1944
Peter Hoffmann, Claus Schenk Graf von Stauffenberg und seine Brüder. (Erscheint Juni 2004)
Der Autor konnte verschollen geglaubte Briefe und Dokumente auswerten und zeichnet
ein Porträt Stauffenbergs.
#Georg Holmsten, 20. Juli 1944 – Personen und Aktionen. 24 S., Berlin 61990.
Peter M. Kaiser, die Verbindungen der Verschwörer des „20. Juli 1944“ nach Hessen am
Beispiel der Brüder Kaiser, in: Renate Knigge-Tesche/Axel Ulrich (Hg.), Verfolgung und
Widerstand in Hessen 1933-1945. Frankfurt am Main 1996, S. 548-564.
*Rudolf Lill/Heinrich Oberreuter, 20. Juli – Porträts des Widerstands. 432 S., München 1989.
Der Sammelband stellt zunächst den Weg zum Attentat, Gruppen, Zentren und Ziele
des deutschen Widerstands und das Attentat in Bezug auf das Ausland vor. Es folgt ein
Beitrag zum Recht auf Widerstand. Im Mittelpunkt stehen jedoch die Attentäter und
Beteiligten selbst, denen jeweils etwa 20-seitige Porträts gewidmet sind. Eine Zeittafel
und ein Überblick der Widerstandsforschung runden die Publikation ab.
*Detlef Graf von Schwerin, „Dann sind’s die besten Köpfe, die man henkt“. Die junge
Generation im deutschen Widerstand. 576 S., München 1991.
Der 1944 geborene Sohn des Attentäters Ulrich-Wilhelm Graf von Schwerin, der am 8.
September 1944 hingerichtet wurde, erarbeitete eine bebilderte Gruppenbiografie der
mit seinem Vater befreundeten Widerständler Albrecht von Kessel, Eduard Brücklmeier,
Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg, Peter Graf York von Wartenburg und Botho von
Wussows. Er zeichnet die vielfältigen Verbindungen und persönlichen Freundschaften,
die das gemeinsame Handeln erst ermöglichten, detailliert nach und gibt ein präzises
Bild des bürgerlichen Widerstands. Wegen des Umfangs und begrenzten Themas nur
für einen sehr intensiven Einstieg geeignet. (Signatur der HLZ: NS-Wi 3244/94)
#Hans Mommsen, Der 20. Juli und die deutsche Arbeiterbewegung. 30 S., Berlin 21989.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
64
*Gerd R. Ueberschär (Hg.), Der 20. Juli 1944. Bewertung und Rezeption des deutschen
Widerstandes gegen das NS-Regime. 348 S., Köln 1994.
Der Sammelband reflektiert die Rezeptionsgeschichte des deutschen Widerstands
ausgehend vom Attentat am 20. Juli 1944. Dabei geht es um die Haltung der
Siegermächte, der Geschichtsschreibung in BRD und DDR – insbesondere in den
Schulbüchern und Medien – sowie den Umgang mit überlebenden Widerständlern.
Analysiert wird auch die Rezeption des 20. Juli 1944 in der Bundeswehr. Außerdem
bewertet der Band den Widerstand in Grenzbereichen wie „Edelweiß-Piraten“,
Desertion, die Rote Kapelle oder das Nationalkomitee „Freies Deutschland“. Gerade weil
die Beiträge Linien bis in die Gegenwart ziehen, stellt der mit umfangreichen
Anmerkungen versehene Band Nähe zum heutigen politischen Leben her. (Signatur der
HLZ: NS-Wi 3685/96)
Gerd R. Ueberschär, Stauffenberg. Der 20. Juli 1944. 272 S., Frankfurt am Main 2004.
Das Buch zum gleichnamigen Fernsehfilm beleuchtet das Attentat auf Hitler aus
unterschiedlichen Perspektiven, stellt die Beteiligten und ihre Frauen kurz vor, ordnet
den 20. Juli in den Kontext des deutschen Widerstands ein, beschreibt die Folgen und
die Rezeption.
3.13
Rote Kapelle
Hans Coppi/Jürgen Danyel/Johannes Tuchel (Hg.), Die Rote Kapelle im Widerstand gegen den
Nationalsozialismus. 308 S., Berlin 1994.
Der bebilderte Sammelband enthält Beiträge zur Verortung und Rezeption der Roten
Kapelle und ihrer Mitglieder sowie zahlreiche Porträts wichtiger Protagonisten der
Widerstandsgruppe.
Regina Griebel/Marlies Coburger/Heinrich Scheel, Erfasst? Das Gestapo-Album zur Roten
Kapelle. Eine Foto-Dokumentation. 372 S., Halle 1992.
Sehr eindrückliche Zusammenstellung der Gestapo-Fotos von Protagonisten der Roten
Kapelle, die in Bildbiografien auch in privaten Aufnahmen sowie Texten vorgestellt
werden. Sowohl die Verhaftungen als auch die Prozesse sind ausführlich dokumentiert.
Das Buch ist wegen der Materialvielfalt sehr gut für eine persönlich berührende
Beschäftigung mit Einzelschicksalen geeignet.
3.14
Weiße Rose
Detlef Bald, Die Weiße Rose. Von der Front in den Widerstand. 203 S., Berlin 22003.
*Beck-Verlag München (Hg.), Die Weiße Rose und das Erbe des deutschen Widerstandes.
Münchner Gedächtnisvorlesungen. 216 S., München 1993.
Seit 1983 werden an der Münchner Ludwig-Maximilian-Universität alljährlich
Vorlesungen zum Gedächtnis an die Widerstandsgruppe Weiße Rose gehalten, die hier
dokumentiert wurden. Sie beschäftigen sich damit, welche Lehren sich aus dem
Widerstand gegen das Unrechtsregime ziehen lassen. So geht Manès Sperber der
Frage nach der Dialektik von Anpassung und Widerstand von Individuum und
Gemeinschaft nach. Hans Mommsen sucht nach den Verbindungen zwischen dem
Widerstand und der Wiederherstellung der Grundlagen für die Politik. Ein politisches
Buch, das in elf Beiträgen direkt in die Gegenwart führt. (Signatur der HLZ: NS-Wi
3095/93)
*Annette E. Dumbach/Jud Newborn, Die Geschichte der Weißen Rose. 266 S., Freiburg im
Breisgau 1994.
Die amerikanischen Autoren haben nach umfangreichen Recherchen ein spannendes
Buch über die Mitglieder der Weißen Rose und ihre Lebensumstände vorgelegt.
Stellenweise werden Passagen aus Flugblättern, Briefen oder Tagebüchern zitiert. Als
gut lesbare Hintergrundinformation zur Weißen Rose und zum studentischen
Widerstand geeignet.
Joachim Fest, Staatsstreich. Der lange Weg zum 20. Juli. 415 S., Berlin 52004.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
65
Fest bietet neben der Reflektion über den Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 im Anhang
Kurzbiografien der Widerständler und eine Zeittafel.
*Willi Graf, Briefe und Aufzeichnungen. Mit einer Einleitung von Walter Jens. 350 S.,
überarbeitete Neuausgabe Frankfurt am Main 1994. (Signatur der HLZ: NS-Wi 3365/94)
Die bebilderte Dokumentation gibt einen intensiven Einblick in die Gedanken des
Gefährten von Hans und Sophie Scholl Willi Graf. Neben seinem von der Gestapo
unentdeckten Tagebuch mit Eintragungen von Juni 1942 bis kurz vor der Verhaftung am
18. Februar 1943 enthält sie Briefe aus den Jahren 1940 bis 1943, ferner die
Anklageschrift und einen Kurzlebenslauf. Wer intensiv in die Geschichte der Weißen
Rose einsteigen möchte, findet hier einen authentischen und sehr spannenden Zugang.
(Signatur der HLZ: NS-Wi 3348/94)
Michael Kißener/Bernhard Schäfers (Hg.), „Weitertragen“. Studien zur Weißen Rose.172 S.,
Konstanz 2001.
Die Festschrift zum 80. Geburtstag von Anneliese Knoop-Graf bietet einen Abschnitt zu
Willi Graf, je einen weiteren zur Geschichte der Weißen Rose sowie zu ihrer
Rezeptionsgeschichte.
#Anneliese Knoop-Graf, „Jeder Einzelne trägt die ganze Verantwortung“ – Willi Graf und die
Weiße Rose. 20 S., Berlin 1991.
Christian Petry, Studenten aufs Schafott. Die weiße Rose und ihr Scheitern. 258 S., München
1968.
Ein Standardwerk zur Widerstandsgruppe der Weißen Rose und trotz des Alters eine
kritische Beschäftigung mit dem studentischen Widerstand.
*Inge Scholl, Die Weiße Rose. 208 S., Erweiterte Neuausgabe Frankfurt am Main 1993.
Die Schwester von Sophie und Hans Scholl, Inge Scholl, erzählt anhand geretteter
Dokumente die Vorgeschichte und den Verlauf der Weißen Rose. Im Folgenden werden
ihre Flugblätter dokumentiert. Der dritte Abschnitt enthält die Urteile gegen die
Geschwister Scholl, Christoph Probst, Alexander Schmorell, Kurt Huber und Wilhelm
Graf. In Augenzeugenberichten kommen Menschen aus dem Umfeld zu Wort.
Zeitgenössische Reaktionen aus dem In- und Ausland schließen den Band ab, der als
gute Basis für die intensive Beschäftigung mit der Weißen Rose dienen kann. (Signatur
der HLZ: NS-Wi 2928/93)
3.15
Nationalkomitee Freies Deutschland
*Gerd R. Ueberschär (Hg.), Das Nationalkomitee „Freies Deutschland“ und der Bund Deutscher
Offiziere. 304 S., Frankfurt am Main 1995.
Der Sammelband vereinigt neueste Forschung von deutschen und russischen
Wissenschaftlern, die den Widerstand deutscher Kriegsgefangener in der UdSSR neu
bewerten. Besonderes Augenmerk gilt dem Handlungsspielraum des Nationalkomitees
„Freies Deutschland“ (NKFD) und des Bundes Deutscher Offiziere (BDO), die lange
fälschlich nur als „Handlanger Moskaus“ gesehen wurden. Ferner beschäftigen sich die
Autoren mit der Bewertung von NKFD und BDO nach 1945. Am Schluss dokumentiert
der Band Quellen und Zeugenaussagen. (Signatur der HLZ: NS-Wi 4138/98)
3.16
In Konzentrationslagern
Barbara Distel, Widerstand der Verfolgten, in: Wolfgang Benz/Walter H. Pehle (Hg.), Lexikon
des deutschen Widerstandes. Frankfurt am Main 2001, S. 112-126.
Solidarität und Widerstand. Dachauer Hefte 7. 241 S., München 1995.
Hier werden Berichte aus Konzentrationslagern präsentiert. Verschiedene Artikel zu den
Personen sowie Formen des Widerstands unter Haftbedingungen.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
66
3.17
Im Exil
#Wolfgang Benz, Widerstand im Exil – Exil als Widerstand. 16 S., Berlin 1991.
*Bundeszentrale für politische Bildung (Hg.), Widerstand und Exil 1933-1945. 302 S., Bonn
3
1989.
Der Sammelband ist in vier Themenfelder gegliedert. Zunächst erläutern zwei
Einführungsbeiträge den Problemhorizont. Im zweiten Teil geht es in zehn Artikeln um
verschiedene Widerstandsbewegungen, wobei besonders auf die Auseinandersetzung
mit künstlerischem Widerstand in Konzentrationslagern und Ghettos hingewiesen sei.
Der dritte Abschnitt widmet sich mit fünf Texten dem Exil von Schriftstellern, Künstlern,
Wissenschaftlern und Politikern. Im letzten Kapitel setzen sich unter anderen Willy
Brandt und Ralph Giordano mit dem Widerstand und seinen Widersachern sowie dem
Umgang mit Widerstandskämpfern und Emigranten nach dem Krieg auseinander.
(Signatur der HLZ: NS-Wi 4010/97)
#Susanne Miller, Sozialistischer Widerstand im Exil: Prag – Paris – London. 32 S., Berlin 1984.
Patrik von zur Mühlen, Exil und Widerstand, in: Wolfgang Benz/Walter H. Pehle (Hg.), Lexikon
des deutschen Widerstandes. Frankfurt am Main 2001, S. 127-139.
Gerhard Ringshausen/Rüdinger Voss (Hg.), Die Ordnung des Staates und die Freiheit des
Menschen. Deutschlandpläne im Widerstand und im Exil. 374 S., Bonn 2000.
Die Publikation versammelt Denkschriften und Ideen zur Neuordnung Deutschlands für
die Zeit nach dem „Dritten Reich“, die von Personen aus unterschiedlichsten Kontexten
stammen. Die Überlegungen führen direkt in die Nachkriegszeit und die Diskussion über
die Grundlagen unserer Demokratie.
#Ludwig Rosenberg, Widerstand aus der Sicht der Emigration. 16 S., Berlin 41987.
3.18
Im Ausland
*Callum MacDonald, Heydrich – Anatomie eines Attentats. 288 S., München 1990.
Das spannend geschriebene und bebilderte Buch bietet eine genaue Erforschung der
Umstände des Attentats auf den berüchtigten Reichsprotektor von Böhmen und Mähren
Reinhard Heydrich durch tschechische Widerstandskämpfer. Die Nationalsozialisten
rächten sich für den Tod Heydrichs mit der Zerstörung der Orte Lidice und Lezaky sowie
grausamen Repressalien gegen Juden und Tschechen. MacDonald benutzte bis dahin
unausgewertete Dokumente und führte Interviews mit überlebenden Beteiligten. Als
Hintergrundinformation für das Agieren der tschechischen Exilregierung geeignet.
(Signatur der HLZ: NS-Wi 3408/94)
4.
4.1
Biografien
Biografien von Widerstandskämpfern allgemein
*Eugen Herman-Friede, Für Freudensprünge keine Zeit. Erinnerungen an Illegalität und
Aufbegehren 1942-1948. Mit einem Nachwort von Barbara Schieb-Samizadeh. 224 S.,
Berlin 41991.
Der 1926 geborene und in Berlin aufgewachsene Eugen Herman-Friede wurde als Jude
verfolgt, während seine Mutter, die in zweiter Ehe mit einem „Arier“ verheiratet war, den
Gelben Stern nicht tragen musste. Friede schildert ausgehend von seinen
Alltagserfahrungen lebendig und anschaulich die Zwangsarbeit als 16-Jähriger auf dem
Jüdischen Friedhof und andere Erlebnisse. Im Januar 1943 musste er wegen der
drohenden Deportation untertauchen. Bei seinen Helfern im Versteck erlebte er die
Gründung der kaum bekannten Widerstandsgruppe „Gemeinschaft für den Frieden“, der
sich der Jugendliche anschloss. Herman-Friede wurde im Dezember 1944 gemeinsam
mit seinen Eltern verhaftet. Während sein Stiefvater vermutlich ermordet wurde,
überlebte der Junge die Haft in verschiedenen Gefängnissen. An seinem 19.
Geburtstag, dem 23. April 1945, wurde er freigelassen. Die Mutter kehrte im Sommer
1945 aus dem Konzentrationslager Theresienstadt zurück.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
67
Lothar Gruchmann, Autobiographie eines Attentäters. Johann Georg Elser. Der Anschlag auf
Hitler im Bürgerbräu 1939. 166 S., Stuttgart 21982.
Lothar Gruchmann stellt hier die Protokolle der brutalen Vernehmungen des erfolglosen
Attentäters Johann Georg Elser vor, die im Anschluss an seinen Essay abgedruckt
werden. Der Schreiner aus Württemberg versuchte am 8. November 1939 völlig auf sich
allein gestellt und nach systematischen Vorbereitungen, Adolf Hitler zu beseitigen. Er
wurde am 9. April 1945 im Konzentrationslager Dachau ermordet.
*Hellmut G. Haasis, „Den Hitler jag' ich in die Luft“. Der Attentäter Georg Elser. Eine Biographie.
272 S., Berlin 1999.
Die auf breiter Quellenbasis und den Vernehmungsprotokollen Elsers erarbeitete
Biografie sucht nach den Motiven des allein handelnden Handwerkers, der früh
erkannte, dass Hitler und mit ihm der auf Krieg zusteuernde Nationalsozialismus nur mit
Gewalt gestoppt werden könne. Das Lebensbild ist besonders interessant, weil sich
Elser in keine ideologische Schublade einordnen lässt. (Signatur der HLZ: NS-Wi
5063/0)
*Friedrich Freiherr Hiller von Gaertringen (Hg.), Die Hassell-Tagebücher 1938-1944. Ulrich von
Hassell. Aufzeichnungen vom Andern Deutschland. 692 S., 2., durchgesehene Auflage,
Berlin 1989.
Die wissenschaftlich kommentierte bebilderte Tagebuchedition ermöglicht einen
unmittelbaren Einblick in die Wahrnehmung eines konservativen Diplomaten, der
zunehmend Distanz zum NS-Regime entwickelt und sich schließlich den Attentätern des
20. Juli 1944 anschließt. Im Gegensatz zu den meisten anderen Zeitzeugenberichten
beschäftigt sich von Hassell mit einer Vielzahl aktueller politischer Ereignisse, die er
bewertet, darunter auch die Massenmorde an Juden in Russland durch Deutsche. Nur
für sehr interessierte Oberstufenschüler mit großer Leselust geeignet. (Signatur der
HLZ: NS-Wi 1394/89)
#Anneliese Knoop-Graf, „Das wird Wellen schlagen“ – Erinnerungen an Sophie Scholl. 23 S.,
Berlin 2002.
*Beate Ruhm von Oppen (Hg.), Helmuth James von Moltke. Briefe an Freya 1939-1945. 632 S.,
München 1988.
Helmuth James von Moltke, Mittelpunkt des Kreisauer Kreises, schrieb seiner Ehefrau
Freya seit 1939 von Berlin täglich nach Hause. Die Briefe verdeutlichen sein Ringen, in
Christentum und Philosophie Fundamente für die Auseinandersetzung mit dem
Nationalsozialismus zu gewinnen. Sie unterrichten uns auch von seinen Versuchen,
rechtswidrige und unmenschliche Maßnahmen gegen Kriegsgefangene und die
Bevölkerung in den besetzten Gebieten zu unterbinden. Die sorgfältige, bebilderte
Edition eignet sich nur als intensive Hintergrundlektüre. (Signatur HLZ: NS-Wi 1137/8)
*Ulrich Sahm, Rudolf von Scheliha 1897-1942. Ein deutsche Diplomat gegen Hitler. 400 S.,
München 1990.
Der bis zum Kriegsbeginn in Polen eingesetzte und seitdem im Auswärtigen Amt tätige
Diplomat entwickelte sich während der NS-Zeit vom pflichterfüllenden Staatsdiener zum
Oppositionellen. Aus seiner Position versuchte von Scheliha, NS-Verbrechen zu
verhindern und das Ausland über das wahre Geschehen in Deutschland und Polen zu
informieren. Auf Betreiben der Geheimen Staatspolizei wurde er 1942 wegen
angeblichen Landesverrats aus niederen Motiven zum Tode verurteilt und gehenkt.
Sahm entwirft auf Grundlage umfangreicher Recherchen das Bild eines Menschen, der
im totalitären Staat beispielhafte Zivilcourarge bewies. Nur für die intensive
Beschäftigung mit einem Einzelschicksal geeignet; allerdings sind die Texte durchaus
schwierig zu lesen. (Signatur der HLZ: NS-Wi 1846/90)
*Gregor Schöllgen, Ulrich von Hassell 1881-1944. Ein Konservativer in der Opposition. 280 S.,
München 1990.
Die erste Biografie des Diplomanten, der als Botschafter in Rom anfangs die Politik
Hitlers an exponierter Stelle mittrug, zeichnet die Lebens- und Gedankenwelt des
Konservativen nach. Auf umfangreichen Archivrecherchen basierend bietet das Buch die
spannende Rekonstruktion der Ideen von Hassells, der unter anderem Hitlers
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
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Kriegsplänen die Vision eines politisch geeinten Europas unter Führung eines starken
Deutschlands entgegensetzte und tiefe Scham über „die Lösung der Judenfrage“
empfand, wie NS-Ankläger Roland Freisler ihm vorhielt. Als Beteiligter im Umfeld des
Attentats vom 20. Juli 1944 wurde er hingerichtet. (Signatur der HLZ: NS-Wi 1650/90)
4.2
Biografien von Widerstandskämpfern mit Hessen-Bezug
Gerhard Beier, Sozialstaat als realutopische Perspektive im Kampf gegen den Hitlerismus und
für eine soziale Demokratie. Vergleichende Lebensbeschreibung von Willi Richter (18941972) und Wilhelm Leuschner (1890-1944) mit besonderer Berücksichtigung ihrer
Vorstellung von Staat und Gesellschaft, in: Hessische Landeszentrale für politische
Bildung (Hg.), Republik, Diktatur und Wiederaufbau. Hessische Persönlichkeiten des 20.
Jahrhunderts. Wiesbaden o. J. [1994], S. 61-65.
Antje Dertinger, Der treue Partisan. Ein deutscher Lebenslauf: Ludwig Gehm. 192 S., Bonn
1989.
Dertinger berichtet spannend vom Widerstand des jungen, 1905 in Frankfurt geborenen
Sozialisten Ludwig Gehm, der sein geradliniges Engagement mit KZ-Haft büßen musste.
Ihm gelang die Flucht aus dem berüchtigten Strafbataillon 999, die von den
Nationalsozialisten als Desertion verfolgt wurde. Schließlich kämpfte er an der Seite
griechischer Partisanen gegen den Nationalsozialismus. Nach der Befreiung wurde er
als britischer Kriegsgefangener nach Ägypten gebracht und konnte erst 1947 nach
Frankfurt zurückkehren.
*Antje Dertinger/Jan von Trott, „... und lebe immer in Eurer Erinnerung“. Johanna Kirchner –
Eine Frau im Widerstand. 212 S., Bonn 1985.
Die Autoren stellen die 1899 geborene Sozialdemokratin vor, die zu den Gründerinnen
der Arbeiterwohlfahrt in Frankfurt gehörte. Sie musste 1933 in das vom Völkerbund
verwaltete Saargebiet und 1935 in das französische Exil flüchten, wo sie für den
sozialdemokratischen Exilvorstand und in der Emigrantenhilfe arbeitete. Kirchner wurde
1942 von Vichy-Frankreich an Deutschland ausgeliefert und 1944 in Berlin hingerichtet.
Joachim Fest, Spiel mit hohem Einsatz. Über Adam von Trott, in: Vierteljahreshefte für
Zeitgeschichte, 46. Jg., Heft 1 (1998), S. 1-18.
Der aus einem Vortrag in Oxford anlässlich der Benennung dortiger Studienräume nach
von Trott hervorgegangene Aufsatz beleuchtet die christliche Motivation zur
Gegnerschaft zum Nationalsozialismus des 1909 geborenen Diplomaten aus einer
traditionsreichen hessischen Familie. Der dem Kreisauer Kreis angehörende von Trott
bemühte sich um die Anerkennung des deutschen Widerstands im Ausland. Er wurde
vom Volksgerichtshof 1944 wegen seiner Beteiligung am Umsturzversuch vom 20. Juli
zum Tode verurteilt.
Lina Haag, Eine Handvoll Staub. 167 S., Neuausgabe Frankfurt am Main 1995
Die Aufzeichnungen von Lina Haag über die Zeit der Haft im Gefängnis und dem
Konzentrationslager werden hier als Brief an ihren Ehemann präsentiert. Sie wurden
noch 1944 in der Illegalität verfasst. Der KPD-Abgeordnete war bereits 1933 verhaftet
worden. Der Bericht überzeugt durch die eindrucksvolle und gleichzeitig unprätentiöse
Darstellung. Neben Kogons SS-Staat war das Manuskript eine der ersten
Veröffentlichungen zum Widerstand nach dem Krieg.
Anette Hild-Berg, Toni Sender – eine hessische Sozialistin kämpft für die Freiheit, in: Renate
Knigge-Tesche/Axel Ulrich (Hg.), Verfolgung und Widerstand in Hessen 1933-1945.
Frankfurt am Main 1996, S. 335-345.
Peter M. Kaiser, Anmerkungen zu Hermann Kaiser, in: Hessische Landeszentrale für politische
Bildung (Hg.), Republik, Diktatur und Wiederaufbau. Hessische Persönlichkeiten des
20. Jahrhunderts. Wiesbaden o. J. [1994], S. 55-60.
Peter Kaupp, Hermann Kaiser (1885-1945) und Ludwig Beck (1880-1944) im Widerstand
gegenüber dem Nationalsozialismus, in: Hessische Landeszentrale für politische Bildung
(Hg.), Republik, Diktatur und Wiederaufbau. Hessische Persönlichkeiten des 20.
Jahrhunderts. Wiesbaden o. J. [1994], S. 45-54.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
69
Monica Kingreen, Siegfried Höxter – ein kämpferischer Sozialdemokrat, in: Renate KniggeTesche/Axel Ulrich (Hg.), Verfolgung und Widerstand in Hessen 1933-1945. Frankfurt
am Main 1996, S. 138-151.
Renate Knigge-Tesche, Zwei Frauen aus der Arbeiterwohlfahrt im Widerstand: Lotte Lemke und
Johanna Kirchner, in: Renate Knigge-Tesche/Axel Ulrich (Hg.), Verfolgung und
Widerstand in Hessen 1933-1945. Frankfurt am Main 1996, S. 346-357.
Clarita von Trott zu Solz, Adam von Trott zu Solz. Eine Lebensbeschreibung. Mit einer
Einführung von Peter Steinbach. 238 S., Berlin 1994.
Ursula Lücking (Hg.), Anna Beyer. Politik ist mein Leben. 292 S., Frankfurt am Main 1991.
Die Frankfurter Sozialdemokratin schildert in ihren bebilderten Memoiren die politische
Prägung ihres Lebensweges. Breiten Raum nehmen dabei ihre Erfahrung als
Widerständlerin in Frankfurt sowie im französischen Exil ein. Die aus einer SPDorientierten Arbeiterfamilie stammende Beyer gehörte dem Internationalen
Sozialistischen Kampfbund (ISK) an und lebte zeitweise in einer WG. Sehr anschaulich
beschreibt sie ihre lebensgefährliche illegale Arbeit bei der sie u.a. mit einem
präparierten Koffer den Schriftzug „Nieder mit Hitler!“ auf das Pflaster druckte.
Klaus Jürgen Müller, Generaloberst Ludwig Beck – Zentralfigur des nationalkonservativen
Widerstandes, in: Renate Knigge-Tesche/Axel Ulrich (Hg.), Verfolgung und Widerstand
in Hessen 1933-1945. Frankfurt am Main 1996, S. 538-547.
Michael Pope, Alfed Delp S. J. im Kreisauer Kreis. Die rechts- und sozial-philosophischen
Grundlagen in seinen Konzeptionen für eine Neuordnung Deutschlands. 240 S.,
Mainz 1994.
Heinrich Scheel, Der Gelehrte Werner Krauss und sein Widerstand gegen den
Nationalsozialismus, in: Renate Knigge-Tesche/Axel Ulrich (Hg.), Verfolgung und
Widerstand in Hessen 1933-1945. Frankfurt am Main 1996, S. 498-507.
Andreas Schott, Adam von Trott zu Solz: Jurist im Widerstand. Verfassungsrechtliche und
staatspolitische Auffassungen im Kreisauer Kreis. 230 S., Paderborn/München/
Wien/Zürich 2001.
Axel Ulrich, Konrad Arndt. Ein Wiesbadener Gewerkschafter und Sozialdemokrat im Kampf
gegen den Faschismus. 87 S., Wiesbaden 2001.
Konrad Arndt, vor 1933 Sekretär beim Wiesbadener Ortsausschuss des Allgemeinen
Deutschen Gewerkschaftsbundes, Führers der Eisernen Front und des Reichsbanners
Schwarz-Rot-Gold in Wiesbaden, versuchte noch Anfang 1933 die Kommunisten für den
gemeinsamen Kampf mit den Sozialdemokraten gegen die Nationalsozialisten zu
gewinnen. Arndt wurde mehrfach von Nazihorden schwer misshandelt und dabei mit
einem Messer lebensgefährlich verletzt. Er verlor sein Stadtverordnetenmandat und
nach der Ablehnung der Kooperation mit der DAF auch seine Arbeit. Ulrich bettet die –
oft entrüstete – Schilderung von Arndts Verfolgung sowie seines Engagements in die
Geschichte der (Wiesbadener) Gewerkschaften und Sozialdemokraten ein. Die Konflikte
zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten werden ausführlich vorgestellt. Deutlich
werden auch die engen persönlichen Verflechtungen mit anderen Widerstandskämpfern,
beispielsweise der Schwägerin Johanna Kirchner. Arndt wurde 1935 wegen angeblicher
„fortgesetzter staatsfeindlicher Betätigung“ in die Konzentrationslager Esterwegen,
später nach Sachsenhausen verschleppt. Knapp zwei Jahre nach seiner Haftentlassung
kam er 1940 unter ungeklärten Umständen bei einem Unfall zu Tode. Sein Sohn Rudi
Arndt wurde nach dem Krieg als Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt und Hessischer
Minister bekannt.
Axel Ulrich, Georg Buch (1903-1995) – ein streitbarer Sozialdemokrat zwischen Widerstand und
Wiederaufbau, in: Hessische Landeszentrale für politische Bildung (Hg.), Republik,
Diktatur und Wiederaufbau. Hessische Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts.
Wiesbaden o. J. [1994], S. 116-125.
Axel Ulrich, Heinrich Georg Ritzel. Vom antifaschistischen Abwehrkampf im Volksstaat Hessen
zu den demokratischen Neuordnungsdiskussionen im Schweizer Exil, in: Renate
Knigge-Tesche/Axel Ulrich (Hg.), Verfolgung und Widerstand in Hessen 1933-1945.
Frankfurt am Main 1996, S. 358-373.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
70
5.
Rezeptionsgeschichte
#Kurt Finker, Der 20. Juli 1944 und die DDR-Geschichtswissenschaft. 20 S., Berlin 1990.
Peter Reichel, Vergangenheitsbewältigung in Deutschland. 254 S., München 2001.
In Kapitel V „Der Remer-Prozess und die Rehabilitierung des 20. Juli“ (S. 97-106)
zeichnet der Autor die Geschichte des Prozesses gegen den ehemaligen
Wehrmachtsoffizier Otto Ernst Remer nach, der die Widerständler in
Wahlveranstaltungen öffentlich als „Verräter“ diffamierte und deren Familienangehörige
bedrohte. Er war als Kommandeur des Wachbataillons „Großdeutschland“ 1944 an der
Niederschlagung des Umsturzversuchs in Berlin beteiligt gewesen und gehörte nach
dem Krieg der neonazistischen Sozialistischen Reichspartei an. Als Generalstaatsanwalt
fungierte damals übrigens Fritz Bauer, der wesentlich am Zustandekommen des
Frankfurter Auschwitz-Prozesses ab 1963 beteiligt war. Das Buch ist in Lizenzausgabe
aus dem Jahre 2003 gegen geringe Gebühr bei der Bundeszentrale für politische
Bildung erhältlich!
Jürgen Schmädeke/Peter Steinbach (Hg.), Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Die
deutsche Gesellschaft und der Widerstand gegen Hitler. 1185 S., München/Zürich
3
1994.
Der aus einer Konferenz hervorgegangene Sammelband bietet einen Überblick zur
westdeutschen und internationalen Widerstandsforschung bis Mitte der 1980er Jahre.
Ein zentrales Thema ist, inwieweit die deutsche Gesellschaft zum Widerstand in der
Lage war.
#Peter Steinbach, Widerstand gegen den Nationalsozialismus in der zeitgeschichtlichen
Auseinandersetzung. 70 S., Berlin 1995.
6.
Jugendbücher
Lutz van Dick, Der Partisan. 188 S., München 2003.
Der Autor schildert den Widerstand in den Ghettos Warschau und Wilna.
Theo Engelen, Schatten aus der Vergangenheit. 141 S., München 2001.
Es geht um eine Vater-Sohn-Geschichte in den Niederlanden und um Widerstand gegen
den Nationalsozialismus.
Willi Fährmann, Unter der Asche die Glut. 563 S., Würzburg 2003.
Die Handlung ist im Arbeitermilieu des Ruhrgebiets angesiedelt.
Barbara Gehrts, Nie wieder ein Wort davon? 157 S., München 1993.
Gehrts erzählt das Geschehen von Widerstand und Verfolgung im Berlin der Jahre
1939-1945.
Jean-Pierre Kerloc’h, Die Freunde der Finsternis. 140 S., Weinheim 1995.
Eine Résistance-Geschichte, die 1942 in den Katakomben von Paris spielt.
Eva-Maria Kohl, Der Koffer mit dem doppelten Boden. 207 S., München 1995.
Das Geschehen dreht sich um eine Emigrantenfamilie, die in Frankreich Zuflucht findet.
Klaus Kordon, Der erste Frühling. 510 S., Weinheim 1999.
Protagonist ist eine Arbeiterfamilie in Berlin während der NS-Zeit.
Mark O’Sullivan, Engel ohne Flügel. 175 S., Stuttgart 2001.
Im Berlin der Kriegsjahre sieht sich eine „Jugendbande“ politischer Verfolgung
ausgesetzt.
Bjarne Reuter, Freiheit ist einen Kampf wert. 207 S., Hamburg 2002.
Handelt von der Besatzungszeit Dänemarks und dem Widerstand.
Harald Roth (Hg.), Widerstand. 255 S., Ravensburg 21994.
Ein Jugendsachbuch zum Thema Widerstand.
Dieter Schenk, Wie ich Hitler Beine machte. 285 S., München 2003.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
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Laut Verlag geeignet für Schüler ab der 9. Klasse. Die Handlung ist in Danzig und
Warschau um eine weibliche Heldin und ihren patriotischen Vater angesiedelt.
Martin Selber, Geheimkurier A. 93 S., Reinbek 2000.
Es geht um einen politischen Gefangenen 1939.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
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Jugend debattiert:
Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus
heute?
Ausgewählte Filme zum Thema
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
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Die aufgeführten Dokumentar- und Spielfilme sind überwiegend beim Landesfilmdienst Hessen
(Frankfurt am Main), bei der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung (Wiesbaden),
beim Deutschen Filmzentrum (Bonn) sowie bei Kreis- und Stadtbildstellen leihweise für den
nichtgewerblichen Einsatz erhältlich. Für einige Medien sind Bezugsquellen und
Bestellnummern bereits angegeben.
1.
Allgemeine Darstellungen
Sie wollten Hitler töten.
Vierteilige ZDF-Dokumentation, jeweils 45 Minuten, Farbe, D, 2004, Regie: Guido Knopp. Teil
1: Der einsame Held (Georg Elser), Teil 2: Verpasste Chancen (Militärischer und ziviler
Widerstand), Teil 3: Der Attentäter (Claus Schenk Graf von Stauffenberg), Teil 4: Die letzte
Chance (Der Staatsstreich missglückt).
Die neue ZDF-Dokumentation berichtet über die vergeblichen Versuche, Adolf Hitler zu
töten. Dabei konzentriert sie sich im wesentlichen auf Einzelpersonen, die ihrem eigenen
Gewissen folgten. Das gleichnamige Begleitbuch von Guido Knopp erschien im Februar
2004 im Verlag C. Bertelsmann.
Il canto sospeso. Chorwerk von Luigi Nono.
DVD, etwa 50 Minuten, Farbe, D, 2002, Komposition: Luigi Nono, Interpretation: Berliner
Philharmonisches Orchester und Leitung von Claudio Abbado und Rundfunkchor Berlin unter
Leitung von Dietrich Knothe, Vorwort: Umberto Eco, Quelle: Hessische Landeszentrale für
politische Bildung, Bestellnr.: DVD Video 1.
Die Komposition basiert auf Abschiedsbriefen von Anton Popov (Bulgarien), Andreas
Likourinos, Elefthèrios Kiossès, Konstantinos Sirbas (Griechenland), Ljubka
Schwetzowa, Irina Malozon (Russland), Chaim, Esther Srul (Polen), Eusebio Glambone
(Italien) und Elli Voigt (Deutschland). Sie alle waren Widerstandskämpfer oder Verfolgte
des NS-Regimes. In der deutschen Fassung werden die Briefe von Susanne Lothar und
Bruno Ganz vorgetragen. Fotografien, Zeichnungen und Filmsequenzen vor allem über
den Holocaust bilden den Hintergrund zu Texten und Musik. Luigi Nono begriff sein
eindrückliches Werk als „Credo für ein Leben in Frieden, Freiheit und Menschlichkeit“.
Letzte Briefe.
Video, Dokumentarfilm, 7 Minuten, Farbe, D, 1999, Buch und Regie: Hans Sparschuh, Quelle:
Hessische Landeszentrale für politische Bildung, Bestellnr.: AV-208.
Im Zentrum der Dokumentation stehen die schriftlichen Vermächtnisse von zum Tode
Verurteilten Mitgliedern des Widerstands, die in den Zuchthäusern Brandenburg-Görden
und Plötzensee inhaftiert waren. Diese werden kontrastiert mit Aufnahmen und
Kommentaren aus dem 1942 produzierten Propagandafilm „Arbeit und Strafvollzug im
Zuchthaus Brandenburg-Görden“. Zeugnis über die wahren Zustände in dieser Anstalt
und die Verzweiflung der Todgeweihten legen Briefe des Gefängnispfarrers Harald
Poelchau ab, aus denen zitiert wird. Dem Film liegt ein Materialienheft bei, das Hinweise
zu Inhalt, Lernzielen, Didaktik und Hintergrundinformationen, zwei Arbeitsblätter mit
Auszügen eines Briefes von Helmut James Graf von Moltke und Namen von zum Tode
verurteilten Frauen und Männern sowie Literaturhinweise enthält.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
74
Das unruhige Gewissen.
Video, 95 Minuten, Farbe, USA, 1991, Regie: Hava Kohav Beller, FSK ab 0, Quelle:
Landesfilmdienst Hessen, Bestellnr.: 99484.
Dokumentation über Geisteshaltung, Motivation und Handlungen verschiedener
Widerstandsgruppen in der Zeit des Nationalsozialismus. Die Aufmerksamkeit der
Zuschauer wird auf Konflikte gelenkt, die aus dem Anspruch persönlicher Verantwortung
innerhalb eines totalitären Regimes resultieren.
Die Mitläufer.
Spielfilm, 95 Minuten, D, 1984, Regie: Eberhard Itzenblitz, FSK ab 12, Prädikat: wertvoll,
Produktion: E.M.L. Film- und Fernsehproduktion.
In zehn Spielhandlungen werden Alltagssituationen während der NS-Zeit dokumentiert.
Im Widerstreit zwischen Zivilcourage einerseits und angepasstem Verhalten,
Opportunismus und Gehorsam andererseits geben die verschiedenen Protagonisten
den Zuschauern die Möglichkeit, eigene Verhaltensweisen zu hinterfragen.
Widerstand in Deutschland.
Dokumentation, 81 Minuten, GB/D, 1968, Regie: Lawrence Gordon-Clark, FSK ab 12,
Produktion: BBC.
Interviews mit Männern und Frauen des deutschen Widerstands. Der Film spürt der
Frage nach, warum die demokratischen Kräfte in Deutschland Hitler nicht verhindert
haben.
2.
Individueller Widerstand
Zivilcourage.
Video, Dokumentarfilm, Farbe, 7 Minuten, D, 1998, Buch und Regie: Jürgen Weber, Quelle:
Hessische Landeszentrale für politische Bildung, Bestellnr.: AV-169
Die Dokumentation stellt Bürger der Stadt Konstanz vor, die während der Zeit des
Nationalsozialismus individuell Widerstand leisteten und Juden zur Flucht über die
Schweizer Grenze verhalfen. Dabei gingen sie ein hohes persönliches Risiko ein und
gefährdeten zum Teil sogar ihr Leben. Dem Film liegt ein Materialienheft bei, das
Hinweise zu Inhalt, Lernzielen, Didaktik sowie Hintergrundinformationen, zwei
Arbeitsblätter mit Fragestellungen zum Thema Zivilcourage und Literaturhinweise
enthält.
Schindlers Liste.
Video, Spielfilm, 185 Minuten, Farbe, USA, 1993, Regie: Steven Spielberg, FSK ab 12,
Prädikat: besonders wertvoll, Quelle: Landesfilmdienst Hessen, Bestellnr.: 99514.
Der Fabrikant Oskar Schindler wusste seine guten Beziehungen zu höchsten
Funktionären der NSDAP für lukrative Aufträge und seine wirtschaftlichen Interessen zu
nutzen. Nachdem er Zeuge einer brutalen Säuberungswelle im Krakauer Ghetto wurde,
änderte er seine Haltung: In der Folgezeit wurde die Emailfabrik Schindlers Zufluchtstort
für mehr als 1.000 jüdische Arbeiterinnen und Arbeiter, die er dort vor der Willkür des
sadistischen KZ-Kommandanten Göth und vor der Deportation schützte. Der Film gibt
Anregungen, über die Chancen von Zivilcourage und den Erfolg individuellen
Widerstands zu reflektieren.
Schlaf der Gerechten.
16 mm, Spielfilm, 111 Minuten, sw, D, 1962, FSK ab 12, R: Rolf Hädrich, Quelle:
Landesfilmdienst Hessen, Bestellnr.: 99190.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
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Eine Geschäftsfrau versucht, jüdische Bürger vor der Verfolgung durch die
Nationalsozialisten zu schützen. Nach der Erzählung „Das Brandopfer“ von Albrecht
Goes.
3.
20. Juli 1944
Stauffenberg.
Spielfilm, 90 Minuten, Farbe, D, Erstausstrahlung in der ARD am 25. Februar 2004, Regie: Jo
Baier, FSK ab 12.
Regisseur Jo Baier über den historischen Stoff: „Mich interessiert das Attentat, weil es
dabei um Zivilcourage geht, weil es um Menschen geht, die für ihre Überzeugung ihr
Leben hingegeben haben.“ (tv Hören und Sehen, Nr. 8, 21.-27. Februar 2004, S. 70).
Claus Graf von Stauffenberg. Das Vermächtnis des Attentats.
16 mm, 24 Minuten, Farbe, D, 1990, FSK ab 0, Quelle: Landesfilmdienst Hessen, Bestellnr.:
1685.
Das Porträt wurde zum 80. Geburtstag von Stauffenbergs erarbeitet, beschreibt Leben
wie Handlungsmotivation des Widerstandskämpfers und enthält Originalaufnahmen der
Gerichtsverhandlung über andere Attentäter des „20. Juli“. Mit einer Laudatio von
Helmut Kohl.
Der 20. Juli vor dem Volksgerichtshof.
Video, 37 Minuten, Farbe, D, 1955, FSK ab 0, Quelle: Landesfilmdienst Hessen, Bestellnr.:
99494.
Szenen aus dem auf Befehl Hitlers hergestellten Film über die Prozesse gegen die
Attentäter vom 20. Juli 1944 vor dem Volksgerichtshof unter der Präsidentschaft Roland
Freislers.
Der 20. Juli.
35 mm, Spielfilm, 97 Minuten, sw, D, 1955, Regie: Falk Harnack, FSK keine Angabe, Quelle:
CCC-Filmkunst GmbH, Berlin.
Der Film beginnt im Jahr 1955 am Gedenkstein im Hof des ehemaligen Gebäudes des
Oberkommandos der Wehrmacht in der Bendlerstraße, wo ein elf Jahre zuvor am
Widerstand beteiligtes Paar der Toten gedenkt und sich an die Ereignisse rund um den
20. Juli 1944 erinnert.
4.
Kirchlicher Widerstand
Assisi Untergrund.
Spielfilm, 109 Minuten, Farbe, USA, 1984, Regie: Alexander Ramati, FSK ab 12, Prädikat:
wertvoll, Produktion: Golan Global Production.
Schauplatz der Handlung ist die italienische Stadt Assisi am 10. September 1943.
Franziskanerpater Rufino erhält den lebensgefährlichen Auftrag, jüdische Flüchtlinge in
von Alliierten besetztes Gebiet zu bringen, um sie vor dem mörderischen Zugriff der SS
zu retten.
Zwei Tage von vielen.
16 mm, Spielfilm, 69 Minuten, sw, D, 1964, Regie: Ralph Lothar, FSK ab 0, Quelle:
Landesfilmdienst Hessen, Bestellnr.: 1379.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
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Berlin 1941: Die Verhaftungen und Deportationen von Juden beginnen. Der Leiterin des
bischöflichen Diözesanhilfswerkes Dr. Landmann geling es, viele der Verfolgten zu
retten.
5.
Weiße Rose
Weiße Rose.
Video, Dokumentarfilm, Farbe, 7 Minuten, D, 1999, Buch und Regie: Katrin Kramer/Heinz
Richter, Quelle: Hessische Landeszentrale für politische Bildung, Bestellnr.: AV-205.
Die Dokumentation beginnt mit einer Beschreibung der Verhaftung und Verurteilung von
Mitgliedern der Weißen Rose. Im Rückblick werden die Vorgeschichte der
Widerstandsgruppe erzählt und die Biografien ihrer Protagonisten vorgestellt. Der
Zeitzeuge Franz Müller berichtet über Ideale und Überzeugungen von Jugendlichen, die
gegen Hitler opponierten. Eine seiner zentralen Fragen lautet: „Wie gewinnt man in einer
Diktatur die Gleichgültigen und Ängstlichen, sich am Widerstand zu beteiligen?“ Die
Aufnahmen entstanden im Gedenkmuseum Weiße Rose in der Münchener Universität.
Dem Film liegt ein Materialienheft bei, das Hinweise zu Inhalt, Lernzielen, Didaktik sowie
Hintergrundinformationen, Texte von Flugblättern der Weißen Rose und
Literaturhinweise enthält.
Die weiße Rose.
Video, Spielfilm, 123 Minuten, Farbe, D, 1982, Regie: Michael Verhoeven, FSK ab 12, Quelle:
Landesfilmdienst Hessen, Bestellnr.: 500333.
Die Geschwister Hans und Sophie Scholl studieren an der Universität München. Sie
begründen die Widerstandsgruppe „Die weiße Rose“. Nach der Niederlage von
Stalingrad im Januar 1943 verteilen sie in den Hörsälen ein Flugblatt, das sie auch in
den Lichthof der Universität warfen. Darin rufen die Unterzeichner zum Sturz Hitlers auf.
Aufgrund einer Denunziation durch den Hausmeister werden die Geschwister von der
Geheimen Staatspolizei verhaftet und durch den berüchtigten Präsidenten des
Volksgerichthofes Roland Freisler zum Tode verurteilt. Die Hinrichtung wird am 22.
Februar 1943 vollstreckt.
6.
Politischer Widerstand
Carlo Mierendorff.
Video, Dokumentarfilm, Farbe, 8 Minuten, D, 1999, Buch und Regie: Alfred Viktor
Jungraithmayr, Quelle: Hessische Landeszentrale für politische Bildung, Bestellnr.: AV-228.
Die Dokumentation zeigt Stationen aus dem politischen Leben Carlo Mierendorffs, eine
der führenden Persönlichkeiten des sozialdemokratischen Widerstands gegen den
Nationalsozialismus sowie im Kreisauer Kreis, ergänzt um Erinnerungen der Witwe Adolf
Reichweins, ebenfalls Mitglied des Kreisauer Kreises und 1944 in Plötzensee
hingerichtet. Der Regisseur thematisiert auch die wichtigsten Anliegen des Kreises,
nämlich den Widerstand zu organisieren und zu vernetzen sowie ihren Beitrag für ein
demokratisches Deutschland nach Hitler zu leisten. Dem Film liegt ein Materialienheft
bei, das Hinweise zu Inhalt, Lernzielen, Didaktik sowie Hintergrundinformationen, den
Aufruf Mierendorffs „Sozialistische Aktion“ vom 14. Juni 1943, ein Arbeitsblatt mit
Fragestellungen zum Thema Widerstand und Literaturhinweise enthält.
Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung (5): 1933-1949.
Video, Dokumentation, 15 Minuten, Farbe, D, 1988, FSK ab 0, Quelle: Landesfilmdienst
Hessen, Bestellnr.: 99562.
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Dokumentation über Rolle, Verfolgung und Widerstand
Arbeiterbewegung und der Gewerkschaften ab 1933.
von
Mitgliedern
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der
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6.
Widerstand in Konzentrationslagern
Requiem für 500.000.
16 mm, Dokumentation, 29 Minuten, sw, Pl, 1963, Regie: Jerzy Bossak, FSK ab 0, Quelle:
Landesfilmdienst Hessen, Bestellnr.: 99026.
Dokumentation zum 20. Jahrestag des Aufstands im Warschauer Ghetto 1943. Dort
wurden etwa 500.000 Menschen auf engstem Raum zusammen gedrängt, und die
meisten von ihnen aus dem Ghetto direkt in die Vernichtungslager verschleppt.
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Weiterführende Internetadressen
www.hlz.de
Hessische Landeszentrale für politische Bildung, Wiesbaden. Kostenloser Verleih von Büchern
und Medien sowie Versand von Publikationen gegen geringe Kostenbeteiligung.
www.gdw-berlin.de
Die Gedenkstätte Deutscher Widerstand bietet im Netz neben Einblicken in ihre Ausstellungen
unter anderem Recherchemöglichkeiten in der Bibliothek, downloads von Literatur zum
Widerstand und Kurzbiografien von Widerstandskämpfern.
www.gedenkstaette-ploetzensee.de
Das Internetportal der Gedenkstätte beinhaltet die zwölf Tafeln der Dauerausstellung, darunter
auch Informationen zu den in Plötzensee ermordeten Widerstandskämpfern der Roten Kapelle
sowie des 20. Juli 1944. Außerdem werden eine Literaturliste und der Katalog als pdf-Datei zum
download angeboten.
www.frankfurt1933-1945.de
Hinter dem Punkt „Beiträge“ verbirgt sich auch die Unterkategorie „Widerstand“, in der
wiederum zahlreiche Texte zum Widerstand in Frankfurt, seinen Treffpunkten und
Protagonisten zu finden sind. Außerdem gibt die Seite Hinweise auf Zeitzeugeninterviews auf
Video oder Film sowie die verwahrende Institution. Gut für die eigenständige regionalhistorische
Annäherung an das Thema geeignet.
www.cine-holocaust.de
Projekt Datenbank Cinematographie des Holocaust im Fritz Bauer Institut, Frankfurt am Main.
Kein Verleih, dafür ausführlichste Angaben zu Credits, Inhalt, Entstehungs- und
Rezeptionsgeschichte von Spiel- und Dokumentarfilmen, die das Thema Holocaust berühren.
www.jugendnetz-ffm.de/muk
Landesfilmdienst Hessen, Frankfurt am Main. Meist kostenloser Film- und Vorführgeräteverleih
bei Präsentationen zu nichtgewerblichen Zwecken. Recherchemöglichkeit nach Schlagworten.
Bestellungen sind telefonisch, per Fax oder Internet möglich.
www.murnau-stiftung.de
Filmarchiv der Friedrich Wilhelm Murnau-Stiftung, Wiesbaden. Kein Verleih, aber Möglichkeit
der Filmsichtung vor Ort als Kino- oder Videovorführung.
www.shoah.de
Deutschsprachiges Internetportal zum Thema Shoah und Holocaust, initiiert von dem
Förderverein Aktion Kinder des Holocaust.
www.nonoprojekte.de
Informationen über das Chorwerk Luigi Nonmos „Il canto sospeso“ und anderes.
www.nationalsozialismus.de
Die Seite bietet beim Unterpunkt „Widerstand“ 33 Links, die teilweise auf empfehlenswerte
Seiten führen.
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
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Impressum
Jugend debattiert:
Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
Materialien für Lehrerinnen und Lehrer zur Vorbereitung auf den Wettbewerb
Herausgeber:
Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst (Wiesbaden) und
Gemeinnützige Hertie-Stiftung (Frankfurt am Main)
Konzept:
Elisabeth Abendroth (Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst)
Ansgar Kemmann (Gemeinnützige Hertie-Stiftung, Frankfurt am Main)
Heike Drummer und Jutta Zwilling (beide zeitsprung. Kontor für Geschichte,
Frankfurt am Main)
Redaktion:
Elisabeth Abendroth, Ansgar Kemmann, Heike Drummer und Jutta Zwilling
Einleitung, Kurzbiografien, Literatur- und Filmauswahl, Internetadressen:
Heike Drummer und Jutta Zwilling
Alle Rechte vorbehalten. Die Rechte für die Texte liegen bei den Autorinnen und Autoren.
Wiesbaden, März 2004
Jugend debattiert: Was bedeutet uns der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute?
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