Kindern geht`s gut

Werbung
Kindern geht’s gut --- ?
Kinderrechte in Österreich
von Helmut Sax
aus: Teaching Human Rights. Informationen zur Menschenrechtsbildung, Nr. 2, Frühling 1999
Kinder als Schuhputzer – Zeitungsjungen – Kindersoldaten. Was hat das mit Österreich zu
tun?
Vor nunmehr zehn Jahren wurde die Kinderrechtskonvention (KRK) von der
Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet. Österreich hat sie 1992
ratifiziert. Allerdings – so führten die „Erläuternden Bemerkungen“ der Bundesregierung
anlässlich der Vorlage der Konvention zur Genehmigung ans Parlament aus – vorwiegend
aus Solidarität mit den anderen Staaten der Welt, während innerhalb von Österreich die
Kinderrechte ohnehin „weitgehend gewährleistet“ wären.
Dabei wird aber offensichtlich von einer eingeschränkten Sicht der Dinge ausgegangen.
Eine Diskussion zu Kinderrechten in Österreich muss nicht den Charakter von
akademischen Fragen nach Kinderarbeit in heimischen Bergwerken annehmen. Erst
kürzlich, im Jänner 1999, wurde ein Bericht der österreichischen Regierung zur
innerstaatlichen Umsetzung der Kinderrechtskonvention vom Kinderrechtsausschuss der
Vereinten Nationen beraten. Die Ergebnisse der Experten lassen Österreich keineswegs in
einem ungetrübten kinder- und jugendfreundlichem rosa Licht erscheinen.
In seiner „Abschließenden Stellungnahme“ äußert sich der Ausschuss unter der Überschrift
„Grundsätzliche Themen, die Anlass zu Besorgnis geben, und Empfehlungen des
Ausschusses“ (Principal Subjects of Concern and Committee Recommendations) zu
insgesamt 25 Problembereichen, die seiner Meinung nach in Österreich bestehen und macht
grundlegende Vorschläge für eine Verbesserung der Situation von Kindern und
Jugendlichen.
Empfehlungen an Österreich
Hier eine kurze Auswahl aus einer langen Liste von „Empfehlungen“ des
Kinderrechtsausschusses der Vereinten Nationen an Österreich:
 Sicherstellung einer effektiven und koordinierten Überprüfung von Maßnahmen zur
Verwirklichung der Menschenrechte von Kindern und Jugendlichen, insbesondere im
Hinblick auf die Sicherung von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten und
hinsichtlich der Auswirkungen von budgetären Sparmaßnahmen der Regierung.
 Überprüfung gesetzlicher Vorschriften zur Sicherstellung ihrer Übereinstimmung mit den
Grundsätzen der Kinderrechtskonvention, insbesondere im Zusammenhang mit den
Rechten von Flüchtlingskindern und bei Maßnahmen der Familienzusammenführung.
Explizit aufgefordert wurde die Regierung, die derzeit zulässige Verhängung von
Schubhaft über jugendliche AsylwerberInnen, neu zu überdenken.
 Verstärkte Aus- und Fortbildung zu den von der Kinderrechtskonvention vorgegebenen
Standards für alle mit Kindern und Jugendlichen befassten Berufsgruppen, einschließlich
von Richtern, Anwälten, Verwaltungsorganen, Mitarbeitern von Jugendhaftanstalten,
Lehrern, Ärzten, Psychologen und Sozialarbeitern; sowie Verbreitung der Zielsetzungen
der Konvention in Schulen und in der Öffentlichkeit.
 Verstärkte umfassende gesellschaftliche Integration von behinderten Kindern und
Jugendlichen; Überprüfung der Zulässigkeit der zwangsweisen Sterilisation von geistig
behinderten Kindern und Jugendlichen.
 Maßnahmen zum Schutz der Interessen von Kindern und Jugendlichen als Angehörige
der Roma, Sinti und anderer Minderheiten in Österreich.
 Überprüfung der Regelungen über geschlechtsspezifisch unterschiedliche Altersgrenzen
für die Aufnahme sexueller Beziehungen.

Ausbau von Kindergartenplätzen und Tagesbetreuungseinrichtungen sowie verstärkte
Maßnahmen zur Förderung der physischen und psychischen Rehabilitation
missbrauchter Kinder und Jugendlicher.
Es liegt nun an Österreich, diesen Aufforderungen zum Handeln entsprechend
nachzukommen. Der Kinderrechtsausschuss der Vereinten Nationen kann keinem Staat
vorschreiben, auf welche Weise er seinen Verpflichtungen aus der Kinderrechtskonvention
zum Schutz der Rechte von Kindern und Jugendlichen nachkommen soll –
Prioritätensetzung, Auswahl geeigneter Mittel und Schaffung von Rahmenbedingungen zur
Umsetzung der Maßnahmen ist die Aufgabe des jeweiligen Staates selbst. Hervorzuheben
ist, dass „Handeln“ hier in einem umfassenden Sinn gemeint ist – die Ausschöpfung aller
staatlichen Möglichkeiten, die sich keineswegs in rechtlichen Reformen erschöpfen, sondern
auch politische, wirtschaftliche, strukturverändernde und bewusstseinsbildende Maßnahmen
umschließen.
Es besteht Handlungsbedarf
Freilich sind die Probleme von Kindern und Jugendlichen in Österreich nicht erst seit der
letzten Kritik durch den Ausschuss der Vereinten Nationen bekannt. Sie berühren sehr
grundsätzliche Fragen unserer Gesellschaft, ausgehend von diskriminierenden Regelungen,
die sich aus der föderalen Struktur des Staates ergeben (z.B. Sozialhilfe, Jugendschutz) bis
hin zu fehlenden Möglichkeiten für Kinder und Jugendliche, in allen sie betreffenden
Angelegenheiten (Politik nicht ausgeschlossen!) aktiv mitzuwirken und ihre Meinung auch
tatsächlich berücksichtigt zu finden (so fordert es Artikel 12 der Kinderrechtskonvention).
Insbesondere in diesem Bereich besteht Nachholbedarf in Österreich; Kinder und
Jugendliche sollen ihre Interessen gleichberechtigt und selbstbestimmt Eltern und Lehrern
gegenüber, aber auch Gesellschaft und Politik mitgestaltend, wahrnehmen können.
Festzuhalten ist, dass, die Leistungen eines modernen Staatswesens anerkennend, sich
dennoch kein Staat der Welt vorschnell unter Hinweis auf gravierende Probleme in anderen
Staaten - „Schuheputzende Kinder/ Zeitungsjungen/ Kindersoldaten“ - seiner eigenen
Verantwortung für die innerstaatliche Wahrung grundlegender Rechte der Menschen
entziehen kann. Der Kinderrechtsausschuss der Vereinten Nationen machte somit nur die
Dringlichkeit der anstehenden Reformen deutlich, deren Umsetzung notwendig ist, wenn
Österreich auch weiterhin für sich in Anspruch nehmen möchte, Anliegen von Kindern und
Jugendlichen uneingeschränkt ernst zu nehmen.
Helmut Sax ist Jurist, Leiter der Länderberichts-Abteilung am Ludwig Boltzmann Institut für
Menschenrechte
Im Jänner 1999 erschien eine Studie des Boltzmann Instituts für Menschenrechte (im
Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie und der österreichischen
Kinder- und Jugendanwaltschaften), die sich mit Fragen der Verbesserung des
Grundrechtsschutzes von Kindern und Jugendlichen beschäftigt: Helmut Sax/Christian
Hainzl, Die verfassungsrechtliche Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Österreich,
Verlag Österreich, 1999.
Herunterladen