2 - Universität Salzburg

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PSYCHOANALYSE IN PARADIGMENKONKURRENZ BZW.
–KOEXISTENZ ZU BEHAVIORISMUS,
GESTALT- UND KOGNITIONSPSYCHOLOGIEi
Hans-Jörg Herber
Ein typisches Beispiel einer sogenannten ”Überreaktion” (Erdelyi 1985, 48):
Eine Frau mittleren Alters verlor einen vor Kurzem erworbenen Schoßhund. Ihre Reaktion
darauf war unverhältnismäßig heftig: Statt sich einen neuen Hund zuzulegen sank sie in eine
tiefe Depression, sie musste in einer Klinik stationär behandelt werden und entwickelte eine
immer wiederkehrende angstbesetzte Vorstellung, dass sie aus ihr unbekannten, aber wohlverdienten Gründen nackt auf die Straße geworfen wurde und hier einen schrecklichen Tod
erleiden musste.
Die behavioristische Erklärung solch einer Überreaktion lässt sich mit dem bekannten
Konditionierungsmechanismus darstellen:
s
R
s
UCS
UCR
CS
CR
Behaviorismus:
Der neutrale Reiz ”s” wird
durch Kontingenz, also durch
seine räumlich-zeitliche Nähe
zum unbedingten Reiz UCS
(„zufällig“) zum konditionierten Signalreiz CS.
Das Problem besteht darin, dass im Leben der Patientin bisher nie ein Hund (bzw. der Verlust
eines Hundes) in Verbindung mit einem Erlebnis der geschilderten Art (”nackt auf die Straße
geworfen werden und dort qualvoll sterben”) im Sinne einer räumlich-zeitlichen Verknüpfung
beider Situationen (Reize bzw. Reaktionen) festzustellen war (wahrscheinlich auch nicht als
Modellernen oder ”stellvertretende Bestrafung”, vgl. Bandura 1976). Die Fallgeschichte geht
so weiter (Erdelyi 1985, 50):
Die Patientin hatte ihren Schoßhund kurz nach der Verheiratung ihrer um 8 Jahre jüngeren
Schwester erworben. Mit dieser Schwester hatte sie ihr ganzes Erwachsenenleben zusammengelebt. Nun zog diese auf Grund ihrer Heirat in ein anderes Land. Die Patientin freute sich offensichtlich sehr über das Glück ihrer Schwester und wünschte ihr in ehrlichem Mitgefühl von
ganzem Herzen alles Gute. Als ihre Schwester ein Kind bzw. eine Jugendliche war, hatte die
Patientin eine komplizierte Beziehung zu ihr. Die Geburt der jüngeren Schwester hatte in der
Patientin heftige Eifersuchtsgefühle ausgelöst, sie hatte des öfteren den Wunsch zum Ausdruck gebracht, ihre Schwester möge sterben. ”Statt der Schwester” starb aber die Mutter nach
wenigen Jahren. Nun überschüttete die Patientin ihre Schwester mit Zuneigung und Liebe. Sie
ging in der Fürsorge für ihre jüngere Schwester auf, hielt ihr alles Unangenehme fern. Als
auch der Vater starb, gab die Patientin ihre eigenen Ambitionen, eine Schriftstellerin zu werden, auf und verdiente mit niedriger Arbeit Geld um für ihre jüngere Schwester sorgen zu
können, was sie bis zu deren Heirat aufopfernd tat.
Diese biografischen Details ”beweisen” natürlich im Einzelnen gar nichts. Doch scheint es
Sinn zu machen, von der Hypothese auszugehen, dass die Überreaktion der Patientin weniger
mit dem Verlust des kürzlich erstandenen Hundes als mit dem Verlust ihrer Schwester (und
früher der Mutter) zu tun haben könnte: der Verlust eines ”teuren” Lebewesens (in das man
viel investiert hat, was nun wertlos geworden ist - vielleicht weil man versagt hat). So gesehen
erscheint die Reaktion schon eher verständlich und angemessen zu sein.
Unterschied Behaviorismus - Psychoanalyse: Was verhaltenspsychologisch als Überreaktion in Bezug auf einen geringfügigen Verlustreiz figuriert, scheint psychoanalytisch als ”natürliche” Folge eines großen Verlustes (verbunden mit einem massiven eigenen Wertverlust)
interpretierbar, der durch den Oberflächenreiz (das Symbol) ”Hund” nur ausgelöst wurde,
ohne dass eine Konditionierung von Schwester (bzw. Mutter) und Hund (als räumlich-zeitliche Kontingenz) in realer Weise erfolgte. Die Analogiebeziehung muss ”tiefer” (abstrakter,
funktionaler) - semantisch – zustande gekommen sein:
bewußt
s
R
unbewußt
S
Der bewusst wahrgenommene Reiz ”s” ist strukturell und/oder funktional ”ähnlich” dem unbewussten Reiz ” S ”, von dem ”natürlicherweise” eine entsprechend große Wirkung ” R ”
ausgeht ( semantische Ähnlichkeit der Tiefenstruktur, funktionelle Analogie von Lebensprozessen, z.B. ”Abszess” als Metapher für ”Verdrängung”, Abspaltung, Isolierung des
Krankmachenden um das übrige System gesund zu erhalten, etc., vgl. Herber et al. 1996).
1. Theoriekern und intendierte Anwendungen
Herber (1979, 107) konstatiert einen „wissenschaftstheoretischen Notstand“ der Psychoanalyse und ihrer zahlreichen neo-psychoanalytischen und sonstwie tiefen-psychologischen Epigonen, deren Arbeiten „trotz aller kritischen Absetzbewegungen möglicherweise in ‘übermässiger Libidobesetzung’ ... an der vorwissenschaftlichen, wenn auch brillanten, essayistischen
Terminologie des Ahnvaters Freud ‘hängen geblieben’ (fixiert) sind, statt ein wissenschaftlich
‘sauberes’ (logisch disjunktes) Begriffsinventar zu schaffen, um Freuds geniale psychologische Einsichten in geeigneten Theorien und Modellen systematisieren, formalisieren und empirisch exakt überprüfen zu können.“
Bunge & Ardila (1987, 22), die den Anfängen eines wissenschaftlichen Forschungs-programms durchaus gewisse Mängel in der exakten Begriffsbildung, der logischen Konsistenz
und Mathematisierung zugestehen, äußern sich ähnlich kritisch: „If Freud had been an exact
thinker he might not have engendered more than 100 psychoanalytic schools ... exactness favors testability.“
Freud scheint sich der Notwendigkeit zur präzisen Definitionen der verwendeten Begriffe
auf empirischer Grundlage bewusst zu sein. Er sieht sich selbst allerdings mehr als heuristischen Anreger (Ideengeber) für die Entwicklung gehaltvoller (alternativer) psychologischer
Hypothesen. Als Initiator einer z.T. völlig neuen psychologischen Denkweise fühlt er sich
selbst noch nicht in der Lage Bedeutungsumfang und -inhalt der von ihm verwendeten Begriffe präzise genug einschätzen zu können um ein logisch konsistentes System zu „bereiten“
(Freud GW Bd. 10, 210). In dem wenig bekannten „Entwurf einer Psychologie“ (Freud 1962)
bemüht er sich noch um eine Art axiomatischer Grundlegung seiner psychologischen Überle-
gungen (in „Hauptsätze“ gegliedert) auf Basis des ihm zur Verfügung stehenden neurowissenschaftlichen Forschungsstandes. Dieses Unterfangen bricht letztendlich da ab, wo es für Freud
um „den Kern des Rätsels“ geht, nämlich um die gehirnphysiologische Abbildung des Verdrängungsprozesses. Doch hält er auch später (GW Bd. 17, 273) grundsätzlich am ursprünglichen Ziel fest: „Es ist ein unerschütterliches Resultat der Forschung, dass die seelische Tätigkeit an die Funktion des Gehirns gebunden ist wie an kein anderes Organ. Ein Stück weiter ...
führt die Entdeckung von der Ungleichwertigkeit der Gehirnteile und deren Sonderbeziehungen zu bestimmten Körperteilen und geistigen Tätigkeiten.“ Oder: „Das Lehrgebäude der
Psychoanalyse, das wir geschaffen haben, ist in Wirklichkeit ein Überbau, der irgend einmal
auf sein organisches Fundament aufgesetzt werden soll; aber wir kennen dieses noch nicht.“
(GW Bd. 11, 403) Um letztendlich sein - temporäres - Aufgeben in dieser Forschungshinsicht
zu rechtfertigen: „... alle Versuche, von da aus eine Lokalisation der seelischen Vorgänge zu
erraten, also Bemühungen, die Vorstellungen in Nervenfasern wandern zu lassen, sind gründlich gescheitert“ (GW Bd. 17, 273, siehe dazu die Stellungnahmen namhafter Forscher der
Gegenwart zu diesbezüglichen Problemen aus rezenter neurowissenschaftlicher Sicht in
Guttmann & Scholz-Strasser 1998).
Da Freuds Psychoanalyse mehrere, z.T. konkurrierende theoretische Ansätze enthält
(z.B. beim Thema „Aggression“), kann von einem einheitlich axiomatisierten System nicht
die Rede sein (diesen Status teilt die Psychoanalyse allerdings mit anderen - z.T. wesentlich
elaborierteren - sozialwissenschaftlichen Theorien, vgl. etwa die konkurrierenden Theorien innerhalb der Leistungsmotivationsforschung, z.B. Herber 1979, Herber et al. 1999). Aber erst
eine exakt formulierte, logisch widerspruchsfreie und intern möglichst konsistente Theorie
ermöglicht eine systematische empirische Forschung. Dieser bis heute andauernde „Notstand“
der Psychoanalyse (und anderer tiefenpsychologischer Systemversuche) ist umso bedauerlicher, als Freud (GW, Bd. 17, 73) verspricht, der wissenschaftliche Ertrag der psychoanalytischen Forschung werde „... in der Einsicht in Zusammenhänge und Abhängigkeiten bestehen,
die in der Außenwelt vorhanden sind, in der Innenwelt unseres Denkens irgendwie zuverlässig
reproduziert oder gespiegelt werden können, und deren Kenntnis uns befähigt, etwas in der
Außenwelt zu ‘verstehen’, es vorauszusehen und möglicherweise abzuändern.“ Dazu gehört,
alle theoretischen Terme exakt zu definieren um eine systematische Beobachtung der Realität
unter kontrollierten Bedingungen durchführen, die so gemachten Beobachtungsergebnisse
strikt theoriebezogen beschreiben und zur objektiven Überprüfung der hypothetischen Erklärungen bzw. Prognosen anwenden zu können.
Auch die kritischen wissenschaftstheoretischen Analysen von Perrez (z.B. 1972, 1985) zeigen
immerhin auf, dass es in den wissenschaftlichen Systemansätzen der Psychoanalyse um die
Formulierung gesetzesartiger Aussagen von hypothetischem Charakter geht: Freud will
Erlebens- und Verhaltensphänomene objektiv beschreiben, erklären und vorhersagen. Wenn
Perrez (1985, 32) auch zu Recht die „begriffliche Unschärfe, gekoppelt an einen hohen
Bedeutungsüberschuss zahlreicher Konzepte, ihre mangelnde logische Verknüpfung ...“, etc.
konstatiert - im Unterschied zu vielen seiner Epigonen hält Freud an einem wissenschaftlichen
Wahrheitsbegriff fest, wenn er behauptet, „dass es keine andere Quelle der Welterkenntnis
gibt als die intellektuelle Bearbeitung sorgfältig überprüfter Beobachtungen, also was man
Forschung heißt, daneben keine Kenntnis aus Offenbarung, Intuition oder Divination.“ (Freud
GW Bd. 15, 586) Oder - durchaus in Übereinstimmung mit dem Popperschen Wahrheitsbegriff (z.B. Popper 1994, 116) - geht es Freud (GW Bd. 15, 597) darum, „... Übereinstimmung
mit der Realität zu erreichen, d.h. mit dem, was außerhalb von uns, unabhängig von uns besteht ... Diese Übereinstimmung mit der realen Außenwelt heißen wir Wahrheit. Sie bleibt das
Ziel der wissenschaftlichen Arbeit ...“
Wie andere sozialwissenschaftliche Konzeptionen auch wird die Psychoanalyse nicht um
eine wenigstens teilweise Axiomatisierung, Formalisierung, Systematisierung, etc. herumkommen. Ansätze dazu gibt es (z.B. Moser et al. 1968, 1981, Wegman 1985; was die zentralen Abwehrmechanismen „Verschiebung“ und „Ersatzbefriedigung“ betrifft, siehe z.B. Atkinson & Birch 1970, 1986, Blankenship 1986, Kuhl & Blankenship 1986, Astleitner 1992,
Astleitner & Herber 1993). Erst dann können in eindeutiger Weise notwendige und hinreichende Bedingungen formuliert werden, denen bestimmte Erlebens- und Verhaltensweisen in
transsituationaler bzw. situationsspezifischer Weise - deterministisch oder probabilistisch folgen (zum Problem der Situationsspezifität siehe Patry 1991). Ein interessanter Ansatz zur
Rekonstruktion der Freudschen Theorie der Neurose im Sinne des „neuen Strukturalismus“
findet sich in Stegmüller (1986, 413-432), der für die logische „Säuberung“ sowie empirische
Überprüfbarkeit psychoanalytischer Konzepte eine formal elaborierte, gangbare Spur zu legen
scheint.
Die immer wieder erhobene Kritik theoretisch-begrifflicher Unschärfe und mangelnder
Systematisierung (Axiomatisierung) trifft - wie erwähnt - nicht nur auf die Psychoanalyse und
deren Folgekonzepte zu, sondern auf viele sozialwissenschaftliche Theorien (insbesondere im
Bereich der Humanistischen Psychologie), u.a. auch - natürlich mit graduellen Unterschieden
- auf die um wissenschaftliche Reputation so sehr bemühte Kognitionspsychologie, der es
z.B. bis dato nicht gelungen ist, den Begriff „Bewusstsein“ (oder „Rationalität“) in einer allgemein gültigen und/oder praktisch anwendbaren Weise zu definieren - auch nicht unter zunehmender Einbeziehung biologisch-evolutionstheoretischer Forschung (vgl. z.B. Galperin
1972, Newell & Simon 1972, Riedl 1980, 1984, Wessels 1984, Ruse 1985, Maturana 1985,
Churchland 1986, Maturana & Varela 1987, Pöppel 1987, 2000, Bunge 1992/93, Klix 1992,
1993, Perrig et al. 1993, 16ff., Blakeslee 1996, Claxton 1997, Pinker 1998b, Dörner 1999,
785ff., Varela 2000). Keinesfalls besser sieht es konsequenterweise mit dem Begriff des Unbewussten aus (siehe z.B. Hobisch & Schulter 1985, Pöppel 1987, 165ff., 1993, Perrig et al.
1993, Blakeslee 1996, Claxton 1997, Pinker 1998b).
Der Theoriekern der Psychoanalyse sei an folgenden - für unseren Paradigmenvergleich
grundlegenden - Konzepten dargestellt (fallweise - zur Verdeutlichung - unter Einbeziehung
intendierter Anwendungen), was angesichts der bei Freud in den uns bekannten Texten von
Problemerörterung zu Problemerörterung etwas „verrutschenden“ Begrifflichkeit in extensionaler wie intensionaler Hinsicht ein nicht ganz leichtes Unterfangen ist und interpretative
„Eingriffe“ erfordert:
1.1 Das Unbewusste
Am besten erkennt man die Existenz unbewusster Bedürfnisse an Verhaltensweisen wie
z.B. „Überreaktionen“, „Zwangshandlungen“, „Fehlleistungen“, „Ersatzhandlungen“, an Erinnerungslücken in Bezug auf persönlich Bedeutsames im Denken und Sprechen (also nicht
am z.B. stressbedingten Vergessen von Marginalien, weniger wichtigen Dingen, Ereignissen,
etc., vgl. entsprechende Kapitel in Freud GW Bd.1, Bd. 2 u. 3, Bd. 4, Bd. 8, Bd. 10, Bd. 11).
Die Annahme unbewusster Prozesse ist für Freud deswegen „notwendig und legitim“, weil
„die Daten des Bewusstseins in hohem Grade lückenhaft sind“. Bei allen Menschen „kommen
häufig psychische Akte vor, welche zu ihrer Erklärung andere Akte voraussetzen, für die aber
das Bewusstsein nicht zeugt. ... “ (Freud GW, Bd. 10, 125f.)
Verhalten, Gefühlserlebnisse und Denkprozesse werden vom Unbewussten mitdeterminiert. Das „Es“ symbolisiert in Freuds Persönlichkeitsmodell unbewusste (im fließendenÜbergang zu vorbewussten) Trieb- und Gefühlsregungen, die nach Realisierung drängen.ii Das
Streben des Organismus nach Lustmaximierung und Unlustminimierung wird von frühester
Kindheit an durch Bezugspersonen, von denen man abhängig ist, mehr oder weniger eingeschränkt. Durch diesen Konditionierungsvorgang kommt es zur Ausprägung des „Überich“
(eine Art Zensor oder Gewissen). Durch die Entwicklung realer Objektbeziehungen, des Denkens, des Erinnerungsvermögens, der Erwartungshaltungen erwirbt der Mensch die Fähigkeit
zu zunehmend realitätsangemessenen Strategien der Bedürfnisregulation (z.B. des Bedürfnisaufschubs). Diese Instanz der Persönlichkeit nennt Freud „Ich“. Das Ich vermittelt zwischen
den Triebregungen, dem Bedürfnisdruck des Es, den im (un- bis vorbewussten) Überich gespeicherten Geboten und Verboten relevanter Bezugspersonen und den realen Möglichkeiten,
die eine konkrete Umweltsituation bereitstellt. Die unbewussten Es-Impulse sind auf lustvolles Erleben und Handeln gerichtet, drängen nach Realisierung und gehen Kompromisse mit
Vorstellungen ein, die sowohl den Geboten und Verboten des Überich als auch den wahrgenommenen Möglichkeiten der Realität entsprechen und weitgehend bewusstseinsfähig sind
(sofern sie nicht als zu bedrohlich, „traumatisch“ erlebt und daher verdrängt wurden). Eigene
Triebimpulse können in unbewusster Konfrontation mit gegengerichteten Überich-Impulsen
diffuse Angst erzeugen, deren Ursprung - im Unterschied zur objektbezogenen Furcht - nicht
klar erkennbar ist. Abwehrmechanismen sorgen für relative Entlastung und Entspannung, so
dass man halbwegs funktionsfähig, „liebes- und arbeitsfähig“ bleibt und mit dem gegebenen
Spannungsfeld aus innerer und äußerer Situation einigermaßen umgehen kann, auch wenn der
potentielle Erlebens- und Verhaltensspielraum des Individuums dadurch eingeschränkt wird
(vgl. Freud GW, Bd. 10, Bd. 15, siehe auch Swanson 1988, 8ff.).
1.2 Abwehr
Abwehrmechanismen (vgl. A.Freud 1975) sind nicht willentliche, d.h. in der Sprache der Psychoanalyse unbewusste (bis vorbewusste) Ichtätigkeiten zum Zwecke der - von Es und Überich bedrohten - Aufrechterhaltung der Identität und Selbstachtung des Ich, d.h. sie treten immer dann auf, wenn die Bewusstmachung eines bestimmten Verhaltens, Affektes, Wunsches,
etc. die Selbstachtung, das Selbstbild, das wir von uns haben, in Frage stellen bzw. abwerten
könnte. Dies wiederum setzt voraus, dass die Person entsprechende ethische Vorstellungen für
sich als bindend anerkennt im Sinne eines „so soll ich sein“, oder anders, der Mensch geht
von einem Ich-Ideal aus, an dem er sich misstiii. Dadurch entsteht das Bedürfnis sich diesem
Ideal anzunähern bzw. sich derjenigen Wünsche, Neigungen, Verhaltenstendenzen im Bewusstsein zu entledigen, die diesen Idealvorstellungen nicht entsprechen. So eine Entledigung
gelingt durch Abwehr (vgl. Freud GW Bd. 1, Bd. 10, Bd. 13, Bd. 17).
Wie oben beschrieben, besteht nach Freud die Gesamtpersönlichkeit aus den drei Instanzen Es, Ich und Überich, wobei das Ich diejenige Instanz ist, die den Kontakt mit der Außenwelt, der Realität herstellt. Wir werden uns im Folgenden kurz mit der Entwicklung des Überich auseinandersetzen, insoweit dies für das Verständnis der Abwehrmechanismen notwendig
ist. Das Überich beinhaltet eine Summe von Wert- und Sollensvorstellungen, welche als zensorische Instanz wirken. Es stellt eine Metapher für das Insgesamt der durch die Eltern, Lehrer
und andere Autoritäten, Erziehungsinstitutionen, etc. vermittelten Kulturnormen und Wertvorstellungen dar. Es entwickelt sich in der frühen Kindheit, in einer Zeit also, in der der
Mensch einer rationalen Überlegung und Stellungnahme zu sich und der Realität noch nicht
fähig ist und den Realitätskontext nur dadurch gewinnt, indem er die Erziehungspersonen
imitiert, d.h. deren Normen durch Identifikation (Introjektion, Internalisierung, Subjektion)
erwirbt (vgl. die transaktionsanalytische Weiterführung der psychoanalytischen Position durch
Rath 1995, 1996, 1998).
Dazu ein illustratives Beispiel: Zulliger (1969, 136) berichtet von einem kleinen Mädchen,
das unreifes Obst abreißen wollte. Die Mutter befürchtete, ihr Kind könne beim Genuss krank
werden. Sie verbot ihm das Abreißen, und weil es dennoch immer wieder an den Baum herantrat, wiederholte die Mutter das Verbot eindringlicher und gab ihrem Kind einen kleinen
Klaps auf die Hände. Die Szene wiederholte sich während mehrerer Tage. Später einmal, als
die Kleine wieder im Garten spielte und, wie sie glauben konnte, unbeobachtet und nicht beaufsichtigt war, trat sie neuerdings an das Obst heran. Mit der einen Hand langte sie zur
Frucht, mit der anderen klapste sie sich auf die begehrliche Rechte und sagte zu sich selbst:
„Böses Händchen will nehmen, böses Händchen darf nicht nehmen“ und sie lief weg. – An
diesem Beispiel zeigt sich klar das Wechselspiel zwischen Esstrieb und dem zum inneren Anspruch gewordenen Gebot der Mutter. Das Kind hat nach und nach und schließlich ganz das
mütterliche Verbot zum eigenen inneren Anspruch gemacht. – Durch Einbeziehung der Eltern
in das eigene kindliche Ich rücken sozusagen auch deren Forderungen, Gebote und Verbote in
das eigene Ich ein: sie werden zur einheitlichen, inneren Autorität, zum Überich. Dieser Aufbau des Überich findet im Abschluss der Pubertät sein Ende, damit scheidet die erzieherische
Außenwelt, die äußere Autorität als bisher dominierende Prägungsinstanz des individuellen
Erlebens und Verhaltens aus, das Überich, die innere Autorität, übernimmt die Führung, der
Mensch fühlt sich autonom und frei, die erziehlich wirksamen Objekte sind zu „Selbstobjekten“ geworden (vgl. Kohut 1981, Goldberg 1982, Wolf 1982, Lichtenberg et al. 1992, Rath
1998).
Ob nun vom Erwachsenen zu diesen einverleibten Bildern der moralischen Aspekte, die in
der Kindheit sozusagen „kritiklos“ von Eltern, Lehrern und anderen Erziehungspersonen bzw.
Autoritäten übernommen wurden, eine bewusste, reflektierte Stellungnahme erworben werden
kann oder ob diese unbewusst, d.h. der Bewusstseinskontrolle entzogen, wirken, hängt weitgehend vom Verhalten der jeweiligen Kindheitserzieher ab. Hier zeigt sich eine hohe Übereinstimmung der psychoanalytischen Erklärungsweise mit dem Konditionieren von Ver-meidungsverhalten durch negative Verstärkung (z.B. Skinner 1973, 168ff.), wenn auch unter Einbezug kognitiver Repräsentationen: So wird ein Erwachsener, der in seiner Kindheit nach
jeder Missachtung einer Norm schwer bestraft wurde, es oft gar nicht wagen, darüber nachzudenken, ob die Erfüllung dieser oder jener Norm überhaupt sinnvoll ist. Denn die damalige
Forderung - etwa seiner Eltern - dieser Norm zu gehorchen, kann noch so stark sein, dass der
leiseste Zweifel an ihrer Berechtigung bereits zu Schuldgefühlen und zu Angst führt, und damit eine bewusste, kritische Stellungnahme zu dieser Norm nicht mehr möglich ist.
Bei vielen der sogenannten Selbstverständlichkeiten unseres Lebens handelt es sich sehr
oft um solche unreflektierten Überich-Sollensforderungen. Fragt man denjenigen, der behauptet, dass man etwas „selbstverständlich“ (dem eigenen „Selbst“ „verständlich“) zu tun hat
oder dass sich etwas einfach nicht gehöre, warum dies eigentlich so sei und ob es nicht auch
anders sein könnte, so weiß er darauf - zunächst - keine Antwort, die Voraussetzungen für
diese seine Selbstverständlichkeiten sind ihm nicht bewusst: Es gelang ihm nicht, die Überich-Gebote in sein Ich, bzw. dessen Bewusstseinszentrum, zu integrieren und kritisch damit
umzugehen. Das Ziel der Entwicklung und damit der entwicklungsfördernden Erziehung ist
nach Freuds Persönlichkeitskonzept ein relativ autonomes Ich, also ein Ich, das seiner Integrationsaufgabe so weit gewachsen ist, dass es weder von den Triebbedürfnissen noch von den
Überichgeboten zu sehr bedrängt wird. Das Ich sollte nach und nach fähig werden einerseits
Triebbedürfnisse je nach Realitätskontext aufzuschieben und im „geeigneten Rahmen“ zu befriedigen oder - wenn nötig - auf deren Befriedigung zu verzichten, andererseits die starren
Forderungen des Überich durchsichtig („verständlich“) zu machen, sie auf ihre transsituatio-
nale wie situationsspezifische Realitätsangemessenheit („Sinnhaftigkeit“) zu überprüfen und rational kontrolliert - zu korrigieren.
Gelingt dem Ich diese Koordinations- und Integrationsaufgabe nicht, so kommt es zu einer
Störung der Integrität des Ich. Um der Angst vor dem hilflosen Ausgeliefertsein an Es oder
Überich und damit der Aufhebung der Ichautonomie und Selbstachtung des Ich zu entgehen,
vollzieht das Ich die Abwehr. Das Ich ist das „Wer“ in diesem Prozess, das „Was“ sind die
abzuwehrenden Ansprüche des Es, die mit den Normen des Überich unverträglich sind.
Dass Abwehrprozesse im psychoanalytischen Sinne diagnostischen und prognostischen Wert
für den weiteren Therapieverlauf haben, ist in psychoanalytisch inspirierten empirischen
Untersuchungen nachgewiesen worden (z.B. Silverman 1983, Sackeim 1983, Erdelyi 1985,
Gitzinger-Albrecht 1993).
Einzelne der Freudschen Abwehrmechanismen (wie z.B. Verdrängung, Verschiebung und
Ersatzbefriedigung) haben - nicht selten „auf Umwegen“ - sowohl die gestalt- und feldtheoretische als auch die kognitionspsychologische Forschung (vice versa) befruchtet und sind in
hochelaborierten Theorien- und Methodenzusammenhängen untersucht worden (z.B. Lewin
1963, Moser et al. 1968, 1981, Atkinson & Birch 1970, 1986, Wegman 1985, Erdelyi 1985,
Brody 1986, Swanson 1988, Weinberger 1990, Waldvogel 1992, Baumeister & Cairns 1992,
Newton & Contrada 1992, Sincoff 1992, Astleitner 1992, Astleitner & Herber 1993, Gitzinger-Albrecht 1993, Galli 1997, Luchins & Luchins 1997, Derakshan & Eysenck 1997, 1999).
Um einen ersten Eindruck von diesem originär psychoanalytischen Forschungsproblem zu
vermitteln, wollen wir A.Freuds (1975) Abhandlung - interpretierend - zusammenfassen,
wenn wir in dieser Darstellung auch die mangelnde Disjunktivität zwischen den einzelnen
„Abwehrmechanismen“ sowie die insgesamt mangelnde Systematisierung, theoriekern-bezogene Fundierung und experimentell-empirische Überprüfung zu kritisieren habeniv:
1. Allen voran ist der Grundmechanismus der Verdrängung zu nennen. Unter „Verdrängung“ versteht A.Freud die Fernhaltung von Bedürfnissen und Vorstellungen vom Bewusstsein, eine Verweigerung der Verwirklichung von Entwicklungsmöglichkeiten durch Vermeidung der bewussten Auseinandersetzung mit Konflikten. Es kommt zum Abschieben von Wünschen oder Vorstellungen, die
nicht befriedigt oder realisiert werden können oder deren Befriedigung bzw. Realisation von der Außenwelt oder vom Überich nicht geduldet werden kann, ins Unbewusste. So sind sie dem bewussten
Zugriff entzogen.
Ein verdrängter Gedanke hat für die bewusste Wahrnehmung zu existieren aufgehört. Ein Charakteristikum der verdrängten Wünsche, Affekte, Vorstellungen, etc. ist es jedoch, dass sie weiterhin
nach Ausdruck streben und diesen auch auf vielerlei indirekten Wegen finden.
Verdrängung ist also keine Willensentscheidung, kein bewusstes „Nein“, kein bewusster Triebverzicht, sondern die Abschiebung des Triebes ins Unbewusste durch Wegsehen des Ich. Der Konflikt
wird nicht ausgetragen, er wird sofort zugedeckt, einer Entscheidung wird ausgewichen. Eine Regung,
die auftaucht, wird sofort aus dem Bewusstsein vertrieben, so wie wir reflektorisch die Augen
schließen, wenn uns ein Lichtstrahl blendet.
Die Verdrängung geht vom Ich aus, ist aber meist nicht auf die Initiative des Ich zurückzuführen,
sondern das Ich bezieht seinerseits Direktiven für die Verdrängung vom Über-Ich, vom Gewissen her.
Das Ich schaut bei der Verdrängung sozusagen weg, um nicht in einen Konflikt mit dem Über-Ich zu
kommen. Das Verdrängte übt nun einen ständigen Druck auf das Ich aus, solange keine bewusste
Auseinandersetzung getätigt wird und damit eine echte Lösung nicht zustande kommt. Daher ist immer zur Erhaltung des Gleichgewichts ein Gegendruck des Ich notwendig. Dieser wird als neurotischer Widerstand bezeichnet. Er zeigt sich auf der Verhaltensebene in Überreaktionen, im situativ oft
unverständlichen „Ausrasten“, etc.. „Dahinter“ verbirgt sich eine - bereichsspezifische - hoch emotionale, übersensibilisierte Abwehrhaltung, durch die das Ich sich der Wiederbewusstwerdung der verdrängten Inhalte widersetzt.
2. Ist die Verdrängung die Scheinbewältigung von Konflikten durch Nicht-zur-Kenntnis-Nehmen,
so stellt die Sublimierung eine Art Ersatzbefriedigung in Form einer kreativen Ersatzlösung auf „höherer Ebene“ dar: Sie setzt die Fähigkeit voraus, ein z.B. „primitives“ Triebziel gegen ein anderes,
sozial gebilligteres, zu vertauschen. Es kommt zur Transformation vitaler Energien in soziokulturell
hochgeschätzte Strebungen (was nicht bedeutet, dass z.B. alle sozialen, künstlerischen und wissenschaftlichen Strebungen nur von primitiven Triebzielen abzuleiten wären, vgl. Freud 1958, 7ff.).
Könnte man die Verdrängung als Vogel-Strauß-Mechanismus bezeichnen, so kann man die Sublimierung als Ablenkungs- und „Veredelungs“mechanismus auffassen. Es handelt es sich bei der
Sublimierung weniger um eine Abwehr von tabuisierten Wünschen, sondern um die Ausdifferenzierung und Entwicklung einer Vielfalt von - erlaubten - Befriedigungsmöglichkeiten . Die Sublimierung
wird insofern den Abwehrmechanismen zugezählt, als im Laufe der soziokulturellen Entwicklung die
primitiveren, unmittelbaren Formen der Bedürfnisbefriedigung vom Individuum nicht - quasi automatisch - von selbst aufgegeben werden, sondern von der sozialen Umwelt unterdrückt und dafür andere, von der Umwelt erwünschte Triebbefriedigungsformen gefördert werden. So dürfen wir als Erwachsene z.B. nur das Huhn mit den Fingern essen, beim Schnitzel müssen wir zu Messer und Gabel
greifen. Es wird hier also das vitale Bedürfnis der Hungerbefriedigung nicht abgewehrt, sondern es
hat sich im Falle des Schnitzels nur die Befriedungsweise geändert.
3. Identifikation und Introjektion: Ausgangspunkt für diesen Mechanismus ist die Tatsache, dass
z.B. ein Kind sich normaler Weise mit den Eltern identifiziert, d.h. deren Forderungen werden in das
eigene Innere verlegt, sie werden zu Forderungen an sich selbst, praktisch zum Überich (oder Gewissen) des Kindes. Das Gewissen ist nach Freud die Verkörperung der elterlichen Normen im eigenen
Selbst, man gehorcht sozusagen den Eltern in sich. Später werden dann auch die Forderungen anderer
Autoritätspersonen der Gesellschaft bzw. deren Normen und Werte introjiziert und damit zu Gewissensforderungen der einzelnen Person. Mittels dieser Identifikation mit den Normen der Gesellschaft,
in der der Einzelne lebt und deren Summe ja das sogenannte Über-Ich bildet, werden Wünsche, Vorstellungen, Ansprüche, etc., die diesen Normen widersprechen, abgewehrt. Das Überich ist bei Freud
(z.B. GW Bd. 13, 264f.) im Wesentlichen der „einverleibte“ Andere - z.B. Eltern und Lehrer mit ihren
Normen und Werten -, weniger eine kognitive Ichfunktion, eine konstruktive, selbstreflexive Tätigkeit, die zum eigenen phänomenalen Erleben und praktischen Handeln kritisch Stellung bezieht (wie
dies mit der Weiterentwicklung der psychoanalytischen Ich-Psychologie stärker gesehen werden kann,
vgl. z.B. Waldvogel 1992). Beispiel: Wenn zwei Menschen von derselben Person unter sonst
vergleichbaren Umständen geschlagen werden und beide nicht zurückschlagen, kann das innere Geschehen, obwohl das äußere Verhalten gleich ist, dabei ganz verschieden sein. Der Eine schlägt nicht
zurück, weil er gleichsam automatisch denkt: „Man darf nicht schlagen.“ Seine Aggression gegenüber
dem, der ihn geschlagen hat, wird von dem selbstverständlichen Gewissensgebot „Du darfst nicht zurückschlagen!“ gleichsam ohne sein eigenes Zutun weggeschoben, d.h. eine bewusste Auseinandersetzung mit der Situation wird von diesem Menschen nicht geleistet, sondern sein Verhalten ist
„blind“ von seinem Über-Ich determiniert. Im Anderen, der ebenfalls nicht zurückschlägt, kann sich
ein ganz anderer Prozess vollziehen. Er befolgt nicht gleichsam passiv, ohne eigene Stellungnahme,
das Gebot, sondern er setzt sich mit der Situation auseinander, indem er Abstand von sich selbst
nimmt, überlegt, nachdenkt, warum der andere ihn geschlagen hat, was diesen dazu veranlasst haben
mag so zu reagieren, und vor allem, was er (als Opfer) selbst dazu getan hat, dass es so weit gekommen ist. Dieser Mensch steht in der Situation und gleichzeitig auch über ihr. Kurz: Die erste Person
handelt unter Ausschaltung der bewussten Stellungnahme zur Situation, gleichsam wie ein programmierter Automat, der zweite Mensch hingegen setzt sich kritisch mit der Situation und damit auch mit
sich selbst auseinander, oder anders, der Erste folgt sozusagen seinem Überich in (verhaltens-) konditionierter Form, der Zweite prüft kritisch sein Gewissen, reflektiert, wägt kurz- und langfristige Folgewirkungen ab - etwa auch hinsichtlich der Modellwirkung auf andere Menschen, etc..
4. Projektion: Es handelt sich hierbei um die Verlegung eines inneren Konfliktes oder (unterdrückten) Wunsches in die Umwelt. Was man an sich selbst nicht wahrhaben will, geißelt man an der
Umwelt mit besonderer Hingabe. Ein Kind z.B., das seinen Lehrer ablehnt, deutet dessen Verhalten
u.U. als Antipathiekundgebung gegen sich selbst, etc.. Natürlich kann die - methodisch unreflektierte Feststellung einer Projektion auch eine Projektion (im Sinne des Unterstellers) sein.
5. Ein weiterer Abwehrmechanismus ist die Reaktionsbildung. Dieser Prozess bedeutet die Abwehr eines bestimmten Impulses durch Einsatz eines gegenteiligen Impulses um damit Angst vor dem
Überich abzubauen. Wenn z.B. eine Person eine andere hasst und sie sich diesen Hass nicht eingestehen will, da Hass von religiösen oder anderen sozialen Normen her verpönt ist, reagiert sie im Sinne
der Reaktionsbildung gegenteilig, also in unserem Falle mit übertriebener, unechter Zärtlichkeit gegenüber dem Menschen, gegen den sie eigentlich aggressiv eingestellt ist um dem introjizierten Gebot, nicht zu hassen, zu genügen. Man könnte kritisch fragen: Kann denn alles Verhalten als vom Gegenteil her bestimmt gesehen werden? Die Antwort ist: Nein. Denn die Reaktionsbildung zeichnet
sich durch ihre Starrheit und (situationsbezogene) Unangemessenheit aus.
6. Verschiebung: Ein Bedürfnis, dessen Ziel nicht erreichbar ist, „sucht“ ein Ersatzobjekt. Dies ist
möglich, weil das Primärsystem des Vor- und Unbewussten durch vorwiegend diffuses Wünschen
ohne einen - vom Ich vermittelten - realistischen, differenzierten Objektbezug gekennzeichnet ist. Das
Bedürfnis, der Wunsch ist - phänomenal - als innere Spannung gegeben, aber das Ziel, das Objekt, an
dem dieses Bedürfnis befriedigt werden kann, ist in vielerlei Hinsicht austauschbar. So kann sich
z.B. die am Tage aufgestaute Wut auf den Chef am Abend beim geringsten Anlass auf den Lebenspartner entladen. Oder ein kinderloses Ehepaar schafft sich als Liebesobjekt einen Hund an, dem es
dann die ganze – eigentlich auf das fehlende Kind gerichtete – Zärtlichkeit zukommen lässt. Dies geschieht, ohne dass sich die betreffenden Menschen ihrer Motive bewusst sein müssen. Der Mechanismus der Verschiebung kommt umso leichter ins Spiel, je undifferenzierter ein Mensch ist, je
weniger „selbstaufmerksam“ und selbstreflexiv jemand agiert.
7. Rationalisierung: Dabei handelt es sich um die rationale Rechtfertigung eines objektiv nicht gerechtfertigten Verhaltens. Es werden nachträglich (begleitend, vorwegnehmend) vernünftige Begründungen für Handlungen und Einstellungen gegeben, die aus irrationalen (unbewussten) Motiven
erwachsen sind. Das Bewusstsein wird um seine Kontrollfunktion gebracht. Durch die vorgeschobenen Gründe wird der eigentliche Sachverhalt vertuscht, das Überich und das Bewusstsein werden vom
Unbewussten sozusagen betrogen: Hauptsache, man hat einen einsehbaren Grund für etwas gefunden,
was vom reflektierten Gewissen (oder vom Überich) her nicht erlaubt ist, was man aber getan hat oder
(wieder) tun möchte. Dieser Mechanismus der Rationalisierung stellt also eine Art Selbstrechtfertigung dar: Böses wird sozusagen als Gutes verkleidet um das edle Gewissen nicht zu beunruhigen.
Beispiel: Wenn ein Händler seine Betrügereien damit rechtfertigt, dass er ja selbst auch von vielen
übervorteilt wird, dann sucht er im Sinne der Rationalisierung vor sich selbst (und anderen) einen
guten Grund um seine unmoralischen Absichten durchzuführen zu können, obwohl sie ethisch nicht
richtig sind. Denn Unrecht bleibt Unrecht, ob es nun auch andere tun oder nicht. Rationalisierung behindert eine realistische Einschätzung der eigenen Persönlichkeit, ihres Erlebens und Handelns.
Selbsterkenntnis im Sinne einer objektiven Einstellung sich selbst gegenüber scheint eine der schwierigsten Arten von Erkenntnis zu sein, wir identifizieren uns alle lieber mit dem Idealbild von uns, also
mit dem, was wir sein möchten, und nicht gerne mit dem, was und wie wir tatsächlich sind. Dieser
Mechanismus findet sich häufig auch bei Schulkindern. Nehmen wir als Beispiel ein Kind, das in Geschichte ein bestimmtes Kapitel lernen soll. Nun sind da viele Jahreszahlen, die das Kind nicht zu lernen gewillt ist. Und es lernt diese auch nicht. Die rationale Begründung für dieses Nicht-lernenWollen wird vor sich selbst, den Eltern oder vielleicht auch den Lehrern sein, es komme nicht darauf
an, Jahreszahlen zu wissen, sondern den Gesamtkomplex des geschichtlichen Geschehens zu verstehen. Hinter dieser rationalen Begründung steht u.U. nichts Anderes als die Abwehr der unangenehmen Pflicht, das Aufgegebene auch tatsächlich zu lernen. Oder ein Lehrerbeispiel: Ich bin Lehrer und
habe mir vorgenommen eine Prüfungsarbeit morgen den Schülern (Studenten) korrigiert zurückzugeben. Nun ist es abends und ich hätte Zeit zur Korrektur. Gleichzeitig aber ist im Fernsehen ein Film,
den ich unbedingt sehen möchte. Ich bin in einem Konflikt zwischen Pflichtbewusstsein und Neigung.
Schließlich siegt der Wunsch fernzusehen. Der Gedanke: „Eigentlich sollte ich korrigieren, weil es für
die Schüler (Studenten) aus lern- und motivationstheoretischen Gründen gut wäre, die korrigierte
Arbeit möglichst bald zu bekommen“ wird gar nicht mehr ins Bewusstsein eingelassen, sondern was
ich tatsächlich denke, ist vielleicht, ich wäre ohnehin schon zu müde gewesen, hätte deshalb Fehler
übersehen, was das Ergebnis verfälscht hätte, und deshalb sei es ohnehin besser, nicht zu korrigieren,
sondern fernzusehen.
8. Isolierung heißt, was an Wünschen nicht eingestanden werden kann, wird als ich-fremd erklärt.
Als Beispiel kann das bekannte Zitat Nietzsches gelten: „Mein Gedächtnis sagt: Das habe ich getan.
Das kann ich nicht getan haben, sagt mein Stolz und bleibt unerbittlich. Endlich gibt mein Gedächtnis
nach.“
9. Analoges gilt für den Abwehrmechanismus des Ungeschehenmachens. Dieser stellt eine Sonderform der Isolierung dar. Eine bestimmte Handlung wird zur Verhinderung oder Wiedergutmachung
einer anderen, verpönten Handlungen, immer wieder vollzogen. Beispiel „Waschzwang“: Jemand hat
ständig das Bedürfnis sich die Hände zu waschen, kaum dass er etwas berührt hat. Psychoanalytisch
wird hier der Impuls oder die Angst sich - sexuell oder sonstwie moralisch - zu beschmutzen sofort
durch „Abwaschen“ erstickt. So ein - auch bewusst vollzogenes - Ritual gilt für alle Handlungen, die
man gerne tun möchte oder getan hat, und durch die man gleichzeitig fürchtet, Schuld auf sich zu
laden, indem man mit dieser Handlung (oder Einstellung) gesellschaftlichen Normen bzw. ethischen
Werten zuwider handelt. Pilatus: „Ich wasche mein Hände in Unschuld“.
10. Leugnung der Realität: Die Realität wird hier nicht nur wie bei allen anderen Abwehrmechanismen in mehr oder minder starkem Maße verzerrt, sondern sie wird richtiggehend geleugnet. Eine
subjektive, sozusagen selbstgemachte Ersatzrealität wird der tatsächlichen entgegengesetzt. Ein häufig
zitiertes Beispiel (z.B. Katz & Katz 1959, 376): Soldaten schreiten im dichtesten Geschosshagel
aufrecht dahin, gehen quasi mitten in der Schlacht spazieren, weil sie sich z.B. vorstellen, sie befänden sich auf einer wunderschönen Wiese mit Blumen. Diese Vorstellung ist für Menschen in dieser
Situation Wirklichkeit geworden mit dem Zweck, der furchtbaren Wirklichkeit, in der er sich tatsächlich befinden, nicht ins Auge sehen zu müssen.
11. Selbstaggression: die aggressive Wendung gegen sich selbst. Die Aggression gegen andere
Menschen, die man sich nicht auszudrücken getraut, wird auf die eigene Person umgeleitet. Beispiel:
Man möchte gerne andere blamieren und stellt sich anstelle dessen selbst bloß (etwa übertriebene
Selbstironie in Anwesenheit einer hochgestellten Persönlichkeit, der man diesen Rang nicht gönnt und
die man „herunterziehen“ möchte, so etwa nach dem Motto - frei nach Kuh - : Was bist Du für ein
Mensch, wenn Du Dich auf Menschen wie mich einlässt!).
12. Ein weiterer Abwehrmechanismus ist die Konversion. Damit ist gemeint, dass Erlebnisse, die
als peinliche Erinnerung unterdrückt werden, sich in körperliche Symptome umwandeln können. Die
Konversion ist oft auch ein Symbol des Nicht-mehr-Könnens, z.B. Kopfschmerzen bei nicht erledigten Arbeiten, bei Leistungsanforderungen, die man sich nicht zutraut oder aus sonstigen Gründen
nicht machen will. Hierher gehören - nach Freud & Breuer (1970) - alle Beschwerden hysterischer
Art.
13. Schließlich der wichtigste Abwehrmechanismus, die so genannte Regression: Sie tritt dann
auf, wenn bestimmten Bedürfnissen andauernd die Befriedigung versagt bleibt. Regression bedeutet
das Zurücksinken einer Person von höheren Befriedigungsformen auf primitivere, d.h. biografisch
frühere. Bei Kindern ist z.B. das Bettnässen ein Regressionsanzeichen (wenn keine physiologisch bedingte Fehlfunktionen festgestellt werden können). Es tritt bei Kindern auf, die sich von ihren wichtigsten Bezugspersonen (Eltern, Müttern, etc.) bzw. deren Liebesbezeugungen, kommunikativen
Zuwendungen, Betreuungsaktivitäten, etc. unterkühlt fühlen, z.B. wenn ein Geschwisterchen zur Welt
kommt und die Mutter diesem ihre ganze Zärtlichkeit zuwendet. Das Kind zeigt dann etwa durch
Bettnässen symbolisch an, dass es, auch wenn es schon größer ist als das gerade geborene Geschwisterchen, die Zärtlichkeit der Mutter ebenso notwendig braucht wie dieses. Ein charakteristisches Beispiel für Regression im Erwachsenenalter ist der so genannte Kummerspeck. Eine Person, die etwa
eine Liebesenttäuschung erfuhr und deren Wunsch z.B. nach einer harmonischen Partnerschaft damit
frustriert wurde, greift auf frühere, vergangene Bedürfnisbefriedigungsweisen zurück, z.B. alles
Mögliche zu naschen, wie dies Kinder gerne tun. Deshalb sagt man, jemand, der regrediert, verhält
sich infantil, d.h. wie ein Kind. Die Regression ist sozusagen ein Rückzug in die Vergangenheit, eine
Absage an die gegenwärtige Realität, eine Verweigerung der bewussten Auseinandersetzung mit den
aktuellen Gegebenheiten und den daraus erwachsenden rational einschätzbaren (wahrscheinlichen)
Folgewirkungen in der Zukunft.
Zusammenfassend: Abwehrmechanismen haben nach S.Freud (z.B. 1954, GW Bd. 1, Bd. 9,
Bd. 11, Bd. 17) und A.Freud (1975) die Funktion dem Ich dazu verhelfen, 1. gegenüber den Forderungen der Moral, der Gesellschaft, die im Über-Ich repräsentiert sind, 2. gegenüber den Trieben und
Wünschen, die dem Es, dem Unbewussten, angehören und 3. gegenüber den störenden Forderungen
der Realität autonom zu bleiben, d.h. nicht von diesem dreifachen Druck vernichtet zu werden, sondern eine - zumindest situationsspezifisch wirksame - bestmögliche Harmonie zwischen diesen herzustellen.
1.3 Abreaktion
„Wir verstehen hier unter Reaktion die ganze Reihe willkürlicher und unwillkürlicher Reflexe, in denen sich erfahrungsgemäß die Affekte entladen: vom Weinen bis zum Racheakt.
Erfolgt diese Reaktion in genügendem Ausmaße, so schwindet dadurch ein großer Teil des
Affektes ... Wird die Reaktion unterdrückt, so bleibt der Affekt mit der Erinnerung verbunden.
... Die Reaktion des Geschädigten auf das Trauma hat eigentlich nur dann eine völlig ‘kathartische’ Wirkung, wenn sie eine adäquate Reaktion ist, wie die Rache. Aber in der Sprache findet der Mensch ein Surrogat für die Tat, mit dessen Hilfe der Affekt nahezu ebenso
‘abreagiert’ werden kann.“ (Freud & Breuer 1970, 11)
Erdelyi (1985, 28f.) weist darauf hin, dass die in der psychoanalytischen Therapie insgesamt provozierte Abreaktion (Katharsis, Entspannung, Entladung) analog der in der Verhaltenstherapie systematisch herbeigeführten Löschung, Gegenkonditionierung oder Desensibilisierung funktioniert:
„The fact that the mechanism of verbal abreaction, namely associative correction, corresponds to the extinction process of classical conditioning is of considerable theoretical interest
in view of the fundamental role played by extinction (deconditioning, etc.) in some major behavior-modification techniques, for example, Wolpe’s (1958; 1961; 1973) ‘systematic desensitization’ through ‘reciprocal inhibition’ ...“
Die hier angesprochene Analogie kann - in allgemeiner Form - etwa so expliziert werden
(vgl. Freud GW Bd.1, Bd. 11, 9f., Wolpe 1961, Wolpe et al. 1973, Wachtel 1977, 151-210,
Erdelyi 1985, 27-32, Skinner 1989, 10): Freuds Methode der freien Assoziation, in der Personen in freier Weise ihre Einfälle mitteilen, während der Therapeut unsichtbar im Hintergrund
sitzt und die Produktion so wenig als möglich zu stören, wenn schon - nur wohlwollend, nicht
wertend - anzuregen sucht, kann analog zur klassischen Löschungs- bzw. Desensibilisierungsstrategie der Verhaltenstherapie gesehen werden, insofern etwa ein angstbesetzter Erinnerungskomplex in der Vorstellung des Patienten aufsteigt und in einer entspannten Atmosphäre
sprachlich geäußert wird um die Erinnerung möglichst vollständig zu rekonstruieren, bis es
zur Angstabfuhr kommt - oder die damit verbundene Angst zu groß wird, so dass neuerliche
Unterdrückungs- oder Abwehrreaktionen einsetzen. Im Unterschied zur klassischen Verhaltenstherapie steuert der Patient - unter sensibler Begleitung (Ermunterung, Verstärkung) des
Therapeuten - weitgehend selbst Art und Weise der Produktion und den Abbruch der Auseinandersetzung mit dem angstbesetzten Inhalt.
Eine in diesem Zusammenhang spezifische - von Wachtel (1977) und (Erdelyi 1985) - minutiös durchargumentierte Analogie: Wolpes (1961) Desensibilisierungsstrategie beginnt mit
systematischem Entspannungstraining, das funktional analog der hypnotischen Katharsistechnik von Freud und Breuer zu wirken scheint (vgl. Freud GW, Bd. 1, Freud & Breuer 1970).
Die Anregung zur Produktion von emotional besetzten Vorstellungen, verknüpft mit Entspan-
nungsübungen, kennzeichnet sowohl Wolpes wie Freud & Breuers therapeutisches Vorgehen bei Wolpe allerdings in mehr expliziter und systematischer Form:
„The juxtaposition in cathartic therapy of emotional imagery with relaxation (brought
about by hypnosis, lying on the couch, trust in the therapist, and so forth) should produce extinction of the conditioned emotional response attached to the imagery, whether the therapist
calls it desensitization or abreaction. ...
There is little doubt that Freud would have viewed behavior-modification therapies as
throwbacks to early psychoanalytic techniques, such as catharsis, prior to psychoanalysis’ becoming a truly cognitive therapy, concerned with structure and meaning.“ (Erdelyi 1985, 29)
Dass der therapeutisch hervorgerufene Affekt - statt zu erlöschen - zu stark werden und erneut Abwehr hervorrufen kann, ist nicht nur eine Erfahrung der psychoanalytischen Therapie,
wie Wachtel (1977, 190) - in Bezug auf die „flooding“-Technik (Wolpe et al. 1973) - dokumentiert: „Immersing the patient in a cacophony of distressing images can at times enable the
multiple sources of his anxiety to be covered and can evoke a range of feelings that might be
more readily warded off with the gentler and more gradual desensitization approach.“
Damit erweist sich Desensibilisierung als der Kern sowohl von verhaltenstherapeutischer
als auch psychoanalytischer Vorgehensweise bei nicht-wertender, wohlwollender Interaktion
mit dem Therapeuten und kann in analoger Form beziehungstheoretisch begründet werden
(vgl. Heller 1999).
Abreaktion kann bei Freud auf neurophysiogischer Basis auch kognitiv interpretiert werden. Wegman (1985, 74) hält folgende „Arbeitshypothese“ Freuds für die eigentliche theoretische Basis seiner Abreaktionstheorie: „I refer to the concept that in mental functions something is to be distinguished - a quota of affect or sum of excitation - which possesses all the
characteristics of a quantity (though we have no means of measuring it), which is capable of
increase, dimunition, displacement and discharge, and which is spread over the memory-traces
of ideas somewhat as an electric charge is spread over the surface of a body.“
Ein Vergleich mit der kognitionspsychologischen Theorie der Aktivationsausbreitung von
Anderson (1985, 1996) zeigt eine verblüffende Analogie, wenn auch bei Anderson die enge
Verbindung von kognitiver und affektiver Aufarbeitung eines Problems nicht mehr so explizit
zum Ausdruck kommt. In beiden Theorien aber spielen unbewusste Prozesse eine entscheidende Rolle (Anderson 1996, 180ff., mit entsprechenden experimentellen Belegen, vgl. auch
Hobisch & Schulter 1985). Aktivationsausbreitung („spreading activation“) bedeutet, dass
sich die Aktivation entlang eines kognitiven Netzwerkes ausbreitet: Wenn ein Konzept im
Gedächtnis aktiviert worden ist, breitet sich diese Aktivität unvermeidlich auf alle direkt assoziierten Konzepte aus. Das Ausmaß der Ausbreitung ist abhängig von der Anzahl der Knoten,
die zwischen dem zentralerregten Konzept und seinen entfernten „verwandten“ Knoten liegen.
Der Ausbreitungsprozeß „verläuft sich“, wenn sehr viele, weit entfernte Konzepte angepeilt
werden. Die Aktivierungsenergie braucht sich mit dem Durchgang durch viele Knoten sozusagen auf. Beispiel: Wenn einer Versuchsperson etwa das Wort „Hund“ dargeboten wird, so
wird nicht nur dieser Begriff (Knoten) aktiviert, sondern diese Aktivation breitet sich „automatisch“ (nicht willentlich, sondern unbewusst) auf Konzepte der näheren und weiteren Umgebung aus, z.B. auf „Knochen“, „Fleisch“, „Katze“, „Streicheln“, etc., bis die Aktivationsenergie verbraucht ist.
Therapeutisch initiierte „Abreaktion“ bedeutet bei Freud (GW Bd. 1) allerdings mehr:
Nicht nur das Hinlenken der Aufmerksamkeit eines Probanden auf weit entfernte, normalerweise nicht mehr aktivierte Konzepte, also auf „vorbewusste“ Inhalte des Gedächtnisspeichers
(ähnliche Auffassungen hat Janet 1914/15 vertreten), sondern auf verdrängte, abgespaltene
Ideen, gegen deren Aktivierung eine (neuronale) Blockade („Abwehr“) überwunden werden
muss (weil sie für die Identität und Funktionsfähigkeit des aktuellen Ich gefährlich werden
könnten). Die Abwehrbereitschaft des Ich muss daher „eingeschläfert“ werden ( Entspannung des Organismus), um - etwa unter Hypnose oder im Traumzustand - an diese verdrängten Inhalte heranzukommen. Dafür konnte Freud (1962) keine neurowissenschaftliche
Erklärung geben und brach daher (1896) den Versuch einer neurophysiologischen Fundierung
des von ihm postulierten psychologischen Mechanismus ab. Eine teilweise Rehabilitierung
dieses Anliegens wird in Guttmann & Scholz-Strasser (1998) versucht.
Psychoanalytische Abreaktion bedeutet also, dass die vom aktuellen Bewusstseinsstrom
weit entfernten kognitiven Konzepte bzw. die durch Hemmmechanismen abgekoppelten
traumatischenv Erinnerungen („fixe Ideen“) durch „Entspannungstechniken“ (wie Hypnose,
Liegen auf der Couch, Schlafen, etc.) und „freie Assoziation“ („spreading activation“) wieder
aktiviert und bewusst gemacht werden. Eine zunehmende Verträglichkeit mit kognitionspsychologischen (z.B. Erdelyi 1985, Wegman 1985, Perrig et al. 1993, Dörner 1999, Rosenfield
2000) und rezenten neurowissenschaftlich-evolutionstheoretischen Forschungen (z.B.Pöppel
1987, 1993, Claxton 1997, Guttmann & Scholz-Strasser 1998, Greenfield 1999, Varela 2000)
ist zu konstatieren.
1.4 Übertragung
Im Versuch seine Patienten zum freien Assoziieren zu bringen stellte Freud in spezifischen,
individuell offenbar bedeutsamen Zusammenhängen einen hartnäckigen Widerstand (des Ich)
fest, Erinnerungen an bestimmte vergangene Gefühlszustände, die sie auslösenden Ereignisse,
etc. aus dem Langzeitspeicher wieder „hervorzuholen“. Patienten setzen sich an Stelle dessen
lieber - z.B. kritisch - mit dem Therapeuten auseinander, wobei sie - nicht selten begleitet von
heftigen, situationsspezifisch unangemessenen Emotionen - eine „falsche Verknüpfung“ zwischen einer Person, die Objekt früherer Wünsche, Aggressionen, etc. war, und dem Therapeuten herstellen. Dabei kommen - oft in Form einer Überreaktion - auch abgewehrte Inhalte
zum Vorschein, die mit der aktuellen Patienten-Therapeutenbeziehung nichts (oder nur oberflächlich) zu tun haben: „Aber der Patient versteht es auch, indem er im Rahmen der Analyse
bleibt, Widerstände herzustellen ... Anstatt sich zu erinnern, wiederholt er aus seinem Leben
solche Einstellungen und Gefühlsregungen, die sich mittels der sogenannten ‘Übertragung’
zum Widerstand gegen Arzt und Kur verwenden lassen. Er entnimmt dieses Material, wenn es
ein Mann ist, in der Regel seinem Verhältnis zum Vater, an dessen Stelle er den Arzt treten
lässt und macht somit Widerstände ... aus seinem Ehrgeiz, der sein erstes Ziel darin fand, es
dem Vater gleichzutun oder ihn zu überwinden, aus seinem Unwillen, die Last der Dankbarkeit ein zweites Mal im Leben auf sich zu laden ... Die Widerstände dieser Art dürfen nicht
einseitig verurteilt werden. Sie enthalten so viel von dem wichtigen Material aus der Vergangenheit des Kranken und bringen es in so überzeugender Art wieder, dass sie zu den besten
Stützen der Analyse werden ... Man kann auch sagen, es seien Charaktereigenschaften, Einstellungen des Ichs, welche zur Bekämpfung der angestrebten Veränderungen mobil gemacht
werden. Man erfährt dabei, wie diese Charaktereigenschaften ... gebildet worden sind, und erkennt Züge dieses Charakters, die sonst nicht, oder nicht in diesem Ausmaße, hervortreten
können, die man als latent bezeichnen kann.“ (Freud GW Bd. 11, 300f.)
Die Übertragung kann sich in - unangemessener - leidenschaftlicher Liebe, Bewunderung,
etc. zum Therapeuten manifestieren (positive Übertragung) oder in heftiger Abwehr, Hassgefühlen, etc. (negative Übertragung). Obwohl eine gründliche psychoanalytische Ausbildung
dies verhindern oder doch minimieren sollte („Lehranalyse“), reagiert der Therapeut mehr oder
weniger mit „Gegenübertragung“. Elhard (1990, 160) hält das „Schlachtfeld der Übertragung“
als den analytischen „Ort“, auf dem sich die entscheidenden (kognitiven) Einsichten und
(emotionalen) Wandlungen vollziehen. Das professionelle Umgehen mit der Übertragung des
Patienten und die kontrollierte Verarbeitung der (eigenen) Gegenübertragung (statt Verdrängung oder Ausleben) stellt an den psychoanalytischen Therapeuten große persönliche Anforderungen, da er sich den stattfindenden emotionalen Prozessen weder entziehen, noch ihnen
unkontrolliert verfallen darf.
Miedl (2000) beschäftigt sich an Hand neoanalytischen Schrifttums und eigener Fallstudien mit Problemen der Übertragung und Gegenübertragung im Lehrer-Schüler-Verhältnis. Es
zeigt sich, dass im Umgang mit Kindern Probleme besonderer Art auftauchen, besonders was
die Gegenübertragungsbereitschaft von Lehrern, aber auch von Analytikern betrifft, z.B.: Kinder provozieren beim Erwachsenen vor allem Elterngefühle, die bei diesem durch Gefühle und
Gedanken aus eigenen (glücklichen bzw. unglücklichen) Kindheitserinnerungen überlagert
werden. Dabei können sich - besonders im schulischen Setting - unkontrollierte Beziehungsprobleme entwickeln: „In der Gegenübertragung des Lehrers zeigt sich, inwieweit er durch die
Übertragungen des Schülers aufgrund eigener, lebensgeschichtlich entstandener Übertragungsbereitschaften in Erlebens- und Verhaltens-weisen gedrängt wird, die den Verhaltensweisen der Bezugspersonen des Schülers ähnlich sind.“ (Muck 1980, 75)
Im Bemühen ihre SchülerInnen zu verstehen sollten sich LehrerInnen selbst als das entscheidende Abbildungsmodell der fremdpsychischen Vorgänge begreifen lernen, d.h. sie
sollten das „Kind in sich“ und seine Forderungen, Ansprüche, etc. kennen, denn die eigene
Persönlichkeit ist der „Leitfaden“, an dem ihre Schüler gemessen werden. Der Spielraum der
Verstehens- und Handlungskompetenz des Lehrers wird von der „Art und Weise seines Seins“
bestimmt (Hey 1978, 243). Aus- und Fortbildung von LehrerInnen sollte daher mehr Persönlichkeitsbildungs- und Selbsterfahrungsanteile enthalten, ist doch die eigene Persönlichkeit
das Diagnoseinstrument im Erziehungszusammenhang schlechthin. LehrerInnen sollten ihre
„blinden Flecken“ erkennen lernen, denn Erziehungsarbeit sei Beziehungsarbeit - so Miedl
(2000, 95) - und Pädagogen kämen in diesem Sinne „nicht umhin, ihre Person mit all ihren
Stärken und Schwächen in das Beziehungsgeschehen einzubringen.“ LehrerInnen sollten wie
psychoanalytische Therapeuten bemüht sein die unbewussten Anteile ihres kommunikativen
Verhaltens dem Bewusstsein und damit der theoriebezogenen Reflexion zugänglich zu machen um nicht allzu gefährdet zu sein in die „Gegenübertragungsfalle“ zu geraten.
1.5 Affekt/Emotion/Motivation
Heftige Affekte stören nach Freud & Breuer (1970) das Gleichgewicht des Seelenapparats
bzw. des Zentralen Nervensystems (Freud 1962). Erlebnisse mit einem (unerträglich) hohen
Schmerzanteil hinterlassen eine traumatische Spur, was in der modernen Neurowissenschaft
durchaus Bestätigung findet (vgl. Pöppel 1993, Zieglgänsberger 1998). Abreaktion, Abwehr,
Konversion, Bewusstmachen, etc. sind Varianten der Affektreduktion, des (vermeintlichen)
Unschädlichmachens eines intensiven Störreizes. Dabei wird ein halbwegs stabiles Gleichgewicht mit nur geringen (lustvollen) Abweichungen (Spannungsgenerierungen und -lösungen)
angestrebt (vgl. dazu die analogen Positionen von McClelland et al. 1953, Helson 1964, Deci
1975, McClelland 1995, Herber 1998a, Herber et al. 1999, etc.). Im „Entwurf einer Psychologie“ beschäftigt sich Freud (1962, Original 1895) durchaus in diesem Sinne mit Affekten als
(neurophysiologischen) Erregungsquantitäten. In den etwa gleichzeitig entstandenen „Studien
über Hysterie“ (Freud & Breuer 1970, Original 1892/1893) werden inhaltlich-psychologische
Emotionsbegriffe unterschieden, wie Furcht, Angst, Aggression, Scham, Liebe, Besorgnis,
etc..
Freud (1962, 348ff.) versucht hysterische Symptome, wie übermäßige emotionale Reaktionen („Gefühlsausbrüche“, Verdrängung/Abspaltung/Verschiebung von Gefühlen, etc.), mit
Veränderungen im Gleichgewicht der Verteilung der neuralen Energie zu erklären. Energie,
die durch „Fixierung“ lokal im Nervensystem gebunden ist, fehlt an anderer Stelle: die
Summe der Nervenerregung ist nach Freud konstant, eine Vorwegnahme moderner neurowissenschaftlicher Erkenntnisse (vgl. dazu Guttmann 1998). Die relative Homöostase im Organismus (z.B. nach einer partiellen Triebbefriedigung) entspricht einem „Fließgleich-gewicht“
(Menninger 1974), das Streben nach optimaler Aktivierung ist daher von einer entsprechend
flexiblen (nicht neurotisch fixierten) Energieverteilung im Organismus abhängig (vgl. Freud
1962).
Vor allem in seinen (ebenfalls frühen) Schriften „Psychopathologie des Alltagslebens“
(1904) und der „Traumdeutung“ (1900/1901) verwendet Freud häufig den Ausdruck „Motiv“
um aufzuzeigen, dass scheinbar sinnlose Verhaltensphänomene, wie Fehlleistungen, Träume,
etc. durch eine gewisse „seelische Absicht“ zu Stande kommen. In Abhebung von der bewussten, willentlichen Tätigkeit versucht Freud so die Bedeutsamkeit unbewusster Motivationsprozesse aufzuzeigen (GW Bd. 13, 240ff.). Wie später beim Behavioristen Hull (1943) als
„tissue need“ spielt der Begriff „Trieb“ eine wichtige Rolle im Theoriekern der Psychoanalyse: „Unter einem ‘Trieb’ können wir zunächst nichts anderes verstehen als die psychische
Repräsentanz einer kontinuierlich fließenden innersomatischen Reizquelle, zum Unterschied
von ‘Reiz’, der durch vereinzelte und von außen kommende Erregungen hergestellt wird. ...
Was die Triebe voneinander unterscheidet und mit spezifischen Eigenschaften ausstattet, ist
deren Beziehung zu ihren somatischen Quellen und ihren Zielen. Die Quelle des Triebes ist
ein erregender Vorgang in einem Organ und das nächste Ziel des Triebes liegt in der Aufhebung dieses Organreizes.“ (Freud GW Bd. 5, 67) Das Verhältnis der Begriffe „Trieb“ und
„Motiv“ in der psychoanalytischen Motivationstheorie (z.B. Holzkamp-Osterkamp 1976,
Lichtenberg 1989, Lichtenberg et al. 1992) kann man etwa so skizzieren: Motive sind von
(z.B. kognitiven) „Ich-Formanten“ (Caruso 1983, 125ff.) „durchgearbeitete“ Triebe, in gewissem Sinne deren flexiblere (durch Lernen veränderbare) Ersatzbildungen, in denen die starren
Triebimpulse des Es mit Überich-Forderungen und realitätsorientierten Ich-Funktionen einen
Kompromiss geschlossen haben. Je nach (situativer) Akzentuierung der Es-, Überich- oder
Ich-Komponenten können Motive (Motivationen) relativ triebnahe („blind“, dranghaft, „impulsiv“) oder auch triebferne (realitätsgerecht, flexibel, anpassungsfähig, „funktionell automom“) ausgeprägt sein. Entscheidend scheint das Ausmaß an einfließenden Kognitionen zu
sein. Dadurch werden vorbewusste („intuitive“) bis bewusste Zwischenprozesse ermöglicht,
die situativen Triebaufschub und die Umleitung auf realitätsangepasste Ersatzziele in relativ
kontrollierter Weise bewirken, bis direkte Triebbefriedigung durch gezielte (vom Ich ausgehende) Veränderungen des Lebensraumes in „passender“ Weise zugelassen (und auch gefördert) werden kann, ohne die Persönlichkeit als ganzheitliches „Organismus-Umwelt-Feld“
(Murphy 1947, 8) zu beeinträchtigen oder zu schädigen. Damit haben wir Möglichkeiten der
gestalt- bzw. feldtheoretischen Weiterentwicklung der Psychoanalyse angesprochen (siehe
dazu Kap. 3.2). Charakteristisch für psychoanalytische Theorienbildung ist, dass Verschiebungen und motivationale Ersatzbildungen von Triebenergien - heute längst ein integraler Bestandteil feldtheoretischer Persönlichkeitstheorien bzw. formalisierter Motivationsmodelle
(vgl. z.B. die Konstrukte/Parameter „substitution“ und „displacement“ bei Lewin 1935, Atkinson & Birch 1970, Astleitner 1992, Astleitner & Herber 1993) - nicht nur auf (vor-)bewusste,
vom Ich kontrollierte (bzw. grundsätzlich kontrollierbare) Weise möglich ist, sondern bereits
im Bereich des nicht sofort bewusstseinsfähigen (verdrängten, abgespaltenen) Unbewussten
durch verschiedene Mechanismen der Traumbildung (Freud 1961 bzw. GW Bd. 11) bzw.
durch Abwehr-mechanismen des tagtäglichen Erlebens und Verhaltens erfolgen können
(vgl. oben Kap. 1.2). Die gleichzeitige und gleichberechtigte Ausdifferenzierung der realitätsorientierten, wahrnehmungsbezogenen und bewusstseinsfähigen Ichfunktionen - neben den
Trieben des Es - aus der anfänglich gemeinsamen (polymorphen) Es-Ich-Matrix undifferenzierter Partialtriebe des nicht elaborierten „Primärsystems“ (vgl. unten Kap. 3.2) ist seit
A.Freud (1975, Original 1935) ein wichtiges Thema neopsychoanalytischer und tiefenpsychologischer Forschung (vgl. z.B. Hartmann 1972, Kohut 1981, Caruso 1983, Lichtenberg et
al. 1992, Rath 1995). So hat sich das Ich - ursprünglich als Sammelbegriff für die Abwehrvorgänge gegen das Wiederauftauchen verdrängter Vorstellungsinhalte, Affekte, Strebungen,
etc. konzipiert (Freud & Breuer 1970, GW Bd. 13, Bd. 17) - zu einem kognitiven Kontaktsystem zur Außenwelt entwickelt, das eine relative Konstanz der Objektbeziehungen (relativ
unabhängig vom jeweiligen Grad der Triebspannung) sicherstellt. Neben den affektiven („antreibenden“ bzw. hemmenden) Komponenten jeglicher Motivation bestimmen zunehmend
mehr kognitive (reflexiv-konstruktive) Erwartungshaltungen das psychische Geschehen, so
recht nach der Parole Freuds: „Wo Es war, soll Ich sein.“ (Freud 1954, 10)
1.6 Gedächtnis
Freuds Gedächtnispsychologie lässt sich in ihrer Eigenart bezeichnender Weise von den verschiedenen Formen des Vergessens her besonders gut charakterisieren (z.B. 1962, GW Bd. 11,
18ff., 1954). Freud kennt die assoziative Gedächtnistheorie seiner Zeit (z.B. Ebbinghaus
1885). Sie ist die Grundlage für „normale“ Gedächtnisleistungen, Vergessen aus Überlastung
(ohne emotionale Bedeutung) und emotional bedeutsames Vergessen (unter Einschluss von
Fehlleistungen wie Verlegen, Versprechen, etc.). Im letzten Falle werden durch offene, nicht
bewusste (verdrängte) Bedürfnisse Assoziationen gestiftet, die von ihrer äußeren Form her
mehr oder weniger nahegelegt werden, wenn auch die entscheidende Assoziationsstiftung
durch einen „tieferen“ semantischen (kognitiven, emotionalen) Zusammenhang erfolgt und
nicht nur durch die Anzahl „identischer Elemente“ (Thorndike & Woodworth 1901): „Am
häufigsten verspricht man sich ..., indem man anstatt eines Wortes ein anderes, ihm sehr ähnliches sagt, und diese Ähnlichkeit genügt vielen zur Erklärung des Versprechens. Zum Beispiel ein Professor in seiner Antrittsrede: Ich bin nicht geneigt (geeignet), die Verdienste
meines sehr geschätzten Vorgängers zu würdigen. Oder ein anderer Professor: Beim weiblichen Genitale hat man trotz vieler Versuchungen ... Pardon: Versuche ... Die gewöhnlichste
und auch die auffälligste Art des Versprechens ist aber die zum genauen Gegenteil dessen,
was man zu sagen beabsichtigt ... man ... kann sich darauf berufen, dass Gegensätze eine
starke begriffliche Verwandtschaft miteinander haben und einander in der psychologischen
Assoziation besonders nahestehen ... Ein Präsident unseres Abgeordnetenhauses eröffnete
einmal die Sitzung mit den Worten: Meine Herren, ich konstatiere die Anwesenheit von ...
Mitgliedern und erkäre somit die Sitzung für geschlossen.“ (Freud GW Bd. 11,26f.) Mit dem
letzten Beispiel zeigt Freud am deutlichsten die Notwendigkeit einer semantisch-kognitiven
Fundierung auf - im Unterschied zur (nur) assoziativen Ähnlichkeit durch „identische
Elemente“ des Behaviorismus (vgl. Thorndike & Woodworth 1901, Thorndike 1931).
Für die Konstatierung der „tieferen“ Bedeutung einer Fehlleistung dient für Freud (GW Bd.
11, 23ff.) die ungewöhnliche, der „Sache“ gar nicht angemessene begleitende Emotionalität
(der „innere Zwiespalt“) dieser „Ablenkung“/Abweichung von der gut eingeschliffenen
Gewohnheit („habit“) als wesentlicher Indikator - neben der semantisch-kognitiven Inadäquatheit in einem bestimmten Kontext: „Wir machen die Erfahrung, dass solche Fehlhandlungen und solches Vergessen auch bei Personen vorkommen, die nicht ermüdet, zerstreut oder
aufgeregt sind, es sei denn, man wolle den Betreffenden gerade wegen der Fehlleistung ... eine
Aufgeregtheit zuschreiben ... Wir sehen, ... dass viele Verrichtungen ganz besonders sicher geraten, wenn sie nicht Gegenstand einer besonders hohen Aufmerksamkeit sind, und dass das
Missgeschick einer Fehlleistung gerade dann auftreten kann, wenn an der richtigen Leistung
besonders viel gelegen ist, eine Ablenkung der nötigen Aufmerksamkeit also sicherlich nicht
stattfindet.“ (ebenda, 23)
1.6.1 Freuds Gedächtnistheorie in einem thesenförmigen Überblickvi:
 Gedächtnisinhalte kommen im Sinne der Assoziationsgesetze zu Stande (räumlichzeitliche Nähe, Wiederholung).
 Das Gedächtnis entsteht physiologisch, wenn die Kontaktbarrieren zwischen verschiedenen
Neuronen gesenkt werden. Die Intensität wie auch die Häufigkeit von Reizeindrücken bewirkt die Stärke eines Gedächtnisses, (desto stärker wird die Verbindung zwischen Neuronen gebahnt).
 Wenn zwei Neuronen gleichzeitig durch einen Reiz erregt werden, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit einer Verbindungsbahnung zwischen ihnen.
 Wenn sie mit starken Gefühlen in Verbindung stehen, haben Gedächtnisinhalte mehr
Bedeutung innerhalb des gesamten Netzwerkes von Assoziationen.
 „Normales“ Vergessen bedeutet, dass zum entsprechenden Inhalt kein Gefühlsbezug
(mehr) besteht. Entweder ist die Angelegenheit nicht wichtig genug um eingespeichert zu
werden, oder das betreffende Gefühl wurde „abreagiert“, seine Energie aufgebraucht, indem es in adäquates Erleben und Verhalten umgesetzt wurde. Der betreffende Gedächtnisinhalt schwindet mit der Abnahme seiner Bedeutung (des Gefühlsbezuges) für das Leben
eines Menschen.
 Gefühlsbetonte Gedächtnisinhalte werden weniger schnell vergessen und ziehen immer
wieder die Aufmerksamkeit des Ich auf sich. Jeder Affekt muss durch besondere Aktivitäten beantwortet, „ausgeglichen“ werden um das neuronale System bzw. den
„Seelenapparat“ einigermaßen im Gleichgewicht zu halten.
 Das Ich hat die Aufgabe das Entstehen neuer Gefühlsregungen zu verhindern bzw. bestehende „Erregungsüberschüsse“ (die das Gleichgewicht gefährden) aufzuarbeiten bzw. so
weit abzublocken, dass sie das neuronale (seelische) Gesamtgeschehen nicht stören und
durcheinanderbringen. Dabei kommt es zur Neubesetzung des Affekts: Neue Vorstellungen
werden mit dem Affekt kombiniert, so dass die Gefühlsregungen auf ein breiteres Assoziationsareal verteilt und damit besser „aufgearbeitet“ werden können.
 „Verdrängung“ bedeutet, dass die Hemmschwellen zwischen den Neuronen wieder aufgebaut werden, so dass ihre Durchlässigkeit vermindert und der störende Affekt damit isoliert
werden kann (was Freud 1985 1962 zwar neurowissenschaftlich postulierte, aber nicht
belegen konnte).
 „Verdrängung“ kann als Streben nach logischer Konsistenz der Ichanteile interpretiert werden. Das Nichtwissen um die verdrängten Inhalte kann daher als ein Nichtwissen-Wollen
aufgefasst werden (um sich peinliche Wünsche „vom Leib“ zu halten). Damit „erspart“
man sich die Aufarbeitung und Modifikation von Konflikten im gesamten assoziativen
Netzwerk.
 Solange der Affekt vorhanden ist, ist auch die (verdrängte) Erinnerung lebendig und
kommt über neuronale Umwege zum Ausdruck (verschobene Aufarbeitung), z.B. durch:
(1) Konversion als Ausdruck einer „perfekten“ Verdrängung;





(2) Spaltung von Vorstellung (Kognition) und Affekt, z.B. bei frei flottierender Angst, die
„ihren Inhalt“ verloren hat und durch „alles Mögliche“ (Mäuse, enge oder weite Räume,
Höhen, Jahrtausendwechsel, etc.) ausgelöst werden kann:  neurotische Angst gegenüber Realangst (Furcht), Affektverschiebung/Substitution/Projektion („tiefe“ Analogiebildungen lassen uneinfühlsame Ängste entstehen, für die keine rationale Erklärung bestenfalls eine „Rationalisierung“ - gegeben werden kann).
Die Summe der neuralen Erregung ist nach Freud in etwa konstant, daher findet eine isolierte (von ihrem ursprünglichen Inhalt abgespaltene, verdrängte) affektive Spannung einen anderen - wie Freud sagt - „falschen“ Verbindungsweg zur somatischen/“seelischen“
Bearbeitung. Durch die Abwehrmechanismen Konversion, Verschiebung, Wiederholungszwang, Fixierung, Umkehrung, etc. kommt es zur teilweisen Abarbeitung und damit
Schwächung des erregenden Inhalts, dadurch kann die Abwehr wiederum leichter aufrechterhalten werden.
Das „unbewusste“ Gedächtnis, soweit es wegen der starken, damit verbundenen Emotionen selber „stark“ bleibt, ist glasklar chronologisch geordnet (wie ein gut geführtes Geheimdossier).
Die (therapeutisch evozierte) Erinnerungsproduktion erfolgt in genau umgekehrter Reihenfolge wie die Erinnerungsentstehung: Zuerst erscheint im „file“ die aktuelle Situation als
erste „Hülle“, als letztes erst taucht - unter großer Erregung - die Ursprungssituation auf.
Die unangenehme Erinnerung kann plötzlich wieder auftauchen, wenn eine Person in eine
Situation gerät, die der ursprünglichen traumatischen ähnlich erscheint. Es kommt zu einer
übermäßig affektiven Reaktion, die auch der Person selbst auffällt und daher mit (scheinbar) vernünftigen Gründen (Gedächtnisinhalten) legitimiert wird, die mit der Entstehungssituation wenig bis nichts zu tun haben (Überreaktion  Rationalisierung,
Intellektualisierung).
Einen unbewältigten Gedächtnisinhalt aufzuarbeiten ist Freuds Therapieziel:
(a) Nacherziehung: ein adäquateres Verhalten lernen (vgl. Verhaltenstherapie);
(b) Wenn das nicht geht, weil das quälende (Kindheits-)Ereignis im aktuellen Leben keine
Rolle mehr spielt und nur noch in peinlichen (unpassenden) Erinnerungsspuren besteht
(die eventuell verdrängt sind), hilft ein (verbales) Wiederherstellen der Situation mittels
Übertragung. Ziel: „klares“ und „lebensförderliches“ Denken (vgl. ähnliche Zielsetzungen bei Kognitiven Therapien, z.B. Beck 1999).
Es scheint an dieser Stelle sinnvoll Freuds Auffassung über normale und pathologische Gedächtnisprozesse herauszufiltern:
1.6.2 Normales Gedächtnis
In seinem frühen „Entwurf einer Psychologie“ (1895) versuchte Freud (1962) ein widerspruchsfreies System seiner psychologischen Instanzen und Mechanismen auf neurowissenschaftlicher Basis zu formulieren: „Es ist die Absicht dieses Entwurfs, eine naturwissenschaftliche Psychologie zu liefern, d.h. psychische Vorgänge darzustellen als quantitativ bestimmte Zustände aufzeigbarer Teile, und sie damit anschaulich und widerspruchsfrei zu machen. Der Entwurf enthält zwei Hauptideen, 1. Das was Tätigkeit von Ruhe unterscheidet als
Quantität (Q) aufzufassen, die dem allgemeinen Bewegungsgesetz unterworfen ist, 2. Als
materielle Teilchen die Neuronen anzunehmen.“
Auf Basis dieses Entwurfes und verstreuter Bemerkungen in seinem Gesamtwerk
(z.B. GW Bd. 11, 27ff.) weiß Freud um die Wirkung der Assoziation (der zeitlich-räumlichen
Nachbarschaft von Objekten, der Identität und benachbarten oder „ähnlichen“ Anordnung von
Elementen in zwei Objektbereichen, etc.) auf die normale Gedächtnisleistung, aber er weist
auch auf die hohe Selektionswirksamkeit von (starken) Gefühlen hin. Oder in Übereinstimmung mit moderner kognitionspsychologischer Forschung (vgl. z.B. Klix 1992, 190ff., Dörner
1999, 117ff., Rosenfield 2000): Erinnerungen sind umso wirksamer, je mehr sie mit zentralen
Emotionen der jeweiligen Person verknüpft sind. Solange ein Ereignis, Objekt, etc. mit
heftigen Affekten assoziiert wird, kann es nicht vergessen werden (vgl. z.B. Freud & Breuer
1970, 8ff., Freud 1954, 118ff.). Die Erinnerungsleistung lässt im Übrigen in dem Maße nach,
wie die entsprechende Reizeinwirkung aufhört. Doch hinterlassen die Reizeinwirkungen Spuren, die Freud in seiner „Neuronentheorie“ zu beschreiben sucht: Neuronen „können nach jeder Erregung in anderem Zustand sein als vorher, ergeben also eine Möglichkeit, das
Gedächtnis darzustellen. ... undurchlässige (mit Widerstand behaftete und Quantität zurückhaltende) Neuronen, die Träger des Gedächtnisses“ ... nennt Freud „-Neuronen ... sie werden durch den Erregungsablauf dauernd verändert ... ihre Kontaktschranken geraten in einen
dauernd veränderten Zustand. Und da die psychologische Erfahrung zeigt, dass es ein ÜberErlernen gibt auf Grund des Gedächtnisses, muss diese Veränderung darin bestehen, dass die
Kontaktschranken leistungsfähiger, minder undurchlässig werden ... Diesen Zustand der
Kontaktschranken wollen wir als Grad der Bahnung bezeichnen. Dann kann man sagen: Das
Gedächtnis ist dargestellt durch die zwischen den -Neuronen vorhandenen Bahnungen.“
(Freud 1962, 309)
Das normale Gedächtnis - und in weiten Teilen auch das pathologische, besonders im Prozess des therapeutisch initiierten „Nachlernens“ - ist im Unterschied zur Darstellung der
Freudschen Konzeption in Perrig et al. (1993, 38) ein dynamisches, d.h. in der ständigen
(u.U. auch abwehrenden) Auseinandersetzung mit einem (u.U. traumatisch) wirkenden Gedächtnisinhalt wird dieser ständig verändert, nach Freud „abgearbeitet“ (zu Symptomen transformiert), wobei es - auf dieser Erfahrungsgrundlage - zu einer dynamischen Begriffsbildung
(Konzeption von „Ideen“) kommt, außer eine Verdrängung wäre vollständig geglückt (z.B. zu
einem körperlichen Leiden konvertiert), was aber kaum „in Reinkultur“ vorkommt (vgl. Freud
1962, 334ff.).
Diese unsere Analyse wird gestützt durch Sacks (1998, 19) neurowissenschaftlichen Rekonstruktionsversuch: „Freud’s contact barriers were capable of selective facilitation or inhibition, thus allowing permanent neuronal changes which correspondend to the acquisition of
new information and new memories - a theory of learning basically similar to that which Donald Hebb was to propose in the 1940s, and which is now supported by experimental findings.
Thus remembering, for Freud, though it required such local neuronal traces (of the sort we
now call long-term potentiation) ... was essentially dynamic, transforming, reorganizing,
throughout the course of life. Nothing was more central for the formation of identity than the
power of memory; nothing more guaranteed one’s continuity as an individual. But memories
shift, and no one was more sensitive than Freud to the reconstructive potential of memory, the
fact that memories are continually worked over and that their essence, indeed, is recategorization.“
Gedächtnis und Motivation hängen bei Freud (1962) untrennbar zusammen, wobei das
Gedächtnis die retrospektive Seite der Ideenentwicklung darstellt, Motivation die prospektive,
kreative - eine Position, die gut mit den Ergebnissen moderner neurowissenschaftlicher Forschung zusammenpasst (vgl. z.B. Zieglgänsberger 1998, LeDoux 1998, Guttmann & ScholzStrasser 1998, Greenfield 1999).
1.6.3 Pathologisches Gedächtnis
Im Zusammenhang mit der Hysterieforschung beschäftigt sich Freud (GW Bd. 1, 1962, Freud
& Breuer 1970) mit der Wirkung von (zu) starken Affekten auf die Denk- und Gedächtnisleistung: „Es ist eine ganz alltägliche Erfahrung, dass Affektentwicklung den normalen Denkablauf hemmt ... Erstens, indem viele Denkwege vergessen werden, die sonst in Betracht kämen ... so z.B. ist es mir vorgekommen, dass ich in der Erregung einer großen Besorgnis vergessen habe, mich des seit kurzer Zeit bei mir eingeführten Telephons zu bedienen. Die rezente Bahn unterlag im Affektzustand. Die Bahnung, d.h. die Anciennität gewann die Oberhand.“ (Freud 1962, 357) Insoweit besteht volle Einstimmung mit behavioristischen Annahmen, etwa mit Hulls (1943) berühmter Formel: Verhaltenstendenz = Trieb mal Gewohnheit
(Habit). Unsere Reaktionsbereitschaft angesichts bestimmter Reizkonstellationen ist nach der
Stärke der eingeschliffenen Gewohnheiten (Habits) festgelegt: Habit 1, Habit 2, usw.. Bei
großer Triebstärke werden die Abstände zwischen den Habits entsprechend vergrößert: ein
Abstand von 1 zwischen Habit 1 und Habit 2 hinsichtlich ihrer reaktionssteuernden Wirkung
bleibt bei einer Triebstärke von 1 ebenfalls 1, wird bei zunehmender Triebstärke aber immer
größer. Das bedeutet, dass bei hoher (positiv oder negativ erlebter) Erregung die alteingeschliffenen Gewohnheiten am ehesten zum Zug kommen, ein Oszillieren zu einem zweiten
oder dritten Habit in der Hierarchie aber immer unwahrscheinlicher wird: das Verhalten wird
rigid, „stur“, fixiert, ist kaum noch flexibel.
Ähnlich wirksam sind - nach Freud - „alte Spuren“ im hysterischen Prozess. Während
emotional stark wirksame Ereignisse eine Person normaler Weise so lange Zeit beschäftigen,
bis sie so weit abreagiert und verändert (dem Ich angepasst) sind, dass man damit ohne neuerliche große Aufregung einigermaßen umgehen kann, zeigen die extrem unangenehmen Gedächtnisinhalte von Hysterikern - besonders bei vollständiger („gelungener“) Verdrängung eine Konkretheit bis ins Detail und eine starke affektive „Ladung“ ( Überreaktion) ähnlich
der Situation, in der es zur traumatischen Verdrängung gekommen ist, d.h. sie wurden der
normalen Abarbeitung (begrifflichen Rekonstruktion, Veränderung im Handeln) weitgehend
durch Abspaltung entzogen. Erst wenn diese Inhalte - z.B. therapeutisch - bewusst gemacht
werden, kommt es zu einer Rekonstruktion, begrifflichen (Neu-)Fassung, die eine wirklich
nachhaltige Veränderung zum Positiven (Arbeits- und Liebesfähigkeit nach Freud) erlaubt.
„Erinnerungsspuren“ werden immer - auch im unbewussten Zustand - transformiert, können
dabei aber durch geeignete Auslösereize in ihrer pathogenen Wirkung verstärkt werden
(z.B. immer mehr verdrängt werden). Im Unterschied zur bewussten Erinnerungsarbeit werden abgespaltene, traumatische Erlebnisse allerdings weniger in den allgemeinen Entwicklungsprozess einbezogen, sie bleiben „fixiert“, bis sie zufällig oder gezielt therapeutisch
aktualisiert werden und zeigen dann ihr „steckengebliebenes“, nicht weiterentwickeltes, unrei-
fes, infantiles Gepräge (man verhält sich „kindisch“, sentimental, etc.). Zur (ursprünglichen)
Verdrängungvii kommt es, wenn Wahrnehmungen, Vorstellungen, Wünsche, Bedürfnisse, etc.
einer Person völlig inkompatibel mit ihrer bewussten oder vorbewussten moralischen Haltung
sind und eine unerträgliche affektive Spannung im Seelenapparat hervorrufen. Diese nicht bearbeiteten (weil verdrängten) Gedächtnisinhalte wirken aber - auf Umwegen (z.B. über Konversion und andere Symptombildungen) - auf das „normale“ Erinnern, Wahrnehmen, Denken,
Fühlen, Beurteilen, etc. in verzerrender Weise ein. Konsequenterweise vertreten Freud &
Breuer (1970, 10) die Auffassung, „der Hysterische leide größtenteils an Reminiszenzen“. Die
Befreiung von dieser pathogenen Gedächtnislast stellt sich dann so dar: „Wir fanden nämlich,
anfangs zu unserer größten Überraschung, dass die einzelnen hysterischen Symptome sogleich
und ohne Wiederkehr verschwanden, wenn es gelungen war, die Erinnerung an den veranlassenden Vorgang zu voller Helligkeit zu erwecken, damit auch den begleitenden Affekt wachzurufen, und wenn dann der Kranke den Vorgang in möglichst ausführlicher Weise schilderte
und dem Affekt Worte gab. ... der psychische Prozess, der ursprünglich abgelaufen war, muss
so lebhaft als möglich wiederholt, in statum nascendi gebracht und dann ‘ausgesprochen’
werden. Dabei treten ... Krämpfe, Neuralgien, Halluzinationen - noch einmal in voller Intensität auf und schwinden dann für immer.“ (ebenda, 10) Wieder eine Parallele zur Verhaltenstherapie: Wenn einem Verhalten die Verstärkung entzogen wird, tritt es nochmals in voller bis
übersteigerter Intensität auf - quasi um die gewohnte Verstärkerzufuhr doch noch zu „erzwingen“ (vgl. Kuhlen 1973). Besonders bei vorhergehender intermittierender Verstärkung kommt
es zur verstärkten Löschungsresistenz und damit zur Ausbildung eines „Prinzip Hoffung“ (à la
Ernst Bloch): Hoffnung lebt - so gesehen - von den nur fallweise verstärkten bzw. (kognitiv)
unerledigten (verdrängten) Gedächtnisinhalten der eigenen Biografie, die - in unbewusster
Weise - unsere Realitätswahrnehmung tendenziell verzerren und zu illusionären Konstruktionen der Wirklichkeit („Hoffnungen“) Anlass geben.
Das pathogene Gedächtnis entsteht durch Verdrängung „peinlicher“ Wunschvorstellungen,
die ihrerseits das Ergebnis unerfüllter Triebregungen (hervorgerufen durch „passende“ situative Anreize) darstellen. Eine Vorstellung, die mit den „herrschenden“ Vorstellungen in Widerspruch steht, wird vom Assoziationsfluss - und damit bewusster Erinnerung - ausgeschlossen. Obwohl ein starker Widerstand besteht, diese konflikthaften Gedächtnisinhalte zu erinnern, ist die betreffende Person doch ständig damit beschäftigt, ein Teil ihrer Energie wird zur
Aufrechterhaltung der Abwehr verbraucht, besonders wenn in der Umwelt ein passender
Auslösereiz wieder eine neuronale Verbindung zum neuronalen Substrat des verdrängten Gedächtnisinhalts aktiviert (Freud 1962, 351ff.). Diese zur Errichtung bzw. Wiederherstellung
der Abwehr benötigte Energie fehlt für die Entfaltung der vollen Funktionstüchtigkeit der
emotionalen und kognitiven Ressourcen einer Person, sie ist nur in eingeschränktem Maße
„liebes- und arbeitsfähig“. Fehlleistungen (Vergessen, -sprechen, -legen, etc.) sind ein
brauchbarer erster Indikator zur semantischen und - wie es Freud vorschwebte - neuronalen
Lokalisierung eines verdrängten (störenden) Gedächtnisinhalts.
1.7 Kognition
Das Grundproblem der psychischen Erkrankung ist für Freud (z.B. GW Bd. 1, Freud & Breuer
1970) die Unverträglichkeit von „Vorstellungen“. Eine Vorstellung (oder Idee) ist eine
kognitive Repräsentation von „irgendetwas“. Vorstellungen (Ideen) können - nicht unähnlich
dem inflationären Gebrauch von „Kognition“ im heutigen Wissenschaftsjargon - unterschiedliche interne Zustände oder Prozesse („unobservals“ sensu Hull 1943) sein: Empfindungen,
Wahrnehmungen, Erlebnisse, Gefühle, Wünsche, Erwartungen, Gedanken, Begriffe, Konzepte, Gedächtnisinhalte, Erinnerungen, Fantasien, Halluzinationen, etc. (vgl. weiterführend
Wegman 1985, 20ff., Herber 2000). Freuds Terminologie ist - wie schon erwähnt - nicht sehr
präziseviii, er umschreibt Phänomene eher extensional-konkret als sie intensional-begrifflich
mit Hilfe streng festgelegter „wesentlicher Merkmale“ zu definieren. Wichtig ist ihm,
inwieweit eine bestimmte kognitive Repräsentation das trifft, was sie zu repräsentieren
vorgibt - eine innere oder äußere Realität. Ideen sind weniger abstrakte Begriffe als konkrete
Vorstellungen von komplexen Situationen, weniger transsituationale analytische
Dimensionierungen als situationsspezifische Beschreibungen, Darstellungen von Szenen,
Handlungs- bzw. Vorstellungsabläufen. Ideen oder Vorstellungen sind einfach das, was
Patienten im therapeutischen Zusammenhang an Einfällen, Assoziationen, Erinnerungen, etc.
berichten. Er hält nichts von Wundts „reinen Empfindungen“ (vgl. Wundt 1907, 45ff.). Jede
Empfindung ist eingebettet in ein Netzwerk von transsituationalen und situationsspezifischen
Assoziationen. In analoger Weise ist eine Idee oder Vorstellung kein statisches Faktum, eher
ein Prozessverlauf, in dem - vom Beginn (der „ersten“ Idee) an - viele Assoziationen
eingebunden sind und ständig neu angebunden werden, so dass der Bedeutungsgehalt
situationsspezifisch „verrutscht“ (ganz im Sinne moderner Kognitionspsychologien, wie
z.B. bei Mangold-Allwins 1993 bzw. Hofstadters 1996 Konzept- bzw. Analogiebildung).
Freud geht vom Begriffsverständnis psychologisch gebildeter Laien aus: Er setzt u.a. die
Kenntnis der Ebbinghausschen Assoziationsgesetze voraus und geht von einem ausreichenden
gemeinsamen Wortverständnis seiner Leser bei Begriffen wie „Ratio“, „Vorstellung“, „Idee“,
„Bewusstsein“, „Denken“, „Denkgewohnheit“, „Gedächtnis“, „Erinnerung“, „Gefühlsregung“, etc. aus (vgl. z.B. Freud 1962, GW Bd. 1, Bd. 11, Freud & Breuer 1970). Assoziationen werden bei ihm ganz im althergebrachten, tradierten Sinne gebildet (etwa sensu Wundt
1907, 271ff.), nämlich durch räumlich-zeitliche Nähe, begrifflichen Kontrast (z.B. öffnen schließen), Kausalität und „Ähnlichkeit“ des Inhalts (Identität der Elemente, analoge Strukturen, Funktionen).
Freuds analytische Einheiten sind allerdings nicht so sehr Elemente, die sich einer weiteren theoretischen bzw. methodologischen Analyse entziehen, sondern komplexe Strukturen
und Funktionseinheiten von Gedanken und Gefühlen, die sich auf „ganze“ Handlungsverläufe,
(pathogene) Vorstellungen, Erinnerungen, etc. beziehen (vgl. Freud & Breuer 1970). Eine
Vorstellung (Idee) besteht aus einer mehrdimensional aufgebauten Struktur. Damit werden
bestimmte - inhaltlich unterscheidbare - Bedürfnisse repräsentiert, zeitliche Abläufe dargestellt, zentrale (prototypisch „tiefe“) und marginale Elemente (z.B. Oberflächenmerkmale)ix
miteinander verknüpft, etc.. Assoziationen bestehen aus mehr als aus zwei Verbindungsgliedern pro Element und sind nicht nur seriell-kettenförmig (wie eine „Perlenkette“) angeordnet.
Anders gesagt: Vorstellungen bestehen nicht aus einer linearen Sequenz von Elementen, sondern aus einer hierarchischen Struktur von Ober- und Unterbegriffen, die häufig kausal interagieren - ähnlich „genealogischen Bäumen“ (vgl. GW Bd. 1, 196).
Vorstellungen (Ideen) entsprechen komplexen kognitiven Strukturen mit empirischem
Gehalt, d.h. sie beziehen sich auf (erinnerte) „Szenen“ des Alltagslebens. Dies ermöglicht
(und erfordert) multidimensionale Rekonstruktionen.
Um die vielfältigen Verknüpfungsmöglichkeiten von Vorstellungen zu erfassen - ausgehend von „manifesten“, beobachtbaren Oberflächenmerkmalen bis zu „latenten“ (vor- bzw.
unbewussten) Tiefenstrukturen (z.B. „Komplexen“) - kreierte Freud die Methode der „freien
Assoziation“, die (theoretisch und methodisch) in vieler Hinsicht der modernen kognitionspsychologischen Theorie der „Aktivationsausbreitung“ von Anderson (1996, 180f.) entspricht
(vgl. oben den Abschnitt über „Abreaktion“): „Ich und viele andere nach mir haben wiederholt ... Untersuchungen für Namen und Zahlen, die man sich ohne jeden Anhalt einfallen lässt,
angestellt ... Man verfährt dabei in der Weise, dass man zu dem aufgetauchten Namen fortlaufende Assoziationen weckt, die also nicht mehr ganz frei, sondern wie die Einfälle zu den
Traumelementen einmal gebunden sind, und dies so lange, bis man den Antrieb dazu erschöpft findet.“ (GW Bd. 11, 107) Bis man also kein Bedürfnis mehr hat weiterzumachen.
Entweder man ist bei seinem Ziel angekommen, die Sache hat sich „erschöpft“, man ist zufrieden, beruhigt, oder es stellt sich - unter starker affektiver Begleitung - ein Gefühl des Widerstandes, eine heftige Abwehrreaktion ein, so etwa nach dem Motto: „Ende der Fahnenstange, weiterklettern gefährlich!“ Für Freud ist der oben zitierte Zustand einer - befreienden „Erschöpfung“ aber nicht ein wertneutrales „Erschlaffen des Anfangsimpulses“, sondern durchaus im Sinne von Klix (1992, 197ff.) - ein motiviertes „Ausschöpfen“ (Entdecken) des
affektiven Such- und Steuerungszentrums der entsprechenden kognitiven Aktivität: „Dann hat
man aber auch Motivierung und Bedeutung des freien Nameneinfalls aufgeklärt. Die Versuche ergeben immer wieder das nämliche, ihre Mitteilung erstreckt sich oft über reiches Material und macht weitläufige Ausführungen notwendig. Die Assoziationen ... laufen ... schnell ab
und gehen mit so unbegreiflicher Sicherheit auf ein verhülltes Ziel los, dass sie wirklich verblüffend wirken.“ Freud greift dabei auf die Assoziationsexperimente von Wundt zurück und
ergänzt diese Methode im psychoanalytischen Sinne: „Die Wundtsche Schule hatte das sogenannte Assoziations-experiment angegeben, bei welchem der Versuchsperson der Auftrag erteilt wird, auf ein ihr zugerufenes Reizwort möglichst rasch mit einer beliebigen Reaktion zu
antworten. Man kann dann das Intervall studieren, das zwischen Reiz und Reaktion verläuft,
die Natur der als Reaktion gegebenen Antwort, den etwaigen Irrtum bei einer späteren Wiederholung desselben Versuches und ähnliches. Die Züricher Schule unter der Führung von
Bleuler und Jung hat die Erklärung der beim Assoziationsexperiment erfolgenden Reaktionen
gegeben, indem sie die Versuchsperson aufforderte, die von ihr erhaltenen Reaktionen durch
nachträgliche Assoziationen zu erläutern, wenn sie etwas Auffälliges an sich trugen. Es stellte
sich dann heraus, dass diese auffälligen Reaktionen in der schärfsten Weise durch die Komplexe der Versuchsperson determiniert waren.“ (ebenda)
So lässt sich - therapeutisch nutzbar - eine Assoziationsspur bis zum traumatischen Erlebnis zurückverfolgen, das für die Ausbildung unerklärlicher Ängste in bestimmten Situationen
und entsprechender Überreaktionen (Abwehr, Vermeidungsverhalten, ungesteuerter Aggressionen, etc.) verantwortlich ist. Pines (1998, 47ff.) zeigt auf, dass Freuds Basismodell der Verbindung von Vorstellungen der Reflexbogen ist (in neuraler Hinsicht und auch was die Verbindung sprachlicher Einheiten betrifft). Diese Assoziationen sind allerdings - z.B. im Sinne
von Collins & Quillian (1969), Anderson (1996, 141ff.) - in einem hierarchischen semantischen Netzwerk nach der „Tiefe“ ihrer Bedeutung geordnet (vgl. Freud 1891, 36, 79, GW
Bd. 1, 524, Bd. 10, 408, Bd. 17, 446). Freuds Darstellungen der Beziehung von Kognition und
Sprache erinnern geradezu an modernes „mind mapping“ oder „concept mapping“ (z.B. sensu
Lukesch 1998).
1.8 Sprache
Nachdem Freud 1896 den Versuch aufgegeben hatte psychologische Strukturen und Prozesse
in neurowissenschaftlichen Begriffen darzustellen (vgl. Freud 1962, 299), bediente er sich zur
Veranschaulichung seiner theoretischen Konstrukte einer Fülle von Metaphern und Analogien.x Nach unserer Auffassung ist die Kritik an der Verwendung von Analogien in der Entwicklung und Darstellung wissenschaftlicher Theorien mit Vorurteilen behaftet, die viel mit
der Verwechslung von induktiv-heuristischer und deduktiv-überprüfender Funktion von Wissenschaft zu tun haben (vgl. Herber 1996a,b). Man kann im Grunde alle wissenschaftlichen
Theorien als Analogien auffassen: Wissenschaft als System von Sätzen „spiegelt“ - wahrgenommene, gedachte, etc. - Strukturen und Prozesse von bestimmten Realitätsbereichen. Der
Unterschied zwischen Analogien mit hohem Generalisierungsanspruch (z.B. in der Physik)
und eher bereichsspezifischem Geltungsbereich (z.B. in den Sozialwissenschaften) ist kein
grundsätzlicher, sondern ein gradueller. Nie wissen wir mit letzter - deterministischer - Sicherheit, wie zukünftige Entwicklungen sein werden (ob das Weltall sich unendlich ausdehnt
oder sich im rhythmischen Wechsel ausdehnt und zusammenzieht, etc.). Immer können wir im universalistischen Sinne - aus bewährtem (Gesetzes-)Wissen nur hochrechnen, was uns die
Zukunft bringen wird, unser Wissen ist jederzeit fehlbar. Wir stimmen damit mit Popper
(z.B. 1976, 1994) überein ohne seine strikte Trennung von Natur- und Sozialwissenschaften in
epistemologischer (wohl aber in methodologischer) Hinsicht zu teilen.
Mit Bunge (z.B. 1983) sind wir der Auffassung, dass hoch elaborierte Theorien mathematisch oder in sonst einem formalen Symbolisierungssystem formuliert sein sollten. Das ist
grundsätzlich im naturwissenschaftlichen wie auch im sozialwissenschaftlichen Bereich möglich (vgl. in letzterem Zusammenhang z.B. Atkinson 1957, Atkinson & Birch 1970, Coombs
1986, Stegmüller 1986). Doch jede explizite Formulierung von (postulierten) Zusammenhängen in der Realität ist nichts Anderes als eine sehr präzise Analogiebildung, in der eine bestimmte theoretische Konstruktion, die gewisse formale Regelfestlegungen beachtet, einen bestimmten Realitätsbereich „abbilden“, „spiegeln“, „erfassen“, etc. soll. Das gilt für das Gravitationsgesetz von Newton genau so wie für das Motivationsmodell von Atkinson. Wenn das
Konstrukt aus sprachlich definierten Symbolen die (empirisch erfassbaren) Zustände und Prozesse „draußen“ in der Realität gut vorhersagen kann, halten wir sie für wahr.
Die meisten Sozialwissenschaften aber sind weit von mathematischer oder formallogischer
Präzision entfernt, die verwendeten Analogien sind ungenau, andeutend, implizit, vage, mit
einem großen Interpretationsspielraum behaftet (etwa wenn man menschliche Kognitionen
mit einem Computer vergleicht). Es ist in solchen Zusammenhängen a priori ziemlich unklar,
wie weit die Vorstellungen verschiedener Menschen bei der Verwendung der gleichen
Sprachzeichen voneinander abweichen.
Diese (konnotativen) Abweichungen macht sich Freuds Technik des freien Assoziierens
zu Nutze: Die „freie“ Verbindung verschiedener Wörter ergibt eine Art „mind map“ der individuellen Bedeutung des so entstehenden Wortfeldes (siehe oben den Abschnitt über Kognition). Die sprachliche Analogie zu entsprechenden kognitiven und emotionalen Prozessen erfasst Oberflächenmerkmale (z.B. identische Elemente wie bei „Versuch - Versuchung“), kognitive Tiefenstrukturen (z.B. Gegensatzpaare wie (er)öffnen - schließen) und emotionale
„links“ (z.B. auf jemanden „auf“- statt „anzustoßen“, etc., vgl. Freud GW Bd. 11, 25ff.).
Sprachanalysen spielen in der Psychoanalyse bei der Interpretation von Träumen, Versprechern, Witzen und Mythen die entscheidende Rolle. Neben denotativen Analysen der bewussten Sprachgestaltung geht es primär um das Herausarbeiten (gemeinsam mit dem Analy-
sanden) der konnotativ-idiosynkratischen (z.T. unbewussten) Bedeutung der Sprachverwendung. Freud verteidigt seine „Redetherapie“ immer wieder, z.B.: „Worte waren ursprünglich
Zauber und das Wort hat noch heute viel von seiner alten Zauberkraft bewahrt. ... Worte rufen
Affekte hervor und sind das allgemeine Mittel zur Beeinflussung der Menschen untereinander.“ (GW Bd. 11, 10)
Die Funktion der Sprache in der Psychoanalyse ist mehrfach: Zunächst einmal dient sie
der Kommunikation zwischen Patient und Therapeut. Diese Sprachform hat mehr mit Dichtung als mit Wissenschaft zu tun, sie umschreibt eher viel- denn eindeutig aktuelle und erinnerte Gefühle, Gedanken, Wünsche, Erwartungen, etc.. Außerhalb der Therapie verwendet der
Analytiker eine eher nüchterne Sprache, in der die protokollierten Beobachtungen in Hinblick
auf die spezifische Situation (das entsprechende Therapiestadium, aktuelle Ereignisse) und in
Bezug auf theoretische Terme zusammengefasst und geordnet werden. Auf einer dritten
Ebene finden Erklärungen und Bewertungen mit Hilfe hypothetischer Konstrukte statt, die
objekttheoretische und metatheoretische Konzepte (z.B. methodologische Kriterien)
zueinander systembezogen in Verbindung bringen (vgl. dazu Blatt & Lerner 1983). Die
Validität dieser Transformation in die psychoanalytische Objektsprache stützt sich auf
empirisches Material, also auf die während oder im Anschluss an die Sitzung verfassten
Protokollsätze. Intersubjektivität ist leider weithin noch ein methodologisches Desiderat der
psychoanalytischen Praxis und sollte - wenigstens in der einschlägigen Forschung - in
voneinander unabhängigen Analysen von Tonbandprotokollen durch Experten seinen
Niederschlag finden.
Elaborierte Textanalysen im Sinne einer „Übersetzung“ der ersten Sprachebene (therapeutische Kommunikation, Äußerung des Patienten in Bezug auf „Reizworte“ des Therapeuten)
in die objekt- und metasprachlich geklärten Ebenen 2 und 3 könnten analog den elaborierten
Auswertungsverfahren für den Thematischen Apperzeptionstest (TAT) praktiziert werden,
wodurch - zumindest teilweise - hohe konstruktbezogene Auswertungsobjektivität erreicht
werden könnte (vgl. z.B. McClelland et al. 1953, Heckhausen 1963, Revers 1973, Atkinson
1982, DeCharms 1982, Fleming 1982, McAdams 1982, Revers & Allesch 1985, Schafer
1986, McClelland et al. 1989, Smith 1992, McClelland 1995, Herber et al. 1999).
Eine methodologische Steigerung wären script-basierte, formalisierte Texttransforma-tionen (à la Wegman 1985, 32ff.). Letztlich wäre es - auf lange Sicht - eine lohnende Forschungsaufgabe Texte im Sinne moderner informationstheoretischer Systeme der „data
compression“ auf ihren „wesentlichen“ Sinngehalt zu reduzieren (vgl. Seidler 1997).
Die hier knapp rekonstruierten Positionen von Freud haben in der modernen kognitionspsychologischen (auch neurowissenschaftlichen und evolutionstheoretischen) Forschung neben
kritischen Einschränkungen in wesentlicher Hinsicht auch - weiterführende, differenzierende Bestätigung erfahren (z.B. Hobisch & Schulter 1985, Wegman 1985, Erdelyi 1985, Pöppel
1987, Perrig et al. 1993, Claxton 1997, Mecklenbräuker et al. 1998, Guttmann & ScholzStrasser 1998, Dörner 1999, Rosenfield 2000).
2. Methodologische Rahmenbedingungen
„Die Psychoanalyse wird als Wissenschaft nicht durch den Stoff, den sie behandelt, sondern
durch die Technik, mit der sie arbeitet, charakterisiert.“ (Freud GW Bd. 11, 403f.)
Die Beziehungen zwischen dem psychoanalytischen Theorienbestand und den verwendeten (klinischen) Methoden sind von Beginn an komplex und ergeben insgesamt ein mixtum
compositum aus pragmatischen und theoriebezogenen Elementen.
Die Benützung der Couch war eine Begleiterscheinung der ursprünglich verwendeten
hypnotischen Methode und wurde bei der Anwendung der Methode der freien Assoziation
beibehalten, obwohl damit eine Veränderung der „Hintergrundstheorie“ einherging:
„Als ich versuchte, die B r e u e r sche Methode der Heilung hysterischer Symptome durch
Ausforschung und Abreagieren in der Hypnose an einer größeren Reihe von Kranken zu verwenden, stießen mir zwei Schwierigkeiten auf, in deren Verfolgung ich zu einer Abänderung
der Technik wie der Auffassung gelangte. 1) Es waren nicht alle Personen hypnotisierbar ... ;
2) ich musste Stellung zu der Frage nehmen, was denn eigentlich die Hysterie charakterisiert
...“ (Freud 1970, 205)
Nach einer auf Basis seines klinischen Materials durchgeführten theoretischen Klärung
von „Hysterie“, „Neurose“, etc. („Man darf etwa in einer Reihe von Fällen sagen: a potiori fit
denominatio“, ebenda 107) entwickelte Freud seine Methode der freien Assoziation, in der
Personen - stimuliert durch (theoretisch begründete) „Reizworte“ des Therapeuten - in freier
Weise ihre Einfälle mitteilen, während der Therapeut sie auf Überreaktionen hin beobachtet
und diese Beobachtungen notiert, denn übermäßige affektive Reaktionen sind für Freud das
Kennzeichen, hinsichtlich eines verdrängten, unbewussten Inhalts im Denken und Erleben des
Patienten fündig geworden zu sein. Er verteidigt seine (im Grunde kognitive) „Therapie durch
Wörter“ einführend so: „In der analytischen Behandlung geht nichts anderes vor als ein Austausch von Worten zwischen dem Analysierten und dem Arzt. Der Patient spricht, erzählt von
vergangenen Erlebnissen und gegenwärtigen Eindrücken, klagt, bekennt seine Wünsche und
Gefühlsregungen. Der Arzt hört zu ... drängt seine Aufmerksamkeit nach gewissen Richtungen ... und beobachtet die Reaktionen ... welche er beim Kranken hervorruft. Die ungebildeten
Angehörigen unserer Kranken - denen nur Sichtbares und Greibares imponiert, am liebsten
Handlungen, wie man sie im Kinotheater sieht - versäumen es auch nie, ihre Zweifel zu äußern wie man ‘durch bloße Reden etwas gegen die Krankheit ausrichten kann’. Das ist natürlich ebenso kurzsinnig wie inkonsequent gedacht. Es sind ja dieselben Leute, die so sicher
wissen, dass sich die Kranken ihre Symptome ‘bloß einbilden’. ... Durch Worte kann ein
Mensch den anderen selig machen oder zur Verzweiflung treiben, durch Worte überträgt der
Lehrer sein Wissen auf die Schüler ... Worte rufen Affekte hervor und sind das allgemeine
Mittel zur Beeinflussung der Menschen untereinander. Wir werden also die Verwendung der
Worte in der Psychotherapie nicht geringschätzen und werden zufrieden sein, wenn wir Zuhörer der Worte sein können ...“ (Freud GW Bd. 11, 9f.)
Skinner (1989, 10) stellt das therapeutische Setting einer psychoanalytischen Behandlung
in Analogie zur verhaltenstherapeutischen Desensibilisierung: „Psychoanalysis ... sometimes
seems to work by extinguishing the effects of old punishments. When the patient discovers
that obscene, blasphemous, or aggressive behavior is tolerated, the therapist emerges as a nonpunitive audience. Behavior ‘repressed’ by former punishments then begins to appear. It ‘becomes conscious’ simply in the sense that it begins to be felt. The once offending behavior is
not punished, but it is also not reinforced, and it eventually undergoes extinction, a less troublesome method of eradication than punishment.“
In diesem Sinne kann das Liegen auf der Couch - auf das Freud immer bestand - neben
seiner Funktion als für alle Klienten gleichbleibendes „experimentelles“ Setting insbesondere
als systematische Desensibilisierung aufgefasst werden: Im entspannten Zustand können Vorstellungen, verbale Assoziationen, etc. zugelassen („gegenkonditioniert“) werden, die sonst
mit zu hohen Angst- und Erregungszuständen einhergehen würden. Verstärkt werden kann
dieser („gegenkonditionierende“) Desensibilisierungseffekt durch das persönliche Vertrauen
zum Therapeuten, durch Hypnose, durch das gezielte Vorstellen beruhigender Bilder aus der
Erinnerung, etc. (was durchaus dem Vorgehen bei der systematischen Desensibilisierung von
Wolpe, 1961, entspricht).
Doch Freuds freie Wortassoziationen, Gedanken- und Gefühlsassoziationen beinhalten
mehr als ein emotionales Entspannungstraining. Der Therapeut erhält dadurch wichtige Informationen über die (orthodoxe Verhaltenstherapeuten wenig interessierenden) Innenzustände der Person, über aktuelle Stimmungen, Gedanken, Erinnerungen an damit verknüpfte
Situationen, Ereignisse, Objekte aus dem bisherigen Leben (biografisches Material) sowie
Erwartungen, Hoffnungen, Befürchtungen über Zukünftiges, über antizipierte Selbssteuerungsmöglichkeiten oder Fremdabhängigkeit, Handlungsintentionen, „gelernte Hilflosigkeit“
(Seligman 1975), etc.. Dabei können - nach psychoanalytischer Therapie - verdrängte Kindheitstraumata „wachwerden“ und anderes vorbewusstes bis unbewusstes Material, z.B.: unterdrückte Affekte, Wünsche, Ängste, Aggressionen, „bedürfnisgeladene“ Fantasien, Traumbilder, unbewusste Abwehrmechanismen gegen bedrohliche Es- und Überichforderungen, Konflikte zwischen Ich, Es und Überich, Trennungsängste, Selbstverwirklichungswünsche, paranoide Ideen, depressive Stimmungslagen, Selbstvervollkommnungsfantasien, Verschmelzungswünsche mit geliebten oder verehrten Personen, körperlicher oder sexueller Missbrauch
in der Kindheit, Spaltungstendenzen des Ich auf Grund übermäßiger Abwehr, etc. (vgl. z.B.
Freud GW Bd. 5, Bd. 17, Lichtenberg 1989).
Freud kannte die methodischen Möglichkeiten der heutigen Psychologie nicht (die NeoAnalytiker allerdings sollten sie kennen!). Für ihn war die Couch das experimentelle Setting
schlechthin, der Therapeut sollte absichtlich provozieren, quasi „experimentell“ variieren,
etc.. Es gab allerdings keine Kodifizierung für systematische Beobachtung (der Therapeut notierte unmittelbar während der Therapie oder im Nachhinein, was ihm - „irgendwie“ - in seinem theoretischen Bezugsrahmen wichtig erschien). Der Patient sollte (durfte) alles äußern,
was ihm so - z.T. provoziert durch den Therapeuten - in den Sinn kam. Das sieht wie ein Vorgriff auf die Methode des „Lauten Denkens“ der Gestaltpsychologen aus. Dabei wird die Versuchsperson aufgefordert bzw. ermutigt, „keine noch so flüchtigen oder törichten Einfälle unverlautbart zu lassen.“ (Duncker 1963, 2) Das Objekt der Betrachtung ist im psychotherapeutischen Setting das eigene Erleben, repräsentiert durch aufsteigende Erinnerungen, Gefühle,
Gedanken. Insoferne ist „lautes Denken“ im psychotherapeutischen Zusammenhang methodologisch schwer trennbar von der selbstreflexiven Introspektion, in der (generalisierende)
Spekulationen, Schlussfolgerungen, Rechtfertigungen, verdeutlichende (polarisierende) Interpretationen mit der Beschreibung spezifischer persönlicher Erlebnisweisen konfundiert sind mit allen Nachteilen, die sich methodisch daraus ergeben (vgl. Mischel 1968, Herber 2000).
Was wissenschaftlich notwendig ist, sind allerdings „unbestreitbare“ (intersubjektiv übereinstimmende, voneinander unabhängig protokollierte) Beobachtungsfakten, die Theorien falsifizieren bzw. bekräftigen können (vgl. Popper 1976, 1994). So kann Ideologisierung und Immunisierung eines theoretischen Systems am ehesten vermieden werden, was Freud (GW
Bd. 15) offensichtlich bewusst war (wenn auch keine erkennbaren forschungsmethodischen
Konsequenzen daraus gezogen werden). Ideologie („Weltanschauung“) ist nach Freud
(ebenda, 586) etwas, das „alle Probleme unseres Daseins aus einer übergeordneten Annahme
einheitlich löst, in der demnach keine Frage offen bleibt und alles, was unser Interesse hat,
seinen bestimmten Platz findet.“
Nur exakte wissenschaftliche Methoden können als Bewährungsinstanzen für eine Theorie
in kritischer Überprüfung ihrer jeweiligen - theoriebezogenen - Tauglichkeit herangezogen
werden (vgl. Perrez 1972). Hier hat psychoanalytische Forschung (durchaus im Verein mit
anderen tiefenpsychologischen, humanistisch-psychologischen Konzepten, etc.) noch viel vor allem quantitativ - aufzuholen, einzelnen empirischen Überprüfungen psychoanalytischer
(bzw. psychoanalytisch ableitbarer) Konzepte kann methodologisches Vorgehen lege artis
durchaus bescheinigt werden (vgl. z.B. Schafer 1967, Eysenck & Wilson 1973, Masling 1983,
1986, Erdelyi 1985, Davis 1988, Foulkes & Sullivan 1988, Gitzinger-Albrecht 1993, Derakshan & Eysenck 1999). Auch Nicht-Analytiker können psychoanalytische Konzepte direkter
empirischer Überprüfung unterziehen (und dies nicht nur - zu Recht - von Psychoanalytikern
einmahnen). Ein interessantes Beispiel ist Cattells Forschungsarbeit (zusammenfassend 1985):
Um eine Persönlichkeits- bzw. Motivationstheorie auf empirischer Basis zu etablieren führte
er über Jahrzehnte Faktorenanalysen über ein breitgestreutes Datenmaterial durch: Ergebnisse
verschiedener psychologischer paper-and-pencil-Tests und physiologischer Messungen
(Muskelspannung, Blutdruck, galvanischer Hautwiderstand, etc.) ergaben neben vier anderen
Faktoren drei motivationale Bereiche der Persönlichkeit, die - obwohl von Cattell nicht
intendiert - inhaltlich weitgehend den Freudschen Konzepten von Es, Ich und Überich entsprechen: „The nature of these seven primary components is still, in part, a mystery. Without
psychoanalytic inclinations one may nevertheless see the first three as corresponding to
Freud’s trio ...“ Wenn man Cattells sieben Primärfaktoren wieder korreliert, ergeben sich zwei
Faktoren zweiter Ordnung: „On inspecting these components one feels an understanding at
once. The ego and superego come together in what has become called the Integrated (I) factor and the Unintegrated (U) factor, which contains the id, the physiological and other unconscious primaries.“ (Cattell 1985, 3f.)
Systematische empirische Forschung auf hohem methodologischem Niveau ist notwendig,
da die psychoanalytischen Konzepte komplex und in sich sehr differenziert - „dynamisch“ angelegt sind. Die von Freud und Epigonen praktizierte psychoanalytische Datengewinnung
auf Basis sorgfältig dokumentierter Fallstudien - ein so verstandenes „analytisches“ Vorgehen
- ist sicher nicht ausreichend, um psychoanalytische Konzepte in ihrem Generalisierungsanspruch zu bekräftigen oder (entscheidend) zu schwächen (zu falsifizieren). Konzepte der Psychoanalyse - nicht „die“ Psychoanalyse - müssten systematisch und exakt formuliert werden,
so dass eine strenge Überprüfung möglich wird, die den Generalisierungsbereich - die interessierende Population - auslotet.
Die üblichen Daten der psychoanalytischen Forscher sind freie Assoziationen der Klienten
zu ihren aktuellen, erinnerten („wiederbelebten“) Erlebnissen, „garniert“ mit Kommentaren
des Therapeuten in psychoanalytischen Begriffen. Dieses Vorgehen dient eher einer heuristisch-intuitiven Theorienfindung (wie bei Freud selbst) oder einer entsprechenden Modifikation, Weiterentwicklung, etc., nicht der strengen Überprüfung eines generalisierten Konzepts.
„Selbstaussagen“ haben ein enormes Validitätsproblem (vgl. Herber 2000), sie führen im
Grunde nicht über die „Geheimnisse“ des einzelnen Falles hinaus, denn subjektive Daten
können bestenfalls eine Theorie der konkreten Person ergeben, die sich dem „Universum“ der
individuellen Persönlichkeit anzunähern sucht. Abgesehen von den methodologischen Problemen der Introspektion als „Mischmasch“ von Beschreibungen des eigenen Fühlens, Denkens
und Handelns und darauf aufbauenden - erinnerungsverfälschenden - Abstraktionen,
Schlussfolgerungen, Selektionen im Nachhinein: „Wenn wir mentale Zustände als persönlich
relevante, private ‘Daten’ begreifen, müssen wir davon ausgehen, dass solche Daten nicht direkt die Grundlage einer allgemein akzeptablen Theorie sein können ... Wir haben also davon
auszugehen, dass Bewusstsein“ (und damit erst recht „Unbewusstsein“) nur der eigenen
Selbsterfahrung zugänglich ist. Strikt gesehen, sind schon Mitteilungen von Selbsterfahrungen
keine Bewusstseinsdaten mehr. Es handelt sich stets um Transformationen subjektiver Erfahrungen, denen die ‘eigentlichen’ Bewusstseinsqualitäten nicht mehr zugesprochen werden
können.“ (Perrig et al. 1993, 17)
3. Vergleich mit den Paradigmen: Behaviorismus, Gestaltpsychologie, Kognitive
Psychologie
3.1 Psychoanalyse – Behaviorismus
Wir gehen mit anderen Autoren (z.B. Wachtel 1977, Erdelyi 1985, 27ff., 49ff., Juul 1990,
21ff.) davon aus, dass es im praktischen Vollzug von Psychoanalyse und Verhaltenstherapie
mehr (funktionale) Gemeinsamkeiten gibt, als dies sprachlich (begrifflich) in der Formulierung des jeweiligen theoretischen „Überbaus“ zum Ausdruck kommt. Wir werden zu zeigen
versuchen, dass es in den Theoriekernen beider Paradigmen neben wichtigen Unterschieden
auch wesentliche Gemeinsamkeiten gibt - ein Vergleich zwischen beiden Bereichen also sinnvoll ist. Dabei sollen die erheblichen methodologischen Unterschiede nicht verleugnet werden, obwohl punktuell eine kompensatorische Beziehung ausgemacht werden kann. Die
strenge operationale Bindung des Behaviorismus an beobachtbare Daten („observals“,
vgl. Hull 1943) mangelt der klinischen Methode der Psychoanalyse, insoferne die theoretischen Selektionskriterien und das praktische Vorgehen bei der Datengewinnung weder systematisch getrennt bzw. aufeinander bezogen noch intersubjektiv normiert erscheinen.
Theoretische Konstruktion und praktische Beobachtung sind nicht sauber voneinander getrennt, konfundieren in vielfältiger Weise. Der individuelle Analytiker bestimmt im jeweiligen
Interaktionsprozess, was als unbezweifelbares Datum zu gelten hat. Diese „naive“ (intersubjektiv meist nicht überprüfte) Gewinnung von Beobachtungsdaten in der Behandlungssituation kann nach behavioristischer Sicht in unkontrollierter Weise Spekulationen bzw.
empirisch nicht überprüfbare Abstraktionen und „Schlussfolgerungen“ in sich bergen (jedenfalls nicht eindeutig ausschließen) - ein Problem, das allerdings in vielerlei Hinsicht nicht auf
die Psychoanalyse beschränkt ist, insoferne der Zusammenhang von „inneren Prozessen“,
„phänomenalem Erleben“, Introspektion und dem sprachlichen Ausdruck dieser Wahrnehmungen auch in Gestalt- und Kognitionspsychologie kaum stringent geregelt ist: Was kann
ein sprachlicher Ausdruck „alles“ - in verschiedenen Situations-zusammenhängen - bedeuten,
wie hängen normgeregelter sprachlicher (denotativer) Ausdruck und individuelles (phänomenales) Erleben (dessen sprachliche Konnotation) jeweils zusammen (vgl. Herber 1979, 1998c,
2000, Galli 1983, Windmann & Durstewitz 2000).
Psychoanalytiker beschäftigen sich primär mit dem Zusammenhang von manifesten
(sprachlich geäußerten) und latenten (theoretisch schlussgefolgerten, unterstellten) Gedanken,
Wünschen, Fantasien sowie den damit verbundenen „inneren“ Ängsten und Konflikten. Behavioristen hingegen sehen in expliziten Umweltreizen, also Situationsmerkmalen behavioraler oder sprachlich-denotativer Art die entscheidenden Determinanten des Verhaltens. Doch
gibt es - vernünftiger Weise möchten wir meinen - Möglichkeiten der Brückenbildung zwischen beiden Paradigmen. So führt Wolpe (1969, 107) aus: „The theme, or common core, of a
neurosis is usually derived from extrinsic stimulus situations disturbing to the patient-like spiders or criticisms; but sometimes the core subsists in response-produced stimuli.“
Verhaltenstherapeuten schließen also die besondere Wirkung innerer Reize in Reaktion
auf Umweltgegebenheiten nicht aus. Ebenso anerkennen Psychoanalytiker und (moderne) Tiefenpsychologen den (modifizierenden) Einfluss von aktuellen Umweltreizen auf Motivation,
Kognition und Verhalten (siehe den Einfluss der äußeren Realität auf das Ich bei Freud GW
Bd. 13, 251ff., vgl. auch Wachtel 1977, Erdelyi 1985, Waldvogel 1992, Rath 1995, 1996,
1998). Doch gibt es nach wie vor Präferenzen in der „Suchrichtung“ des Forschens - bedingt
durch Unterschiede der Theoriekerne und des methodologischen Rahmens.
Im Sinne der behavioristischen Forschungspräferenz ist es verständlich, dass emotional
sowie kognitiv gesteuertes Verhalten (z.B. eine Angstreaktion oder Objektbeschreibung) auf
äußere Reize zurückgeführt wird (vgl. z.B. Skinner 1989): Theoriekern und Methodologie
sind auf direkt (sinnlich) beobachtbare Prozesse zugeschnitten (vgl. Herber 2000).
Behavioristen misstrauen psychoanalytischen (tiefenpsychologischen, humanpsychologischen) Interpretationen, Schlussfolgerungen, etc., besonders wenn sie nicht in wiederholbarer
Weise in entsprechenden Verhaltensweisen zum Ausdruck kommen (und linear-regressiv abgebildet werden können). Zwar sind organismusinterne Reize seit Hull (1943) als „intervenierende Variablen“ formulierbar, doch ist es in behavioristischer Denkgewohnheit einfacher direkt beobachtbares Verhalten auf direkt beobachtbare Reize zurückzuführen (ohne sich auf die
funktionale Indeterminiertheit, welche Varianzanteile im Interaktionsprozess „innen - außen“
primär der einen oder anderen Seite zuzuordnen oder eventuell gar nicht zu unterscheiden
sind, in aufwendigen Theoriekern- und Methodologie(re-)konstruktionen einlassen zu müssen). Wenn z.B. Ängste nicht nur mit bedrohlich wahrgenommenen äußeren Reizen (auch im
Wahrnehmen liegt immer schon was „Inneres“!) sondern auch mit der (unkontrollierbar gewordenen) inneren Situation zu tun haben, z.B. mit starken Konflikten einander widerstrebender Wünsche (etwa zwischen maximalen Freiheits- und Geborgenheits-strebungen), dann bedarf es komplexerer Theorien, Beobachtungsstrategien, Schlussfol-gerungen, etc., als z.B. die
Größe und Angriffslust eines Hundes zu taxieren (wobei natürlich wieder etwas „Inneres“
dazu kommt, z.B. das Ausmaß einer Hundephobie). Wenn ein Mensch beispielsweise Hunde
hasst, weil sie ihn an eine bestimmte Person erinnern, die einen Hund besaß, muss das Problem wesentlich komplexer und differenzierter angegangen werden, als sich an kleine und immer größer werdende Hunde nach und nach zu gewöhnen. In so einem Fall kann mittels freier
Assoziation der komplexe Sachverhalt als idiosynkratisches Problem valider aufgeklärt werden, als den Patienten mit allen Arten von Hunden mit variierenden Größen und Verhaltensweisen zu konfrontieren. Behavioristisch ausgedrückt: Operantes (Sprach-, Fantasie-) Verhalten zu fördern, kann ein Netzwerk von individuellen „Angstsensorien“ valider erfassen helfen als experimentell streng kontrolliert - respondent - „alle möglichen“ Reize einer bestimmten Reizklasse (etwa mit kontrolliertem Stellungseffekt) in a priori festgelegten Situationseinbettungen als Auslöser (Signalreize, etc.) vorzugeben. Interpersonale, idiosynkratische
Faktoren in Gestalt qualitativ besonderer, weitgespannter Vernetzungen von Habits können
nicht deswegen als unwahrscheinlich (unwissenschaftlich, etc.) ausgeschlossen werden, weil
die isolierte Analyse einzelner Habits (die als unabhängig voneinander postuliert werden)
methodisch leichter herstellbar ist. Einfachere methodische Herstellbarkeit sollte nicht mit
methodologischer Notwendigkeit und theoretischer Einfachstruktur verwechselt werden.
3.1.1 Exkurs im Sinne einer intendierten Anwendung: Einige Bemerkungen zur
therapeutischen und pädagogischen Praxisxi
Der Behaviorismus kritisierte die psychoanalytischen Praktiken in Therapie und Pädagogik
vor allem aus methodologischen Gründen, weil er letztlich nur (systematisch) beobachtbares
Verhalten als wissenschaftlichen Datenträger anerkannte (vgl. Herber 2000), psychoanalytisch
orientierte Therapie und Pädagogik aber mehr am „inneren Menschen“, seinen Bedürfnissen,
Wünschen, Erwartungen, etc. (bzw. deren „irgendwie“ registrierten verbalen und nonverbalen
Ausdrucksformen) orientiert waren. Nach und nach nahmen „kognitive Behavioristen“ das
konstruktive „Innere“ von Organismen ernst und damit die entsprechenden sprachlichen Äußerungen. Sie legten nun mehr Wert auf verbale Selbstauskünfte, Interviews und Exploration
(und nicht nur auf Verhaltensbeobachtung). Umgekehrt lernten psychoanalytische Therapeu-
ten den Wert von systematischer Beobachtung zu schätzen (vgl. Juul 1990) und beachteten
Umweltereignisse gezielter als (potentielle) Einflussfaktoren des subjektiven Erlebens
(z.B. Wachtel 1977). Auch wenn die Paradigmen Psychoanalyse und Behaviorismus in mancherlei Hinsicht unverträglich bleiben (z.B. in der Annahme unbewusster Verdrängungs- und
Abwehrprozesse), können sie einander im kritischen Austausch gegenseitig stimulierend fördern.
Ein Vergleich auf der Praxisebene ist sehr schwierig, weil innerhalb jeden Paradigmas
Praktiken entwickelt wurden, die im Anwendungsbereich des Paradigmas selbst sehr streuen,
aber auch im anderen Paradigma- oft unter anderer Bezeichnung - verwendet werden
(vgl. etwa die kathartisch-hypnotische Methode der frühen Psychoanalyse mit diversen
Entspannungs- und Desensibilisierungstechniken der Verhaltenstherapie, z.B. Wachtel 1977,
Erdelyi 1985).
In beiden Paradigmen gehen Veränderungen vor sich, so dass schwer abzuschätzen ist, wie
weit Integrationen in Teilbereichen sich noch entwickeln werden (z.B. in Form eines komplementären Zusammenwirkens in Gemeinschaftspraxen, etc.). Eklektizistische Praktiken
scheinen im therapeutischen und erzieherischen Alltag zuzunehmen. Wie weit sie in den Theoriekernen bzw. Methodologien wissenschaftlich nachvollzogen werden können, bleibt eine
offene Frage. Integrative Fundierungsversuche sind freilich unterwegs (vgl. z.B. Wachtel
1977, Erdelyi 1985, Juul 1990, Dubs 1995, Grawe 1998, Hofmann 2000).
Auf ethisch-ideologischer Ebene scheint der Respekt vor den konstruktiven Möglichkeiten
der „inneren Person“ wieder zuzunehmen. Auch frühkindliche Erfahrungen gewinnen - gestützt durch moderne neurowissenschaftliche Forschung - wieder an Wert (vgl. Pöppel 1987,
1993, 2000, Pinker 1998a, LeDoux 1998, Zieglgänsberger 1998, Greenfield 1999). Die inneren konstruktiven (kreativen) Möglichkeiten können nicht durch einfache äußere Reizmanipulationen überrannt werden. Fehler der strikt behavioristischen Einflussnahme von außen
werden mehr und mehr aufgezeigt (vgl. z.B. Phares 1976, Wachtel 1977, Juul 1990, Grawe
1998).
Mehr und mehr setzt sich die - vorwiegend pragmatisch initiierte - Einstellung durch, die
existierenden Paradigmen (Theorien, Modelle) nur als aspektivisch relevant zu sehen und in
ihrer praxisbezogenen Kombination zu besseren Ergebnissen zu kommen (vgl. z.B. Juul 1990,
Dubs 1995, Pöppel et al. 1994). Inwieweit eine entsprechende wissenschaftlich integrative
Fundierung gelingt, bleibt abzuwarten (vgl. Wachtel 1977, Erdelyi 1985, Pöppel et al. 1994,
Grawe 1998). Jedenfalls scheint sich folgender Trend abzuzeichnen: Wenn schon keine wissenschaftliche Integration in Theoriekern und Methodologie durch ein „tiefer“ fundiertes theoretisches und methodologisches Regelwerk möglich sein sollte, dann ist - unter pragmatischem Gesichtspunkt - lieber ein friedliches Koexistieren als ein ideologischer Grabenkampf
zu empfehlen. Paradigmenkonkurrenz orientiert sich oberflächlich oft mehr an äußeren Etiketten (z.B. Sprachzeichen) als an strukturell-funktionalen Unterschieden auf Verhaltens- und
Erlebnisebene. Statt einander zu denunzieren oder nicht zu beachten wäre gegenseitige Information und kritischer Austausch wünschenswert. Erst im Überwinden von aversiven „Trotzhaltungen“ wird gegenseitige Bereicherung, Anregung, Stimulation, Herausforderung sowie
kritische Selbstbeschränkung fruchtbar werden. So werden intrinsisch motivierte Entwicklungen möglich - gegenüber einem extrinsischen, gesellschaftspolitischen Obsiegen, Streben nach
Revier- oder Marktbeherrschung, monopolistischer Ressourcen-ausbeutung, etc..
3.1.2 Zurück zur Ausgangslage in Freuds Psychoanalyse:
Trotz eines gegenüber dem Behaviorismus wesentlich komplexeren Netzwerkes an Assoziationen zwischen (inneren und äußeren) Reizen, Reaktionen, Habits, etc. ist Freuds Psychoanalyse im Wesentlichen assoziationistisch fundiert, wenn er auch Reiz-Verhaltens-Verknüpfungen vom „Seelenapparat“ kognitiv überarbeiten lässt, indem er etwa neben dem Kontiguitätsprinzip die „Ähnlichkeit“ von Reizen als verbindungsstiftendes Prinzip postuliert
(z.B. GW Bd. 8, 172) oder indem er antizipierende Vorstellungen (Erwartungen) innengesteuert generieren lässt, wodurch die Reizauswahl und -agglomeration wesentlich beeinflusst
wird (z.B. GW Bd. 6, 112f.).
Sinnesdaten sind bei Freud ähnlich Wundts (1907, 45ff.) „Empfindungen“ konzipiert - als
die Elemente aller psychischen Prozesse (von Wahrnehmen, Fühlen, Denken, Träumen, Fantasieren, etc.). Freuds erkenntnistheoretisches Hauptproblem war - nicht untypisch für seine
Zeit - die Konfundierung von (physikalisch-physiologisch beschreibbaren) Sinnesdaten und
phänomenalem („psychischem“) Erleben, ein Problem, das im Grunde bis heute nicht gelöst
ist (vgl. z.B. Herber 1972, 1977, 1979, Waldvogel 1992, 1997, Windmann & Durstewitz
2000).
Freud unterstellt in allen uns bekannten Argumentationszusammenhängen die Objektivität
von Sinnesdaten als Ausgangsmaterial für irgendwie überformende, emotional-kognitiv bedingte konstruktive „Überarbeitungen“. So werden (siehe bes. GW Bd. 11, vgl. auch Henle
1984):
 objektive Sinnesdaten in Träumen bedürfnisbezogen umgedeutet;
 Gedanken aus der Kombination von Gedächtnisspuren früherer Sinneseindrücke entwickelt;
 Sinnesdaten unbewusst verarbeitet („verdichtet“), bevor sie bewusst werden;
 „normale“ (nicht „paranoische“) Vorstellungen, Träume, Fantasien im Kontext objektiver
Sinnesdaten entwickelt und der Realitätssinn (des Ich) auf diese Weise aufrecht erhalten;
 interne Assoziationen abstrahierend-konstruktiver Art (Ähnlichkeiten, funktionale Zusammenhänge wie Kausalbeziehungen, etc.) im Traum durch konkrete Vorstellungen - quasi
Sinnesdaten projizierend - ersetzt (analog realen Wahrnehmungen von Zeit und Raum,
Gestaltähnlichkeiten, etc.);
 entstehen Symptome von verdrängten Vorstellungen durch Assoziationen (vgl. etwa
Konversionen wie „etwas macht mir Kopfzerbrechen“, „etwas kann ich nicht verdauen,
liegt mir im Magen, geht mir auf die Leber, Nieren“, Fehlleistungen, Träume, etc.);
Zweifellos nimmt schon Freud - und nehmen erst recht Psychoanalytiker der Jetztzeit
(vgl. z.B. Waldvogel 1992, Kernberg 1997, Bollas 2000) - mehr oder weniger elaborierte
kognitive Verknüpfungsmechanismen an um auf der Basis räumlich-zeitlich kontingenter
Sinnesdaten die idiosynkratischen Vorstellungen des gesunden wie des kranken Seelenlebens
rekonstruieren zu können. Wir beschäftigen uns daher in den folgenden zwei Abschnitten mit
Vergleichsmöglichkeiten zwischen Psychoanalyse und Gestaltpsychologie einerseits, Psychoanalyse und Kognitiver Psychologie andererseits.
3.2 Psychoanalyse und Gestaltpsychologie
Luchins & Luchins (1997) sammelten Aussagen prominenter Gestaltpsychologen über die
Psychoanalyse, die wir - als eine Art Problemaufriss - hier verkürzt wiedergeben. Sie beginnen mit einschlägigen Erinnerungen von Oppenheimer, einer ehemaligen Studentin
Wertheimers: „To him psychoanalysis belonged to those parts of psychology which approached the human being in piecemeal fashion, not as a whole, and the reason for that was
that psychoanalysis works on the basis of free association. ... He denounced it as piecemeal, as
not getting at the essence of human life, and so on and so on. This is the more amazing as
WERTHEIMER himself originally invented an association test, the same kind of association
test that I think JUNG invented, and in the same year ...“ (Oppenheimer 1973, zit.n. Luchins
& Luchins 1997, 128)
Levy, ein Assistent von Wertheimer, berichtet über ein missglücktes Seminar, das
Wertheimer mit Horney und Glück (einem anderen Psychoanalytiker) in New York hielt und
das wegen Wertheimers massiver Kritik nicht mehr fortgesetzt werden konnte: „I do not feel
that he was ever really open to psychoanalysis ... His often passionate attacks were essentially
based on methodological arguments and a strong reluctance to recognize the role of sexuality
as FREUD had proclaimed it. In some way, I think, he would have been much more open to
later developments in psychoanalytic ego psychology, but these had begun just a few years before he died, and I do not think that he was acquainted with this work“ (Levy 1969, zit.n. Luchins & Luchins 1997, 129) Andere ehemalige Seminarteilnehmer hatten nach Luchins &
Luchins (ebenda) ähnliche Eindrücke. Sie bedauerten, dass Wertheimer die theoretischen und
methodologischen Unterschiede in den Vordergrund rückte und die Parallelen oder Analogien
zwischen beiden Bereichen nicht zur Kenntnis nehmen wollte oder „herunterspielte“.
Über Köhlers kritisch-distanziertes Verhältnis zur Psychoanalyse berichten Luchins & Luchins Folgendes: „According to the analysts, people often do not know at all why they behave
in one way or another. Their actual motivations may be quite different from those which, they
believe, are operating. Now, we can admit that some such instances occur in normal life, and
there may be many more under pathological conditions. ... We ought to distinguish between
two things: in some the Freudians may be right, while in others people merely fail to recognize their inner states. ... Recognition, which operates with perfect ease in perception, is surprisingly sluggish in the case of inner processes. Incidentally, this is true whether or not the
inner facts in question deserve to remain unrecognized.“ (Köhler 1947, zit.n. Luchins & Luchins 1997, 129f.)
„... FREUD did reform psychology by placing motivation, which was then badly neglected, into its very center... What, then, is to be criticized in psychoanalysis? The original
thesis that sex lurks behind all our actions and thoughts can no longer disturb us seriously ...
But we have a far more serious reason: according to the analysts, we seldom know why we act
as we do, because our real motives are hidden in the unconscious. ... How is a person to feel
responsible for his actions ...? ... Death instinct, anxiety, inferiority, complex, frustration, aggression - what a vocabulary! ... Never will they mention cheer, joy, happiness, hope, or fortitude. It is as though, among the chemists of our time, there were a fashion to talk endlessly
about sulphur and arsenic, but never about iron and nickel, silver and gold ...“ (Köhler 1959,
zit.n. Luchins & Luchins 1997, 130f.) Könnte da nicht etwas bürgerlich-affirmative „Heile
Welt“- Haltung mit im Spiel sein, ein starkes Bedürfnis nach bewusster Selbstkontrolle (oder
gar „Abwehr“ gegenüber so „grauslichen“ Dingen, die über uns hereinbrechen können)?
Über Koffkas kritisch-interessiertes Verhältnis zur Psychoanalyse wird berichtet: „The
forces which determine our behavior may not always be those we believe to be the determinants. We may do something in order to please X as we think, when in reality we do it to spite
Y, when Y need neither be present nor in our thoughts. Psychoanalysis in its various forms
has brought to light many such facts ... However far the psychoanalysts may overshoot the
mark, it remains true that this type of action exists. ... unconscious or subconscious does not
help us ... why did not all psychologists simply distinguish between conscious and merely
physiological processes? ... the Ego ... survives as a part of the psychophysical field even
when it is not represented in consciousness, and that forces us to the conclusion that normally,
when the Ego exists in our behavioral world, this phenomenal, or conscious, Ego is not the
whole Ego ... This is, as I see it, the true justification of the various psychoanalytic theories
which investigate the particular properties of this permanent Ego, the strain and stresses within it. ... rightly interpreted the principles of psychoanalysis cannot be dismissed by a shrug of
the shoulders, much as the special claims of any psychoanalytic school may be open to just
and severe criticism. The development of psychoanalysis has been influenced by the two poles
which have affected the whole of psychology, the pole of mechanism, which was paramount
in FREUDs earlier work, and the pole of vitalism, vitalism, even with a mystical tinge which
became so prominent in the later development, particulary in the hands of JUNG. Psychoanalysis will, I dare to predict, enter a new and healthier state of development when it frees itself
of the mechanistic and the vitalistic biases.“ (Koffka 1935, zit.n. Luchins & Luchins 1997,
131ff.)
Lewin - in Weiterentwicklung der klassischen Gestaltpsychologie zur Feldtheorie - wird in
seinem Verhältnis zur Psychoanalyse wie folgt zitiert: „... we often find facts which FREUD
first brought to our attention, thereby rendering a great service even though he has not given a
clear dynamic theory in regard to them. One such fact is that of substitution. FREUD uses the
concept of substitution extensively to explain both normal and abnormal behavior. Moreover,
sublimation, which is closely related to substitution, is according to him an important foundation of our whole cultural life....“ (Lewin 1935, zit.n. Luchins & Luchins 1997, 134)
Nicht nur in seinen Experimenten zur Verschiebung, Substitution und Sublimation bewegt
sich Lewin auf theoretischem Terrain der Psychoanalyse und operationalisiert entsprechende
Theoreme in so stringenter Weise, dass sie zu tragenden Begriffen einer durchformalisierten
Motivatonstheorie werden konnten (vgl. Atkinson & Birch 1970, Astleitner 1992, Astleitner
& Herber 1993). Auch zum Problem der Kausalität setzt er sich mit Freud auseinander, indem
er zwei Bedeutungen der psychologischen Warum-Frage unterscheidet: „1. Why in a given
momentary situation, that is, with a given person (P) in a certain state and in a certain environment (E), does precisely this behavior result? 2. The more historical question: Why at this
moment, does the solution have precisely this structure and the person precisely this condition
or state? It is important to separate these two questions more clearly than is done, for example,
in association psychology and in FREUDs theory.“ (Lewin 1935, zit.n. Luchins & Luchins
1997, 134) Und weiterführend wohlwollend-kritisch: „Psychoanalysis has probably been the
outstanding example of a psychological approach which attempts to reach the depths rather
than the superficial layers of behavior... Psychoanalysis has not always kept in line with the
requirements of scientific method when making its interpretations of behavior. What is needed
are scientific constructs and methods which deal with the underlying forces of behavior but do
so in a methodologically sound manner.“ (Lewin 1951, zit.n. Luchins & Luchins 1997, 135)
Goldstein (1934) entwickelte einen gestaltpsychologischen Ansatz der Neurologie. In kritischer Abwägung nahm er psychoanalytisches Gedankengut auf. Luchins & Luchins (1997)
folgend lassen wir ihn diesbezüglich wie folgt zu Wort kommen: „Thus, all investigators who
have dealt with the problem of anxiety have sought to distinguish between anxiety and fear. I
am only mentioning the interpretations of FREUD ... considering fear as fear of something,
while anxiety ... deals with ‘nothingness’ ... We have characterized the conditions of braininjured patients, when faced with solvable and unsolvable tasks, as states of ordered behavior
and catastrophic reaction. ... The fact that the catastrophic condition involves the impossibility
of ordered reactions precludes a subject ‘having’ an object in the outer world ... their anxiety
has no corresponding content, and is lacking in object ...“ (Goldstein 1939, zit.n. Luchins &
Luchins 1997, 136) Und weiter - in kritischem Bezug auf psychopathologische Phänomene
sensu Freud im Vergleich zu „normaler“ Selbstverwirklichung: „When centering is defective,
when parts are split off from the whole, it is certainly possible that the outcome is antagonism,
for example, a contest in the field of perceptions or drives, or something in the nature of a
struggle between ‘mind’ and ‘drives’. Then it is even possible that a so-called ‘drive’ may become so pathologically dominant that it is mistaken for a true, essential characteristic of the
normal organism, as in the anthropology of FREUD. But from such partitive phenomena, it
will never be possible to understand, even approximately, the inner coherence and unity of holistic behavior. From no single phenomenon does a path lead to the whole; yet it can be comprehended as a privation of the whole. The possibility of such privations is no objection to the
holistic organization; rather, they express the imperfection in self-realizing resulting from a
lack of potency ... This lack is either innate ... through a deprivation of the grace of endowments - or it is acquired through disease, or it is a sequel of overpowering demands by the environment.“ (Goldstein 1939, zit.n. Luchins & Luchins 1997, 137f.)
Aus der Zitatensammlung von Luchins & Luchins (1997) ergibt sich , dass die Gestaltpsychologen Wertheimer, Köhler, Koffka, Lewin und Goldstein offensichtlich sehr unterschiedliche Auffassungen gegenüber der Psychoanalyse entwickelten. Köhler und Goldstein stimmen
darin überein, dass aus psychopathologischen Phänomenen kaum valide auf „normales“ Seelenleben geschlossen werden kann. Auf Basis der Biografie von Waldvogel (1992, 9ff.) lassen
sich - trotz aller Unterschiede ihrer theoretischen Ansätze - gemeinsame Wurzeln bei den Begründern beider Paradigmen, Freud und Ehrenfels, in der Helmholtz-Schule, in den Theorien
von Fechner, Mach und Brentano - bei letzerem studierten Freud und Ehrenfels - erkennen.
Wertheimer, der seinerseits bei Ehrenfels studierte, stand der Psychoanalyse heftig ablehnend
gegenüber, obwohl (weil?) er mit seinem Wortassoziationstest eine der freien Assoziation in
der Psychoanalyse ähnliche Methode entwickelte, die ebenfalls - zumindest methodologisch ein elementaristisches Menschenbild nahelegte, wie er dies der Psychoanalyse vorwarf (siehe
oben das Zitat von Oppenheimer). Kollegen und Schüler von Wertheimer aus dem Berliner
Kreis - wie in Luchins & Luchins (1997) ersichtlich - rezipierten differenzierter: Köhler gibt
sich kritisch-distanziert, ihn stört vor allem das „negative“ Menschenbild der Psychoanalyse.
Seine Analogie, die Interessenshaltung der Psychoanalytiker sei, wie wenn sich Chemiker
vorwiegend mit Arsen und Schwefel, kaum aber mit Eisen, Silber und Gold beschäftigen
würden (Köhler 1971, 404), stellt einen aufschlussreichen Bewertungsversuch dar. Koffka
und Goldstein rezipierten psychoanalytisches Gedankengut kritisch-wohlwollend. Lewin ließ
sich - bei aller Kritik - von Freuds Schriften inspirieren und setzte einzelne zentrale Konzepte
experimentell um. Damit wurden psychoanalytische Konzepte zu fruchtbaren Anregern der
modernen Motivationsforschung (vgl. Herber 1979, McClelland 1995, Weiner 1996).
Waldvogel (1992, 11) zu Folge wurde die Gestaltpsychologie erstmals von Hermann
(1922) systematisch berücksichtigt. Weitere systematische Vergleiche bezüglich Theoriekern
und Methodologie erfolgten in größeren zeitlichen Abständen durch Bernfeld (1934), Schumacher (1971), Argelander (1979), Henle (1984), Galli (1983), Mertens (1990), Waldvogel
(1992) und Galli (1997). Diese verschiedenen Analysen stimmen darin überein, dass Freuds
Theorien und Methoden - mindestens zu Beginn - weitgehend dem Assoziationismus verpflichtet waren, also elementen-„analytisch“ beschrieben werden können, dass an vielen Stellen seines Werkes aber gestaltpsychologische (und kognitionspsychologische) Annahmen
vorweggenommen (oder in späteren Schriften „stillschweigend“ übernommen) wurden. Wir
werden im Folgenden einige wichtige Aussagen der eben angeführten Arbeiten - interpretierend - zusammenfassen (teilweise an Waldvogel 1992 orientiert):
Besonders Bernfeld (1934) ist der Ansicht, dass Freud lange vor den Gestaltpsychologen
eine radikale Abkehr vom Assoziationismus vollzogen hat, wenn er auch „von der Assoziationspsychologie herkam, ihre Termini schlicht verwendete.“ (44) Die Traumsymbole z.B. be-
stehen - strukturell wie funktional - aus Gestalten, jeder Traum muss auf „seine Gestalt“ (ein
komplexes Befriedigungsziel) hin gedeutet werden. Das Bühlersche „Aha-Erlebnis“ veranschaulicht das Zusammenschließen „des diskret Nebeneinanderstehenden zu einem Sinnganzen.“ (Bernfeld 1934, 50) Neben anderen Gemeinsamkeiten zwischen Psychoanalyse und
Gestaltpsychologie, wie der Einheit von Wahrnehmen, Denken, Wollen und Fühlen, der
grundsätzlich engen Beziehung von physiologischen und psychologischen Prozessen stellt
Bernfeld auch Divergenzen fest: „Von Sexualität, auch nur von Liebe, Hass und Hunger ...
weiß die Gestalttheorie ... nichts bedeutsames zu sagen (62). Im Kontrast zur Psychoanalyse
falle an der Gestalttheorie auf, dass sie sich dem Klaren, Reinen, dem Intellektuellen und
Normgemäßen widmet und alles Dunkle, Verworrene, Schmutzige, Krankhafte meidet ...“
(57)
Schumacher (1971) konstatiert eine mangelnde Rezeption der Gestaltpsychologie durch
die Psychoanalyse und führt dies darauf zurück, dass die bewusstseinsfähigen Ich-Funktionen
in der Psychoanalyse erst zum zentralen Thema wurden als die Gestaltpsychologie ihre Bedeutung in der Schulpsychologie bereits verloren hatte. Er sieht Gemeinsamkeiten zwischen
dem psychoanalytischen Streben nach Triebentspannung und der gestaltpsychologischen
Prägnanztendenz oder der Tendenz nach Geschlossenheit (vgl. z.B. Koffka 1935, Metzger
1982). Mit Hilfe der Gestaltpsychologie versucht Schumacher (163), die „Beziehung zwischen Primär- und Sekundärvorgängen sowie Fragen des Anschlussgewinnung bzw. Zusammenschlussbildung zwischen Es- und Ich-Anteilen“ zu präzisieren: Die Diffusität und
Unabgegrenztheit des primären Erlebens, die Unaufschieb-barkeit der Triebentladung, die
Flüchtigkeit und Verschiebbarkeit der Objektbeziehungen führen nach Freud zur Verschiebung und Verdichtung von inneren und äußeren Wahrnehmungselementen. Diese (Abwehr)Prozesse werden von Schumacher gestaltpsychologisch gefasst. Bei der Verdichtung werden
einzelne Erlebnisanteile ohne Beachtung von spezifischen, idiosynkratischen Merkmalen und
unter Nichtbeachtung von Widersprüchen zu einem Ganzen verschmolzen - „wie es vom
Ganzen her gesehen passend erscheint“. (170) „Verschiebung“ bedeutet eine „Transponierung
einer Gestalt oder Teile von Gestalten auf andere“ (170), wie immer das - im Sinne einer zu
fordernden Prägnanztendenz - im Detail funktionieren mag (vgl. das Problem der Analogiebildung - insbesondere was die Einbeziehung emotional-motivationaler Faktoren betrifft:
z.B. bei Herber & Vásárhelyi 1993, Majewski 1994, Herber et al. 1996, Herber 1998d). Auch
die Transformation von Es- zu Ich-Anteilen (Freud 1954, 10: „Wo Es war, soll Ich sein.“) interpretiert Schumacher gestaltpsychologisch: Die diffusen, ganzheitlich-primitiven Es-Abkömmlinge werden in „separativ-geordnete, von den Zielen und Interessen des Ganzen her
bestimmte Endgestalten“ (185) übergeführt.
Auch Argelander (1979) ist der Auffassung, dass sich die Interpretatinen/Schlussfolgerungen von Psychoanalytikern im Grunde nach Gestaltprinzipien vollziehen. Die vom Analysanden vorgebrachten je spezifischen, konkreten Inhalte sind oberflächlich unterschiedliche
Ausdrucksformen eines „Ganzen“, einer gemeinsamen Thematik in der Tiefenstruktur. Durch
Freuds „freischwebende Aufmerksamkeit“xii organisiert der Analytiker aus den
wahrgenommenen konkreten Inhalten eine kohärente Gestalt, vorerst intuitiv-unbewusst, dann
mehr und mehr reflektierend-bewusst bis rational-theoriebezogen. Ganz im Sinne der freien
Assoziation der Psychoanalyse bzw. des von Gestaltpsychologen propagierten „lauten
Denkens“ empfiehlt Argelander alle Mitteilungen eines Probanden zu nützen, auf zeitliche
Nachbarschaft und kausale Zusammenhänge zu achten und die Herauskristallisierung der
noch unklaren Gesamtstruktur einfach abzuwarten, „bis die einzelnen Element in ihrer
funktionalen Bedeutsamkeit aufeinander verweisen und sich daraus das unbewusste Thema als
eine Gestalt abzeichnet, von der die einzelnen Elemente ihren Sinn erhalten.“ (ebenda, 127)
Galli (1983) widmet sich dem Vergleich der orthodoxen psychoanalytischen Methode
Freuds und der klassischen phänomenologischen Methode der Gestaltpsychologie zur Erforschung der phänomenalen Welt. Die phänomenologische Methode erfordert „dass die psychischen Phänomene, die Erlebnisse, als eine Wirklichkeit eigener Art und nicht nur als
Anzeichen für das eigentlich Wirkliche (die sogenannte erlebnisjenseitige Realität) bewertet
werden“. (ebenda, 23) Galli ortet bei Freud eine gewisse Schwierigkeit in der Überwindung
der objektivierenden „naturwissenschaftlichen“ Einstellung (Phänomene als Oberflächenmerkmale einer theoretisch zu postulierenden Tiefenstruktur zu betrachten). Freud ist sich dabei der Probleme, die phänomenale Welt von Individuen wissenschaftlich zu erfassen, durchaus bewusst: „Unter dem Einfluss der an CHARKOT anknüpfenden Trauma-Theorie in der
Hysterie war man leicht geneigt, Berichte der Kranken für real und ätiologisch bedeutsam zu
halten ... Als diese Ätiologie ... an dem Widerspruche gegen sicher festzustellende Verhältnisse zusammenbrach ... kam die Besinnung ... Wenn die Hysteriker ihre Symptome auf erfundene Traumen zurückführen, so ist eben die neue Tatsache die, dass sie solche Szenen
phantasieren, und die psychische Realität verlangt neben der praktischen Realität gewürdigt
zu werden.“ (GW Bd. 10, 55) Im Unterschied zur kathartischen Anfangsphase der psychoanalytischen Methode, in der man Patienten - theoriebezogen (durch Hypothesenbildung
durch den Therapeuten) - ziemlich aktiv zur „Wahrheitsfindung“ gängelte, wartete man später
im Sinne der freien Assoziation eher auf die spontanen Einfälle: „Anstatt den Patienten anzutreiben, etwas zu einem bestimmten Thema zu sagen, forderte man ihn jetzt auf, sich der
freien ‘Assoziation’ zu überlassen, d.h. zu sagen, was immer ihm in den Sinn kam ... Nur
musste er sich dazu verpflichten, auch wirklich alles mitzuteilen, was ihm seine Selbstwahrnehmung ergab, und den kritischen Einwendungen nicht nachzugeben, die einzelne Einfälle
mit den Motivierungen beseitigen wollten, sie seien nicht wichtig genug, gehörten nicht dazu
oder seien überhaupt ganz unsinnig.“ (Freud GW Bd. 14, 65) Diese im Grunde phänomenologische Methode wurde von der Gestalttheorie von Anfang an bei den experimentellen Untersuchungen voll zum Einsatz gebracht (vgl. z.B. die Methode des „lauten Denkens“, dargestellt
in Duncker 1963, 2, wonach die Versuchspersonen alle Erlebnisse angesichts einer bestimmten Reizkonstellation möglichst unreflektiert von sich geben sollten).
Was die Ganzheitlichkeit (strukturelle Nicht-Summativität) als Analyseeinheit betrifft,
hebt Galli hervor, dass die Gestaltpsychologie - vom Theoriekern Nicht-Summativität psychischen Erlebens ausgehend - ihre experimentellen Forschungen im Bereich der Wahrnehmung
so durchgeführt hat, dass jedes „sinnespsychologische Geschehen in Beziehung mit der
Struktur des ganzen Umfeldes untersucht wurde.“ (ebenda, 25) Im psychoanalytischen Ansatz
ortet Galli ebenfalls eine ganzheitliche Analyse, wobei das Ganze in der Biografie des
Patienten begründet sei. Dadurch würden die einzelnen „Szenen“ seiner Schilderungen
übersummativ zu einer Sinneinheit verschmolzen: „Auch durch diese Technik entsteht als
Ganzes eine individuelle Biographie, die die tiefen Schichten der Persönlichkeit in einer
Weise berührt, die von den experimentellen Methoden kaum erwartet wird, wie es K.LEWIN
(1937) erkannt hat.“ (ebenda, 26)
Unterschiede zwischen gestaltpsychologischer und psychoanalytischer Methode stellt Galli
im Bereich der interpersonalen Beziehungen und der Sprachanalyse fest. Bei den klassischen
gestaltpsychologischen Untersuchungen geht es primär um die sachbezogenen Interaktionen,
also um die Beziehungen von Versuchspersonen zu experimentell vorgegebenen Aufgaben.
Das interpersonelle Verhältnis zwischen Versuchsperson und Versuchsleiter wurde dabei
weitgehend außer Acht gelassen. „In der Psychoanalyse dagegen wird die Beziehung zwischen
Arzt und Patient von Anfang an thematisiert. Schon in den ‘Studien über Hysterie’ bemerkt
FREUD besondere Arten von Arzt-Patient-Beziehungen, die er als ‘Übertragung’ bezeichnete
...“ (ebenda, 26) Die Analyse der verbalen Äußerungen der Bezugspersonen steht in einem
direkten Zusammenhang mit der - theoriebezogenen - Thematisierung oder Ausklammerung
der interpersonalen Beziehungen in diversen experimentellen, pädagogischen oder
therapeutischen Zusammenhängen: „Wenn wir als Grundkriterien der Sprachanalyse jene des
klassischen Organon-Modells von K.BÜHLER (Darstellung, Ausdruck, Appell) benutzen,
können wir bemerken, dass in der experimentellen Situation der gestalttheoretischen Untersuchungen fast ausschließlich die Darstellungsfunktion der Sprache der Vp. analysiert wird,
während in der klinischen Situation der Psychoanalyse alle drei Funktionen analysiert werden.“ (ebenda, 26) Allerdings wurden in der ersten (kathartischen) Phase der Psychoanalyse
nach Galli hauptsächlich die Darstellungs- und Ausdrucksfunktionen analysiert: Wenn Patienten bestimmte Szenen ihrer Vergangenheit beschrieben, sollten sie sich auch an die begleitenden Affekte erinnern um sie abreagieren zu können. Nach der stärkeren Einbeziehung des
Theoriekernelements „Übertragung“ wurde auch die Appellfunktion der Sprache stärker thematisiert. Damit wurde auch die ursprüngliche Vergangenheitsorientierung immer mehr zu einer Berücksichtigung der aktuellen Arzt-Patient-Beziehung transformiert und aktuell zur Verhaltensaufklärung und -steuerung benutzt (etwa sensu Lorenzer 1971, 1983). Den wesentlichen Unterschied zwischen psychoanalytischen und gestaltpsychologischen Methoden sieht
Galli „in der motivationalen Struktur der experimentellen und der klinischen Situation“
(ebenda, 27) verursacht. „... in der experimentellen Situation kann man den momentanen Zusammenhang zwischen Vl. und Vp. auf dem ’Faktor der Ähnlichkeit’ begründet betrachten
(der Vl. als Forscher, sucht in seiner Vp. eine neugierige, seiner eigenen ähnliche Haltung zu
erwecken); in der klinischen Situation hingegen scheint der überdauernde Zusammenhang
zwischen Arzt und Patient auf dem ‘Faktor des gemeinsamen Schicksals’ begründet (der Patient, als der Heilung suchende Mensch, ist bemüht, sorgfältige Haltung in dem Arzt zu erwecken, um als Partner des psychotherapeutischen Dialogs angenommen zu werden).“ (ebenda,
27)
Henle (1984) sieht in Freud zwar einen strikten Assoziationisten „like so many others of
his day“ (127), registriert aber einige gestaltpsychologisch interpretierbare Abweichungen von
der Assoziationspsychologie. Sie bezieht sich vor allem auf die Traumdeutung, in der Freud
Vordergrund (manifesten Trauminhalt) und Hintergrund (latenten Trauminhalt) unterscheidet,
wobei der Vordergrund vom Hintergrund abhängig ist, der als eigentliches Zentrum, als Tiefenstruktur das Vordergrundsgeschehen in variabler Weise determiniert: Um die psychologische Aussage eines Traumes zu verstehen, muss es also zum „Kippen“ von bisherigem
Vorder- und Hintergrund kommen. Eine - wie uns scheint - auch für die Gestaltpsychologie
innovative Sichtweise, die Henle nicht zu bemerken scheint. Henle bezieht sich auf Aussagen
Freuds, dass alle Elemente eines Traums - in der Interpretation - zu einer einheitlichen Struktur vereinigt werden müssen, dass mentale Prozesse insgesamt zweckgerichtet sind (und damit
indirekt offene, unbefriedigte Bedürfnisstrukturen offenbaren), etc.. Wir sehen Analoges bei
der Entstehung von Fehlleistungen: Auch hier sind assozionistische Ähnlichkeiten (z.B.
„identische Elemente“) , zeitlich-räumlich kontingente Reizeinwirkungen, Gewohnheitsbildungen, etc. wichtige Determinanten (z.B. Freud GW Bd. 11, 26ff., 54). Doch kommt für
Freud in vielen Fällen ein „tieferer“ (semantischer) Sinn dazu (siehe oben Kap. 1.6) - manchmal weitab von Oberflächenähnlichkeiten, indem gegensätzliche Inhalte zum Ausdruck kommen (z.B. eine Sitzung zu beenden statt zu eröffnen). Auch dort, wo identische Elemente der
Oberflächenstruktur eine Verwechslung nahelegen (wie auf- statt anzustoßen) gilt: Nicht alle
sich anbietenden Verwechslungs-möglichkeiten werden in gleicher Weise zur Produktion von
Fehlleistungen benützt. Einige machen „Sinn“, werden von unbewussten (etwa gegengerichteten) Tendenzen „benützt“ um auf eine konflikthafte Tiefenstruktur im aktuellen Prozess hin-
zuweisen, etc.. Henle weist zur Bestätigung von Freuds Sinnpostulat im Benützen von Oberflächenähnlichkeiten auf Lewins Experimente hin, die das Ebbinghaussche Gesetz im
strengen Sinne falsifizierten: „... syllables failed to call up their asssociates, with which they
had been paired during 300 repetitions, when instructions were changed so that subjects were
asked merely to read the syllables but not actively try to recall. This finding, Koffka remarks,
is ‘not derivable from the law of association as usually formulated’.“ (ebenda, 128) Henle
vertritt die Auffassung, dass Freud den Assoziationismus, auf den er sich in seiner Psycho„Analyse“ weitgehend stützt, entschiedener zurückgewiesen hätte, falls er mit den Gestaltgesetzen bzw. kognitions-psychologischem Wissen von heute vertraut gewesen wäre: „Freud
could not possibly have known what we know today about the nature of associations ... But
since this was not his concern, one wishes that he had stayed with the facts instead of adopting
a theory in which, after 1895, he was not really interested.“ (ebenda, 128) Die gestalttheoretisch fundierte Suche nach Prägnanz, der immanente „Ordnungsindex“ menschlichen Erlebens, Denkens und Verhaltens (vgl. Metzger 1941, 1982) scheint ebenfalls von Freud
vorweggenommen zu sein. Dazu folgendes Freud-Zitat aus Henle (ebenda, 128): „Man’s observation of the great astronomical regularities not only furnished him with a model for introducing order into his life, but gave him the first points of departure for doing so. Order is a
kind of compulsion to repeat whitch, when a regulation has been laid down once and for all,
decides when, where and how a thing shall be done, so that in every similar circumstance one
is spared hesitation and indecision.“
Waldvogel (1992) arbeitet ein kompensatorisches Verhältnis zwischen psychoanalytischer
Objektbeziehungstheorie („innerer Welt“) und der „phänomenalen Welt“ der Gestaltpsychologie heraus: „Für die psychoanalytische Objektbeziehungstheorie stehen die intrapsychischen
Repräsentanzen interpersonaler Beziehungen im Zentrum psychischen Geschehens. Die Objektbeziehungsrepräsentanzen bilden sich aus der Verinnerlichung erlebter oder auch phantasierter Interaktionen. Sie bilden ein inneres Beziehungsgeflecht, die innere Welt.“ (ebenda,
95) „Das erkenntnistheoretische Grundmodell der Gestaltpsychologie beinhaltet ... eine fundamentale Unterscheidung hinsichtlich der Erlebbarkeit, nämlich zwischen phänomenaler und
transphänomenaler Welt. Die transphänomenale Welt ist die Welt ‘an sich’, die unabhängig
von unserem Erkennen und Erleben gegebene objektive Realität. ... Die phänomenale Welt
steht zur transphänomenalen Welt in einem repräsentationalen Verhältnis. Sie ist die Welt der
subjektiven Erscheinungen der Realität und wird von der Gestaltpsychologie insofern als eine
‘Funktion der Realität’ angesehen.“ (Waldvogel ebenda, 99) Die phänomenale Welt entspricht
somit ziemlich genau dem, was Popper (z.B. 1994) „Welt 2“ genannt hat, die transphänomenale Welt Poppers „Welt 3“. Das Postulat einer transzendentalen Realität „außen“ („Ding an
sich“) bzw. „innen“ („transzentendales Ich“) geht auf Kant (1923) zurück, von dem es - wie es
Waldvogel zu belegen sucht - Freud übernahm: „Wie Kant uns gewarnt hat, die subjektive
Bedingtheit unserer Wahrnehmung nicht zu übersehen und unsere Wahrnehmung nicht für
identisch mit dem unerkennbaren Wahrgenommenen zu halten, so mahnt die Psychoanalyse,
die Bewusstseinswahrnehmung nicht an die Stelle des unbewussten psychischen Vorganges
zu setzen, welcher ihr Objekt ist. Wie das Physische, so braucht auch das Psychische nicht in
Wirklichkeit so zu sein, wie es uns erscheint.“ (Freud 1913, zit.n. Waldvogel 1992, 99) Damit
ist eine gemeinsame Wurzel angedeutet. Aus der vergleichenden Analyse der Theoriekerne
der psychoanalytischen Objektbeziehungstheorie und der phänomenalen Welt der Gestaltpsychologie leitet Waldvogel ab, „dass innere Welt und phänomenale Welt in einem wechselseitigen Repräsentationsverhältnis zueinander stehen. Ebenso wie die phänomenale Welt über
die Internalisierung erlebter Objektbeziehungen in der inneren Welt repräsentiert ist, ist die
innere Welt über die Organisation des aktuellen Beziehungserlebens in der phänomenalen
Welt repräsentiert.“ (ebenda, 12) Sowohl die „innere Welt“ der psychoanalytischen Objektbeziehungstheorie als auch die „phänomenale Welt“ der Gestaltpsychologie sind in Teil- und
Ganzheitsrepräsentanten strukturiert. Die Theoriekerne stimmen insoferne überein, als die
Persönlichkeitsbildung von primären, in sich unstrukturierten Ganzheiten ausgeht und sich z.B. im Sinne von Metzger (1941) - durch zunehmende Ausdifferenzierung und Wiederzusammenschließung der so aufgegliederten Feinstrukturen zu komplexeren, optimal integrierten Ganzheiten entwickelt. Das diffus-unstrukturierte Ganze entwickelt sich durch Ausgliederung und neuerliche Integration zu einem jeweils besser durchstrukturierten Ganzen, das die
innere Welt und die phänomenale Welt als interagierende, einander entsprechende (bis kompensierende) Teilstrukturen enthält. Die innere Welt ist so wenig wie die transphänomenale
(äußere) Welt direkt der Erfahrung zugänglich, die phänomenale Welt vermittelt zwischen
beiden durch Analogiebildung und Motivation: „Die in der inneren Welt gebildeten mentalen
Strukturen identifizieren in der phänomenalen Welt Zeichen ihrer selbst. Die phänomenale
Welt wird für die innere Welt zu einer Zeichenwelt. Aktuelle Wahrneh-mungen, die früheren
in die ersten Repräsentanzen eingegangenen Wahrnehmungen entsprechen, vermögen diese
Repräsentanzen zu aktivieren. Aus dem Entsprechungsverhältnis wird ein Ansprechungsverhältnis.“ (Waldvogel ebenda, 173)
Die wissenschaftstheoretisch interessanteste Arbeit zu den vielfältigen Beziehungen von
Psychoanalyse und Gestaltpsychologie hat Galli (1997) vorgelegt. Er vergleicht Lewins aus
der Gestaltpsychologie entwickelte „Feldtheorie“ mit der Psychoanalyse Freuds. Die wesentliche Aussage dieser Arbeit ist, dass Freuds dialogische Methode in der Praxis vieles von dem
funktionszentrierten Ansatz der Feldtheorie bereits enthält, während sein „theoretischer Überbau“ monopersonal orientiert ist, indem vor allem die Transforma-tionsprozesse zwischen den
personinternen Instanzen Es-Ich-Überich thematisiert werden, die Einflüsse der aktuellen
Reizlage hingegen nur marginal zur Sprache kommen. Entscheidend ist für Galli Lewins
(1931) „Übergang von der aristotelischen zur galileischen Denkweise“, der den - paradigmatisch entscheidenden - Übergang von einem monopersonalen zu einem feldtheoretischen Ansatz sowie von einer wesenszentrierten zu einer funktionszentrierten Erklärungsweise der
psychischen Phänomene kennzeichnet, wie er in der modernen Motivationsforschung
(vgl. Atkinson 1957, Atkinson & Birch 1970, Astleitner 1992, Astleitner & Herber 1993)
durchformalisiert und empirisch verankert worden ist. Lewins Theorie besitzt zweifelsohne
relationalen Charakter, doch mangelt es seiner experimentellen Methode an entsprechender
Diagnostizität, weil das aktuelle Erleben der Versuchsperson nicht konsequent vom Versuchsleiter thematisiert und erfasst wird und weil die Feldtheorie der experimentellen Situation es - nach Galli (ebenda, 83) - nicht gestattet die Tiefenschichten der Person zu erreichen.
Umgekehrt scheint es bei Freud zu sein. Galli versucht dies am Beispiel der „Übertragung“ zu
zeigen: „... die Übertragung ist selbst nur ein Stück Wiederholung und die Wiederholung ist
die Übertragung der Vergangenheit nicht nur auf den Arzt, sondern auch auf alle anderen Gebiete der gegenwärtigen Situation.“ (Freud 1914, zit.n. Galli ebenda, 87) Der Patient ist - monopersonal - mit den vergangenen Gründen seines gegenwärtigen Handelns beschäftigt - der
Therapeut nimmt - in der Theorie - nur die Rolle des neutralen Zuschauers, des „reinen Spiegels“ ein. In der Praxis - das ist schon aus Freuds protokollierten Fällen ersichtlich - sind persönliche Interaktionen unvermeidlich. Dem trug Freud selbst schon mit dem Konzept der
„Gegenübertragung“ des Analytikers Rechnung (vgl. oben Kap. 1.4). Seit Ferenczi (1932) und
diversen postfreudianischen Richtungen (vgl. z.B. Carson 1969, Kets De Vries 1998) lautet
die entscheidende Frage im psychoanalytischen Setting nicht mehr primär: „Warum verhält
sich der Patient so, warum sagt er das?“ sondern: „Warum verhält sich der Patient in diesem
thematischen Zusammenhang so zum Therapeuten, was will er ihm - und nicht nur sich selbst
- sagen?“ Entwicklungen der Psychoanalyse im französischen und italienischen Bereich gehen
nach Galli stark in Richtung einer dramaturgischen Konzeption der psychoanalytischen Therapie, in der „Therapeut und Patient so eng miteinander verbunden sind, dass sie als ein
komplementäres Paar betrachtet werden können. Um dieses Paar als eine Gestalt zu beschreiben, scheint ihnen das Feldmodell das geeignetste zu sein.“ (Galli ebenda, 83)
3.3 Psychoanalyse - Kognitive Psychologie
Nach Claxton (1997) und Rosenfield (2000) besteht Freuds wesentlicher Beitrag zur Kognitionswissenschaft in seinem Bestreben, „die Mechanismen zu finden, die der menschlichen Fähigkeit zum Lügen, Täuschen und Bluffen zu Grunde liegen. ... Nach Freud bluffen, belügen
und täuschen wir uns und andere ständig. Sein Hauptinteresse ... galt der Bedeutung von
Selbsttäuschungen in der alltäglichen Psychologie.“ (Rosenfield 2000, 168) Ein wesentliches
Element des Theoriekerns der Psychoanalyse ist das Postulat des Unbewussten (siehe oben
Kap. 1.1). Es enthält die Annahme, dass unsere „wirklichen“ Kognitionen, Emotionen und
Motivationen sich nicht exakt in dem spiegeln, was wir bewusst erleben, fühlen, denken, erinnern oder sprachlich äußern (z.B. Freud 1891, 36, 79, 83, Freud & Breuer 1970, vgl. auch
Borck 1998, 66ff.) . Damit hat er wesentliche Ergebnisse der kognitionspsychologischen Forschung vorweggenommen, z.B. das theoretische und methodologische Problem der Übereinstimmung von sprachlicher Äußerung und entsprechenden internen Prozessen, was in der
Gestaltpsychologie noch nicht als Problem thematisiert wurde - etwa bei der Verwendung des
„lauten Denkens“ als experimenteller Methode (vgl. Herber 2000, 86). Freuds Konzept des
Unbewussten enthält aber nicht nur vorbewusste Prozesse, sondern auch „verdrängte“, vom
Bewusstseinsstrom in pathologischer Weise abgespaltene Inhalte (siehe oben Fußnote 1).
Daran lag und liegt das Hauptinteresse der Psychoanalyse: „Freud ... und seine Jünger füllten
das Lagerhaus des Unbewussten mit verleugneten, verdrängten Aspekten der Persönlichkeit
und zeigten auf, wie diese verstoßenen Kinder des Geistes zurückkehren, um uns auf bizarre
und furchterregende Weise heimzusuchen. ... Freud hat uns eine Version des Unbewussten zurückgegeben ... eine, die sich ganz und gar auf die Kosten eines ‘taktischen Nicht-zur-Kenntnis-Nehmens’ konzentrierte... Indem er das Unbewusste so definierte, wie er es tat, stellte er
es als Gegenspieler zu mentaler Gesundheit dar, als einen Behälter wilder Kräfte, die nur gebändigt und in die Persönlichkeit integriert werden konnten, wenn man sie ans Licht des Bewußtseins holte.“ (Claxton 1997, 212f.)
Darüber hinaus - so scheint es auf Erste - hat Freud wenig über die Prozesse des (bewussten) Denkens zu sagen, auch wenn es interessante Rekonstruktionsversuche im Sinne des
kognitionspsychologischen Paradigmas gibt (z.B. Henle 1984, Erdelyi 1985, Wegman 1985).
Doch - wie Wachtel (1977) zu Recht aufzeigt - ist Freud grundsätzlich dem assoziationistischen Denken verpflichtet (siehe auch oben Kap. 1.7). Denken besteht darin Assoziationen
zwischen verschiedenen zueinander passenden, räumlich-zeitlich kontingenten Vorstellungen
herzustellen bzw. wiederzubeleben (also Neuronenverbindungen zu bahnen bzw. zu aktualisieren, vgl. Freud 1962). Auch im kreativen Denken wird nach Freud nichts wirklich „Neues“
erzeugt, es werden nur - quasi über identische Elemente (wie Phonem- und Morphemgleichheiten) - Vorstellungen miteinander verbunden, die einander sonst fremd sind (semantisch
unterschiedliche Bedeutung haben, wie bei den Wörtern an- bzw. aufstoßen, etc., vgl. Freud
GW Bd. 11, 25ff.). Allerdings kann ein verborgener Sinn (Wunsch), eine bisher nicht beachtete Vorstellung oder Semantik so eine - durch assoziative Ähnlichkeit erleichterte Fehlleistung herbeiführen. In Richtung kognitiv-konstruktive Tätigkeit weisen allerdings
durch semantischen Gegensatz bewirkte Fehlleistungen (z.B. wenn ein Vorsitzender die
Sitzung für „beendet“ erklärt, statt sie zu „eröffnen“). Denken wird also sowohl durch
Reizähnlichkeit, räumlich-zeitliche Kontingenz wie kognitiv-inhaltlich Konstruktion von
Vorstellungen, im Grunde aber durch unbewusste (emotional bedeutsame) Assoziationen
vorbereitet, in bestimmte Bahnen gelenkt (z.B. Freud GW Bd. 11, passim).
Erdelyi (1985) arbeitet Parallelen zwischen Psychoanalyse und Kognitionspsychologie in
Konfrontation mit dem behavioristischen Paradigma heraus. Während der Behaviorismus
durch eine „Finger-und-Daumen-Metaphysik“ (Revers 1962, 44) gekennzeichnet werden
kann, also an einer an palpablen Oberflächenmerkmalen, „öffentlich beobachtbaren“ Reizen
und Verhaltensweisen orientierten Methodologie (mit einem entsprechenden Theoriekern als
Voraussetzung), sind psychische Phänomene in der Psychoanalyse wie in der Kognitiven Psychologie vielschichtig, semantisch tiefenstrukturiert. Die Psychoanalyse ist nicht an den einfach wahrnehm- oder erinnerbaren manifesten Merkmalen interessiert, sondern an deren
latenten Verknüpfungen, an derem „tieferen Sinn“ (der sematischen Tiefenstruktur). Bewusstseinsphänomene spielen ebenfalls eine theoretisch und methodologisch völlig unterschiedliche Rolle im Behaviorismus einerseits, in Psychoanalyse und Kognitionspsychologie
andererseits, analog verhält es sich mit dem Konstrukt „Unbewusstes“, das auch im kognitionspsychologischen Zusammenhang mehr und mehr an Bedeutung gewinnt (z.B. Perrig et al.
1993, Claxton 1997, Varela 2000): „Behaviorism excluded consciousness from its purview;
psychoanalysis made consciousness its therapeutic goal. Unconscious processes played no
role in classic behaviorism; unconscious processes were the ‘fundamental premise’ of psychoanalysis.“ (Erdelyi 1985, ix) Die Kognitive Psychologie - im Wesentlichen genährt von der
generativen Linguistik (z.B. Chomsky 1957, vgl. auch Pinker 1998a) und der Informationstheorie (z.B. Shannon 1948, Sanders 1971, Dörner 1979, 1999, Simon 1979, Seidler 1997,
Maar et al. 2000) - teilt mit der Psychoanalyse einige grundlegende Annahmen, z.B. die von
semantischen Tiefenstrukturen: Die Analyse von Träumen (z.B. Freud GW Bd. 11, 79ff.
Freud 1961) geht davon aus, dass manifeste Trauminhalte Oberflächenphänomene darstellen,
entstanden durch die sogenannte Traumarbeit, in der tiefere sematische Strukturen, die vom
Zensor wegen ihres peinlichen Inhalts nicht akzeptiert werden können, in transformierter, verdichteter Form zum Ausdruck kommen. Freud bringt dies in Flussdiagrammen der Informatonsverarbeitung zum Ausdruck (Freud 1961, 438ff.), stellt hinsichtlich der
Verdichtungsmechanismen formale Analogien zu Bilderschriften und zu manchen semitischen Schriften her (GW Bd. 11, 236ff.), etc.. Diese Ausführungen sind - wenn auch nicht so
systematisch angelegt - in mancher Hinsicht nicht so weit von dem entfernt, was moderne
formale Theorien der informationstheoretischen „data compression“ zum Inhalt haben
(vgl. z.B. Seidler 1997). Schon in den Studien über Hysterie (Freud & Breuer 1970) werden
psychologische Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen enaktiv-motorischer
(„Körpersprache“), bildlicher (ikonischer) und verbaler Darstellungsweise diskutiert (vgl.
entsprechende „Erinnerungsspuren“ in Bruner 1966, 1990). Fragen der Organisation und
Struktur des Gedächtnisses, verschiedener Gedächtnisarten (Konversionen als Ausdruck des
Körpergedächtnisses, Bildgedächtnis, implizites und explizites Gedächtnis, etc. in moderner
Lesart, z.B. Perrig et al. 1993, Hoffmann 1993, Mecklenbräuker et al. 1998, Perner 1998,
2000, Meier 1999, Pöppel 2000), multiple Anbahnungen der Wiederaktivierung von direkt
nicht zugänglichen Gedächtnisinhalten, Mehrspeichersysteme, semantische (denotative) vs.
pragmatische (konnotative) Entstehung und Auflösungsmöglichkeiten von Mehrdeutigkeiten
(vgl. z.B. Wessels 1984, 311ff., Pinker 1998b, 179ff., Dörner 1999), Fragen der
Aufmerksamkeitskonzentration und -verschiebung, der Selektivität der Wahrnehmung,
Kapazitätsgrenzen der Informationsverarbeitung und -speicherung werden immer wieder
diskutiert, vgl. im Besonderen: „Entwurf einer Psychologie“ (Freud 1962), „Die
Traumdeutung“ (Freud 1961), „Zur Psychopathologie des Alltagslebens“ (Freud 1954),
„Studien über Hysterie“ (Freud & Breuer 1970) sowie „Der Witz und seine Beziehung zum
Unbewussten“ (Freud 1958). Aus diesem Grund ist nach Erdelyi (1985, xi) die Annäherung
von Kognitiver Psychologie und Psychoanalyse „vorprogrammiert“: „... the shift of focus toward increasingly complex stimuli (pictures, sentences, narrative texts), the trend of the modern cognitive psychology has been toward rather than away from psychoanalysis’ center of
gravity. Some of the signs: the semantization of psycholinquistics; the attendant emphasis of
deep semantic contents (‘information processing between the lines’, ‘pragmatics’) and , therefore, upon the unavoidability of interpretation; the triumph of constructivism; the contextualization of cognition; the formal incorporation, through mathematical decision theory, of
motivation in the conception of perceptual and memory reports; the ... interest in metaphor;
and, not the least, the immense new research interest in unconscious processes.“ Vergleicht
man die Inhalte rezenter Buchpublikationen zur Kognitiven Psychologie - insbesondere die
komplexen Zusammenhänge von „top down“- und „bottom up“-Prozessen der Wahrnehmung,
Informationsverarbeitung, Speicherung, etc., ist dieser Prognose Recht zu geben (vgl. z.B.
Klix 1992, Astleitner 1992, 1997, Perrig et al. 1993, Mangold-Allwin 1993, Eysenck 1994,
Holyoak & Thagard 1995, Anderson 1996, Hofstadter 1996, Claxton 1997, Pinker 1998a,
Dörner 1999, Maar et al. 2000).
4. Zusammenfassung
In Freuds Psychoanalyse sind viele Annahmen des Behaviorismus, der Gestaltpsychologie und
der Kognitiven Psychologie enthalten - noch relativ wenig elaboriert, differenziert, definitorisch geklärt oder „ausgegliedert“ (um einen zentralen Ausdruck der gestaltpsychologischen Entwicklungstheorie zu verwenden). Der entscheidende Unterschied zu den drei
anderen Paradigmen besteht in der Annahme eines „Unbewussten“, das auf Erleben und Verhalten einwirkt, ohne dass es dem Bewusstsein zugänglich ist, weil ein Widerstand dagegen
besteht gewisse schmerzliche Assoziationen zu reaktivieren. Heftige Emotionen begleiten den
(therapeutischen) Versuch diese verdrängten Inhalte bewusst zu machen. Experimentelle
Nachweise für die Existenz und Wirksamkeit verdrängter, abgespaltener psychischer Prozesse
liegen vor (z.B. Silverman 1983, Sincoff 1992, Gitzinger-Albrecht 1993, Derakshan & Eysenck 1997, 1999). Der Begriff „Unbewusstes“ umfasst allerdings nicht nur Verdrängtes, Abgespaltenes, sondern auch das „Vorbewusste“, das sind alle Vorgänge im Organismus
(bzw. deren Repräsentanz im ZNS), die als Basis aller Lebensvorgänge grundsätzlich
bewusstseinsfähig sind, aber nicht im situationsbezogenen Fokus der Aufmerksamkeit stehen.
Das Bewusstsein selbst ist nur die „Spitze eines Eisberges“ aller psychischen Prozesse. Das
entspricht durchaus moderner neurowissenschaftlicher und kognitionspychologischer Forschung (z.B. Pöppel 1987, 165ff., 2000, Pinker 1998b, 171ff., Varela 2000, Rosenfield 2000).
Freud hat in seinem umfangreichen Werk zu vielen Konzepten der Psychologie Aussagen
gemacht (zum Wahrnehmen, Denken, Erinnern, Fühlen, Wollen, etc.). Im Grunde steht er auf
derselben theoretischen Basis wie der Behaviorismus, indem er von elementaren Sinnesdaten
und deren Erinnerungsspuren ausgeht. Allerdings nimmt er im (komplexen) Verarbeitungsprozess gestaltpsychologische und kognitionspsychologische Konzepte vorweg - meist in undefinierter, theoretisch nicht elaborierter Form. Sein Hauptinteresse galt den Fehlleistungen
der psychischen Funktionen, nicht primär deren normalem Funktionsablauf. Nachfolger
Freuds haben sich zunehmend den „Ichfunktionen“ und damit den bewussten bzw. bewusstseinfähigen psychischen Prozessen als Basis des phänomenalen Erlebens zugewandt
(z.B. Hartmann 1972, Kernberg 1997). In heuristischer Hinsicht kann die Psychoanalyse
immer noch zur Theorienentwicklung im sozialwissenschaftlichen, insbesondere im psychologischen und pädagogischen Bereich beitragen. Formalisierungen von Teilbereichen des
Theoriekerns liegen ansatzweise vor (z.B. Moser et al. 1968, Wegman 1985), doch fehlt noch
eine umfassende Systematisierung der theoretischen Kernannahmen samt entsprechender
Methodologie. Fruchtbare Weiterentwicklungen einzelner psychoanalytischer Theoreme sind
vor allem in der Gestaltpsychologie, Lewins Feldtheorie und in der modernen Motivationsforschung festzustellen.
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Zulliger, H. (1969). Die Angst unserer Kinder. Frankfurt: Fischer
i
Dieser Artikel ist der zweite Zwischenbericht über die Arbeit im Rahmen des Projektteils 5.1
„Gemeinsamkeiten und Unterschiede pädagogischer und psychologischer Lern-, Motivations- und
Interessenstheorien in Bezug auf schulisches Lehren und Lernen” des gesamtuniversitären SFB-Projekts
”Theorien- und Paradigmenpluralismus in den Wissenschaften: Rivalität, Ausschluss, oder Kooperation?”
der Universität Salzburg. Dieser Bericht fasst in knapper Form den Theoriekern samt exemplarischen
intendierten Anwendungen sowie die Methodologie des Hintergrundsparadigmas „Psychoanalyse“
zusammen und vergleicht sie mit den im ersten Zwischenbericht (Herber 2000) diskutierten Paradigmen
„Behaviorismus“, „Gestaltpsychologie“ und „Kognitionspsychologie“. Die in beiden Berichten analysierten
Paradigmen haben im letzten Jahrhundert psychologische und pädagogische Theorien des Lernens, der
Motivation, des Unterrichtens, Erziehens, Bildens wesentlich beeinflusst und beeinflussen sie bis heute.
Einige besonders elaborierte - weitgehend paradigmenverschmelzende - Theorien der Motivation und des
Lernens samt entsprechenden innovativen pädagogischen Anwendungsmodellen werden in weiteren Folgen
behandelt werden.
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Freuds Konzept des Unbewussten enthält das „Vorbewusste“ (nach Pöppel 1987, 166ff. aufdifferenziert in
„mit- und nebenbewusst“) und das „eigentliche“ Unbewusste (den z.T. ererbt-„unterbewussten“, vgl. Freud
GW Bd. 17, 67ff., Pöppel 1987, 170, sowie den z.T. „verdrängten“ infantilen oder „archaischen“
„Primärprozess“, der jeden Trieb, jedes Bedürfnis und jede Vorstellung „für sich“ zur Verwirklichung
bringen möchte, ohne Berücksichtigung von Inkompabilitäten, Widersprüchen, etc., wie dies im
vorbewussten bis bewussten „Sekundärprozess“ möglich ist und angestrebt wird - oft mit dem Resultat der
„Abwehr“ nicht zueinander passender Bedürfnisse und Vorstellungen, z.B. Freud GW Bd. 11, 183ff., Bd. 13,
248ff., Bd. 15, 85). Das Vorbewusste ist ohne emotionelle Barrieren bewusstseinsfähig, kann quasi jederzeit
durch Aufmerksamkeitsverlagerung aus dem aktuellen Wahrnehmungsprozess oder aus dem Langzeitspeicher hervorgeholt bzw. indirekt - schlussfolgernd - rekonstruiert werden. Das (eigentliche)
Unbewusste hingegen ist durch Abspaltung aus dem allgemeinen Fluss des Erlebens entstanden, zu seiner
Integration ist eine (emotionale) Barriere zu überwinden. Meist handelt es sich beim „verdrängten Material“
um peinliche Erinnerungen oder verpönte Wunschvorstellungen, die vom „Überich“ bzw. „Ich“ nicht
akzeptiert werden und z.B. als „ichfremd“ erklärt werden (vgl. Freud, Bd.10, 264ff.). „Ich“ 
„Bewusstsein“: Viele Prozesse des Ich in der Auseinandersetzung mit sich selbst (dem eigenen Es und
Überich) vollziehen sich un- bzw. vorbewusst. Im Vergleich zu den Vorgängen in den beiden anderen
Instanzen ist das Ich jedoch - etwa bei diskrepanten Erlebnissen, daraus resultierenden konflikthaften
Spannungen, etc. - potentiell in der Lage die Vorgänge innerhalb der eigenen Person und in der umgebenden
Realität „objektiv“ (als „Objekte“) zu registrieren und systematisch zu beobachten, Innenzustände
realitätsbezogen zu reflektieren und zu sich selbst wie zur Umwelt in rationaler Weise Stellung zu beziehen
(vgl. A. Freud 1975, 17ff.). Daher Freuds oft zitiertes Therapieziel: „Wo Es war, soll Ich sein.“ (Freud 1954,
10)
Vgl. weiterführend die empirisch gestützte motivationspsychologische Forschung in Sorrentino &
Higgins (1986). Inhaltlich Analoges scheint für soziale Kollektive zu gelten (vgl. McClelland 1966,
1995a, Mummendey & Simon 1997).
Die Funktion aller Abwehrmechanismen als spezifische Formen der Ersatzbefriedigung unbewusster
Bedürfnisse im Primärsystem, deren direkte Realisation von Überich und Ich nicht zugelassen werden, wird
als wesentlicher Theoriekernbestandteil nicht entsprechend elaboriert. In weiterer Ausarbeitung unseres
Projekts (siehe oben Fußnote 1) werden wir uns diesem Problem bei der Konzeption einer auch motivational
begründeten Analogiebildungstheorie ausführlich widmen.
Dass die Langzeitwirkung von traumatischen Erlebnissen kein bloßes Freudsches Hirngespinst ist, zeigen
moderne neurowissenschaftliche Forschungen (vgl. Zieglgänsberger 1998, Guttmann & Scholz-Strasser
1998, Greenfield 1999).
Wir folgen dabei im Wesentlichen Freud (1962, 1954, GW Bd.1, Bd. 5, Bd.11, Bd. 14), Freud & Breuer
(1970), Erdelyi (1985), Wegman (1985), Guttmann & Scholz-Strasser (1998)
Zum Phänomen der „repression“ (Verdrängung) gibt es in der modernen Forschung eindrucksvolle
empirische Belege (z.B. Weinberger 1990, Baumeister & Cairns 1992, Newton & Contrada 1992, Sincoff
1992, Gitzinger-Albrecht 1993, Derakshan & Eysenck 1997, 1999).
Freud hält das Definieren im elaborierten Stadium einer Theorienbildung für notwendig, aber eher hinderlich
bei der - (durch Analysen exemplarischer Fälle) empiriegestützten - noch im heuristischen Anfangsstadium
befindlichen Konzeption neuer Theorien (vgl. GW Bd. 10, 210). Interessant ist in diesem Zusammenhang die
wissenschaftstheoretische Position von Popper (1974, 356): „Andererseits betrachte ich Definitionen und
Fragen der Reduzierbarkeit als philosophisch nicht besonders wichtig. Wenn man einen Ausdruck nicht
definieren kann, so hindert nichts, ihn als undefinierten Ausdruck zu verwenden: der Gebrauch undefinierter
Ausdrücke ist nicht nur berechtigt, sondern unvermeidlich, denn jeder definierte Ausdruck muss letzten
Endes mit Hilfe undefinierter Ausdrücke definiert werden.“
Vgl. Freuds Unterscheidung von „latentem“ und „manifestem“ Trauminhalt (GW Bd. 11, 111ff.).
Metaphern fassen wir im Sinne von Gentner (1989) auf als eine Konfusion von Oberflächenmerkmalen
(Objekteigenschaften, wie Farbe, Form, Größe, etc.) und formalen Beziehungseigenschaften - unabhängig
von konkreten Objekteigenschaften (vgl. etwa die Struktur von Sonnensystem und Atomaufbau). Beispiel:
Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Milch und Wasser, Affe und Mensch, zwischen historischem
Ödipusdrama und spezifischen psychologischen Vater-Mutter-Sohn-Beziehungen, etc.. Analogien
beschränken wir in diesem Sinne auf „tiefenstrukturelle“ und funktionale Übereinstimmungen zwischen zwei
Bereichen - unabhängig von deren (oberflächlichen) Objekteigenschaften, z.B.: Beziehungen zwischen
realem Straßennetz und Straßenkarte, Plan eines Hauses (Grund-, Auf-, Schrägriss) mit dem realen Haus,
Aufbau eines Organismus und Gliederung eines Unternehmens bzw. einer Gesellschaft, zwischen dem
Fließen von Wasser und elektrischem Strom, dem Verhältnis von individueller und kollektiver Motivation,
xi
xii
von Dezimalzahlen, Brüchen, Winkelmessungen, Punktmengen, etc. (vgl. Herber & Vásárhelyi 1993, Herber
et al. 1997).
Wir stützen unsere Ausführungen im Besonderen auf Aichhorn 1925, Zulliger 1969, Wolpe 1969, Kuhlen
1973, Mahoney 1974, Meichenbaum 1979, Wachtel 1977, Erdelyi 1985, Juul 1990, Dubs 1995, Grawe
1998)
Zum Problem der methodischen Kontrollierbarkeit dieser Vermischung von Äußerungen des Analysanden
und den „freien Assoziationen“ des Analytikers in der freischwebenden Aufmerksamkeit sowie zum
Stellenwert der zunehmenden Theorienbezogenheit der Interpretation siehe Freud (GW Bd. 7, 258, Bd. 8,
376), Kernberg (1997, 177f.), Bollas (2000, 99ff.).
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