CEIES-10-1DE

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Unterlagen des zehnten Seminars
Die Statistik der allgemeinen und
beruflichen Bildung und das
Funktionieren der Arbeitsmärkte
Thessaloniki, Griechenland, 11.–12. Mai 2000
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
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10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
INHALT
Seite
1. Tag:
Teil 1 :
Aktuelles zu den Daten in der Aus- und Weiterbildung
Gemeinsame Datenquellen der Bildungs- und
Arbeitsmarktstatistik von Eurostat
L. Freysson ............................................................7
Berufliche Aus- und Fortbildung erwachsener
Arbeitskräfte in den OECD-Ländern:
Messung und Analyse
P. Swaim & E. Stancanelli...................................26
Hochschulabschluss und Arbeitsmarkt
Eine Erhebung auf der Grundlage des
statistischen Registersystems
P. Myrskylä ..........................................................31
Von der Ausbildung auf den Arbeitsmarkt
R. Andersson ........................................................46
Anstieg des Bildungsniveaus und
Kompetenzentwicklung: Nutzen des
generationsbezogenen Ansatzes
C. Béduwé & B. Fourcade ...................................60
Der Sicht der Nutzer
M. Carvalho .........................................................79
Verwendung der Bildungs- und
Ausbildungsstatistik - Die Situation in
Portugal
F. Marques ..........................................................97
Internationaler Bildungsstrukturvergleich Resultate und Probleme aus österreichischer
Sicht
A. Schneeberger .................................................102
Statistik über Arbeitsmarktprobleme im
öffentlichen Sektor in den Niederlanden:
Erfahrungen eines Benutzers
L. Herweijer .......................................................114
Analyse der Bedeutung allgemeiner und
beruflicher Bildungsabschlüsse für den Status
auf dem Arbeitsmarkt
C. Littler ............................................................ 125
Teil 2 :
Die Zukunft und künftige Entwicklungen
Erhebungen über das Bildungs- und
Ausbildungssystem in Italien
A. Micali ............................................................ 143
Statistik der Erwachsenenbildung Konzeptuelle Probleme
H. Naesheim ......................................................159
Statistik über Fort- und Weiterbildung in
Norwegen
K. J. Einarsen ....................................................164
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
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Veränderungen der Arbeitsmärkte und deren
Auswirkung auf die Bildungs- und
Ausbildungsstatistik
R. Fox ................................................................ 170
Schnittstellen zwischen Bildung und
Beschäftigung.Kompetenzen und ihre
statistische Erfassung
J. Planas & G. Sala ...........................................175
Der Sicht der Nutzer
D. Paparella ......................................................185
2. Tag
Teil 3 :
Schlußfolgerungen und Empfehlungen
Ist eine brauchbare Statistik der allgemeinen und E. Graversen ...................................................... 203
beruflichen Bildung möglich?
Zusammenfassung
M. van Herpen ...................................................205
Teilnehmerliste................................................................................................................................213
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10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
1. Tag:
TEIL 1:
AKTUELLES ZU DEN DATEN
IN DER AUS- UND
WEITERBILDUNG
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
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10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
GEMEINSAME DATENQUELLEN DER BILDUNGS- UND ARBEITSMARKTSTATISTIK VON
EUROSTAT
Laurent Freysson1
Eurostat
Verwaltungseinheit E-3: Bildung, Gesundheit und andere soziale Bereiche
Bâtiment Jean Monnet
Rue Alcide de Gasperi
L-2920 Luxembourg
[email protected]
1- Einführung: Anpassung der Bildungs- und Beschäftigungsstatistiken an die neuen und sich
wandelnden Anliegen der Sozialpolitik - eine Herausforderung
Insbesondere aufgrund der anhaltenden Entwicklung zur Wissensgesellschaft haben sich die
Anliegen der Sozialpolitik in den letzten zehn Jahren ganz erheblich gewandelt. So sind z. B. neue
Konzepte wie das lebenslange Lernen und die Beschäftigungsfähigkeit entstanden und zu neuen
Schlüsselworten geworden. Eurostat ist es gelungen, sich dieser Entwicklung auf dem Gebiet der
allgemeinen und beruflichen Bildung anzupassen, indem es sich um eine stärkere Diversifizierung
der verschiedenen statistischen Quellen in seinem Zuständigkeitsbereich bemüht hat, insbesondere
im Zusammenhang mit den neuesten Anforderungen des Arbeitsmarkts.
Zu diesem Zweck wurden in den letzten Jahren neue und zielgerichtete Datensammlungen
aufgenommen, beispielsweise zur betrieblichen Aus- und Weiterbildung und zu
Berufsbildungsprogrammen. Gleichzeitig wurden Anstrengungen unternommen, die Möglichkeiten
bereits vorhandener harmonisierter Erhebungen zu optimieren, die sich zwar nicht speziell mit der
allgemeinen und beruflichen Bildung befassen, aber damit verwandte Aspekte berühren.
Mit diesem Beitrag soll zunächst ein kurzer Überblick über die Datenquellen von Eurostat gegeben
werden, die sowohl Daten zum Bildungsbereich als auch Arbeitsmarktdaten enthalten. Im zweiten
Teil wird der Beitrag von Eurostat zur Verbesserung der Vergleichbarkeit der Daten im allgemeinen
dargestellt. Zum Schluß werden einige mittelfristige Projekte untersucht, deren Durchführung
bereits aufgenommen wurde oder in Kürze bevorsteht.
2- Möglichkeiten der vorhandenen Datenquellen
Die Kernfragen, die sich in bezug auf die Zusammenhänge zwischen der allgemeinen und
beruflichen Bildung und dem Arbeitsmarkt stellen, betreffen u. a. eine Reihe von Themenkreisen,
die mit Daten aus verschiedenen Datensammlungen von Eurostat abgedeckt werden können (wenn
auch in einigen Fällen nur teilweise). Dazu zählen beispielsweise höhere Bildungsniveaus, die Rolle
der beruflichen Qualifikationen und ihre Anerkennung, Schulabbruch und soziale Ausgrenzung,
Zusammenhang zwischen Bildungsstand und Arbeitslosigkeit sowie zwischen Qualifikation und Art
des ausgeübten Berufs, Übergang von der Schule zum Arbeitsmarkt, Fremdsprachenerwerb,
Bildungsbeteiligung und sozioökonomisches Umfeld, Teilnahme an Weiterbildung je nach
berufsständischer Kategorie oder Bildungsniveau usw.
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Mit Unterstützung einiger Kollegen und Kolleginnen bei Eurostat: Anne Clémenceau, Katja Nestler, Africa Melis,
Ana Nobre, Peter Whitten, Spyridon Pilos und Michail Skaliotis.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
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Der potentielle Nutzen dieser Erhebungen ergibt sich auch aus der Flexibilität, die einige von ihnen
durch die Möglichkeit zur Bildung von Kombinationstabellen mit verschiedenen Variablen bieten.
Tatsächlich lassen sich die meisten definierbaren Indikatoren nach Geschlecht, Altersgruppe oder
Region untergliedern.
Gegenwärtig sind sieben harmonisierte Datensammlungen von Eurostat zu nennen, die sich mit
Fragen der allgemeinen und beruflichen Bildung sowie Beschäftigungsthemen befassen:
-
die Erhebung über Arbeitskräfte (Labour Force Survey - LFS)
das Europäische Haushaltspanel (European Community Household Panel - ECHP)
die Erhebung über die Struktur der Verdienste (Structure of Earnings Survey - SES)
die Erhebung über die Arbeitskosten (Labour Cost Survey - LCS)
die Erhebung zur beruflichen Weiterbildung (Continuing Vocational Training Survey CVTS)
die Datensammlung zur beruflichen Bildung (Vocational Education and Training - VET)
die Datensammlung zur Arbeitsmarktpolitik (AMP) (Labour Market Policies - LMP)
Ein wichtiger Aspekt dieser Erhebungen ist die Kontrolle der Datenqualität. Es besteht durchaus die
Möglichkeit, eine hohe Qualität zu gewährleisten, aber solange es auch nur die geringste
Unsicherheit hinsichtlich der Qualität der Informationen gibt, wäre jeder Versuch einer Analyse
ohne oder nur von geringem Wert. Aus diesem Grund messen wir einer engen Zusammenarbeit
zwischen den Verantwortlichen für die einzelnen Erhebungen, Experten für die allgemeine und
berufliche Bildung in den Mitgliedstaaten und/oder Eurostat so große Bedeutung bei.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, daß die obige Aufzählung der Erhebungen nicht als erschöpfend
anzusehen ist; neue Erhebungen werden ggf. ebenfalls berücksichtigt.
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10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Abb. 1: Überblick über gemeinsame Datenquellen der Bildungs- und Arbeitsmarktstatistik
von Eurostat
Vocational
Education
and Training
Labour
Market
Policies
Eurostat Labour
Force Survey
European
Community
Household
Panel
Structure
of
Earnings
Survey
Labour
Cost
Survey
Continuing
Vocational
Training
Survey
Administrative data
Harmonised surveys
(household- or enterprise-based)
Eurostat Statistical
Information
System on
Education/Training
and Employment
Reference
Indicators
Quelle:
Berufliche Bildung
Arbeits-markt-politik
Eurostat-Arbeitskräfte-erhebung
Europäisches Haushaltspanel
Verdienst-struktur-erhebung
Arbeits-kosten-erhebung
Erhebung zur beruflichen Weiterbildung
Verwaltungsdaten
Statistisches Informationssystem
für allgemeine/berufliche Bildung
und Beschäftigung von Eurostat
Harmonisierte Erhebungen
(Haushalts- bzw. Unternehmens-befragungen)
Referenz-indikatoren
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
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2.1 Die Erhebung über Arbeitskräfte
Ziele und Hauptmerkmale
Die Erhebung über Arbeitskräfte ist das wichtigste statistische Instrument, das vergleichbare Daten
für alle Arten von Arbeitsmarktanalysen in der EU liefert. Sie dient der Beobachtung der
wichtigsten Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt und der Trends in bezug auf Beschäftigung und
Arbeitslosigkeit. Bei der Arbeitskräfteerhebung handelt es sich um eine jährliche
Stichprobenerhebung der Haushalte, die seit 1983 jährlich in allen Mitgliedstaaten der EU, den
EFTA-Ländern und inzwischen auch den meisten osteuropäischen Anwärterstaaten durchgeführt
wird. Dabei ist wichtig, daß die Arbeitskräfteerhebung sich auf dem Weg zu einer laufenden
Erhebung befindet, d. h. die Daten werden zunehmend vierteljährlich erhoben.
Der Fragenkatalog von Eurostat wird von der Arbeitsgruppe "Statistiken der Beschäftigung"
festgelegt und stellt eine Art Unterauswahl der Variablen aus den nationalen
Arbeitskräfteerhebungen dar.
Folgende Hauptbereiche sind abgedeckt:
Beschäftigungsmerkmale der Personen: Stellung im Beruf, Beschäftigungssektor,
Arbeitszeit,
Arbeitsbedingungen,
befristete
Beschäftigung,
atypische
Beschäftigungsverhältnisse usw., und seit 1998 als optionale Variable das Einkommen
Arbeitsuche: Mittel und Wege sowie Dauer der Arbeitsuche, demotivierte Arbeitnehmer...
allgemeine und berufliche Bildung: gegenwärtige Teilnahme, höchstes Niveau der
erfolgreich abgeschlossenen Bildung
Situation der einzelnen Personen ein Jahr vor der Erhebung (Längsschnittaspekt)
Bis 1988 befaßte sich die Arbeitskräfteerhebung eher am Rande mit dem Thema allgemeine und
berufliche Bildung. In einer zweiten Erprobungsphase (1988-1991) wurden erste Fragen zum
Bildungsstand aufgenommen. Und schließlich konnte im Zuge der Überarbeitung der
Arbeitskräfteerhebung 1992 ein eigenes Modul mit Fragen zur allgemeinen und beruflichen Bildung
implementiert werden.
1998 wurde das Modul erneut überarbeitet und etwas erweitert, um neu entstandenen politischen
Anliegen und der Überarbeitung der Internationalen Standardklassifikation des Bildungswesens
(International Classification of Education - ISCED) Rechnung zu tragen.
Die Arbeitskräfteerhebung bietet vor allem folgende Vorteile:
Die Daten werden regelmäßig gesammelt und sind aktuell (die jüngsten Daten beziehen sich auf
1999).
Die Verwendung einheitlicher Konzepte, Definitionen und Methoden sorgt bis zu einem
gewissen Grad für vergleichbare Daten.
Dank der Größe der Stichprobe auf Unionsebene (über 700.000 Haushalte oder 1,5 Millionen
Personen) können seit 1983 zahlreiche Kombinationstabellen erstellt werden (unter
Berücksichtigung der Schwellwerte aufgrund von Stichprobenfehlern).
Die Daten sind in einer zentralen Mikrodatenbank bei Eurostat verfügbar.
Aber für eine korrekte Verwendung der Erhebung müssen auch ihre Grenzen berücksichtigt werden.
Erstens sind die Antworten angesichts der Tatsache, daß es sich um eine Haushaltsbefragung
handelt, sehr stark abhängig davon, wie die Befragten die einzelnen Fragen interpretieren.
Außerdem können die Fragen in den nationalen Erhebungsbögen ganz unterschiedlich formuliert
sein.
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10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Zweitens deckt die Erhebung in den meisten Fällen nur die privaten Haushalte ab, d. h. Personen,
die in Gemeinschafts- und Anstaltshaushalten, Internaten, Krankenhäusern, religiösen
Einrichtungen usw. leben, bleiben unberücksichtigt.
Und schließlich können sich Änderungen der Erhebungsbögen, wie sie 1992 und 1998 erfolgten, auf
die Zeitreihenvergleiche auswirken.
Mögliche Ergebnisse
Für die Analyse der Zusammenhänge zwischen allgemeiner und beruflicher Bildung und dem
Arbeitsmarkt liefert die Arbeitskräfteerhebung schon jetzt quantitative Daten zu zwei Hauptgruppen
von Indikatoren:
a) Indikatoren zur gegenwärtigen oder kürzlichen Teilnahme an Maßnahmen der
allgemeinen und beruflichen Bildung:
Die Fragen zur Teilnahme an Maßnahmen der allgemeinen und beruflichen Bildung sind in
folgende Gruppen untergliedert:
- Teilnahme oder Nichtteilnahme an Bildungsmaßnahmen in den letzten vier Wochen
- Typ des Unterrichts
- Niveau der Bildungsmaßnahme
- Zweck der Bildungsmaßnahme
- Gesamtdauer der Bildungsmaßnahme
- Übliche wöchentliche Stundenzahl der Bildungsmaßnahme
Durch die Kombination verschiedener Variablen der Arbeitskräfteerhebung lassen sich (zumindest
theoretisch) unterschiedliche Personengruppen unterscheiden:
1.
Personen in “Vollzeitausbildung” in dem Sinne, daß sie weder erwerbstätig noch
arbeitslos sind
2.
Personen, die Ausbildung und Erwerbstätigkeit wie in der Lehrlingsausbildung
miteinander verbinden
3.
Personen in der Weiterbildung
4.
Personen, die an keinerlei Maßnahmen der allgemeinen oder beruflichen Bildung
teilnehmen
Die gebräuchlichsten Indikatoren zur Teilnahme an Maßnahmen der allgemeinen und beruflichen
Bildung, die aus der Arbeitskräfteerhebung abgeleitet werden können, beziehen sich auf folgende
Themen:
- Die zunehmende Bildungsbeteiligung junger Menschen (nach Alter, Geschlecht, Region und
sozialer Herkunft)
- Erwachsenenbildung: Wer kommt in ihren Genuß? Wer nicht? Mehr Frauen, mehr
Gebildete, Neuzugänge
- Status der Jugendlichen hinsichtlich ihrer Beteiligung oder Nichtbeteiligung an der
allgemeinen und beruflichen Bildung und am Arbeitsmarkt (für verschiedene
Altersgruppen): Die Verteilung dieser Status kann für ein erstes allgemeines Bild des
Übergangs von der Schule zum Erwerbsleben herangezogen werden.
b) Indikatoren auf Grundlage des Bildungsstands
Drei Fragen beziehen sich auf den Bildungsstand (aus der Arbeitskräfteerhebung 1998):
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
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-
-
-
Anhand des höchsten Niveaus der erfolgreich abgeschlossenen Bildung läßt sich vor allem
ein Bezug zwischen dem Bildungsgrad und arbeitsmarktbezogenen Merkmalen wie
Arbeitslosigkeit oder Art der Tätigkeit herstellen.
Das Jahr, in dem dieses Bildungsniveau abgeschlossen wurde, kann als Ersatzkennzahl für
das Alter des Eintritts in den Arbeitsmarkt verwendet werden; ab einem gewissen Alter (je
nach dem erreichten Bildungsniveau) kann jedoch angenommen werden, daß das
Abschlußjahr nicht dem Eintritt ins Erwerbsleben entspricht, sondern vielmehr Daten zum
lebenslangen Lernen liefert.
Und schließlich werden Informationen darüber gesammelt, ob die Personen eine
Berufsausbildung erhalten haben, um zu erfahren, ob diese Ausbildung ihnen Vorteile (und
wenn ja, welche) gegenüber anderen bringt, die nur eine allgemeine Bildung genossen
haben.
Die gebräuchlichsten Indikatoren, für die
Arbeitskräfteerhebung verwendet werden, sind:
Angaben
zum
Bildungsstand
aus
der
 umfassende Messung des Humankapitals (die Arbeitskräfteerhebung ist fast die einzige
Quelle für Daten zum Bildungsstand der Bevölkerung):
- Bevölkerung nach Bildungsgrad, Altersgruppen, Geschlecht
- Prozentsatz der Bevölkerungsgruppe der 18-24jährigen, die sich nicht in der Ausbildung
befinden und über ein niedriges Bildungsniveau verfügen (Primar- oder Mittelstufe), als
Ersatzkennzahl für Schulabbrecher.
 Ergebnisse zum Arbeitsmarkt:

Zur Arbeitslosigkeit lauten die Schlüsselfragen : Laufen Schulabbrecher eher
Gefahr, arbeitslos zu werden? Welche Rolle spielt die Ausbildung im Hinblick auf die
Arbeitslosigkeit?
Beispiele für relevante Indikatoren, die auf Grundlage der Angaben zum Bildungsstand in der
Arbeitskräfteerhebung berechnet werden können, sind:
- Arbeitslosenquote (Anteil an der Erwerbs- oder der Gesamtbevölkerung),
- Wahrscheinlichkeit der Langzeitarbeitslosigkeit,
- Mobilität von Arbeitslosen ab dem Jahr t-1 bezogen auf die verschiedenen ArbeitsmarktPositionen.

Zur Beschäftigung: Gelten für Jugendliche spezielle Arbeitsbedingungen? Welche
Zusammenhänge gibt es zwischen der allgemeinen und beruflichen Bildung, die die
Personen erhalten haben, und der Beschäftigung?
Beispiele für relevante Indikatoren, die auf Grundlage der Angaben zum Bildungsstand in der
Arbeitskräfteerhebung berechnet werden können, sind:
- Beschäftigungsquote (Anteil an der Erwerbs- oder der Gesamtbevölkerung))
- Beschäftigungsmobilität
- die verschiedenen Stellungen im Beruf
- die Art des Arbeitsvertrags
- Arbeitszeiten Vollzeit/Teilzeit, nicht selbst gewählte Teilzeitbeschäftigungen
- Berufe
- Art der Unternehmen nach Größe der örtlichen Einheit (Betrieb) und nach Wirtschaftszweig
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10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Eine neue Perspektive: das Ad-hoc-Modul zum Übergang von der Schule in das Erwerbsleben
in der Arbeitskräfteerhebung 2000
Um die Möglichkeiten, die die Arbeitskräfteerhebung von Eurostat für die Analyse des Übergangs
von der Schule in das Erwerbsleben gegenwärtig bietet, zu erweitern, wird im Zusammenhang mit
der Erhebung im Frühjahr 2000 ein Ad-hoc-Fragenmodul erstellt. Damit sollen von Personen, die
die Ausbildung in den letzten zehn Jahren beendet (d. h. unterbrochen, abgebrochen oder
abgeschlossen) haben, zusätzliche Daten zu den folgenden Aspekten erhoben werden:
- Bildungserfahrung: Bereiche der allgemeinen und beruflichen Erstausbildung, Zeitpunkt der
Beendigung der Ausbildung,
- Erste Arbeitserfahrung: Zeit zwischen der Beendigung der Ausbildung und der ersten
nennenswerten Erwerbstätigkeit, Dauer und Art der Tätigkeit
- Zeiten der Erwerbslosigkeit seit Beendigung der Ausbildung, Dauer der längsten
Arbeitslosigkeitsperiode
- Sozioökonomische Herkunft: Bildungsniveau der Eltern
Das Modul wird von allen Mitgliedstaaten mit Ausnahme Deutschlands verwendet. Die Niederlande
und das Vereinigte Königreich werden eine geringfügig gekürzte Version des Moduls einsetzen.
Das Ad-hoc-Modul dürfte im Hinblick auf die Indikatoren folgende Vorteile bieten:
besser vergleichbare Daten über die Gruppe der 'Schulabgänger', die auf Grundlage der
Arbeitskräfteerhebung bestimmt werden kann
eine bessere Erfassung der Schulabbrecher und die Möglichkeit, die potentiellen Nutznießer von
Bildungsmaßnahmen "der zweiten Chance" einzuschätzen,
Möglichkeit zur Analyse des Zusammenhangs zwischen Ausbildungsfeld und Beruf
neue Mittel zur Einschätzung der Merkmale eines erfolgreichen Übergangs (Zeit zwischen
Ausbildungsende und erster Erwerbstätigkeit, Analyse der aktuellen Arbeitsmarktlage in
Abhängigkeit von der erhaltenen Bildung: Ausbildungszeit? Stufe? Fachrichtung der
allgemeinen/beruflichen Bildung? Ausbildungsort?)
Die ersten vergleichenden Ergebnisse dürften Anfang 2001 vorliegen. Im Rahmen des Programms
der Europäischen Kommission LEONARDO DA VINCI II wird die Möglichkeit zur Reproduktion
des Moduls im Jahre 2004 ebenso bewertet werden wie die Durchführbarkeit einer spezifischen
Erhebung über Schulabgänger oder eine Jugendkohorte auf internationaler Ebene.
2.2 Das Europäische Haushaltspanel
Ziele und Hauptmerkmale
Das Europäische Haushaltspanel liefert vergleichbare Mikrodaten über Einkommen,
Lebensbedingungen, Wohnverhältnisse, Gesundheit und Erwerbstätigkeit von Personen und
Haushalten in den Mitgliedstaaten der EU. Bei der Erhebung werden seit 1994 jährlich dieselben
privaten Haushalte und Personen befragt. 1995 wurden Daten von über 60.000 Haushalten erhoben.
Die vollständige Datenbank ist nur auf CD-ROM verfügbar. Die Daten können für
Forschungszwecke käuflich erworben werden. Einige Daten in zusammengefaßter Form können
über die Referenzdatenbank von Eurostat, New Cronos, konsultiert werden.
Mögliche Ergebnisse
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
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Indikatoren (u. a.): Einkommen aus Erwerbstätigkeit, Privateinkommen, Einkommensverteilung,
soziale Ausgrenzung, Armut, Wohnverhältnisse, Gesundheit, medizinische Versorgung, Ruhestand,
Arbeitslosigkeit und Bildung.
Zur allgemeinen und beruflichen Bildung sind den Daten des Haushaltspanels zwei verschiedene
Arten von Informationen zu entnehmen:
a) ein relativ einzigartiges Potential an Querschnittsdaten zu verschiedenen Aspekten:
- Teilnahme an Maßnahmen der allgemeinen und beruflichen Bildung (nach Alter und Art der
Bildung) während des gesamten Referenzjahres
- Teilnahme an Sprachkursen während des gesamten Referenzjahres
- beruflicher Werdegang von Personen, die die allgemeine oder berufliche Erstausbildung
beendet
(d. h.
unterbrochen,
abgebrochen
oder
abgeschlossen)
haben
(Vollzeitbeschäftigung, Arbeitslosigkeit, Wehr-/Zivildienst, sonstiges) 1, 3 und 5 Jahre nach
Beendigung der Erstausbildung
- Beschäftigungsmerkmale (Beruf, Branche, Verdienst, Dauer der gegenwärtigen
Beschäftigung) 1, 3 und 5 Jahre nach Beendigung der Erstausbildung
- beruflicher Werdegang von Personen mit höheren Bildungsabschlüssen (unter
Berücksichtigung des Jahres, in dem die Qualifikation erworben wurde) usw.
- Prozentanteil der erwachsenen Bevölkerung (25-64jährige), der in einem bestimmten Jahr
an Aus-/Weiterbildungsmaßnahmen im Rahmen eines Beschäftigungsprogramms teilnimmt
b) Als Längsschnitterhebung bietet das Haushaltspanel die Möglichkeit zu dynamischen Analysen
der folgenden Aspekte:
- Qualität des Übergangs von der Schule zum Beruf
- Dauer und Anzahl von Zeiten der Arbeitslosigkeit
- Stabilität der Beschäftigung an einem Arbeitsplatz
- Entwicklung der Verdienste nach Bildungsniveau
Zukunftsperspektive des Europäischen Haushaltspanels
Einem Beschluß des ASP aus dem letzten Jahr zufolge wird das bestehende Haushaltspanel im
wesentlichen unter Beibehaltung desselben Aufbaus und Inhalts bis 2002 fortgeführt.
Langfristig, d. h. ab 2003, wird sich die Erhebung voraussichtlich in Richtung einer EU-weit
harmonisierten Sozialdatenerhebung mit den Schwerpunkten Einkommen und Lebensbedingungen
entwickeln. Der Inhalt der künftigen Erhebung wird sich nach den neuen Möglichkeiten richten, die
sie für das europäische System der Sozialstatistiken eröffnen kann.
Im Hinblick auf die Struktur und die technischen Modalitäten der Erhebung müßten die
Alternativen Panel und Querschnittserhebung noch einmal erörtert werden. Dabei lautet eine der
Kernfragen, ob der Bedarf an dynamischen, auf der Mikroebene miteinander verknüpften Daten
(Verknüpfung der Einkommen mit Arbeit, Gesundheit, Bildung...) z. B. für die Längsschnittanalyse
der sozialen Ausgrenzung die Komplexität und die Kosten einer Mehrzweckerhebung in Form eines
Panels rechtfertigt.
Die möglichen Lösungen reichen daher von der Fortführung des bestehenden Haushaltspanels bis
zur Einführung eines neuen, vollständig revidierten Panels oder Einführung einer EU-weit
harmonisierten Mehrzweck- und Längsschnitterhebung, die sich im wesentlichen auf die Faktoren
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10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Einkommen und Arbeit konzentriert (nach Möglichkeit unter Anpassung bestehender
Querschnittserhebungen von Sozialdaten auf nationaler Ebene).... Auch Lösungen, die die Ansätze
von Querschnittserhebung und Panel miteinander verbinden, werden sorgfältig geprüft werden.
Die neue Erhebung wird wahrscheinlich insbesondere solche Bereiche wie Fremdsprachen oder
Informations- und Kommunikationstechnologien berücksichtigen.
2.3 Die Erhebung über die Struktur der Verdienste
Ziele und Hauptmerkmale
Zweck der Statistiken über Struktur und Verteilung der Verdienste ist die Analyse der statistischen
Beziehung zwischen Höhe des Arbeitsentgelts und den individuellen Merkmalen von
Arbeitnehmern (Geschlecht, Alter, Beruf, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Bildungsstand usw.)
und Arbeitgebern (Wirtschaftszweig der örtlichen Einheit, Vorhandensein eines Tarifvertrags,
Gesamtzahl der Beschäftigten usw.).
Zwischen 1966 und 1978 wurden auf der Grundlage von Ratsverordnungen vier
Gemeinschaftserhebungen über die Struktur und die Verteilung der Verdienste im verarbeitenden
Gewerbe, Handel, Kredit- und Versicherungsgewerbe durchgeführt. Nach über zwanzigjähriger
Pause ist nun eine neue Verdienststrukturstatistik für die EU verfügbar. Diese Daten, die sich (mit
Ausnahme von Frankreich (1994) und Österreich (1996)) auf das Geschäftsjahr 1995 beziehen,
wurden gemäß Verordnung (EG) Nr. 2744/95 des Rates erhoben.
Die Datensammlung von 1995 spiegelt in mancher Hinsicht die traditionellen Grenzen solcher
Statistiken wider. Selbständige und Beschäftigte in Unternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitern
wurden wegen der schwierigeren Erfassung von Daten aus solchen Quellen von der Statistik nicht
erfaßt. Außerdem deckt die Statistik nicht alle Wirtschaftszweige ab. Landwirtschaft und Fischerei
blieben ganz unberücksichtigt, die Dienstleistungen wurden nur zum Teil erfaßt (NACE Rev. 1 GK). Die öffentliche Verwaltung, Erziehung und Unterricht sowie das Gesundheitswesen sind durch
die Verdienststrukturerhebung nicht abgedeckt.
In allen Fällen wurden Mikrodaten erhoben (d. h. individuelle Datensätze zu den einzelnen
Personen der Stichprobe). In einigen Mitgliedstaaten war dies aufgrund von nationalen
Bestimmungen zur Geheimhaltungspflicht nicht möglich, so daß diese ihre Daten statt dessen in
Form von Tabellen zur Verfügung stellten.
Die Daten können über New Cronos konsultiert werden, die wichtigste Datenbank für den
Wirtschafts- und Sozialbereich, die bei Eurostat zur Verfügung steht.
Mögliche Ergebnisse
Die Datensammlung gibt Auskunft über die Verdienste in den EU-Mitgliedstaaten sowohl in den
Landeswährungen als auch in ECU. Sie enthält Daten zu Stunden-, Monats- und Jahresverdiensten;
darüber hinaus sind die Daten untergliedert nach:
- Arbeitgebermerkmalen: Haupttätigkeit, geographischer Standort, Art der wirtschaftlichen und
finanziellen Kontrolle (vollständig bzw. überwiegend in staatlichem Besitz, privat, sonstige),
Vorhandensein eines Tarifvertrags, Mindestanzahl bezahlter Urlaubstage pro Beschäftigte,
Gesamtzahl der Beschäftigten (Arbeitnehmer und "sonstige"),
- Arbeitnehmermerkmale: Alter, Geschlecht, Beruf (gemäß ISCO-88), höchstes Niveau der
erfolgreich abgeschlossenen Bildung, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Art des Arbeitsvertrags
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
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(Vollzeit-/Teilzeitbeschäftigung,
Arbeitszeit
befristetes
Arbeitsverhältnis,
Ausbildungsverhältnis),
Der interessanteste Aspekt der Daten der Verdienststrukturerhebung in bezug auf die allgemeine
und berufliche Bildung besteht darin, daß anhand dieser Daten die Abhängigkeit des Arbeitsentgelts
vom Bildungsniveau analysiert werden kann.
Zukunftsperspektive
Gemäß der Verordnung Nr. 530/99 des Rates ist die nächste Erhebung dieser Art für 2002 geplant.
Danach soll die Erhebung alle vier Jahre durchgeführt werden und alle Wirtschaftszweige (der
zweistelligen Ebene der NACE) erfassen. Es sollen Pilotprojektstudien durchgeführt werden, um
die mögliche Ausweitung der Erhebung auf weitere Wirtschaftsbereiche zu untersuchen. Auch zur
Einbeziehung von kleinen Unternehmen mit weniger als 10 Arbeitnehmern sind solche Studien
vorgesehen.
2.4 Die Erhebung über die Arbeitskosten
Ziele und Hauptmerkmale
Die Gemeinschaftlichen Arbeitskostenerhebungen sind die einzigen statistischen Instrumente, die
detaillierte vergleichbare Daten über die Löhne und die Lohnnebenkosten in den Mitgliedstaaten
liefern. Gegenwärtig werden die Arbeitskostenerhebungen alle vier Jahre durchgeführt; die jüngste
Erhebung bezieht sich auf das Jahr 1996 und umfaßt die fünfzehn Mitgliedstaaten der Europäischen
Union sowie Island und Norwegen. Die Angaben für Italien und Schweden beziehen sich auf das Jahr
1997. Rechtsgrundlage für die Erhebungen bildet die Verordnung (EG) Nr. 23/97 des Rates.
Mögliche Ergebnisse
Die Daten beziehen sich auf die verschiedenen Komponenten der Arbeitskosten der örtlichen
Einheiten:
- Arbeitnehmerentgelte: Löhne und Gehälter sowie Sozialbeiträge der Arbeitgeber
- Kosten der beruflichen Bildung
- sonstige Aufwendungen
- Steuern
- Zuschüsse
Die Daten können nach dem Wirtschaftszweig der örtlichen Einheit (dreistellige Ebene der NACE
Rev.1), nach Region (NUTS 1) und Größenklasse der örtlichen Einheit untergliedert werden.
Die Statistiken enthalten auch Informationen über die Beschäftigten (Voll- und Teilzeitkräfte) und
über die Arbeitszeit.
Zwei Bereiche können im Hinblick auf die allgemeine und berufliche Bildung von Interesse sein:
1.
-
Vom Arbeitgeber getragene Kosten der beruflichen Bildung:
Arbeitsentgelte für Auszubildende (abzüglich eventueller Zuschüsse)
Sozialversicherungsbeiträge für Auszubildende abzüglich eventueller Ermäßigungen
sonstige noch nicht genannte Kosten der beruflichen Bildung: Aufwendungen für
Berufsausbildungsabteilungen
und
-einrichtungen,
Abschreibungen,
kleinere
Instandsetzungsarbeiten und Unterhaltskosten für Gebäude und Einrichtungen ohne die
entsprechenden Personalkosten, Aufwendungen für die Teilnahme an Kursen, Honorare für
unternehmensfremde Ausbilder, Aufwendungen für Lehrmittel und Werkzeuge, die für die Aus-
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10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
und Weiterbildung benutzt werden, Beiträge, die das Unternehmen an Ausbildungsstätten zahlt,
usw. Zuschüsse für die berufliche Bildung werden abgezogen.
2. Des weiteren ist die Tatsache von Interesse, daß auch Auszubildende erfaßt werden. Im Sinne der
Arbeitskostenerhebung gelten als Auszubildende "alle Arbeitnehmer, die noch nicht voll in den
Produktionsablauf einbezogen sind, da sie in einem Ausbildungsverhältnis stehen oder bei ihrer
Tätigkeit der Schwerpunkt auf der Berufsausbildung und nicht auf der Produktivität liegt." Die
Gesamtzahl der von Auszubildenden geleisteten Arbeitsstunden kann zusätzlich erfaßt werden.
2.5 Die Erhebung zur beruflichen Weiterbildung
Ziele und Hauptmerkmale
Mit der Erhebung zur beruflichen Weiterbildung sollen umfassende Daten über die Haltung der
Unternehmensleitungen zur Weiterbildung, über Teilnehmer, Anbieter, Kosten und Fächer der
Weiterbildung sowie darüber gesammelt werden, in welcher Form die Unternehmen ihren
Mitarbeitern Ausbildung anbieten.
Die Entwicklung der Fähigkeiten durch die berufliche Weiterbildung in Unternehmen wird als
entscheidend für die Steigerung der wirtschaftlichen Leistung, der Wettbewerbsfähigkeit und der
Beschäftigung angesehen. Die Investitionen der Unternehmen in ihre Humanressourcen sind daher
auch Ausdruck ihres Beitrags zur Lösung von Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsproblemen.
Messungen der Investitionen in Humanressourcen werden zu wichtigen Indikatoren für den
gegenwärtigen und künftigen Erfolg der Unternehmen und die wirtschaftlichen und sozialen
Bedingungen im allgemeinen. Den Umfang, die Wirksamkeit und die Grenzen der betrieblichen
Aus- und Weiterbildung zu verstehen ist eine Voraussetzung für die Entscheidung, auf welche
Themen sich Zusatzausbildung und Unterstützungsmaßnahmen konzentrieren sollten.
Die erste Erhebung zur beruflichen Weiterbildung in Unternehmen (CVTS1) wurde 1994
durchgeführt und erfaßte die damals zwölf Mitgliedstaaten. In der Folgezeit wuchs das politische
Interesse an diesen Daten und an der Erfassung von Daten über die berufliche Weiterbildung aus
den inzwischen fünfzehn Mitgliedstaaten. Daher beschloß die Kommission eine zweite Erhebung
zur beruflichen Weiterbildung (CVTS2) für das Jahr 2000. Die Erhebung wird gerade in den
Mitgliedstaaten der EU, in Norwegen und in neun beitrittswilligen Ländern durchgeführt.
Ab 1995 wurden die Ergebnisse der CVTS1 auf nationaler Ebene, ab 1997 auf europäischer Ebene
veröffentlicht. Die Ergebnisse stehen auch in New Cronos, der wichtigsten Datenbank von Eurostat,
zur Verfügung.
Die Methodik für CVTS2 wird derzeit auf Grundlage der Erfahrungen mit CVTS1 einer
Überarbeitung unterzogen. Die neuen Durchführungsleitlinien für CVTS2 sehen ein gemeinsames
Grundkonzept vor, um international vergleichbare Daten zu gewährleisten. Des weiteren ist
Flexibilität gefragt, damit die Länder ihre nationalen Erfahrungen und Methoden verwenden können
und so höhere Rücklaufquoten und verläßlichere Daten erreicht werden können.
Zielgruppe der CVTS2 sind Unternehmen mit mindestens 10 Mitarbeitern, die den Abschnitten C-K
und O der NACE Rev. 1 zuzuordnen sind (d. h., vor allem die Bereiche Landwirtschaft und
Fischerei, aber auch Erziehung und Unterricht sowie Gesundheitswesen werden nicht erfaßt).
Mögliche Ergebnisse
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
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Verfügbar sein werden Daten über Unternehmen, die Ausbildung anboten (ausbildende
Unternehmen), sowie solche, die keine Ausbildung anboten (nicht ausbildende Unternehmen).
Letztere werden nach den Gründen für das fehlende Bildungsangebot gefragt werden. Zu den
ausbildenden Unternehmen werden Daten zum Kursangebot der beruflichen Weiterbildung
vorliegen sowie zur beruflichen Fortbildung am Arbeitsplatz und anderen Formen. Zu letzteren
Maßnahmen werden qualitative Daten zur Beteiligung, aufgegliedert nach Berufsgruppen, erfaßt.
Die Daten zu den Kursen sind wie folgt strukturiert:
Teilnehmer:
Beruf (%), Geschlecht, Zielgruppen
Zeitaufwand:
Interne/externe Kurse, Geschlecht, Ausbildungsfelder, Anbieter
Kosten:
Gebühren/Zahlungen an Anbieter, Teilnehmer, Ausbilder, Schulungsräume usw.,
Einzahlungen in Fonds und erhaltene Mittel aus Fonds und anderen Quellen
Bewertung:
Verfahren, Gründe für Nichtbewertung
Potentielle Indikatoren, die sich aus den Daten zu Kursen der beruflichen Weiterbildung ableiten
lassen, wären u. a. der Anteil der ausbildenden Unternehmen, die Quote der Beschäftigten, die
Zugang zum Ausbildungsangebot haben, die durchschnittliche Dauer der Kurse und die
'Teilnahmechance', die im Hinblick auf eine Aufschlüsselung nach Geschlecht auch als 'Maß für
fehlende Gleichberechtigung' verwendet werden kann.
2.6 Die Datensammlung zur beruflichen Bildung
Ziele und Hauptmerkmale
Die Datensammlung zur beruflichen Bildung (VET), die sich auf Daten der Verwaltungen in den
Ländern der EU und der EFTA stützt, soll Auskunft über die Programme zur beruflichen
Erstausbildung in den 15 EU-Mitgliedstaaten sowie Island, Norwegen und der Schweiz geben
(wobei 'Erstausbildung' in diesem Zusammenhang 'auf die Eingliederung in den Arbeitsmarkt
ausgerichtete Ausbildung' bedeutet).
Das Projekt VET ist eine gemeinsame Initiative von Eurostat und der für Bildung zuständigen
Generaldirektion der Europäischen Kommission (damalige Task Force "Humanressourcen") und
wurde in Zusammenarbeit mit CEDEFOP entwickelt.
1994 erfolgte im Rahmen des Programms PETRA eine Durchführbarkeitsstudie, 1995 wurde eine
Pilotdatensammlung über das Angebot an Berufsbildungsprogrammen für Jugendliche
durchgeführt.
Die erste Datensammlung, die sich auf das Studienjahr 1993-1994 bezog, enthielt 238 Programme
in den 15 Mitgliedstaaten der EU; die Ergebnisse wurden in der ersten Ausgabe der
"Schlüsselzahlen zur Berufsbildung in der Europäischen Union" (1997) veröffentlicht. Die
Datensammlung 1995-96 (3. Erhebungswelle) wurde für die zweite Ausgabe dieser
Veröffentlichung verwendet, die in Kürze unter dem Titel "Key Data on Vocational Training in the
European Union" (1999) in englischer Sprache erscheinen wird. Gegenwärtig wird die fünfte
Erhebungsrunde durchgeführt, die sich auf das Studienjahr 1997-98 bezieht.
Mögliche Ergebnisse
Die statistische Einheit sind Berufsbildungsprogramme, zu denen bestimmte Merkmale erfaßt
werden: Zielgruppe des Programms, Status der Teilnehmer, Art des Anbieters, für Zielsetzung und
18
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Finanzierung verantwortliche Behörde(n), Dauer, Prozentsatz der am Arbeitsplatz verbrachten Zeit,
Anzahl der Teilnehmer nach Geschlecht und Alter usw.
Diese Datensammlung liefert relevante Informationen über Programme im Bereich der
Lehrlingsausbildung und der alternierenden Ausbildung sowie ihre Teilnehmer.
Die gebräuchlichsten Indikatoren, die aus den VET-Daten abgeleitet werden können, sind u. a.:
- Teilnahmequoten der Berufsbildungsprogramme nach Altersgruppen und Geschlecht
- Unterrichtsort der Berufsbildungsprogramme (Zeitaufteilung zwischen Bildungseinrichtung und
Arbeitsplatz)
- Verteilung der Berufsbildungsprogramme nach ISCED-Stufe
- Zugang zu weiterführenden allgemeinen und beruflichen Bildungsgängen
Neben Daten für die vergleichende Analyse hat diese Datensammlung auch eine Beschreibung der
Berufsbildungssysteme für Jugendliche in den verschiedenen Mitgliedstaaten geliefert.
Perspektive
Die Übermittlung der 6. Datensammlung zur beruflichen Bildung an Eurostat, die sich auf das
Studienjahr 1998-99 bezieht, ist für September 2000 vorgesehen.
Eurostat hat kürzlich mit den beitrittswilligen Ländern die Diskussion über eine mögliche
Ausweitung der Datensammlung aufgenommen, und zwar in enger Zusammenarbeit mit der
Europäischen Stiftung für Berufsbildung in Turin.
2.7 Die Datensammlung zur Arbeitsmarktpolitik
Ziele und Hauptmerkmale
In der Datenbank zur Arbeitsmarktpolitik (AMP) sollen detaillierte Informationen über die
arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen der EU-Mitgliedstaaten so erfaßt werden, daß Konsistenz und
Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Maßnahmearten und Länder gewährleistet ist.
Die Datenbank ist als wichtigstes Werkzeug zur Überwachung der Leitlinien und Ziele gedacht, die
im Rahmen der Beschäftigungsstrategie aufgestellt und von allen Mitgliedstaaten getragen werden.
Die Datenbank konzentriert sich auf die Sammlung von Informationen der Verwaltungen über
öffentliche Ausgaben und Teilnehmer und enthält sowohl Bestands- als auch Stromgrößen. Darüber
hinaus liefert sie zahlreiche qualitative Informationen, die die durchgeführten Maßnahmen
beschreiben und die Analyse erleichtern.
1999 wurde eine Pilotdatensammlung durchgeführt. Die ersten vergleichbaren Ergebnisse
(Referenzjahr 1998) werden für Dezember 2000 erwartet.
Der Umfang der AMP-Datenbank umfaßt der Definition zufolge alle arbeitsmarktpolitischen
Maßnahmen, auf die folgende Beschreibung zutrifft:
Staatliche Interventionen auf dem Arbeitsmarkt mit dem Ziel, einen effizienten Ablauf zu
gewährleisten und Ungleichgewichte zu beseitigen, die sich von anderen allgemeinen
beschäftigungspolitischen Maßnahmen dadurch unterscheiden, daß man selektiv vorgeht, um
bestimmte Gruppen auf dem Arbeitsmarkt zu fördern.
- Staatliche Interventionen bezeichnen Maßnahmen, die in dieser Richtung vom Staat ergriffen
werden und mit Ausgaben verbunden sind, entweder in Form von tatsächlichen Auszahlungen
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
19
-
oder Verzicht auf Einnahmen (Nachlässe auf Steuern, Sozialabgaben oder andere, üblicherweise
zu zahlende Abgaben).
Der Umfang der Datenbank ist ferner auf arbeitsmarktpolitische Maßnahmen beschränkt, die
ausdrücklich in irgendeiner Form auf Personengruppen mit besonderen Schwierigkeiten auf dem
Arbeitsmarkt (Zielgruppen) ausgerichtet sind: Arbeitslose, Beschäftigte, die vom unfreiwilligen
Verlust ihres Arbeitsplatzes bedroht sind, und Nichterwerbspersonen, die gegenwärtig nicht
erwerbstätig sind, aber Zugang zum Arbeitsmarkt wünschen und in irgendeiner Form
benachteiligt sind.
Mögliche Ergebnisse
Die statistische Einheit in diesem Modul ist die oben definierte arbeitsmarktpolitische Maßnahme.
In der Datenbank sollen Daten zu einer Reihe sowohl quantitativer als auch qualitativer Variablen
erfaßt werden, die auf die so definierte statistische Einheit zutreffen und sie beschreiben.
In der AMP-Datenbank sind Programme zur allgemeinen und beruflichen Bildung erfaßt, die darauf
abzielen, die Beschäftigungsfähigkeit von Arbeitslosen und anderen Zielgruppen durch Ausbildung
zu verbessern und die von der öffentlichen Hand finanziert werden. Spezifische
Unterstützungsmaßnahmen für Programme der Lehrlingsausbildung werden gesondert erfaßt. Dabei
handelt es sich um Programme, die spezielle Unterstützung für Vorhaben der Lehrlingsausbildung
(im Sinne der VET-Definition) bieten, und zwar durch
- Anreize für Arbeitgeber zur Einstellung von Auszubildenden oder
- Ausbildungsbeihilfen für bestimmte benachteiligte Gruppen.
Konventionen:
- Kurse, die die Fähigkeit der betreffenden Person, einen Arbeitsplatz zu bekommen, fördern,
z. B. Beratung zu Bewerbungsmethoden oder Techniken des Einstellungsgesprächs, sollten als
eine Form der Hilfe bei der Arbeitsuche verstanden werden.
- Die Lehrlingsausbildung wird als Teil des allgemeinen Bildungssystems betrachtet und ist daher
von dieser Datensammlung ausgenommen. Nur Programme, die speziell entwickelt wurden, um
die Aufnahme von Lehrlingsausbildung zu unterstützen, sollten hier berücksichtigt werden.
- Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung, die allen Arbeitnehmern offen stehen, liegen
außerhalb dieser Datensammlung.
In der Datenbank wird jede arbeitsmarktpolitische Maßnahme anhand von zwei Kriterien
klassifiziert: nach Art der Maßnahme und nach Art der Ausgaben. Eine der neun Kategorien, die die
Maßnahmeart beschreiben, ist die oben erwähnte "Ausbildung". Die zusätzliche Klassifizierung der
arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen nach Art der Ausgaben unterscheidet zwischen drei
verschiedenen Empfängern: Einzelpersonen, Arbeitgeber und Dienstleistungsanbieter. Die
wichtigste Gruppe unter den Dienstleistungsanbietern werden die Bildungseinrichtungen sein.
20
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Abb. 2: Gemeinsame Fragen der allgemeinen und beruflichen Bildung und des
Arbeitsmarkts: das Potential der Eurostat-Daten
Bildungsmerkmale
- Bildungsstand
- Datum des höchsten
Bildungsabschlusses
- beruflicher Hintergrund
- Fachrichtung (LFS-Ad-hocModul zum Übergang SchuleBeruf)
- Zeit seit Schulende (LFS-Adhoc-Modul zum Übergang
Schule-Beruf)
Arbeitnehmermerkmale
Weiterbildung
-Teilnahme an tätigkeitsbezogener
Weiterbildung (CVTS,LFS)
-Weiterbildung mit und ohne
Unterstützung vom Arbeitgeber
(ECHP,CVTS)
-Weiterbildung durch staatliche
Programme (AMP)
Lehrlingsausbildung
-Teilnahme (LCS, VET,
LFS)
- Kosten (LCS)
Arbeitslosigkeit (LFS,ECHP)
-Dauer
-Arbeitslosenquote (Anteil an
Erwerbs-/Gesamtbevölkerung)
-Arbeitslosigkeit nach früherem
Beruf
-Tätigkeit vor Arbeitslosigkeit
- Arbeitslosenzu-/-abflüsse
- demotivierte Arbeitnehmer
Übergang SchuleBeruf
Erste signifikante
Erwerbstätigkeit (LFSAd-hoc-Modul zum
Übergang Schule-Beruf)
- Zeit bis zur ersten
Erwerbstätigkeit
- Dauer
- Beruf
Beschäftigungsprogramme (AMP, LFS)
- spezifische
Beschäftigungsmaßname
Erwerbsbeteiligung
(LFS)
-Erwerbsquote
-Anteil Jugendlicher an der
Erwerbsbevölkerung
Beschäftigung (LFS)
- Beschäftigungsquote
(Anteil an Erwerbs/Gesamtbevölkerung)
- Herkunft/Ziel der
Beschäftigten (gegenüber
der Vorjahressituation)
Bildungsergebnis
Einkommen (SES, LFS,
ECHP)
-Verdienstunterschiede
-Gesamteinkommen
-Löhne
Gegenwärtiger Beruf (LFS)
-Beziehung zwischen Tätigkeit und
Ausbildung (Beruf)
-Stellung im Beruf
- Vollzeit/Teilzeit
- Betriebszugehörigkeit
- tätigkeitsbezogene Aus/Weiterbildung
- Wirtschaftszweig
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
21
3- Das Problem der Vergleichbarkeit und der Lösungsbeitrag von Eurostat
a) Das Standardmodul zur allgemeinen und beruflichen Bildung für harmonisierte
Erhebungen
1995-97 wurde ein Standardmodul mit Fragen zur allgemeinen und beruflichen Bildung entwickelt.
Das Modul wurde so gestaltet, daß es in unterschiedlichen harmonisierten Erhebungen verwendet
werden kann. Es sollte vor allem die Vergleichbarkeit der Fragen zum Bereich ‘Allgemeine und
berufliche Bildung’ in diesen Erhebungen verbessern und so Vergleiche zwischen den
verschiedenen Ländern und auch zwischen den verschiedenen Erhebungen erleichtern. Das Modul
erhöht die Vergleichbarkeit und die Objektivität der Daten, die von tatsächlichen und potentiellen
Teilnehmern der allgemeinen und beruflichen Bildung erhoben werden. Es verbessert insbesondere
die verfügbaren Indikatoren, anhand derer die Umsetzung der beschäftigungspolitischen Leitlinien,
die Entwicklung des lebenslangen Lernens in der Praxis und der Übergang von der Schule in das
Erwerbsleben überwacht werden können.
Das Modul wurde erstmals in der Arbeitskräfteerhebung 1998 eingesetzt.
Auch die Frage zum Bildungsstand in der Verdienststrukturerhebung 2002 wurde entsprechend dem
Standardmodul überarbeitet.
Das Standardmodul wurde von der UNESCO auf einer internationalen Konferenz in Kanada im
April 1999 als vorbildliches Modell vorgestellt.
Aufgrund aktueller Entwicklungen wird das Standardmodul wahrscheinlich in der nächsten Zukunft
erneut diskutiert werden.
b) Ex-post-Harmonisierung
Die Tatsache, daß die Eurostat-Erhebungen über einen gemeinsamen methodischen Rahmen
verfügen, ist keine endgültige Garantie für eine gute Vergleichbarkeit der Daten aus den
verschiedenen Ländern. Daher unternimmt Eurostat erhebliche Anstrengungen, um die Daten zu
harmonisieren.
Dazu gehören u. a.
- die Ermittlung und mögliche Anrechnung von nicht erhaltenen Auskünften
- bilaterale Kontakte mit einzelnen Ländern, um nationalen Besonderheiten Rechnung zu tragen,
die aus den Daten nicht offenkundig hervorgehen
- eine mögliche Umkodierung von Daten bei Eurostat
- Vergleiche zwischen aufeinanderfolgenden Erhebungen
- Vergleiche mit Daten aus anderen Quellen (z. B. bei OECD und Eurostat vorhandene Daten
zum Bildungsstand)
Ein wichtiges Problem, das den Vergleich von Daten aus verschiedenen Ländern erschweren
könnte, ist die Anwendung der Internationalen Standardklassifikation des Bildungswesens (ISCED)
insbesondere bei den Fragen zum Bildungsstand.
In der Vergangenheit wurde der Zuordnung von einzelstaatlichen Qualifikationen und ISCEDCodes selten Beachtung geschenkt. In Zusammenarbeit mit der OECD ist es uns gelungen, recht
detaillierte Informationen zusammenzutragen und so zu einer besseren Vergleichbarkeit der Daten
von Eurostat und der OECD bzw. nationalen Daten beizutragen.
Im Zusammenhang mit der Umsetzung der ISCED, die 1997 überarbeitet wurde, setzen die beiden
internationalen Organisationen ihre diesbezüglichen Bemühungen fort.
22
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
c) Kompatibilität von Erhebungsdaten und Verwaltungsdaten: auf dem Weg zu einem
integrierten Informationssystem
Durch die Integration von Statistiken sollen Daten aus verschiedenen Quellen miteinander in
Einklang gebracht werden, um Informationen zu erhalten, die denen der Daten aus den einzelnen
Quellen 'überlegen' sind.
Diese 'Überlegenheit' kann in drei Aspekten zum Ausdruck kommen:
- Die Informationen, die aus integrierten Statistiken gewonnen werden können, sind umfassender
als diejenigen, die aus den Daten der einzelnen Quellen abgeleitet werden können, da die
Populationen besser erfaßt werden und eine größere Zahl von Variablen enthalten ist.
- Die integrierten Informationen liefern ein konsistenteres Bild des untersuchten Phänomens, da
einheitliche Definitionen und Klassifikationsvariablen verwendet werden.
- Im allgemeinen zeichnen sich die integrierten Informationen durch größere Genauigkeit aus, weil
Fehler in den Quellendaten bereits minimiert wurden.
Die Vorteile integrierter Statistiken für die Datennutzer liegen auf der Hand: Statt fragmentierter
und unvollständiger Daten und unterschiedlicher Schätzungen zu ähnlichen Variablen erhalten sie
durch die integrierten Daten ein vollständiges und konsistentes Bild des untersuchten Phänomens.
Ein weiterer Vorteil ist, daß die Informationen, die den Datenquellen entnommen werden können,
durch die Integration optimiert werden. Detailinformationen, die in einer Quelle vorhanden sind,
können zur Ergänzung weniger spezifischer Informationen einer anderen Quelle herangezogen
werden; damit wird die Abfrage von Detailinformationen aus zwei verschiedenen Quellen
überflüssig. Außerdem besteht keine Notwendigkeit, den Erfassungsbereich einer Quelle
auszuweiten, wenn er durch andere Informationen ergänzt werden kann.
Darüber hinaus profitieren die Statistiker von der Integration, da diese im allgemeinen ein besseres
Verständnis der Stärken und Schwächen einzelner Datenquellen zur Folge hat und Informationen
liefert, wie die Datenquellen verbessert werden können. Eine allgemeine Auswirkung der
Integration von Statistiken kann auch sein, daß die Notwendigkeit von koordinierten Definitionen
und Klassifikationen hervorgehoben wird, was letzten Endes den Zusammenhalt des statistischen
Systems verbessern und die Erstellung von Statistiken effizienter machen wird.
Eine erste Studie in Zusammenarbeit mit dem niederländischen statistischen Amt (CBS)
konzentrierte sich auf den Versuch, ein umfassendes und durchgängiges System zum Thema
Beteiligung an der allgemeinen und beruflichen Bildung zu formulieren (System of Education and
Training Account – SETA-Projekt).
4- Schlußfolgerung - einige wichtige mittelfristige Perspektiven
Erst kürzlich wurde eine Task Force zum Thema Erfassen des lebenslangen Lernens eingerichtet.
Ihr gehören Vertreter von Eurostat und verschiedenen Generaldirektionen der Europäischen
Kommission (GD Beschäftigung und Soziales, GD Bildung und Kultur, GD Forschung), von
europäischen Einrichtungen (CEDEFOP, Eurydice), von UNESCO und OECD sowie Experten aus
einer begrenzten Anzahl von EU-Mitgliedstaaten an, die über Erfahrungen im Bereich lebenslanges
Lernen oder Erwachsenenbildung verfügen.
Die Task Force soll Vorschläge erarbeiten, wie das lebenslange Lernen mit seinen vielfältigen
Aspekten einschließlich seiner für den Arbeitsmarkt relevanten Ergebnisse gemessen werden
könnte. Dabei muß den politischen Anforderungen an die Europäische Kommission im
internationalen Kontext Rechnung getragen werden. Gleichzeitig muß ein Überblick über die
aktuelle Lage auf europäischer, internationaler und nationaler Ebene geboten werden. Eines der
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
23
Hauptanliegen in diesem Zusammenhang ist die Vermeidung von Doppelarbeit bei der Entwicklung
von Möglichkeiten zum Messen des lebenslangen Lernens auf internationaler und europäischer
Ebene.
Im übrigen besteht kein Mangel an Themen für potentielle Neuentwicklungen. Zu den Bereichen,
die höchste Priorität genießen und in denen noch Arbeit zu leisten ist, gehören u. a.
- Mobilität von Studierenden
- Einkommen und Lebensbedingungen/Bildungsstand (Analyse auf Grundlage der
Längsschnittdaten aus dem Europäischen Haushaltspanel)
- Übergang von der Schule in das Erwerbsleben (Auswertung des Ad-hoc-Moduls der
Arbeitskräfteerhebung)
- Fremdsprachenerwerb
- Informations- und Kommunikationstechnologie: Lernen und erworbene Fähigkeiten
Dabei sind wir uns vollkommen im Klaren darüber, daß es ebenso wichtig ist, die Aktualität der von
uns gesammelten Daten weiter zu verbessern. Hierzu gibt es angesichts unserer derzeitigen (aber
auch künftigen) Ressourcen nicht so viele neue Lösungsvorschläge. Darum sollten wir uns so bald
wie möglich mit alternativen Wegen der Datensammlung befassen, die mit kürzeren und weniger
schwerfälligen Prozessen verbunden sind.
Desgleichen bleibt noch einiges zu tun, um den künftigen Bedarf besser vorhersehen zu können.
Wenn wir z. B. die Frage beantworten können, welche Art von Berufen in unseren
Volkswirtschaften benötigt werden wird, kann das Ausbildungsangebot entsprechend angepaßt
werden.
Der größte Teil unseres Potentials ruht in der Analyse historischer Daten. Wir müssen Projektionen
entwickeln, nicht nur in der Bevölkerungsstatistik, sondern auch in den Bereichen allgemeine und
berufliche Bildung und Beteiligung am Arbeitsmarkt.
Die Schlußfolgerung sollte also lauten, daß Eurostat trotz der oben angesprochenen Schwierigkeiten
und Grenzen in zweierlei Hinsicht einen Beitrag zu den internationalen Statistiken der allgemeinen
und beruflichen Bildung und den Arbeitsmarktstatistiken leisten kann:
- Mitarbeit an verschiedenen Projekten zur Verbesserung der Vergleichbarkeit und zur
Harmonisierung von Sozialstatistiken im allgemeinen und in diesem Zusammenhang
insbesondere
- Aufbau von Datenbanken unter Verwendung unterschiedlicher Datenquellen, so daß politischen
Entscheidungsträgern, Journalisten und Forschern Indikatoren und Berichte zur Verfügung
gestellt werden können.
Schließlich möchten wir mit diesem Beitrag vorschlagen, daß sich das Seminar mit folgenden
Fragen befaßt:
- Wie werden die Produkte von Eurostat im Zusammenhang mit der Statistik der allgemeinen
und beruflichen Bildung und des Arbeitsmarkts im allgemeinen gesehen?
- Inwieweit entspricht das Angebot von Eurostat der Nachfrage seiner Kunden?
- Welche Vorschläge für neue Wege, die Eurostat einschlagen sollte, können gemacht werden
(neue zu erfassende Gebiete, Förderung der Aktualität, Potential von Zeitreihen,
Ausweitung auf neue Länder, Entwicklung der regionalen Dimension usw.)?
24
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Literaturhinweise
‘Erhebung über Arbeitskräfte – Methodik und Definition – 1998’, Eurostat
“Potential use of the Community Labour Force Survey in the analysis of the Young”, in Youth Transitions in
Europe : Theories and Evidence - Cereq, Document n°120 (1996)
“Labour Market Exclusion of Young People : Some Illustrations of the Situation in the European
Union”, in Transitions in Youth: Combating Exclusion – ESRI, Dublin, 18.-21. September 1997
‘Statistik über Struktur und Verteilung der Verdienste: Methoden und Definitionen - Daten 1995’,
Eurostat
‘Gemeinschaftsstatistiken über Höhe und Struktur der Arbeitskosten – Liste, Definition und
Gliederung der Variablen – 1996’, Eurostat
‘Proposals for the development of a System of Education and Training Accounts’, Bericht des CBS
für eine Studie von Eurostat und DG Allgemeine und berufliche Bildung, November 1999
“Schlüsselzahlen zur Berufsbildung in der Europäischen Union”, 1. Ausgabe, gemeinsame
Veröffentlichung von Eurostat, GD Allgemeine und berufliche Bildung, CEDEFOP, 1997
“Key data on vocational training in the European Union – Training for young people”, Second
edition, joint publication Eurostat-DG EAC-Cedefop, erscheint in Kürze
“Bildung in der Europäischen Union – Daten und Kennzahlen 1998”, Kapitel G, Eurostat, 1999
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
25
BERUFLICHE AUS- UND FORTBILDUNG ERWACHSENER ARBEITSKRÄFTE IN DEN
OECD-LÄNDERN: MESSUNG UND ANALYSE *
Paul Swaim & Elena Stancanelli
OECD
2, rue André Pascal
F - 75775 PARIS CEDEX 16
[email protected]
Einleitung
Wie wichtig hoch qualifizierte Arbeitskräfte in einer zunehmend „globalisierten” und
„computerisierten” Wirtschaft sind, braucht heute kaum mehr betont zu werden. Auf persönlicher
Ebene wird eine gute Ausbildung für die Beschäftigungschancen und ein gutes Einkommen immer
entscheidender [Blau und Kahn (1996); OECD (1997d,e)]. Doch auch für den wirtschaftlichen
Erfolg von Unternehmen und Volkswirtschaften scheint die Bildung von Humankapital eine
wesentliche Voraussetzung zu sein, wenngleich diese Korrelationen schwerer zu belegen sind
[Griliches (1996); OECD (1998d)]. Demzufolge lässt sich feststellen, dass politische Maßnahmen
zur Förderung einer breiten Beteiligung an allgemeiner und beruflicher Bildung ein wichtiges
Element einer auf allgemeinen Wohlstand gerichteten Gesamtstrategie ausmachen.
Die in der Erwerbsbevölkerung vorhandenen Fähigkeiten und Qualifikationen sind Ergebnis
vielfältiger Lernaktivitäten, die in ganz unterschiedlichen institutionellen Kontexten stattfinden.
Zweifellos stellt eine gute Erstausbildung eine wesentliche Grundlage dar, doch setzt sich der
Lernprozess durch das gesamte Arbeitsleben hindurch fort. Die nationalen Bildungs- und
Qualifizierungssysteme sollten folglich danach beurteilt werden, wie wirksam sie das Ziel des
lebenslangen Lernens unterstützen. Dem entsprechend wird auch bei der wissenschaftlichen
Untersuchung des potenziellen wirtschaftlichen Nutzens von Humankapitalinvestitionen
zunehmend die Bedeutung der beruflichen Fortbildung ins Zentrum gerückt wird, informelles
Lernen am Arbeitsplatz eingeschlossen [Lynch (1994); Booth und Snower (1996)].
Was die internationalen Unterschiede bei der beruflichen Fortbildung oder deren Ursachen und
Folgen angeht, ist derzeit sehr wenig bekannt [OECD (1991, 1993)]. Derlei Informationen wären
mit Blick auf die Bewertung der politischen Optionen im Bereich der Berufsbildung jedoch von
großem Nutzen, etwa im Zusammenhang mit der Frage, ob man das Fortbildungsniveau auf breiter
Front anheben oder aber die diesbezüglichen Investitionen mehr auf jene Gruppen konzentrieren
sollte, die derzeit wenig Schulung erhalten. Die bisherige Forschung lässt vermuten, dass sich die
Unterschiede zwischen den Arbeitsmärkten der einzelnen Länder (wie sie etwa für die
Arbeitskräftefluktuation und die Lohnkompression dokumentiert sind) ganz erheblich auf die
Anreize der Unternehmen und Beschäftigten, in berufliche Bildung zu investieren, auswirken
könnten [Acemoglu und Pischke (1999); Lynch (1994)]. Falls diese oder andere Faktoren
tatsächlich zu wesentlichen Unterschieden in den Ausbildungsmustern führen, könnte dies mit
bedeutsamen Konsequenzen für das Qualifikationsniveau der Beschäftigten und die
Leistungsfähigkeit des jeweiligen Arbeitsmarktes verbunden sein. Diesen Fragen soll in diesem
Kapitel näher nachgegangen werden.
Zu erwähnen gilt es verschiedene Beschränkungen, denen diese Analyse unterliegt. So wird in
diesem Kapitel lediglich ein bestimmter Typ von Berufsbildung untersucht, nämlich die mehr oder
weniger formale Weiterbildung, die beschäftigte Arbeitskräfte erhalten. Dabei konzentriert sich die
*
26
Dieses Dokument ist ein Auszug aus Kapitel 3 der Ausgabe 1999 der von der OECD herausgegebenen Reihe
Employment Outlook (Beschäftigungsausblick).
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Analyse weitgehend auf Erwerbstätige im Alter zwischen 25 und 54 Jahren. Dies hat den Vorteil,
dass die Komplikationen im Zusammenhang mit den internationalen Unterschieden bei der
Erstausbildung einerseits [OECD (1994, 1998f)] und den Pensionierungsmustern andererseits
[OECD (1998e)] umgangen werden. Da die berufliche Fortbildung der Beschäftigten in der Regel –
zumindest partiell – vom Arbeitgeber unterstützt wird, liegt der Schwerpunkt der Untersuchung
zudem auf betrieblichen Schulungsmaßnahmen. Von den Beschäftigten selbst finanzierte
Maßnahmen sowie staatliche Ausbildungsprogramme werden ansatzweise jedoch mit
berücksichtigt, ebenso Schulungsmaßnahmen für arbeitslose Erwachsene. Die Messung der
Fortbildung erfolgt im Übrigen anhand der investierten Mittel, nicht anhand des Lernerfolgs.
Hauptergebnisse
Die Hauptergebnisse dieses Kapitels lassen sich wie folgt zusammenfassen:
 Das Niveau der Berufsbildung variiert beträchtlich zwischen den einzelnen OECD-Ländern.
Zwar sind keine exakten Vergleiche möglich, doch gibt das vorhandene Datenmaterial ziemlich
klar zu erkennen, dass die formale berufliche Fortbildung in südeuropäischen Ländern wie
Griechenland, Italien, Portugal und Spanien relativ schwach ausgeprägt ist, relativ stark hingegen
im Vereinigten Königreich, in Frankreich sowie in den meisten nordischen Ländern. Außerdem
scheint es zwischen dem extensiven und dem intensiven Rand der Fortbildung gewisse
Austauschbeziehungen zu geben, wobei die durchschnittliche Ausbildungsdauer in Ländern mit
niedrigerer Beteiligungsquote tendenziell höher ist.
 Insgesamt scheinen Männer und Frauen in etwa gleichem Maße an der beruflichen Fortbildung
beteiligt zu sein. Allerdings erhalten Männer tendenziell mehr finanzielle Unterstützung von
Arbeitgeberseite. Auf 40 Jahre (den Altersbereich 25 bis 64 Jahre) hochgerechnet, liegen die
Fortbildungserwartungen der Frauen jedoch deutlich unter denen ihrer männlichen Kollegen,
bedingt durch eine weniger kontinuierliche Beschäftigung. Die niedrigeren Schulungsquoten für
Teilzeit- und Aushilfskräfte dürften ebenfalls zu einem relativ eingeschränkteren
Fortbildungszugang der Frauen beitragen.
 Das Ausmaß, in dem die berufliche Fortbildung mit zunehmendem Alter abnimmt, ist von Land
zu Land sehr unterschiedlich. Dies deutet auf recht ungleiche Fortschritte der einzelnen Länder
bei der Realisierung des Ziels des lebenslangen Lernens hin. In den Vereinigten Staaten und den
nordischen Ländern (Finnland ausgenommen) erhalten die Beschäftigten der Altersgruppe 50-54
fast genauso viel Schulung wie ihre Kolleginnen und Kollegen der Altersklasse 25-29 Jahre,
wohingegen in Frankreich, Griechenland, Portugal und Spanien auf die ältere Gruppe viel
weniger Fortbildung entfällt als auf die jüngere.
 In allen Ländern lässt sich die Tendenz beobachten, dass die berufliche Fortbildung die durch das
Bildungsgefälle bedingten Qualifikationsunterschiede weiter verstärkt, wiewohl die Stärke dieser
Beziehung von Land zu Land recht unterschiedlich ist. Am gleichmäßigsten scheinen die
beruflichen Schulungsmaßnahmen in Irland, Japan, Neuseeland, den Niederlanden und einigen
nordischen Ländern auf die verschiedenen Bildungsstufen verteilt zu sein, am ungleichmäßigsten
in Belgien, Ungarn und Südeuropa. Der positive Zusammenhang zwischen einer relativ guten
Schulbildung und beruflicher Aus- und Weiterbildung bleibt selbst dann noch stark, wenn man
sonstige Faktoren, die die Fortbildungswahrscheinlichkeit beeinflussen, eliminiert.
 Die berufliche Fortbildung scheint in Ländern mit einem insgesamt höheren durchschnittlichen
Bildungsniveau tendenziell ausgeprägter zu sein, desgleichen in Ländern, in denen ein
vergleichsweise hoher Anteil des BIP in Forschung und Entwicklung fließt und die
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
27
Hightechindustrien relativ stark sind. Eine insgesamt relativ hohe Schulungsquote korreliert
zudem positiv mit einer gleichmäßigeren alters- und bildungsniveaubezogenen Verteilung der
Schulungsmaßnahmen. Diese Muster lassen vermuten, dass allgemeine und berufliche Bildung
sich wechselseitig verstärken, bedingt auch durch eine damit verbundene Tendenz der
Unternehmen, sich auf Wirtschaftstätigkeiten zu spezialisieren, die hoch qualifizierte Mitarbeiter
verlangen.
 Die starke positive Korrelation zwischen landesspezifischem (allgemeinem) Bildungsniveau
einerseits und Berufsbildungsniveau andererseits lässt den Schluss zu, dass eine indirekte
Strategie der Verbesserung der Schulbildung ein sehr wirksames – wenngleich nur langsam
greifendes – Mittel zur Förderung der beruflichen Weiterbildung darstellt. Da sich
Volkswirtschaften mit intensiver Berufsbildung gerade auch durch eine tendenziell
gleichmäßigere Verteilung der Schulungspartizipation auszeichnen, gewinnen politische
Maßnahmen, die die Anreize und Mittel zur Investition in die Fortbildung der in der Regel wenig
Schulung erhaltenden Beschäftigten erhöhen, besondere Bedeutung. In diesem Zusammenhang
ist allerdings festzustellen, dass die theoretische und empirische Analyse der
Bestimmungsfaktoren und Folgen der beruflichen Fortbildung derzeit noch zu wenig entwickelt
ist, um den politischen Entscheidungsträgern verlässliche Schätzwerte an die Hand zu geben, was
den zu erwartenden wirtschaftlichen Nutzen spezifischer politischer Ansätze angeht. Eine
weitere Harmonisierung der Berufsbildungsstatistiken könnte einen wichtigen Beitrag zur
Schließung dieser Lücke leisten.
Schlussfolgerungen
Sollte die staatliche Politik nun versuchen, die berufliche Fortbildung der Erwerbstätigen – d. h. die
Schulungen nach erfolgter beruflicher Erstausbildung – auf breiter Front auszubauen, oder sollte sie
diese Maßnahmen stärker auf bestimmte Gruppen ausrichten? Zwar gibt es in dieser Frage keinen
Konsens, doch verfolgen die Regierungen der Mitgliedstaaten eine Reihe von Ansätzen, die an
diesen Zielen orientiert sind. Die Tatsache, dass es in puncto Niveau und Verteilung der
Berufsbildung innerhalb der OECD von Land zu Land deutliche Unterschiede gibt, stützt die These,
dass es mit geeigneten politischen Maßnahmen durchaus möglich ist, ein Umfeld zu schaffen, das
Arbeitgeber und Arbeitnehmer ermutigt, in berufliche Fortbildung zu investieren. Bedenkt man
ferner, dass ein Beschäftigter zwischen dem 25. und 64. Lebensjahr durchschnittlich über 1.000
Stunden auf formale Ausbildung verwendet, so wird auch klar, wie wichtig die berufliche
Weiterbildung für die Erreichung des Ziels des lebenslangen Lernens ist. Leider ist die Analyse der
Determinanten und Konsequenzen der Fortbildung noch nicht hinreichend fortgeschritten, um den
politischen Entscheidungsträgern zuverlässige Schätzungen zur Rentabilität spezifischer politischer
Ansätze an die Hand zu geben. Eine weitere Harmonisierung der Berufsbildungsstatistiken könnte
einen wichtigen Beitrag zur Schließung dieser Lücke leisten. Dennoch lassen sich anhand der
derzeit verfügbaren, wiewohl beschränkten Informationen einige vorsichtige Schlussfolgerungen
ziehen.
Der enge Zusammenhang zwischen nationalem Bildungsniveau einerseits und Berufsbildungsniveau
andererseits legt den Schluss nahe, dass eine indirekte Strategie der Verbesserung der Schulbildung
ein wirksames, wenngleich nur langsam greifendes Mittel zur Förderung der beruflichen
Weiterbildung darstellt. Diese Beziehungen machen außerdem deutlich, dass Allgemein- und
Berufsbildungsmaßnahmen als ein integriertes System mit Relevanz für das lebenslange Lernen
begriffen werden sollten [OECD (1996a)]. Es ist besonders auffällig, dass die Schulungsquoten in
jenen Ländern relativ niedrig sind, in denen die Grundqualifikationen der erwachsenen Bevölkerung
im Bereich Lesen/Schreiben ebenfalls ein relativ niedriges Niveau aufweisen und zudem recht
ungleich verteilt sind. Ein wichtiger Schritt zur Förderung der Aus- und Fortbildung der
28
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Erwerbstätigen besteht folglich darin, sicherzustellen, dass alle jungen Menschen mit dem nötigen
Grundwissen und den erforderlichen Lernfähigkeiten in die Arbeitswelt eintreten, um in der Folge
hinreichend „schulbar“ zu sein.
Ein anderes potenziell politikrelevantes Untersuchungsergebnis lautet: Volkswirtschaften mit einem
hohen Berufsbildungsniveau zeichnen sich durch eine wesentlich gleichmäßigere Verteilung der
Schulungsbeteiligung auf die verschiedenen Alters- und Bildungsgruppen aus. Folglich dürften
politische Maßnahmen zur Erhöhung der Anreize und Mittel für Investitionen in die Fortbildung
jener Beschäftigten, die in der Regel wenig Schulung erhalten, von besonderer Bedeutung sein.
Programme zur Minimierung der Quote der Schulversager und Abschlusslosen haben in jüngster
Zeit im Rahmen der Anstrengungen, gefährdete Jugendliche vor ökonomischer Marginalisierung
und gesellschaftlichem Ausschluss zu bewahren, zunehmend Beachtung gefunden [OECD (1995)].
Erfolgreiche Bemühungen, allen Bürgern ein Mindestniveau an Allgemeinbildung und
Grundqualifikationen wie Lesen und Schreiben zu verschaffen, dürften darüber hinaus auch einen
wichtigen Beitrag zur Ausweitung und Intensivierung der betrieblichen Ausbildung sowie zur
Steigerung des allgemeinen Wohlstands leisten. Freilich lässt sich das Qualifikationsniveau der
Erwerbsbevölkerung mit einem solchen Ansatz nur allmählich anheben. Begleitend dürften daher
wohl auch Maßnahmen zur Intensivierung der Aus- und Fortbildung der heutigen erwachsenen
Erwerbsbevölkerung angezeigt sein.
Die vergleichende internationale Forschung zur Aus- und Fortbildung der Beschäftigten ist derzeit
leider noch zu wenig entwickelt, um Nutzen und Zweckmäßigkeit von politischen Maßnahmen, die
auf eine direktere Beeinflussung der Ausbildungsmuster zielen, beurteilen zu können. Zu den
diesbezüglichen Optionen zählen etwa schwach interventionistische Maßnahmen, die den
Arbeitgebern und Arbeitnehmern durch Schaffung günstigerer Rahmenbedingungen Anreize bieten
sollen, verstärkt in Fortbildung zu investieren. Das derzeit vorhandene, wiewohl begrenzte
Datenmaterial lässt darauf schließen, dass sich politische Maßnahmen, die beispielsweise die
Verbreitung flexibler Arbeitspraktiken unterstützen [Kapitel 4] oder über die Einrichtung von
entsprechenden Zertifizierungsstellen die Anerkennung der durch Schulung erworbenen
Qualifikationen erleichtern [OECD (1997e)], indirekt durchaus positiv auf die Berufsbildung
auswirken können. Stärker interventionistische Maßnahmen wie etwa eine obligatorische
Ausbildungsabgabe und direkte staatliche Berufsbildungsgänge wurden in einer Reihe von
Mitgliedstaaten ebenfalls schon erprobt. Die inzwischen recht umfangreiche Literatur zur
Evaluierung aktiver Arbeitsmarktmaßnahmen macht allerdings deutlich, dass die Wirksamkeit
solcher Maßnahmen sehr von einer guten Programmgestaltung und -verwaltung abhängt [OECD
(1996b)]. Ähnlich gründliche Evaluierungen wären auch im Hinblick auf die sonstigen Maßnahmen,
die bisher zur Förderung der Aus- und Weiterbildung der Beschäftigten eingesetzt (bzw.
vorgeschlagen) wurden, sehr zu wünschen.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
29
BIBLIOGRAPHY
ACEMOGLOU, D. and PISCHKE, J.S. (1999), “Beyond Becker: Training in Imperfect Labor
Markets”, The Economic Journal, February, pp. 112-142.
BLAU, F. and KAHN, L. (1996), “International Differences in Male Wage Inequality: Institutions
versus Market Forces”, Journal of Political Economy, August, pp. 791-837.
BOOTH, A.L. and SNOWER, D.J. (1996),Acquiring Skills. Market Failures, Their Symptoms and
Policy Responses, Cambridge University Press, United Kingdom.
GRILICHES, Z. (1996), “Education, Human Capital and Growth:
National Bureau of Economic Research, Working Paper No. 5426.
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LYNCH, L.M. (ed.)(1994), Training and the Private Sector: International Comparisons, The
University of Chicago Press, Chicago.
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OECD (1993), Employment Outlook, Paris, July.
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OECD (1996a), Lifelong Learning for All, Paris.
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Policies, Paris.
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Paris.
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of Ageing, AWP 1-4, Paris.
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Paris.
30
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
HOCHSCHULABSCHLUSS UND ARBEITSMARKT
EINE ERHEBUNG AUF DER GRUNDLAGE DES STATISTISCHEN REGISTERSYSTEMS
Pekka Myrskylä
Statistics Finland
FIN-00022
[email protected]
In allen Nordischen Ländern werden Beschäftigungsstatistiken sowohl anhand von
Bevölkerungsregistern als auch auf der Grundlage anderer administrativer Daten erstellt. Auch
einige mitteleuropäische Länder gehen mittlerweile immer mehr dazu über, solche
Verwaltungsinformationen für die Erhebung von Statistiken zu verwenden. Zu den größten
Vorteilen von Registerstatistiken gehören die niedrigeren Erhebungskosten, die Vermeidung von
zusätzlichen Rücklaufproblemen sowie weitere Nutzen, die sich aus bereits vorhandenen
Registerdaten ergeben. Der wichtigste Aspekt liegt hier jedoch in der jährlichen Verfügbarkeit aller
Daten auf nationaler Ebene, für kleinere geografische Gebiete und kleine Untergruppen der
Bevölkerung. So sind in Registern z.B. Kurzzeitbeschäftigungen oder Mehrfachbeschäftigungen
und die entsprechenden Bedingungen, Nebenbeschäftigungen, z.B. von Studenten, oder zwei- bzw.
dreifache Arbeitsverhältnisse usw. erfasst. Auch ist die Qualität von Daten, die unter anderen
Voraussetzungen Langzeitspeicherung und komplizierte Aufzeichnungen erfordern würden, sehr
viel höher. Weiterhin decken diese Informationen in der Regel einen größeren Bereich ab. Sie
enthalten nämlich weit mehr zusätzliche Informationen, z.B. über Beschäftigungsschlüssel,
Ausbildung oder die Beschreibung von Arbeitgebern (Größe und Branche des Unternehmens). Die
Möglichkeit, unterschiedliche Datentypen, wie z.B. demografische und Gesundheitsangaben oder
demografische und Unternehmensangaben miteinander zu kombinieren, ist ein weiterer
entscheidender Vorteil für die Untersuchungen der Daten.
Das registerbasierte System
Innerhalb der Daten werden Verbindungen hergestellt zwischen unterschiedlichen Kategorien, wie
z.B. Personen, Einkommen, Beschäftigung, Arbeitslosigkeit, Rentenzeiten, Gebäude und
Wohneinheiten, Unternehmen, Arbeitsplatz (Einrichtungen), Ausbildung und Ort des
Schulabschlusses. Auf der Grundlage von Gebäudekoordinaten können auch geografische
Bestimmungen vorgenommen werden, anhand derer Daten über Teilgebiete generiert werden
können. In den Bevölkerungsregistern enthält jeder Eintrag über ein Kind die
Identifikationsnummer der Mutter und des Vaters; ebenso ist die Identifikationsnummer eines
Kindes in den Datensätzen sowohl der Mutter als auch des Vaters eingetragen. Diese Aufzeichnung
der Identifikationsnummern über Querverweise ermöglicht das Auffinden aller Familienmitglieder,
selbst wenn diese nicht im gleichen Haushalt leben. Der Ausbildungsgrad der Kinder kann mit dem
Ausbildungsgrad der Eltern in Zusammenhang gebracht werden, auch wenn diese in
unterschiedlichen Haushalten leben.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
31
Register und Verwaltungsdaten
in Registerstatistiken
Rentenversicherungsdaten von
Angestellten
Zentrales
Bevölkerungs
register
Privat- Staat
Sonstige
wirtschaft
Lokalregierung
Steuerregister
Steuerregister (Einkommen und
Arbeitgeber)
Arbeitslosen- und
Arbeitssuchendenregister
Rentenregister
Studentenregister
Militärdienst
Register von
Hochschulausbildungen und abschlussniveaus
Unternehmens- und
Einrichtungsregister
Einrichtungen der
Lokalregierung
Register
staatlicher
Einrichtungen
Gebäude- und
Wohneinheitenregister
Volkszählungsdaten
Neue Untersuchungsmöglichkeiten
Alle Registereinheiten sowie alle Adressen werden regelmäßig, aber mindestens einmal jährlich,
aktualisiert. So kann für die Auswahl bestimmter Bevölkerungsstichproben, wie z.B. nach den
Kriterien Alter, Einkommensgruppe oder bestimmter geografischer Raum, immer auf die aktuellen
Register zurückgegriffen werden. Weiterhin kann die Zahl der Fragen, auf die
Untersuchungsteilnehmer bei Befragungen antworten müssen, durch den Rückgriff auf
Registerdaten reduziert werden (z.B. bei demografischen Angaben, Ausbildungs- oder
Familienangaben (Kombination Haushalt und Familie). Ein dritter großer Nutzen von Registerdaten
besteht darin, dass die Angaben von Auskunftsverweigerern bei Befragungen bestimmt werden
können (z.B. Alter, Geschlecht und Beschäftigungsstatus, Wohnsitz). So konnte das Statistische
Zentralamt Finnland seit 1987 jährliche und auch monatliche Daten über die gesamte Bevölkerung
erheben. Diese Informationen werden landesweit, aber auch für kleinere Gebiete, wie z.B.
Gemeinden oder Stadtteile, generiert.
Volkszählungsdaten werden in Längsschnittdaten festgehalten, in denen jeder Einwohner des
Landes mit den Angaben zu seiner Person aus den verschiedenen Volkszählungen (1970, 1975,
1980, 1985, 1990 und 1995) verknüpft wird. In anderen Datendateien werden die jährlichen
Informationen für die Jahre 1987–1997 als Längsschnittdaten für Kurzzeitangaben festgehalten,
die weit ausführlichere Angaben beinhalten. Auf diese Weise kann der Lebensweg eines jeden
Menschen mit allen seinen Veränderungen über einen Zeitraum von 30 oder mehr Jahren verfolgt
werden. Auch kann der Einstieg von Kohorten von Hochschulabgängern in den Arbeitsmarkt
beobachtet und Veränderungen bezüglich deren Beschäftigung, der gewählten Branche, dem
Wohn- oder Beschäftigungsort sowie damit verbundene Aspekte wie Arbeitslosigkeit,
Rentenzahlungen oder Schwerbeschädigung überprüft werden. Mit dem so gewonnenen
Datenmaterial kann das Statistische Zentralamt erkennen, wie sich verschiedene Alters- und
32
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Bildungsgruppen im Berufsleben entwickeln und welcher Zusammenhang zwischen deren
Erwerbstätigkeit und dem erworbenen Bildungsniveau besteht. Weiterhin ist es möglich zu
bestimmen, ob Schulabgänger nach dem Abschluss in der gleichen Stadt oder in der Nähe der Stadt
arbeiten, in der sie ihre Ausbildung absolviert haben, und entsprechend auch, wie viele
Schulabgänger für eine Arbeitsstelle weggezogen sind.
Längsschnittdaten
Längsschnittdaten
Volkszählung
Längsschnittdaten
Beschäftigung
Anhand von Längsschnittdaten kann hervorragend erfasst werden, wie Schulabgänger in den
Arbeitsmarkt einsteigen und welche Veränderungen sie innerhalb ihrer Erwerbstätigkeit erfahren.
Die im Folgenden geführte Diskussion zeigt einige Bespiele für diese neuen
Untersuchungsmöglichkeiten auf.
Beispiele für neue Studien
Änderungen in der Erwerbstätigkeit wurden erfasst, indem in aufeinanderfolgenden Jahren die
Bevölkerung und deren Veränderungen in der Erwerbstätigkeit in den unterschiedlichen Zuständen
beobachtet wurden. Normalerweise liefern Jahresstatistiken lediglich Querschnittinformationen über
Bevölkerungszahlen, Erwerbstätigenzahlen usw. zu verschiedenen Zeitpunkten; diese Zahlenwerte
werden dann verglichen, um zu sehen, inwieweit sie sich innerhalb eines Jahres bzw. seit der letzten
Volkszählung verändert haben. Auf der Grundlage des Registersystems ist es möglich zu erklären,
wie es zu diesen Veränderungen kam und wessen Beschäftigungssituation sich verändert hat.
Komponenten für Veränderungen von Erwerbstätigkeit. Ende der 80er Jahre stiegen mehr als
200.000 neue Erwerbstätige in den Arbeitsmarkt ein. Ursprünglich war die Anzahl derer, die den
Arbeitsmarkt verließen, noch leicht höher; jedoch mit dem Einsetzen der Rezession Ende 1989 stieg
die Zahl der „Ausstiege“ infolge von Entlassungen. Die Zahl der Leute, die eine Erwerbstätigkeit
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
33
aufnahmen, sank von 1988 bis 1992 um ein Drittel. Entsprechend wurde für Schulabgänger und
Hausfrauen der Einstieg in den Arbeitsmarkt zunehmend schwieriger. Die Zahl der Studenten, die
eine Beschäftigung aufnahmen, sank ebenfalls um ein Drittel.
Jährlich gingen im Durchschnitt 30.000 bis 50.000 Personen in den Ruhestand. Der Anstieg der
Arbeitslosenzahlen verringerte sich wohl noch durch die Zahl der Personen, die aus
Invaliditätsgründen in den Ruhestand gingen. Ein Großteil der Personen, die von einer
Erwerbstätigkeit in den Haushalt und umgekehrt wechseln, waren Frauen, deren
Mutterschaftsurlaubs begann oder endete.
1994 konnte wieder ein Anstieg der Zahl der Personen, die eine Erwerbstätigkeit aufnahmen,
verzeichnet werden. Anfangs rekrutierten die „Einsteiger“ in den Arbeitsmarkt noch aus der großen
Menge der Arbeitslosen, doch sehr schnell begann die Nachfrage nach Schulabgängern und
Hochschulabsolventen zu steigen. Im Jahr 1998 war der Anteil an Studenten und an Arbeitslosen
beim Einstieg in die Beschäftigung dann gleich repräsentiert. Im gleichen Jahr nahmen insgesamt
280.000 Personen eine Erwerbstätigkeit auf. Gleichzeitig betrug die Zahl derer, die die
Erwerbstätigkeit beendeten, nur 190.000, d.h. die Gesamtzahl der Personen, die in einem
Beschäftigungsverhältnis standen, war um etwa 90.000 gestiegen. In diesem Jahr betrug die Zahl
der Studenten 70.000 aller Neueinstellungen. Die Zahl der Erwerbstätigen stieg in Finnland schnell,
dennoch steht dieser Anstieg in keinem großen Zusammenhang mit der Zahl der Erwerbslosen, die
in 1998 mit 374.000 immer noch sehr hoch lag.
Ausstiege aus der und Einstiege in die Erwerbstätigkeit 1989–1996 in
Abhängigkeit der entsprechenden Gründe
Jahr
34
Zahl der Ausstiege in %
Zahl der Einstiege in %
1989 gesamt
212 480
Studenten
55 174
Hausfrauen/-männer
43 387
Arbeitslose
45 389
Rentner
49 497
Wehrtätige
11 735
Gestorben/Ausgewandert 7 298
100,0
26,0
20,4
21,4
23,3
5,5
3,4
228 982
92 833
48 114
58 362
8 323
16 721
4 629
100,0
40,5
21,0
25,5
3,6
7,3
2,0
1991 gesamt
331 104
Studenten
59 436
Hausfrauen/-männer
41 536
Arbeitslose
168 269
Rentner
45 138
Wehrtätige
10 196
Gestorben/Ausgewandert 6 529
100,0
18,0
12,5
50,8
13,6
3,1
2,0
167 969
66 071
31 375
46 483
4 812
12 197
4 700
100,0
39,6
18,7
27,7
2,9
7,3
2,8
1992 gesamt
326 924
Studenten
41 404
Hausfrauen/-männer
39 506
Arbeitslose
191 467
Rentner
41 910
Wehrtätige
7 246
Ausgewandert/Gestorben 5 717
100,0
12,7
12,1
58,7
12,8
2,2
1,7
172 207
51 143
24 401
83 714
3 812
6 997
2 140
100,0
29,7
14,2
48,6
2,2
3,9
1,2
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Jahr
Zahl der Ausstiege in %
Zahl der Einstiege in %
1993 gesamt
313 609
Studenten
41 375
Hausfrauen/-männer
38 090
Arbeitslose
172 721
Rentner
51 522
Wehrtätige
4 713
Ausgewandert/Gestorben 5 188
100,0
13,1
12,1
55,1
16,4
1,5
1,7
176 900
42 832
26 249
93 407
6 550
5 216
1 355
100,0
24,2
14,8
52,8
3,7
2,9
0,8
1994 gesamt
213 138
Studenten
31 485
Hausfrauen/-männer
28 508
Arbeitslose
106 308
Rentner
38 441
Wehrtätige
3 422
Ausgewandert/Gestorben 4 974
100,0
14,8
13,4
49,9
17,6
1,6
2,3
252 468
61 293
27 757
148 460
5 111
7 217
1 403
100,0
24,2
11,0
58,8
2,0
2,8
0,6
1995 gesamt
226 672
Studenten
37 949
Hausfrauen/Wehrtätige 32 569
Arbeitslose
113 034
Rentner
37 964
Ausgewandert/Gestorben 5 152
100,0
16,7
14,4
49,9
16,7
2,2
242 373
71 113
36 047
126 951
5 163
1 879
100,0
24,2
17,2
53,9
4,0
0,7
1996 gesamt
214 520
Studenten
34 190
Hausfrauen/Wehrtätige 28 652
Arbeitslose
112 220
Rentner
34 456
Ausgewandert/Gestorben 5 002
100,0
15,9
13,3
52,3
16,1
2,3
238 912
79 011
36 699
114 268
5 502
2 228
100,0
33,1
15,3
47,8
2,3
0,9
1997 gesamt
179 879
Studenten
35 172
Hausfrauen/Wehrtätige 27 225
Arbeitslose
83 696
Rentner
28 492
Ausgewandert/Gestorben 5 294
100,0
19,6
15,1
46,6
15,8
2,9
260 732
82 525
41 809
128 254
5 507
2 637
100,0
31,7
16,1
49,1
2,1
1,0
1998* gesamt
190 023
Studenten
37 315
Hausfrauen/Wehrtätige 32 764
Arbeitslose
88 110
Rentner
25 934
Ausgewandert/Gestorben 5 900
100,0
19,7
17,2
46,4
13,6
3,1
277 561
108 987
44 836
111 249
9 513
2 976
100,0
39,3
16,2
40,1
3,4
1,1
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
35
Die Zahl der Ausstiege aus dem Arbeitsmarkt fiel von der Höchstzahl von 330.000 in den Jahren
1991–1992 auf 180.000 im Jahr 1997. Dabei war Entlassung der wichtigste Grund für einen
Ausstieg (46,4 %), obwohl die Wahrscheinlichkeit, entlassen zu werden, heute deutlich geringer ist
als zu den Zeiten mit den höchsten Ausstiegsquoten. Der zweithäufigste Grund für die Beendigung
einer Erwerbstätigkeit war die Aufnahme eines Studiums (19,7 %). Die Zahl der Personen, die in
den Haushalt oder Ruhestand gingen, blieb mehr oder weniger konstant.
Ausstieg aus Erwerbstätigkeit zu anderen
Tätigkeiten in 1988–1998
Von anderen Tätigkeiten in
Erwerbstätigkeit in 1988–1998
1988
1988
1989
1989
1990
1990
1991
1991
1992
1992
1993
1993
1994
1994
1995
1995
Arbeitslose
Studenten
Rentner
Andere
1996
1997
1998
0
25 50 75 100 125 150 175 200 225 250 275 300 325 350
Tausend
1996
1997
1998
0
25
50
75
100
125
150
175
200
225
250
275
Tausend
Die Zahl der Einstiege in den Arbeitsmarkt lag 1991–1993 mit gerade einmal 170.000 Personen pro
Jahr am niedrigsten. Nach dem Einsetzen der Massenarbeitslosigkeit war 1993 die Mehrheit,
nämlich 53% derer, die eine bezahlte Arbeit angefangen hatten, arbeitslos; im Jahr 1994 stieg diese
Zahl weiter auf 59%. Seit dieser Zeit ist der Anteil der Studenten bei Neueinstellungen angestiegen
und lag 1998 bei 40%.
Schulabgängern wird eine Berufsberatung angeboten, um sie bei der Wahl eines ihrer
Qualifikation entsprechenden Berufes zu unterstützen. Aber die Qualität der verschiedenen
berufsbildenden Institutionen und Hochschulen kann daran gemessen werden, wie schnell und
welche Anstellungen von den Absolventen gefunden werden. Ein Vergleich zwischen Daten aus
aufeinanderfolgenden Jahren soll hier einen Überblick darüber verschaffen, wie Personen zwischen
verschiedenen Tätigkeitsfeldern wechseln. Die unten aufgeführte Abbildung soll darstellen, wie
viele und welche Art von Übergängen innerhalb von einem Jahr festgestellt werden konnten.
36
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Wechsel zw. versch. Tätigkeitsfeldern:
STUDENTEN 1997–1998*
Einkommens
daten
Arbeitslose
374 117
1 588
Studenten
443 104(97)
413 801(98*)
Bildungsniveau
Ausbildungsart
familiärer
Hintergrund
Industrie n
108 987
1 498
Einwanderer
14 192
Angestellte
2 125 535
Industrie 1
Industrie 2
37 019
1 267
Verstorben
Emigranten
60 079
24 416
Rentner
1 105 053
37 315
30 279
21 050
Hausfrauen
& sonstige
189 995
61 773 0–14
264 054
Jahre
951 145
Ende 1997 absolvierten 443.104 Personen eine weiterführende Schule nach der Schulpflicht in der
Gesamtschule. Im Verlauf des gleichen Jahres stiegen davon 108.987 Personen in den Arbeitsmarkt
ein und gleichzeitig verließen 37.315 Personen den Arbeitsmarkt, um ein Studium aufzunehmen.
Weiterhin schlossen insgesamt 61.778 Personen die Gesamtschule ab und setzten ihre Ausbildung
weiter fort. Die Zahl derjenigen, die Hausfrau oder -mann wurden, betrug 30.279, umgekehrt
verließen 21.279 den Haushalt, um eine weiterführende Ausbildung nach der Gesamtschule zu
beginnen. 37.019 Studenten wurden aus der Erwerbstätigkeit entlassen und 25.416 Arbeitslose
begannen
eine
Ausbildung
an
einer
weiterführenden
Schule.
In
finnischen
Ausbildungseinrichtungen wurden 1.588 Studenten aus dem Ausland aufgenommen, die gleiche
Anzahl an Studenten verließ Finnland. 1.267 Studenten brachen die Ausbildung wegen einer
Behinderung oder aus sonstigen Gründen ab. 264.054 derjenigen, die 1997 studierten, setzten das
Studium fort. Wenn auf dieser Grundlage die sogenannten Bruttoveränderungen berechnet werden,
so kann festgehalten werden, dass die Gesamtzahl der Studienanfänger 147.147 betrug und 179.068
ihr Studium beendeten, während sich der Status bei 264.054 Studenten nicht änderte.
Um die Effizienz des finnischen Ausbildungssystems zu überprüfen und zu messen, wurde unter
anderem die Abwerbung in den Arbeitsmarkt und der Ausschluss aus dem Arbeitsmarkt bei
Personen untersucht, die an unterschiedlichen Institutionen in verschiedenen Regionen ihren
Hochschulabschluss erlangt haben. Markierte Unterschiede in der Beschäftigungsstruktur konnten
bei den unterschiedlichen Ausbildungswegen und -niveaus beobachtet werden.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
37
Beschäftigungsquote von Studenten aus den Bereichen Technik, Bau
engineering,
Produktion
mit Abschluss im Jahr 1991
Beschäftigungsquote (%)
Höherer Univ.abschluss
Mittlerer Univ.abschluss
Höhere Berufsausbildung
Berufsausbildung
Die Beschäftigungsquote steigt sogar im technischen Bereich ziemlich deutlich mit dem
Ausbildungsniveau: die Zahl für Ingenieure von Technischen Universitäten liegt bis zu 30% höher
als für Techniker, die von Berufsschulen kommen. Ebenso waren die Absolventen von Hochschulen
weniger schwer von der Rezession betroffen, als die Absolventen von berufsbildenden Schulen.
Weiterhin hat das Abschlussjahr einen wichtigen Effekt auf die Beschäftigung. In den später 80er
Jahren nahm die finnische Wirtschaft einen ernormen Aufschwung, so dass die Nachfrage nach
technischen Berufen sehr hoch war. In den Jahren 1991–1994 war diese Nachfrage allerdings wie
ausgelöscht: ein Großteil der Erwerbstätigen verlor ihren Job und die Absolventen dieser Jahre
konnte keine Arbeit bekommen. In den Jahren 1991–1993 fiel die Zahl der Techniker, die im Jahr
ihres Ausbildungsabschlusses auch eine Anstellung fanden, unter 40%.
Erwerbstätigkeitsquote Techniker mit Abschluss in 1987–1994
Beschäftigungsquote
1989
1987
1988
1990
1994
1991
1992
38
1993
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Gleichzeitig stieg der Anteil der Arbeitslosen dieses Schulabschlussjahrganges auf über 40%, und
dies sogar bei den Technikern mit Hochschulabschluss. Die Situation für die Techniker einer
berufsbildenden Schule war dabei noch schlechter.
Arbeitslosenquote Techniker mit Abschluss in 1987–1994
40
Arbeitslosenquote
35
1993
1992
30
1994
1991
25
20
15
10
1990
1987
1988
5
1989
0
1987
1988
1989
1990
1991
1992
1993
1994
1995
Das im Folgenden angeführte Beispiel soll die Art der Beschäftigung darstellen, die von der
Industrie geboten wurde: der Schwerpunkt liegt darauf, wie bei Stellenbesetzungen anteilig
Studenten, Arbeitslose und sonstige Gruppen berücksichtigt wurden. Die Untersuchung wurde für
die Jahre 1995 und 1998 durchgeführt. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die
wachstumsorientierten
Branchen
einen
größeren
Anteil
ihrer
Arbeitskräfte
aus
Ausbildungseinrichtungen rekrutierten als aus der Gruppe der Arbeitslosen oder anderen
Bevölkerungsgruppen.
Im Produktions- und Baugewerbe setzte ein Rückgang der Nachfrage im Jahr 1989 ein, in den
Bereichen Handel, Finanzen, Transport und Kommunikation kam der Umbruch ein Jahr später. Im
öffentlichen Dienst wurden bis 1991 weiterhin Stellen besetzt, und zwar zum Großteil mit
Absolventen von Ausbildungseinrichtungen. Heute wird die Hälfte aller Schulabgänger, die eine
Anstellung finden, im öffentlichen Dienst eingestellt. Nach dem Rückgang der Rezession finden
nun wieder insgesamt über 80% der Studenten in der verarbeitenden Industrie und dem
Dienstleistungssektor Arbeit. Vor der Rezession wurden die meisten Arbeitslosen im Bau- und
Produktionsgewerbe eingestellt. Heute werden hingegen nur 40% aller neuen Arbeitsstellen an
Arbeitslose vergeben.
Der Bedarf nach neuen Arbeitsplätzen liegt in Finnland heute v.a. in den Bereichen verarbeitende
Industrie, Einzel- und Großhandel, Unternehmensservice sowie Gesundheits- und
Wohlfahrtsdienstleistungen. Der Anteil an Studenten, die für die neuen Arbeitsplätze eingestellt
werden, steigt seit 1995 und ist nach wie vor hoch, wobei die meisten Studenten im Hotel- und
Cateringgewerbe eingestellt werden. Hier üben die Studenten meistens ihren Job neben ihrem
Studium aus, was wiederum auch bedeutet, dass das Personal nicht immer auf unbefristeter Basis
eingestellt werden kann. Ähnlich ist die Situation im Bereich von Groß- und Einzelhandel sowie bei
den Reinigungsunternehmen.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
39
Einstellungen von Personen aus den Reihen der Arbeitslosen werden hingegen eher in den
Bereichen Transport und Kommunikation, Gebäude- und Bauindustrie sowie in der öffentlichen
Verwaltung vorgenommen. Das Transportgewerbe sowie auch die Bauindustrie unterliegen starken
saisonalen Schwankungen, was bedeutet, dass die Arbeitskräfte im Winter mehr oder weniger
„regelmäßig“ arbeitslos sind, während sie im Frühjahr die Arbeit wieder aufnehmen. Wenn im
öffentlichen Dienst eine Vielzahl von Einstellungen von Arbeitslosen erfolgt, so kann dies zum Teil
mit den Arbeitsbeschaffungsprogrammen der Regierung zusammen hängen.
Neueinstiege gemäß
früherer Tätigkeit nach Branchen in 1995
Einstiege
Restaur.& Hotels
Handel
Erziehung
Unternehmensdienstl
.
And. öffentl. Dienstl.
Banken
Produktion
Gesund. & soz. Dienste
Landwirtschaft
Transport
Verwaltung
Bau
Studenten
And. Branchen
Arbeitslose
Andere
Neueinstiege gemäß
früherer Tätigkeit nach Branchen in 1998
Einstiege
Restaur. & Hotel
Handel
Produktion
Banken
Transport
Erziehung
Unternehmensdienstl.
And. öffentl. Dienste
Gesundh. & soz. Dienste
Verwaltung
Landwirtschaft
Bau
0%
20%
Studenten
40
40%
And. Branchen
60%
Arbeitslose
80%
100%
Andere
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
In der IT-Branche liegen die Bereiche mit dem größten Wachstum. Diese Bereiche unterscheiden
sich von den anderen unter anderem dadurch, dass Hochschulabsolventen bevorzugt vor
Arbeitslosen oder anders qualifizierten Arbeitskräften aus anderen Branchen eingestellt werden.
Offensichtlich wird davon ausgegangen, dass die Qualifizierung aufgrund von Ausbildung und
Fähigkeiten von Langzeitarbeitslosen nicht mehr den in der Hightech-Industrie geforderten hohen
Standards entspricht.
Neueinstiege gem. früherer Tätigkeit in ITBranche in 1997, vergl. mit anderen Branchen
IT-Branche
Produktionsindustrie
Dienstleistungssektor
Produktion
Handel
Produktion
Banken
Öffentlicher Dienst
Studenten
And. IT-Branche
Arbeitslose
And. Branchen
Andere
Einfluss des Studienortes auf die Beschäftigung
Es bestehen deutliche Unterschiede zwischen den Universitätsstädten bezüglich der Einstellung von
Hochschulabsolventen sowie bezüglich der Frage, an welchen Orten sie eingestellt werden. Die
unten angeführte Tabelle stellt die Beschäftigungssituation zwei Jahre nach Studienabschluss von
Personen dar, die in unterschiedlichen Städten mit Abschluss in den Jahren 1988–1995 studiert
haben. Gleichzeitig kann abgelesen werden, ob die Absolventen in ihrer Heimatstadt, in
Nachbarstädten oder an anderen Orten arbeiten.
Ein wenig überraschend ist die Tatsache, dass die höchsten Beschäftigungszahlen für Absolventen
der kleinsten Universitäten, d.h. Rovaniemi und Lappeenranta zu verzeichnen sind. Die
Beschäftigungszahlen für Absolventen der größten Universitäten, d.h. Helsinki, Turku und Tampere
liegen im Vergleich um 7–8 Prozentpunkte niedriger. Dennoch sind diejenigen, die nicht in einem
aktiven Beschäftigungsverhältnis stehen, nicht arbeitslos, sondern haben entweder das Land
verlassen, ihr Studium fortgesetzt oder sind Hausfrauen oder -männer. Offensichtlich bieten größere
Städte bessere Möglichkeiten für die Fortsetzung des Studiums, d.h. dass der Anteil an
postakademischen Studien hier höher liegt. Die Arbeitslosenquote liegt zwischen 4,0 % (Technische
Universität Helsinki) und 7,7 % (Universitäten von Tampere). Die Universitäten Espoo, Turku und
Vaasa verzeichnen die meisten Abgänge ins Ausland. Turku und Vaasa bieten auch eine
Ausbildung in schwedischer Sprache an und verbessern damit die Chancen für eine Beschäftigung
auf dem Arbeitsmarkt der Nordischen Länder.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
41
Beschäftigungssituation von Absolventen zwei Jahre nach dem Abschluss in 1988–1995 nach
Universitätsstädten
Anz.
Arbeitsmarktsituation zwei Jahre nach Abschluss
Ort
d. Abschlusses
Abschlüsse in
Angestellt
Angestellt
Angestellt
Alle
1988–1995
in gleicher
in gleichem
in anderen
angestellt
Stadt
Stadtumgeb. Kommunen
Espoo
Helsinki
Turku
Tampere
Lappeenranta
Kuopio
Joensuu
Jyväskylä
Vaasa
Oulu
Rovaniemi
5 125
19 495
9 167
7 681
1 480
1 945
2 384
5 615
2 944
5 631
1 438
%
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
29,8
42,8
22,9
26,6
12,9
20,7
15,8
16,3
15,2
28,0
15,4
39,4
17,2
5,2
2,8
0,3
1,2
5,1
3,5
3,2
4,6
4,5
Arbeitsmarktsituation zwei Jahre nach Hochschulabschluss
in 1988–95,
Helsinki
Arbeitslos
Nicht
Ausgewandert
erwerbs- (gestorb.)
tätig
17,2
21,9
50,9
52,6
75,3
64,3
61,5
66,1
67,2
51,7
68,5
86,4
81,9
79,0
82,0
88,5
86,2
82,4
85,9
85,6
84,3
88,4
4,0
5,5
6,8
7,7
4,7
5,0
7,6
5,4
4,5
6,3
7,0
6,6
10,2
10,3
8,7
5,5
7,7
8,8
7,4
6,9
7,8
4,1
Oulu
Migriert
Nicht in FI
Arbeitslos
Andere Kommunen
Bezirk of Oulu
Oulu
Migriert
Nicht in FI
Arbeitslos
Andere Kommunen
Bezirk of Helsinki
Helsinki
42
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
3,1
2,3
3,8
1,7
1,4
1,2
1,1
1,3
3,0
1,5
0,5
Arbeitsmarktsituation zwei Jahre nach Berufsausbildung in 1988–95
Helsinki
Migriert
Nicht in FI
Arbeitslos
Anderer Kommunen
Bezirk Helsinki
Helsinki
Oulu
Migriert
Nicht in FI
Arbeitslos
Anderer Kommunen
Municipalities
Bezirk Oulu
Oulu
Das Jahr des Abschlusses
In der Region Helsinki gestaltet sich die Arbeitsmarktsituation für Hochschulabsolventen sehr gut:
ca. 60% aller Hochschulabsolventen bekommen eine Arbeitsstelle in der Stadt oder in deren
Umgebung. Auch der Arbeitsmarkt in der Region Oulu zeigt starke Wachstumstendenzen, dennoch
müssen 50% der Hochschulabsolventen den Wohnort wechseln, um Arbeit zu finden. Rovaniemi ist
die nördlichste und eine der kleinsten Universitätsstädte des Landes, so dass auf der Hand liegt, dass
die Mehrheit bzw. 70% der Absolventen an einem anderen Ort angestellt werden.
Absolventen von berufsbildenden Schulen sind deutlich weniger mobil als Hochschulabsolventen:
sehr häufig finden sie entweder in ihrer Heimatstadt oder in der direkten Umgebung Arbeit bzw.
haben gar keine Beschäftigung. Für alle drei hier beispielhaft aufgeführten Städte, Helsinki, Oulu
und Rovaniemi wird deutlich, dass sich die Absolventen bei der Arbeitssuche weniger weit von dem
Ort entfernen.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
43
Arbeitsmarktsituation zwei Jahre nach Univeritätsabschluss
oder Berufsausbildung in 1988–95,
Rovaniemi, Berufsausbildiung
Rovaniemi, Universität
100%
100%
80%
80%
Migriert
Nicht in Finnl.
Arbeitslos
60%
60%
Andere Kommunen
Bezirk Oulu
Oulu
40%
40%
20%
0%
1988
20%
1989
1990
1991
1992
1993
1994
1995
0%
1988
1989
1990
1991
1992
1993
1994
1995
Zusammenfassung
Bedingt durch Massenarbeitslosigkeit und zunehmende Probleme für junge Leute, eine
Beschäftigung zu finden, sank zu Beginn der 90er Jahre die Zahl der auf dem finnischen
Arbeitsmarkt zur Verfügung stehenden Stellen um eine halbe Million. Die Beschäftigtenzahl sank
in verschiedenen Branchen drastisch. Die Altersgruppen der Schulabgänger konnten nun nicht mehr
die Stellen besetzen, die durch Personen, die in den Ruhestand oder in den Haushalt gingen, vakant
wurden; sie wurden stattdessen arbeitslos. Trotz verstärkter Anstrengungen von Seiten der
Regierung, die arbeitsplatzbeschaffenden Maßnahmen und die arbeitsmarktorientierten Aus- und
Weiterbildungsangebote zu intensivieren, fanden immer weniger Arbeitslose eine Stelle. Den
Jugendlichen wurden mehr Ausbildungsplätze angeboten, sowohl in den öffentlichen Einrichtungen
als auch in arbeitsmarktorientierten Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen der Regierung.
Dieser Rückgang der Nachfrage nach Arbeitskräften breitete sich auf alle Branchen aus: im Bereich
der Zentral- und Lokalverwaltung wurde 5% des gesamten Personals entlassen, im
privatwirtschaftlichen Bereich sogar 30%. In den Sektoren der verarbeitenden Industrie, Handel,
Finanzberatung und Landwirtschaft wird der gleiche Output nun mit einer wesentlich geringeren
Zahl an Humanressourcen erzielt als in den Spitzenjahren. Ein Nachfrageanstieg ist lediglich in der
metallverarbeitenden und der Elektroindustrie sowie bei deren Zulieferern zu verzeichnen, womit
eine geografische Einschränkung auf nur wenige Regionen einhergeht. Der rapide Verfall der
Landwirtschaft wird auch in Zukunft dafür sorgen, dass die Zahl der angebotenen Stellen sehr
gering bleibt, was wiederum eine abnehmende Beschäftigungszahl zur Folge haben wird; und in
dieser Konsequenz werden auch die Stellenangebote im öffentlichen Dienst eingeschränkt werden.
Die westlichen und südlichen Regionen Finnlands waren dabei weniger von der Rezession
betroffen, während Lappland und Ostfinnland am meister darunter litten. Nach Studien zum
Einstieg in den Arbeitsmarkt aus der Arbeitslosigkeit oder von einer Tätigkeit im eigenen Haushalt
werden nur 40% aller neuen Arbeitsstellen an Arbeitslose vergeben.
44
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
In dieser Untersuchung wird auf der Grundlage der Arbeitslosenstatistiken, die einzelne Personen in
aufeinanderfolgenden Jahren beobachten, versucht Informationen darüber zu erlangen, wie sich die
Erwerbstätigkeit einzelner Personen entwickelt hat. Vom System werden Daten über den Wechsel
zwischen Haupttätigkeiten und Branchen sowie über die Integration in den Arbeitsmarkt von
arbeitslosen Hochschulabsolventen generiert.
Die herkömmlichen Statistikanalysen liefern für diese Belange nur Querschnittdaten über die
Erwerbstätigen- und Erwerbslosenzahlen usw. Ein System, das einzelne Personen in ihrer
Entwicklung verfolgt, kann hingegen Informationen darüber liefern, wie sich Änderungen auf dem
Arbeitsmarkt vollziehen, so z.B. zu folgenden Aspekten:
- Einstiege in den Arbeitsmarkt und Struktur der neu geschaffenen Arbeitsplätze
- Ausstiege aus der Erwerbstätigkeit, Strukturen und Gründe
- Art der Arbeitsplätze, die in verschiedenen Branchen angeboten werden
- Wechsel von der Ausbildung in die Erwerbstätigkeit in verschiedenen Branchen und mit
verschiedenen Ausbildungsniveaus
- Einfluss von Wirtschaftszyklen auf die Schaffung von Arbeitsplätzen
- Einfluss des Ausbildungsortes
Flowanalysen zeigen deutlich, dass sich die Veränderungen sehr rapide vollziehen: von 2 Millionen
Lohnempfängern nahmen etwa 300.000 im gleichen Jahr die Erwerbstätigkeit auf, in einem
schwierigen Jahr verloren 330.000 aus unterschiedlichen Gründen ihren Arbeitsplatz. Die
schnellwachsenden Branchen bevorzugen die Einstellung von Ausbildungsabsolventen vor der
Einstellung von Arbeitslosen. Hier wehrt sich besonders die Hightech-Industrie gegen die
Einstellung von Arbeitslosen. Der öffentliche Dienst zeigt größere Verantwortung als andere
Branchen, wenn es um arbeitsplatzbeschaffende Maßnahmen für Arbeitslose geht.
Je höher das Bildungsniveau des Einzelnen, desto weniger wird er mit Arbeitslosigkeit konfrontiert
sein. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Branchen und Bildungsniveaus spielt dabei eine
bedeutende Rolle. Bei verlangsamtem Aufschwung steht etwa die Hälfte aller Personen mit
höherem Bildungsniveau vor der Arbeitslosigkeit. Je länger die Arbeitslosigkeit einer Person
andauert, desto schwieriger wird es, auf den Arbeitsmarkt zurückzukehren. Die
Beschäftigungszahlen derjenigen, die zu Rezessionszeiten einen Hochschulabschluss erworben
haben, bleiben auf einem beständig niedrigeren Niveau als bei Personen, die in Aufschwungzeiten
die Ausbildung abgeschlossen haben.
In Finnland sind die Ausbildungsangebote gleichmäßig über das Land verteilt: mit dieser Politik soll
sichergestellt werden, dass in allen Regionen qualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Die
Beschäftigung von Hochschulabsolventen hängt von der Größe des lokalen Arbeitsmarktes und auf
jeden Fall von der Ausbildungsrichtung ab. Nur in der Region der Hauptstadt Helsinki stehen
genügend offene Stellen für einen Großteil der Personen zur Verfügung, die in der gleichen Region
studiert haben. Selbst in der wachstumsorientierten Region um Oulu muss z.B. die Hälfte der
dortigen Hochschulabsolventen wegziehen, um einen Arbeitsplatz zu finden. Die Mehrheit der
Studenten der kleineren Universitäten wird schließlich an einem anderen Ort eingestellt. Die
Studienrichtung hat ebenfalls einen wichtigen Einfluss auf die Frage, wo der Absolvent eine
Beschäftigung findet: der Arbeitsmarkt für Ärzte, Lehrer, Geistliche, Krankenschwestern, Polizisten
und Beamte erstreckt sich über alle 452 Kommunen des Landes, ein Großteil der
Hochschulabsolventen dieser Richtungen muss daher den Ausbildungsort für eine Erwerbstätigkeit
verlassen.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
45
VON DER AUSBILDUNG AUF DEN ARBEITSMARKT
Ronnie Andersson
Statistics Sweden
SE-701 89 ÖREBRO
[email protected]
1. Einleitung
Ein schwedischer Medizinprofessor erklärte in einem Interview anlässlich seiner Pensionierung,
dass die persönlichen Identifikationsnummern, die in allen offiziellen Registern verwendet werden,
„Schwedens wichtigster Beitrag für die Welt“ sind. Anhand dieser Nummern ist es möglich, alle
Patientendaten zu verfolgen, aufzufinden und z.B. unterschiedliche Behandlungsergebnisse zu
überprüfen. Dies mag eine scherzhafte Übertreibung sein, doch jeder Statistiker, der mit Registern
und Längsschnittstudien arbeitet, würde diese Meinung sicher teilen.
Die hier beschriebene Statistik zur Untersuchung des Übergangs von der Schule ins Arbeitsleben
hängt maßgeblich von diesem Identifizierungssystem ab, mit dem es möglich ist, Daten aus
verschiedenen Registern miteinander zu kombinieren und große, landesweite repräsentative
Stichproben/Kohorten auf ihrem Weg von der Ausbildung bis zum Einstieg in den Arbeitsmarkt im
Erwachsenenalter zu verfolgen.
Das schwedische Identifikationssystem basiert auf den Geburtsdaten: die ersten sechs Stellen setzen
sich aus Jahr, Monat und Tag zusammen. Ein darauffolgender dreistelliger Kode – bestehend aus
den Ziffern drei bis sieben – unterscheidet die Personen, die am gleichen Tag geboren sind, und eine
zehnte Ziffer (eine Funktion der ersten neun) stellt sicher, dass die Kombination richtig ist. Die
Identifikationsnummer 460120-5432 zum Beispiel bedeutet, dass die Person am 20. Januar 1946
geboren ist. Der dreistellige Kode 543 unterscheidet sie von allen anderen Personen, die an diesem
Tag geboren sind (ist die letzte Ziffer eine ungerade Zahl, hier eine 3, bedeutet dies, dass es sich um
einen Mann handelt. Für Frauen werden gerade Zahlen an der letzten Stelle eingetragen). Die letzte
Ziffer 2 ist die Kontrollziffer. Fast alle Schweden haben ihre persönliche Identifikationsnummer im
Kopf.
In der vorliegenden Abhandlung soll nun keine Erläuterung des schwedischen Bildungssystems
gegeben werden. Hierzu findet der interessierte Leser nähere Informationen bei Abrahamsson
(1999) und/oder der Veröffentlichung des Ministeriums für Bildung und Wissenschaft (1997).
Das Statistische Zentralamt veröffentlicht zwei unterschiedliche Arten von Statistiken: Statistiken,
die auf Umfragen basieren, und Statistiken, die auf Daten aus vorhandenen Registern zurückgreifen.
Die veröffentlichte Registerstatistik rekurriert auf ein Registersystem, das vom Statistischen
Zentralamt entwickelt wurde und sich aus Daten aus verschiedenen landesweiten
Verwaltungssystemen zusammensetzt. Ein Vergleich zwischen Umfragen und Registern, die auf
Verwaltungsdaten zurückgreifen, ist allerdings nicht möglich, wenngleich es möglich ist, Umfragen
durch den Zugriff auf die Register zu verbessern und Registerstatistiken anhand von Umfragen zu
evaluieren und zu verbessern. Auch können durch Zusatzinformationen aus den Registern
Stichprobenfehler minimiert werden. Die Umfrageergebnisse können wiederum zur Verbesserung
der Validitätsgüte von Registerstatistiken verwendet werden.
46
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
In diesem Bericht soll keine ausführliche Erläuterung des gesamten Systems der Registerstatistik in
Schweden geliefert werden (siehe hierzu z.B. Carling 1996). Vielmehr soll das für Aus- und
Weiterbildungsstatistiken verwendete System detailliert dargestellt werden.
2. Das schwedische System für Aus- und Weiterbildungsstatistiken
2.1 Drei verschiedene Quellen
Der Übergang von der Ausbildung auf den Arbeitsmarkt lässt sich auf mindestens drei verschiedene
Arten messen, nämlich auf der Grundlage von:
 Registern
 Zusatzerhebungen bei Studenten (Survey-Studie)
 Gruppenuntersuchungen mit Schülern (Panelstudie)
In Schweden werden alle drei Methoden angewendet. Alle drei Verfahren ergänzen einander und
sind daher nötig, um ein umfassendes Bild über den Übergangsprozess zu erhalten. Das Statistische
Zentralamt hat über lange Zeiträume Survey-Studien bei Studenten durchgeführt, um den Wechsel,
den die jungen Leute von der Ausbildung zum Arbeitsmarkt erleben, zu untersuchen. Weiterhin
wurden im Verlauf der letzten 5–10 Jahren vom Statistischen Zentralamt Registerstudien
durchgeführt, die die Beziehung zwischen dem Bildungssystem und dem Arbeitsmarkt untersuchen
sollten. Die Notwendigkeit dieser umfangreichen Studien ergibt sich, weil die Nachfrage nach
Statistiken, die den Übergang von der Ausbildung in das Arbeitsleben verdeutlichen, hoch ist und in
den 90er Jahren wegen der hohen Arbeitslosenquoten bei jungen Leuten und besonders bei jungen
Immigranten weiterhin gestiegen ist (Olsson und Arvemo-Notstrand 1997).
Auf der nächsten Seite wird das hier beschriebene statistische System in einem Bild illustriert, das
deutlich die Untersuchungen zum Flow, also den „fließenden“ Übergängen vom Ausbildungssystem
in den Arbeitsmarkt darstellt. Diese Übergänge sind in der heutigen Zeit nicht einfach zu
beschreiben (wenn sie es denn jemals waren). Ihre Komplexität ergibt sich dadurch, dass eine
Vielzahl an Personen verschiedene Bildungssysteme durchschreiten und von diesen auf den
Arbeitsmarkt stoßen oder ihn verlassen.
Als Verfasser von Ausbildungsstatistiken möchte das Statistische Zentralamt grundlegende
Angaben zu jedem Ausbildungsprogramm geben, und zwar bezogen auf:






Bewerber (als Maß für den Bedarf an Ausbildung)
Anfänger
Registrierte Personen
Hochschulabsolventen
Lehrer/Personal
Kosten
Mit den Statistiken sollen Hintergrundinformationen über die Studenten erhoben werden, so z.B.
Geschlecht, Alter, regionale und soziale Herkunft, Ausbildung sowie Informationen über Noten und
Prüfungsergebnisse. Gleichzeitig soll der Frage nachgegangen werden, ob die Schüler wirklich in
der Schule lernen.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
47
In Schweden wurden die statistischen Studien im Jahr 1937 mit Untersuchungen an Hochschulen
begonnen und seitdem für andere Bildungssysteme weiterentwickelt. Auch in Zukunft wird dieses
System weiter ausgearbeitet. Neu ist allerdings die statistische Beschreibung der Übergänge. Einige
dieser Übergänge können dabei sehr gut statistisch erfasst werden, wie z.B. der Wechsel von der
Gymnasialschule in den Tertiärbereich oder vom Tertiärbereich auf den Arbeitsmarkt. Andere
Übergänge sind noch schwierig zu erfassen, wie z.B. der Wechsel von der Erwachsenenbildung auf
den Arbeitsmarkt. Idealerweise sollte in diesem Zusammenhang eine Kohorte in ihrer Entwicklung
vom Ende der Grundschule bis zum Einstieg in den Arbeitsmarkt beobachtet werden.
Die erstellten und noch geplanten Ausbildungsstatistiken sind eine wahre Fundgrube an
Informationen, mit deren Auswertung gerade erst begonnen wurde. Wenn diese wertvollen
Informationen genutzt werden sollen, ist das Statistische Zentralamt auf die Unterstützung von
Wissenschaftlern und Spezialisten aus dem Ausland, die für die Arbeit mit Aus- und
48
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Weiterbildungsstatistiken nach Schweden kommen, und von nationalen Einrichtungen angewiesen.
Diese Arbeit kann und soll nicht alleine bewältigt werden.
Folgende Informationslücken sind im System vorhanden:
 Es fehlt ein Berufsregister. Zurzeit wird ein solches Register aufgebaut; diese Arbeit wird jedoch
noch einige Jahre in Anspruch nehmen. Bei der Untersuchung zum Übergang von der
Ausbildung auf den Arbeitsmarkt ist die Frage nach dem ausgeübten Beruf weit interessanter als
die Information über die Branchen, die bereits in den Registern enthalten ist.
 In der Registerstatistik müssen die „Tätigkeiten nach der Ausbildung“ stärker kategorisiert
werden. Zurzeit wird mit folgenden vier Kategorien gearbeitet: Erwerbstätige, Erwerbstätige und
Studenten, Studenten, Andere. Die Kategorie „Erwerbstätige“ und besonders die Kategorie
„Andere“ müssten genauer unterteilt werden.
 Der Aspekt der Erwachsenenbildung in den statistischen Untersuchungen muss stärker
hervorgehoben werden. Wenn in Zukunft Statistiken über lebenslanges Lernen erhoben werden
sollen, muss eine bessere Koordination der Statistiken über Erwachsenenbildung in Schweden
angestrebt werden. Unter anderem soll dazu alle drei Jahre eine gesonderte Erhebung zum
Thema Erwachsenenbildung durchgeführt werden.
 Es liegen keine oder wenige Informationen über Studenten vor, die das Bildungssystem ohne
Abschluss verlassen. Daher muss die Aufmerksamkeit mehr auf die „Studienabbrecher“ gelenkt
werden.
2.2 Vor- und Nachteile von Studien auf der Grundlage von Verwaltungsdaten bzw. Umfragen
Die Verwendung von Verwaltungsdaten anstelle von Befragungen ermöglicht eine Reduktion von
Kosten und Rücklaufzeiten. Es darf dennoch nicht davon ausgegangen werden, dass die
Verwaltungsdaten eine preiswerte Alternative zu Befragungen sind. Die Studien anhand von
vorhandenen Verwaltungsdaten und die Studien durch Umfragen sollten als zwei unterschiedliche
Verfahren angesehen werden, von denen jedes unter bestimmten Voraussetzungen seine Vorteile
hat. So hat das Statistische Zentralamt durch den Zugriff auf Verwaltungsdaten neue Möglichkeiten,
ein aussagefähiges statistisches System zu errichten. Die effektive Nutzung der Verwaltungsdaten
setzt allerdings voraus, dass ein System von statistischen Registern entwickelt wird, das mit den
Befragungsdaten vergleichbar sein muss.
Die Nutzung von Verwaltungsdaten ist außerdem sehr stark von dem System abhängig, das diese
Daten generiert. Somit besteht die Gefahr, dass die von den Verwaltungsbehörden definierten
Einheiten und Variablen für statistische Zwecke nicht verwendbar sind. Dieser Nachteil kann
allerdings auf drei verschiedene Arten durch das statistische Amt ausgeglichen werden:
 Auf der Grundlage der Verwaltungseinheiten müssen statistisch inhaltliche Einheiten definiert
werden (so bereits der Fall im schwedischen Unternehmensregister, in dem verschiedenartige
Wirtschaftseinheiten definiert wurden).
 Auf der Grundlage der Verwaltungseinheiten müssen statistisch inhaltliche Variablen definiert
werden.
 Durch die Kombination zahlreicher Quellen ist es besser möglich, statistisch relevantes
Datenmaterial zu erzeugen.
Zusammenfassend wird dieser Prozess auch als die Transformation von Verwaltungsregistern in
statistische Register bezeichnet. Bezüglich der für die Statistikorganisationen interessanten Daten,
ist die Qualität der Verwaltungsregister zumeist gut, wenn nicht sehr gut. Daten, die dem Register
zu rein statistischen Zwecken hinzugefügt wurden, die allerdings für die Verwaltung nicht
bedeutsam sind, sind häufig weniger gut gepflegt. In diesem Fall müssen die Verwaltungsregister
mit großem Aufwand für die Umwandlung in statistische Register bearbeitet werden. Ein weiterer
Nachteil der Registerstatistik liegt darin, dass oft ein großer Zeitraum benötigt wird, bis die
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
49
Statistiken erhoben werden können. So kann z.B. erst heute, im Mai 2000, auf die Daten des
Beschäftigungsregisters aus November 1998 zugegriffen werden.
Bei Befragungen hingegen ist es zwar möglich, eigene Variablen zu definieren, doch sind die
Ergebnisse stark von den Möglichkeiten und der Bereitschaft der Befragten abhängig, auf die
gestellten Fragen zu antworten. Daher bietet sich der Zugriff auf Verwaltungs- bzw. statistische
Register an, wenn es um persönliche oder schwierige Fragestellungen, wie dem Einkommen oder
der Ausbildung geht.
An dieser Stelle soll nochmals betont werden, dass Registerstatistiken und Umfragestatistiken
methodisch sicherlich nicht miteinander konkurrieren können, sondern als komplementäre
Verfahren betrachtet werden müssen. Registerstatistiken liefern die Grundlagendaten über
Unterschiede zwischen verschiedenen Kategorien und über Veränderungen über einen gewissen
Zeitraum. Auf dieser Grundlage kann dann eine Umfrage ausgearbeitet werden, die genauere
Aussagen über die Ursachen der gewonnenen Strukturen erlaubt. Mithilfe des statistischen Registers
besteht die Möglichkeit, genauere Bevölkerungskategorien für die Stichprobenziehung abzugrenzen.
Statistiken, die auf der Grundlage von Verwaltungsdaten erhoben werden, haben weiterhin den
Vorteil, dass sich daraus Ergebnisse für viele Untergruppen ableiten lassen. Wenn z.B. der Einstieg
von jungen Leuten in den Arbeitsmarkt beschrieben wird, so ist es wichtig, in diesem
Zusammenhang auch die Ergebnisse zu unterschiedlichen Kursen und Studienprogrammen zu
präsentieren. Bei einer Studie mit einer repräsentativen Stichprobengröße sind valide Schätzungen
für viele Untergruppen gleichzeitig schwierig. Aus diesem Grund sind vorhandene
Verwaltungsdaten für Regionalstatistiken von großer Bedeutung. In manchen Fällen besteht
allerdings in Ermangelung anderer Daten nur die Möglichkeit, auf Registerstatistiken zuzugreifen.
3. Die Register
Folgende Register werden für die Beschreibung des Übergangs von der Ausbildung auf den
Arbeitsmarkt verwendet:
 Register der Pflichtschulklasse 9
 Gymnasialschulregister
 Hochschulregister
 Register für kommunale Erwachsenenbildung
 Gesamtbevölkerungsregister (Schwedische Abkürzung: RTB). Die wichtigsten Variablen in
diesem Register sind: Persönliche Identifikationsnummer, Wohnsitz, Name, Adresse,
Familienstand, Staatsangehörigkeit, Geburtsland, Einwanderung und Auswanderung.
 Volkszählungen. Für Ausbildungsstatistiken werden meist Volkszählungen verwendet, um
Informationen über die soziale Herkunft der Studenten aufgrund des Berufs ihrer Eltern zu
erhalten.
 Ausbildungsregister. Dieses Register enthält Informationen über die Ausbildung aller in
Schweden lebenden Personen zwischen 16 und 74 Jahre.
 Studienregister (schwedische Abkürzung: RPU).
 Beschäftigungsregister (schwedische Abkürzung: RAMS). Dieses Register enthält Variablen,
wie z.B. Größe und Eigentümer eines Unternehmens, Standort und Branche der Firma für alle
Erwerbstätigen in Schweden.
 Lohnstatistikregister (enthält neben den Löhnen den Beruf von etwa 75% der Erwerbstätigen und
wird gelegentlich anstelle eines Beschäftigungsregisters verwendet)
 Einkommensregister
 Zentrales Unternehmens- und Einrichtungsregister. Dieses Register ist eine ständig aktualisierte
Datenbank, in der die aktuellen Situationen (Branche, Sektor, Größe, Standort usw.) für alle
50
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Unternehmen und Einrichtungen in Schweden festgehalten sind. Jedes Unternehmen bzw. jede
Einrichtung ist mit einer eindeutigen Identifikationsnummer versehen.
Auf der Grundlage dieser Register wurde eine integrierte Datenbank mit dem Namen LUCAS
(schwedische Abkürzung für Längsschnittregister für Ausbildungs- und Arbeitsmarktstatistiken)
erstellt. Integrierte Datenbanken ermöglichen die einfache und preiswerte Verbreitung statistischer
Informationen. LUCAS enthält Daten aus den meisten der oben genannten Registern und wurde
speziell für die Erhebung von Statistiken über die Übergänge vom Bildungssystem auf den
Arbeitsmarkt gestaltet. Im Folgenden werden die aktuellsten statistischen Datenreports aufgeführt:
 U 81 SM1 9901: The transistion from education to the labour market 1991–1997 [Der Wechsel von der
Ausbildung auf den Arbeitsmarkt 1991–1997]
 UF 81 SM 0001: Activity after education – industry, sector and income during 1997 [Tätigkeiten nach
der Ausbildung – Branche, Sektor und Einkommen in 1997]
Die nachfolgende Tabelle aus LUCAS stellt die Abnahme der Arbeitsmarktzahlen nach Verlassen
der Pflichtschule dar:
Tabelle 1: Tätigkeit nach der Pflichtschule bei Schulabschluss im Herbst dargestellt in
Prozent
Schuljahr
Tätigkeitsjahr
Erwerbs-ErwerbsStutätige
tätige und denten
Studenten
Andere
Gesamt
Gesamtzahl
1990/91
1991/92
1992/93
1993/94
1994/95
1995/96
1996/97
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
6
2
0
0
0
0
0
5
3
4
3
3
3
2
100
100
100
100
100
100
100
104 000
99 000
97 000
94 000
97 000
100 000
97 000
10
6
2
2
2
2
2
80
89
95
95
95
95
96
Ein großer Vorteil der schwedischen Registerstatistiken liegt in der Möglichkeit, Verknüpfungen
zwischen Personen und Unternehmen/Einrichtungen herzustellen. Diese Verknüpfungen werden im
Einkommensprüfregister vorgenommen, das ursprünglich für die Verwendung durch die
schwedischen Finanzbehörden erstellt wurde. In diesem Register ist jede Arbeitsstelle aufgeführt,
die ein Angestellter im Verlauf eines Jahres ausgeübt hat. Das Register enthält nur wenige
Variablen, jedoch dient es als Basis für das Registersystem, da jeder Arbeitsstelle eine Person und
ein Unternehmen bzw. eine Einrichtung zugeordnet sind. Die Verknüpfung bietet zahlreiche
Möglichkeiten für statistische Auswertungen, z.B. zu der Frage, welche Art von Unternehmen
Studenten aus verschiedenen Ausbildungsprogrammen einstellt, oder wie das Ausbildungsniveau in
unterschiedlichen Unternehmensarten gestaltet ist. Das Einkommensprüfregister dient ebenfalls als
Grundlage für das oben genannte Beschäftigungsregister (RAMS).
4. Survey-Studie bei Studenten
4.1 Einleitung
1
Alle in dieser Abhandlung genannten statistischen Datenreports (SM) sind in schwedischer Sprache verfasst und
enthalten eine Zusammenfassung in englischer Sprache sowie ein Glossar der Fachbegriffe.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
51
Die Survey-Studie bei Studenten ist eine Befragung einer begrenzten Anzahl von Studenten einer
bestimmten Ausbildungsform. Grundlage für die Stichprobenziehung ist in der Regel das
ausbildungsstatistische Register, in dem Informationen über die entsprechenden Schulformen
enthalten sind. Die Stichprobengröße variiert zwischen 5.000 und 15.000 Befragten. Die
Befragungen werden auf postalischem Weg und per Telefoninterview durchgeführt, um die
Datenbasis zu erhöhen. So konnte im Durchschnitt eine Rücklaufquote von ca. 70% erzielt werden.
Da es mithilfe des Gesamtbevölkerungsregisters (RTB) leicht ist, die korrekten Adressen der
ausgewählten Studenten zu finden, können Survey-Studien in Schweden im Vergleich zu vielen
anderen Ländern besser durchgeführt werden.
Die Zusatzerhebungen bei Studenten sollen beschreiben, welche Entwicklung Personen mit einer
bestimmten Ausbildung nehmen, inwieweit ihre Ausbildung diesen Weg begünstigt hat, und aus
welchen Gründen unterschiedliche Personen sich für bestimmte Zweige des Ausbildungssystems
und bestimmte Wege hin zum Arbeitsleben entscheiden.
Mithilfe von staatlichen Subventionen können zwei oder drei Surveys mit Studenten pro Jahr
durchgeführt werden (im Vergleich werden etwa 10 Auftragsstudien pro Jahr durchgeführt, bei
denen ein Kunde für die Durchführung einer Befragung zahlt. Die Stichprobengröße ist bei staatlich
geförderten Befragungen normalerweise auch kleiner als bei Auftragsstudien).
Zusatzuntersuchungen bei Studenten werden in folgende Kategorien unterteilt:
 Wechsel von der Gymnasialschule zur Hochschulausbildung (siehe Punkt 4.2)
 Einstieg in den Arbeitsmarkt (siehe Punkt 4.3)
 Ad-hoc-Umfragen (siehe Punkt 4.4)
4.2 Wechsel von der Gymnasialschule zur Hochschulausbildung
Seit 1993 führt das Statistische Zentralamt jährliche Befragungen unter Absolventen von
Gymnasialschulen bezüglich ihres Interesses an einer Hochschulausbildung durch. Die jüngste
Studie wurde im Herbst 1999 mit einer Stichprobe von 4.500 Absolventen von Gymnasialschulen in
den Abschlussklassen des Schuljahres 1999/00 durchgeführt. Folgende Tabelle stellt die Ergebnisse
seit 1994/95 vergleichend dar:
Tabelle 2: Geplante Aufnahme einer Hochschulausbildung innerhalb von 3 Jahren dargestellt
in Prozent
Frauen
Männer
1994/95
58
49
1995/96
58
43
1996/97
60
45
1997/98
65
51
1998/99
61
47
1999/00
61
46
Mehr als die Hälfte der Studenten, die die Gymnasialschule im Frühjahr 2000 abschließen, planen
innerhalb von drei Jahren das Studium an einer Universität oder einer Hochschule aufzunehmen.
Frauen sind dabei mehr an einer Hochschulausbildung interessiert als Männer. Bei einem Vergleich
über den Gesamtzeitraum hatten die Abschlussklassen des Jahrganges 1997/98 am meisten Interesse
an einer Hochschulausbildung. Zu diesem Zeitpunkt planten fast 60% der Studenten eine
Hochschulausbildung. Die Ergebnisse der jüngsten Befragung zeigen, dass das Interesse an einer
Universitäts- oder Hochschulausbildung in etwa auf dem gleichen Niveau geblieben ist wie im
vorhergehenden Jahr.
52
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Die Registerstatistiken (siehe Tabelle 3 weiter unten) zeigen, dass der Wechsel von der
Gymnasialschule zur einer Hochschulausbildung in den 90er Jahren stagnierte. Die Wechselquote
innerhalb eines Jahres nach dem Abschluss in den Jahren 1990/91 bis 1997/98 variiert zwischen 16
und 18 Prozent. Bei den Frauen nahm die Wechselquote innerhalb eines Jahres nach Abschluss von
18 auf 20 Prozent zu, während sie bei den Männer von 14 auf 12 Prozent gesunken ist.
Tabelle 3: Wechselquote zu Hochschulausbildung
Wechselquote zu Tertiärausbildung innerhalb von 1–10 Jahren nach Gymnasialschule
from upper secondary
school
1988/89–1997/98
dargestellt
in Prozent
Jahr 1
Schuljahr
Frauen und Männer
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Jahr 5
Jahr 6
Jahr 7
Jahr 8
Jahr 9
Jahr 10
r
88/89
89/90
90/91
91/92
92/93
93/94
1)
94/95
95/96
96/97
97/98
11
12
16
18
18
18
22
17
16
16
18
22
26
28
29
30
37
30
30
24
28
32
34
35
37
45
37
28
32
36
37
39
41
50
31
35
39
40
42
44
33
37
41
42
44
35
39
43
44
36
41
44
38
42
39
Frauen
88/89
89/90
90/91
91/92
92/93
93/94
1)
94/95
95/96
96/97
97/98
12
14
18
20
21
21
25
22
21
20
22
25
29
32
33
36
41
35
35
28
31
35
38
39
42
48
42
32
35
39
42
43
46
52
34
38
42
45
46
49
37
41
45
47
48
39
43
47
48
40
45
48
42
46
43
Männer
88/89
89/90
90/91
91/92
92/93
93/94
1)
94/95
95/96
96/97
97/98
10
11
14
16
15
14
19
12
12
12
15
20
23
24
25
26
34
25
26
21
26
29
30
31
32
42
32
25
29
32
33
35
36
47
27
32
35
36
38
39
30
34
37
38
39
31
36
39
40
33
37
40
34
38
35
1) Die höchste Wechselquote 1994/95 beruht auf einem Wechsel der Gymnasialschule.
Die Zahlen sind überschätzt i.Vgl. zu einem gewöhnlichen Jahr.
Die Wechselquote innerhalb von drei Jahren wuchs in der Zeit von 1992/93 bis 1995/96 von 35 auf
37 Prozent. Im Jahr 1995/96 betrug die Häufigkeit bei Frauen 42% und bei Männern 32%, d.h. eine
Differenz von 10 Prozentpunkten.
Es wird erwartet, dass die Anzahl der Studienanfänger an Universitäten und Hochschulen in den
nächsten fünf Jahren auf dem gleichen Niveau wie heute bleibt. Aufgrund einer Veränderung der
Alterstruktur in der Bevölkerung wird für das Jahr 2005 und die folgenden Jahre eine ansteigende
Zahl von Studienanfängern an Hochschulen erwartet. In zehn Jahren wird die Zahl der 19-Jährigen
im Vergleich zu heute um 30% gewachsen sein. Dies bedeutet, dass bei einer auf dem heutigen
Stand stagnierenden Wechselhäufigkeit von der Gymnasialschule zu einer Hochschulausbildung die
Zahl der Personen, die innerhalb von 10 Jahren nach Abschluss einer Gymnasialschule eine
Hochschulausbildung beginnen werden, von heute 42.000 auf etwa 50.000 in zehn Jahren steigen
wird. Weitere Informationen sind im folgenden aktuellen statistischen Datenreport zu finden:
 UF 36 SM 0001: The transition from upper secondary school to higher education. Interest in higher
education among upper secondary school students 1999/00 [Der Wechsel von der Gymnasialschule zur
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
53
Hochschulausbildung. Interesse an einer Hochschulausbildung bei Absolventen der Gymnasialschule in
1999/00].
4.3 Einstieg in den Arbeitsmarkt
Alle zwei Jahre führt das Statistische Zentralamt eine Zusatzuntersuchung bei
Gymnasialschulabsolventen und Studenten, die Grundstudien- und Abschlussprüfungen an
Universitäten oder Hochschulen abgelegt haben, durch. Die Untersuchung heißt „Einstieg in den
Arbeitsmarkt“ und wird drei Jahre nach dem Schul- bzw. Hochschulabschluss durchgeführt. Die
Ergebnisse dieser Umfrage zeigen den Wechsel von der Ausbildung in das Arbeitsleben sowie die
Situation auf dem Arbeitsmarkt für Personen unterschiedlicher Bildungsniveaus.
Diese Untersuchung wird alle zwei Jahre durchgeführt, damit Ergebnisse in Form von Zeitreihen
gewonnen werden können. Bisher wurden die Ergebnisse von zwei Befragungen veröffentlicht, eine
dritte wird im Frühjahr dieses Jahres durchgeführt:
 U83 SM 9601: The entrance to the labour market. Survey in spring 1996 among school-leavers from
upper secondary school and graduates from higher education 1993 [Einstieg in den Arbeitsmarkt.
Befragung im Frühjahr 1996 bei Absolventen der Gymnasialschule und Hochschule mit Abschluss im
Jahr 1993].
 U83 SM 9801: The entrance to the labour market. Survey in spring 1998 among school-leavers from
upper secondary school and graduates from higher education 1994/95 [Einstieg in den Arbeitsmarkt.
Befragung im Frühjahr 1998 bei Absolventen der Gymnasialschule und Hochschule mit Abschluss im
Jahr 1994/95].
4.4 Ad-hoc-Umfragen
Die Zielsetzungen von Ad-hoc-Zusatzuntersuchungen hängen in gewissem Maße von der aktuellen
Situation des Bildungswesens bzw. des Arbeitsmarktes ab. Wenn die Arbeitsmarktlage z.B.
angespannt ist, wird in den Umfragen verstärkt nach einer Beschreibung der Funktionsweise des
Arbeitsmarktes gefragt. In Zeiten, in denen Probleme im Bildungssystem auftauchen, wie z.B. bei
der Anwerbung von Hochschulabsolventen, steigt entsprechend das Interesse an Fragen bezüglich
der Gründe für die Aufnahme eines Studiums, für Unterbrechungen usw. Die beiden folgenden
Datenreports sollen als Beispiele aus den letzten Jahren angeführt werden:
 U30 SM 9801: University entrants. Survey in spring 1998 among university entrants the academic years
1990/91 and 1995/96 [Studienbeginner. Befragung im Frühjahr 1998 bei Studienanfängern in den
akademischen Jahren 1990/91 und 1995/96].
 U48 SM 9901: What happens after the nine-year compulsory school? Survey in spring 1999 among youth
born in 1978 [Was geschieht nach 9 Jahren Pflichtschule? Befragung im Frühjahr 1999 bei Jugendlichen
des Geburtenjahrgangs 1978].
5. Paneluntersuchungen mit Schülern als Längsschnittstudie
5.1 Einleitung
In diesem Kapitel wird ein Programm von Längsschnittuntersuchungen beschrieben, das im Jahr
1961 begonnen wurde und zum jetzigen Zeitpunkt landesweit repräsentative Stichproben von sieben
in Schweden lebenden Geburtsjahrgängen umfasst. Die Gruppe der ältesten Personen ist 1948
geboren, die jüngsten 1987. Mit einer Ausnahme bestehen die Stichproben aus 9.000–12.000
Befragten, d.h. zwischen 8 und 10 Prozent der entsprechenden Geburtsjahrgänge. Die
Untersuchungsteilnehmer wurden vom Alter von 10–13 Jahren an in ihrem Bildungsweg verfolgt.
In zunehmendem Maße sollen sie auch nach dem Einstieg in das Berufsleben beobachtet werden.
54
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Ein Großteil der Beschreibungen in Punkt 5 wurde der Veröffentlichung von Härnqvist (1998)
entnommen.
5.2 Kohorten und Stichproben
Das Programm sollte ursprünglich Stichproben jeden fünften Geburtsjahrgangs von 13-jährigen
Schülern umfassen, wie geplant wurde auch in den Jahren 1961 und 1966 damit begonnen. Aus
verschiedenen Gründen musste das Programm allerdings vorübergehend unterbrochen werden, so
dass die nächsten Daten erst 1980 aufgenommen werden konnten. In Tabelle 4 ist eine Übersicht der
Kohorten und Stichprobenmerkmale dargestellt.
Tabelle 4: Kohorten und Stichproben der Paneluntersuchung mit Schülern
Geburtsjahr
Stichprobenmerkmal
1948
Jahr
der Klasse
ersten Datenaufnahme
1961
berechnet 6
Stichprobengröße
1953
1966
berechnet 6
Geburtsdatum 10%= 10.000
berechnet
1967
berechnet
1972
berechnet
1977
berechnet
1982
berechnet
1987
1980
6
1982
3
1987
3
1992
3
1997
3
Jahrgangsklasse 6
Jahrgangsklasse 3
Jahrgangsklasse 3
Jahrgangsklasse 3
Jahrgangsklasse 3
Geburtsdatum 10%= 12.000
9.000
9.000
4.500
9.000
9.000
Die ersten beiden Geburtsjahrgänge wurden individuell auf der Grundlage der Geburtsdaten
erhoben. Jede Person, die an einem 5., 15. und 25. in allen Monaten des Jahres geboren wurde,
wurde in die Stichprobe einbezogen. So konnte eine 10%-Stichprobe der gesamten Kohorten
erzeugt werden. Das bedeutet, dass sich die Schüler in unterschiedlichen Klassen befanden,
ungefähr 90% Prozent jedoch in der 6. und damit in der für das Alter üblichen Klasse.
Nach der Wiederaufnahme der Untersuchung im Jahr 1980 wurde ein geschichtetes
Stichprobenverfahren der Schulklassen verwendet, zunächst in der 6. und später auch in der 3.
Klasse. Die Kohorten wurden nach dem berechneten Geburtsjahr eines Großteils der Schüler
zusammengestellt. In allen Kohorten, mit Ausnahme der Kohorte 1977, betrug die
Stichprobengröße etwa 10% der Gesamtkohorte in Schweden. Die Kohorte 1977 betrug etwa 5%
der Gesamtkohorte.
Beide Stichprobenverfahren haben Vor- und Nachteile. Auf der einen Seite deckt eine Stichprobe
aus einzelnen Schülern nach Geburtsdatum aus allen Verwaltungsbezirken des Landes einen
größeren Bereich ab, als eine geschichtete Stichprobe der Klassen. Auf der anderen Seite erschwert
eine kleine und großflächig verteilte Stichprobe die Verwaltung der Datensammlung. Da die
meisten Klassen nur von zwei oder drei Schülern repräsentiert werden, wird die Analyse der
Klassenzusammensetzung unmöglich und die Analyse der Schulmerkmale zumindest schwierig.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
55
Eine Stichprobe aus Klassen erleichtert die Datenaufnahme, vor allem im ersten Fall. Sie ermöglicht
weiterhin eine Analyse auf Klassenebene für die Klassenstufe, aus der die Stichprobe entnommen
ist. Statistische Schätzungen mit besonderer Berücksichtigung von Klumpeneffekten werden
hingegen komplizierter.
5.3 Zusammenarbeit zwischen Statistischem Zentralamt und Forschungsgruppen
Das Programm wurde im Jahr 1960 vom Statistischen Zentralamt Schweden begonnen mit dem
Ziel, „administrative“ Daten über die Schulen über eine 10%-Stichprobe jeder fünften Kohorte im
Alter von 13 Jahren, d.h. zu einem Zeitpunkt, an dem die Schüler meist die 6. Klasse besuchen, zu
gewinnen. Von einigen Wissenschaftlern kam dann der Vorschlag, die vom Statistischen Zentralamt
gewonnenen „administrativen“ Daten durch forschungsorientierte Informationen zu ergänzen.
Somit war der Grundstein gelegt für eine lange, einmalige und erfolgreiche Zusammenarbeit
zwischen dem Statistischen Zentralamt und Wissenschaftlern im Bereich der Bildungsforschung.
Ohne diese enge, nunmehr fast 40 Jahre bestehende Zusammenarbeit wäre ein solches Programm
nie möglich gewesen. Das Kernstück des Programms besteht in der regelmäßigen Erhebung von
Daten an landesweiten, großen Schülerstichproben zu geeigneten Zeitpunkten während ihrer
Ausbildung. Die Rücklaufquote ist im Allgemeinen hoch und die Repräsentativität der Stichproben
kann als gut bezeichnet werden; beides sowohl bei den ersten Stichproben, die gemäß den
Geburtsdaten gezogen wurden, als auch bei der späteren geschichteten Stichprobentechnik der
Klumpenbildung.
Finanziell wurde der wissenschaftliche Teil des Programms während seiner Laufzeit von
verschiedenen Forschungskommissionen und -stiftungen gefördert. Der vom Statistischen
Zentralamt durchgeführte Teil wurde über den üblichen Weg der staatlichen Zuschüsse der
Regierung finanziert.
5.4 Gewonnene Daten
Die gewonnenen Informationen werden weiter unten nach Kategorien sortiert in einer Übersicht
aufgeführt. Die sogenannten „administrativen Daten“ wurden vom Statistischen Zentralamt
zusammengestellt; sie wurden entweder direkt an den Schulen für eine Kohorte aufgenommen
(jährlich in der Grundschule) oder aus den Registern des Statistischen Zentralamts gezogen
(Gymnasialschule, Kommunale Erwachsenenbildung). Alle anderen Daten wurden von den
Wissenschaftlern gewonnen.
Vom Statistischen Zentralamt gewonnene Daten:
Verwaltungsdaten der Schulen, wie z.B. Stufe, Klasse, Schulnoten (falls verfügbar),
Leistungstestergebnisse (falls verfügbar), gewählte Sprachen, besondere Förderung einzelner
Schüler
Ausbildung und Beruf der Eltern (soziale Herkunft der Schüler)
Auszug aus dem Register für Tertiärbildung
Auszug aus dem Register für Kommunale Erwachsenenbildung
Auszug aus den Volkszählungen und Einkommensregistern
Auszug aus dem Beschäftigungsregister (RAMS)
Von Wissenschaftlern aus dem Bereich der Bildungsforschung gewonnene Daten:
Ergebnisse der Tests zu sprachlichen, induktiven und räumlichen Fähigkeiten (identisch für alle
Kohorten)
56
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Fragebogenantworten von Schülern zu Schulanpassung, Interessen, Ausbildungs- und Berufsplänen
usw. (variiert zwischen den Kohorten)
Fragebogenantworten von Eltern zu o.g. Punkten (beginnend mit Kohorte 1967, variiert zwischen
den Kohorten)
Fragebogenantworten von Schulen und Lehrern zu Lehrmethoden sowie Klassen- und
Schulmerkmalen (beginnend mit Kohorte 1982)
Ergebnisse der Wehreignungstests (nur Männer der Kohorten 1948 und 1953)
Aufgrund der persönlichen Identifikationsnummer kann zu speziellen Fragestellungen auch auf
andere Register, z.B. den Aufzeichnungen zu Studienfinanzierung, zugegriffen werden.
5.5 Ergebnisse
Eine Datenbank mit Längsschnittcharakter, wie die hier beschriebene, kann nicht nur für
Längsschnittstudien, sondern auch für Querschnittstudien innerhalb jeder Kohorte und für den
Vergleich zwischen den Kohorten verwendet werden.
Das Statistische Zentralamt veröffentlicht ein oder zweimal pro Jahr die von Panels gewonnenen
statistischen Daten in den Statistischen Datenreports (SM). Im Folgenden sind einige Beispiele für
Veröffentlichungen Ende der 90er Jahre aufgeführt:
* U 73 SM 9501: Panels of pupils for longitudinal studies. 1967 panel. Education and employment 1983–
1992. [Schülerpanels für Längsschnittstudien. Panel 1967. Ausbildung und Beschäftigung 1983–1992.]
 U 73 SM 9601: Panels of pupils for longitudinal studies. 1982 panel. School attendance third grade to
sixth grade in elementary school. [Schülerpanels für Längsschnittstudien. Panel 1982. Schulbesuch dritte
bis sechste Grundschulklasse.]
 U 73 SM 9602: Panels of pupils for longitudinal studies. 1972 panel. Studies in local authority
administered adult education and higher education. [Schülerpanels für Längsschnittstudien. Panel 1972.
Studien zu kommunal verwalteter Erwachsenenbildung und Tertiärbildung.]
 U 73 SM 9801: Pupil panel for longitudinal studies. 1977 panel. From compulsory school through the
upper secondary school 1993–1997. [Schülerpanels für Längsschnittstudien. Panel 1977. Von der
Pflichtschule zur Gymnasialschule 1993–1997.]
 U 73 SM 9901: Panels of pupils for longitudinal studies. 1982 panel. School attendance and transition to
upper secondary school. [Schülerpanels für Längsschnittstudien. Panel 1982. Schulbesuch und Wechsel
zur Gymnasialschule.]
Von Seiten der Wissenschaftler aus der Bildungsforschung liegen Dissertationen und
wissenschaftliche Berichte zum Thema vor. Die Ergebnisse aus den Studien mit Schülerpanels
wurden auch als wichtiges Informationsmaterial für die grundlegenden Reformen des schwedischen
Bildungswesens verwendet.
Im Folgenden sind einige Beispiele für wichtige Themenbereiche aufgeführt:










Der Wechsel zur Gymnasialausbildung für verschiedene Geburtskohorten
Fähigkeiten und Leistung in Abhängigkeit von Geschlecht und sozialer Herkunft
Ein Pfadmodell für den Gymnasial- und Tertiärsektor
Extremgruppenanalyse
Nachwuchs in Wissenschaft und Technologie
Finanzielle Förderung und Nachwuchs für den Tertiärbereich
Selektionseffekte von Schuleignungsprüfungen
Intelligenzunterschiede zwischen Kohorten
Intelligenzveränderungen bei Einzelpersonen
Langzeiteffekte von Bildung
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
57
Bereits mit Beginn des Programms wurde betont, dass die Datenbank als nationale Datenbank
angesehen werden soll und in einem gewissen Ausmaß wurde sie auch von Wissenschaftlern
anderer Fachdisziplinen genutzt. Weiterhin sind die über die zweite Kohorte gewonnenen Daten in
ungekennzeichneter Form beim Schwedischen Datendienst für Sozialwissenschaften erhältlich. In
diesem Zusammenhang ist die gemeinsame Nutzung von Datenmaterial für weitere Fachdisziplinen
(z.B. für Untersuchungen in der Arbeitsmarktforschung) vorgesehen.
5.6 Einstieg auf dem Arbeitsmarkt
Wie in Punkt 5.5 gezeigt werden konnte, wurden die Daten der Schülerpanels in großem Maße als
Grundlage für Statistiken und Untersuchungen im Bereich des Bildungssystems einschließlich der
Fragen zu den Übergängen zwischen den verschiedenen Bildungsstufen verwendet. Bisher fehlen
allerdings Betrachtungen über den Wechsel zum Arbeitsmarkt.
Die Untersuchungen zu den Schülergruppen aus dem Jahr 1967 sollen mit Daten aus den Jahren
1990 und 1998 ergänzt werden, die dem Beschäftigungs- und dem Einkommensregister entnommen
werden und Informationen über den Arbeitsmarkt liefern. Durch eine enge Zusammenarbeit mit
Arbeitsmarktforschern (Wirtschaftswissenschaftlern) versprechen diese Daten interessante
Ergebnisse zu liefern. Dabei wird von wissenschaftlicher Seite aus die Aufmerksamkeit auf den
Zusammenhang zwischen Noten bzw. Prüfungsergebnissen und dem Einstieg in den Arbeitsmarkt
und den erzielten Einkommen gerichtet werden. Eine wichtige Frage wird lauten: Ermöglichen
bessere Noten/Prüfungsergebnisse bessere Karrierechancen auf dem Arbeitsmarkt? Wie wirken sich
hierauf Aspekte, wie soziale Herkunft, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit usw. aus?
Die Frage, wie Schülerpanels für die Beschreibung des Übergangs von der Ausbildung auf den
Arbeitsmarkt verwendet werden können, wird in einer in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern
erstellten Publikation in englischer Sprache veröffentlicht. Möglicherweise soll das Datenmaterial
noch durch einen Fragebogen an die Kohorte 1967 ergänzt werden, der Fragen zu deren Einstieg in
den Arbeitsmarkt enthält.
58
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
6. Literatur
Abrahamsson, Kenneth (1999): Vocational education and training in Sweden. Monograph prepared
for CEDEFOP. [Berufsausbildung und Weiterbildung in Schweden. Monografie vorbereitet für
CEDEFOP].
Carling, Jan (1996): The Role of Administrative Registers in Sweden’s Statistical System. Paper
presented at the 82ND DGINS CONFERENCE in Vienna, May 1996 [Die Bedeutung von
Verwaltungsregistern für Statistische Auswertungen in Schweden. Präsentation auf der 82. DGINSKONFERENZ in Wien, Mai 1996].
Härnqvist, Kjell (1998): A Longitudinal Program for Studying Education and Career Development.
Department of Education and Educational Research, Göteborg University. Report No 1998:01.
[Eine Längsschnittstudie zur Untersuchung von Ausbildung und Berufslaufbahn. Fachbereich für
Bildung und Ausbildungsforschung, Universität Göteborg. Bereicht Nr. 1998:01].
Olsson, Anna-Karin and Arvemo-Notstrand, Karin (1997): Transition to the Labour Market. Memo,
Statistics Sweden. Paper prepared for the Sienna Group Meeting in 1997, Session A: Immigration
and Working Life. [Einstieg auf dem Arbeitsmarkt. Memo, Statistisches Zentralamt. Präsentation
auf dem Gruppentreffen 1997 in Sienna, Arbeitskreis A: Einwanderung und Arbeitsleben].
Statistics Denmark (1995): STATISTICS ON PERSONS IN DENMARK – A register-based
statistical system. Eurostat 1995. [STATISTIK ZU EINWOHNERN DÄNEMARKS – Ein
registerbasiertes statistisches System. Eurostat 1995].
Swedish Ministry of Education and Science (1997): The Swedish education system, March 1997,
Eurydice. [Das schwedische Bildungssystem, März 1997, Eurydice].
Tegsjö, Björn (1998): Labour Statistics Based on Administrative Sources. The Swedish system
linking individual data with enterprise information. Memo, Statistics Sweden 1998-04-15.
[Arbeitsstatistiken auf der Basis von Verwaltungsdaten. Das schwedische System verbindet
Personendaten mit Unternehmensangaben. Memo, Statistisches Zentralamt 1998-04-15].
Wallgren, Anders and Wallgren, Britt (1997): Role of Administrative Registers in an Efficient
Statistical System – Methodological Problems and Quality Issues. Memo, Statistics Sweden, Paper
prepared for a Seminar in Luxembourg 15 and 16 January 1997. [Die Bedeutung von
Verwaltungsregistern in einem effzienten Statistiksystem – Methodische Probleme und
Qualitätsfragen. Memo, Statistisches Zentralamt. Paper präsentiert bei einem Seminar in
Luxemburg am 15. und 16. Januar 1997].
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
59
ANSTIEG DES BILDUNGSNIVEAUS UND KOMPETENZENTWICKLUNG:
NUTZEN DES GENERATIONSBEZOGENEN ANSATZES
Catherine Béduwé & Bernard Fourcade
LIRHE, URA CNRS
Université de Sciences Sociales de Toulouse 1
Place Anatole France
F- 31042 Toulouse Cedex
[email protected]
In diesem Beitrag soll versucht werden, den Nutzen des generations- bzw. jahrgangsbezogenen
Ansatzes für die Untersuchung der Auswirkungen aufzuzeigen, die der Anstieg des Bildungsniveaus
auf die Dynamik des Arbeitsmarktes hat. Dieser Ansatz stützt sich auf die Verwendung der
Variablen „ALTER“ in den einzelnen statistischen Erhebungen zur Erwerbstätigkeit und/oder zur
Ausbildung.
Grundlage für die theoretischen Überlegungen (Teil 1) und für die gewählten Anwendungsbeispiele
(Teil 2) ist das internationale Forschungsprojekt EDEX (Educational Development and Labour
Market), an dem fünf europäische Teams in Frankreich, Deutschland, Spanien, Italien und im
Vereinigten Königreich sowie ein Team in den USA teilnehmen1. Die verwendeten Statistiken
stammen sowohl aus administrativen Quellen der nationalen Behörden (Bildungsministerien) als
auch aus Erhebungen zur Beschäftigung (Arbeitskräfteerhebung oder nationalen Erhebungen zur
Erwerbsbevölkerung) in mehreren europäischen Ländern.
Die Angabe zum ALTER, die eine Person zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer statistischen
Erhebung macht, enthält zwei Elemente, die für die Analyse des Zusammenhangs zwischen
Ausbildung und Beschäftigung wesentlich sind: eine Information zum Geburtsjahrgang, dem die
Person angehört, sowie einen Indikator für die Dauer der bisherigen Präsenz auf dem Arbeitsmarkt.
Der Begriff Geburtsjahrgang ist unabhängig vom Jahr der jeweiligen Erhebung; im selben Jahr
geborene Personen (Personen gleichen Alters) haben dieses Merkmal ihr ganzes Leben lang
gemeinsam. Somit kann ein solcher Jahrgang anhand des Geburtsjahres über die Zeit verfolgt
werden, soweit es Reihen von regelmäßigen Erhebungen gibt [z.B. die französische Erhebung zur
Erwerbstätigkeit (EE) oder die Arbeitskräfteerhebung (AKE) von EUROSTAT]. Dabei kann man
beobachten, wie sich die Merkmale des Jahrgangs - insbesondere die Struktur der
Ausbildungsabschlüsse der ihm angehörenden Personen - mit zunehmendem Alter ausprägen. Mit
Hilfe der Registerangaben zum Alter der Schüler, die die Bildungsministerien zusammenstellen
können, kann der Bildungsverlauf ganzer Schülergenerationen rekonstruiert werden.
1
60
Das Projekt, das mit Gemeinschaftsmitteln aus dem Vierten FTE-Rahmenprogramm, TSER-Programm, 3.
Aufforderung, gefördert wird, trägt die Bezeichnung Educational Expansion and Labour Market EDEX,
(http://edex.univ-tlse1.fr/edex/). Folgende Institutionen sind daran beteiligt: Koordinator: LIRHE Université des
Sciences Sociales de Toulouse, Frankreich; Partnerinstitutionen: GRET, Universitat Autònoma de Barcelona,
Spanien; CEP, London School of Economics, Vereinigtes Königreich; Zentrum für Sozialforschung Halle (ZSH),
Deutschland; Centro di Recherche Economiche e Sociali (CERES) Rom, Italien; C.R.I.S. International, USA.
Ausgangspunkt des EDEX-Projekts ist der Anstieg des Bildungsniveaus in Europa mit seinen wirtschaftlichen
Auswirkungen auf die Dynamik der Arbeitsmärkte. Das Projekt gliedert sich in vier Phasen, die nacheinander
folgende Themen behandeln: 1. Die langfristige Entwicklung der Bildungsstrukturen, 2. Die Verteilung der
Kompetenzen in den Beschäftigungssystemen, 3. Das Verhalten der Arbeitgeber angesichts des ansteigenden
Bildungsniveaus, 4. Prospektive Szenarien. Die hier vorgestellten Ergebnisse basieren auf den nationalen Berichten
zur ersten Phase.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Das Alter als Indikator für die Dauer der Präsenz auf dem Arbeitsmarkt ist eine komplexere Größe,
die sehr wohl vom Beobachtungszeitpunkt abhängt. Bei jeder Folgeerhebung ist jeder Jahrgang ein
Jahr älter. Anhand des Alters können die einzelnen Jahrgänge relativ zueinander auf dem
Arbeitsmarkt positioniert werden: je höher das Alter, desto länger die Gesamtdauer der Präsenz auf
dem Arbeitsmarkt und desto größer die durchschnittliche Berufserfahrung dieses Jahrgangs. In
unseren früheren Arbeiten2 - aus der Anfangsphase von EDEX - haben wir den Begriff Alter in
diesem Sinne verwendet, um den Begriff Kompetenz einzuführen: eine Person wird auf dem
Arbeitsmarkt an ihrer Kompetenz gemessen, die eine Funktion ihres Ausbildungsabschlusses, aber
auch ihrer Berufserfahrung ist. Anhand der beiden Merkmale Ausbildungsabschluß und Alter einer
Person und – durch Aggregation - der Struktur der Ausbildungsabschlüsse eines jeden Jahrganges in
einem vorgegebenen Alter - können die auf dem „Markt der Kompetenzen“ aktiven Jahrgänge
miteinander verglichen werden.3
Vor dem Hintergrund des Anstiegs des Bildungsniveaus ist es zwangsläufig so, daß die jüngeren
Jahrgänge - insgesamt gesehen – zwar bei den Ausbildungsabschlüssen das höchste Niveau haben,
aber aufgrund ihrer bisher nur kurzen Berufslaufbahn noch über wenig Berufserfahrung verfügen.
Umgekehrt haben die älteren Jahrgänge mit dem demzufolge im Durchschnitt niedrigsten Niveau
bei den Abschlüssen eine lange Berufstätigkeit aufzuweisen, die sich sozusagen immer in Form von
Berufserfahrung geltend machen läßt. Dies erklärt, weshalb Personen unterschiedlicher
Generationen mit unterschiedlichem Abschlußniveau die gleichen Stellen besetzen können und eine
vergleichbare Produktivität zeigen. Diese Bedeutung des Begriffs Alter ermöglicht es, die
Konkurrenzen beim Zugang zu den auf dem Arbeitsmarkt angebotenen Stellen zu erfassen Konkurrenzen, die zwischen den Jahrgängen und nicht nur innerhalb der Jahrgänge bestehen.
Ausgehend von diesen Erwägungen lassen sich die Auswirkungen des Anstiegs des
Bildungsniveaus in zwei Richtungen untersuchen: einmal als Auswirkungen auf die Entwicklung
der Struktur der Ausbildungsabschlüsse der Erwerbsbevölkerung und damit auf die Versorgung des
Arbeitsmarktes mit den erforderlichen Kompetenzen, zum anderen als Auswirkungen auf die
Verteilung der Inhaber der Abschlüsse auf die vorhandenen Stellen. Die erste Richtung basiert im
wesentlichen auf dem Jahrgangsbegriff, die zweite mobilisiert stärker die Dauer der Präsenz eines
Jahrgangs auf dem Arbeitsmarkt. In beiden Fällen muß zwischen dem Effekt des Jahrgangs, dem
des Alters und dem des Erhebungsjahres unterschieden werden können.
Der vorliegende Beitrag verfolgt das Ziel, den Nutzen des generations- oder jahrgangsbasierten
Ansatzes für die Untersuchung der ersten Dimension, d.h. der Entwicklung der Struktur der
Ausbildungsabschlüsse der Erwerbsbevölkerung vor dem Hintergrund eines ansteigenden
Bildungsniveaus, aufzuzeigen4. Dieser Ansatz macht es möglich, die für die Herausbildung der
Struktur der Abschlüsse der Erwerbsbevölkerung notwendige zeitliche Dynamik einzubringen.
Dazu wird der Erwerb von Ausbildungsabschlüssen durch die Angehörigen der einzelnen Jahrgänge
über die Zeit unter dem Aspekt des jeweiligen Zustands des Bildungssystems beobachtet. Wenn
man verstehen will, wie sich die Struktur der Abschlüsse der Erwerbsbevölkerung herausbildet, so
muß man das Netz der von den einzelnen Generationen bzw. Jahrgängen durchlaufenen
Bildungswege nachzeichnen.
2
vgl. [Béduwé Espinasse 95], [Mallet 97] oder [Béduwé Giret 99].
3
Planas et al., cahier du LIRHE, Nr. 6, 2000.
4
Die Frage der Verteilung der Inhaber der Abschlüsse auf die vorhandenen Stellen wird in [Béduwé Espinasse 95,
Mallet et al. 97, Béduwé Giret 99] behandelt. Außerdem kann auf die nationalen Berichte zurückgegriffen werden,
die von der Website des EDEX-Projekts abgerufen werden können.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
61
In methodischer Hinsicht erweist sich der generations- oder jahrgangsbezogene Ansatz als fruchtbar
für den internationalen Vergleich der Bildungssysteme selbst. Will man die Entwicklungsdynamik
der nationalen Bildungssysteme verstehen, ohne sich bei den strukturellen Unterschieden dieser
Systeme aufzuhalten, ist es von Vorteil, wenn man sich auf die jeweiligen Charakteristika der
Bildungsverläufe der einzelnen Generationen stützen kann. Dafür stehen verschiedene
Bezugspunkte zur Verfügung, die diese Bildungsverläufe markieren (Alter bei Beendigung der
Pflichtschulzeit, Übergang zu einem zur Hochschulreife führenden Bildungsgang usw.). Somit kann
sich der internationale Vergleich auf Bezugspunkte stützen, die die jeweiligen Besonderheiten einer
Gesellschaft berücksichtigen, gleichzeitig aber auch die gemeinsamen und dann auch die
spezifischen Elemente der einzelnen Entwicklungsmuster sichtbar machen.
I-
GENERATIONSBEZOGENE PERSPEKTIVE: BEITRÄGE
DES BILDUNGSNIVEAUS
ZUR
FORSCHUNG
ÜBER DEN
ANSTIEG
Das EDEX-Projekt hat das Thema unter zwei Aspekten behandelt und die Auswirkungen einmal
unter dem Aspekt des Outputs der Bildungssysteme (Struktur der Abschlüsse bei den einzelnen
Jahrgängen) und zum anderen unter dem der internen Entwicklung der verschiedenen Systeme
(strukturelle Veränderungen in den Bildungsverläufen) untersucht. Die Entscheidung für einen
generationsbezogenen Ansatz ist von allen beteiligten Ländern in der gemeinsamen Absicht
getroffen worden, Antworten auf eine Reihe einfacher Fragen zu finden: Wie hat sich die Struktur
der Abschlüsse der heute aktiven Jahrgänge verändert? Zu welchem Zeitpunkt stabilisiert sich die
Struktur der Abschlüsse für einen bestimmten Jahrgang? Welchen Zustand des Bildungssystems
haben die einzelnen Jahrgänge durchlaufen?
Bei dem Gesamtprojekt geht es darum, den Bildungsverlauf eines Jahrgangs oder einer Generation
vom Beginn der Schulpflicht bis zum Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu untersuchen
(„intragenerationeller“ Ansatz) und anschließend die zeitliche Entwicklung dieser Bildungsverläufe
zwischen den Jahrgängen oder Generationen zu vergleichen („intergenerationeller“ Vergleich).
Das Projekt hat in den beteiligten fünf europäischen Ländern eine Reihe signifikanter Ergebnisse
gezeitigt, die die Zweckdienlichkeit des gewählten Ansatzes bestätigen.
1.
Die Generation als Träger des Anstiegs im Bildungsniveau der Erwerbsbevölkerung
Der Anstieg im Bildungsniveau der Erwerbsbevölkerung ist ein Phänomen, das in allen
europäischen Ländern zu beobachten ist. Dieser Anstieg wird durch den Generationswechsel
getragen: die jungen Europäer absolvieren eine immer längere Schulzeit, die eine immer größere
Zahl von ihnen zu immer höheren Ausbildungsabschlüssen führt5. Nach dem Ende der Schulzeit
strömen die Jugendlichen auf den Arbeitsmarkt, während gleichzeitig die ältesten Jahrgänge, die insgesamt gesehen – das geringste Abschlußniveau haben, den Arbeitsmarkt verlassen und in den
Ruhestand gehen6.
Gleichzeitig rückt jede Generation in der Altersstruktur an die Stelle der jeweils vorhergehenden.
Und da jede Generation über höhere Abschlüsse verfügt als ihre Vorgängerin, vollzieht sich mit
dem Altern der Angehörigen einer Generation eine Erhöhung des durchschnittlichen
5
vgl. z.B. Key Data on VEP, Eurostat, Cedefop 2000, S. 18-19.
6
Es darf auch nicht übersehen werden, daß die Angehörigen ein und desselben Jahrgangs in unterschiedlichem Alter,
zu unterschiedlichen Zeitpunkten und in unterschiedlichen Konjunkturphasen in das Erwerbsleben eintreten bzw. in
den Ruhestand gehen.
62
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Ausbildungsniveaus jeder Altersgruppe und damit der gesamten Erwerbsbevölkerung durch die
bloße Abfolge der Generationen.
Dies bedeutet, daß die Erwerbsbevölkerung eines Landes als ein „Übereinander“ oder ein
„Nebeneinander“ von Jahrgängen oder Generationen betrachtet werden kann, die durch die
jeweilige Struktur ihrer Abschlüsse charakterisiert sind, wobei diese beiden Begriffe eng
miteinander verbunden sind. Die Untersuchung des Ausbildungsniveaus der Erwerbsbevölkerung
wird für jeden einzelnen Jahrgang, aus dem sich diese zusammensetzt, vorgenommen.
Die Beobachtung der einzelnen Jahrgänge zwecks Bewertung des Anstiegs des Ausbildungsniveaus
ist ein anderer Ansatz als die Bewertung des Outputs der Bildungssysteme anhand ihrer
„Produktionszahlen“. Uns geht es um das langfristige Follow-up der Struktur der
Ausbildungsabschlüsse eines Jahrganges oder einer Generation und nicht um die Analyse des
konkreten Zeitpunkts des Eintritts in das Erwerbsleben, der sich bei den Angehörigen ein und
desselben Geburtsjahrgangs in ganz unterschiedlichem Altersstufen vollziehen kann: es dauert etwa
zehn Jahre, bis die Gesamtheit der Angehörigen eines Jahrgangs aus dem System der Erstausbildung
ausgeschieden ist. Über diese Langzeitbeobachtung wird es möglich, den Anstieg im
Bildungsniveau über die Gesamtheit der Abschlüsse zu messen, die in der schulischen und
beruflichen Erstausbildung und Weiterbildung über das gesamte Leben hinweg erworben werden.
Dies ist die einzige Möglichkeit, einen Zusammenhang zwischen dem Output der Bildungssysteme
und der Struktur der Ausbildungsabschlüsse der Erwerbsbevölkerung herzustellen. Umgekehrt ist
die Methode, die sich auf die „Schulabgänger“ gründet, zwar von Interesse für die Analyse der
Eintrittsphase in das Erwerbsleben, richtet sich aber auf etwa zehn unterschiedliche Jahrgänge. Eine
Weiterverfolgung auf dem Arbeitsmarkt ist so nicht möglich.
Der generationsbezogene Ansatz bietet die Möglichkeit, den Anstieg im Bildungsniveau der
Erwerbspersonen im Einklang in Kohärenz mit der Analyse der Struktur der Ausbildungsabschlüsse
innerhalb der Erwerbsbevölkerung zu erfassen.
2.
Eine Generation erwirbt ihre Ausbildungsabschlüsse im wesentlichen vor Erreichen des
30. Lebensjahres
In seiner Gesamtheit betrachtet, läßt sich der Werdegang Ausbildung – Erwerbstätigkeit, den die
einzelnen Generationen durchlaufen, in große Etappen einteilen, die sich bei Beobachtung über
einen langen Zeitraum in allen europäischen Ländern wiederfinden: Pflichtschulzeit,
Orientierungsphase und Erwerb der Abschlüsse der Erstausbildung7, Eintritt in das Erwerbsleben,
anschließend die Berufslaufbahn mit Möglichkeiten der Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen,
schließlich der Ruhestand. Allerdings erhöht sich das Alter im Laufe der Generationen in jeder
dieser Etappen - in einem Land mehr, im anderen weniger - infolge der Verlängerung der
Schulzeiten.
Die Längsschnittbeobachtung des Bildungsverlaufs einer Generation sowie auch ihres
Erwerbslebens mittels statistischer Erhebungen bringt bemerkenswerte Erkenntnisse zur
Entwicklung bestimmter Parameter - sinkendes Einschulungsalter, sinkendes Durchschnittsalter bei
Ende der schulischen Ausbildung, immer späterer Eintritt in das Erwerbsleben, immer früherer
Eintritt in den Ruhestand - und erlaubt internationale Vergleiche.
7
Gemeint ist die Erstausbildung im weiteren Sinne: die duale Lehrlingsausbildung in Deutschland wird hier als
Erstausbildung betrachtet. Einbezogen sind auch die Wiederaufnahme einer Ausbildung nach einigen Jahren auf dem
Arbeitsmarkt, die besonders häufig bei Jugendlichen ohne berufsqualifizierenden Abschluß zu beobachten ist, sowie
auch bestimmte Formen der Erwachsenenbildung.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
63
Ein Hauptergebnis der intragenerationellen Beobachtung war jedoch die Erkenntnis, daß die
untersuchte Generation ihre Abschlüsse im wesentlichen vor Erreichen des 30. Lebensjahres
erwirbt. Die Weiterbildung nach dem 30. Lebensjahr8 (die normalerweise unter dem Begriff
„lebenslanges Lernen“ gefaßt wird) hat nur sehr marginalen Einfluß auf diesen Sachverhalt. Jede
Generation ist während ihres gesamten Erwerbslebens von den Gegebenheiten des Bildungssystems
geprägt, das sie in ihrer Jugendzeit durchlaufen hat.
Dies zeigt, daß die „Erstausbildung“ in Europa – mit kleinen länderspezifischen Nuancen, auf die
wir hier nicht näher eingehen können – faktisch immer noch ein Monopol bei der Zuerkennung der
Abschlüsse hat. Das Funktionieren der Bildungssysteme als Ergebnis der Interaktion sämtlicher an
der Erstausbildung der Jugendlichen beteiligten Akteure bestimmt daher maßgeblich die
Ausbildung einer Generation und damit die Art und Qualität der Kompetenzen, die letztendlich auf
den Arbeitsmärkten zur Verfügung stehen.
Mit Hilfe des generationsbezogenen Ansatzes läßt sich der Zeitpunkt bestimmen, zu dem die
Struktur der Ausbildungsabschlüsse einer Generation einen Stand erreicht hat, der in der Folgezeit
praktisch unverändert bleibt.
3.
Jede Generation besitzt eine singuläre Bildungsgeschichte, die ihr eine singuläre Position
auf dem Arbeitsmarkt verleiht
Der Anstieg im Bildungsniveau der Erwerbsbevölkerung ist das Ergebnis des verstärkten Erwerbs
zusätzlicher Ausbildungsabschlüsse durch die jüngeren Jahrgänge. Diese verdanken ihre insgesamt
höhere Ausbildungsqualität der längeren Verweildauer in den Systemen der Erstausbildung. Bleibt
noch zu klären, durch welche internen Entwicklungen der Systeme, von welchen Änderungen im
„Röhrensystem“ des Bildungswesens dieser Niveauanstieg getragen wird oder herbeigeführt worden
ist.
Das Funktionieren des Bildungssystems kann mit dem Prozeß einer fraktionierten Destillation (Bild
einer Raffinerie) verglichen werden, der - ausgehend von einem Rohstoff - (der Gesamtheit der
Schüler eines Einschulungsjahrganges) - diese nach und nach trennt, indem er sie verschiedenen
Bildungsgängen zuweist (über Orientierungsmechanismen), die nach unterschiedlich langem
schulischem Bildungsweg und unter der Verantwortung unterschiedlicher „Ausbildungs“-Akteure
(Unternehmen/Schule) zu Abschlüssen unterschiedlicher Ebenen führen.
Somit durchläuft jede Generation einen bestimmten „Zustand“ des Bildungssystems: ihr Weg durch
das System manifestiert sich in einem Satz von Bildungsabschnitten, die durch eine Abfolge von
Orientierungsknoten determiniert werden und die einen mehr oder weniger großen Teil des
Bestandes der Generation (bei der Geburt) betreffen. Die jeweilige Bildungspolitik des Landes hat
entscheidendenden Einfluß darauf, wie der „Zustand“ des Bildungssystems beschaffen ist: die
Stärke der Ströme und das Funktionieren der Orientierungsmechanismen sind nicht stabil, so daß
jede Generation auf eine spezifische Weise in Richtung eines Anstiegs des Ausbildungsniveaus
„differenziert“ wird. Dies erzeugt für jede Generation eine singuläre Art des Durchlaufens eines
bestimmten „Zustands“ des Bildungssystems oder, wenn man so will, verleiht ihr eine singuläre
Bildungsgeschichte.
8
64
Gemeint sind Weiterbildungmaßnahmen, die für eine Person zum Erwerb eines höheren als dem bisherigen
Abschluß führen.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
An dieser Stelle ist zu betonen, daß die Formulierung „der von einer Generation durchlaufene
Zustand des Bildungssystems“ insofern paradox ist, als sie eine Längsschnittrealität bezeichnet und
damit etwas anderes ist als der „Zustand des Bildungssystems“, wie er in den von den Ministerien
der verschiedenen Länder veröffentlichten Organigrammen beschrieben wird. Diese Organigramme
zeigen die verschiedenen Bildungsformen und Bildungszweige, aus denen sich ein Bildungssystem
zusammensetzt, als Momentaufnahme. Es handelt sich um statische deskriptive Instrumente, mit
denen nicht verfolgt werden kann, auf welche Weise die Jugendlichen das System tatsächlich
durchlaufen, weder zu einem bestimmten Zeitpunkt (Funktionieren des Orientierungsmechanismus
für ein Schuljahr) und erst recht nicht für eine ganze Generation. Um die Gesamtheit der
Bildungsverläufe eines Jahrgangs graphisch darzustellen, kann man sich auf schuldemographische
Methoden stützen und das oben erwähnte Bild der „Raffinerie“ heranziehen. Der Bildungsverlauf
eines Jahrgangs wird durch die Anzahl der Schüler bestimmt, die nach den verschiedenen
Orientierungsknoten Zugang zu den einzelnen Ausbildungsgängen erhalten. Auf diese Weise erhält
man das „Bildungsprofil“ eines Jahrgangs (vgl. Punkt II.2).
Die Singularität der Bildungsgeschichte eines Jahrganges, dargestellt in Form einer Graphik, wird
statistisch erfaßt und sozusagen in der Struktur der Ausbildungsabschlüsse, die sich für den
Jahrgang (im Alter von 30 Jahren) ergibt, photographisch abgebildet.
Dieselbe Singularität findet sich Jahre später auf dem Arbeitsmarkt wieder, wenn man die
Ausbildungsstruktur des Arbeitskräfteangebots untersucht.
Dies ist leicht darstellbar am Beispiel der ersten Jahrgänge, die das Schulsystem nach der
Einführung eines neuen Abschlusses durchlaufen haben. So wird z.B. in Frankreich der erste
Jahrgang, der ein BAC professionnel9 erwerben konnte, während seines gesamten Erwerbslebens
eine singuläre Stellung einmal gegenüber den früheren Jahrgängen, die nicht über das BEP10
hinauskommen konnten, und zum anderen gegenüber den späteren Jahrgängen, die das BAC
professionnel in immer höherer Anzahl erwarben, behalten. Es ist klar, daß der erste oder
Pionierjahrgang dabei eine ganz besondere Stellung einnimmt; dies gilt aber auch für alle
nachfolgenden Jahrgänge insoweit als die jeweiligen Anteile der verschiedenen Berufsabschlüsse
bestimmend für die Konkurrenz unter deren Inhabern sind.
Im weiteren Sinne gilt dies vor dem Hintergrund eines ansteigenden Bildungsniveaus für alle
Abschlußebenen. Personen ohne Abschluß, die in früheren Generationen dominierend (d.h.
„normal“) waren, werden mit der wachsenden Anzahl von Personen mit berufsqualifizierendem
Abschluß zu einer marginalen Größe.
Anhand der generationsbezogenen Analyse lassen sich die Bildungsverläufe beschreiben, die der
Struktur der Ausbildungsabschlüsse einer Generation im Erwerbsleben zugrundeliegen. Diese
Analyse ermöglicht es somit, die Ausbildungsgeschichte mit der relativen Position auf dem
Arbeitsmarkt in Beziehung zu setzen. Dies verleiht der intergenerationellen Dimension der
Konkurrenz um den Zugang zu den Arbeitsplätzen zusätzliches Interesse.
4.
Die bildungspolitischen Maßnahmen haben sehr langfristige Auswirkungen auf die
9
Dieser 1985 eingeführte Abschluß, der auf dem Arbeitsmarkt zum ersten Mal 1987 zum Tragen kam, hat aufgrund
der Wiederholung von Klassen oder anderer Verzögerungen im Bildungsverlauf unmittelbar mehrere
Geburtsjahrgänge betroffen (aus den Zahlen des Ministeriums geht hervor, daß die ersten Baccalauréats
professionnels von den Jahrgängen 1964 bis 1970 vorgelegt wurden).
10
Brevet d’Etudes Professionnelles, Abschluß unterhalb des Bac professionnel, der zum Erwerb des Bac professionnel
berechtigt
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
65
Dynamik der Arbeitsmärkte
Die singuläre Bildungsgeschichte eines Jahrganges ist Ausdruck der Art und Weise, in der dieser
das Bildungssystem durchlaufen hat, d.h. der Art und Weise, wie die Ausbildungsverläufe durch die
Bildungspolitik und das Verhalten der beteiligten Akteure geprägt worden sind.
Da die im System der beruflichen Erstausbildung erworbene Struktur der Ausbildungsabschlüsse
ein bleibendes Merkmal jeder Generation darstellt, kann die Wirkung einer bildungspolitischen
Maßnahme als eine Welle begriffen werden, die sich mit dem Altern einer Generation ausbreitet.
Wenn folglich ein Jahrgang der erste ist, für den eine neue bildungspolitische Maßnahme gilt, bleibt
er auch der erste „Träger“ dieser Maßnahme in der Arbeitswelt, und zwar über die gesamte Dauer
der beruflichen Laufbahn der ihm angehörenden Personen.
Außerdem hat jede zu einem bestimmten Zeitpunkt getroffene bildungspolitische Maßnahme über
den Verbreitungseffekt der Jahrgänge, für die diese zuerst wirksam geworden ist, sehr langfristige
Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt: man muß etwa vierzig Jahre warten, bis die Verbreitung des
Signals „Bac professionnel“ in allen Jahrgängen und Generationen der Erwerbsbevölkerung
abgeschlossen ist, und es dauert fast vierzig Jahre nach Abschaffung eines Abschlusses, bis dieser in
der gesamten Erwerbsbevölkerung nicht mehr anzutreffen ist. Wenn in Frankreich die seit langem
abgeschafften Certificats d’Etudes Primaires erst jetzt nach und nach aus der Erwerbsbevölkerung
verschwinden, so liegt dies daran, daß die letzten Jahrgänge, die diesen Abschluß erworben haben,
nun das Rentenalter erreichen.
Der Effekt dieser Verbreitungsphänomene ist vergleichbar mit dem von Schwankungen bei
demographischen Größen: das Erscheinen von Jahrgängen, die einen neuen Abschluß erworben
haben, ist die Ursache für Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt, die man von der Art ihrer
Verbreitung her mit den Veränderungen vergleichen kann, die beispielsweise durch
geburtenschwache oder geburtenstarke Jahrgänge (Babyboom) hervorgerufen werden.
Für den einzelnen bedeutet die Zugehörigkeit zu einer geburtenschwachen oder einer BabyboomGeneration, daß er in seiner Berufslaufbahn jeweils andere Chancen auf Mobilität und Beförderung
hat. Die Zugehörigkeit zu einem der Jahrgänge unmittelbar vor oder nach der Einführung einer
bestimmten Reform kann sich auf die Position auswirken, die man in der Warteschlange für einen
bestimmten Arbeitsplatz einnimmt.11
Mit der generationsbezogenen Analyse können die sehr langfristigen Auswirkungen von zu einem
bestimmten Zeitpunkt getroffenen bildungspolitischen Maßnahmen auf die Dynamik der
Arbeitsmärkte erfaßt werden.
11
66
Beide Phänomene können auch zusammentreffen: vgl. z.B. [CHAUVEL 98].
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
II – VERWENDUNG
ANSATZ
DES VORHANDENEN
DATENMATERIALS
FÜR DEN GENERATIONSBEZOGENEN
Es gibt keine statistische Quelle, die die jährliche Verfolgung der Ausbildungsgänge und
Berufslaufbahnen aller Erwerbsjahrgänge zwischen dem 10. und dem 65. Lebensjahr ermöglichen
würde. Abgesehen von Spezialerhebungen verfügen die Länder in der Regel über zwei Arten von
Quellen: Erhebungen zur Erwerbstätigkeit, die in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen und
mehr oder weniger langen Reihen eine Art Momentaufnahmen der Erwerbsbevölkerung ergeben,
sowie Verwaltungsregister mit Daten zu den Schülern, die in den dem Bildungsministerium
unterstellten Ausbildungseinrichtungen angemeldet sind.
Wir haben daher für unsere Beobachtung der Generationen in jedem Land zwei Arten von Quellen
verwendet: Verwaltungsdaten zur Verfolgung der Schülerströme in den Ausbildungseinrichtungen
sowie Erhebungen zur Erwerbstätigkeit (zu Zeitreihen zusammengestellt) zur Beobachtung der
strukturellen Entwicklung der Ausbildungsabschlüsse im Verlauf des Erwerbslebens. Wir werden
im folgenden für beide Arten von Quellen einige Erläuterungen zu den oben genannten Punkten
geben und die von uns gewählte Methodik kurz skizzieren. Außerdem werden wir die Probleme
aufzeigen, auf die wir gestoßen sind und die in vielen Fällen länderspezifisch waren.
1.
Beobachtung der Struktur der Ausbildungsabschlüsse einer Generation über die Zeit:
Daten aus den Erhebungen zur Erwerbstätigkeit
Bei den französischen Erhebungen zur Erwerbstätigkeit (Enquête Emploi - EE), die jährlich vom
INSEE durchgeführt werden, handelt es sich um Erhebungen bei einer repräsentativen Stichprobe
der Gesamtbevölkerung im Alter von über 15 Jahren. Es konnten 22 Erhebungen – von 1976 bis
1998 – mobilisiert und zu Reihen zusammengestellt und damit die Entwicklung der Merkmale der
einzelnen Geburtsjahrgänge über 22 Jahre hinweg nachvollzogen werden. Diese längste im Rahmen
des Projekts verwendete Reihe soll im folgenden vorgestellt werden.
Jeder Geburtsjahrgang kann 22mal „beobachtet“ werden. Das Alter, in dem die Angehörigen eines
Jahrgangs beobachtet werden, ist von Jahrgang zu Jahrgang unterschiedlich. So wird der Jahrgang
1960 vom 16. Lebensjahr (EE 1976) bis zum 38. Lebensjahr beobachtet. Er ist der erste Jahrgang,
bei dem sich die strukturelle Entwicklung der Ausbildungsabschlüsse nach dem Ende der
Pflichtschulzeit verfolgen läßt. Umgekehrt beginnen die nach 1980 geborenen Jahrgänge erst in den
allerletzten Erhebungen „statistisch“ zu existieren und können daher nicht weiterverfolgt werden.
Schließlich können alle Geburtsjahrgänge zwischen 1940 und 1960 zu unterschiedlichen
Zeitpunkten ihres Erwerbslebens über 22 Jahre hinweg beobachtet werden.
Mit Hilfe einer Datei mit den Daten aus den 22 Erhebungen (3,5 Millionen Einträge) und der
Gleichung [Alter = Erhebungsjahr – Geburtsjahr] haben wir zwei Arten der Beobachtung
entwickelt: eine intragenerationelle Beobachtung, die auf die Entwicklung der Struktur der
Ausbildungsabschlüsse über die Zeit gerichtet ist (vgl. Schaubild 1), und einen intergenerationellen
Vergleich, der den Anstieg des durchschnittlichen Bildungsniveaus Jahrgang für Jahrgang (vgl.
Schaubild 2) sowie die sehr schwache Zunahme der Hochschulabschlüsse jenseits des 30.
Lebensjahres (vgl. Schaubild 3) zeigt.
Für die intragenerationelle Beobachtung ist der Jahrgang 1960 ausgewählt worden. Die strukturelle
Entwicklung der Ausbildungsabschlüsse zwischen dem 16. und dem 38. Lebensjahr wird in einer
Nomenklatur der Abschlüsse - hierarchisiert nach Ausbildungsjahren, von der Kategorie 1 „ohne
Abschluß“ bis zur Kategorie 5 „mit Hochschulabschluß“ – dargestellt (vgl. Steedman&Vincens
2000).
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
67
Schaubild 1:
Rhythmus des Erwerbs von
Geburtsjahrgang 1960 in Frankreich
Ausbildungsabschlüssen
für
den
100%
80%
60%
SD ou NR(1a)
CEP(1b)
BEPC(2)
Niv5(3)
BAC(4)
SUP(5)
40%
20%
0%
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
Age (EE76 à 98, INSEE, FRANCE)
Quelle: französischer Bericht [Béduwé Fourcade 99]
Mit 16 Jahren besuchen alle 1960 geborenen französischen Jugendlichen noch die Schule und sind
ohne Abschluß. Mit 38 Jahren hat sich in der Struktur der Ausbildungsabschlüsse die Kategorie
„ohne Abschluß“ bei 23 % stabilisiert, während auf die Kategorie „mit Hochschulabschluß“ 11,5 %
der Kohorte entfallen. Diese Anteile haben sich – ebenso wie die für die dazwischenliegenden
Kategorien - praktisch nicht mehr verändert, seitdem die Kohorte das 30. Lebensjahr erreicht hat.
Um mehrere Jahrgänge miteinander vergleichen zu können, haben wir die Struktur der Abschlüsse
in einem Indikator für das „mittlere Humankapital“ dargestellt, der die einzelnen Abschlußebenen
mit der durchschnittlichen Anzahl der Ausbildungsjahre wiedergibt. Die intragenerationelle
Zunahme des Wertes dieses „Humankapital-Indikators“, sein Umkehrpunkt sowie sein Höchstwert
lassen sich für mehrere Jahrgänge miteinander vergleichen (Schaubild 2).
68
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Schaubild 2:
Entwicklung eines mittleren Humankapital-Indikators für einige Jahrgänge
als Funktion des Alters
Indicateur de KH : nombre d'années d'études après la 6ème
7
6
5
1956
4
1960
1964
1968
1972
3
1976
2
1
0
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
40
41
42
Age des individus
Enquêtes emploi de 1976 à 1998, INSEE, France
Quelle: französischer Bericht [Béduwé Fourcade 99]
In diesem Schaubild sind die Kurven für alle „beobachtbaren“ Jahrgänge zwischen 16 und 30
Jahren, d.h. für die Geburtsjahrgänge 1956 bis 1976, aufgetragen (aus Gründen einer besseren
Übersichtlichkeit haben wir uns dazu entschlossen, nur jeden vierten Jahrgang darzustellen). Der
Anstieg des Bildungsniveaus wird durch die Tatsache belegt, daß dieser Indikator in einer
bestimmten Altersstufe um so höher ist je jünger der Jahrgang.
Das Alter von 30 Jahren bildet für die vier dargestellten Jahrgänge (dies gilt aber auch für alle
dazwischenliegenden Jahrgänge) die Grenze, oberhalb derer sich der „Humankapital-Indikator“
praktisch nicht mehr verändert, während sein Höchstwert in einem bestimmten Alter für jeden
neuen Jahrgang immer weiter ansteigt. Er erhöht sich bei 30 Jahren von 5,8 für den Jahrgang 1956
auf 6 für den Jahrgang 1968. Und auch die nachfolgenden Jahrgänge erfüllen alle Voraussetzungen
für ein weiteres Ansteigen dieses Indikators in diesem Lebensalter.
Es ist möglich, die Stabilität der Struktur der Ausbildungsabschlüsse der auf dem Arbeitsmarkt
aktiven Generationen auch jenseits des 30. Lebensjahres genauer zu testen (Schaubild 3). Dazu
genügt es, die Kohorten zu verschiedenen Zeitpunkten, d.h. in mehreren Erhebungen, zu
beobachten. Dies wird in Schaubild 3 am Beispiel des Anteils der Kategorie „mit
Hochschulabschluß“ der zwischen 1946 und 1960 geborenen Jahrgänge veranschaulicht. Die
Beobachtung über zwanzig Jahre (von 1978 bis 1998) zeigt, daß dieser Anteil nur ganz geringfügige
Schwankungen aufweist.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
69
Schaubild 3:
Veränderungen im Anteil der Hochschulabsolventen in Frankreich über
einen Zeitraum von 20 Jahren (nach Jahrgängen)
0.25
+1,9%
+1.6%
+1.3%
50 ans
46 ans
40 ans
0.2
30 ans
0.15
78
30 ans
82
30 ans
88
92
98
0.1
0.05
0
1946
1947
1948
1949
1950
1951
1952
1953
1954
1955
1956
1957
1958
1959
1960
Année de naissance
Quelle: EDEX-Bericht [Vincens, Steedman, 2000]
Aufgetretene Probleme
Das Vereinigte Königreich und Italien haben mit Hilfe von Daten aus der Arbeitskräfteerhebung
von EUROSTAT bzw. der entsprechenden Erhebung von ISTAT gearbeitet. In beiden Quellen wird
die Variable ALTER in Vierjahrestranchen erfaßt. Dies zwingt dazu, mit vier Jahrgängen
gleichzeitig zu arbeiten und diese in vierjährigen Abständen weiterzuverfolgen, wie dies aus dem
folgenden italienischen Beispiel ersichtlich wird (Schaubild 4):
Schaubild 4:
Rhythmus
des
Erwerbs von
Geburtsjahrgänge 58 bis 63 in Italien
Ausbildungsabschlüssen
100
%90
für
die
Lic. Prim.
ou Sans Dip
diplôme
Lic.moy inf
%
80
%
70
%
% 60
dip %
50
%
40
Dip supeireur
%
30
%
20
Laurea et +
%
10
%0
%
142025303519
24
29
34
39
Age des générations '58-'63, Enquêtes Forces de travail, ISTAT, ITALIE
Quelle: EDEX-Bericht [Vincens, Steedman, 2000]
Der Prozeß des fortschreitenden Erwerbs von Ausbildungsabschlüssen im Alter zwischen 14 –19
und 20-25 Jahren ist dem obigen Schaubild nicht zu entnehmen. Es sieht aber so aus, als habe sich
die Struktur der Abschlüsse der Jahrgänge 58-63 im Alter von 30 Jahren nicht wirklich stabilisiert.
Die nachstehende Graphik bestätigt dies: Italien ist das einzige an der Studie beteiligte Land, bei
dem die Existenz eines Umkehrpunktes bei etwa 30 Jahren nicht gegeben zu sein scheint: die
Studenten beginnen zu arbeiten, bevor sie ihren Hochschulabschluß erworben haben, und schieben
diesen damit hinaus. Es ist bedauerlich, daß dieses Phänomen nicht genauer bestätigt werden
70
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
konnte. Die Gründe liegen einmal in der zu breit gefaßten Alterskategorie und zum anderen in den
nicht hinreichend langen Zeitreihen.
Anteil der Promotionen in Italien für mehrere Jahrgänge – Veränderungen
93-97
Schaubild 5:
% avec "Laurea"
12,00%
40-44ans
10,00%
30-34ans
8,00%
97
36-40ans
93
6,00%
26-30ans
4,00%
2,00%
0,00%
28-'32
33-'37
38-'42
43-'47
48-'52
53-'57
58-'62
63-'67
68-'72
73-'77
année de naissance
Quelle:
EDEX-Bericht [Vincens, Steedman, 2000] (Quelle: ISTAT)
Deutschland konnte mangels Daten keine Graphik zur intragenerationellen Beobachtung liefern. Da
die Beantwortung der Frage zum Bildungsniveau im Mikrozensus in den 90er Jahren nicht mehr
obligatorisch war, wurde die Entwicklung der Struktur der Ausbildungsabschlüsse durch die Höhe
der Antwortausfallrate, insbesondere bei Personen mit niedrigerem Abschluß, verzerrt.
2.
Rekonstruktion der Bildungsverläufe: Verwaltungsdaten zu den Schülerströmen
Verwendete Methodik
Die vergleichende Analyse der Entwicklung der Bildungssysteme über einen längeren Zeitraum soll
Aufschluß über den Anstieg im Bildungsniveau aufeinanderfolgender Jahrgänge geben, die die in
ständigem Wandel befindlichen Systeme durchlaufen. Dieses komplexe Phänomen kann mit Hilfe
eines graphischen Verfahrens dargestellt werden, das die Art, in der die Jugendlichen das System
durchlaufen, abbildet (vgl. Schaubilder am Ende dieses Beitrags). Dazu kann man sich auf
schuldemographische Methoden stützen und das Bild der „Raffinerie“ heranziehen. Eine Kohorte
von Kindern wird eingeschult (in der Regel mit etwa 6 Jahren) und schreitet dann Klasse für Klasse
voran. Während ihres Voranschreitens treffen die Schüler auf eine Reihe von Gabelungspunkten,
die die Mannigfaltigkeit der Schullaufbahnen organisieren und zum Erwerb von
Ausbildungsabschlüssen auf verschiedenen Ebenen führen. Bei jedem dieser Gabelungspunkte
(Orientierungsmechanismen des Systems, die mit Ventilen im Röhrensystem einer Raffinerie
verglichen werden können) besteht die Möglichkeit des Übergangs in den einen oder anderen
Bildungszweig, in den einen oder anderen Bildungsweg. Auf diese Weise erhält man die
entsprechende Jahrgangskurve. Eine Jahrgangskurve gibt die Anteile des Jahrganges an, die eine
bestimmte Bildungsstufe erreicht bzw. einen bestimmten Ausbildungsabschluß erworben haben.
Man sollte sich aber bewußt sein, daß eine solche Kurve nicht ein Bildungssystem zu einem
bestimmten Zeitpunkt beschreibt (wie es das Organigramm tut), sondern das System, wie eine
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
71
Generation es durchlaufen hat: es ist ein „Längsschnittbild“ oder ein Bild des „Zustandes“ eines
Bildungssystems, bezogen auf eine bestimmte Generation.
Wenn die Kurven für mehrere Jahrgänge vorliegen, kann man die landesspezifische Dynamik eines
Systems sichtbar machen. Schließlich kann man die aufeinanderfolgenden Kurven mehrerer
nationaler Systeme und ihre jeweilige Dynamik jeweils miteinander vergleichen.
Die im folgenden dargestellten Schaubilder beschreiben die Art und Weise, wie drei verschiedene
Jahrgänge (1952, 1962 und 1972) die Bildungssysteme von zwei Ländern (Deutschland, Frankreich)
durchlaufen haben.
In diesen Schaubildern sind – wie in einem Organigramm des jeweiligen nationalen Systems - die
Klassen, in denen die Weichen für einen Übergang gestellt werden, in dem Raster der Altersstufen
angeordnet, in denen der Schüler bzw. der Student die jeweilige Klassen oder den jeweiligen
Abschluß theoretisch erreichen soll. In der Realität ist bei einer bestimmten Generation das
tatsächliche Alter beim Erreichen der Klasse/des Abschlusses um so breiter gestreut, je mehr das
jeweilige nationale System von der Praxis des Wiederholens von Klassen Gebrauch macht. In der
Zahl, die für einen bestimmten Punkt im Bildungsverlauf den Teil des Jahrganges angibt, der diesen
Punkt erreicht, ist diese Streuung berücksichtigt, doch erscheint diese Zahl im Schaubild beim
theoretischen Alter. So wird das Abitur in Deutschland bei 19 Jahren angesetzt, das „baccalauréat“
in Frankreich bei 18 Jahren. Die Schaubilder rekonstruieren die wichtigsten Bildungsverläufe, die
ein Jahrgang tatsächlich durchlaufen hat.
Für das deutsche System ist aus dem Schaubild für den Jahrgang 1952 ersichtlich, daß 14 % dieses
Jahrgangs das Abiturniveau erreicht hat, 23 % die Mittlere Reife, 69 % einen berufsqualifizierenden
Abschluß im Rahmen des dualen Systems und 11 % einen Hochschulabschluß. Für den Jahrgang
1962 haben sich die einzelnen Anteile verändert: 19 % haben das Abitur, 33 % die Mittlere Reife,
72 % einen berufsqualifizierenden Abschluß im Rahmen des dualen Systems erworben und nur 9 %
einen Hochschulabschluß, was einen leichten Rückgang bedeutet. Der Jahrgang 1972 zeigt erneut
Veränderungen, wiederum in Richtung einer Zunahme beim Abitur, bei der Mittleren Reife und bei
den Berufsabschlüssen im Rahmen des dualen Systems. Für diesen letzten Jahrgang weisen die
deutschen Daten keine Zahlen zu den Hochschulabschlüssen aus.
Dabei ist wichtig festzustellen, daß die Struktur des deutschen Systems für alle diese Jahrgänge
stabil geblieben und keinerlei neuer Bildungsgang oder –zweig eingeführt worden ist. Im
Gesamtsystem hat sich nur die Verteilung der Ströme zwischen den Hauptknotenpunkten geändert.
Die Schaubilder für Frankreich zeigen, daß vom Jahrgang 1952 etwa 40 % die „troisième“
(Orientierungsklasse) erreicht haben, 17 % das Baccalauréat (Abitur), 19 % das CAP (zweijährige
fachspezifische Ausbildung an einer berufsbildenden Schule, verbunden mit einer Lehre), während
der neue BEP-Abschluß (zweijährige Ausbildung an einer berufsbildenden Schule) nur von 1 % der
Schüler erworben wurde. Im Bereich der höheren Bildung absolvierte 1 % eine
Ingenieurhochschule, 5 % erhielten eine „licence“ (Abschlußzeugnis nach dem dritten Studienjahr)
und 2 % ein „diplôme du supérieur court“ (Kurzstudiengang). Beim Jahrgang 1962 ist der Anstieg
auf allen Ebenen erkennbar: 66 % erreichen die „troisième“, 25 % das Baccalauréat, 27 % das CAP
und 9 % das BEP. Im Bereich der höheren Bildung entfallen auf die Ingenieur- und
Handelshochschulen 2 % des Jahrganges, eine „licence“ erwerben 6 % und ein „diplôme du
supérieur court“ 5 %. Beim Jahrgang 1972 schließlich erreichen 75 % die „troisième“, legen 41 %
das Abitur ab und erwerben 29 % den CAP- und 14 % den BEP-Abschluß, während 4 % das
„baccalauréat professionnel“ (Abitur mit berufsqualifizierendem Abschluß) ablegen. Auch im
Bereich der höheren Bildung hat es noch einmal Steigerungen gegeben: die entsprechenden Zahlen
72
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
liegen bei 4 % für die Ingenieur- und Handelshochschulen, bei 12 % für den Erwerb einer „licence“,
während sich 10 % auf die verschiedenen zum Erwerb des „diplôme du supérieur court“ führenden
Zweige verteilen.
Die Struktur des französischen Systems wandelt sich von Generation zu Generation: die
Bildungsverläufe werden verändert. Die Doppelgleisigkeit des Systems in der unteren
Sekundarstufe wird abgeschafft (der Jahrgang 1952 gehört zu den letzten, die diese
Doppelgleisigkeit kennengelernt haben), der BEP-Abschluß kann zum ersten Mal vom Jahrgang
1962 erworben werden, und beim Jahrgang 1972 ist der verlängerte Schulbesuch bis zum Abitur
bereits weit verbreitet. Die Bildungsverläufe im Bereich der höheren Bildung werden im Schaubild
stark vereinfacht dargestellt, wodurch der Eindruck einer großen strukturellen Stabilität entsteht,
während sich in Wirklichkeit die Anzahl der Übergänge und Neuorientierungen vervielfacht.
Aufgetretene Probleme
Um die Zahlen ermitteln zu können, auf denen die Schaubilder beruhen, muß man die altersmäßige
Verteilung der Schüler einer bestimmten Klasse zu Beginn mehrerer Schuljahre kennen.
In Frankreich veröffentlicht das Bildungsministerium seit 1991 eine Tabelle zur „terminale
baccalauréat“ (Abiturklasse), anhand derer sich der Zugang eines Jahrgangs zu dieser Bildungsstufe
quantifizieren läßt. Diese Tabelle gliedert den Schülerbestand in der Abiturklasse nach Schul- und
Geburtsjahren. Zur Berechnung der endgültigen Zugangsrate eines Jahrgangs benötigt man die
Daten aus sechs aufeinanderfolgenden Jahren.
Das Ministerium verfügt über eine landesweite Schülerdatei, die solche Berechnungen für alle
Klassen des Primar- und Sekundarbereichs (bis zum Abitur) ab dem Schuljahresbeginn 1985
ermöglicht. Der Jahrgang 1975 ist der erste, für den sich die Zahlen im Schaubild für die beiden
wichtigsten Klassen des Sekundarbereichs („troisième“ und „terminale“) anhand der Daten aus
dieser Datei berechnen lassen. De facto lassen sich ab dem Schuljahresbeginn 1985 die Schüler des
Jahrgangs 1975, die die „troisième“ erreicht haben, zahlenmäßig vollständig erfassen (durch
Bildung der Gesamtsumme aller Schüler dieses Jahrgangs, die zwischen dem 10. und 22. (!)
Lebensjahr die „troisième“ durchlaufen haben). Dabei kommt man zu dem Ergebnis, daß 87 %
dieses Jahrgangs dieses Niveau überhaupt und 73 % im „normalen“ Alter von 14 oder 15 Jahren
erreicht haben.
Für die älteren, vor 1975 geborenen Jahrgänge ist eine Berechnung des Anteils der Schüler, die die
„troisième“ erreicht haben, mit Hilfe dieses Datenmaterials nicht möglich. Beim Abitur kann man
bis zum Jahrgang 1969 zurückgehen, jedoch nicht weiter.12
12
Die vom Ministerium für die Jahre 1964 bis 1972 (Einschulungsjahr) veröffentlichten „Tableaux de l’éducation
nationale“ (Ausgaben 1966 bis 1973) enthalten nach Klassen und Alter gegliederte Daten. Eine Auswertung dieser
Daten könnte die Präzisierungen bringen, die für einige Jahrgänge benötigt werden.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
73
DEUTSCHES BILDUNGSSYSTEM
Jahrgang 1952
12
13
Theo 11
r.Alt
er
Jahr 1963
Stufe Sekundarstufe I
14
15
16
17
18
19
1968
1969
1971
Sekundarstufe II
20
21
22
1972
Postsekundarer
Hochschule
23
24
1976
Bereich
Abitur
/
Universität
14
11
Fachhochschule
Fachhochschulreife
3
6
Fachschule
Mittlere Reife
6
23
ohne
69
allgemeinbildenden
Schulabschluß, Hauptschule,
5
60
Lehre, BFS 2-3 Jahre
Berufsfachschule 1 Jahr
Techniker- und Meisterschulen
Jahrgang 1962
12
13
Theo 11
r.Alt
er
Jahr 1973
Stufe Sekundarstufe I
14
15
16
17
18
19
1978
1979
1981
Sekundarstufe II
20
21
22
1982
Postsekundarer
Hochschule
23
24
1986
Bereich
/
Universität
Abitur
19
9
Fachhochschule
Fachhochschulreife
3
6
Fachschule
Mittlere Reife
5
33
ohne
72
allgemeinbildenden
Schulabschluß, Hauptschule,
4
45
Lehre, BFS 2-3 Jahre
Techniker- und Meisterschulen
Berufsfachschule 1 Jahr
74
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Jahrgang 1972
12
13
Theo 11
r.Alt
er
Jahr 1983
Stufe Sekundarstufe I
14
15
16
17
18
19
1988
1989
1991
Sekundarstufe II
20
21
22
23
1992
Postsekundärer
Hochschule
24
1996
Bereich
/
Universität
Abitur
23
?
Fachhochschule
Fachhochschulreife
?
?
Mittlere Reife
Fachschule
Orientierungsstufe
?
37
ohne
75
allgemeinbildenden
Schulabschluß, Hauptschule,
40
?
Lehre, BFS 2-3 Jahre
Techniker- und Meisterschulen
Berufsfachschule 1 Jahr
FRANZÖSISCHES BILDUNGSSYSTEM
11
12
13
14
Untere Sekundarstufe
15
16
17
18
Obere
Sekundarstufe
supérieur
Jahrgang 1952
1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969
19
20
21
Hochschule
22
23
24
1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976
BAC
1
NiveauB
EPC
Ingenieurhochschulen
17
40
5
0
0
0
0
4
1
0
0
1
licence
2
BEP
IUT, BTS
19
CAP
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
75
Jahrgang 1962
1973
1974
1975
1976
1977
1978
1979
1980
1981
1982
1983
1984
1985
1986
BAC
2
NiveauB
EPC
Ingenieurhochschulen
25
6
66
licence
9
5
BEP
IUT, BTS
27
CAP
Jahrgang 1972
1983
1984
1985
1986
1987
1988
1989
1990
1991
1992
1993
1994
1995
1996
BAC
4
NiveauB
EPC
41
Ingenieurhochschulen
12
75
licence
10
14
IUT, BTS
BEP
4
29
CAP
Bac professionnel
Daher erweist sich die Bezifferung der Schaubilder für die Jahrgänge 1942, 1952, 1962 und 1972,
die für die Darstellung der langfristigen Veränderungen in den unterschiedlichen Bildungssystemen
der fünf Länder ausgewählt wurden, als ein etwas riskantes Unterfangen. Das Ergebnis eines
solchen Vorhabens - ausgehend von Daten zum Schülerbestand in den verschiedenen Klassen kann nur „Flickwerk“ sein. Auf die Details brauchen wir hier nicht näher einzugehen. Auf diese
Weise erhält man für die Indikatoren nur Näherungswerte, die allerdings mit verschiedenen Mitteln
kontrolliert werden können13. Die für die vier ausgewählten Jahrgänge auf diese Weise berechneten
Werte ermöglichen aber dennoch einen aussagefähigen Vergleich.
In Deutschland beruhen die Zahlen in den Schaubildern auf der Sekundäranalyse einer
repräsentativen Erhebung zur Erwerbstätigkeit für den Zeitraum 1991/199214. Diese Erhebung
13
Die Entwicklung der Zugangsraten der einzelnen Jahrgänge zur „sixième“, „troisième“ und „terminale“ für die
Jahrgänge 1920 bis 1972 kann insbesondere anhand der von Dura-Bellat-Kiefer (1999) auf der Basis der
französischen FQP-Erhebungen gewonnenen Daten verfolgt werden.
14
BIBB/IAB 1991/1992: „Qualifikation und Berufsverlauf“, Stichprobe mit 24.116 deutschen Staatsbürgern im Alter
zwischen 18 und 64 Jahren mit Wohnsitz in Westdeutschland oder Westberlin.
76
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
vermittelt biographische Angaben zu den Personen, anhand derer der Bildungsverlauf mehrerer
Jahrgänge rekonstruiert werden konnte. Für die Analyse der Bildungsverläufe wurden die Kohorten
mit den Geburtsjahren 1940-44, 1950-54 und 1960-64 bestimmt. Daher sind die für die drei
ausgewählten Jahrgänge (Geburtsjahrgänge 1942, 1952 und 1962) angegebenen Zahlen jeweils die
Mittelwerte der fünf aggregierten Kohorten aus der Erhebung.
SCHLUßFOLGERUNGEN
Der für das EDEX-Projekt benutzte generations- bzw. jahrgangsbezogene Ansatz hat zu einigen
signifikanten Ergebnissen sowohl hinsichtlich der Dynamik der Bildungssysteme als auch der
Messung der Auswirkungen des steigenden Bildungsniveaus auf die Struktur der
Ausbildungsabschlüsse der verschiedenen Jahrgänge geführt. Diese Ergebnisse werden für die
zweite Projektphase von Nutzen sein, in der untersucht werden soll, wie sich der Anstieg im
Bildungsniveau, dessen Träger die aufeinanderfolgenden Jahrgänge sind, auf die verschiedenen
Berufsgruppen verteilt.
Bei der Erstellung unserer Schaubilder als Hilfsmittel für die retrospektive Analyse sind wir häufig
auf das Problem des Fehlens von in geeigneter Form nach Alter gegliederten Daten gestoßen. Dieser
Mangel an Daten hat seinen Grund zweifellos darin, daß die Veröffentlichung von jahrgangs- oder
generationsbezogenen Zugangsraten anstelle der traditionellen Statistiken mit den Übergangsraten
von einer Stufe zur anderen (für die Gesamtheit aller Jahrgänge) noch sehr wenig verbreitet ist.
Letztere können sofort erhalten werden, während man bei ersteren abwarten muß, bis ein Jahrgang
die Stufe vollständig durchlaufen hat (wegen Wiederholung von Klassen oder anderer
Verzögerungen). Dennoch scheinen die Bedingungen für die Beobachtung der jüngeren Jahrgänge in Frankreich vor allem ab dem Jahrgang 1975 – günstiger zu sein: hier kann man den Anstieg des
Bildungsniveaus problemlos verfolgen. Die älteren Daten – soweit es sie gibt – liegen häufig noch
nur auf Papier vor und erfordern somit einen erheblichen Erfassungsaufwand.
Die Situation bei der Verfolgung des Bildungsverlaufs der einzelnen Jahrgänge ist auch je nach
Land sehr unterschiedlich. Für unser Thema ist es bedauerlich, daß die große Datenfülle, die aus den
jährlichen europaweiten Arbeitskräfteerhebungen (AKE) vorliegt, nicht voll ausgeschöpft werden
kann, da jeweils vier Jahrgänge zu einer Altersgruppe zusammengefaßt werden. Dieser anscheinend
harmlose technische Aspekt verhindert die Anwendung der Methode der Längsschnittbeobachtung
des Bildungsverlaufs jedes einzelnen Jahrgangs.
Es versteht sich von selbst, daß um so weniger Daten vorliegen, je weiter man in die Vergangenheit
zurückgeht. In die Analyse der Zusammensetzung des heutigen Arbeitskräfteangebots gehen jedoch
auch Männer und Frauen ein, die ihre Ausbildung vor 40 Jahren erhalten haben. Es ist wichtig zu
wissen, wie sie ausgebildet worden sind, um zu verstehen, welche Konkurrenzen heute auf dem
Arbeitsmarkt wirksam sind.
Noch wichtiger sind die Implikationen dieses Anstiegs im Bildungsniveau für die Zukunft. Es
scheint festzustehen, daß sich die
Produktion von Abschlüssen im allgemein- wie im
berufsbildenden Bereich im Verlauf der 80er Jahre, d.h. bei den Anfang der 70er Jahre Geborenen,
in allen europäischen Gesellschaften beschleunigt hat. Die ersten dieser „sehr gut ausgebildeten“
oder jedenfalls mit hohen Ausbildungsabschlüssen ausgestatteten Jahrgänge sind heute 30 Jahre alt.
Die erwarteten Auswirkungen dieses Zustroms von Inhabern berufsqualifizierender
Bildungsabschlüsse auf den Arbeitsmarkt werden somit in den kommenden Jahren spürbar werden.
Unser statistisches System muß bereit sein, diese Auswirkungen zu messen, und wir müssen bereit
sind, sie zu analysieren.
LITERATUR
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
77
BÉDUWÉ C., ESPINASSE J.M., (1995), "France : Politique éducative, amélioration des
compétences et absorption des diplômés par l'économie", Sociologie du Travail, 4, S.527-556.
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dynamique d’ajustement ». Cahier du LIRHE N° 6.
Im Rahmen des EDEX-Projekts erstellte nationale Berichte:
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Abschlußbericht. GRET, Spanien
L FREY, E GHIGNONI, A CAVICCHIA (1999) Abschlußbericht WP1, CERES, Italien
H STEEDMANN, A VIGNOLES (1999) « Schooling and the Supply of Qualifiactions in the UK
1930-1997 » LES, England
C. BEDUW, E B. FOURCADE (1999) « Générations et hausse d’éducation en France », Lirhe,
Université des Sciences Sociales, Frankreich.
B. LUTZ, J.HAAS (1999) « Politics, Educational System and Educational Flows in Germany »,
ZSH, Halle ,Deutschland
Im Rahmen des ECEX-Projekts erstellter internationaler Bericht:
J. VINCENS, H. STEEDMAN (2000), „Dynamique des systèmes éducatifs et qualification des
générations”, Zusammenfassender Bericht für das TSER-EDEX-Projekt.
78
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
DER SICHT DER NUTZER
Mário Carvalho
Sindicato dos Professores do Norte
R.D. Manuel II, 51-3°
4050-345 PORTO
Portugal
[email protected]
1. EINFÜHRUNG
Bildung kann als geeignetes Mittel zur Förderung und Konkretisierung der Modernisierung und
ihrer Zwänge angesehen werden. Dies heißt Anpassung an den Wandel und Qualifizierung für die
Entwicklung des Landes notwendiger menschlicher Ressourcen. Hierzu ist ein Ausbau des
Bildungssystems und eine Verbesserung der Volksbildung sowie die Diversifizierung des gesamten
Unterrichtswesens ab der Grundschule nötig: Lehrgänge, Lehrinhalte und Bildungseinrichtungen.
„Die Bildung spielt im Rahmen des Modernisierungsprozesses, mit dem das Arbeitskräfteangebot
quantitativ und qualitativ reguliert werden soll, auch als Mechanismus von Infrastrukturen und
Instrumentarien eine eminent wichtige Rolle, mit dem sich die Mobilisierung der jungen Menschen
und ihr Eintritt in das Berufsleben in einer Zeit, in der sich die strukturelle Arbeitslosigkeit erhöht,
im schulischen Kontext fördern und sichern läßt1“.
Die Bildungsreform stellt die Antwort auf soziale, kulturelle, wirtschaftliche oder politische
Umwälzungen oder Zwänge dar. Sie verrät jeweils, daß im Spannungsfeld der Vielfalt an Zielen
oder Optionen bezüglich der Festlegung von Prioritäten neue Stadien (oder Gleichgewichte)
herrschen.
Historisch gesehen besteht Einigkeit darüber, daß die Schwierigkeiten, die die Bildungssysteme bei
der Anpassung an neue Erfordernisse einer im stetigen Wandel begriffenen Gesellschaft zu
bewältigen haben, analysiert werden. In diesem Zusammenhang stellt die Ausbildung eine Antwort
auf die Notwendigkeit dar, die Kompetenz und das Wissen zu erwerben, die für die Arbeitswelt
erforderlich sind.
In Zukunft wird zwischen Unterricht und Ausbildung sowie zwischen allgemeiner und beruflicher
Ausbildung zu unterscheiden sein.
2. KURZER ÜBERBLICK ÜBER DEN BILDUNGSSTAND IN PORTUGAL
Nach Schätzungen des Nationalen Statistischen Amtes (INE)2 hat Portugal heute rund 10 Millionen
Einwohner (Tab. 1 und 2). Die Bevölkerung altert zunehmend, da der Anteil der jungen Menschen
zurückgeht und derjenige der älteren Menschen zunimmt 2, 3. 1995 entfiel auf Jugendliche im Alter
von 5 bis 14 Jahren (schulpflichtige Bevölkerung) ein Anteil von 12,3 %3. Auch den
Bevölkerungsprojektionen des INE zufolge machte dieser Anteil im Jahre 1995 noch 12 % aus, soll
jedoch 2010 auf 11,6 % zurückgehen4.
Nach den Bevölkerungsprojektionen (Tab. 2) dürfte dieser Trend anhalten. Dies bedeutet, daß viel
in die Bildung und Ausbildung der Jugend investiert werden muß, um die Entwicklung des Landes
zu verstetigen und die ständige Zunahme der Zahl älterer Menschen aufzufangen.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
79
Tabelle 1 - Gebietsansässige Bevölkerung in Portugal nach Altersgruppen
Gebietsansässige Bevölkerung
Alter 0-14
15-64
29,1 %
62,9 %
1960
28,5 %
61,8 %
1970
25,5 %
63,1 %
1981
20,0 %
66,4 %
1991
65 +
8,0 %
9,7 %
11,4 %
13,6 %
Insgesamt
8 889 392
8 611 125
9 833 014
9 862 540
Quelle: Nationales Statistisches Amt
Tabelle 2 - Projektion der gebietsansässigen Bevölkerung nach Altersgruppen
Projektion der gebietsansässigen Bevölkerung in Portugal
Alter
0-14
15-64
65 +
Insgesamt
17,6 %
67,8 %
14,6 %
9 920 760
1995
16,8 %
67,7 %
15,5 %
9 998 174
2000
17,1 %
67,9 %
16,0 %
10 107 744
2005
17,2 %
66,4 %
16,3 %
10 238 047
2010
Quelle: Nationales Statistisches Amt
3.
DAS BILDUNGS- UND AUSBILDUNGSSYSTEM IN PORTUGAL
3.1.
DAS BILDUNGSSYSTEM
3.1.1. DIE PFLICHTSCHULE
In Portugal besteht neun Jahre Schulpflicht. Die Schulpflicht umfaßt die Grundschule, deren
Programm eine gemeinsame Allgemeinbildung für sämtliche Schüler vorsieht. Anschließend kann
der Schüler entweder seine schulische Ausbildung fortsetzen oder sich für eine auf die Aufnahme
einer Erwerbstätigkeit ausgerichtete Ausbildung entscheiden.
Die Grundschule besteht aus drei aufeinanderfolgenden, jeweils aufeinander aufbauenden, aber in
sich geschlossenen Zyklen (4 Jahre + 3 Jahre + 2 Jahre), die eine Gesamtheit bilden. Bis zum
15. Lebensjahr stellt sie eine universelle, kostenlose Pflichtschule dar.
Die erste Stufe umfaßt vier Jahre, in denen ein Lehrer allein allgemeinbildende Fächer unterrichtet.
Eventuell werden dem Lehrer in bestimmten Bereichen Fachlehrer zur Seite gestellt.
Die zweite Stufe umfaßt zwei Jahre, in denen in mehreren Fächern fachbereichsübergreifende
Grundkenntnisse vermittelt werden. Im Prinzip ist jeweils ein Lehrer pro Fach zuständig.
In der dritten Stufe wird Fachunterricht von Fachlehrern erteilt. Nach Durchlaufen der Grundschule
können die Schüler entweder weiter zur Schule zu gehen und sich für einen der Bildungswege des
Sekundarunterrichts entscheiden oder sich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen.
Trotz der neunjährigen Schulpflicht brachen 1995 landesweit zwischen 2 % (im fünften Schuljahr)
und 9 % (im neunten Schuljahr) der Schüler die Schule ab (Tab. 3). Die Schulabbruchquote war
allerdings in den einzelnen Regionen unterschiedlich hoch. Die niedrige Qualifikation der
Schulabbrecher erschwert die Eingliederung in das Erwerbsleben.
80
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Tabelle 3 - Schulabbruchquote 1995 (zweite und dritte Grundstufe/Festland/Tagesunterricht)
Zweite Grundstufe
Dritte Grundstufe
Fünftes Jahr
Sechstes Jahr
Siebtes Jahr
Achtes Jahr
Neuntes Jahr
2 918
2 % 4 622
3 % 9 271
6 % 6 660
5 % 12 679
9 %*
5
Quelle: Direktion Bewertung und Perspektiven des Bildungsministeriums (DAPP/ME), 1998 .
Anmerkung*: 2 % der Schulabbrecher gehen ohne Abschluß ab, 7 % mit einem Abschluß.
3.1.2. DIE SEKUNDARSCHULE
Die Sekundarschule folgt auf die Grundschule und ist Teil der Regelschule. Hier wird die Bildung
des Schülers vertieft oder der Eintritt in das Erwerbsleben vorbereitet. Der Unterricht ist
überwiegend auf die Fortsetzung der schulischen Ausbildung (allgemeinbildendes
Unterrichtsmodell) oder auf den Eintritt in das Erwerbsleben (technisches Unterrichtsmodell)
ausgerichtet, wobei die Durchlässigkeit zwischen den beiden Zweigen gewährleistet ist. Der Status
des technischen Unterrichtsmodells, das sich nicht durchsetzen konnte, weist jedoch gewisse
Ungereimtheiten auf: Es tritt überwiegend als Alternative für weniger leistungsfähige bzw. weniger
leistungsorientierte Jugendliche in Erscheinung, die ihren schulische Ausbildung nicht fortsetzen
wollen. Entsprechend hoch ist die Mißerfolgsrate (über 50 %).
Beide Unterrichtsmodelle sind auf drei Jahre angelegt und entsprechen dem 10., 11. und 12.
Schuljahr.
Die technische Ausbildung auf mittlerem Niveau in den Berufsschulen stellt eine Alternative zur
Regelschule dar. Die Berufsschulen wurden 1989 unter der Ägide des Bildungsministeriums und
des Arbeitsministeriums eingeführt. Auch andere als staatliche Stellen sind in das System mit
eingebunden, insbesondere die Gebietskörperschaften sowie regional und sektoral organisierte
Verbände und einzelne Unternehmen. Die Berufsschulen stehen in engem Kontakt mit der
Wirtschaft und der Arbeitswelt. Die Zahl der Berufsschulen stieg bis 1994/1995 kontinuierlich;
danach wurde das Wachstum gebremst. 1998 gab es rund 160 Berufsschulen mit 25 000 Schülern
(rund 6 % der Schüler des gesamten Sekundarunterrichts).
Der erfolgreiche Abschluß der Sekundarschule wird mit einem Abschlußdiplom zertifiziert. Was
das technische Unterrichtsmodell und die Berufsschulen angeht, wird die erworbene Qualifikation
im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit auf Niveau III zertifiziert. Nach Abschluß der
Sekundarschule steht der Schüler zum zweiten Mal vor einer Wahl: entweder setzt er die
Ausbildung in einem Zweig des Hochschulwesens fort, oder er entscheidet sich für das
Erwerbsleben.
Rund 90 % der Schüler, die die Grundschule durchlaufen haben, wechseln in den
Sekundarunterricht über. Nach Angaben des Bildungsministeriums besuchten 28 % der
Sekundarschüler 1997/98 technische und berufsbildende Lehrgänge, wobei auf die Berufsschulen
7,5 % entfielen5, 6 (Tab. 4).
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
81
Tab. 4 - Zahl der Schüler im Sekundarunterricht 1996/97
INSGESAMT
Allgemeinbildende Lehrgänge
Technische Lehrgänge
12. Schuljahr
Abendgymnasium
Berufsschulen
Zweiter Bildungsweg
Zahl der Schüler
427 409
237 953
79 580
36 547
20 676
26 372
26 281
%
100%
55,7%
18,6%
8,6%
4,8%
6,2%
6,1%
Quelle: DAPP/ME
Die Abbruchquoten im Sekundarunterricht sind hoch. 1995/96 brachen 18 % der Schüler im
zehnten, 12 % im elften und 25 % im zwölften Jahr die Schule ab (Tab. 5). Im technischen
Unterrichtsmodell sind es bis zu 90 %, in der Regel aber über 50 %6. An den Berufsschulen ist die
Lage vermutlich aufgrund der stärkeren Motivation der Jugendlichen und besserer
Ausbildungsbedingungen allerdings anders.
Die vorgenannte Prospektivstudie des DAPP/ME ("Simulation des Bedarfs an den Grund- und
Sekundarschulen")4 bezieht sich auf Kontinentalportugal und den Unterricht in Tagesklassen; sie
läßt die alternativen Ausbildungsmodelle (z.B. Berufsschulen und Berufsausbildung unter der Ägide
des Ministeriums für Qualifikation und Beschäftigung) außer Acht. Beobachtungsgrundlage ist die
Gesamtzahl der Schüler, die 2000/01 die Pflichtschule besuchten. In dieser Studie (s. Tab. 5) wird
für 2000/01 eine Gesamtschulbesuchsquote von 66 % ausgewiesen (der europäische Vergleichswert
liegt bei 78 %).
Tabelle 5 - Schulbesuchsquote an den
(Kontinentalportugal/Unterricht in Tagesklassen)
1990/91
1995/96
2000/01
Sechstes
Schuljahr
82%
98%
100%
Neuntes
Schuljahr
58%
85%
100%
Elftes
Schuljahr
47%
64%
72%
Grund-
und
Sekundarschulen
Zwölftes
Schuljahr
56%
66%
4
Quelle:
Prospektivstudie des DAPP/ME für Kontinentalportugal/ Unterricht in Tagesklassen
Anmerkung: Unberücksichtigt blieben die Schüler der alternativen Unterrichtsmodelle (z.B.
Berufsschulen oder Berufsaus-bildungsmaßnahmen des Ministeriums für
Qualifikation und Beschäftigung).
3.1.3. DAS HOCHSCHULWESEN
Zugang zu den Hochschulen haben Personen, die die Sekundarschule oder eine gleichwertige
Ausbildung absolviert und die Fähigkeit unter Beweis gestellt haben, daß sie dem
Hochschulunterricht folgen können. Auch Personen über 25 Jahren, die keine einschlägige
Befähigung nachweisen können, werden zugelassen, sofern sie sich erfolgreich einer adäquaten
Hochschulaufnahmeprüfung unterzogen haben.
Das öffentliche Hochschulwesen umfaßt - obwohl es von der Struktur her eigentlich nicht
ausdrücklich zweigliedrig ist - zwei Teilbereiche: die Universitäten und die technischen
Hochschulen. Diese sind auf verschiedenen Ebenen gegliedert. Im Grundlagengesetz über das
Bildungswesen (Lei de Bases do Sistema Educativo) werden ihnen gemeinsame allgemeine und nur
schwer differenzierbare spezifische Zielsetzungen zugeordnet:
 das Universitätsstudium vermittelt eine solide wissenschaftliche und kulturelle
Wissensgrundlage und befähigt zur Ausübung eines Berufes bzw. kulturellen Tätigkeiten; ferner
82
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
gewährleistet es eine Fachausbildung, die die gestaltenden und innovativen Fähigkeiten fördert;
es schließt mit einem Hochschuldiplom (vier bzw. fünf Studienjahre), dem Mastertitel oder der
Promotion ab.
 Das Studium an einer Politechnischen Hochschule vermittelt eine solide höhere
Allgemeinbildung und Fachausbildung und hilft die Fähigkeit zur Innovation und kritischen
Analyse entwickeln; ferner gehören theoretische und praktische wissenschaftliche Kenntnisse
und deren Nutzanwendung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit zu den
Lehrinhalten. Als Abschlüsse sind der akademische Grad eines Bakkalaureus (3 Jahre) und das
Hochschuldiplom (vier bis fünf Jahre, einschl. eventueller Praktika) möglich.
Einige Fachbereiche an den Politechnischen Hochschulen bieten zweistufige Studienabschlüsse an.
Das Ingenieurstudium dauert z. B. 3+2 Jahre. Der Abschluß nach dem dritten Jahr berechtigt zur
Führung des Titels eines Bakkalaureus und ermöglicht die Aufnahme einer einschlägigen
Berufstätigkeit. Das Absolvieren des vierten Jahres hat den Erwerb des Titels eines Bakkalaureus
zur Voraussetzung.
Das Hochschulstudium in Abendkursen ist wenig verbreitet. Allerdings ist es im politechnischen
Studium, insbesondere im Rahmen der in diesen Sektor integrierten früheren Sekundarschulen
stärker verbreitet. In bestimmten Fällen erreicht die Zahl der Studenten in den Abendkursen ein
Drittel der Gesamtstudentenzahl.
Die Teilbereiche Universität und Politechnische Hochschule weisen jeweils eine spezifische
Gliederung auf, wobei die Möglichkeit eines Überwechseln gegeben ist.
Die Graduiertenförderung ist eindeutig akademisch ausgerichtet, da die einschlägigen
Möglichkeiten der beruflichen Karriere im öffentlichen Sektor stark eingeschränkt sind, und es im
Privatsektor überhaupt keinen Bedarf gibt. Die Graduierten - und Postgraduiertenzahlen in Portugal
sind Tab. 6 zu entnehmen. Landesweit steht kein Zahlenmaterial über Promotionen zur Verfügung7.
Tabelle 6 - Akademische Grade7
Studienjahr
Bakkalaureus
Diplom
Master
1992/93
9 515
16 873
714
1993/94
10 047
21 311
871
1994/95
10 344
24 239
1 457
1995/96
10 756
26 119
1 704
Die Politechnischen Hochschulen sind erst in jüngster Zeit aufgebaut worden und stehen häufig im
Ruf, eine Art "zweitrangige" Hochschulausbildung zu vermitteln. Das Netz der Politechnischen
Hochschulen, in die auch die alten Sekundarschulen integriert wurden, ist im wesentlichen durch
eine starke regionale Komponente geprägt. Es soll den Ausbildungsbedarf sogenannter mittlerer
Berufsprofile wie des "technischen Führungspersonals" abdecken, deren Berufsbild auf das
Überwechseln in die Berufspraxis abgestimmt ist8.
Die Expansion der Hochschulen in Portugal während der 80er und 90er Jahre war vor allem mit der
Förderung der öffentlichen Politechnischen Hochschulen und insbesondere mit einem
außerordentlich starken Wachstum des privaten Bildungsangebots gepaart (Tab. 7), wobei sehr
häufig nicht einmal die Mindestgarantien für einen qualitativ hochwertigen Unterricht gegeben
waren und zudem eine Konzentration von Bildungseinrichtungen in Lissabon, Porto und in der
Nordregion beobachtet werden konnte.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
83
Von 1987 bis 1991 nahm die Zahl der Studenten an den öffentlichen Hochschulen um 40 % und an
den privaten Hochschulen um 250 % zu. 1991 überstieg das Angebot an Studienplätzen an den
privaten erstmals das an den öffentlichen Hochschulen. Bereits von 1993 an überstieg das
Studienplatzangebot an den (öffentlichen und privaten) Hochschulen die Zahl der Bewerber4. Was
das Studienangebot angeht, ist darauf hinzuweisen, daß rund 60 % der Studenten an den privaten
Hochschulen in den Fächern Sozialwissenschaften und Verhaltensforschung, Management und
Rechtswissenschaften, an den öffentlichen Hochschulen jedoch nur 25 % eingeschrieben sind.
Tabelle 7 - Aufgliederung der Studenten nach Hochschulbereichen
1983/84
1989/90
1996/97
Öffentliche Hochschulen
Universitäten Politechnische
Hochschulen
76,0%
12,6%
63,5%
15,0%
46,7%
18,6%
Private Hochschulen
Universitäten Politechnische
Hochschulen
7,9%
3,3%
10,5%
11,0%
15,0%
19,7%
Studenten
insgesamt
95 866
157 869
344 620
Quelle: Bildungsministerium
Durch erleichterte Zugangsvoraussetzungen sowie eine Erhöhung der Zahl der privaten
Hochschuleinrichtungen stieg der Prozentsatz der Altersgruppe 20-24 Jahre an der Studentenschaft
ab 1989/90 (vgl. Tab. 8).
Tabelle 8 - Anteil der Altersgruppe 20-24 Jahre an der Studentenschaft insgesamt7
Studienjahr
Anteil der Altersgruppe in %
89/90
90/91
91/92
92/93
93/94
94/95
95/96
96/97
18.4
24.4
28.1
31.0
33.3
35.1
37.3
39.4
Quelle: Schätzungen des Nationalen Statistischen Amtes; das Zahlenmaterial wurde von der Abteilung Hochschulwesen
des Bildungsministerium im Mai 1998 zur Verfügung gestellt.
Die Entscheidung der Studenten für eine bestimmte Hochschule hängt prioritär vom Grad der
Zufriedenheit mit Qualität und Prestige des Lehrangebots und der betreffenden Hochschule ab,
wobei eine klare Präferenz zugunsten der öffentlichen Universitäten gegeben ist. Zweitwichtigstes
Kriterium ist die geographische Nähe zum Wohnort, die zusammen mit dem Kosten/Ausgabenfaktor die öffentlichen Politechnischen Hochschulen als zweite Wahl und die privaten
Bildungseinrichtungen erst an dritter Stelle folgen lassen4.
Vor diesem Hintergrund sowie als Folge des anhaltenden Rückgangs der Geburtenrate wird in der
vom CIPES (Centro de Investigação de Políticas do Ensino Superior - Forschungszentrum für die
Politik im Bereich des Hochschulwesens) der Stiftung der portugiesischen Universitäten4 im Jahre
1999 durchgeführten Prospektivstudie bis zum Jahre 2005/06 eine erhebliche Abnahme der Zahl der
Hochschulbewerber und damit ein großes Problem für die Hochschulen, insbesondere die privaten
Hochschuleinrichtungen, vorausgesagt. Jetzt ist - reichlich spät zwar - sogar von einem möglichen
Kollaps der privaten Hochschuleinrichtungen die Rede, die - da sie den letzten Platz in der
Präferenzskala der Studenten einnehmen - in eine Situation geraten könnten, in der bestimmte
Bildungseinrichtungen geschlossen oder mit anderen zusammengelegt werden müssen.
Gewisse Verschiebungen innerhalb des Optionsprofils der Hochschulbewerber könnten bei der
Eingliederung auf dem Arbeitsmarkt Anlaß zu größeren Schwierigkeiten geben, da einerseits ein
Angebotsüberhang besteht und andererseits die Qualität der Ausbildung zu wünschen übrig läßt.
3.2.
84
SONSTIGE UNTERRICHTS- UND AUSBILDUNGSMODALITÄTEN
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Außerhalb des Bildungswesens, zu dem auch der zweite Bildungsweg gehört, hat Portugal unter der
Zuständigkeit des Ministeriums für Arbeit und Solidarität (MTS) und des Staatssekretariats für
Jugendfragen (SEJ) eine Reihe von Ausbildungsprogrammen entwickelt. Die unter der Ägide des
Ministeriums stehenden Programme werden über die Berufsbildungszentren (Centros de Formação
Profissional) sowie in den Beschäftigungszentren (Centros de Emprego do Instituto do Emprego e
da Formação Profissional - IEFP) realisiert, wohingegen die dem Staatssekretariat (Secretaria de
Estado) unterstehenden Programme mit Hilfe der Jugendinstitute (Instituto da Juventude) umgesetzt
werden. Die Zahl der Teilnehmer an den Bildungsprogrammen des MTS ist Tab. 9 zu entnehmen.
3.2.1.
DER ZWEITE BILDUNGSWEG
Es handelt sich dabei um einen Bildungsweg, zu dem sämtliche Personen Zugang haben, die dem
normalen Grundschul- bzw. Sekundarschule (15 bzw. 18 Jahre) entwachsen sind und entweder
keine Gelegenheit hatten, die Regelschule zu besuchen, oder (wegen Schulabbruchs oder
Schulversagens) keinen Schulabschluß zu Stande brachten. Der zweite Bildungsweg ist mit
spezifischen Lehrinhalten, Lehrmethoden und Bewertungsmodalitäten verbunden; wie in der
Regelschule können jedoch Schulabschlüsse und Zertifikate erworben werden.
Auf den zweiten Bildungsweg entfiel 1996/97 einen Anteil von 9,6 % (Grundschüler) bzw. 7,2 %
(Sekundarschüler) (Anhang I).
3.2.2.
GRUNDBILDUNGS- UND -BERUFSAUSBILDUNG
Die Grundbildung und -berufsausbildung wurde 1997 im Zuge einer gemeinsamen Initiative des
Bildungsministeriums (Ministério da Educação) und des Ministeriums für Qualifikation und
Beschäftigung (Ministério para a Qualificação e o Emprego) eingeführt. Sie untersteht derzeit dem
Ministerium für Arbeit und Solidarität (Ministério do Trabalho e da Solidariedade). Die
Grundbildung und -berufsausbildung soll den Jugendlichen nach der Grundschule zu einem
Berufsausbildungsjahr verhelfen, mit der Möglichkeit, ein Berufszertifikat der Stufe II zu erwerben
und dabei gleichzeitig den Abschluß des neunten Schuljahres (Grundschule) zu machen.
Die Ausbildung erfolgt in den Grund- und Sekundarschulen, wobei jedoch weitere
Kollektiveinrichtungen zugeschaltet sind. Sie richtet sich an Jugendliche, die das neunte Schuljahr
abgeschlossen oder zumindest besucht haben, keine berufliche Qualifikation besitzen und ins
Erwerbsleben überwechseln wollen. Der Lehrplan umfaßt mindestens 960 Stunden Tagesunterricht,
der flexibel gestaltet ist und schulische und praktische Ausbildung miteinander verbindet. Der
Vorschlag zur Einrichtung solcher Lehrgänge kommt von den Schulen, in denen der dritte
Grundstufenzyklus unterrichtet wird, und die über die Mittel verfügen, diese Art Unterricht anbieten
zu können. Die Schulen können aber auch Partnerschaften mit lokalen Kollektiveinrichtungen
eingehen, insbesondere mit den Berufsausbildungszentren (Centros de Formação Profissional), die
dem Institut für Beschäftigung und Berufsausbildung unterstehen.
1997 hatten diese Grundausbildungslehrgänge mit mehr als 13 000 Teilnehmern einen Anteil von
11 % am portugiesischen Berufsbildungsangebot (Tab. 9).
3.2.3.
DIE LEHRE
Die Lehre stellt eine duale Berufsausbildung dar. Eine Lehre machen können Jugendliche, die die
Pflichtschule durchlaufen haben und noch keine 25. Jahre alt sind.
Die vielseitige Lehre eröffnet den Jugendlichen den Zugang zu bestimmten Berufen. Sie vereinigt
berufliche Qualifikation mit schulischer Weiterbildung und bietet zugleich einen Schulabschluß.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
85
Das duale System zeichnet sich durch eine Verzahnung von theoretischer und praktischer
Ausbildung aus. Während des gesamten Ausbildungsprozesses vollzieht sich die praktische
Ausbildung in berufsnahen Situationen.
Nach Beendigung der Lehre legt der Jungendliche die Gesellenprüfung ab (Certificado de Aptidão
Profissional) und erwirbt einen Bildungsabschluß (der Stufe II oder III), der einer bestimmten
Qualifikationsstufe entspricht (Abschluß der 9. bzw. 12. Klasse) und zur Fortsetzung des Studiums
berechtigt.
Für die Dauer der Ausbildung wird (zwischen dem Auszubildenden und dem Lehrherrn, bei dem die
praktische Ausbildung stattfindet) ein Lehrvertrag abgeschlossen, der dem Auszubildenden
bestimmte Vergünstigungen gewährt (Versicherungsleistungen, Ausbildungsstipendium, Beihilfen
zum Lebensunterhalt und zur Mobilität). Für die Durchführung der Ausbildungsmaßnahmen erhält
der Lehrherr fachliche, pädagogische und organisatorische Unterstützung sowie eine
Aufwandsentschädigung für die Kosten im Zusammenhang mit der Ausbildung.
Die im Rahmen der Lehre angebotene Ausbildung erfolgt in spezifischen, den wichtigsten
Wirtschaftszweigen zugeordneten Tätigkeitsbereichen. Landesweit durchliefen 1997 rund 15 000
Jugendliche das duale System (alternierende Berufs- und Schulausbildung), was in etwa einem
Anteil von 4 % der Jugendlichen im Sekundarschulbereich entspricht. Eines der größten
Hindernisse beim Ausbau der Lehre ergibt sich aus der portugiesischen Wirtschaftsstruktur, die von
kleinen und mittleren Unternehmen mit niedrigem Ausbildungsstandard geprägt ist.
Nur wenige Auszubildende brechen die Lehre ab, und die Aussichten bei der Stellungssuche sind
sehr gut.
3.2.4.
SONSTIGE BERUFSAUSBILDUNGSMÖGLICHKEITEN
Bei den sonstigen Berufsausbildungsmöglichkeiten handelt es sich um Ausbildungsmodelle und systeme, die ohne entsprechend anerkannte Abschlüsse und ohne schulisches Pendant auf dem
Arbeitsmarkt als Grundausbildung (Grundberufsausbildung bzw. -qualifikation) oder als
Maßnahmen der ständigen Weiterbildung (Qualifikation, Fortbildung, Umschulung oder
Spezialisierung) angeboten werden.
Es handelt sich dabei vor allem um Modelle auf betrieblicher Grundlage, von denen einige in den
Berufsausbildungszentren, die dem IEFP direkt unterstehen oder an denen es beteiligt ist, angeboten
werden und bisweilen eine berufliche Qualifikation auf der Stufe II oder III ermöglichen. Andere
wiederum werden von den Unternehmen bzw. bestimmten Organisationen oder auch von
Ausbildungszentren organisiert und bieten ständige berufliche Weiterbildung, Umschulung oder
Wiedereingliederung an.
86
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
i) Grundausbildung
Die Grundausbildung ermöglicht Jugendlichen und Erwachsenen, die auf der Suche nach einer
Erstanstellung sind oder eine höhere technische Ausbildung im post-sekundären Bereich anstreben,
den Erwerb einer beruflichen Qualifikation. 1997 nahmen rund 13 000 Teilnehmer an einschlägigen
Maßnahmen der Berufsbildungszentren teil, mehrheitlich Schüler, die mindestens die neunte Klasse
der Pflichtschule absolviert haben.
ii) Weiterbildung
Die Weiterbildung bezweckt eine bessere Qualifikation der Erwerbstätigen und vermittelt
Kenntnisse zur besseren Bewältigung des technologischen und organisatorischen Wandels. 1997
waren 63,5 % aller Personen in Ausbildung Teilnehmer an Weiterbildungsmaßnahmen (Tab. 9).
iii) Ausbildungsmaßnahmen für Arbeitslose
Ausbildungsmaßnahmen für Arbeitslose sollen helfen, Arbeitslosen, die ihren Arbeitsplatz vor
weniger als einem Jahr verloren haben, oder vom Arbeitsplatzverlust bedroht sind, sowie
Arbeitnehmern, die sich selbständig machen wollen, eine marktgerechte Berufsausbildung zu geben,
sich wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern oder den Beruf zu wechseln.
iv) Ungünstige sektorale Entwicklungen
Maßnahmen zur Bekämpfung ungünstiger sektoraler Entwicklungen sollen Arbeitslosen oder durch
Arbeitsplatzverlust bedrohten bzw. in Regionen mit ungünstigen sektoralen oder betrieblichen
Entwicklungen wohnhaften Erwerbstätigen dabei helfen, sich umschulen zu lassen oder eine
Existenzgründung in Angriff zu nehmen, um ihre Berufsaussichten - in anderen Berufssparten bzw.
Tätigkeitsbereichen oder aber in anderen Gegenden des Landes - zu verbessern.
v) Ausbildungsmaßnahmen für Ausbilder und andere Wirtschaftsteilnehmer
Dabei handelt es sich um Grundausbildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen für Personen, die in
den Bereichen Ausbildung, Projektleitung, Management, Ausbildungstechnik und audiovisuelle
Techniken tätig sind.
Tabelle 9 - Zahl der Teilnehmer nach Ausbildungsmaßnahmen
AUSBILDUNGSTYP
Lehre
Grundausbildung
Weiterbildung
Ausbildungsmaßnahmen für Arbeitslose
Ungünstige sektorale Entwicklungen
Ausbildung von Ausbildern
1997
14 293
13 314
76 152
2 668
1 291
12 231
1998*
17 908
15 977
91 382
3 202
1 549
14 677
Quelle: Institut für Beschäftigung und Berufsausbildung (IEFP)
(*) Schätzung
4.
ARBEITSLOSIGKEIT IN PORTUGAL
Unter dem Gesichtspunkt der Entwicklungschancen sowie des lebenslangen Lernens sind die
Abbruchquoten der Grund- und Sekundarschüler, gepaart mit einer gewissen, besonders in den
Fächern Mathematik und Naturwissenschaften feststellbaren Ineffizienz des Bildungssystems, ein
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
87
brennendes Problem, das nicht ohne Auswirkungen auf die Eingliederung der Jugendlichen in die
Arbeitswelt bleibt.
Unter Jugendlichen mit geringer Qualifikation (bis 4 Grundschuljahre) ist die Arbeitslosigkeit mit
15,3 % sehr hoch (s. Tab. 10). Dieser Wert ist zwar etwa doppelt so hoch wie der Durchschnitt, liegt
aber dennoch unter dem Durchschnitt dieser Altersklasse.
Am höchsten ist die Arbeitslosigkeit erstaunlicherweise bei Jungakademikern. Diese stoßen
zunehmend auf Schwierigkeiten bei der Eingliederung in die Arbeitswelt. 1996 lag die
Arbeitslosenrate der Akademiker bei 25,1 %. Dieser hohe Anteil ist umso Besorgnis erregender, als
in Portugal lediglich 7 % der Bevölkerung in der Altersklasse 25-64 Jahre Akademiker sind. Die
Schwierigkeiten bei der Suche nach einer Erstanstellung, von der allerdings nicht alle Fachbereiche
betroffen sind, lassen sich mit dem Angebotsüberhang in bestimmten Fachbereichen sowie mit der
Qualität der Ausbildung an den Hochschulen erklären (vgl. Einlassungen in 2.1.4.). Dieses
Phänomen hat sich verstärkt, wozu sicherlich auch beigetragen hat, daß die portugiesiche Wirtschaft
hauptsächlich aus kleinen und mittelgroßen Unternehmen (KMU) besteht, die aufgrund ihrer
Beschaffenheit keine Notwendigkeit sehen, an Hochschulen erworbene Qualifikationen
"einzukaufen". Bisweilen sind diese Qualifikationen bei den Unternehmen anscheinend auch nicht
hinreichend bekannt.
Tabelle 10 - Arbeitslosenrate nach Bildungsniveau (1996)
Bildungsniveau
Weniger als 4 Schuljahre
6. Schuljahr
9. Schuljahr
12. Schuljahr
Hochschulstudium
Alle Abschlüsse
INSGESAMT
5.9
9.1
9.8
9.7
4.5
7.3
Altersklasse 15-24 Jahre
15.3
11.7
19.3
19.3
25.1
16.6
Quelle: Nationales Statistisches Amt (INE)5
Die Analyse der Arbeitslosenrate nach Alter und Qualifikationsstufe (Tab. 11) ergibt, daß der
Arbeitsmarkt weiterhin vorwiegend junge Menschen mit einem Schulabschluß von weniger als
12 Jahren aufnimmt.
Tabelle 11 - Arbeitslosenrate bei Jugendlichen nach Alter und Schulabschluß - Portugal, 1995
Bildungsabschluß
Kein Sekundarschulabschluß
Sekundarschulabschluß
Politechnischer Abschluß
Universitätsabschluß
Alle Bildungsabschlüsse
Quelle:
15-19
16
34
17
20-24
14
20
23
15
16
25-29
9
10
10
10
9
OCDE5
5.
AUSBILDUNG UND ARBEITSMARKT
5.1.
UNTERNEHMENSSTRUKTUR
Die portugiesische Wirtschaftsstruktur war 1995 so beschaffen, daß 80,6 % der Betriebe höchstens
neun Beschäftigten hatten, und dieser Anteil nimmt zu (Tab. 12). Der Anteil der Unternehmen mit
10 bis 49 Beschäftigten betrug 16,1 %. Auf Großbetriebe (mit 100 und mehr Beschäftigten) entfiel
nur ein Anteil von 1,4 %, jedoch stellten sie 39 % der Arbeitsplätze.
88
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
In nur fünf an der Küste gelegenen Regierungsbezirken (Aveiro, Braga, Lissabon, Porto und
Setúbal) sind etwa 66 % der Unternehmen mit fast 75 % der Arbeitsplätze angesiedelt. In diesen
fünf Regierungsbezirken konzentrieren sich 81 % der Unternehmen mit 100 oder mehr
Beschäftigten, wobei auf Lissabon und Porto allein 58,4 % entfallen. In diesen Bezirken fanden
auch die meisten Unternehmensneugründungen statt (insgesamt 58,5 %).
Tabelle 12 - Aufgliederung der Unternehmen nach Größenklassen
Kontinentalportugal, in %
Bis 9 Beschäftigte
10 - 49 Beschäftigte
50 - 99 Beschäftigte
100 - 499 Beschäftigte
500 und mehr Beschäftigte
1991
75,9
19,6
2,6
1,7
0,2
1992
76,5
19,2
2,4
1,7
0,2
1993
77,7
18,4
2,2
1,5
0,2
1994
79,8
16,9
1,9
1,3
0,2
1995
80,6
16,1
1,9
1,2
0,2
Quelle: Statistikabteilung des Ministeriums für Arbeit und Solidarität (DE-MTS) - Belegschaften
Anmerkung: der staatliche Sektor blieb unberücksichtigt
5.2.
DIE BESCHÄFTIGUNGSSTRUKTUR
Laut Beschäftigungserhebung des INE für 1997 wurden 4 331 900 Erwerbspersonen gezählt. Die
altersmäßige Aufgliederung (Tabelle 13) ergibt folgendes Ergebnis: 564 700 Jugendliche unter
25 Jahren (13,0 %), 2 486 300 Erwachsene im Alter zwischen 25 und 49 Jahren (57,4 %) und
1 281 000 Erwachsene über 49 Jahren (29,6 %).
Tabelle 13 - Erwerbslose nach Altersgruppen
Kontinentalportugal - (in tausend)
Erwerbsbevölkerung
1995
4 225,2
1996
4 250,5
1997
4 331,9
-25 Jahre
25-49 Jahre
50 und + Jahre
559,7
2 554,3
1 111,2
549,2
2 512,3
1 189,0
564,7
2 486,3
1 281,0
Quelle: Nationales Statistisches Amt (INE) - Beschäftigungserhebung (Jahresdurchschnitte)
Die Aufgliederung nach Altersklassen zeigte für 1997 bei Jugendlichen unter 25 Jahren einen
Beschäftigungsanstieg in Höhe von 2,8 %. Dieser Wert war höher als der Anstieg der
Gesamtbeschäftigung.
Die Daten der Statistikabteilung des Ministeriums für Arbeit und Solidarität (DE-MTS) lassen eine
allmähliche Verbesserung bei der Qualifikation der abhängig Beschäftigten in Unternehmen mit
mindestens 100 Beschäftigten erkennen (Tab. 14).
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
89
Tabelle 14 - Aufgliederung der abhängig Beschäftigten nach Qualifikationsstufen
Kontinentalportugal, in %
Mittlere und höhere Führungskräfte
Abteilungsleiter und andere Spitzenkräfte
Fachkräfte
Angelernte Kräfte
Unqualifizierte Kräfte
Praktikanten und Auszubildende
Qualifikationsstufe unbekannt
1991
4,2
8,3
39,0
18,1
10,8
11,6
8,0
1992
4,4
8,3
39,2
17,4
11,3
10,9
8,5
1993
4,4
8,3
40,0
16,9
11,2
10,3
8,9
1994
4,9
8,4
40,9
16,7
11,9
8,9
8,3
1995
6,3
9,4
43,9
17,5
12,1
8,4
2,4
Quelle: Statistikabteilung des Ministeriums für Arbeit und Solidarität (DE-MTS) - Belegschaften
Anmerkung: der Sektor Staat blieb unberücksichtigt
Die Qualifikation der abhängig Beschäftigten (92,4 % der Beschäftigten) wurde anhand der
schulischen Abschlüsse und Qualifikationsstufen ermittelt, wobei über die Abschlüsse hinaus auch
der Aufgabenbereich zu berücksichtigen war. Dabei ergab sich, daß Fachkräfte und angelernte
Kräfte, die den 1. und 2. Grundschulzyklus absolviert haben, auf dem Arbeitsmarkt überwiegen.
Den Daten des DE-MTS zufolge hatten 3,2 % der Arbeitnehmer im Jahre 1995 den ersten
Grundschulzyklus nicht abgeschlossen, und 42,1 % hatten lediglich den ersten Grundschulzyklus
aufzuweisen. Am anderen Ende der Bildungsskala waren nur 5,2 % der Belegschaften als mittlere
und höhere Führungskräfte einzustufen.
Die Ergebnisse der Sozialbilanz bei Unternehmen mit mindestens 100 abhängig Beschäftigten
zeigten ebenfalls für 1995, daß - unabhängig von der Art des Arbeitsvertrages - 5,4 % der
Arbeitnehmer den ersten Grundschulzyklus nicht abgeschlossen hatten (Tab. 15).
Tabelle 15 - Bildungsniveau der Arbeitnehmer
Bildungsniveau der Arbeitnehmer
1991
1992
1993
1994
1995
1996
Grundschulzyklus nicht abgeschlossen
Pflichtschule vollständig absolviert
Akademiker
9.9
15.6
4.2
7.9
16.4
4.7
7.3
16.8
5.1
6.3
16.5
5.3
5.4
17.4
5.6
4.7
17.9
6.0
1997
*
4.1
18.0
6.8
Quellen: Statistikabteilung des Ministeriums für Arbeit und Solidarität (DE-MTS) - Sozialbilanz 10,11
5.3.
DIE NOTWENDIGKEIT
UNTERNEHMEN
BERUFSBILDENDER
MASSNAHMEN
IN
DEN
Es sind vor allem die Mittel- und Großunternehmen, die in die Ausbildung ihrer Beschäftigten
investieren. Allerdings profitieren die KMU am meisten von der Berufsausbildung. Sie haben nicht
die finanziellen Möglichkeiten, eine längere Ausbildung ihrer Beschäftigten durchzustehen und sind
weitgehend auf die Ausbildung im Rahmen des Ausbildungssystems angewiesen. Den Unternehmen
fehlen häufig die Kenntnisse und auch das Verständnis für die Bedeutung, die das Wissen und
bestimmte Qualifikationen für ihren Betrieb haben können, und die fehlende Qualifikation ihrer
Beschäftigten macht diese Unternehmen für die Probleme im Zusammenhang mit dem
wirtschaftlichen und technologischen Fortschritt anfällig.
Die Erhebung über den Ausbildungsbedarf der Unternehmen (1996/99)12, die auf der Grundlage
einer Stichprobe von 1 500 Unternehmen Kontinentalportugals zwischen September und Oktober
1996 in Form einer Direktbefragung in Betrieben mit 10 und mehr Beschäftigten außerhalb der
90
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Landwirtschaft durchgeführt wurde, ergab für den betreffenden Dreijahreszeitraum einen Bedarf an
beruflicher Ausbildung für insgesamt 1 185 600 Lehrgangsteilnehmer. Kurzfristig wurde für
696 700, mittelfristig für 488 800 Lehrgangsteilnehmer ein Ausbildungsbedarf angemeldet. Von den
Unternehmen als prioritär eingestuft wurden folgende Ausbildungsmodalitäten: berufliche
Fortbildungsmaßnahmen (81,4 % der Kandidaten, die an kurz- und mittelfristigen Maßnahmen
teilnehmen sollten), Grundausbildung (14,8 %), Lehre (1,0 %) und Umschulung (0,8 %).
Die 1993 von der Europäischen Kommission durchgeführte Erhebung über die berufliche
Weiterbildung (Continuing Vocational Training Survey - CVTS)14, an der 50 000 Unternehmen mit
10 und mehr Beschäftigten in den damaligen 12 Mitgliedstaaten beteiligt waren, zeigte, daß die
portugiesische Wirtschaft europaweit am wenigsten in die berufliche Ausbildung investierte (mit
0,7 % der Personalaufwendungen weniger als die Hälfte des Gemeinschaftsdurchschnitts von 1,6 %.
Die Daten in der Sozialbilanz des Zeitraums 1991 bis 199610 (0,8 % der Personalaufwendungen)
bestätigen dieses Zahlenmaterial und beweisen, daß sich die Lage nicht geändert hat. Zahlreiche
Unternehmen haben zwar einen Ausbildungsplan für ihre Belegschaft, haben jedoch keine Mittel zu
dessen Umsetzung bereitgestellt14.
5.4.
DAS BERUFSAUSBILDUNGSANGEBOT
Bestimmend für den Ausbildungsmarkt sind eine Reihe von Faktoren, die sowohl mit den
Merkmalen des Produktionssystems als auch derjenigen des Arbeitsmarkts und des Bildungs- und
Ausbildungssystems zusammenhängen. Eine wichtige Rolle spielen dabei 13:
 eine hohe Analphabetenrate, die jetzt vor allem in Form funktionalen Analphabetentums
in Erscheinung tritt;
 ein sehr niedriger Bevölkerungsanteil mit mittleren und höheren Schulabschlüssen bzw.
mit über die Pflichtschulzeit hinausreichenden Bildungsabschlüssen;
 ein nur wenig über dem Gemeinschaftsdurchschnitt liegendes Pro-Kopf-BSP, das für den
Umfang der für Bildung und Ausbildung bereitstehenden Finanzmittel ausschlaggebend
ist;
 ein Technologiedefizit sowie überholte Managementmethoden in den meisten Betrieben,
in denen materielle Investitionen den Vorrang gegenüber wesentlichen Aspekten wie
Wettbewerb, technische Innovation und strategische Rolle der Entwicklung des
menschlichen Faktors genießen;
 die fast völlig fehlende Bereitschaft der meisten Betriebe (KMU und Kleinstbetriebe), in
die Bildung zu investieren oder die berufliche Ausbildung ihrer Mitarbeiter in die
betrieblichen Entwicklungspläne aufzunehmen.
Die KMU sind zwangsläufig in starkem Maße vom externen Bildungsangebot für ihre
Arbeitnehmer abhängig, aber diese Ausbildung ist auch teurer. Dennoch sind laut DETEFP12
76,5 % der portugiesischen Unternehmen mit 10 und mehr Beschäftigten der Auffassung, daß der
eigene Betrieb der geeignetste Ausbildungsort ist. Die Arbeitgeber- und Unternehmerverbände
sowie die Zentren für Direkt- bzw. Mitverwaltung des IEFP können im Hintergrund wirken, wobei
die Beteiligungswerte jeweils 20 % nicht übersteigen dürfen. Die Präferenz für betriebsinterne
Ausbildungsmaßnahmen bestätigt die Ergebnisse von 1993 auf Gemeinschaftsebene14, die besagen,
daß 72,2 % des gesamten Zeitinvestitionsvolumens betriebsinternen Ausbildungsmaßnahmen
zugute kommt.
Was die Art der außerbetrieblichen Ausbildungsmaßnahmen angeht, liegen bezüglich der
involvierten Einrichtungen keine aussagekräftigen Daten vor. Höhere Bildungseinrichtungen spielen
dabei jedoch anscheinend nur eine untergeordnete Rolle. Allerdings gibt es zahlreiche öffentliche
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
91
und private Einrichtungen unterhalb der Hochschulebene, sich sich der Berufsausbildung mittlerer
und höherer Führungskräfte annehmen. Dabei geht es um die berufliche Eingliederung von
Absolventen bestimmter Bildungslehrgänge in das Erwerbsleben, berufliche Weiterbildung und
Fachausbildung sowie die Fortbildung der Führungskräfte nach einigen Jahren Berufserfahrung.
Wichtigste Bereiche sind: Ingenieurwissenschaften und Technologie, Betriebswirtschaft, Marketing
und Werbung, Projektausarbeitung und -verwaltung, Fremdsprachen, europäische Integration,
Informatik, Ausbildung und Ausbildung von Ausbildern sowie Bankwesen und Finanzwirtschaft15.
Unter den 10 wichtigsten Ausbildungsbereichen in Portugal wurden die höchsten Teilnehmerzahlen
bei Ausbildungsmaßnahmen in den Bereichen Informatik, Bank- und Versicherungswesen,
Verwaltung und Handel registriert, wobei die Ausbildung im Dienstleistungsbereich gegenüber dem
Produktionsbereich dominiert16.
Allgemein ist festzustellen, daß eine Minderheit der Unternehmen weiterhin in die Ausbildung der
Belegschaft investiert. 1993 boten lediglich 13 % der portugiesischen Unternehmen
Ausbildungsmaßnahmen an, wohingegen es im Gemeinschaftsdurchschnitt (EU12) 43 %14 waren.
1997 schätzte die DETEFP16, 17 den entsprechenden Anteil auf 10,6 bis 10,9 %.
Unkonventionelle Ausbildungsmaßnahmen wie Kurzlehrgänge, Konferenzen, Workshops und
Seminare sind in Portugal nicht sehr weit verbreitet und werden in der Statistik des Landes weder
erfaßt noch ausgewiesen. 1993 boten lediglich 8 % der portugiesischen Unternehmen eine
Ausbildung am Arbeitsplatz an14. Dieser Anteil lag nur etwas höher als in Griechenland und weit
unter dem Gemeinschaftsdurchschnitt (EU12) von 38 %. Das in den nordeuropäischen Ländern weit
verbreitete Selbststudium wird dieser Quelle14 zufolge lediglich in 1 % der portugiesischen
Unternehmen praktiziert.
Dieser Aspekt ist äußerst wichtig, da das Selbststudium z. B. für die KMU ein sehr profitabler
Ausbildungsweg ist, der wesentlich stärker ausgebaut werden müßte, da er Zeit und Kosten sparen
hilft (die Aufwendungen betragen nur 39 % der üblichen Ausbildungskosten14) und somit einige
Hindernisse ausräumt, die Investitionen der Unternehmen in die Berufsausbildung entgegenstehen.
5.5.
DIE WIRKUNG DER AUSBILDUNGSMASSNAHMEN
Es gibt keine Anhaltspunkte für die Bewertung von Qualität und Effizienz der Ausbildung für
mittlere und höhere Führungskräfte in außerbetrieblichen Ausbildungseinrichtungen15.
Die Erhebung über die Auswirkungen der betrieblichen Berufsausbildungsmaßnahmen (1994/96)
wurde vom DETEFP im Jahre 1997 durch Direktbefragung bei 1 600 Unternehmen mit 10 und
mehr Beschäftigten in sämtlichen Wirtschaftszweigen (mit Ausnahme der Landwirtschaft, der
Fischerei, des Bergbaus sowie bestimmter Sektoren des Bildungswesens wie Vorschulerziehung,
Grund- und Sekundarsschulwesen sowie sonstiger kollektiver, sozialer und personenbezogener
Dienstleistungen, u. a. der religiösen Orden) durchgeführt17.
Nach DETEFP-Angaben17 besaßen die meisten Arbeitnehmer, die in Unternehmen, die
Berufsausbildungsmaßnahmen durchführten (10,6 % der Gesamtheit der Unternehmen), eine
Anstellung erhielten, nicht die Voraussetzungen für die Ausübung der ihnen angewiesenen
Tätigkeiten. Über ein Drittel von ihnen nahmen im Zeitraum 1994/96 an finanzierten
Berufsausbildungsmaßnahmen teil. Unter den Arbeitnehmern, die diese Ausbildungsmaßnahmen
durchlaufen haben, entfallen die meisten auf die Gruppe auf Arbeitnehmer, die bereits an
außerschulischen Ausbildungsmaßnahmen teilgenommen hatten. Eine Berufsausbildung erhielten
591 000 Arbeitnehmer, zumeist im eigenen Betrieb (57 %). Rund ein Drittel der Arbeitslosen, die in
92
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
einer Ausbildungsmaßnahme in diesen Betrieben teilnahmen (6,8 % aller Betriebe), wurden danach
von dem betreffenden Betrieb eingestellt17.
Nach DETEFP-Angaben17 verbesserten sich die Betriebsindikatoren (Produktivitätssteigerung,
Verbesserung der Produktqualität, Rationalisierungsfortschritte, Einführung neuer Technologien,
Steigerung der innerbetrieblichen Mobilität usw.) der Unternehmen, in denen
Ausbildungsmaßnahmen angeboten wurden. In Unternehmen, die keine Ausbildung anboten, ist die
Entwicklung der Arbeitsindikatoren signifikanter (größere Beschäftigungsstabilität, Änderung der
Arbeitszeiten, bessere Entlohnung, Senkung des Durchschnittsalters der Belegschaft usw.).
6.
DIE ERSTELLUNG VON STATISTIKEN ÜBER DIE BERUFSAUSBILDUNG
Die Statistikproduktion im Bereich der Berufsausbildung hängt eng mit der Systementwicklung
zusammen. Das Institut für Beschäftigung und Berufsausbildung (IEFP) wurde im Jahre 1979
gegründet. In den 80er Jahren expandierte es stark und wurde diversifiziert. Bis Mitte der 80er Jahre
stellte die Grundberufsausbildung des IEFP das wichtigste Alternativangebot für vorzeitig aus dem
Schulsystem ausgeschiedene oder bei der Stellungssuche erfolglos gebliebene Jugendliche dar12.
Erst in dem 90er Jahren wurde ein System für die Statistik der Berufsausbildung entwickelt. Dabei
stützte man sich auf ein methodisches Modell, in das die gesamte Berufsausbildung in Portugal mit
einbezogen wurde12. Für dieses System zeichnen die Statistikabteilung des Ministeriums für Arbeit
und Solidarität (DE-MTS) sowie die Abteilung für Einschätzung, Perspektiven und Planung des
Bildungsministeriums (Departamento de Avaliação, Prospectiva e Planeamento do Ministério da
Educação - DAPP/ME) verantwortlich.
Die DE-MTS übernimmt Produktion, Analyse und Verbreitung der Statistik für den
Beschäftigungsbereich sowie für die außerschulische Berufsausbildung und die Beziehungen in der
Arbeitswelt, insbesondere aber die Zuständigkeiten, die das INE im Rahmen des Nationalen
Statistiksystems delegierte.
Die DAPP/ME ist - auch bezüglich der Delegierung von Zuständigkeiten des INE - für die
Produktion, Entwicklung und Verbreitung der Statistik auf dem Bildungssektor sowie die in diesem
Rahmen angebotenen Berufsausbildungsmaßnahmen zuständig.
Der gemeine Nutzer statistischen Datenmaterials über die Berufsausbildung stößt erst einmal auf
das Problem, daß das Datenmaterial häufig weit verstreut, schlecht zugänglich und bruchstückhaft
ist, wichtige Bereiche nicht erfaßt wurden und die Daten somit nicht sämtliche Bereiche und
Facetten der Berufsausbildung widerspiegeln.
Weitere Probleme ergeben sich aus der Tatsache, daß das vorhandene statistische Datenmaterial es
nicht gestattet, das Angebot an Berufsausbildungsmaßnahmen mit dem Bedarf der Wirtschaft zu
verknüpfen, in der sehr kleine Unternehmen eine überwiegen (Tab. 12). Laut Ziff. 5.3 wendet sich
die Erhebung über den Berufsausbildungsbedarf an Unternehmen mit mindestens 10 Beschäftigten.
Sie ermöglicht eine systematische Merkmalsbeschreibung dieser Berufsausbildungsmaßnahmen12.
Jedoch gibt es jedoch keinerlei statistische Quellen für den individuellen Berufsausbildungsbedarf.
Dieser Gesichtspunkt ist aber für die Kenntnis der Ungleichgewichte zwischen Angebot und
Nachfrage an Berufsausbildungsmaßnahmen entscheidend.
Es gibt allerdings noch eine kaum mit Zahlen zu belegende Angebotsseite des Ausbildungsmarkts:
die privaten Ausbildungsinitiativen ohne finanzielle Zuwendungen. Diese sind häufig nicht von der
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
93
Berufsausübung zu trennen, vor allem, was die innerhalb des Produktionssystems zahlenmäßig
kaum ins Gewicht fallenden Großunternehmen angeht.
Eine weitere Beschränkung der statistischen Quellen in bezug auf die Berufsausbildung ergibt sich
aus der Tatsache, daß sich die Auswirkungen der einzelnen Ausbildungsmaßnahmen in den
Unternehmen und auf die berufliche Laufbahn der Teilnehmer nicht nachvollziehen lassen.
Der portugiesische Berufsausbildungsmarkt ist weitgehend angebotsorientiert. Durch die
Ausbildungsmaßnahmen abgedeckt werden überwiegend Bereiche, die im Rahmen von
Programmen, die Strukturfonds finanzieren, als prioritär oder förderungswürdig eingestuft sind. Ein
Statistiksystem, mit dem auf allgemeiner Bildungs- und Ausbildungsebene Vorausschätzungen
erstellt werden können, die eine individuelle Laufbahnwahl ermöglichen und das Management der
menschlichen Ressourcen abstützen, wird bei der Trendumkehr eine entscheidende Rolle spielen.
Dieses Statistiksystem muß es auch gestatten, den Ausbildungsbedarf verschiedener
Wirtschaftszweige und Regionen zu ermitteln und nachzuzeichnen und das statistische
Informationsmaterial über die beschäftigungspolitischen Maßnahmen insbesondere im Bereich der
Berufsausbildung dabei mit einzubeziehen.
Literaturverzeichnis:
1-
234-
5678910 11 12 13 14 -
94
Antunes, F., "POLÍTICAS EDUCATIVAS PARA PORTUGAL, ANOS 80-90: O debate acerca
do ensino profissional na escola pública", Políticas de Educação nº 4, Instituto de Inovação
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Azevedo, J., "SAIR DO IMPASSE: Os ensinos tecnológico e profissional em Portugal",
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Necessidades de Formação Profissional das Empresas - 1996/99", Lissabon, 1996
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15 - Departamento de Programação e Gestão Financeira do Ministério da Educação (DEP/GEF) e
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1994, Lissabon)
16 - Departamento de Estatística do Trabalho e Formação Profissional (DETEFP), "Inquérito à
Execução de Acções de Formação Profissional - 1997", Lissabon, 1997
17 - Departamento de Estatística do Trabalho e Formação Profissional (DETEFP), "Inquérito ao
Impacto das Acções de Formação Profissional nas Empresas - 1994/96", Lissabon, 1997
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
95
Anhang
1 - EINGESCHRIEBENE SCHÜLER UND STUDENTEN NACH GESCHLECHT PROZENTUALE VERTEILUNG NACH AUSBILDUNGSNIVEAU UND -MODALITÄT BZW.
BILDUNGSZWEIG
Kontinentalportugal
1996/97
Geschlecht
Bildungsniveau und Modalität bzw. Bildungszweig
Insgesamt
%
2
1
Insgesamt
3
4
Weibl.
%
5
6
7
2192540 100,0
1087526 49,6
1105014 50,4
187539
113652
73887
8,6
60,6
39,4
96364
58014
38350
51,4
51,0
51,9
91175
55638
35537
48,6
49,0
48,1
1223169
500823
489962
10861
55,8
40,9
97,8
2,2
632113
259903
255759
4144
51,7
51,9
52,2
38,2
591056
240920
234203
6717
48,3
48,1
47,8
61,8
2.ºZyklus
Regelschule
Zweiter Bildungsweg
284573
273563
11010
23,3
96,1
3,9
150620
145607
5013
52,9
53,2
45,5
133953
127956
5997
47,1
46,8
54,5
3º Zyklus
Regelschule
7., 8. und 9. Schuljahr
Berufsbildende Lehrgänge
(Stufe 2)
Zweiter Bildungsweg
437773
395782
394650
35,8
90,4
99,7
221590
199793
199073
50,6
50,5
50,4
216183
195989
195577
49,4
49,5
49,6
1132
0,3
720
63,6
412
36,4
41991
9,6
21797
51,9
20194
48,1
437212
405716
239111
79229
19,9
92,8
58,9
19,5
210504
193285
103289
44673
48,1
47,6
43,2
56,4
226708
212431
135822
34556
51,9
52,4
56,8
43,6
26024
6,4
13863
53,3
12161
46,7
1604
0,4
678
42,3
926
57,7
20546
5,1
10557
51,4
9989
48,6
16507
4039
38594
80,3
19,7
9,5
8372
2185
19749
50,7
54,1
51,2
8135
1854
18845
49,3
45,9
48,8
608
0,1
476
78,3
132
21,7
31496
7,2
17219
54,7
14277
45,3
344620
211056
133564
15,7
61,2
38,8
148545
90496
58049
43,1
42,9
43,5
196075
120560
75515
56,9
57,1
56,5
Vorschulen
Netzwerk des M.E.
Netzwerk des M.S.S.S.
Grundschulen
1.ºZyklus
Regelschule
Zweiter Bildungsweg
Sekundarschulen
Regelschule
Allgemeiner Unterricht
Technischer Unterricht
Berufsbildender Unterricht
(Stufe 3)
Kunstschule - Graphische
Künste
Ergänzungsunterricht
in
Abendkursen
Abendgymnasium
Abendtechnikum
12. Schuljahr - Bildungsweg
Technisch-berufsbildender
Unterricht (Abendschule)
Zweiter Bildungsweg
Hochschulstudium
Universitätsstudium
Studium an anderen Bildungseinrichtungen
96
männl.
%
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
VERWENDUNG DER BILDUNGS- UND AUSBILDUNGSSTATISTIK - DIE SITUATION IN
PORTUGAL
Fernando Marques
Representante dos trabalhadores
Gabinete de Estudos da CGTP-IN.
Rua Vitor Cordon, nº 1 - 2º
P – 1294 LISBOA CODEX
[email protected]
EINLEITUNG
In meinem Beitrag werde ich auf einige Aspekte der Verwendung von Bildungs- und
Ausbildungsstatistiken eingehen.
Erstens möchte ich demonstrieren, wie sich diese Statistiken in das portugiesische statistische
System einfügen.
Zweitens möchte ich einige Aspekte der Bildungsstatistik beleuchten.
Drittens werde ich über die Ausbildungsstatistik sprechen.
Außerdem werde ich auch auf einige Verwaltungsstatistiken eingehen, die Aspekte der beruflichen
Bildung enthalten, jedoch nicht in das statistische System integriert sind.
Schließlich werde ich einige Schlussfolgerungen erwähnen, die ich für besonders relevant halte.
DAS NATIONALE STATISTISCHE
AUSBILDUNGSSTATISTIK
SYSTEM
-
DIE
BILDUNGS-
UND
Das portugiesische statistische System ist ein maßvoll zentralisiertes System, denn es erlaubt der für
die Erstellung der Statistiken zuständigen Stelle, dem INE, einige seiner Zuständigkeiten abzutreten.
Dies ist für den Bereich Bildung und Ausbildung sehr wichtig, und hier hat das INE einiges an das
Ministerium für das Bildungswesen (ME) und an das Ministerium für Arbeit und Solidarität (MTS)
abgegeben.
Die wichtigsten vom INE in diesen Bereichen durchgeführten Arbeiten sind die Volkszählung und
die Erhebung über die Beschäftigung. Das Ministerium für das Bildungswesen ist für die jährliche
Veröffentlichung der Bildungsstatistik zuständig.
Die Erstellung von Statistiken über den Bereich der beruflichen Bildung konzentriert sich
größtenteils auf die Abteilung Statistik des MTS. Durch die starke Ausweitung und Diversifizierung
der beruflichen Bildung seit den 80er Jahren kam es zur Weiterentwicklung der Statistikproduktion.
Dadurch wurde es notwendig, Systeme zu schafffen, mit denen die verschiedenen Aspekte der
Ausbildung bewertet werden können, zum Beispiel Bedarfsanalyse und Effizienzbewertung.
Erwähnenswert sind auch die (an Bedeutung gewinnenden) auf Verwaltungsdaten basierenden
Statistiken, die vom Institut für Beschäftigung und berufliche Bildung (IEFP) erstellt werden. Diese
Statistiken sind noch nicht in das statistische System integriert.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
97
DIE VERWENDUNG VON BILDUNGSSTATISTIKEN
Die wichtigste statistische Quelle im Bereich Bildung ist das Ministerium für das Bildungswesen,
das 1992 die Zuständigkeit für die Bildungsstatistik erhielt. Bis dahin wurden die Statistiken meist
vom nationalen statistischen Amt (INE) im Rahmen von Erhebungen beschafft.
Die Bildungsstatistiken geben uns einen recht guten Einblick in die wichtigsten Informationen über
alle Ebenen des Bildungssystems einschließlich des Bereichs der beruflichen Bildung mit
Berufsschulen, technologischen und berufsspezifischen technischen Ausbildungsgängen. Sie
erstrecken sich auch auf Bereiche wie Sonderschulbildung, außerschulische Bildung, soziale
Unterstützung im schulischen Bereich und Bildungsfinanzierung. Dabei besteht die Tendenz zur
Bereitstellung von immer mehr Informationen.
Einige der wichtigsten Hindernisse sind:
 die fehlende Koordinierung zwischen dem Bildungsministerium und dem Institut für
Beschäftigung und berufliche Bildung, das Daten über die außerschulische berufliche Bildung
produziert. Besonders ins Gewicht fällt dabei die Erstausbildung im Rahmen des Systems der
Lehrlingsausbildung; der Benutzer hat nämlich keine Möglichkeit, sich einen Gesamtüberblick
über Bildung und Erstausbildung zu verschaffen;
 die ungenügende Koordinierung mit dem nationalen statistischen Amt (INE) im Rahmen der von
ihm übernommenen Zuständigkeiten;
 das Problem der Datenvergleichbarkeit aufgrund der im Bildungswesen erfolgten
Veränderungen. Es müssen lange Zeitreihen mit vergleichbaren Informationen entwickelt
werden. Das Bildungsministerium plant diese Arbeiten für den Zeitraum 1960-1999;
 Verzögerungen bei der Herausgabe von Informationen - im Augenblick liegen endgültige
Statistiken nur für 1997 vor - aufgrund der Verzögerung bei der Sammlung der Informationen. Es
muss auch in die Modernisierung investiert werden;
 der Mangel an abgeleiteten Statistiken und die fehlende Entwicklung und Verbreitung wichtiger
Indikatoren;
 die Notwendigkeit der Verbesserung der Qualität der Informationen zum Beispiel über den
Bildungshaushalt des Landes. Die Bildungsausgaben sollten integriert werden, so dass sowohl
die Ausgaben für das öffentliche als auch das private Bildungswesen erfasst werden.
Die Qualitätsverbesserung muss auch ein Modell für Statistiken umfassen, die unabhängig von
staatlich geförderten Stellen sind. Dies ist ein heikles Problem, das für die Entwicklung und
Glaubwürdigkeit der Statistik wichtig ist.
DIE VERWENDUNG VON STATISTIKEN ÜBER BERUFLICHE BILDUNG
An dem System der Statistiken über berufliche Bildung sind beteiligt das INE (nationales
statistisches Amt), das Statistiken im Zusammenhang mit den Haushalten erstellt, und die Abteilung
Statistik des Ministeriums für Arbeit und Solidarität, die Erhebungen bei Unternehmen durchführt.
98
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Das INE veröffentlicht die „Beschäftigungserhebung“ mit vierteljährlichen Daten über die
Gesamtbevölkerung. Ein Teil der Erhebung ist Fragen der beruflichen Bildung gewidmet. Die
verfügbaren Informationen sind jedoch zum Teil nicht veröffentlicht worden.
Was die vom Ministerium für Arbeit und Solidarität durchgeführten Erhebungen bei den
Unternehmen angeht, so decken sie drei Schlüsselaspekte der beruflichen Bildung ab: Bedarf,
Durchführung und Bewertung. Was den Bedarf betrifft, so ist die wichtigste statistische Quelle die
„Erhebung über den Bedarf der Unternehmen an beruflicher Bildung“, die in Unternehmen mit
mehr als 10 Beschäftigten durchgeführt wird und deren Ergebnisse vierteljährlich veröffentlicht
werden. Ein wichtiger Indikator ist dabei, welche Art von Maßnahmen zur beruflichen Bildung von
den Unternehmen als besonders wichtig angesehen wird. Was die Durchführung angeht, so haben
wir die „Sozialbilanzen“ für Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten und auch die „Erhebung
über die Durchführung von Maßnahmen der beruflichen Bildung“. Für die Bewertung verfügen wir
über die „Erhebung über die Auswirkungen von Maßnahmen der beruflichen Bildung in
Unternehmen“, die den Zeitraum 1994-1996 umfasst.
Alles zusammen ergibt ein kohärentes System, das die wichtigsten Aspekte der beruflichen Bildung
abdeckt.
Dessen ungeachtet stößt der Benutzer auf beträchtliche Schwierigkeiten:
 Die Erhebungen richten sich an Unternehmen, so dass andere Einheiten, z. B. Behörden,
automatisch ausgeklammert werden (wenngleich in diesem Fall spezifische Informationen
verfügbar sind);
 es werden deshalb nicht alle Sektoren erfasst; die Landwirtschaft sollte auch einbezogen werden;
 sie erfassen nicht die kleinen Unternehmen;
 bei ihrer Durchführung gibt es immer noch zeitliche Ungenauigkeiten.
Die Benutzer haben Schwierigkeiten, die Effizienz der beruflichen Bildung in Bezug auf die
Qualifikation der Arbeitnehmer einzuschätzen. Portugal hat zum Beispiel stark in die berufliche
Bildung investiert, wofür zum großen Teil auch Mittel der Europäischen Union zur Verfügung
gestellt wurden, wenn wir jedoch die Qualifikationsstatistiken (anhand der Organigramme)
analysieren, sehen wir kaum Fortschritte.
Die Auswirkungen der Maßnahmen der beruflichen Bildung können auch anhand der Statistiken des
„Observatoriums für den Eintritt ins Erwerbsleben“ bewertet werden, das Ende der 80er Jahre durch
eine gemeinsame Initiative des Bildungsministeriums und des Ministeriums für Arbeit und
Solidarität geschaffen wurde.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
99
BESCHÄFTIGUNGS- UND AUSBILDUNGSPOLITIKEN
VERWENDUNG DER STATISTIKEN
-
PRODUKTION
UND
Das Institut für Beschäftigung und berufliche Bildung spielt hinsichtlich der aktiven Politiken im
Bereich Beschäftigung und berufliche Bildung eine wichtige Rolle. Diese Rolle wurde dadurch
gefördert, dass jahrelang Mittel der Europäischen Gemeinschaft zur Verfügung standen, und in
jüngerer Zeit auch durch nationale Beschäftigungsprogramme im Rahmen der von der EU
genehmigten Beschäftigungsleitlinien. Die Dimension der beruflichen Bildung kommt in den
Maßnahmen und Programmen für die berufliche Bildung und auch in den
Beschäftigungsprogrammen zum Ausdruck, denn letztere beinhalten Ausbildungskomponenten.
Von besonderer Bedeutung sind:

Programme für die berufliche Erstausbildung, die auf die Integration in den Arbeitsmarkt
abzielen, wie dies bei dem System der Lehrlingsausbildung der Fall ist; berufliche
Weiterbildung;

Schulung von Arbeitslosen und sonstigen benachteiligten Gruppen;

Bescheinigung oder Validierung formeller oder informeller Kenntnisse und Qualifikationen.
Das Institut für Beschäftigung und berufliche Bildung verwaltet auch die „Nationale
Handelsklassifikation“.
Dennoch sind die Informationen kaum bekannt. Das Institut für Beschäftigung und berufliche
Bildung veröffentlicht Statistiken sowohl über Beschäftigung als auch über berufliche Bildung,
doch sind diese Statistiken nicht in das statistische System integriert.
Sowohl die allgemeinen Nutzer als auch die Öffentlichkeit befinden sich ständig im Dilemma:
Entweder haben sie keine Informationen, oder sie haben „zu viele“ mit vielen nicht kohärenten
Einzeldaten. Wenn verschiedene Ministerien Maßnahmen mit ähnlichen Zielen ergreifen, dann
produzieren sie (möglicherweise) Informationen, die in der Regel nicht zusammengeführt werden
können, denn sie sind das Ergebnis unterschiedlicher Konzepte und Methodiken. Es besteht weder
eine Integration in das statistische System noch eine Koordinierung mit dem INE. Dies liegt unter
anderem daran, dass die Handelsklassifikation nicht als statistische, sondern als administrative
Klassifikation betrachtet wird. Auch hier fehlt die Koordinierung mit dem INE.
SCHLUSSBEMERKUNGEN
Ich möchte meine Ausführungen mit vier Schlussbemerkungen beenden:
1.
Das portugiesische statistische System hat die an dem System der allgemeinen und
beruflichen Bildung erfolgten Änderungen begleitet, wobei dies in Bezug auf die berufliche
Bildung schwieriger war. Uns stehen eindeutig mehr Informationen zur Verfügung, und der
Zugang zu ihnen ist einfacher, besonders über das Internet.
2.
Dennoch bleiben einige Schwierigkeiten bestehen, und zwar hauptsächlich aufgrund der Art
und Weise, wie die Statistiken in der Praxis erstellt werden, zum Teil außerhalb des
statistischen Systems. Wie ich bereits gesagt habe, verfügen wir nicht über eine
Gesamtbewertung der Kosten für Bildung und Ausbildung.
100
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
3.
Was die Ausbildung betrifft, so gibt es einige Informationslücken, doch was uns vor allem
fehlt, ist ein globales und kohärentes Bild. Wir müssen mehr über die Auswirkungen von
Ausbildungsmaßnahmen erfahren. Wir müssen über den Einzelbedarf an
Ausbildungsmaßnahmen Bescheid wissen. Wir müssen die Normung von Begriffen
vorantreiben und dafür sorgen, dass der Zugang zu Klassifikationen und Systematiken so
verbessert wird, dass die Ausbildungsmaßnahmen systematisiert werden können. Von den
Ausbildungseinrichtungen werden keine einheitlichen Ausbildungskonzepte verwendet.
4.
Es fehlen uns harmonisierte Zeitreihen und abgeleitete Statistiken über den Bildungsbereich,
um wichtige Indikatoren zu entwickeln.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
101
INTERNATIONALER BILDUNGSSTRUKTURVERGLEICH RESULTATE UND PROBLEME AUS ÖSTERREICHISCHER SICHT
Arthur Schneeberger
ibw-Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft
Rainergasse 38
A-1050 WIEN
[email protected]
Mit der Internationalisierung von Wirtschaft, Arbeitsmärkten und Bildung wächst die Nachfrage
nach empirisch fundierter Information über die Qualifikationsstruktur des jeweils eigenen Landes
im Vergleich zu anderen europäischen, aber auch außereuropäischen Staaten. Politik und
Verwaltung, Austauschorganisationen und international tätige Unternehmen haben
Informationsbedarf, ganz zu schweigen von den sozio-ökonomisch orientierten Forschern und den
politikberatenden Industrien.
Im Hinblick auf das Thema des Seminars möchte ich aus der Erfahrung eines Nutzers komparativer
Statistik in Österreich 5 Punkte respektive Fragen ansprechen:
1. Ausmaß und Arbeitsmarktproblematik des Bildungssegments ohne weiterführende Ausbildung
mit besonderer Berücksichtigung des geschlechtsspezifischen Aspekts.
2. Ausmaß des mittleren Bildungsniveaus, das in Österreich 70 Prozent der Bevölkerung umfaßt.
3. Hintergründe der spezifisch österreichischen Qualifikationsstruktur
4. Vertikale und horizontale Strukturierung der postsekundären Bildungsstufe
5. Graduierungsstrukturen und Vergleichbarkeit von Hochschulabsolventenquoten
ad 1. Schrumpfender Bevölkerungsanteil ohne weiterführende Bildungsabschlüsse –
Arbeitsmarktrelevanz der Ausbildungsintegration
Mit steigendem Wohlstand und steigendem Dienstleistungsanteil unter den Erwerbspersonen nimmt
die soziale Bildungsbeteiligung nach Absolvierung der Schulpflicht in allen Ländern zu.
Massenwohlstand und Schrumpfung der Beschäftigungsmöglichkeiten im Agrarsektor und der
Grundstoffindustrie korrelieren mit verlängerten Bildungsphasen. So ist der Bevölkerungsanteil
jener, die nur die untere Sekundarstufe (oder weniger) besucht haben, in den Ländern der
Europäischen Union innerhalb von etwa drei Jahrzehnten von 55 auf 31 Prozent zurückgegangen.
TABELLE 1:
Bildungsniveau in ausgewählten Altersgruppen der Bevölkerung
in der europäischen Union, 1997, in %
Alter in Jahren
25-29
55-59
Wandel: %-punkte
Niedrig
(<ISCED 3)
Mittel
(ISCED 3)
Hoch
(ISCED 5,6,7)
Insgesamt
30,5
54,9
48,1
31,4
21,4
13,7
100
100
-24,4
+16,7
+7,7
-
Quelle: Eurostat, Bildung in der EU, 1988; eigene Berechnungen
102
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
In den Ländern der Europäischen Union haben bei den Jungerwachsenen Ende der 90er Jahre im
Mittel rund 70 Prozent zumindest einen Abschluß der oberen Sekundarstufe erreicht. Der Anteil der
Jungerwachsenen ohne weiterführende Bildung schrumpft nach dem Altersgruppenvergleich von
Eurostat durchgängig.
Außerhalb der EU 15 weisen z.B. Norwegen 91, Korea 88 und die Vereinigten Staaten 87 Prozent
an Jungerwachsenen mit zumindest oberem Sekundarschulabschluß (High-School-Abschluß) auf.1
Da die Anfänger- und Besuchsquoten noch über den Abschlußquoten liegen dürften, haben wir es in
vielen Ländern zunehmend mit einer umfassenden Bildungsstufe zu tun, wodurch sich neue
Probleme ergeben (Definition und Sicherung eines Mindestlevels, Schülerleistungsüberprüfung
etc.).
In geschlechtsspezifischer Analyse wird erkennbar, daß die frühere Bildungsbenachteiligung der
Frauen in Europa bei den unter 30jährigen überwunden ist. Bei den Jungerwachsenen haben die
Frauen bereits geringfügig höhere Anteile an höheren Bildungsabschlüssen. Im Vergleich zur
Elterngeneration hat aber eine Bildungsrevolution in Form der Halbierung des Anteils unter den
Frauen, die keine über die untere Sekundarschule hinausgehende Bildung besuchen konnten,
stattgefunden (Reduktion von 62 auf 30 Prozent).2 In 11 der 15 Länder der Europäischen Union ist
der Anteil der unter 30jährigen Frauen ohne weiterführenden Bildungsabschluß niedriger als bei den
altersgleichen Männern (siehe Tabelle 2).
TABELLE 2:
Prozentanteil der 25- bis 29jährigen Bevölkerung
ohne weiterführende Bildung, 1997
Land
Finnland
Schweden
Deutschland
Dänemark
Österreich
Belgien
Frankreich
Niederlande
Griechenland
EU-15
Irland
Vereinigtes Königreich
Spanien
Italien
Luxemburg
Portugal
Gesamt
Männlich
Weiblich
12,7
13,6
14,6
15,2
17,0
22,2
23,3
26,0
28,5
30,5
31,1
38,9
43,4
45,8
47,7
58,7
13,8
13,8
13,1
15,9
12,8
24,5
23,5
27,7
31,4
31,0
35,3
37,1
47,4
48,1
47,1
63,6
11,5
13,4
16,1
14,5
21,2
19,7
23,0
24,2
25,9
29,9
26,9
40,9
39,1
43,5
48,4
53,6
Differenz*
2,3
0,4
-3,0
1,4
-8,4
4,8
0,5
3,5
5,5
1,1
8,4
-3,8
8,3
4,6
-1,3
10,0
*Prozentpunkte
Quelle: EUROSTAT, Bildung in der Europäischen Union, 1998, S. G2; eigene Berechnungen
1
OECD: Bildung auf einen Blick. OECD-Indikatoren 1998, Paris, 1998, S. 44.
2
EUROSTAT, Bildung in der Europäischen Union, Daten und Kennzahlen, 1998, S. G2.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
103
Die auffällige geschlechtsspezifische Differenz auf dem formal niedrigen Bildungsniveau in
Österreich hängt unter anderem damit zusammen, daß die Mädchen stärker in die
vollzeitschulischen Bildungswege nach der Pflichtschule (die auch kurze schulische Bildungsgänge
unter Abschlußniveau der oberen Sekundarstufe enthalten) und seltener in die duale Ausbildung
nach der Pflichtschule übertreten. Obgleich die Mädchen in den vollzeitschulischen Bildungsgängen
– gemessen an den Abschlußquoten – erfolgreicher als die Buben sind, ergibt sich im Gesamtoutput
der oberen Sekundarstufe nach wie vor ein ungünstigeres Ergebnis, das Folgeprobleme am
Arbeitsmarkt hat. Die Erwerbspersonen ohne weiterführenden Abschluß sind in Österreich bei
beiden Geschlechtern von einem signifikant höheren Arbeitslosigkeitsrisiko als alle übrigen
Bildungsschichten betroffen.3 Die möglichst breite soziale Integration in berufliche Bildung nach
der Absolvierung der 9jährigen Pflichtschule wird daher politisch als prioritäre Problematik
definiert und behandelt.
Von den 16 bis 17 Prozent der 20- bis 24jährigen, welche in Österreich Ende der 90er Jahre keine
Ausbildung der oberen Sekundarstufe abgeschlossen haben, dürften schätzungsweise 10 bis 12
Prozent in einer mehrjährigen schulischen oder dualen Ausbildung gewesen sein, haben aber keinen
Abschluß erreicht.4 Mit dem Verschwinden von Beschäftigungsmöglichkeiten im Agrarsektor und
dem Rückgang gering qualifizierter Arbeit in der Industrie sind Beschäftigungsmöglichkeiten für
Pflichtschulabsolventen ohne Ausbildung zurückgegangen. Die Versorgung der Jugendlichen mit
beruflichen Bildungsmöglichkeiten nach dem 15. Lebensjahr – seien diese nun dual oder
vollzeitschulisch organisiert – gewinnt hieraus ihre wachsende Bedeutung.
Der Indikator „ohne weiterführende Bildung“ (<ISCED 3) hat daher für Österreich eine wichtige
Funktion, um die Tauglichkeit der Ausbildungsstrategie des Landes zu messen und international mit
Ländern mit ähnlichen Rahmenbedingungen zu vergleichen.
ad 2. Mittleres Bildungsniveau der Eurostat-Klassifikation subsumiert ein zu heterogenes
Segment für Österreich
Betrachtet man nur das mittlere Bildungsniveau nach Eurostat-Kategorisierung, so fallen starke
Unterschiede zwischen den Ländern auf. Die stärksten Anteile im mittleren Bildungsniveau haben
deutschsprachige und nordeuropäische Länder, die angelsächsischen Länder weisen ein weniger
breites mittleres Bildungsniveau auf.
3
Lorenz Lassnigg, Arthur Schneeberger: Transition from Initial Education to Working Life. Country Background
Report: Austria, Vienna, July 1997, p. 62.
4
Siehe dazu: Arthur Schneeberger, Bernd Kastenhuber: Berufliche Bildung im Strukturwandel. Perspektiven und
Optionen (= Schriftenreihe des Instituts für Bildungsforschung der Wirtschaft, Nr. 112), Wien, 1999, S. 107.
104
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
TABELLE 3:
Formales Bildungsniveau der 30-34jährigen Bevölkerung
nach Eurostat-Kategorien im Ländervergleich, 1997; Angaben in %
Land
Österreich
Deutschland
Finnland
Schweden
Dänemark
Frankreich
Niederlande
EU-15
Griechenland
Italien
Belgien
Irland
Vereinigtes Königreich
Luxemburg
Spanien
Portugal
Niedrig
17,0
14,3
14,0
14,9
17,6
28,5
27,9
33,4
36,3
50,3
28,8
37,7
42,3
47,8
52,3
69,5
Mittel
72,2
61,1
59,8
55,7
53,7
49,8
46,6
44,6
40,6
39,8
39,3
33,9
32,1
30,6
21,7
16,5
Hoch
10,8
24,6
26,2
29,5
28,8
21,7
25,6
22,0
23,1
9,9
31,9
28,4
25,5
21,6
26,1
14,0
Insgesamt
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
Quelle: EUROSTAT, Bildung in der Europäischen Union, 1998, S. G2
Jene 83 Prozent der 30- bis 34jährigen österreichischen Bevölkerung, die 1997 einen
Bildungsabschluß nach Absolvierung der 9jährigen Schulpflicht absolviert haben, setzten sich aus
72 Prozent „mittleres Bildungsniveau“ (ISCED 3) nach Eurostat-Kategorisierung und knapp 11
Prozent aus „hohem Bildungsniveau“ (ISCED 5, 6 und 7) zusammen. Die Spitzenstellung
Österreichs beim „mittleren Bildungsniveau“ hat damit zu tun, daß für Österreich unter dem
„ISCED Level 3“ Bildungsgänge mit erheblich unterschiedlicher Dauer und Qualifikationshöhe
subsumiert werden. Dies gilt insbesondere für die berufsbildende höhere Schule (BHS), die in der
Normalform 5 Jahre dauert. Außerdem gibt es viele postsekundäre Sonderformen der BHS, die aber
bislang auch unter ISCED 3 fallen. Zusammenfassend und realistisch betrachtet, enthält das
„mittlere Bildungsniveau“ daher erheblich heterogene Qualifikationen. Laut Mikrozensus 1997
(Jahresergebnisse) haben die 30- bis 34jährigen in der Wohnbevölkerung (N=722.600) Abschlüsse
folgender Bildungsgänge der oberen Sekundarstufe oder höhere Abschlüsse erreicht5:
5
ÖSTAT: Mikrozensus-Jahresergebnisse 1997, Wien, 1999, S. 7, die interne Aufgliederung der höheren Schule
beruht auf einer Zusatzinformation.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
105
Subsumiert unter ISCED 3
44 %
Lehrlingsausbildung in Betrieb und Berufsschule
10 %
Berufsbildende mittlere Schule (BMS)
7 %
10 %

Berufsfachliche
Erstausbildung
Allgemeinbildende höhere Schule (AHS)
Allgemeinbildung /
Hochschulzugang
Berufsbildende höhere Schule (BHS)
Allgemeinbildung /
Hochschulzugang plus
Berufsdiplom
Mehr als ISCED 3
2 %
Akademien, medizinisch-technische Lehrgänge
8 %
Universitäten, Hochschulen
Pflichtschullehrerausbild
ung u.a.
Akademische
Graduierung
Folgende Schlußfolgerungen sind für gegenständlichen thematischen Kontext von Relevanz:
1. Die hohe Integrationsfähigkeit der Bildungswege nach der Pflichtschule beruht auf der Vielfalt
der Ausbildungsangebote und den damit gegebenen Wahlmöglichkeiten zwischen schulischer
und dualer Ausbildung sowie unterschiedlichen schulischen Formen der Berufsbildung (mittlere
und höhere berufsbildende Schulen), die über verschiedene Formen von Praxiskontakt verfügen
(Labor- und Werkstättenunterricht, Pflichtpraktika in den Ferien, Projektunterricht und
sogenannte Übungsfirmen).
2. Diese Vielfalt bedeutet aber auch, daß „höhere Bildung“ bereits mit der Sekundarstufe II beginnt
und nicht erst auf postsekundärer Stufe. Das macht eine wesentliche Systemdifferenz aus, deren
Nichtbeachtung im internationalen Dialog mit Bildungsfachleuten immer wieder zu
weitreichenden Mißverständnissen führt.
3. Als Benutzer von internationalen Bildungsstatistiken bedeutet die Subsumption der
angesprochenen Vielfalt der Bildungswege auf der oberen Sekundarstufe unter ISCED Level 3
Verlust an Information.
Möglicherweise ließen sich kurze und lange Bildungsgänge nach der Sekundarstufe I noch
unterscheiden. Die in der ISCED Version von 1997 (UNESCO 1997) enthaltene Einführung eines
Levels 4 könnte hier eine realistischere Erfassungsmöglichkeit für die Hauptform der
berufsbildenden höheren Schule (BHS) (5jährig) bieten. Da in Österreich ein erheblicher Teil der
Abschlüsse von berufsbildenden höheren Schulen nicht in der Hauptform (Schulen für 14- bis
19jährige mit hohem Leistungsstandard), sondern in Sonderformen für Erwachsene erreicht wird (in
der Regel nach Abschluß einer Berufsausbildung oder einer allgemeinbildenden höheren Schule,
AHS) wäre meines Erachtens auch eine Integration der Sonderformen in ISCED Level 5 zu
erwägen.
ad 3. Hintergründe der österreichischen Qualifikationsstruktur
Im Vergleich zu Ländern mit einer deutlichen Qualifikationspyramide hat die österreichische
Qualifikationsstruktur eher die Gestalt einer „Zwiebel“: schmale Basis – breite und vielfältige Mitte
– schmale Spitze. Die naheliegende Frage mag für manche Beobachter nun sein, warum Österreich
diese Struktur nicht stärker und schneller internationalen Vergleichsstrukturen angepaßt hat. Meine
Vermutung hierzu lautet, daß die relativ guten Ergebnisse am Arbeitsmarkt der Jugendlichen und
106
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Jungerwachsenen,
die
betriebliche
Akzeptanz
der
gegebenen
Vielfalt
von
Sekundarstufenausbildungen und die große Akzeptanz des Ausbildungsangebots in der Bevölkerung
hierfür u.a. wichtig sind. Einige Argumente und Belege hierzu:
1. Arbeitslosigkeit und vor allem längere Arbeitslosigkeit ist in Österreich vor allem ein Problem
älterer Erwerbspersonen. Die OECD hat z.B. für 1995 Vergleichswerte zur
Jugendarbeitslosigkeit präsentiert, die eine relativ geringe Betroffenheit in Österreich belegen
(6 zu 22 Prozent im Ländermittel). Auch die Relation zur gesamten altersgleichen Bevölkerung
ergibt ein günstiges Bild (3 zu 10 Prozent im Ländermittel).6 Auch neuere Zahlen auf Basis der
EU-Definition zeigen eine relative gut gelingende Arbeitsmarktintegration der Jugendlichen
und Jungerwachsenen.
2. Es gibt zwar Besorgnisse, daß wir zu wenige Hochschulabsolventen hätten, auch mögliche
humankapitalbedingte Wettbewerbsnachteile werden ins Treffen geführt. Die Besorgnisse sind
aber nicht so stark oder überzeugend genug in ihrer Argumentation, daß sie zu weitreichenden
Strukturveränderungen auf der oberen Sekundarstufe und der Universitäten geführt hätten (seit
1994 gibt es allerdings Fachhochschulen). Unternehmensbefragungen und andere
Arbeitsmarktanalysen haben nur einen sehr geringen Anteil an Unternehmen gezeigt, die
Schwierigkeiten bei der Suche nach Hochschulabsolventen technologischer Richtungen haben.
In Reaktion auf ähnliche Befunde sprach einer der führenden Volkwirtschaftsprofessoren in
seinem Resümee einer Wirtschaftsstandort-Studie von einem den Beteiligten „weitgehend
unbewußten“ Nachholbedarf in der Akademikerquote in der Wirtschaft.7
3. Auch die Qualifikationsengpässe in der Informationstechnik bieten kein eindeutiges
Gegenbeispiel. 1999 gab es einen massiven Vorstoß der Unternehmen des IT-Sektors bezüglich
eines Defizites an IT-Spezialisten. Die tiefergehende Diskussion hat vor allem Wünsche nach
mehr Absolventen von einschlägigen BHS in der Hauptform (14- bis 19jährige)8 oder in der
Sonderform
des
Kollegs
(das
eine
AHS-Matura
bzw.
allgemeine
Hochschulstudienberechtigung voraussetzt, aber nicht als tertiäre Bildung gilt) gezeigt. Mehr
Absolventen der universitären Langstudien (6 bis 8 Jahre im Mittel bis zur ersten Graduierung)
war kaum das Thema, auch die Einführung eines Bakkalaureates war in diesem Kontext kein
relevanter Punkt.
4. Studierende und Hochschulneuabsolventen leiden unter dem Widerspruch, daß sie einerseits
ständig mit der medialen Botschaft der weltweit niedrigsten „Akademikerquote“, andererseits
reduzierten Möglichkeiten „adäquater“ Beschäftigung im öffentlich finanzierten Sektor (dem
Hauptarbeitgeber
der
akademischen
Bildungsroute)
infolge
der
Budgetkonsolidierungserfordernisse konfrontiert werden. Trotz dieser Verunsicherung ist die
Einführung kurzer Studien unter Studierenden nicht wirklich populär. Die „volle akademische
Berufsfähigkeit“ (z.B. A-Dienstfähigkeit im öffentlichen Sektor) als Ziel steht im Vordergrund.
5. Trotz der Besorgnisse angesehener Experten über die geringe Hochschulabsolventenquote im
internationalen Vergleich einerseits, die Probleme adäquater Beschäftigung und
Nachschulungsbedarf von Hochschulabsolventen andererseits, ist meines Erachtens doch
zutreffend, wenn man feststellt, daß damit kein wirklich prioritäres Thema der Bildungs- und
6
OECD: Bildungspolitische Analyse 1998, Paris, 1998, S. 92.
7
Gunther Tichy: Technologie und Bildung. In: Heinz Handler (Hrsg.): Wirtschaftsstandort Österreich.
Wettbewerbsstrategien für das 21. Jahrhundert, Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten, Wien,
Februar, 1996, S. 109.
8
z.B. HTL für Datenverarbeitung und Datenorganisation
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
107
Arbeitsmarktpolitik betroffen ist. Einen in der Politik viel höheren Stellenwert als die Probleme
der Hochschulabsolventen am Arbeitsmarkt9 hat seit 1996 die Lücke an Lehrstellen in der
dualen Ausbildung, die massive Reaktionen der Regierung und der Sozialpartner und in der
Folge hohen Finanzmitteleinsatz zur Knüpfung eines „Auffangnetzes“ nach sich zog. Die
Sorge vor einem Abreißen des bislang erfolgreichen Weges ständig steigender
Ausbildungsbeteiligung durch Einbrüche in der Lehrlingsausbildung und deren soziale und
arbeitsmarktbezogene Folgeprobleme hatte deutlich höheren Stellenwert in der Öffentlichkeit
als die Modernisierung der Universitäten.
TABELLE 4:
Arbeitsmarktintegration der Jugendlichen im europäischen Vergleich, 1995
Länder
Österreich
Deutschland
Dänemark
Niederlande
Portugal
Belgien
Luxemburg
Irland
Schweden
Frankreich
Griechenland
Vereinigtes
Königreich
Italien
Spanien
Finnland
EU-Länder
1995
Arbeitslosenqu
Verhältnis
ote der 15- bis Arbeitslose zu
24jährigen
Bevölkerung,
15- bis
24jährige in %
6
3
9
5
10
7
12
7
17
7
24
9
*
*
20
9
19
9
27
10
28
10
16
10
33
43
38
22
1999 Ende September
Arbeitslosenqu Arbeitslosenqu
ote:
ote:
Labour force Labour force 25
unter 25
Jahre
Jahren
und älter
5,6
4,0
9,1
9,2
6,0
4,0
6,5
2,4
8,3
3,6
21,0
7,6
6,0
2,4
8,2
5,8
13,7
6,0
24,3
9,3
12,7
4,7
13
18
20
10
32,0
27,5
20,8
17,3
8,4
13,0
8,4
7,9
*
Für Luxemburg keine Daten aufgrund der zu geringen Stichprobengröße
Quelle: OECD, Bildungspolitische Analyse 1998, S. 92.
ad 4. Postsekundarquoten: weitergehender Differenzierungsbedarf bei steigender
Bildungsrelevanz
Zusammen mit Italien bleibt Österreich nach der Eurostat-Klassifizierung bei den unter 30jährigen
bei etwa 8 Prozent, bei den 30- bis 34jährigen bei 10 bis 11 Prozent im Bevölkerungsanteil mit
formal hoher Bildung. Für andere Länder werden 30 bis 35 Prozent der altersgleichen Bevölkerung
unter der Kategorie höheres Bildungsniveau subsumiert. Bereits auf den ersten Blick wird
9
Die Probleme Akademiker am Arbeitsmarkt sind kaum jene offener, registrierter Arbeitslosigkeit, sondern primär
solche „adäquater“ Beschäftigung.
108
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
erkennbar, daß eine starke Korrelation zur Wirtschaftsleistung nicht möglich sind. Offensichtlich
heben sich die Postsekundarquoten der Länder mit der Dominanz traditioneller Universitäten mit
Langstudien negativ ab. Italien hat erst in den 90er Jahren mit Kurzstudien eine intra-universitäre
Diversifikation eingeleitet, Österreich setzt seit 1994 mit Fachhochschulen auf die Strategie interinstitutioneller Diversifikation.10 Die Universitäten gründen auf einem zweigliedrigem
Studiensystem, das sich vom angelsächischen dreigliedrigen System im Hinblick auf Dauer und
Ziele der Studien, Graduierungsstruktur und das Alter der Absolventen bei Erstabschluß erheblich
unterscheidet.
Beide Länder haben hochqualifizierte berufsbildende lange Bildungsgänge auf der oberen
Sekundarstufe eingerichtet. Der Umstand, daß bei den 30- bis 34jährigen eine höhere
Abschlußquote als bei den 25- bis 29jährigen erreicht wird, verweist bei diesen Ländern auf lange
Studiendauern bis zum Erstabschluß.
TABELLE 5:
„Höheres Bildungsniveau“ definiert als ISCED 5,6 und 7 im Ländervergleich
bei Jungerwachsenen und differenziert nach Geschlecht 1997, in %
25- bis
30- bis Differenz:
29jährige 34jährige %-Punkte
30-34j.
männlich
30-34j. Differenz:
weiblich %-Punkte
Belgien
35,2
31,9
3,3
29,1
34,7
-5,6
Irland
34,1
28,4
5,7
28,0
28,7
-0,7
Spanien
33,2
26,1
7,1
24,1
28,0
-3,9
Schweden
28,0
29,5
-1,5
27,1
31,9
-4,8
Frankreich
27,9
21,7
6,2
20,1
23,2
-3,1
Niederlande
25,8
25,6
0,2
27,0
24,1
2,9
Vereinigtes Königreich
25,1
25,5
-0,4
27,0
24,0
3,0
Luxemburg
22,8
21,6
1,2
21,5
21,8
-0,3
Griechenland
21,7
23,1
-1,4
22,5
23,6
-1,1
Dänemark
21,5
28,8
-7,3
27,8
29,8
-2,0
EU 15
21,4
22,0
-0,6
22,5
21,5
1,0
Finnland
21,0
26,2
5,2
24,2
28,2
-4,0
Deutschland
17,2
24,6
-7,4
28,4
20,5
7,9
Portugal
16,5
14,0
2,5
10,6
17,1
-6,5
Italien
7,9
9,9
-2,0
9,6
10,2
-0,6
Österreich
7,7
10,8
-3,1
11,2
10,4
0,8
Quelle: EUROSTAT, Bildung in der Europäischen Union, 1998, S. G2
Die Kategorie „höheres Bildungsniveau“ erscheint mir insgesamt etwas zu heterogen und dürfte
auch intermediäre Bildungsabschlüsse enthalten. Dies ist für Europa zu vermuten und noch stärker
im globalen Kontext. So werden z.B. für Kanada Brutto-Postsekundarquoten für die
10
Siehe hierzu: Arthur Schneeberger: Universitäten und Arbeitsmärkte. Strukturelle Abstimmungsmechanismen im
internationalen Vergleich (=Schriftenreihe des Instituts für Bildungsforschung der Wirtschaft, Nr. 113), Wien, 1999,
S. 52ff., 221ff. und 297ff.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
109
Neuabsolventen im Jahr 1996 von 89 Prozent ausgewiesen, Korea kommt auf 46 Prozent, die USA
auf 57, Japan auf 53 Prozent.11
TABELLE 6:
Zusammensetzung und Höhe der Brutto-Postsekundarquote (ISCED 5,6)
am typischen Altersjahrgang im internationalen Vergleich, in %
Länder
Kanada
Norwegen
Vereinigte Staaten
Japan
Neuseeland
Korea
Vereinigtes Königreich
Belgien (Fläm. Gemeinschaft)
Finnland
Irland
Dänemark
Australien
Schweiz
Niederlande
Spanien
Deutschland
Schweden
Portugal
Griechenland
Italien
Österreich
Nicht-universitäre
tertiäre Abschlüsse
57
50
22
30
16
20
12
28
19
16
8
26
2
11
4
6
5
3
5
Hochschulerstabschlüsse*
32
28
35
23
31
26
34
16
24
25
28
36
9
30
26
16
19
16
13
13
10
Gesamt
89
78
57
53
47
46
46
44
43
41
36
36
35
30
28
27
23
22
18
16
15
*nach kurzen oder langen ersten Studien
Quelle: OECD, Education at Glance, OECD Indicators 1998, S. 200.
In Europa erreichen z.B. Norwegen eine Postsekundarquote von 78 Prozent, das Vereinigte
Königreich von 46 Prozent, Belgien (Flämische Gemeinschaft) von 44 Prozent, Finnland von 43
Prozent. Demgegenüber zeigen sich für Spanien, Deutschland oder Schweden Postsekundarquoten
zwischen 20 und 30 Prozent, unter 20 Prozent bleiben Griechenland, Italien und Österreich.
ad. 5. Graduierungsstruktur und Akademikerquoten im Ländervergleich
Bezieht man die Graduierungsstrukturen in die Betrachtung ein, so zeigen sich weitreichende
Unterschiede in der Ausbildungs- und Auslesefunktion der Hochschulsysteme in den
Vergleichsländern (Tab. 7). Japan z.B. hat eine breite Basis an akademisch Ausgebildeten, die sich
auf höheren Abschlußebenen radikal verdünnt (unter 2 Prozent eines Altersjahrgangs erreichen
einen Master degree). In den USA bilden Abschlüsse mit Bachelor degree einen noch breiteren
11
Siehe: OECD, 1998, S. 200.
110
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Ausschnitt aus der Bevölkerung, die Master degrees kommen auf 12,5 Prozent an der Bevölkerung
im vergleichbaren Alter.
Die unterschiedliche Allokations- und Filterfunktion von Hochschulsystemen wird noch deutlicher,
wenn man die Abschlußquoten mit den Anfängerquoten im Zusammenhang betrachtet. So
schneiden etwa Studienanfängerquoten anglo-amerikanischer Länder einen Anteil aus der
Bevölkerung in der entsprechender Altersgruppe aus, der zwischen 40 bis über 50 Prozent liegt. Die
USA erreichen mit 52 Prozent im OECD-Vergleich den höchsten Anteil. In Europa erreicht nur
Finnland eine Studierquote von weit über 40 Prozent. Die Niederlande und Dänemark erreichen
Anfängerquoten an Hochschulen von etwa 35 Prozent, Deutschland und Österreich bleiben unter 30
Prozent. Die Schweiz liegt mit 16 Prozent Studienanfängern am Altersjahrgang noch weit darunter.
Den hohen Unterschieden in den Anfängerquoten entsprechen relativ geringe Unterschiede auf der
Ebene weiterführender Abschlüsse (zweite Abschlüsse, Abschlüsse nach langen ersten Studien),
zumal dann, wenn man aus den Abschlüssen langer erster Studien die Universitäten von den
Fachhochschulen und vergleichbaren Einrichtungen herausrechnet. Die entscheidende
Bildungssystemdifferenz hängt mit der Einrichtung bzw. Nichteinrichtung von Studien vor (oder
neben) den Studien, die zu den klassischen akademischen Berufen bzw. zu wissenschaftlicher
Arbeit qualifizieren, zusammen. Das System der deutschsprachigen Länder ist zweistufig mit interinstitutioneller Diversifikation (Fachhochschulen neben den Universitäten etc.), das angelsächsische
Studiensystem hingegen dreistufig organisiert und impliziert stärkere intra-institutionelle
Diversifikation.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
111
TABELLE 7:
Ersteintritte und Absolventen an Hochschulen
in Prozenten des typischen Altersjahrgangs in der Bevölkerung, 1996
Land
Australien
Vereinigte Staaten
Kanada
Korea
Japan
Vereinigtes
Königreich
Irland
Niederlande
Dänemark
Schweden
Norwegen
Finnland
Belgien (Flämische
Gemeinschaft)
Deutschland
Österreich
Italien
Spanien
Griechenland
Portugal
Schweiz
Ersteintritte in
den
Hochschulsekt
or
Abschlüsse
kurzer erster
Hochschulstudien
Abschlüsse
langer erster
Hochschulstudien
Abschlüsse
zweiter
universitärer
Studien
xxx
52
xxx
xxx
xxx
36
35
32
26
23
X
X
X
X
X
12,2
12,5
5,1
3,2
1,9
41
34
X
12,3
29
34
35
xxx
26
45
14
X
20
11
22
11
11
20
8
8
6
13
4,5
10,0
4,4
3,0
9,3
-
xxx
X
16
4,9
27
29
xxx
xxx
18
xxx
16
X
X
1
11
X
2
X
16
10
12
15
13
14
9
X
X
1,2
X
0,3
1,5
X
X = keine Abschlüsse
xxx = keine Daten verfügbar
Quelle: OECD, 1998
Im Vergleich der Absolventenquoten auf dem Level von Master degrees und Diplomstudien (nach
langen ersten Studien) sind die Unterschiede in den Abschlußquoten zwischen Deutschland, Italien,
Österreich oder der Schweiz einerseits, den angelsächsischen Ländern andererseits wesentlich
geringer. Bei Gewichtung im Hinblick auf berufliche Bezüge (z.B. welche Graduierung gibt Zugang
zu klassischen Professionen?) ist dieser Vergleich meines Erachtens der eigentlich relevante. Etwa
12 bis 13 Prozent eines Altersjahrgangs erreichen in den USA oder im Vereinigten Königreich
einen zweiten universitären Abschluß. Ohne die Inklusion der Fachhochschulabsolventen würde
Deutschland bei einer Universitätsabsolventenquote von etwa 10 Prozent am Altersjahrgang Mitte
der 90er Jahre halten, also den gleichen Wert wie Österreich, Italien oder die Schweiz erreichen.12
12
Siehe: Schneeberger, 1999, a.a.O., S. 94.
112
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
In Ländern mit relativ geringen Universitätsabsolventenquoten (Schweiz, Italien, Österreich, auch
Deutschland, wenn man die Fachhochschule abzieht) ist die universitäre Bildung in Struktur und
Erwartungen auf klassische Akademikerbeschäftigung bezogen (öffentlicher Dienst, Bildung,
Wissenschaft, freie Berufe und das Top-Segment der Unternehmen). Das macht ihre Attraktivität
auch noch in Zeiten aus, in denen die Realisierbarkeit traditioneller Berufsambitionen bereits
quantitativ partiell unmöglich geworden ist. Strukturelle Diversifikation der Hochschulen wird eher
über inter-institutionelle Differenzierung, wie die Schaffung von Fachhochschulen, erhofft, oder
findet durch noch wenig erforschte Anpassungsprozesse am Arbeitsmarkt statt.
Wichtige zusätzliche Bildungsindikatoren zum Verständnis der systemischen Differenzen höherer
Bildung sind neben differenzierten Graduierungsquoten das Alter bei Studienbeginn, die Dauer
eines Studiums bis zum Erstabschluß und das Alter bei Abschluß. So sind Studienanfänger z.B. in
Deutschland oder Dänemark im Mittel kaum jünger als Hochschulabsolventen mit Erstabschluß in
Australien oder im Vereinigten Königreich.13
Problem des Nominalismus komparativer Bildungsstatistik?
Martin Trow sprach mit Bezug auf die Hochschulen die semantischen Probleme des
Strukturvergleichs aus amerikanischer Perspektive an: „Differences between the United States and
other countries in their forms and structure of higher education are obscured by the fact that we tend
to call elements of our systems by similar names.“14 OECD-Experten verweisen auf die beteiligten
Staaten als letzte Legitimationsinstanz der Begriffsdefinition der Hochschulbildung: „Obwohl der
Begriff ‘gleichwertig’ verwendet wird, um die Datenerfassung für diese Kategorien zu
vereinheitlichen, sind diese Definitionen in gewissem Maße von den Definitionen der Abschlüsse in
den einzelnen Ländern abhängig, aber auch von historischen Unterscheidungen zwischen den
verschiedenen Arten von Studiengängen, die teilweise, jedoch nicht alle, von traditionellen
Hochschulen angeboten werden.“15
Das Eingeständnis von Schwierigkeit und Grenzen der Vergleichbarkeit ist umgekehrt Ausdruck der
Einsicht in die Relativität von Bildungsabschlüssen und des Respekts vor der Vielfalt der Kulturen.
Trotz dieser epistemologischen Probleme bleibt die bessere Erfassung des postsekundären Sektors
eine der wachsenden Aufgaben der Bildungsforschung. Der beste Prediktor für die Expansion des
postsekundären Bildungswesens ist die Expansion des sekundären Schulwesens, ungeachtet des
Umstandes, ob dieses stärker allgemeinbildend oder stärker berufsbildend strukturiert ist.16 Die
Ausweitung des sekundären Schulwesens ist wiederum von sozioökonomischen Variablen
(Dienstleistungsanteil, Wohlstand) und politischen Variablen abhängig. Von seiten des
Arbeitsmarktes kommen Rückmeldungen in Richtung Ausweitung und Differenzierung der
mittleren und intermediären beruflichen Qualifikationen.
13
OECD, 1998, S. 183,. S. 201.
14
Martin Trow: The Exeptionalism of American Higher Education. In: Martin Trow, Thorsten Nyborn (eds.):
University and Society. Essays on the Social Role of Research and Higher Education, Jessica Kingsley Publishers
Ltd., London, Bristol, PA, USA, Second impression 1997, S. 156.
15
OECD: Bildung auf einen Blick. OECD-Indikatoren 1997, Paris, 1997, S. 326; Kursivsetzung durch den Verfasser,
A.S.
16
Francisco O Ramirez, Phyllis Riddle: The Expansion of Higher Education, in: International Higher Education, an
Encyclopedia, Garland, New York, 1991, S. 94.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
113
STATISTIK ÜBER ARBEITSMARKTPROBLEME IM ÖFFENTLICHEN SEKTOR IN DEN
NIEDERLANDEN: ERFAHRUNGEN EINES BENUTZERS
Lex Herweijer
Social and Cultural Planning Office
P.O. Box 16164
NL - 2500 BD The Hague
[email protected]
1 EINLEITUNG
Wie in vielen anderen europäischen Ländern gab es in den Niederlanden in den letzten Jahrzehnten
einen beträchtlichen Zuwachs der Schul- und Berufsausbildung. Die Zahl von Erwachsenen, die
eine höhere Ausbildung genossen haben, hat sich in den letzten 25 Jahren verdoppelt. Der
zunehmende Anteil der Bevölkerung an höherer Bildung war im allgemeinen durch das
zunehmende Interesse am Studium der Geistes- und Sozialwissenschaften begründet. Die
Studienabsolventen aus diesen Zweigen haben traditionell ihre Laufbahn im öffentlichen Sektor
begonnen. In den 80er Jahren wurde jedoch in Anbetracht der Notwendigkeit, die öffentlichen
Ausgaben zu bremsen klar, daß der staatliche Sektor nicht mehr wachsen konnte. Es gab wiederholt
Warnungen vor einem Überschuß an Hochschulabsolventen, die für den öffentlichen Sektor
ausgebildet wurden, der nicht genügend Stellen bot. Trotzdem zog das auf die öffentliche Laufbahn
zielende Studium weiterhin zahlreiche Studenten an und tatsächlich wählt noch heute, Ende der
90er Jahre, die Hälfte aller Studenten im niederländischen Hochschulsystem ein solches Studium.
Damit stellte sich die Frage, wie es den Absolventen dieses Studiums auf dem Arbeitsmarkt
ergangen ist. Empfinden sie es zunehmend schwierig, eine Stelle zu bekommen? Findet eine
wachsende Anzahl hiervon schließlich in anderen Sektoren oder anderen Laufbahnen als den im
Studium geplanten Berufen eine Arbeit? Gleichzeitig wurde vermehrt in den letzten Jahren
Besorgnis und die Warnung laut, daß auf dem niederländischen Arbeitsmarkt Hochschulabsolventen
mit einer bestimmten Ausbildung fehlen, die sie für besondere Bereiche des öffentlichen Sektors
qualifizieren. Personalknappheit in Erziehung und Ausbildung sowie im Gesundheitswesen ist
beispielsweise ein zunehmend ernstes Problem.
Diese unterschiedlichen Ansichten über den Arbeitsmarkt für Personen mit einer auf die öffentliche
Laufbahn ausgerichteten Ausbildung veranlaßten das Social and Cultural Planning Office (SCP),
eine Untersuchung über die Übereinstimmung mit der Bildung und dem Arbeitsmarkt im
öffentlichen Sektor der Niederlande durchzuführen.1
Die Untersuchung sollte vier Zielen dienen:
- ein Bild über Überschuß oder Mangel an Hochschulabsolventen für die öffentliche Laufbahn zu
vermitteln;
- die Übereinstimmung zwischen der erhaltenen Ausbildung und der Laufbahn dieser
Hochschulabsolventen zu ermitteln;
- die Faktoren zu erkennen, die die Entscheidung und Wahl eines Studiums für die Laufbahn im
öffentlichen Sektor beeinflussen;
- einen Überblick über die Wahrnehmung der Arbeit und der Attraktivität der Berufe im
öffentlichen Sektor zu bieten.
1
L.J. Herweijer. Tussen overschot en tekort. De aansluiting tussen onderwijs en arbeidsmarkt in de quartaire sector
en de marktsector vergeleken. The Hague: Elsevier/Social and Cultural Planning Office, 1999 (Report 162).
114
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
In diesem Papier soll nun die Verfügbarkeit und der Nutzen statistischer Daten über die
Übereinstimmung zwischen Erziehung und Ausbildung und Beschäftigung im öffentlichen Sektor
der Niederlande erörtert werden. Welche Daten liegen vor? Wie relevant sind sie? Wo liegen die
Stärken und Schwächen?
In Teil 2 wird die „Übereinstimmung“ definiert und ein Verzeichnis verschiedener Faktoren
aufgestellt, die eine Übereinstimmung zwischen Angebot und Nachfrage beeinflussen. Dadurch
ergeben sich eine Reihe von Themen, für die statistische Daten benötigt werden. Teil 3 enthält die
Zusammenfassung der vorliegenden Daten und stellt einige Ergebnisse anhand von Abbildungen
dar. Teil 4 schließlich enthält einige Schlußfolgerungen.
2 ÜBEREINSTIMMUNG ZWISCHEN ANGEBOT UND NACHFRAGE
Vergleicht man im einzelnen Ausbildung und Laufbahn, kann zwischen der quantitativen und der
qualitativen Übereinstimmung unterschieden werden.
Die quantitative Übereinstimmung bezieht sich auf das Verhältnis zwischen Angebot und
Nachfrage für einen bestimmten Typ Hochschulabsolventen. Quantitative Probleme mit der
Übereinstimmung zeigen sich auf dem Arbeitsmarkt in Form von Überschuß oder Mangel an einem
bestimmten Typ Hochschulabsolventen.
Die qualitative Übereinstimmung bezieht sich auf das Verhältnis zwischen einem Beschäftigten
und der jeweiligen Beschäftigung. Stimmt der Ausbildungshintergrund eines Beschäftigten mit der
für die Beschäftigung verlangten Ausbildung überein? Wie ist das Verhältnis zwischen der
Ausbildung des Beschäftigten und dem Gehalt? Qualitative Probleme der Übereinstimmung können
dank „objektiver“ Indikatoren wie das Verhältnis zwischen Ausbildungs- und Beschäftigungsniveau
oder zwischen Ausbildung und Gehaltsniveau, aber auch über subjektive Indikatoren wie
Zufriedenheit mit der Arbeit erkannt werden.
Anpassungsmechanismen auf dem Arbeitsmarkt können quantitative Spannungen auf dem
Stellenmarkt in qualitative Übereinstimmungsprobleme am Arbeitsplatz verwandeln. Zu Zeiten von
Personalüberschuß müssen sich Stellensuchende mit einer Tätigkeit begnügen, die ihrer Ausbildung
weniger angemessen ist. Ähnlich können die Arbeitgeber die Auswahlkriterien bei freien Stellen,
die schwierig zu besetzen sind, lockern und sich mit einem Bewerber zufrieden geben, der die
Anforderungen für den Posten in puncto Ausbildung nicht ganz erfüllt. Derartige Formen der
Flexibilität reduzieren die (quantitativen) Probleme der Übereinstimmung auf dem Arbeitsmarkt,
können aber (qualitative) Probleme im Arbeitssystem schaffen, das heißt Beschäftigte und Posten,
die nicht genau zueinander passen.
Man darf nicht vergessen, daß die Beziehung zwischen Arbeit und Ausbildung keinesfalls
einheitlich ist. Nicht alle Ausbildungsgänge führen zu einer bestimmten Beschäftigung und es ist
nicht bei allen Beschäftigungen möglich anzugeben, welche Ausbildungsvoraussetzungen am besten
passen. Das Ergebnis hiervon ist, daß nicht immer genau festzustellen ist, ob sich zwischen
Ausbildung und Arbeit eine gute Übereinstimmung ergibt. Nur in bestimmten Teilsektoren des
Arbeitsmarkts gibt es eine mehr oder weniger genaue und vollständige Konvergenz zwischen
Ausbildung und Tätigkeit. Hier handelt es sich um die Märkte für berufliche Qualifikationen oder
jobspezifische Fähigkeiten, die in zahlreichen Unternehmen angeboten werden können, wo die
Ausbildung einer klar definierten Beschäftigung oder Disziplin entspricht. Bereiche des öffentlichen
Sektors wie das Lehramt oder Gesundheitswesen sind hierfür Beispiele. Berufe wie Lehrer,
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
115
Krankenpfleger oder Mediziner sind das Ergebnis einer gezielten Ausbildung und außerdem wird
das
Verhältnis
zwischen
Ausbildung
und
Berufstätigkeit
durch
vorgegebene
Ausbildungsanforderungen verstärkt. Die Möglichkeiten, Personalmangel dadurch zu beheben, in
dem man Personen mit einem weniger passenden Ausbildungshintergrund sind folglich stark
begrenzt.
Der Grad der Übereinstimmung auf dem Arbeitsmarkt ist also das Ergebnis einer Gegenüberstellung
von Angebot und Nachfrage. Der Umfang und die Entwicklung des Personalbedarfs im
Privatsektor richtet sich im wesentlichen nach konjunkturellen Bedingungen. Im öffentlichen Sektor
spielen ebenfalls politische Entscheidungen und gesellschaftliche Trends eine wichtige Rolle.
Gesellschaftliche Veränderungen wie wachsender Anteil der Ausbildung oder Überalterung der
Bevölkerung können zu einem größeren Bedarf an Ausbildung oder Krankenpflege führen. Letzten
Endes ist jedoch die Umsetzung solcher Gesellschaftstrends in mehr Haushaltsmittel oder mehr
Erziehungs- und Gesundheitspersonal eine Frage der politischen Entscheidung. In den 80er Jahren
gab es im öffentlichen Sektor in den Niederlanden einen Wachstumsstop, weil das Bedürfnis
entstanden war, die öffentlichen Ausgaben zu kürzen. Das Ergebnis davon war, daß sich der
Mehranteil an Schulbildung nicht in der Erhöhung des Personalbestands, sondern im wesentlichen
in höherer Effizienz niederschlug.
Neben dem Volumen der Gesamtnachfrage ist das Ausscheiden wegen Erreichens der Altersgrenze
der wichtigste Faktor zur Bestimmung des Bedarfs an neuem Personal. In Teilen des öffentlichen
Sektors der Niederlande, insbesondere im Erziehungswesen, ist das Altersprofil des vorhandenen
Personalbestands ein wichtiger Faktor und viele Kräfte werden in den nächsten Jahren wegen
Ruhestand ausscheiden.
Das Angebot von Personal mit einer auf den öffentlichen Sektor ausgerichteten Ausbildung richtet
sich nach dem Prozeß der Wahl von Schule und Laufbahn und den Entscheidungen, die die bereits
Angestellten über ihre künftige Laufbahn treffen. Der Prozeß setzt ein, wenn junge Leute auf der
Grundlage ihrer Schul- und Berufswünsche und dem Bild, das sie sich von der Laufbahn in
verschiedenen Sektoren machen, ihren beruflichen Werdegang planen. Nach Abschluß ihrer
Ausbildung werden sie dann mit der konkreten Jobsuche in dem Sektor konfrontiert, für den sie ihre
Ausbildung qualifiziert hat, obwohl sich einige auch in einem anderen Sektor umschauen.
Beispielsweise beschließt ein Teil der Lehramtskandidaten, nach einer Berufstätigkeit außerhalb des
Erziehungswesens zu suchen. Solche Entscheidungsmomente fallen während der ganzen Laufbahn
einer Person an mit der Frage, ob sie zu einer ähnlichen Tätigkeit im gleichen Sektor überwechseln
oder nach einer Stelle in einem anderen Sektor suchen möchte. Wie sich die Person entscheidet,
hängt davon ab, wie zufrieden sie in ihrem derzeitigen Job ist und welche Alternativen sich bieten.
Im öffentlichen Sektor sind ferner die Wahlentscheidungen von Frauen von besonderer Bedeutung.
Der öffentliche Sektor zieht einen relativ hohen Anteil von Frauen an, von denen jedoch viele
Teilzeit arbeiten möchten, besonders nach der Geburt von Kindern. Zusätzlich scheiden
niederländische Frauen teilweise nach der Geburt von Kindern ganz aus dem Arbeitsmarkt aus.
Durch die Vorliebe von Frauen für Teilzeitarbeit und dem niedrigeren Anteil von Frauen am
Arbeitsmarkt sinkt die Zahl der Personen mit spezieller Ausbildung für die öffentliche Laufbahn auf
den Stellenmärkten.
Zusammengefaßt bedeutet dies, daß wir, um ein Bild der Übereinstimmungsprobleme im
öffentlichen Sektor zu erhalten, folgende Daten benötigen:
-
116
Nachfrage nach Arbeitsstellen im öffentlichen Sektor und künftige Entwicklung
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
-
Angebot von Hochschulabsolventen mit Ausbildungshintergrund speziell für den öffentlichen
Sektor
Beteiligung am Arbeitsmarkt und Arbeitslosenquote bei Hochschulabsolventen, die mit
Ausrichtung auf den öffentlichen Sektor studiert haben
freie Stellen im öffentlichen Sektor
Übereinstimmung zwischen der Ausbildung eines Beschäftigten und der Tätigkeit gemäß
„objektiven“ Indikatoren (Stellenniveau, Einkommen)
Zufriedenheit der Beschäftigten des öffentlichen Sektors mit ihrer Arbeit und mit ihren
Laufbahnentscheidungen
Wahl von Schule und Beruf (Motive, tatsächliche Wahl) von jungen Leuten
Eintritt von Schulabgängern auf den Arbeitsmarkt
3 VORHANDENE DATEN UND NEUE ERKENNTNISSE
Als statistischen Daten werden solche quantitative Informationen definiert, die regelmäßig
vorhanden und allgemein zugänglich sind. Statistics Netherlands (CBS) ist der Hauptanbieter von
statistischen Daten in den Niederlanden für die Übereinstimmung zwischen Ausbildung und
Beschäftigung. Neben Zusammenfassungen (Tabellen usw.), die in Form von Statistiken
veröffentlicht werden, liefert CBS auch Mikro-Datenbanken, die als Grundlage für die Statistik
dienen und Forschern unter bestimmten Bedingungen zugänglich gemacht werden. Außer den von
Statistics Netherlands produzierten Statistiken gibt es auch Daten aus Untersuchungen anderer
Forschungsinstitute. Manchmal werden diese Untersuchungen ziemlich regelmäßig durchgeführt,
während es sich in anderen Fällen um Einzelstudien handelt. Um ein möglichst vollständiges Bild
zu erzielen, müssen aus all diesen verschiedenen Quellen Daten gewonnen werden.
3.1 Daten über die quantitativen Spannungen auf dem Arbeitsmarkt
Daten über den Schwankungsbereich von Angebot und Nachfrage bei Arbeitskräften sind der
Ausgangspunkt für die Analyse von Engpässen auf dem Arbeitsmarkt. Die jährlichen von Statistics
Netherlands durchgeführten Arbeitskräfteerhebungen dienen als Hauptquelle für solche Daten. Die
Untersuchungen bieten einen Überblick über die Größe des Angebots (Beschäftigte, Erwerbslose
und Nichterwerbstätige, die keine Arbeit suchen: das potentielle Angebot) sowie ihre
Hauptmerkmale (Alter, Geschlecht, Ausbildungsniveau und -typ und Zahl der pro Woche
geleisteten Arbeitsstunden).
Daneben sind die Arbeitskräfteerhebungen auch eine wichtige Informationsquelle für die
Beschreibung der Nachfrage an Arbeitskräften. Zusammen mit Daten über Stellenzahlen von
Firmen wird eine Typologie der Beschäftigung nach Jobniveau und -inhalt in den verschiedenen
Wirtschaftszweigen ermittelt. Für die Untersuchung der Übereinstimmung zwischen Ausbildung
und Beschäftigung ist es günstig, daß Stellenniveau und -inhalt in Form von
Ausbildungsanforderungen festgelegt sind, seit das niederländische Berufsklassifikationssystem
Anfang der 90er Jahre überarbeitet wurde. Dadurch lassen sichnd Angebot und Nachfrage leichter
vergleichen.
Das Bild der Nachfrage wird ergänzt durch Daten über freie Stellen, die aus einer vierteljährlichen
Erhebung der Arbeitgeber stammen, die von Statistics Netherlands durchgeführt wird.
Ferner liefern die Arbeitskräfteerhebungen wichtige Angaben für Prognosen über den Arbeitsmarkt
in den Niederlanden. Die Kombination von Daten aus den Arbeitskräfteerhebungen mit den
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
117
Erwartungen hinsichtlich der Entwicklung der Arbeitskräftenachfrage2 und die Abgänge von
Studenten aus dem Ausbildungssystem ermöglichen Prognosen über künftige Überschüsse oder
Mangel an bestimmten Gruppen von Schul- oder Hochschulabgängern. Beispiel hierfür ist das
Prognosemodell, das vom Forschungszentrum für Bildung und Arbeitsmarkt (Researchcentrum
voor onderwijs en arbeidsmarkt) für den niederländischen Arbeitsmarkt entwickelt wurde und die
quantitativen Engpässe auf dem Arbeitsmarkt mittelfristig bestimmt.
Einige Ergebnisse
Die bei Hochschulabsolventen in den Arbeitskräfteerhebungen der zweiten Hälfte der 90er Jahre
ermittelten Arbeitslosenquoten deuten darauf hin, daß für einige bestimmte Studiengänge leichte
Engpässe herrschen (insbesondere „Sprache und Kultur“ siehe Tabelle 1). Ganz allgemein sind die
Absolventen von Studien, die auf den öffentlichen Sektor orientiert sind, nicht in einer schlechten
Position. Der befürchtete Überschuß von Personen mit Ausbildung für die öffentliche Laufbahn hat
sich nicht konkretisiert. Da sich die Arbeitslosigkeit in den Niederlanden in den letzten Jahren
verbessert hat, dürfte der Stand dieser Personen auf dem Arbeitsmarkt sogar noch günstiger sein.
Auffälliger als die Unterschiede nach Ausbildungstyp sind die Unterschiede zwischen Männern und
Frauen. Die Arbeitslosigkeit liegt bei Frauen höher als bei Männern und zwar in jedem
Ausbildungstyp, beträgt zuweilen gar das Doppelte. Die niederländische Regierung führt
Werbekampagnen durch, mit denen Frauen ermutigt werden sollen, technische Ausbildungsgänge
zu belegen, doch die Arbeitslosigkeit bei Frauen, die dem gefolgt sind, ist sogar noch höher.
Mögliche Erklärung für diesen hohen Grad Arbeitslosigkeit bei Frauen kann die
Wiedereingliederung von Frauen sein, die ihre berufliche Laufbahn unterbrochen haben, um Kinder
zu bekommen sowie die höhere Selektivität von Frauen mit Kindern und einem erwerbstätigen
Lebenspartner. Es gibt auch Hinweise dafür, daß Arbeitgeber in einigen Sektoren Männer
vorziehen.
2
Die künftige Arbeitskräftenachfrage ist abgeleitet von makroökonomischen
Vorausschätzungen über die Entwicklung von Einrichtungen des öffentlichen Sektors.
118
Vorausschätzungen
sowie
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Tabelle 1
Arbeitslosigkeit bei Hochschulabsolventen
durchschnittliche Prozentwerte 1995-1997
nach
Typ
des
Studiums,
Frauen und Männer
Männer
Frauen
3.4
4.1
2.9
3.2
8.0
5.6
4.2
4.1
7.6
6.0
2.5
2.2
5.3
4.3
5.6
4.7
10.2
7.1
4.5
3.1
6.1
5.7
3.8
5.3
5.1
3.1
4.6
11.5
7.7
6.2
2.4
2.9
6.9
6.5
1.7
1.8
6.4
5.7
3.4
4.5
7.5
7.3
Insgesamt
5.3
Quelle: Statistics Netherlands (Arbeitskräfteerhebung 1995, 1996, 1997)
4.8
9.5
Hochschule
Schwerpunkt Privatsektor
Technik
Wirtschaft
Schwerpunkt öffentlicher Sektor
Lehrerausbildung
Gesundheitswesen
Sprache und Kultur
Sozialwissenschaften
Insgesamt
Hochschule
Schwerpunkt Privatsektor
Technik
Wirtschaft
Recht
Schwerpunkt öffentlicher Sektor
Lehrerausbildung
Gesundheitswesen
Sprache und Kultur
Sozialwissenschaften
Parallel zu dem Rückgang der Arbeitslosigkeit war in den letzten Jahren eine beträchtliche
Zunahme der freien Stellen auch im öffentlichen Sektor zu verzeichnen. Dieses Wachstum des
Stellenangebots und die sinkende Arbeitslosenquote sind Zeichen für allgemeine Engpässe auf dem
Arbeitsmarkt in den Niederlanden. Die Intensität der freien Stellen (Zahl der freien Stellen pro 100
Beschäftigten) ist nicht so hoch im Erziehungs- und Gesundheitswesen, wie in einigen Bereichen
des Privatsektors (insbesondere IKT), doch die Bedeutung, die dem Gesundheits- und
Erziehungswesen beigemessen wird und die fehlenden Ausweichmöglichkeiten erschweren das
Problem. Wartelisten für dringende medizinische Behandlung und Schulklassen, die wegen
Personalmangels nachhause geschickt werden, machen stärkeren Eindruck als IKT-Firmen, die ihre
Kunden enttäuschen müssen.
Die Ausbildung für eine Laufbahn im Gesundheitswesen oder in Erziehung und Ausbildung zieht
zahlreiche Frauen an. Folglich ist der anhaltend niedrige Anteil von niederländischen Frauen am
Arbeitsmarkt ein Problem, weil nun in beiden Sektoren Mangel herrscht. Die endgültige Wirkung
der Vorliebe von Frauen für Teilzeitarbeit ist ungewisser. Auf der einen Seite bedeutet dies eine
beschränktere Zahl von Frauen auf dem Stellenmarkt, auf der anderen Seite zunehmender
Frauenanteil am Arbeitsmarkt in den Niederlanden gerade wegen der Fähigkeit, Teilzeit arbeiten zu
können. Daneben zeigen die Arbeitskräfteerhebungen, daß ein Teil der Hochschulabsolventen mit
einem auf die öffentliche Laufbahn orientierten Studium zur Privatwirtschaft übergewechselt ist.
Rund ein Drittel der Lehramtskandidaten und fast ein Viertel der Mediziner sind in anderen
Sektoren beschäftigt, als denen, für die sie ausgebildet wurden.
Diese beiden Faktoren, nämlich keine bezahlte Arbeit ausüben und sich für eine Tätigkeit in einem
anderen Sektor entscheiden, bedeuten, daß das derzeitige Angebot potentieller Beschäftigter im
Erziehungs- und Gesundheitswesen eindeutig kleiner ist als das potentielle Angebot.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
119
3.2 Daten über die qualitative Übereinstimmung
Der niederländische Arbeitsmarkt wird traditionell danach untersucht, in wieweit das
Ausbildungsniveau der Beschäftigten mit dem Niveau ihrer jeweiligen Stellen übereinstimmt. Die
Arbeitskräfteerhebungen sind ebenfalls Ausgangspunkt für diese Art von Forschung. Das Niveau
der Ausbildung einer Person und das Niveau der Stelle werden ermittelt und können miteinander
verglichen werden. Die Auswertung der verschiedenen Arbeitskräfteerhebungen führt zu der
Schlußfolgerung, daß das Ausbildungsniveau des Arbeitskräfteangebots rascher gestiegen ist als das
Niveau ihrer Stellen. Folge davon ist, daß das Niveau einer Stelle für ein bestimmtes
Ausbildungsniveau in den letzten Jahrzehnten gesunken ist. Einige Forscher folgern daraus, daß es
auf dem niederländischen Arbeitsmarkt zunehmend eine "Überqualifizierung" gibt (Beschäftigte mit
ungenutzter Ausbildung). Es ist allerdings bei solchen Schlußfolgerungen Vorsicht angebracht. Das
Niveau einer Stelle wird getrennt von der Person bestimmt, die diese einnimmt. Es ist möglich, daß
besser ausgebildete Beschäftigte den im Grunde gleichen Job auf völlig andere Weise erledigen als
Personen mit niedrigerem Ausbildungsniveau, so daß in Wirklichkeit die Stelle selbst aufgewertet
ist. Außerdem sind besser ausgebildete Personen bei Stellen der gleichen Ebene wahrscheinlich
produktiver. Die Tatsache, daß sich eine "Mehrausbildung" auf den Beschäftigten finanziell
günstiger auswirkt, scheint diesen Ansatz zu unterstützen.
Neben dem Niveau der Stelle ist auch das Gehaltsniveau ein Indikator für die Übereinstimmung
zwischen einem Beschäftigten und der jeweiligen Stelle. Statistiken über die Beziehungen zwischen
Ausbildung und Einkommen sind doch weniger zahlreich vorhanden. Beispielswiese beinhalten die
Arbeitskräfteerhebungen in den Niederlanden keine Daten über Einkommen. Durch Verknüpfung
der Daten aus der Arbeitskräfteerhebung und Informationen von Arbeitgebern und ihren
Gehaltsstellen ist es allerdings Statistics Netherland möglich, die Arbeitskräfteerhebungen durch
Einkommensdaten zu ergänzen (die Erhebung über die Einkommensstruktur). Dies schafft weitere
Analysemöglichkeiten, so daß die Beziehung zwischen Ausbildung, Beschäftigung und Einkommen
analysiert werden kann.
Einige Ergebnisse
Das Stellenniveau von Beschäftigten mit höherer Ausbildung, Schwerpunkt öffentlicher Sektor,
weist darauf hin, daß der Zustrom zahlreicher solch ausgebildeter Personen auf den Arbeitsmarkt
der Niederlande nicht zu Lasten einer Abwertung ihres Stellenniveaus erfolgte. Im allgemeinen sind
für die öffentliche Laufbahn ausgebildete Hochschulabsolventen von höherem Niveau als
Absolventen mit einem Studium für die Privatwirtschaft. Der Übergang zum Privatsektor bedeutet
im allgemeinen einen Rückschritt im Verhältnis zum Stellenniveau für Hochschulabsolventen für
die öffentliche Laufbahn. Diejenigen, die zumeist gezwungenermaßen diesen Übergang vollzogen
haben, Hochschulabsolventen eines Sprachen- und kulturellen Studiums, haben folglich die
niedrigsten Stelleniveaus. Frauen und Teilzeitkräfte haben ein niedrigeres Stellenniveau im
Durchschnitt als Männer und Vollzeitkräfte. Durch ihre Wahl des öffentlichen Sektors gelingt es
Frauen und Teilzeitkräften (deren Gruppen überlappen sich teilweise in großem Umfang), ihre
diesbezügliche Benachteiligung auszugleichen (Tabelle 2).3
3
Der Unterschied von einem Punkt entspricht dem Unterschied zwischen einer Stelle, für die eine mittlere Ausbildung
ausreicht und einer Stelle, für die eine Hochschulausbildung gefordert wird
120
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Tabelle 2
Unterschiede im Stellenniveau zwischen Männer und Frauen und zwischen
Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten im privaten und im öffentlichen Sektor nach
Ausbildungsniveau 1995-1997
Frauen
Privater Sektor
Ausbildungsniveau
Höherer Schulabschluß
-0.23
Höhere Berufsausbildung
-0.38
Hochschulausbildung
-0.29
Öffentlicher Sektor
Ausbildungsniveau
Höherer Schulabschluß
-0.07
Höhere Berufsausbildung
-0.15
Hochschulausbildung
-0.11
a
20-34 Stunden pro Woche im Vergleich zu 35 Stunden und mehr
b
12-19 Stunden pro Woche im Vergleich zu 35 Stunden und mehr
"Teilzeitstellen"a
"Niedrig"-Teilzeitstellenb
-0.26
-0.35
-0.34
-0.46
-0.79
-1.05
-0.08
-0.13
-0.08
-0.13
-0.17
-0.14
Quelle: Statistics Netherlands (Arbeitskräfteerhebung 1995, 1996, 1997)
Wie den Daten aus der Erhebung über die Einkommensstruktur, die von Statistics Netherlands
durchgeführt wurden (d.h. die Arbeitskräfteerhebung mit zusätzlichen Angaben von den
Gehaltsstellen der Firmen) zu entnehmen ist, verdienen Personen mit höherer Ausbildung im
allgemeinen weniger im öffentlichen als im privaten Sektor. Es gibt jedoch beträchtliche
Unterschiede zwischen den einzelnen Teilen im öffentlichen Sektor. Die Bezahlung bei
administrativen Posten in der Regierung liegt in etwa auf der Höhe des Privatsektors, während
sie im Gesundheits- und Fürsorgesektor bei großen Gruppen von Beschäftigten dagegen weit
zurücksteht.
Frauen und Teilzeitkräfte erhalten in der Regel ein geringeres Einkommen als Vollzeitkräfte. Wie
auch bei dem Stellenniveau ist dieses ungünstige Verhältnis bei Frauen und Teizeitkräften im
öffentlichen Sektor wesentlich kleiner als im Privatsektor. Der öffentliche Sektor bietet insofern
einen gewissen Schutz für Frauen und Teilzeitkräfte.
3.3 Daten über die Selbsteinschätzung von Arbeit und Laufbahn
Objektive Indikatoren wie Stellenniveau und Gehalt bieten einen Einblick, wie attraktiv die
öffentliche Laufbahn ist. Sie geben jedoch keinen Hinweis darauf, wie Beschäftigte des öffentlichen
Sektors selbst ihre Arbeit beurteilen. Um die Arbeitnehmer in Sektoren wie Erziehung und
Gesundheitswesen zu halten ist es wichtig zu wissen, was sie selbst von ihrer Arbeit denken. Wie
genau entspricht ihrer Ansicht nach ihre Stelle der Ausbildung? Wie zufrieden sind sie mit
Jobinhalt, Bezahlung und Karriereaussichten? Wie stufen sie ihre Arbeitsbedingungen ein? Was
motiviert Beschäftigte, zu einem Arbeitsplatz in anderen Sektoren überzuwechseln?
Die Kernstatistiken über die Übereinstimmung zwischen Ausbildung und Beschäftigung, die Daten
aus der Arbeitskräfteerhebung enthalten keine solchen subjektiven Indikatoren. Sie enthalten auch
keine Angaben über den Lauf der einzelnen Karrieren oder über die Motivation, in einem Sektor zu
arbeiten, der nicht der Ausbildungsorientierung entspricht.
Im allgemeineren Zusammenhang der laufenden Forschung hat Statistics Netherlands über die
Lebenssituation der Bevölkerung in den Niederlanden - die POLS-Erhebung - auch der
Einschätzung der eigenen Arbeit Aufmerksamkeit gewidmet. Eine Grenze der Erhebung ist die
relativ geringe Zahl der Befragten, obwohl es in den letzten Jahren mehr wurden. Dies beschränkt
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
121
die Möglichkeiten, zwischen den einzelnen Tätigkeiten und Sektoren der Wirtschaft zu
unterscheiden.
Einige Ergebnisse
In der Meinungsumfrage erklären sich die Beschäftigten des öffentlichen Sektors relativ zufrieden
mit ihrer Arbeit (Möglichkeit, die eigenen Talente zu entfalten, Freude an der Arbeit und
Vielseitigkeit der Aufgaben) sowie mit der Übereinstimmung zwischen ihrer Arbeit und ihrer
Ausbildung und Erfahrung. Sie sind auch relativ zufrieden mit ihren Arbeitsbedingungen, mit
Ausnahme der Beschäftigten im Gesundheitswesen, die sich über anstrengende Belastung beklagen.
Beschäftigte im Erziehungswesen geben häufiger als alle anderen an, daß ihnen die Arbeit
regelmäßig zuviel wird. Die Gründe hierfür können nicht von den vorliegenden Daten abgeleitet
werden.
Das Niveau der Unzufriedenheit mit Bezahlung und Karrieremöglichkeiten ist im Erziehungs- und
im Gesundheitswesen relativ hoch. Im Erziehungssystem der Niederlande scheint es im Bereich der
Arbeitsbedingungen in erster Linie ein Imageproblem zu geben. In Wirklichkeit sind die
Arbeitsbedingungen nicht wesentlich schlimmer als für andere Beschäftigte mit höherer
Ausbildung, außerdem sind die Startgehälter im niederländischen Erziehungssystem sogar recht
hoch.
3.4 Daten über die Studienwahl
Die niederländische Bildungsstatistik hat sich traditionell vor allem mit der Beschreibung der
Beteiligung an der Erziehung während der Pflichtschuljahre und in der unmittelbar danach
folgenden Phase (Erstausbildung) befaßt. Es ergibt sich ein relativ vollständiges Bild der
Schülerzahl und der Bewegung der Schüler zwischen den verschiedenen Schultypen. Aufgrund
dieser Daten lassen sich auch Vorausschätzungen für die Zahl der jungen Leute anfertigen, die
gegebenenfalls das Schulsystem verlassen und anfangen, nach einer Stelle zu suchen. Das
niederländische Ministerium für Erziehung, Kultur und Wissenschaft bietet ein solches
Prognosemodell an, das benutzt wird, um den Abgang aus dem Erziehungssystem in den
kommenden Jahren voraussagen zu können.
Die niederländische Statistik über die Erwachsenenbildung ist unvollständiger, trotz der Bedeutung,
die dem lebenslangen Lernen zukommt. Beispielsweise stammt die letzte Erhebung der
innerbetrieblichen Ausbildungsprogrammen von Anfang der neunziger Jahre (allerdings findet 2000
eine neue statt).
Die herkömmlichen Bildungsstatistiken vermitteln auch keine Angaben über die Motive junger
Leute, ein bestimmtes Studium auszuwählen. Die Statistiken stützen sich auf die Verwaltungen von
Erziehungs- und Ausbildungsstätten, so daß die Betonung auf institutionellen Daten liegt. Über die
Beteiligten selbst ist außer Alter und Geschlecht nichts bekannt. Beispielsweise zeigen die
Statistiken, daß das Interesse an Lehramtsstudien und Krankenpflegerausbildung in den neunziger
Jahren zurückging. Leider ist jedoch nichts über die Hintergründe dieses Trends bekannt.
Gelegentlich wurden jedoch Untersuchungen durchgeführt um herauszufinden, nach welchen
Motiven Studiengänge ausgewählt werden und welche Wünsche und Erwartungen an die spätere
Arbeit gestellt werden. Beispielsweise befaßte sich eine Erhebung im Jahre 1991 mit der
Studienwahl und den Fortschritten von Studenten, die in dem betreffenden Jahr eine
Universitätsausbildung angetreten hatten und diese Erhebung wurde 1995 wiederholt. Zusätzlich
122
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
dazu ist die Wahl des Schul- oder Studiengangs eins der Themen einer Erhebung, die alle zwei oder
drei Jahre an Sekundarschulen durchgeführt und teilweise vom Social and Cultural Planning Office
organisiert wird (National Secondary School Students Survey).
Einige Ergebnisse
Diese Erhebungen zeigen, daß junge Leute mit Interesse an Studiengängen mit Schwerpunkt
öffentlicher Dienst den Jobinhalt wichtig finden. Privatwirtschaftlich orientierte Studenten sind
dagegen eher an Fragen wie Gehalt oder Beförderung interessiert. Ein spezifischer Themenbereich
ist die Möglichkeit, Arbeit mit Familie und Kindern zu vereinbaren. In den niederländischen
Verhältnissen wird eine Teilzeitbeschäftigung häufig als Vorbedingung für den Erfolg einer solchen
Kombination gesehen. In Anbetracht der zahlreichen Teilzeitmöglichkeiten im öffentlichen Sektor
suchen viele junge Leute, die eine Kombination von bezahlter Arbeit und Familie für wichtig
erachten, eine Stelle im öffentlichen Sektor. Insbesondere dem Erziehungswesen kommt dies
zugute.
3.5 Daten über den Eintritt auf dem Arbeitsmarkt
Sobald die Studenten ihren Abschluß haben, drängen sie auf den Arbeitsmarkt. Um dem
Informationsbedarf bezüglich des Eintritts von Schulabgängern in den Arbeitsmarkt der
Niederlanden entsprechen zu können, werden jährlich Stichproben bei denen durchgeführt, die eine
höhere Schulbildung, Fachausbildung oder seit neuestem auch die Hochschule abgeschlossen
haben. Diese Erhebungen bieten Daten über das Niveau von Erwerbslosen unter den
Schulabgängern und Hochschulabsolventen, die Dauer der Stellensuche, die Art der Stelle, die
Übereinstimmung zwischen Tätigkeit und Ausbildung, Gehaltsniveau usw. Die Erhebungen
werden nicht von Statistics Netherlands sondern vom Research Centre for Education and the Labour
Market durchgeführt. Sie bieten eine wertvolle Ergänzung zu der von Statistics Netherlands
angefertigten Bildungsstatistik.
4 SCHLUSSFOLGERUNG
Um einen Überblick über die Arbeitsmarktprobleme auf dem öffentlichen Sektor der Niederlande
zu erhalten bedarf es einer großen Reihe von unterschiedlichen Daten. Zusätzlich zu den Daten über
die derzeitigen Differenzen werden Angaben über die Hintergründe benötigt, wie es zu diesen
Differenzen kommt.
Quantitative Spannungen auf dem niederländischen Arbeitsmarkt lassen sich relativ genau anhand
der Daten aus den Arbeitskräfteerhebungen und den Statistiken über freie Stellen ermitteln.
Indikatoren wie zum Beispiel die Arbeitslosenquote bei Gruppen mit unterschiedlichem
Ausbildungshintergrund und Zahl der freien Stellen in verschiedenen wirtschaftlichen Bereichen
vermitteln ein Bild über Überschuß und Mangel. Daneben liefern die Arbeitskräfteerhebungen
genaue Angaben über die Größe des potentiellen Arbeitskräfteangebots in einem bestimmten Sektor
(erwerbslose Absolventen, die keine Arbeit wünschen, Absolventen, die in einem anderen Sektor
tätig sind als dem, für den sie ausgebildet wurden). Eine Mobilisierung solcher Gruppen kann zur
Beseitigung von Engpässen führen.
Ferner geben Arbeitskräfteerhebungen wertvolle Indikatoren über die qualitative Übereinstimmung
zwischen Ausbildung und Arbeit. Hinzu kommt, daß durch eine Verknüpfung von Gehaltsdaten von
den Gehaltsstellen mit den Daten aus den Arbeitskräfteerhebungen Angaben über die
Übereinstimmung zwischen Ausbildung, Tätigkeit und Bezahlung geschaffen werden. Schließlich
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
123
bieten die Arbeitskräfteerhebungen wertvolle Bauteile für Prognosen von quantitativen Trends auf
dem Arbeitsmarkt in den Niederlanden.
Wie die Arbeitskräfteerhebungen dienen auch die jährlichen Untersuchungen über die Abgänge aus
dem Erziehungssystem der Niederlande eine wichtige Informationsquelle, anhand derer sich
Übereinstimmungsprobleme beim Übergang von der Ausbildung zum Arbeitsmarkt nachvollziehen
lassen. Obwohl diese Erhebungen nicht von Statistics Netherlands durchgeführt werden sind sie zu
einem Schlüsselelement für das einschlägige Angebot von statistischen Daten über den
Arbeitsmarkt der Niederlande geworden.
Neben diesen gut entwickelten statistischen Quellen gibt es jedoch mehrere Bereiche, für die
spärlichere statistische Daten vorliegen. Die Bildungsstatistik vermittelt einen guten Überblick über
die tatsächliche Studienwahl von Studenten und insofern über den Ausbildungshintergrund des
künftigen Arbeitskräfteangebots. Es fehlen jedoch Informationen darüber, was junge Leute zur
Studienwahl veranlaßt, wie sie die verschiedenen Studiengänge und Beschäftigungen wahrnehmen
und was sie zu einer bestimmten Wahl statt einer anderen veranlaßt. Die gelegentlichen
Untersuchungen bieten ein paar Hinweise, doch wäre dies ein Thema, daß es sich im Rahmen der
Ausbildungsstatistik besser zu erkunden lohnte.
Ein weiterer Punkt ist, daß sich die niederländische Bildungsstatistik vor allem auf die staatlich
finanzierte Erstausbildung konzentriert. Die Angaben über Aus- und Fortbildung im späteren Leben
sind beschränkter. In Anbetracht der Bedeutung, die dem lebenslangen Lernen als Bedingung für
das Funktionieren des Arbeitsmarkts zukommt, sollte logischerweise dieser Bereich mehr
Aufmerksamkeit erhalten.
Schließlich wäre der Bereich besser zu erkunden, der sich auf Daten über die Selbsteinschätzung
von Arbeit und der Laufbahn bezieht. Angaben über die Zufriedenheit mit ihrem Job und den
Laufbahnentscheidungen von Beschäftigten sind einer der Ansätze für eine Politik, die sich um eine
bessere Übereinstimmung zwischen Angebot und Nachfrage im öffentlichen Sektor bemüht.
124
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
ANALYSIS OF LABOUR MARKET OUTCOMES FROM EDUCATION AND TRAINING
IN ENGLAND
Chris Littler
DfEE, Analytical Services
W608
Moorfoot
UK- Sheffield S1 4PQ
[email protected]
Einleitung
1.
In diesem Beitrag werden einige der in England zur Analyse der Bedeutung allgemeiner und
beruflicher Bildungsabschlüsse verwendeten Daten und Methoden dargestellt, insbesondere:
 die Nutzung von Datenquellen zu Ausbildung und Arbeitsmarkt, um den weiteren
beruflichen Weg von Jugendlichen nach Beendigung der Schulpflicht zu verfolgen;
 die Analyse des langfristigen wirtschaftlichen Nutzens und des monetären Werts der
allgemeinen und beruflichen Bildung anhand der Steigerung des Lebenseinkommens; und
 die Nutzung von Daten zu den Bewegungen in die bzw. aus der Arbeitslosigkeit für die
Bewertung der Auswirkung arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen und Programme.
Ausbildungs- und Arbeitsmarktdaten
2.
Das Ministerium für Bildung und Beschäftigung DfEE veröffentlicht die Daten zum Status
Jugendlicher in England in der Ausbildung und auf dem Arbeitsmarkt in einem regelmäßig
erscheinenden Statistical Bulletin1. Dabei werden Informationen aus einer Reihe von Quellen
zusammengefaßt:
 Bevölkerungsdaten des Office for National Statistics (ONS) und des
Versicherungsmathematischen Amts (Government Actuary's Department);
 Arbeitsmarktdaten aus der (vom ONS durchgeführten) Arbeitskräfteerhebung;
 Ausbildungsdaten aus verschiedenen Erhebungen: dem Schools Census, dem Further
Education (FE) Statistical Record und dem Individual Student Record des FE Funding
Council; und
 Daten der Higher Education Statistics Agency zur Hochschulausbildung;
 Daten des Training and Enterprise Council (TEC) Management Information zu staatlich
subventionierten Berufsbildungsmaßnahmen (Government Supported Training - GST);
 Daten der Arbeitskräfteerhebung zu Berufsbildungsmaßnahmen, die vom Arbeitgeber
finanziert werden (Employer Funded Training – EFT); und
 weitere Informationen zur Tätigkeit Jugendlicher aus der Jugendkohortenstudie (Youth
Cohort Study - YCS).
3.
1
Die Analyse dieser Daten zeigt, daß gegenwärtig:
DfEE (1999)
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
125
 viele Jugendliche (fast die Hälfte der 16- bis 18-jährigen) sowohl am Erwerbsleben als
auch an allgemeinen oder beruflichen Bildungsmaßnahmen teilnehmen;
 27% an allgemeinen oder beruflichen Bildungsmaßnahmen, nicht aber am Erwerbsleben
teilnahmen;
 22% am Erwerbsleben, nicht aber an allgemeinen oder beruflichen Bildungsmaßnahmen
teilnahmen, und
 4% weder an allgemeinen oder beruflichen Bildungsmaßnahmen noch am Arbeitsmarkt
teilnahmen.
 Insgesamt 9% nahmen weder an allgemeinen oder beruflichen Bildungsmaßnahmen noch
am Erwerbsleben teil.
4.
Ein Blick auf die Entwicklungstrends zeigt, daß:
 die Population der 16-jährigen in den letzten 40 Jahren deutliche Schwankungen aufwies,
in den nächsten 15 Jahren aber relativ stabil sein wird (Schaubild 1);
 die Zahl der 16-jährigen, die weiter zur Schule bzw. in ein College gingen, bis 1993
zunahm und seitdem relativ konstant ist (Schaubild 2);
 die Zahl der Teilnehmer an berufsfeldbezogenen allgemeinen Qualifikationsmaßnahmen
(General National Vocational Qualifications GNVQ) angestiegen, die Zahl der
Teilnehmer an GCSE-Prüfungen (General Certificate of Secondary Education =
Abschlußzeugnis der Sekundarstufe) sowie an allgemeinen Qualifikationsmaßnahmen
(NVQ) niedrigerer Niveaustufen gesunken ist (Schaubild 3);
 seit Einführung des GCSE die Zahl der 15-jährigen mit einem Abschluß der Niveaustufe
2 drastisch zunahm, während der Anteil der Abgänger ohne Abschluß unverändert blieb
(Schaubild 4); der Anteil der 16- und 17-jährigen, die weder an allgemeinen oder
beruflichen Bildungsmaßnahmen noch am Erwerbsleben teilnehmen, nach wie vor stabil
bei etwa 9% liegt (Schaubild 5);
 die Arbeitslosenquote nach IAO-Definition für die 16- bis 17-jährigen weiter steigt,
während die Quote für die Gesamtbevölkerung gesunken ist.
5.
Diese Fakten verraten uns viel über den Status junger Menschen in den ersten Jahren nach
Beendigung der Schulpflicht und über die Änderungen, die sich hier in den letzten Jahren vollzogen
haben. Die Regierung konzentriert sich heute stärker darauf, die Zahl der Jugendlichen, die nicht an
allgemeinen oder beruflichen Bildungsmaßnahmen teilnehmen, zu senken und den Anteil
derjenigen mit Abschlüssen der Niveaustufen 22 und 3 zu erhöhen, damit die Jugendlichen den
wachsenden Qualifikationsanforderungen der Arbeitgeber genügen und ihre Chancen auf dem
Arbeitsmarkt steigen.
6.
Zur Erstellung einer Informationsgrundlage für die Festlegung entsprechender Zielvorgaben
und zur Beobachtung der erzielten Fortschritte stellt das Ministerium Hochrechnungen zu den
Ergebnissen der Abschlüsse der Niveaustufen 2 und 3 an. Diese Hochrechnungen basieren auf den
Vorhersagen zur Teilnahme der 16-jährigen an den verschiedenen Ausbildungswegen und auf den
erwarteten Erfolgsquoten. Die Teilnahme an allgemeinen und beruflichen Bildungsmaßnahmen
wird abgeleitet aus den Trends bei der Zahl der 15-jährigen, die die GCSE-Prüfung ablegen und
2
Bis 2002 soll der Anteil der 19-jährigen mit einem NVQ der Niveaustufe 2 bzw. einem gleichwertigen Abschluß von
heute 72 % auf 85 % erhöht werden.
126
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
dem Anteil derjenigen, die ihre Ausbildung fortsetzen; die Teilnahme bei den 17-jährigen basiert
dann weitgehend auf Schätzungen zu den 16-jährigen usw. Die Erfolgsquoten spiegeln nicht nur die
Prüfungsergebnisse wieder, sondern beinhalten auch Abgänge bzw. Wechsel im Verlauf der
Ausbildung und einen Wiedereinstieg nach dem sechzehnten Lebensjahr.
7.
Wir sind auch an der Ermittlung zukünftiger Entwicklungstrends interessiert, wobei nicht
nur eine Fortsetzung der aktuellen Politik angenommen, sondern auch eventuellen Änderungen der
politischen Richtung Rechnung getragen werden soll. Aus diesem Grunde wird das oben
beschriebene Verfahren auf unterschiedliche politische Szenarien angewandt und mit einer
Rentabilitätsanalyse (siehe unten) kombiniert, um den voraussichtlichen monetären Wert der
politischen Optionen einzuschätzen.
Rentabilität
8.
Zur Ermittlung der Rentabilität bzw. der Kostenwirksamkeit einer Investition in
Ausbildungsmaßnahmen berechnen wir ihre Ertragsraten bzw. ihren Nettozeitwert. Wir haben zum
einen die Erträge spezifischer Bildungsabschlüsse als Indikatoren für den wahrscheinlichen Wert
einer Ausweitung bestimmter Arten von Ausbildungsmaßnahmen herangezogen und uns zum
anderen bestimmte Altersgruppen angesehen, um den Wert einer generellen Ausweitung solcher
Maßnahmen für die Wirtschaft zu schätzen. In diesem Abschnitt wird der vom DfEE bei der
Rentabilitätsanalyse verfolgte Ansatz diskutiert, die in der Arbeitskräfteerhebung enthaltenen, nach
Qualifikation untergliederten Daten zum Verdienst zu nutzen. Eine breitere Darstellung der
einschlägigen wissenschaftlichen Arbeiten findet sich bei Blundell et al (1999).
9.
Berechnet werden gesellschaftliche Ertragsraten3, die Kosten und Nutzen eines Programms
oder einer politischen Maßnahme zueinander in Bezug setzen. Dabei besteht der Nutzen im
erzielten Wachstum der volkswirtschaftlichen Gesamtproduktion, das in der Steigerung des
Lebenseinkommens des Teilnehmers (plus Lohnnebenkosten) zum Ausdruck kommt, und die
Kosten entstehen in Form des Verzichts auf einen Teil der volkswirtschaftlichen Gesamtproduktion
zugunsten der Durchführung der politischen Maßnahme bzw. des Programms.
10.
Die Ertragsraten von allgemeiner und beruflicher Ausbildung werden aus dem Unterschied
zwischen dem Lebenseinkommen der Teilnehmer an einer bestimmten Art von Ausbildung und
dem Lebenseinkommen von Nicht-Teilnehmern berechnet. Dieser Unterschied wird dann zu den
Kosten der entsprechenden Ausbildung ins Verhältnis gesetzt. Damit der Unterschied bei den
Lebenseinkommen der Ausbildung zugeordnet werden kann, müssen sich die Gruppe der
Teilnehmer und die der Nicht-Teilnehmer in allen anderen Merkmalen möglichst ähnlich sein. Den
eher ausbildungsbedingten Anteil am Einkommenszuwachs bezeichnen wir als "Alpha-Faktor".
3
Die Bezeichnung "gesellschaftliche Ertragsraten" ist etwas irreführend, weil üblicherweise mit dem Attribut
"gesellschaftlich" verbundene Erscheinungen wie Auswirkungen auf die Gesundheit, auf die Kriminalität und die
Umwelt hier unberücksichtigt bleiben. Bei den hier vorgenommenen Berechnungen wäre der Terminus
"volkswirtschaftliche Ertragsrate" vorzuziehen, da es um die Messung des durch Investitionen in
Ausbildungsmaßnahmen bewirkten Nettowachstums der wirtschaftlichen Ressourcen des Landes, d.h. der
volkswirtschaftlichen Gesamtproduktion geht.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
127
11.
Die praktische Verwendbarkeit der Ertragsraten ist aus einer Reihe von Gründen begrenzt:
 Ertragsraten messen volkswirtschaftliche Kosten und Nutzen, nicht
Verteilungseffekte wie Chancengleichheit und Aspekte der sozialen Eingliederung;
aber
 die breiter gefaßten und indirekten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kosten und
Nutzen sind in den Ertragsraten aufgrund inhärenter Probleme bei der Messung nicht
enthalten. Ein indirekter Nutzen könnte z. B. die Verbesserung der internationalen
Wettbewerbsfähigkeit durch besser ausgebildete Arbeiter sein, was der gesamten
Volkswirtschaft zu gute kommt (und deshalb nicht allein am Verdienst der Teilnehmer an
dem allgemeinen oder beruflichen Ausbildungsprogramm abgelesen werden kann);
weitere mögliche Nutzen wären die Auswirkungen auf die Gesundheit und die
Kriminalitätsraten;
 aus Gründen der Datenverfügbarkeit messen Ertragsraten normalerweise die bereits
eingetretenen Wirkungen der Programme und sind daher in Zeiten eines beschleunigten
wirtschaftlichen Wandels bzw. sich rasch verändernder politischer Entwicklungen keine
gute Richtschnur für die Zukunft. So gilt z.B. der Verdienst eines heute 45-jährigen mit
einer bestimmten Qualifikation (nach Bereinigung um das Wachstum des nationalen
Durchschnittsverdienstes) als Richtwert dafür, was ein heute 18-jähriger, der diese
Qualifikation neu erwirbt, mit 45 verdienen wird;
 es ist unklar, ob sich die Ertragsraten auf die durchschnittliche oder die Grenzertragsrate
eines Nutznießers des Programmes konzentrieren oder irgendwo dazwischen; im Fall
einer für Wettbewerbsmärkte mit homogenen Akteuren typischen Lohnbildung ergäbe
sich dann ein Durchschnittswert der Grenzertragsraten der einzelnen Akteure;
 die Informationen zu dem oft als "Alpha-Faktor" bezeichneten Mehrverdienst, der in
erster Linie auf die Ausbildung zurückzuführen ist und nicht auf andere Faktoren wie
z. B. angeborene Fähigkeiten, sind mangelhaft. Der ausbildungsbedingte Mehrverdienst
beruht zum einen auf der Steigerung der Produktivität durch die erlernte Fähigkeit zur
Bewältigung der eigenen Aufgaben und zum anderen auf der Wirkung der Qualifikation
selbst, die vorhandene Fähigkeiten signalisiert und die Suche nach geeigneten
Arbeitnehmern für bestimmte Tätigkeiten vereinfacht;
 es ist unklar, inwieweit der jeweilige Lohn die Produktivität des Einzelnen widerspiegelt
bzw. von sozialen Faktoren bestimmt ist;
 die Ertragsraten sind tendenziell statisch; sie basieren auf einem System, in dem das
Angebot an Fachwissen die Höhe des BIP beeinflußt, erfassen aber nicht vollständig, in
welchem Umfang sich dieses Angebot auf die volkswirtschaftliche Wachstumsrate
auswirkt, indem es z. B. einen schnelleren technischen Wandel ermöglicht bzw. bewirkt.
12.
Die Berechnung der Ertragsraten ist aufgrund einer Reihe von Faktoren bei den beruflichen
Bildungsabschlüssen schwieriger als bei den allgemeinbildenden Abschlüssen:
 das Alter, in dem berufliche Bildungsabschlüsse erworben werden, kann stark variieren,
so daß sich die Zeiträume, in denen - nach erreichter Qualifikation - ein höheres
Einkommen erzielt wird, unterschiedlich lang sein können. Die verfügbaren Datenquellen
enthalten keine Angaben zu dem Alter, in dem die Auskunftgebenden ihre
Qualifikationen erwerben, sondern eher Informationen zu dem Alter, in dem sie ihre
Vollzeitausbildung abgeschlossen haben;
128
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
 zu den Kosten des Erwerbs beruflicher Qualifikationen am Arbeitsplatz liegen nur wenig
Informationen vor. Die Kosten für die innerbetriebliche Ausbildung von denjenigen für
die parallel laufende Produktionstätigkeit zu trennen, bereitet erhebliche Schwierigkeiten.
Die Arbeitgeber führen nur begrenzt Aufzeichnungen über diese Kosten, und auch wenn
sie es täten, würde sich wahrscheinlich ergeben, daß diese Kosten je nach Arbeitgeber
und Art der Ausbildung variieren;
 bei den beruflichen Bildungsabschlüssen ist es bisweilen weniger klar, welcher
Vergleichsgruppe der Anstieg des individuellen Verdienstes nach Erwerb einer
Qualifikation gegenüberzustellen ist;
 der Stichprobenumfang in den verfügbaren Datenquellen ist geringer;
 manche beruflichen Bildungsabschlüsse, z. B. die sogenannten "Modern
Apprenticeships", sind so neu, daß keine Daten zum Lebenseinkommen der Absolventen
vorliegen.
13.
Die folgende Tabelle gibt den Durchschnittsverdienst aufgegliedert nach höchstem
Bildungsabschluß wieder. Sie enthält Rohdaten aus der Arbeitskräfteerhebung, die andere für den
Verdienst relevanten Faktoren wie z. B. die angeborenen Fähigkeiten nicht berücksichtigen. Die
Zahlen werden durch die Alterszusammensetzung der Personenkreise mit den verschiedenen
Bildungsabschlüssen beeinflußt; vor allem bei den Qualifikationen, die überdurchschnittlich häufig
von Jugendlichen erworben werden, sind sie nach unten verzerrt, da Jugendliche in der Regel
weniger verdienen.
wöchentl. Bruttoverdienst (£), Vollzeitbeschäftigte, Frühjahr 1998, England und Wales
gesamt
Männer
Frauen
erster Hochschulabschluß & höher
524
587
409
sonstiger höherer Bildungsabschluß
386
446
306
A- Level gesamt
A-level: mind. 2 Fächer
Berufsqualifikation Niveaustufe 3
Niveaustufe 3 gesamt
393
408
345
369
438
450
371
399
311
328
251
290
traditionelle Lehre
348
359
238
GCSE- Abschluß Noten A-C gesamt
GCSE-Abschluß Noten A-C: mind. 5 Fächer
GCSE-Abschluß Noten A-C: <5 Fächer
Berufsqualifikation Niveaustufe 2
Niveaustufe 2 gesamt
301
327
279
243
304
345
385
316
276
350
251
271
236
202
251
CSE-Abschluß unter Niveaustufe 1,
GCSE –Abschluß < Note C
273
296
224
keine Qualifikation
246
271
197
Gesamt
Quelle: Arbeitskräfteerhebung
357
395
285
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
129
14.
Als nächster Schritt wird der Verdienst nach Alter einer bestimmten Qualifikationsgruppe
dem einer Vergleichsgruppe gegenübergestellt. Das folgende Schaubild ist eine einfache bildliche
Darstellung des im Laufe eines Arbeitslebens durch einen in Vollzeitausbildung erworbenen
berufsbildenden Abschluß (vocational qualification - OND) gegenüber den GSCE erzielten
Mehrverdienstes.
wöchentl. Bruttoverdienst
Verdienst nach höchstem Bildungsabschluß - Männer (ONDs mit 5 oder mehr GCSEs 19941998)
450
400
350
300
250
200
150
100
50
0
<5
GCSEs
>5
GCSEs
ONDs
16-19
20-24
25-34
Alter
35-44
45-64
Anmerkungen zur Methodik
15.
Je früher Kosten und Nutzen entstehen, desto höher ist ihr Wert (heute über 1 £ zu verfügen
ist mehr wert als das Versprechen, morgen 1 £ zu erhalten). Deshalb werden die in zukünftigen
Jahren entstehenden Kosten und Nutzen mit einem Standardabzinsungssatz von 6 % auf ihren
Gegenwartswert diskontiert. Die Ertragsrate ist der Abzinsungssatz, bei dem die Summe der
diskontierten Nutzen gleich der Summe der diskontierten Kosten ist; wenn sie über 6 % liegt, wird
die Investition als lohnend betrachtet.
16.
Die Daten zum jeweils höchsten Bildungsabschluß (in Schule, College oder im Beruf) und
zu dem Alter, in dem die ununterbrochene Vollzeitausbildung beendet wurde, werden der
Arbeitskräfteerhebung entnommen.
17.
Höhere Bildungsabschlüsse sind tendenziell mit einem geringeren Arbeitslosigkeitsrisiko
verbunden; dies wird – ebenfalls unter Verwendung von Daten der Arbeitskräfteerhebung – in die
Verdienstdaten eingerechnet.
18.
Zur vollständigen Erfassung des durch höhere Qualifikationen erzielten
Produktivitätszuwachses müssen auch die Lohnnebenkosten berücksichtigt werden, um den Wert
eines zusätzlichen Arbeiters für den Arbeitgeber darzustellen. Das treibt die Verdienstzahlen (auf
allen Qualifikationsebenen) um 25 % nach oben.
130
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
19.
Für die Zukunft erwarten wir auf allen Qualifikationsebenen ein Anwachsen der Reallöhne
um 2 % pro Jahr.
20.
Wer länger im Bildungssystem verbleibt, verdient währenddessen weniger als bei einem
früheren Eintritt ins Arbeitsleben. Ebenso verhält es sich bei einer späteren Rückkehr ins
Bildungssystem im Vergleich zum Verbleib im Arbeitsleben. Den durch die längere
Ausbildungsdauer entgangenen Verdienst ermitteln wir auf der Grundlage der voraussichtlichen
längeren Ausbildungsdauer und der Höhe des möglichen Nebenverdienstes durch eine parallel zur
Ausbildung ausgeübte Teilzeitbeschäftigung.
Bewertung der Arbeitsmarktpolitik mit Hilfe von Verlaufsdaten
21.
Die Bewertung arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen erfolgt im Vereinigten Königreich
häufig auf der Grundlage der einzelnen Maßnahmen, wobei eigens in Auftrag gegebene Erhebungen
und eine Kombination quantitativer und qualitativer Techniken zur Überprüfung von Ablauf und
Wirkung der jeweiligen Maßnahme Anwendung finden. Doch bei größeren Veränderungen
politischer Natur und bei der Ermittlung der Gesamtwirkung mehrerer kombinierter politischer
Maßnahmen arbeitet das Ministerium zusätzlich auch mit der Analyse von Verlaufsdaten zur
Arbeitslosigkeit.
22.
Diese Methode ist nur bei Programmen für die Zielgruppe der 18-jährigen und Älteren
anwendbar, da für die 16- und 17-jährigen keine entsprechenden Daten zur Verfügung stehen.
23.
Der Bestand der Arbeitslosigkeit wird durch Zugänge und Abgänge an Arbeitslosen
beeinflußt. Die Zugangs- und Abgangsraten spiegeln wider, wie sich aufgrund konjunktureller und
arbeitsmarktpolitischer Einflüsse der Status der Menschen auf dem Arbeitsmarkt verändert.
Zwischen den Abgängen und den Zugängen besteht ein deutlicher Zusammenhang; entscheidend
dafür sind die Abgänge - sie bestimmen die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit bzw. des
Zeitraums zwischen einem Anstieg der Zugänge und einer Zunahme der Abgänge. Wir beobachten
einen zeitlich recht stabilen Zusammenhang (zwar schwankt die Zahl der Abgänge im Verlauf eines
Konjunkturzyklus, doch der Anteil der Zugänge, die eine bestimmte Arbeitslosigkeitsdauer
durchlaufen, ist - unabhängig von der Konjunkturphase - ähnlich).
24.
Die konjunkturelle Entwicklung wirkt sich anders auf diese Bewegungen aus als politische
Maßnahmen: bei nachlassender Konjunktur erwarten wir eine Zunahme der Entlassungen und einen
Rückgang der Neueinstellungen, doch eine erfolgreiche aktive Arbeitsmarktpolitik erhöht die Zahl
der Abgänge. Aus diesem Grund kann die Analyse der Abgänge bei der Bewertung einer politischen
Maßnahme eine wichtige Rolle spielen. Die Berechnung der von uns erwarteten Entwicklung der
Abgänge im Verlauf eines Konjunkturzyklus kann Vergleichswerte zur Beurteilung der Wirkung
einer geänderten Arbeitsmarktpolitik liefern.
25.
Der Umfang der Bewegungen zwischen den unterschiedlichen Statusausprägungen auf dem
Arbeitsmarkt (erwerbstätig, arbeitslos und inaktiv) wird durch eine einfache Analyse der Daten der
Arbeitskräfteerhebung sichtbar. Diese Erhebung besitzt ein Längsschnittelement, das aufzeigt, was
Einzelpersonen in aufeinanderfolgenden (Vierteljahres-) Zeiträumen gemacht haben. Da hier aber
weder mehrfache Veränderungen innerhalb eines Vierteljahreszeitraums noch Bewegungen
innerhalb des gleichen Status (mehr als die Hälfte aller Stellenwechsel erfolgt direkt von einem
Beschäftigungsverhältnis in ein anderes, ohne dazwischenliegende Arbeitslosigkeit) registriert
werden, erscheint der Umfang der Bewegungen niedriger als er in Wirklichkeit ist.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
131
26.
Mit der Bewertung einer politischen Maßnahme wollen wir feststellen, welche
Veränderungen sie bewirkt hat, vor allem, ob sich die Lage der Zielgruppe gegenüber dem ohne die
Maßnahme zu erwartenden Zustand verändert hat, ob die Maßnahme – für sich allein oder in
Kombination mit anderen Maßnahmen - das Verhalten der Arbeitgeber beeinflußt und ob sie
Bewegungen in die Nicht-Erwerbstätigkeit bewirkt.
27.
Wir besitzen keine umfassenden Daten, mit denen wir den Weg von Einzelpersonen im
Erwerbsleben verfolgen könnten, für Gruppen hingegen ist dies mit Hilfe des Arbeitslosenregisters
(claimant count) möglich. Mit den darin enthaltenen Daten können wir z.B. feststellen, ob die
Abgangsraten für die Zielgruppe über den angesichts der aktuellen Arbeitsmarktlage zu erwartenden
Wert gestiegen sind, ob sich die Abgangsraten bei den Nicht-Zielgruppen gegenüber der Zielgruppe
verändert haben (auch die Zugänge können hier zunehmen), und wir können ermitteln, ob die
Abgänge generell zurückgegangen sind, weil benachteiligte Firmen weniger durch die politische
Maßnahme bedingte Neueinstellungen vorgenommen haben, oder ob aufgrund von Entlassungen
mehr Zugänge zu verzeichnen waren.
28.
Das Arbeitslosenregister enthält auch Informationen zum weiteren Weg der Arbeitslosen,
z. B. über die Teilnahme an allgemeinen und beruflichen Bildungsmaßnahmen, über den Bezug
anderer Unterstützungsleistungen und über diejenigen, die der Meldepflicht nicht nachkommen, was
eine über die Veränderungen beim Arbeitsplatz hinausgehende umfassendere Bewertung der
politischen Maßnahme ermöglicht.
29.
Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen haben in der Regel nicht nur zum Ziel, einigen
Menschen einen Arbeitsplatz zu verschaffen, sondern sie sollen auch die langfristige
Vermittelbarkeit von Arbeitslosen verbessern; wir müssen also – mit Hilfe von Längsschnittdaten auch die Beschäftigungsdauer der Abgänger aus dem Register verfolgen. Das Arbeitslosenregister
liefert Daten zum Bestand an Arbeitslosen und zu den Zu- und Abgängen, aufgegliedert nach Dauer
der Arbeitslosigkeit, Alter, Geschlecht, Personenstand, nach dem Status im Anschluß an den
Abgang und nach gewöhnlicher bzw. gewünschter Tätigkeit sowie jeweils nach Region. Das sind
jedoch keine Daten auf der Ebene von Einzelpersonen. Eine Möglichkeit zur Betrachtung
individueller Erfahrungen bietet der JUVOS-Datensatz, eine 5 %-Stichprobe aus dem
Arbeitslosenregister, mit der der Weg Einzelner im Berufsleben verfolgt wird; dieser Datensatz
liefert uns die exakte Dauer von Arbeitslosigkeitsperioden und ermöglicht die Berechnung der
Tendenz zum erneuten Zugang ins Register und, wenn er erfolgt, die Beobachtung der nächsten
Schritte. Auch bei Personen, die nach Abschluß einer Maßnahme wieder arbeitslos werden, können
wir anhand der Dauer des Verbleibs im Arbeitslosenregister feststellen, ob sich die Vermittelbarkeit
verbessert hat.
30.
Die Arbeitskräfteerhebung eignet sich aufgrund des geringen Stichprobenumfangs nur
begrenzt für diese Art von Analysen, doch das Ministerium will ihre Verwendbarkeit für
Untersuchungen zu den Chancen der 16- und 17-jährigen auf dem Arbeitsmarkt prüfen, da das
Arbeitslosenregister keine Daten zu dieser Altersgruppe enthält. Eine weitere Möglichkeit ist die
Verwendung eigens entworfener Längsschnitterhebungen und der Vergleich mit von der Maßnahme
nicht betroffenen Einzelpersonen. Entscheidend ist dabei, Einzelpersonen zu ermitteln, die –
unabhängig davon, ob sie von der arbeitsmarktpolitischen Maßnahme betroffen wurden oder nicht –
ähnliche Merkmale aufweisen. Es hat sich gezeigt, daß auch dies bei erwachsenen Teilnehmern an
arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen einfacher ist als bei jugendlichen Teilnehmern an allgemeinen
oder beruflichen Bildungsprogrammen. Wenn sie realisierbar sind, ermöglichen solche Erhebungen
allerdings eine detailliertere Erfassung der Merkmale der Einzelpersonen sowie ihrer Erfahrungen
vor und nach dem entsprechenden Programm; so kann z. B. erfaßt werden, ob sie eine Vollzeit- oder
132
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Teilzeitstelle gefunden haben, bzw. im Fall erneuter Arbeitslosigkeit, was die Gründe dafür sind.
Ein Beispiel für eine solche Vergleichsstudie aus neuerer Zeit findet sich bei Payne et al (1999).
__________________________
Literaturverzeichnis
Blundell, R. et al (1999) Human Capital Investment: the returns from education and training to the
individual, the firm and the economy, Fiscal Studies Vol 20, Nr.1, S. 1-23
DfEE (1999) Statistical Bulletin: Education and labour market status of young people in England,
aged 16-18: 1992-1998, Ausgabe Nr. 11/99, Oktober 1999
Payne, J. et al (1999a) Work-based training and job prospects for the unemployed: an evaluation of
Training for Work, DfEE Research Report RR96
Payne, J. et al (1999b) The Impact of Work-Based Training on Job Prospects for the Unemployed,
Labour Market Trends, Juli 1999
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TEIL 2:
DIE ZUKUNFT UND KÜNFTIGE
ENTWICKLUNGEN
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142
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ERHEBUNGEN ÜBER DAS BILDUNGS- UND AUSBILDUNGSSYSTEM IN ITALIEN
Aurea Micali Liana Verzicco
ISTAT
Viale Liegi 13
Roma
Italy
[email protected]
Einführung
Die Istat-Erhebungen über das Bildungs- und Ausbildungssystem wurden in den letzten Jahren einem
tiefgreifenden Umgestaltungsprozeß unterzogen.
Sowohl die Inhalte als auch die Durchführungsweise waren von dieser Umgestaltung betroffen.
Wichtigste Neuerung im Durchführungsbereich ist die Übertragung der Zuständigkeit für die
Erhebungen an die zuständigen Ministerien. Ab 1999/2000 werden die administrativen Daten über die
Studenten und den Lehrkörper sowie die Schulen und Hochschulen nach vier Jahren nicht mehr vom
ISTAT bereitgestellt (das ISTAT arbeitet allerdings weiterhin mit zwei Ministerien zusammen, um die
für die sektorale Analyse und die Dateneinholungs- und Aufbereitungssysteme notwendigen Größen zu
definieren).
Die Abgabe der administrativen Erhebungen über die Schulen und Hochschulen hat jedoch neue
Möglichkeiten eröffnet: Sie bot erstens Gelegenheit, die Informationsinhalte der Erhebungen selbst zu
überprüfen, und sie gestattete es zweitens dem ISTAT, neue Erhebungsfelder zu erschließen und so das
Informationsspektrum im Bereich Bildung und Ausbildung zu erweitern.
Nach kurzer Erläuterung des italienischen Bildungssystems werden auf den folgenden
Seiten die wichtigsten einschlägigen statistischen Neuerungen beschrieben.
1. Der Aufbau des italienischen Bildungssystems
1998 wurden neue Regelungen im italienischen Bildungssystem eingeführt, die allmählich umgesetzt
werden. Dabei ging es insbesondere um folgendes:




1
Die Grenze des Pflichtschulalters wurde von 14 auf 15 Jahre erhöht.
Die Grundschule und die Unterstufe der weiterführenden Schule werden zu einem einheitlichen
Zyklus von sieben Jahren vereinigt (ein Jahr weniger als bisher); die Oberstufe der
weiterführenden Schule - die bisher fast ausschließlich einen einzigen, fünf Jahrgangsstufen
umfassenden Zyklus vorsah - wird ab jetzt in zwei hintereinander geschaltete Zyklen
untergliedert: einen zweijährigen und einen dreijährigen Zyklus.1
Die - schulische bzw. außerschulische - Ausbildungspflicht wurde bis zum 18. Lebensjahr
verlängert: Jugendliche, die das 15. Lebensjahr vollendet haben, müssen ihre Ausbildung
fortsetzen und können dabei wählen zwischen: Schule, regionaler Berufsausbildung
(außerschulische Ausbildung) und Lehre.
Die Hochschulausbildung (mit Ausnahme der Forschungsdoktorate und der
Spezialisierungen) wurden in zwei hintereinander geschaltete Zyklen gegliedert: einen
Bisher erlosch die Schulpflicht mit dem Erwerb des Abschlusses der Unterstufe der weiterführenden Schule; künftig
schließt sie den ersten Zyklus der Oberstufe der weiterführenden Schule mit ein.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
143
dreijährigen und einen zweijährigen Zyklus. Die bisherigen beiden Zyklen (kurzer und langer
Zyklus) waren unabhängig voneinander: Die Studenten konnten sich für einen langen
Ausbildungsgang einschreiben, ohne zuvor den kurzen durchlaufen zu haben, und die
allermeisten Studenten machten hiervon Gebrauch. Jetzt sind die beiden Zyklen
aufeinanderfolgend gestaltet. Wobei man sich für einen Fachabschluß erst nach Absolvierung
des kurzen Ausbildungsweges (Stufe 1) einschreiben kann.
Mit der Reform wird somit die Ausbildungszeit verlängert. Gleichzeitig werden aber mehrere
Zyklen angeboten, die vor allem kürzer sind. Bisher war der Bildungsweg in Italien ziemlich
uneben: Viele junge Menschen versuchten es zwar mit weiterführenden Studien, brachen diese aber
häufig ab. Die Oberstufe der weiterführenden Schule war zu lange und fast immer auf das
Hochschulstudium ausgerichtet. Das Hochschulstudium zog sich hin (bis zum Erwerb eines
Abschlusses vergingen vier bis fünf Jahre), und viele junge Leute machten ihren Abschluß erst sehr
spät (die durchschnittliche Studiendauer beträgt heute über sechs Jahre).
Nachstehendes Schema hilft, die unerwünschten Auswirkungen des bisherigen Aufbaus
herauszustellen. Untersucht man den Bildungsweg einer imaginären Generation von 1000
Absolventen der Unterstufe der weiterführenden Schule, stellt man fest, daß fast die gesamte
italienischen Schulbevölkerung noch vor Verlängerung der Schulpflicht freiwillig eine längere
Ausbildung wählte. Man sieht (Schaubild 1), daß 93 % der Schüler nach Beendigung der
Unterstufe der weiterführenden Schule (Schüler im Alter von 14 Jahren) auf die Oberstufe
überwechseln. Unser Schul- und Hochschulsystem ging sehr verschwenderisch mit den Ressourcen
um (nicht nur wirtschaftlich gesehen). Dies gilt sowohl für die jungen Menschen als auch deren
Familien. Die „vorzeitigen“ Schulabgänge erreichen beängstigende Ausmaße. Von 1000 Abgängern
der Unterstufe der weiterführenden Schule schaffen nur 731 der Abschluß der Oberstufe, und nur
169 erreichen einen akademischen Abschluß. Jahr für Jahr brechen rund 17 % der Schüler der
Oberstufe und rund 63 % der Studenten ihre Ausbildung ab.
Die (außerschulische) regionale Berufsausbildung konnte sich nicht als Alternative etablieren, da
den im Rahmen des regionalen Berufsausbildungssystems erworbenen Abschlüssen bis vor kurzem
die Anerkennung durch das Schulsystem versagt blieb. Nur 33 von 1000 Absolventen der
Unterstufe der weiterführenden Schule schrieben sich in die regionalen Ausbildungskurse ein, und
nur 15 von 1000 Abiturienten.
Das Fehlen einer höheren technischen Ausbildung nach dem Abitur zwang fast sämtliche jungen
Menschen, die ein Studium aufnehmen wollten, sich für einen akademischen Lehrgang zu
entscheiden. Hinzu kam, daß fast sämtliche Studenten für die langen Studiengänge optierten (435
von 1000 Absolventen der Unterstufe der weiterführenden Schule wählten die langen
Ausbildungsgänge, nur 24 die kurzen). Dies war darauf zurückzuführen, daß die Abschlüsse der
kurzen Studiengänge auf dem Arbeitsmarkt nicht richtig anerkannt wurden2. Vor allem aber der
Umstand, daß es bei zahlreichen kurzen Ausbildungsgängen im Gegensatz zu den langen einen
Numerus Klausus gab.
2
In der öffentlichen Verwaltung gibt es zum Beispiel keine Leistungswettbewerbe, die für diese Art Studienabschlüsse
geeignet wären.
144
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
2. Erhebungen über die Schüler und Studenten der Schulen und Hochschulen
Neben den soeben angeschnittenen Probleme haben auch die laufenden Reformvorhaben
Auswirkungen auf die Bildungs- und Ausbildungsstatistik, die in den letzten Jahren überarbeitet
wurde, um die sich vollziehenden Umwälzungen besser nachzeichnen zu können.
Mit Schwerpunkt auf den Erhebungen über die Hochschulen führte das ISTAT 1999 ein vom
Hochschulministerium finanziertes Vorhaben zur Einführung eines Informationssystems zu Ende, in
dessen Rahmen Instrumentarien zur systematischen Beobachtung und Bewertung der Hochschulen
bereitgestellt werden.
Ein Ziel war es, das Ministerium in die Lage zu versetzen, das Istat in seiner Rolle als Produzent von
Daten über das Hochschulwesen zu unterstützen. Nach Abschluß dieses Vorhabens werden bestimmte
neue Erhebungen direkt unter der Regie des Hochschulministeriums durchgeführt, darunter die
Erhebungen über die kurzen und langen Studiengänge, womit die Übertragung der Erhebungen auf die
zuständigen Ministerien abgeschlossen wäre.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
145
Schaubild 1: - Bildungsweg einer imaginären Generation von 1000 Absolventen der Unterstufe der
weiterführenden Stufe (a)
1000 – Abschluß der Unterstufe der weiterführenden Schule
29 es wechseln nicht auf die Oberstufe
über: 2,9 %
33 Regionale Berufsausbildung
(ISCED 3C): 3,3 %
1. Jahr der Oberstufe Schule ………….
938 (93.8%)
46 Berufsabschluß: 4.9%
161 die Oberstufe brechen ab: 17.2%
Abitur ……………………………… ….
berufsbildende Gymn.
(ISCED 3A)
142
731 (78.0%)
davon:
naturw. Gymn.
(ISCED 3A)
293
geisteswiss. Gymn.
(ISCED 3A)
212
15 Regionale Berufsausbildung
sonst. Gymnasien
(ISCED 3A-B-C)
84
257 kein Hochschulstudium nehmen auf: 30,1 %
(ISCED 4C): 1,7 %
an einer Hochschule studieren …………………
459 (62.8%)
davon:
kurze Studiengänge
24 (5.3%)
lange Studiengänge
435 (94.7%)
289 Studienabbruch: 63.0%
Abschluß eines Kurzstudiums
12 (7.5%)
(a) (Zeitgenössische
146
Abschluß eines Langstudiums
157 (92.5%)
Analyse
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Mit der Überarbeitung der Erhebungen über die einzelnen Schulstufen wurde zweierlei bezweckt: 1) die
Einholung von Daten für internationale Vergleiche, 2) die Vertiefung der Merkmale des HochschulAusleseprozesses.
Die wichtigsten Neuerungen betrafen erstens die systematische Erhebung bestimmter Strukturmerkmale
der Schüler und Studenten (Alter, Wohnort usw.) und zweitens eine gründlichere Analyse des
schulischen und akademischen Werdegangs mit Schwerpunkt auf den Hochschulen, wo - wie wir
gesehen haben - der Studienabbruch ein noch größeres Problem darstellt.
Die Frage der Aufnahme der Altersvariablen stellte sich bis vor vier Jahren bei keiner Erhebung über
den Bildungsbereich. Sämtliche Analysen der schulischen und akademischen Werdegänge, der
Studiendauer und des Studienerfolges wurden im Rahmen der einzelnen Studienzyklen anhand des
jeweils besuchten Schul- bzw. Hochschuljahres durchgeführt. Dieser Ansatz war ausreichend und auch
zufriedenstellend, solange das italienische Schulsystem diese in Schaubild 1 schematisch dargestellte
starre, wenig differenzierte Gliederung aufwies. Die Aktivierung neuer Ausbildungswege (höhere
technische Ausbildung, Aufbau der öffentlichen und privaten außerschulischen Berufsausbildung usw.)
werden das System verändern, das sich nunmehr nicht mehr monolithisch, sondern facettenreich
darstellt. Somit erwies es sich als notwendig, einerseits für die Analyse der Schüler und Studenten und
andererseits für die Analyse der „Graduates“ auf den einzelnen Schul- und Hochschulstufen das Alter
auch auf nationaler Ebene als Leitmerkmal einzuführen.
Ab diesem Jahr wird Italien bei den Bildungsindikatoren sowohl im OECD- als auch im EurostatRahmen, wo das Alter beim Vergleich der Ergebnisse und Prozesse der bisweilen radikal
unterschiedlich gegliederten Bildungssysteme als Leitmerkmal dient, stärker repräsentiert sein. Das Istat
erkennt inzwischen an, daß das Kontrollsystem für unser Bildungssystems soweit verfeinert werden
muß, daß es auch den Vergleich der Leistungsfähigkeit der Bildungssysteme der einzelnen Länder
einschließt, und veranlaßte, daß die Altersvariable innerhalb des schulischen und außerschulischen
Bildungssystems bereits ab dem Kindergarten erhoben wird.
Was das zweite Ziel (die Analyse der schulischen und akademischen Werdegänge) angeht, so wird
heute eine große Zahl von Variablen sowohl für die Schulen als auch für die Hochschulen erhoben
(Fachrichtungswechsel auf der Oberstufe der weiterführenden Schule, Überwechseln von den
öffentlichen und privaten Schulen, bestandene akademische Prüfungen, Datum des Hochschuleintritts
usw.). Wie wir noch sehen werden, stammen diese Informationen nicht nur aus den Schul- und
Hochschulerhebungen, sondern auch aus einer Reihe von Erhebungen über Studenten, die das Istat in
jüngster Zeit anstellte.
3. Die außerschulische Berufsausbildung
Wegen des Schattendaseins, das die Berufsausbildung innerhalb des Ausbildungssystems bisher
führte, war dieser Sektor bisher in unseren Statistiken zu kurz gekommen. Heute jedoch werden die
Statistiken über die außerschulische Berufsausbildung aufgrund der gesetzlich vorgesehenen
Möglichkeiten ausgebaut, die Schulpflicht sowohl innerhalb des regionalen als auch des schulischen
Ausbildungssystems zu absolvieren.
Seit 1971 wurde die außerschulische Berufsausbildung auf regionaler Ebene aufgebaut.
Über bestimmte Erhebungen hinaus die die Regionen auf lokaler Ebene durchführen, sind die
Erhebungen des Istat und des ISFOL (Institut zur Entwicklung der Berufsausbildung von
Arbeitnehmern, ein Forschungsinstitut des Arbeitsministeriums) die einzigen statistischen Quellen,
die das nationale Ausbildungssystem kohärent und vollständig beschreiben. Es gibt jedoch noch ein
privates berufliches Ausbildungsangebot, das derzeit im Rahmen der amtlichen Statistik noch nicht
erfaßt wird.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
147
Die ISFOL-Ausarbeitungen anhand administrativer Daten
Jährlich legen die Regionen dem Arbeitsministerium einen Arbeitsbericht vor, auf dessen
Grundlage das Ministerium die Überwachung und Bewertung der Wirkung der
Ausbildungsprogramme in den Regionen in die Wege leitet.
Das ISFOL sammelt und verbreitet in diesem Bericht mit einer nahezu jährlichen Frequenz Daten über
die Zahl der Lehrgänge, der Lehrgangsteilnehmer und Absolventen sowie die Typologie und den
Tätigkeitsbereich der Lehrgänge (Verwaltungsdaten auf der Grundlage der Rechnungsabschlüsse).
Ein Großteil der regionalen Ausbildungstätigkeit wird bereits vom Europäischen Sozialfonds
mitfinanziert (1998: rd. 75 % der Lehrgänge). Zur Bewertung der Ausbildungsmaßnahmen sowie der
vom Europäischen Sozialfonds mitfinanzierten Politikfelder wurde auf Veranlassung des
Arbeitsministeriums beim ISFOL ein Bewertungsmechanismus aktiviert. Damit werden jährlich
Finanzindikatoren für die Effizienz und Durchschlagskraft der Maßnahmen und eine Bewertung der
Auswirkungen auf das sozioökonomische Umfeld erarbeitet.
Die ISTAT-Erhebungen
Die statistische Erhebung des ISTAT über die Berufsausbildungsmaßnahmen stellt eine in
jährlichem Rhythmus durchgeführte Gesamterhebung. Mit dieser Erhebung werden unmittelbar bei
den Ausbildungsinstituten Informationen über die Maßnahmen erhoben, die von den einzelnen
Regionen und in eigener Regie bzw. in von den Regionen anerkannten privaten Ausbildungsstätten
(Ausbildungsstätten der Gewerkschaften, Unternehmen oder religiösen Einrichtungen)
durchgeführt wurden.
Aufgrund der Erhebung über die im Jahre 1996-97 durchgeführten Maßnahmen wurde der
Erhebungsfragebogen stark überarbeitet. Es wurden neue Variablen eingeführt: Teilnehmer und
Absolventen nach dem Alter, Ausbildungsinhalte des Lehrgangs (aufgrund der Eurostat-Klassifikation
„Fields of Education and Training“) sowie - was die Erstausbildung angeht - die Vorbildung
(Studienabschluß) der Teilnehmer.
Der Informationsgehalt der Erhebung, mit der Daten über die Ausbildungsmaßnahmen und deren
Teilnehmer erhoben werden, ermöglicht heute eine detaillierte Analyse des Ausbildungsangebots und
der Benutzermerkmale. Aus der Gegenüberstellung mit anderen sozioökonomischen Indikatoren
(Schulquote, Erwerbsquote und Arbeitslosenrate, lokale Arbeitsmärkte usw.) läßt sich die Fähigkeit der
Regionen bewerten, auf das spezifische regionale Umfeld zugeschnittene Initiativen im
Beschäftigungsbereich in Angriff zu nehmen.
Schließlich ermöglicht es insbesondere die Einführung des Fragebogens über die Variablen Alter,
Ausbildungsstand und Zahl der Absolventen, die Teilnahme der Bevölkerung am Ausbildungsangebot
insgesamt zu untersuchen, so daß sich die Beobachtung nicht mehr nur auf das Schulsystem erstreckt.
Auch für die Teilnehmer am berufsbildenden Unterricht lassen sich jetzt die Quoten für Teilnahme,
Selektion und erfolgreichen Abschluß der Maßnahme berechnen. Somit können neue Indikatoren über
die Effizienz und Durchschlagskraft des gesamten Ausbildungssystems erstellt werden.
Hier einige Daten: Zwischen 1996 und 1997 stieg die Zahl der Teilnehmer an den regionalen
Berufsausbildungsmaßnahmen von 422 000 auf 670 000. Trotz des erheblichen Anstiegs ist die
Teilnahme an diesen Ausbildungsmaßnahmen noch immer sehr schwach (Tab. 1). Die
Grundausbildung, zu der Jugendliche Zugang haben, die lediglich die untere Mittelstufe absolviert
148
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
haben, erreicht lediglich 1,8 % der Jugendlichen im Alter von 14 bis 21 Jahren, mit einem Spitzenwert
von 3,2 % bei den 15jährigen.
Tabelle
1
Prozentsatz
der
Teilnahme
Ausbildungsgängen nach Alter - 1997-98
an
__________________________________________
ALTER
SCHULISCHE
BERUFL. GRUNDAUSBILDUNG
AUSBILDUNG (a)
_________________________________________
14
97,1
2,1
15
86,7
3,2
16
79,1
2,5
17
74,3
1,9
18
69,0
1,3
19
42,1
1,5
20
32,7
1,2
21
27,9
1,3
INSGESAMT
61,4
1,8
Beim Ausbildungsangebot sind nicht alle Regionen gleich aktiv: Die meisten Maßnahmen
konzentrieren sich auf Norditalien (57,6 % der Lehrgänge), gefolgt von Mittelitalien (25,7 %), während
Süditalien, wo die Arbeitslosenzahlen am höchsten sind, nur wenige Lehrgänge angeboten werden
(16,6 %).
Norditalien verzeichnet auch die meisten Teilnehmer Tab. 2). Dort sind 3,87 % der Jugendlichen im
Alter zwischen 15 und 21 Jahren in einem Grundkurs eingeschrieben, im Süden nur 0,8 %.
Auch bei den sonstigen Maßnahmen ist die Frequenz bescheiden (lediglich 0,8 %). Auch hier ist der
Andrang im Norden (1,1 %-1,4 %) am stärksten.
Tabelle
2
Teilnahme
an
den
regionalen
Berufsbildungsangeboten (pro 100 Jugendliche im Alter
___________________________
REGIONALE
BERUFL. GRUNDANDERE
AUFGLIEDERUNG
AUSBILDUNG
LEHRGÄNGE
_______________________________________________
Nordwestitalien
3,8
1,4
Nordostitalien
1,0
1,1
Mittelitalien
1,0
1,3
Süditalien
0,8
0,2
Inselitalien
1,8
0,2
Italien insgesamt
1,8
0,8
zwischen 14 und 21 Jahren) 1996-97
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
149
4. Die Erhebungen über den Übergang zwischen Schule und Arbeitswelt
Die Erhebungen bei den Schulen und Hochschulen sind trotz zahlreicher Neuerungen wenig geeignet,
die Teilnehmer an den Ausbildungsmaßnahmen gründlich zu analysieren. Die Informationen
beschränken sich auf die in den Verwaltungsarchiven gespeicherten Daten.
Aufgrund der Tatsache, daß die Zuständigkeit für die Erhebungen über das Bildungswesen auf die
Ministerien übergegangen sind, hat das Istat die Gelegenheit beim Schopf gefaßt und eine Reihe von
Untersuchungen über die Studenten eingeleitet.
Es handelt sich dabei um eine Reihe von drei Erhebungen, die sich sämtlich auf die Analyse des Erfolgs
der einzelnen Studienabschlüsse auf dem Arbeitsmarkt beziehen:
1.
eine Erhebung über die Studien- und Berufswahl der Absolventen der Oberstufe der
weiterführenden Schulen;
eine Erhebung über die berufliche Eingliederung der Akademiker (Kurzstudium)
eine Erhebung über die berufliche Eingliederung der Vollakademiker (Langstudium)
2.
3.
Dieses integrierte Erhebungssystem von drei Erhebungen ist zudem methodisch äußerst kohärent
aufgebaut. Es werden in der Struktur und - wo dies möglich ist - auch in der Fragestellung analoge
Fragebogen verwendet. Sämtliche Erhebungen enthalten darüber hinaus gemeinsame Fragen, um eine
Verbindung mit der Arbeitskräfteerhebung herzustellen. Alle drei Erhebungen beziehen sich auf:
 Dreijahreszeiträume
 einen bestimmten Studentenjahrgang,
 die Zeit im Abstand von drei Jahren nach Erwerb des Studienabschlusses.
Die Erhebungen über die Abiturienten und Absolventen der Kurzstudien wurden erstmals im Jahre 1998
durchgeführt (und werden im Jahre 2001 wiederholt). Die Erhebungen über die Vollakademiker
(Langstudium) erlebten ihre vierte Auflage und wurden gründlich überarbeitet, um die Informationen
mit denen aus den beiden anderen Erhebungen über das Ausbildungssystem zu verknüpfen3.
Da die Erhebungen über die Abiturienten die ausführlichste der drei Erhebungen ist und die Fragebogen
weitgehend identisch gestaltet sind, wird hier nur diese eine Struktur untersucht.
4.1. Die Erhebung über die schulischen und beruflichen Werdegänge von Abiturienten
Bis 1998 konnte sich die Analyse des Weges, der über die Ausbildung in die Berufswelt führt, was die
Akademiker anbelangt, auf eine sehr breite Informationsgrundlage stützen, wohingegen wichtige
Informationen über das Segment der Abiturienten fehlten.
Letztere weisen jedoch in unserem Land die höchsten Arbeitslosenraten auf: Sie stürzen sich
„massenhaft“ (ca. 50 %) auf die Universitäten und Hochschulen und hoffen, auf diese Weise - häufig
ohne Erfolg - ihre Qualifikation zu verbessern und sich einer langen und entmutigenden Stellungssuche
zu entziehen.
Zur Abklärung der verschiedenen Aspekte des Fragebogens dienen drei intern gegliederte
Makrobereiche:
3
Auch unter dem Gesichtspunkt der Erhebungstechnik wurde versucht, ein Maximum an Kohärenz sicherzustellen: Die
Erhebungen über Abiturienten und Hochschulabgänger (Kurzstudium) werden telefonisch durchgeführt (Typ. C.A.T.I. Computer Assisted Telephone Interview), während die Erhebungen über die Vollakademiker bisher postalisch erfolgten.
Sie werden in Zukunft jedoch ebenfalls auf C.A.T.I. umgestellt.
150
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
1
Die Studienabläufe (Vorbildung und derzeitige Studiengänge)
2
Die Arbeitssituation/ Stellungssuche
3.
Das sozio-demographische Umfeld des Studenten
Bei denjenigen, die für eine Arbeitsaufnahme optieren, bezweckt die Erhebung in der Tat die Analyse
der Arbeitssituation. Auf der anderen Seite wird die Hochschullaufbahn der zahlreichen an den
Hochschulen immatrikulierten Jugendlichen gründlich untersucht. Für alle wird darüber hinaus ab der
Unterstufe der weiterführenden Schule eine Beschreibung der schulischen Laufbahn mitgeliefert4.
Vor allem aus dieser Erhebung ergeben sich zahlreiche Informationen über die Merkmale der
schulischen Laufbahn (s.o.).
Die Festlegung, die Interviews im Zuge der Reihe erst nach dem Erwerb des Abschlusses
durchzuführen, ermöglichte eine Untersuchung sowohl der beruflichen Eingliederung der Jugendlichen
(durchschnittlich dauert die Suche nach einer Erstanstellung für einen Absolventen unter 24 Jahre
23 Monate) als auch des studentischen Eifers (Zahl der Prüfungen, Unterrichtsfrequenz usw.). Auf der
anderen Seite lassen sich auch etwaige Unterbrechungen des Studiums nachzeichnen. Schließlich ist ein
Studienabbruch gerade in den ersten Studienjahren sehr häufig festzustellen.
In dem Bemühen, die Eckdaten der jeweiligen Werdegänge zusammenzutragen, wird bei der Analyse
auch das wirtschaftliche und soziale Umfeld des Studenten berücksichtigt, so daß sich sowohl die
Wechselbeziehung zwischen sozialer Schichtung und Selektion/Abgang von der Universität als auch die
Leistungsfähigkeit der politischen Maßnahmen bewerten lassen, als Korrektiv zur Sicherung des Rechts
auf Studium beizutragen.
Die wichtigsten Kreuzpunkte des Fragebogens und die entsprechenden Erhebungsbereiche sind
Schaubild 2 zu entnehmen.
4.2 Gesamtschau der Erhebungen
Die Ausarbeitung eines Erhebungssystems führt zur Bereitstellung „zusätzlicher“ Informationen, die bei
einer Gesamtanalyse der Ergebnisse anfallen. Auf diese Weise entstehen kohärente Informationen über
die drei Bildungsebenen. Dies ermöglicht wiederum Antworten auf Fragen wie: Wo soll das Studium
enden? Welche Gesichtspunkte sollen dabei zum Tragen kommen? Inwieweit garantiert das
Ausbildungssystem die „Gleichheit der Ausbildungschancen“?
Einheitliche methodische Ansätze in den drei Erhebungen ermöglichen es, bestimmte
Schlußfolgerungen hinsichtlich der Beschäftigungswirksamkeit der "Investitionen" in die verschiedenen
Ausbildungswege zu ziehen (Diplome, Universitätszeugnisse, Staatsexamina usw.). Damit sind
persönlicher Einsatz sowie Kosten und Dauer der Ausbildung gemeint. Ziel ist es, die der
Entscheidungsfindung der jungen Menschen und ihrer Familien zugrunde liegende Ratio in Erfahrung
zu bringen.
In Italien gibt es neben dem augenfälligen Phänomenen der over education im Bereich der
Hochschulabschlüsse, vor allem in bestimmten Disziplinen, auch den Massenandrang von
Schulabgängern vor den Toren der Universitäten und Hochschulen. Ein sorgfältiger Vergleich der
Beschäftigungsrelevanz der einzelnen Studienabschlüsse kann dazu beitragen, die Gründe dieses
Verhaltens aufzuspüren.
4
Aus dieser Erhebung ergeben sich zahlreiche Informationen über die Merkmale des schulischen Werdegangs (s.o.).
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
151
Die Arbeitslosigkeit liegt bei den Abiturienten (Tab. 3) auch drei Jahre nach Schulabgang immer noch
sehr hoch (35 %). Aus diesem Grunde drängen viele Abiturienten auf die Universitäten. Nur wenige
haben eine feste Anstellung (35,8 %), und die Arbeit ist im Falle der wenigen Stelleninhaber
qualitätsmäßig auch noch sehr gering zu veranschlagen. Handelt es sich um abhängige Beschäftigung,
so ist der Arbeitnehmer nur in 60 % der Fälle angemeldet (also keine Schwarzarbeit), und die Arbeit
von mehr als einem Viertel von ihnen (27,5 %) ist - von der dafür nötigen Qualifikation her gesehen eher dem Arbeiterniveau gleichzustellen. Lediglich 8 % der Abiturienten verdienen über 2 Millionen
LIT im Monat.
Die Daten zeigen klar, daß das Abitur in Italien heutzutage eine Mindestanforderung für diejenigen
darstellt, die sich auf dem Arbeitsmarkt behaupten nicht in die Randgruppen abgedrängt werden wollen.
152
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Schaubild 2 -
STRUKTUR UND KREUZPUNKTE DES FRAGEBOGENS ÜBER DIE
SCHULISCHEN UND BERUFLICHEN WERDEGÄNGE VON ABITURIENTEN
1. Schulischer Werdegang
2. – PRIVATE lehrgänge
- Lehrgänge der
Regionalen Einrichtungen
Ja
E
S
(für alle)
Berufs-.
ausbildung?
Studium
Nein
Sonstige
Studiengämge?
Nein
Ja
Abbruch des
Hochschulstudiums
bzw. anderer Studien?
Akademien,
Konservatorien, Isef
oder sonstiges
(keine Fragen)
3. Hochschulstudium
Nein
Ja
4 Abruch der
Hochschulstudiums
Bisheriger beruflicher
Werdegang
Nein
Derzeit
erwerbstätig?
Ja
Arbet
Ja
Gelegentliche oder
Saisonbeschäftigung?
Nein
Stellungssuche?
5. Arbeit
Nein
Ja
6. Stellungssuche
7. Angaben über den Familiären
Hintergrund
(für alle)
8. Anfaben aus dem
Bevölkerungs Register
Sozio-demographisches
(für alle)
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Umfeld
153
Tabelle 3 - Abiturienten und Akademiker (Kurz- und Langstudium), drei
Jahre nach Erwerb des Abschlusses. Wichtigste Arbeitsindikatoren - 1998-99
Arbeitslosenrate
Dauerstellung
(a)
angemeldete
Unternehmer,
abhängige Führungskräfte,
Beschäftigung
Beschäftigte
(b) in geisteswiss.
Berufen
Arbeiter,
Handwerker,
unqualifizierte
Arbeitskräfte
Einkünfte unterhalb 2 Millionen
im Monat
(c)
27,5
2,7
0,9
8,0
24,7
39,7
MÄNNER UND FRAUEN
Abiturienten
35,0
Akademiker
13,4
Vollakademiker 23,7
(a)
(b)
(c)
35,8
57,9
55,5
60,1
94,2
93,3
4,8
8,8
46,0
Arbeitsaufnahme nach Schulabgang erfolgt, in Prozent
abhängig Beschäftigte in Dauerstellung, in Prozent
Vollzeitarbeitskräfte in Prozent der Vollarbeitskräfte
Der Hochschulabschluß hat gegenüber dem Abitur entscheidende Vorteile: drei Jahre danach ist die
Arbeitslosenrate der jungen Hochschulabsolventen niedriger (23,7 % gegenüber 35 %), und Stabilität
sowie Grad der Anmeldung der Tätigkeit sind höher (55,5 % gegenüber nur 35,8 % der Abiturienten
habe eine Dauerstellung inne). Für 93 % der Arbeitsplätze der abhängig Beschäftigten werden
regelmäßig Sozialabgaben abgeführt (gegenüber nur bei 60 % der Stellungsinhaber unter den
Abiturienten). Auch die Entlohnung ist besser: über 2 Millionen LIT im Monat verdienen nur 8 % der
Abiturienten; bei den Hochschulabsolventen liegt diese Zahl doppelt so hoch.
Nun zur Lage bei den Absolventen eines Kurzstudiums: Sie scheinen sich besser in die Arbeitswelt
einzugliedern (bei ihnen ist die Arbeitslosenrate am kleinsten: 13,4 %, während die Zahl der Inhaber
einer Dauerstellung mit 58 % am höchsten ist). Die Stellung im Beruf ist derjenigen der Absolventen
eines Langstudiums sehr ähnlich, bis auf den Verdienst, der etwas geringer ausfällt. Durch die Angaben
wird somit auch bezüglich des Arbeitsmarkts bestätigt, was sich bereits aus rein schulischer Sicht ergab,
d. h. die Notwendigkeit von Studienabschlüssen auf mittlerer Ebene. Dies gilt sowohl für die
Ausbildung als auch für die Beschäftigungslage.
Die jungen Hochschulabgänger verrichten jedoch nicht immer eine ihrer Ausbildung entsprechende
Arbeit. Sie sind häufig überqualifiziert: 25 % von ihnen halten den Hochschulabschluß für
überqualifiziert, was die von ihnen verrichteten Arbeit betrifft. Dies trifft insbesondere auf die
geisteswissenschaftlichen, wissenschaftlichen und Ingenieurdiplome zu.
Der Hochschulabschluß ist zwar (in 67 % der Fälle) Voraussetzung für die Arbeitsaufnahme der jungen
Menschen ist, aber 39 % von ihnen kommen in anderen als geisteswissenschaftlichen Sparten unter
(Tab. 4). Besonders stark sind die Probleme bei den Diplomingenieuren sowie in den Studienrichtungen
Politik- und Sozialwissenschaften, Wirtschaftswissenschaft und Statistik: diese Studiengänge sind in
Italien am stärksten überlaufen.
Was den dritten Punkt angeht, die Gleichheit der Ausbildungschancen (Zugang zur Hochschule und
Studium), bieten die drei Erhebungen - zusammengeschaltet - die Möglichkeit, die Auswirkungen der
Hochschulauslese auf die Jugendlichen unter dem Gesichtspunkt der Förderung bzw. Benachteiligung
durch das jeweilige soziale Umfeld zu untersuchen.
154
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Tabelle 4 - Hochschulabsolventen, die 1995 ein Langstudium beendet
haben und inzwischen einer Tätigkeit nachgehen, für die der
Hochschulabschluß Voraussetzung ist - drei Jahre nach dem Abschluß,
gegliedert nach Hochschulbereichen (in Prozent der Absolventen des
betreffenden Hochschulbereichs)
Hochschulabschluß Voraussetzung für die
Arbeitsaufnahme
_______________________________
HOCHSCHULABSCHLUSS IM
BEREICH
Insgesamt
Medizin
Chemisch-pharmazeutischer Bereich
Architektur
Rechtswissenschaft
Geologie und Biologie
Landwirtschaft
Psychologie
Lehrfach
Naturwissenschaftlicher Bereich
Geisteswissenschaftlicher Bereich
Sprachlicher Bereich
Ingenieurwissenschaft
Politische und soziale Wissenschaft
Wirtschaftswissenschaft und Statistik
Tätigkeit auf anderem
als geisteswissenschaftlichem Gebiet (a)
39,0
6,9
14,0
15,5
17,1
20,4
30,2
30,9
33,1
33,6
34,3
50,4
55,7
56,2
64,9
Insgesamt
67,0
98,3
92,1
79,1
72,7
72,2
75,8
68,9
36,9
65,6
45,8
30,6
86,5
42,3
61,6
(a) Ausgenommen wurden der gesetzgeberische Bereich, das Management, das
Unternehmertum, die geistes- und naturwissenschaftlichen Berufe sowie die
hochspezialisierten Fachbereiche.
Die drei Jahre nach Beendigung der schulischen Laufbahn durchgeführte Abiturientenerhebung
ermöglicht eine Gegenüberstellung der Merkmale des familiären Hintergrundes derjenigen, die ihre
Studien fortsetzen, mit denjenigen, die sofort in die Berufswelt überwechseln5. Die Erhebung über die
Absolventen der Lang- und der Kurzstudien dagegen ermöglicht einen Vergleich der Merkmale der
Hochschulabsolventen mit denjenigen, die ein Hochschulstudium aufgenommen haben.
Sowohl der Studienabschluß als auch das Berufsbild des Vaters prägen die „Wahrscheinlichkeit“, daß
sich die Kinder an einer Hochschule immatrikulieren.
Der Studienabschluß ist dabei offensichtlich die entscheidendste Größe (Tab. 5): 32 % derjenigen,
deren Väter nur die Grundschule besucht haben, immatrikulieren sich an der Hochschule, während der
Prozentsatz bei den Akademikerkindern mehr als doppelt so hoch ist (84,9 %). Der Prozentsatz
derjenigen, die sich nach dem Abitur für den Eintritt in das Berufsleben entschließen, ist bei denjenigen,
deren Väter nur die Grundschule besucht haben, logischerweise höher (42,1 %) als bei den
Akademikerkindern (nur 8,5 %).
Der Studienabschluß der Eltern übt während des gesamten Ausbildungsweges einen starken Einfluß
aus: Akademikerkinder haben bei den Abiturienten einen Anteil von 9 %, bei den Erstimmatrikulierten
an den Hochschulen 15,5 %, und bei den Absolventen der langen Studiengänge 23 %.
5
Diese Erhebung gestattet auch eine Analyse des familiären Hintergrunds derjenigen, die - obwohl sie ein Studium
begonnen haben - sich für den Studienabbruch entscheiden.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
155
Tabelle 5 – An den Hochschulen immatrikulierte Abiturienten,
die ihr Studium jedoch unterbrochen oder eine Berufstätigkeit
aufgenommen haben, drei Jahre nach Erwerb des Abiturs,
aufgegliedert nach Schulabschluß des Vaters (in Prozent der
vergleichbaren Abiturientenschaft)
STUDIENABSCHLUSS DES
VATERS
Abiturienten
die an einer Hochschule
immatrikuliert sind (a)
Grundschulabschluß
31,1
Abschuß der Unterstufe der weiterführenden Schule
40,6
Abschuß der Oberstufe der weiterführenden Schule
61,1
Hochschulabschluß
84,9
INSGESAMT
48,4
(a) Ausgenommen diejenigen, die ständig einer Arbeit nachgehen
berufstätig sind
42,1
36,5
24,8
8,5
31,8
5. Informationslücken und kurzfristige Entwicklungen
Trotz der zahlreichen Innovationen im System der Bildungs- und Ausbildungserhebungen bestehen
noch Lücken sowohl im Hinblick auf die Beziehung zwischen Ausbildung und Arbeit als auch die
Analyse des Ausbildungssystems im eigentlichen Sinn.
Was den erstgenannten Aspekt angeht, ist darauf hinzuweisen, daß das Istat eine Studie zur
Durchführung einer landesweiten Erhebung bis spätestens Ende 2002 in Auftrag gegeben hat. Diese
Studie ist dem Beschäftigungserfolg der auf regionaler Ebene angebotenen Lehrgänge für Jugendliche
gewidmet. Genau wie die übrigen Studentenerhebungen wird auch diese Erhebung etwa drei Jahre nach
Abschluß der Lehrgänge durchgeführt, um die Wirksamkeit der absolvierten Ausbildung in bezug auf
die berufliche Eingliederung der Jugendlichen zu überprüfen und die Ergebnisse mit denen für die
Absolventen der übrigen Lehrgänge, die Abiturienten sowie die Absolventen der Kurz- und Langstudien
usw. zu vergleichen.
In den letzten Jahren wurden in Italien auf regionaler Ebene Erhebungen über das Placement
durchgeführt. Die bedeutendste ist die ISFOL-Erhebung, in der die Beschäftigungswirksamkeit bei einer
Stichprobe von Jugendlichen (in 8 von 20 Regionen) analysiert wurde, die im Laufe des Jahres 1996
vom ESF mitfinanzierte Lehrgänge frequentiert haben, und die sich auf Langzeitarbeitslose, Jugendliche
auf der Suche nach einer Erstanstellung und die Chancengleichheit erstreckte. Die auf der Grundlage
der ein Jahr nach Abschluß der betreffenden Ausbildungsgänge durchgeführten Erhebungen
zusammengetragenen Informationen wurden einem Vergleich mit einer repräsentativen Stichprobe von
Personen unterzogen, die keine solche Ausbildung erhalten hatten. Die Ziehung erfolgte aus den
Longitudinaldaten der Arbeitskräfteerhebung des Istat.
Ein zweiter Aspekt der Beziehungen zwischen Ausbildung und Arbeitswelt, der in Italien noch nicht
ausreichend untersucht wurde, ist die Fortbildung, u. a. da Italien in diesem Bereich große Rückstände
aufweist. Das Vorherrschen von Mittel- und Kleinunternehmen in unserem Produktionssystem
verschärft diesen Rückstand. Je größer die Unternehmen sind, desto mehr Wert wird auf die Fortbildung
gelegt. In der Tat haben nur 15 % der Unternehmen mit mehr als 10 Beschäftigten Lehrgänge für ihre
Beschäftigten angeboten. Allerdings beträgt der Anteil bei den Unternehmen mit 10 bis
156
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
19 Beschäftigten nur 8,6 %, während er bei den Unternehmen mit 1 000 und mehr Beschäftigten auf
89,1 % steigt6.
Ist dieses Problem an sich schon wichtig, so nimmt es sich vor dem Hintergrund einer immer stärker
werdenden internationalen Konkurrenz noch größer aus. Wichtigste Quelle für Fortbildungsmaßnahmen
der Unternehmen ist in Italien die Eurostat-Stichprobenerhebung „Continuing vocational and training
survey (CVTS)“, die jedoch nur ab und an stattfindet. Italien hat 1993 daran teilgenommen und wird
auch an der Auflage 1999 im Rahmen der zweiten Erhebung (auf CVTS) teilnehmen.
Bezüglich des öffentlichen Bildungsangebotes bestehen Lücken zweierlei Art: Einerseits gibt es keine
Übersicht über die Fortbildung in der öffentlichen Verwaltung, und andererseits sind nicht sämtliche
Merkmale der Lehrgänge bekannt, die das Arbeitsministerium in Zusammenarbeit mit den Regionen
veranstaltet (z. B. fehlen Informationen über die Berufstypen, auf die diese Lehrgänge hinarbeiten,
sowie über die altersmäßige Zusammensetzung der Lehrgangsteilnehmer).
Da die italienischen Statistiken derzeit noch zahlreiche Lücken aufweisen, ist das der
Arbeitskräfteerhebung angegliederte Eurostat-Modul über Bildung und Berufsausbildung eine wertvolle
Informationsquelle. Bekanntlich beziehen sich die Fragestellungen auf die in den vier Wochen vor dem
Interview durchgeführten Ausbildungsmaßnahmen. Mit der Erhebung werden die Merkmale der
Lehrgänge, ihre Gesamtdauer sowie die Motivation des Lehrgangsbesuchs hinterfragt. Aufgrund dieser
Erhebung lassen sich die einschlägigen Informationen mit den wichtigsten sozio-demographischen
Merkmalen der Befragten sowie deren Bildungsniveau und Stellung im Beruf verknüpfen.
Ab der Erhebung vom April des Jahres 2000 wird Italien die Fragestellungen des Ad-hoc-Moduls in die
Struktur des Fragebogens einbauen, so daß die Informationen dann bei jeder Erhebung über die
Arbeitskräfte eingeholt werden.
Eine weitere Lücke bei der Berufsausbildung betrifft die private Ausbildung, für die zur Zeit keine
systematischen Informationen eingeholt werden.
Was die Erhebungen über die schulischen Werdegänge angeht, so wird das Istat im Jahre 2002 eine
Erhebung über die Jugendlichen anstellen, die im Jahre 2001 den Abschluß der Unterstufe der
weiterführenden Schule machen. Mit dieser Erhebung werden wiederum zwei Ziele verfolgt: die
Überwachung der Auswirkungen der Reform, mit der die Schulpflicht bis zum 15. Lebensjahr
verlängert wird, und die Untersuchungen über die „Verantwortung“, die der Arbeitsmarkt beim
Schulabbruch trägt. Der Schul- bzw. Studienabbruch hängt in der Tat vom sozio-ökonomischen Umfeld
der Familien ab und ist zum Teil das Ergebnis des Wettbewerbs, der sich bisweilen zwischen Schule
und Arbeitsmarkt abspielt.
Wie man sieht, widmet Italien einen Großteil seiner Statistiktätigkeit im Bereich der Bildung und
Ausbildung den Problemen des Abbruchs der Ausbildung (auch im Rahmen der Abiturientenerhebung
wird dem Abbruch der Hochschulstudien große Aufmerksamkeit gewidmet). Anstatt sich auf
Stichprobenerhebungen zu stützen, wäre es jedoch wirksamer, die entsprechenden quantitativen
Angaben durch Erstellung eines Studentenverzeichnisses zu ermitteln. Sowohl das Bildungsministerium
als auch das Hochschulministerium haben bereits eine Studie über die Machbarkeit eines solchen
Verzeichnisses lanciert.
Auf der Grundlage dieses Verzeichnis könnten darüber hinaus die Stichprobenerhebungen über die
Eingliederung in die Arbeitswelt mit einem sehr viel geringeren Arbeitsaufwand organisiert werden.
6
CVTS 1994.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
157
Eine weitere Neuerung, die in diesem Zusammenhang Erwähnung finden muß, um den Rahmen der
laufenden Erneuerungen auf dem Bildungssektor zu schließen, betrifft die Erhebung über die Ausgaben
der Haushalte für den Bildungs- und Ausbildungsbereich. Diese Daten sind notwendig, um das sowohl
das Gesamtvolumen der Bildungsausgaben nach Maßgabe der internationalen Standards in den WEUModellen nachzuzeichnen (UNESCO, OECD, Eurostat), als auch den einheimischen Bedarf bezüglich
des Anteils der Ausbildungsangaben an den Wirtschaftsrechnungen der privaten Haushalte zu ermitteln,
um auf diese Weise die Durchschlagskraft der politischen Maßnahmen zur Verwirklichung des Rechts
auf das Studium zu messen.
Italien hat hierzu bereits ein sämtliche Bildungsebenen mit einbeziehendes Versuchsprojekt
durchgeführt. Die endgültige Erhebung wird im Jahre 2001 gestartet.
Zum Abschluß dieser Ausführungen ist noch hervorzuheben, daß die Statistiktätigkeit in den nächsten
Jahren nicht nur das Ziel verfolgen wird, die vorbeschriebenen Projekte umzusetzen. Ein Großteil der
Bemühungen soll auch der weiteren Überarbeitung der Erhebungen über Schule und Universitäten
gewidmet sein. Diese Erhebungen müssen so gestaltet werden, daß sie im Einklang mit den zur Zeit
anhängigen Reforminitiativen stehen. Obwohl das Istat nicht mehr direkt in die einschlägige statistische
Verantwortung eingebunden ist, ist es doch am Prozeß der Umstrukturierung beteiligt, den die
statistischen Ämter der zuständigen Ministerien in Angriff nehmen.
158
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
STATISTIK DER ERWACHSENENBILDUNG - KONZEPTUELLE PROBLEME
Helge Næsheim
Statistics Norway
P. O. Box 8131 Dep.
N - 0033 Oslo
[email protected]
Bei der Erstellung von qualitativ hochwertigen Statistiken spielt eine klare Definition des
betreffenden Phänomens eine wesentliche Rolle. Wenn man Statistiken über bestimmte Zeiträume
hinweg und länderübergreifend vergleichen möchte, ist es wichtig, daß diese Definition gemeinsam
erarbeitet und allgemein verwendet wird. Man könnte jedoch noch einen Schritt weitergehen. Um
vergleichbare Statistiken zu erreichen, muß die Definition auch "meßbar" sein, denn zum Erstellen
von Statistiken gehört das Sammeln von Daten. D. h., die Definition muß in Form eines in
Erhebungen zu verwendenden Fragenkatalogs oder in Form von Programmen zur Extraktion von
Daten aus Verwaltungsregistern vorliegen. In diesem Beitrag werde ich ein spezifisches Problem
betrachten, das sich im Zusammenhang mit der Statistik der Erwachsenenbildung stellt.
Die OECD erarbeitet gegenwärtig einen thematischen Überblick über die Erwachsenenbildung u. a.
in Norwegen. In einem Papier, in dem wir um Tabellen gebeten wurden, werden erwachsene
Lernende, also Teilnehmer an der Erwachsenenbildung, wie folgt definiert: "A person who has left
initial education but has taken up training again" (Person, die die Erstausbildung beendet, aber eine
berufliche Aus-/Weiterbildung aufgenommen hat).
In diesem Beitrag möchte ich zunächst einige Überlegungen zu zwei Elementen dieser Definition
anstellen:


"Education" gegenüber "training"
"Has left initial education"
Den Hauptteil meines Beitrags bildet jedoch eine Darstellung von empirischen Ergebnissen aus drei
verschiedenen methodischen Varianten des Elements "has left initial education".
"Education" gegenüber "training"
Da hier zwei verschiedene Begriffe für das Lernen verwendet werden -- "education" im ersten Teil
der Definition ("initial education" - Erstausbildung) und "training" im zweiten ("taken up training
again" - eine berufliche Aus-/Weiterbildung aufgenommen hat), gehe ich davon aus, daß damit zwei
verschiedene Konzepte zum Ausdruck kommen sollen. Nach meinem Verständnis ist "education"
das, was in Einrichtungen des Bildungssystems von der Grundschule bis zur Hochschule vermittelt
wird. Der Lernprozeß in diesem System endet normalerweise mit einem staatlich anerkannten
Bildungsabschluß auf Grundlage erfolgreich abgelegter Prüfungen. "Training" stellt daher für mich
das umfassendere Konzept dar. Ausbildung im Sinne von "training" schließt "education" ein, aber
auch informellen Unterricht am Arbeitsplatz, der nicht mit einem Diplom auf Grundlage einer
staatlichen Prüfung abgeschlossen wird, sondern für den vielleicht nur eine Teilnahmebestätigung
ausgestellt wird. Aber im Gegensatz zum Lernen allein durch Ausübung einer bestimmten Tätigkeit
("Learning by doing") gehört zum "training" ein Minimum an Organisation. Es ist natürlich nicht
einfach, diese Unterscheidung in einer Erhebung durchgängig anzuwenden.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
159
In einem OECD-Papier für die Arbeitsgruppe Statistiken zu Beschäftigung und Arbeitslosigkeit
(Working Party on Employment and Unemployment Statistics) mit dem Titel "Guidelines on the
Measurements of Training - a Draft Proposal" (DEELSA/ELSA/WP7(2000)6) werden die
verschiedenen Konzepte von "education" und "training" erörtert. Ich nehme an, daß diese
Diskussion zum Teil auch in das CEIES-Seminar einfließen wird.
"Initial education" (Erstausbildung)
In dem Handbuch zur Internationalen Standardklassifikation des Bildungswesens (International
Classification of Education - ISCED) wird "initial education" erläutert als "education at the early
stages of a person's life prior to entry into the world of work" (Erstausbildung in den frühen
Lebensphasen vor dem Eintritt in das Berufsleben). Diese Formulierung ist recht vage und vielleicht
auch nicht als strenge Definition gedacht. Wie bereits erwähnt, hat die OECD im Rahmen ihres
thematischen Überblicks um statistisches Material über die Personen gebeten, die die
Erstausbildung beendet haben ("having left initial education"). Dieses Merkmal könnte als die erste,
länger als x Monate/Jahre anhaltende Unterbrechung des Bildungsweges einer Person implementiert
werden. In Diskussionen mit der OECD wurden 1 oder 2 Jahre als mögliche Grenzwerte genannt.
Durch einen längeren Zeitraum läßt sich die Wahrscheinlichkeit verringern, daß Unterbrechungen
erfaßt werden, die man nicht aufnehmen möchte (Wehrdienst, Krankheit...). Dieses Problem könnte
auch dadurch gelöst werden, daß man einen kurzen Zeitraum zugrunde legt und nach dem Grund
der Unterbrechung fragt. Aber das bedeutet natürlich, daß mehr Ressourcen benötigt werden, die
Antworten umfangreicher werden und Meßprobleme entstehen.
Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union führen in diesem Jahr ein Ad-hoc-Modul zur
Europäischen Arbeitskräfteerhebung zum Thema Übergang von der Schule zum Beruf durch. Im
Rahmen dieser Erhebung stellt sich bei der Festlegung, was unter "when people leave education"
(Beenden der Ausbildung) zu verstehen ist, ein ähnliches Problem wie in der Statistik der
Erwachsenenbildung. In dem Ad-hoc-Modul zur Arbeitskräfteerhebung hat man sich auf 1 Jahr als
Zeitlimit entschieden.
In diesem Beitrag werden wir Zahlen vorlegen, die sich auf drei unterschiedliche methodische
Varianten von 'Erstausbildung beendet' stützen.
a. Personen, die die Erstausbildung seit mindestens einem Jahr beendet haben
b. Personen, die die Erstausbildung seit mindestens zwei Jahren beendet haben
c. Altersgruppe 30 und älter
Die Alternativen a. und b. sind nur dann interessant, wenn die Definition des erwachsenen
Lernenden auch junge Menschen einschließt. Bei älteren Personen dürften beide Varianten
dieselben Ergebnisse liefern.
Alternative c. ist aus zwei Gründen interessant:
 Unter konzeptuellen Gesichtspunkten ließe sich vertreten, daß eine bestimmte Übergangszeit
zwischen Ausbildung und Erwerbsleben akzeptiert werden sollte und daß 30 Jahre als relevante
Altersgrenze angesehen werden könnten, um die Erstausbildung einer Person zu definieren. Man
kann auch die Meinung vertreten, daß ein Teil der Schulung, die eine Person an ihrem ersten
Arbeitsplatz erhält, der Erstausbildung zuzurechnen ist, da das Schulsystem nicht alle
erforderlichen Kenntnisse darüber vermittelt, wie man theoretisches Wissen in einer
Arbeitsumgebung praktisch umsetzt.
160
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung

Für die Datensammlung ist Alter ein normalerweise leicht zu messender Wert und in den
meisten Fällen lassen sich daraus vergleichbare Zahlen zu den verschiedenen Ländern
entnehmen.
Betrachten wir uns nun, wie sich diese verschiedenen Definitionen auf die Zahl der Teilnehmer der
Erwachsenenbildung auswirken.
Datenquellen
Unsere Analyse stützt sich auf Daten aus zwei verschiedenen Quellen. Zur Ermittlung der Personen,
die die Erstausbildung beendet haben, verwenden wir Registerdaten. Anschließend verknüpfen wir
die Daten auf Mikroebene mit Daten aus der norwegischen Arbeitskräfteerhebung, um die Personen
zu ermitteln, die sich in der Weiterbildung befinden. Der Bezugszeitraum für die Daten der
Arbeitskräfteerhebung ist das zweite Quartal 1998. Die Stichprobe der Arbeitskräfteerhebung
umfaßt 24.000 Personen im Alter von 16-74 Jahren.
Die norwegische Arbeitskräfteerhebung enthält u. a. die Frage, ob die befragte Person in den letzten
4 Wochen an Aus-/Weiterbildung in irgendeiner Form teilgenommen hat. Z. Zt. enthält die erste
Frage einen Hinweis, durch den Aus-/Weiterbildung ("training") auf die Vermittlung von
Kenntnissen beschränkt wird, die für die jetzige oder eine künftige Tätigkeit der befragten Person
relevant sind. In der nächsten revidierten Fassung der Arbeitskräfteerhebung wird diese
Einschränkung in der ersten Frage entfallen. Abgesehen von diesem Hinweis hängt die Definition
von Aus-/Weiterbildung vom Verständnis der befragten Person ab. Nachfolgende Fragen können
jedoch dazu verwendet werden, die Definition einzuschränken (aber nicht, sie auszuweiten).
Statistics Norway verfügt über ein Register, das alle Personen enthält, die am 1. Oktober eines jeden
Jahres als Schüler oder Studierende eingeschrieben sind. Das Register deckt die gesamte formale
Bildung ab, sofern sie mehr als 300 Stunden umfaßt. In der Arbeitskräfteerhebung und im
Bildungsregister wird also nicht ganz derselbe Bezugspunkt verwendet. Künftig wird die
norwegische Arbeitskräfteerhebung in jedem Quartal Fragen zur Aus-/Weiterbildung enthalten, so
daß die Beobachtungszeiträume stärker überlappen. Auf Wunsch der OECD verwenden wir als
Höchstalter 64 Jahre und als Mindestalter 25 Jahre.
Ergebnisse und Erörterung
Zunächst betrachten wir die Personen, die die Erstausbildung beendet haben, unter Zugrundelegung
der drei oben genannten methodischen Varianten. Dabei ist hervorzuheben, daß dies nur die
"potentiellen" Teilnehmer der Erwachsenenbildung sind. Um als erwachsene Lernende zu gelten,
müssen sie sich tatsächlich in einer Aus-/Weiterbildung befinden. Variante a. (1 Jahr als
Untergrenze für Ausbildungsunterbrechungen) liefert die höchste Zahl an potentiellen Teilnehmern
der Erwachsenenbildung. Variante b. (mindestens 2jährige Unterbrechung) ergibt eine um 69.000
Personen oder 3 % geringere Zahl, und bei Variante c. (Mindestalter 30 Jahre) ist die Zahl um
235.000 Personen oder 11 % niedriger. Ein Vergleich der Varianten a. and b. zeigt, daß der
Unterschied bei den 25jährigen am größten ist (13,5 %) und danach mit zunehmendem Alter
abnimmt. Bei den Älteren ergeben sich erwartungsgemäß nur noch geringfügige Unterschiede
zwischen den drei Varianten. Tatsächlich hätten wir damit gerechnet, daß alle drei Varianten für
Personen über 35 oder 40 dieselben Zahlen liefern. Sich in diesem Alter ohne (mindestens ein- oder
zweijährige) Unterbrechung in der Ausbildung zu befinden scheint unsinnig. Diese Ergebnisse
lassen sich wahrscheinlich auf Mängel der Register oder Fehler unsererseits bei ihrer Verwendung
zurückführen.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
161
Tabelle 1 Bevölkerung nach Altersgruppen und Definition von 'Erstausbildung beendet',
1998, in 1000
Alter
Gesamt
25 Jahre
26 "
27 "
28 "
29 "
30 "
31 "
32 "
33 "
34 "
35-39 "
40-49 "
50-59 "
60-64 "
1jährige Unterbrechung
2jährige Unterbrechung
30jährige oder älter
Gesamt
Gesamt
Gesamt
In Prozent
der
Bevölkerung
In Prozent
der
Bevölkerung
2 223
96,0
2 154
92,6
49
55
59
61
65
66
65
66
66
66
312
606
520
177
76,5
81,6
86,4
89,6
91,2
93,0
94,4
95,2
95,7
96,0
96,8
98,0
99,3
99,9
40
46
51
55
60
61
62
63
63
63
303
594
515
177
63,0
69,0
75,3
80,1
84,3
87,0
89,4
90,8
91,9
92,7
93,4
96,0
98,5
99,7
In Prozent
der
Bevölkerung
1 988
85,5
71
69
70
69
68
322
618
523
178
:
:
:
:
:
100
100
100
100
100
100
100
100
100
Anschließend verknüpfen wir die Registerdaten über die Personen, die die Erstausbildung beendet
haben, mit der Stichprobe der Arbeitskräfteerhebung. Da die Personen in beiden Datenquellen
anhand der nationalen persönlichen Identifikationsnummer identifiziert werden, stellt die
Verknüpfung kein Problem dar. Wir beschränken unsere Untersuchung auf Arbeitnehmer.
Außerdem haben wir Bildung in "allgemeinen Fächern" ausgeschlossen. Dazu gehören die
Grundschulbildung und einige Unterrichtsfächer der Sekundarstufe. Für die Gruppe der Personen,
die einer Erwerbstätigkeit nachgehen, gehen wir von einer geringen Zahl an erwachsenen Lernenden
in diesem Bildungsbereich aus.
Der Arbeitskräfteerhebung zufolge ergeben sich für die drei Varianten keine großen Unterschiede in
der Zahl der erwachsenen Lernenden. Ihr Prozentanteil an der Gesamtzahl der Arbeitnehmer ist bei
den Varianten a. und b. gleich (9,4 %). Für die jüngste Altersgruppe ist der Prozentsatz bei Variante
a. etwas höher als bei Variante b. (8,5 gegenüber 8,2 %).
Ein im Vergleich zu den über 30jährigen geringerer Prozentsatz von Personen, die sich in einer
Aus-/Weiterbildung befinden, in den jüngeren Altersgruppen läßt sich damit erklären, daß ihre
schulische Ausbildung für die derzeitige Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt relevanter ist und ihr
theoretisches Wissen in einem bestimmten Bildungsfeld auf einem aktuelleren Stand ist als das von
älteren Personen. Andererseits braucht jeder zu Beginn einer neuen Tätigkeit eine gewisse
Schulung. Da junge Leute bei den Anfängern überrepräsentiert sind, wäre eigentlich zu erwarten,
daß ihr Anteil an den erwachsenen Lernenden höher ist. Dies ist wahrscheinlich der Grund dafür,
warum bei den Personen, die die Erstausbildung seit 1 Jahr unterbrochen haben, die Quote der
erwachsenen Lernenden höher ist als in der Gruppe mit einer zweijährigen Unterbrechung.
Bei Verwendung von Variante c. ist die Gesamtzahl der erwachsenen Lernenden niedriger als bei
den beiden anderen Varianten, da die unter 30jährigen hier ausgeschlossen sind. Aus demselben
162
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Grund ist die Quote der erwachsenen Lernenden in der Bevölkerungsgruppe der über 30jährigen
höher.
Tabelle 2 Beschäftigte, die in den letzten 4 Wochen Aus-/Weiterbildung erhalten haben, nach
Alter und Definition von 'Erstausbildung beendet', 2. Quartal 1998, in 1000
Alter
1jährige Unterbrechung
Gesamt
25-29 Jahre
30-39 "
40-59
60-64
"
"
210
24
69
109
7
2jährige Unterbrechung
202
21
66
107
7
30jährige oder älter
189
:
71
110
7
Tabelle 3 Beschäftigte, die in den letzten 4 Wochen Aus-/Weiterbildung erhalten haben, in
Prozent der Gesamtzahl potentieller Teilnehmer an der Erwachsenenbildung und
nach Alter und Definition von 'Erstausbildung beendet', 2. Quartal 1998.
Alter
1jährige Unterbrechung
Gesamt (25-64)
(30-64)
9,4
25-29 Jahre
30-39 "
40-59 "
60-64 "
8,5
10,8
9,6
4,0
2jährige Unterbrechung
30jährige oder älter
9,4
9,5
8,2
10,7
9,6
4,0
:
10,6
9,6
4,0
Schlußfolgerungen




Es mangelt an internationalen Empfehlungen für die Statistik der Erwachsenenbildung.
Die Einbeziehung von Personen unter 30 Jahren in die Definition der erwachsenen Lernenden
könnte in Frage gestellt werden. Sie führt zu zusätzlichen Meßproblemen und Kosten; außerdem
ist in dieser Gruppe der Aus-/Weiterbildungsbedarf bis zu einem gewissen Grad anders geartet.
Die Daten zur Aus-/Weiterbildung dieser Gruppe sollten getrennt vorgelegt werden.
Das schwierigste Meßproblem der Statistik der beruflichen Aus- und Weiterbildung ist die
Grenzziehung zwischen "informeller" Aus-/Weiterbildung am Arbeitsplatz und "Learning by
doing". Daher sollten Daten gesammelt werden, die zwischen diesen beiden Arten des Lernens
unterscheiden.
Für die Arbeitskräfteerhebung sollten robuste und maßgebliche Indikatoren zur
Erwachsenenbildung entwickelt werden. Eine umfassendere Datensammlung sollte in
getrennten Erhebungen durchgeführt werden.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
163
STATISTIK ÜBER FORT- UND WEITERBILDUNG IN NORWEGEN
K. Jonny Einarsen
Statistics Norway
Post Box 1260
N - 2201 Kongsvinger
[email protected]
1. EINLEITUNG
Wenn ein Unternehmen Waren oder Dienstleistungen produzieren soll, spielen vor allem drei
Faktoren für das Produktionsergebnis des Unternehmens eine Rolle. Dies sind die Technologie, die
Arbeitsabläufe und Verfahren, die das Unternehmen anwendet, sowie die Befähigung der
Mitarbeiter, sich der Technologie des Unternehmens zu bedienen und die Arbeitsabläufe
weiterzuentwickeln. In einer Welt, die immer stärker von einer globalisierten Informationswirtschaft
geprägt wird, werden Technologien, Arbeitsabläufe und Verfahren in den einzelnen Unternehmen
einander immer ähnlicher. Die Fähigkeit eines Unternehmens, Waren und Dienstleistungen in
immer größerem Umfang zu produzieren, hängt deshalb zunehmend von der Befähigung der
Mitarbeiter ab. Damit ein Unternehmen die Produktion, die Wettbewerbsfähigkeit oder die Qualität
der produzierten Dienstleistungen erhöhen kann, muß es deshalb die Befähigung der Mitarbeiter als
strategisches Instrumentarium betrachten (Berg, Bremer Neppen und Arup Seip 1999). Die
Erkenntnis, daß Fähigkeiten ein entscheidender Wettbewerbsvorteil sein können, hat die Arbeit der
Behörden an der Entwicklung eines organisierten Fort- und Weiterbildungssystems beschleunigt.
Reform des Systems zum Erwerb von Fähigkeiten
Um zur Verwirklichung der Vision vom lebenslangen Lernen beizutragen, wurde in Norwegen in
den neunziger Jahren mit Arbeiten zur Weiterentwicklung des Angebots an Fort- und
Weiterbildungsmaßnahmen begonnen. Mehrere wichtige Aspekte der Fort- und
Weiterbildungsreform (EVU) sind jedoch immer noch ungeklärt. Es scheint allerdings klar, daß die
Fort- und Weiterbildungsreform auf dem gesetzlich verankerten individuellen Recht auf die
Erlaubnis zur Ausbildung basieren muß, auf dem Recht auf weiterführende Bildung für alle
Erwachsenen, auf der Entwicklung von Systemen für den Befähigungsnachweis,auf neuen,
angepaßten Regeln für Beihilfen aus der staatlichen Darlehenskasse für Ausbildung und auf einer
Dreiparteienfinanzierung durch den Staat, den Arbeitgeber und den Arbeitnehmer (NOU 1997: Nr.
25)1. Außerdem muß die Fort- und Weiterbildungsreform bei den zentralen Lohntarifverhandlungen
zwischen den Sozialpartnern berücksichtigt werden.
Versuch einer Abgrenzung von Fort- und Weiterbildung
Es ist schwierig, eine klare und eindeutige Definition für Fort- und Weiterbildung zu geben. Man
könnte vielleicht Fort- und Weiterbildung definieren als „eine formelle Ausbildungsmaßnahme, mit
der eine Person eine bestimmte Anzahl von Jahren nach Abschluß ihrer ursprünglichen Ausbildung
beginnt.“ Dabei muß allerdings geklärt werden, was mit formeller Ausbildungsmaßnahme gemeint
ist, wie lange die Ausbildungsmaßnahme dauern muß, wie viele Jahre nach der ursprünglichen
Ausbildung vergangen sein müssen, damit die neue Maßnahme als Fort- und Weiterbildung gilt,
usw.
1
Die staatliche Darlehenskasse für Ausbildung ist eine öffentliche Bank, die Schülern und Studenten Stipendien und
Studiendarlehen zu günstigeren Bedingungen als private Banken anbieten. Studiendarlehen der staatlichen
Darlehenskasse sind beispielsweise während der Zeit des Studiums zinslos und müssen in dieser Zeit nicht
zurückgezahlt werden.
164
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Eine andere Möglichkeit, einer Definition von Fort- und Weiterbildung näherzukommen, kann die
Abgrenzung nach dem Alter sein. Fort- und Weiterbildung im Rahmen der weiterführenden Bildung
kann z. B. auf „Personen, die weiterführende Ausbildungsmaßnahmen absolvieren und 21 Jahre
oder älter sind“, beschränkt werden, während eine entsprechende Abgrenzung innerhalb der höheren
Bildung sein könnte: „Personen, die an höheren Bildungsmaßnahmen teilnehmen und 30 Jahre oder
älter sind.“
Die folgende zweiteilige Definition gibt indessen eine genauere Abgrenzung zwischen Fort- und
Weiterbildung. „Fortbildung bedeutet die Teilnahme an kürzeren Kursen, die nicht unbedingt zu
einer formellen Befähigung führen, sondern auf eine Erneuerung und Aktualisierung der
Erstausbildung abzielen. Weiterbildung bedeutet auf ein Examen ausgerichtete Studien, durch die
eine formelle Befähigung erworben wird, oft mit dem Ziel der Spezialisierung oder des Aufbaus auf
einer Grundausbildung (Statistisk sentralbyrå, Aktuell utdanningsstatistikk 6/1999).“
2. BEISPIELE FÜR DIE FORT- UND WEITERBILDUNGSSTATISTIK IN NORWEGEN
Es gibt in Norwegen Statistiken über folgende Hauptbereiche innerhalb der Fort- und
Weiterbildung:
1. Bewerber mit Praxiserfahrung, die als externe Prüflinge eine Fachprüfung im Rahmen der
weiterführenden Ausbildung machen.
2. Angebote der Arbeitsmarktbehörde im Rahmen der Ausbildung für den Arbeitsmarkt.
3. Spezifische Fort- und Weiterbildungskurse an Universitäten und Hochschulen.
4. Nach Alter gegliederte Individualstatistiken im Rahmen der weiterführenden und höheren
Bildung.
5. Arbeitsmarktstatistiken über die Teilnahme der Arbeitnehmer an Kursen.
6. Sonstige Statistiken über die Grauzone zwischen Fort- und Weiterbildung und
Erwachsenenbildung.
Bewerber mit Praxiserfahrung in der weiterführenden Ausbildung
Die Regelung für die sogenannten Bewerber mit Praxiserfahrung (auch externe Prüflinge genannt)
gibt erwachsenen Arbeitnehmern die Möglichkeit, sich nach fast vollständiger Ausbildung in einem
Betrieb zu einer Fach- oder Gesellenprüfung anzumelden. Voraussetzung für die Anmeldung zu
einer Fach- oder Gesellenprüfung ist, daß man über 21 Jahre alt ist, einen kurzen Theoriekurs
absolviert hat und nachweisen kann, daß man umfassende praktische Erfahrungen in einem
Fachgebiet während eines Zeitraums erworben hat, der die gesamte Lehrzeit in einem Fachgebiet
um 25 % übersteigt. 1998 wurden 20 300 Bewerber mit Praxiserfahrung registriert, die sich für eine
Fachprüfung angemeldet hatten. Das waren etwa 60 % aller Bewerber für eine Fachprüfung. Eine
klare Mehrheit derjenigen, die in Norwegen eine Fach- oder Gesellenprüfung ablegen, sind somit
erwachsene Arbeitnehmer, die fast ihre gesamte Fachausbildung in einem Betrieb erhalten haben.
Das SSB verfügt über Individalstatistiken über Bewerber mit Praxiserfahrung.
Angebot der Arbeitsmarktbehörde im Rahmen der Arbeitsmarktausbildung
Die Arbeitsmarktkurse (AMO-Kurse) der staatlichen Arbeitsmarktbehörde sind in Norwegen ein
wichtiges Fort- und Weiterbildungsangebot. Das Angebot an Arbeitsmarktkursen richtet sich an alle
als arbeitslos gemeldeten Personen. Ziel der Kurse ist es, die Arbeitsuchenden für normale Arbeiten
zu qualifizieren, das Mißverhältnis zwischen den Anforderungen des Arbeitslebens und den
Fähigkeiten der Arbeitsuchenden zu verringern und die Arbeitslosen dazu zu motivieren, ihr
Bildungsniveau zu erhöhen. Die Zahl der Teilnehmer an den AMO-Kursen hängt von der Zahl der
Arbeitslosen ab. Im Schuljahr 1997/1998 absolvierten fast 34 000 Teilnehmer einen AMO-Kurs,
davon mindestens 53 % Frauen. Das SSB verfügt über Individualstatistiken über Personen in
AMO-Kursen.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
165
Spezifische Fort- und Weiterbildungskurse an Universitäten und Hochschulen
1998 wurden mehr als 94 000 Teilnehmer an spezifischen Fort- und Weiterbildungskursen an
Universitäten und Hochschulen erfaßt. Davon nahmen reichlich 65 000 an kürzeren
Fortbildungskursen und 29 000 an weiterbildenden Studien teil. Die Quelle für diese Statistiken ist
der Norwegische gesellschaftswissenschaftliche Datendienst (NSD), der über summarische
Statistiken über Teilnehmer an spezifischen Fort- und Weiterbildungskursen an Universitäten und
Hochschulen verfügt.
Nach Alter untergliederte Individualstatistiken im Rahmen der weiterführenden und höheren
Bildung
Eine einfache Methode, um einen Hinweis auf den Umfang der Fort- und Weiterbildung zu geben,
ist die Aufgliederung der Individualstatistiken nach dem Alter. Da das gesetzlich verankerte Recht
der Schüler auf weiterführende Bildung innerhalb von vier bzw. fünf Jahren nach Abschluß der
Grundschule für Schüler und Lehrlinge wahrgenommen werden muß, ist 21 Jahre oder älter eine
geeignete Altersabgrenzung für Fort- und Weiterbildung im Rahmen der weiterführenden Bildung.
1998 waren fast 22 000 Schüler in weiterführenden Schulen und 11 000 Lehrlinge 21 Jahre oder
älter. Das entsprach 13 % der Gesamtzahl der Schüler und 34 % aller Lehrlinge.
Bei der höheren Bildung kann der Anteil der Studenten im Alter von 25 Jahren und darüber und im
Alter von 30 Jahren und darüber einen Hinweis auf den Umfang der Fort- und Weiterbildung geben.
1998 wurden insgesamt 184 000 Studenten im höheren Bildungssystem gezählt. Davon waren 50 %
25 Jahre und älter und 26 % 30 Jahre und älter. Die Quelle für diese Statistiken sind die nach Alter
untergliederten Individualstatistiken des SSB.
Das Individualstatistiksystem des SSB für die Ausbildungsstatistik
Der Kernbereich der Ausbildungsstatistik ist das Individualstatistiksystem. Dieses System beinhaltet
ausgehend von der Personenkennziffer persönliche Daten über alle Personen im weiterführenden
und höheren Bildungssystem. Dabei wird unterschieden zwischen noch „in der Ausbildung
befindlichen“ Personen und Personen, die eine Ausbildung „abgeschlossen haben“. Außerdem
enthalten die Individualstatistiken Angaben über das höchste abgeschlossene Ausbildungsniveau für
alle Personen über 16 Jahre in Norwegen.
Die Individualstatistik hat eindeutig einen höheren statistischen Wert als die Globalstatistik. Dies
liegt daran, daß die Individualstatistik über Ausbildung durch die Verwendung der
Personenkennziffer als Kopplungsschlüssel sehr viel mehr Analysemöglichkeiten bietet. Durch die
Verwendung der Personenkennziffer als Kopplungsschlüssel können wir beispielsweise den
Ausbildungsverlauf analysieren und die Ausbildung der einzelnen Personen mit Merkmalen wie
Einkommen, Beruf, sozialer Hintergrund, Bildungsniveau der Eltern, Wohnort,
Einwandererkategorie usw. usw. koppeln. Außerdem bietet die Individualstatistik über Ausbildung
weit bessere Möglichkeiten für kostenwirksame Systeme zur Sicherung der Qualität der Statistiken.
Die Qualität der Individualstatistik ist deshalb normalerweise eindeutig besser als die der
Globalstatistik.
166
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Arbeitsmarktstatistik über die Teilnahme der Arbeitnehmer an Kursen
In der Arbeitskräftestichprobenerhebung (AKU) des SSB wird jedes zweite Quartal die Frage nach
der Teilnahme der Arbeitnehmer an Kursen gestellt. 1998 nahmen im zweiten Quartal insgesamt
226 000 Arbeitnehmer im Laufe eines Zeitraums von vier Wochen an einem Kurs teil. Unter den
Arbeitnehmern, die an Kursen teilnahmen, waren Frauen mit höherer Bildung am stärksten
vertreten. Ungefähr 20 % der Frauen mit Universitäts- und Hochschulbildung nahmen an Kursen
teil. Die meisten Kurse dauerten weniger als eine Woche. Diese Statistik gibt einen Überblick über
den Umfang der Fort- und Weiterbildung im Arbeitsleben.
Sonstige Statistiken in der Grauzone zwischen Fort- und Weiterbildung und
Erwachsenenbildung
Die sonstigen Statistiken über Erwachsenenbildung können ebenfalls einen Überblick über den
Umfang der Fort- und Weiterbildung in Norwegen geben. Im Rahmen der Pflichtschule gibt es
Angebote für Pflichtschulbildung für Erwachsene. Da die Pflichtschule aber eben obligatorisch ist,
hat dieses Bildungsangebot nur einen sehr begrenzten Umfang. 1998 wurden nur knapp
1 900 Schüler in der Pflichtschulbildung für Erwachsene registriert. Das SSB verfügt über eine
globale Statistik über Pflichtschulbildung für Erwachsene.
Eine wichtige Form der Fort- und Weiterbildung ist der Norwegischunterricht mit
Staatsbürgerkunde für erwachsene Einwanderer, Asylbewerber und Flüchtlinge. 1998 waren
reichlich 17 300 Personen als Teilnehmer an dieser Form der Erwachsenenbildung registriert.
Quelle für diese globale Statistik ist das Kirchen-, Bildungs- und Forschungsministerium.
Die Volkshochschulen sind ein weiterer wichtiger Zweig der Erwachsenenbildung. Die
Volkshochschulen sind für jedermann frei zugängliche allgemeinbildende Schulen, die im Hinblick
auf Pensum oder Prüfungen keinerlei Anforderungen durch Institutionen oder Organe von außen
unterliegen. 1998 hatten die Volkshochschulen in Norwegen 13 500 Schüler. Fast 70 % davon
waren Frauen. Das SSB verfügt über Individualstatistiken über Volkshochschulen.
Die wohl flexibelste Form der Erwachsenenbildung und der Fort- und Weiterbildung wird von den
Fernlehrinstituten angeboten. Der Unterricht erfolgt über Internet, Videokonferenzen, Fernsehen,
Video, Telefon usw.. 1998 wurden fast 45 000 Personen erfaßt, die am Fernunterricht teilnahmen.
Das SSB verfügt über globale Statistiken über Fernunterricht.
Die sogenannten Studienverbände sind unabhängige Institutionen mit einem sehr umfassenden
Angebot im Rahmen der Erwachsenenbildung und der Fort- und Weiterbildung. Die
Studienverbände stützen sich ebenso wie die Volkshochschulen traditionell auf die
„Volksbildungsideologie“, und die meisten Kurse sind kurze Wochenkurse. 1998 nahmen
insgesamt 681 000 Personen an Kursen der Studienverbände teil. Das SSB hat globale Statistiken
über die Tätigkeit dieser Verbände zur Verfügung.
3. SCHWÄCHEN DER STATISTIK ÜBER FORT- UND WEITERBILDUNG
Die obigen Ausführungen zeigen, daß es eine verhältnismäßig umfassende Statistik über Fort- und
Weiterbildung in Norwegen gibt. Allerdings enthält die Statistik über die Fort- und Weiterbildung
mehrere deutliche Schwächen.
1. Noch viel Definitionsarbeit erforderlich
Das Gebiet der Fort- und Weiterbildung ist noch so neu, verschiedenartig und vielfältig, daß im
Bereich der Statistik noch eine ganze Menge Arbeit zur Begriffsklärung erforderlich ist. Zentrale
Begriffe wie z. B. Fort- und Weiterbildung oder „Realkompetenz“ sind nicht genau genug definiert.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
167
Außerdem sind die Begriffe nur in begrenzten Umfang in das System der Individualstatistik des
SSB einbezogen.
2. Fort- und Weiterbildung nur begrenzt in die Individualstatistik des SSB einbezogen
Eine der wichtigsten Einschränkungen der Individualstatistik über Ausbildung des SSB ist, daß sie
im wesentlichen nur Schüler und Studenten erfaßt, die mehr als 300 Stunden auf ihre Kurse oder
Studien verwenden. Viele Angebote im Rahmen der Fort- und Weiterbildung erstrecken sich jedoch
auf weniger als 300 Stunden. Sie werden deshalb oft in der Individualstatistik des SSB nicht erfaßt.
Es gibt indessen Möglichkeiten, kürzere Kurse in der Ausbildungsstatistik des SSB teilweise
getrennt auszuweisen, doch werden die kürzeren Kurse in der individuellen Ausbildungsstatistik des
SSB weit weniger systematisch erfaßt als die längeren Kurse. Da die Individualstatistik der Teil der
Ausbildungsstatistik ist, der die höchste Qualität hat und eindeutig am meisten genutzt wird,
bedeutet dies, daß die Statistik über die Fort- und Weiterbildung in den wichtigsten Teil der
norwegischen Ausbildungsstatistik nicht integriert ist.
3. Kaum Statistiken über betriebsinterne Fort- und Weiterbildung
Ein beachtlicher Teil der Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen erfolgt betriebsintern durch Kurse,
Seminare, Berufsausbildung usw. Mit Ausnahme einiger weniger Daten aus der
Arbeitskräfteerhebung (AKU) findet man jedoch kaum Statistiken über betriebsinterne Fort- und
Weiterbildung.
4. Kopplung zwischen Fort- und Weiterbildungsstatistik und Arbeitsmarktstatistik findet nur
begrenzt statt
Für die Fort- und Weiterbildung ist die Verbindung zwischen dem Ausbildungssystem und dem
Bedarf des Arbeitsmarkts besonders wichtig. Eine solche Kopplung findet jedoch in der amtlichen
Statistik Norwegens nur in sehr begrenztem Umfang statt.
5. Kein ganzheitlicher Ansatz für die Statistik
Die Fort- und Weiterbildungsstatistik ist ein stark fragmentiertes Gebiet der Statistik, das aus vielen
ungleichen Teilen aus verschiedenen Quellen besteht. Es gibt kaum einen ganzheitlichen Ansatz für
die Fort- und Weiterbildungsstatistik. Daher ist es schwierig, diesen Statistikbereich insgesamt in
den Griff zu bekommen.
4. WIE KANN DIE STATISTIK ÜBER DIE FORT- UND WEITERBILDUNG VERBESSERT WERDEN?
Es gibt in Norwegen eine recht umfassende Statistik über Fort- und Weiterbildung. Wir sind dem
Ziel auf kluge Weise Schritt für Schritt nähergekommen und haben bei der Entwicklung vieler
Statistiken große Fortschritte gemacht. Dennoch weist die Statistik mehrere deutliche Schwächen
auf, und zwar vor allem die, daß die Fort- und Weiterbildung kaum in die individuelle
Ausbildungsstatistik des SSB integriert ist, daß kaum eine Kopplung mit der Arbeitsmarktstatistik
besteht und daß es kaum Statistiken über betriebsinterne Fort- und Weiterbildung gibt. Gleichzeitig
sind die Arbeiten der Behörden an der Fort- und Weiterbildungsreform inzwischen so weit
gediehen, daß Bedarf an einem ganzheitlicheren Ansatz auf dem Gebiet der Statistik besteht, damit
eine zukunftsorientierte Statistik von hoher Qualität entwickelt werden kann. Das SSB muß deshalb
die Initiative für ein vom Kirchen-, Bildungs- und Forschungsministerium finanziertes Pilotprojekt
ergreifen, um zu untersuchen, wie wir eine bessere und ganzheitlichere Fort- und
Weiterbildungsstatistik erreichen können. Im Rahmen des Pilotprojekts sollte unter anderem
folgendes untersucht werden:
168
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
1. Bewertung des derzeitigen Stands und der Mängel der heutigen Fort- und
Weiterbildungsstatistik
2. Klärung der Frage, wie sich die Reform der Fort- und Weiterbildung auf den Bedarf der
Gesellschaft an Statistiken auswirken wird
3. Erarbeitung von Definitionen für die wichtigsten Begriffe der Fort- und Weiterbildung und
Abgrenzung dieses Bereichs der Statistik gegenüber der übrigen Statistik
4. Untersuchung der Frage, wie eine ganzheitlichere Fort- und Weiterbildungsstatistik
entwickelt werden kann
Dafür ist zu bewerten:
 Wie kann die Fort- und Weiterbildungsstatistik in die individuelle Ausbildungsstatistik des SSB
integriert werden?
 Welche Möglichkeiten gibt es für eine bessere Statistik über betriebsinterne Fort- und
Weiterbildung?
 Welche Möglichkeiten bestehen für eine bessere Kopplung zwischen der Statistik über Fort- und
Weiterbildung und der Arbeitsmarktstatistik?
 Wie kann die Kopplung zwischen nationalen und internationalen Statistiken über Fort- und
Weiterbildung verbessert werden?
 Welche Lösungen gibt es für Berichterstattung, Überarbeitung und Veröffentlichung?
5. Erarbeitung von Vorschlägen, wie die wichtigsten Nutzergruppen in die Weiterentwicklung
der Fort- und Weiterbildungsstatistik einbezogen werden können
6. Ausgehend von den Ergebnissen betreffend die obengenannten Punkte konkrete
Projektbeschreibung für ein Projekt zur Entwicklung einer ganzheitlicheren Fort- und
Weiterbildungsstatistik
Literaturverzeichnis
Berg, Lisbeth, Bremer Nebben, Eivor og Arup Seip, Åsmund (1999): Etter og videreutdanning i
statent, Fafo-rapport 268. Oslo: Fafo.
NOU (1997:25): Ny kompetanse. Grunnlaget for en helhetlig etter- og videreutdanningspolitikk,
Kirke-, utdannings- og forskningsdepartementet, Oslo: Akademika.
Statistisk sentralbyrå (1999):Voksenopplæring i Norge, Aktuell utdanningsstatistikk nr. 6/1999.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
169
VERÄNDERUNGEN DER ARBEITSMÄRKTE UND DEREN AUSWIRKUNG AUF DIE
BILDUNGS- UND AUSBILDUNGSSTATISTIK
Roger Fox
FAS (Foras Áiseanna Saothair)
Training and Employment Agency
PO Box 456
27-33 Upper Baggot Street
Dublin 4
Ireland
[email protected]
Einführung
Ich möchte in diesem Beitrag einige Gedanken bezüglich der Zukunft der Bildungs- und
Ausbildungsstatistik vorstellen. Diese Gedanken basieren auf einer Betrachtung des Funktionierens
von Arbeitsmärkten und dessen, wie sich dieses Funktionieren verändert hat und in Zukunft noch
verändern kann. In dem Beitrag geht es also um Veränderungen, die durch Veränderungen des
Arbeitsmarktes verursacht werden – und nicht um andere Veränderungen, die beispielsweise durch
Informations- und Kommunikationstechnologien vorangetrieben werden. Der Beitrag läßt auch die
Umfrageverdrossenheit und die Datenschutzbeschränkungen unbeachtet, obwohl diese für künftige
statistische Erhebungen und Analysen ebenfalls sehr wichtig sind.
Der Ausblick basiert auf über zwanzig Jahren Erfahrung in der Forschungsabteilung von FAS – der
staatlichen Behörde für Ausbildung und Beschäftigung in Irland. FAS ist eine Anstalt des
öffentlichen Rechts und für eine Reihe von Ausbildungs- und Arbeitsvermittlungen sowohl für
Arbeitnehmer als auch für Arbeitslose zuständig. Die Organisation kümmert sich um die erste
Berufsausbildung, einschließlich Lehre und Ausbildung für vorzeitige Schulabgänger, und um
Ausbildung für erwachsene Arbeitslose und Personen, die nach familiären Verpflichtungen ins
Berufsleben zurückkehren möchten. FAS fördert und unterstützt auch die Ausbildung durch
Unternehmen und für Arbeitnehmer. Die Forschungsabteilung trägt natürlich große Verantwortung
auf dem Gebiet der Ausbildungsstatistik zur Unterstützung der Arbeit von FAS. Die Abteilung ist in
der Tat Erzeuger und Nutzer von Ausbildungsstatistiken. Der Autor war auch an einer Reihe
internationaler statistischer Datenerhebungen beteiligt, die die Vermittlung der in diesem Beitrag
geäußerten Ansichten erleichtern.
Warum erstellt man Statistiken über Bildung und Ausbildung? Einige Gründe dafür sind die
Messung der Annäherung an ein Ziel, die Vergleichbarkeit mit anderen Ländern oder Bereichen, die
Untersuchung von Fragen des Zugangs von Zielgruppen, die Beurteilung der Angemessenheit im
Hinblick auf künftige Erfordernisse und die Messung von Kostenwirksamkeit und/oder
Kosteneffizienz. Um nützlich zu sein, müssen Statistiken über Bildung und Ausbildung in der Regel
entweder zeitlich oder mit anderen Statistiken vergleichbar sein. Bildungs- und
Ausbildungsstatistiken werden hauptsächlich von Gestaltern der öffentlichen Politik und von
Wissenschaftlern genutzt. Einzelpersonen, Arbeitslose und Arbeitgeber sind kaum daran
interessiert.
Die zunehmende Bedeutung von Humanressourcen für die wirtschaftliche Entwicklung
Es gibt eine Reihe von Veränderungen auf den Arbeitsmärkten, die sich auf die künftig benötigten
Arten der Bildungs- und Ausbildungsstatistik auswirken. Auf diese wird in den folgenden
Abschnitten nacheinander eingegangen. Am wichtigsten ist die wesentlich erhöhte Bedeutung von
Humanressourcen für die wirtschaftliche Entwicklung. Obwohl im Hinblick auf die
Informationsgesellschaft eine gewisse Gefahr der Übertreibung besteht, gilt die allgemeine
170
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Prämisse. Wirtschaftlicher Erfolg ist immer weniger von materiellen Ressourcen (sowohl Land als
auch Rohstoffen) abhängig, und Investitionsgüter können auf den Weltmärkten reichlich gekauft
werden. Daher basiert der Wettbewerb im wesentlichen auf der jeweiligen Qualität und dem Preis
der Humanressoucen. Die Folge davon ist, dass sich Regierungen zunehmend damit befassen, die
Leistungsfähigkeit der Humanressourcen ihres Landes mit anderen Ländern zu vergleichen und sie
immer dort verbessern, wo dies kosteneffektiv ist. Hierbei handelt es sich natürlich nicht um eine
völlig neue Entwicklung, aber mir scheint, dass der Bedarf an solchen internationalen Vergleichen
in den kommenden Jahren immer größer wird. Mit zunehmender Globalisierung müssen auch mehr
Länder in solche Vergleiche einbezogen werden. Eine Konzentration auf Vergleiche mit OECDoder EU-Ländern wird nicht ausreichen. Das Hauptproblem der Statistik auf diesem Gebiet besteht
in der Vergleichbarkeit. Auch in der Annahme, dass kein Land vorsätzlich versucht, Statistiken
verzerrt darzustellen (und dabei handelt es sich um eine sehr starke Vermutung), scheint eine echte
Vergleichbarkeit schwer erreichbar zu sein. Die (begrenzte) Erfahrung des Autors auf dem Gebiet
der internationalen Statistik zeigt, dass die Vergleichbarkeit von Bildungs- und
Ausbildungsstatistiken durch eine Vielzahl von Faktoren einschränkt wird. Ein offensichtliches
Beispiel dafür ist die unterschiedliche Definition des Begriffes „Ausbildung“ (training) und dessen
Abgrenzung vom Begriff „Bildung“ (education) zwischen EU-Ländern – und vielleicht Lauf der
Zeit sogar innerhalb jedes Landes. Ich bringe hier keinen neuen Punkt zur Sprache, aber wenn die
Gestalter der Politik dies für die Vergleichbarkeit fordern, dann werden durch ein Scheitern dieser
Bemühungen alle veröffentlichten Statistiken unbrauchbar. Es kann sogar behauptet werden, dass
sie mehr als unbrauchbar sind, weil sie irreführend sein können. Für dieses Problem scheint es keine
einfache Lösung zu geben. Internationale Organisationen müssen im Umgang mit Ländern, die
Statistiken für internationale Vergleiche liefern, eine strengere und stärker intervenierende Rolle
spielen.
Messen von Outputs statt Inputs
Der zweite Aspekt der Veränderung bezieht sich darauf, was gemessen werden soll. Gestalter der
öffentlichen Politik sind zunehmend an Fähigkeiten und Kenntnissen interessiert. Vergleiche
zwischen den Ländern bezüglich der Fähigkeit zur Entwicklung der Humanressourcen sind von
größtem Interesse. Bei einem Vergleich des Bildung- und Ausbildungsumfangs zwischen Ländern
handelt es sich um einen Vergleich von Inputs – relevant als Maß der Effizienz –, aber von
geringerem Interesse als ein Vergleich von Outputs. Somit kann beispielsweise der
Ausbildungsumfang in einem Land größer sein als in einem anderen, dennoch kann das zweite Land
eine besser qualifizierte Bevölkerung haben. Daraus läßt sich schlussfolgern, dass zunehmend
Maßstäbe für den Output von Bildung und Ausbildung erforderlich sind.1 Dies ist ein weiterer
Bereich, der über die Jahre zunehmend interessant geworden ist, besonders durch internationale
Vergleiche Fähigkeiten von Studenten in verschiedenen Bereichen, wie Sprachen,
Naturwissenschaft und Mathematik sowie der Lese- und Schreibfähigkeit von Erwachsenen. Auf
dem Gebiet der beruflichen Ausbildung ist es jedoch wegen der fehlenden Vergleichbarkeit der
beruflichen Qualifikationen nicht möglich, einfach die in den einzelnen Ländern erworbenen
Zertifikate zu zählen. Dennoch ist das kontrollierte Prüfen von Outputs wahrscheinlich ein Bereich
erhöhter Aktivitäten und meiner Meinung nach einer, an dem sich offizielle Statistikinstitutionen
beteiligen werden.
1
Es ist bekannt, dass die Fähigkeiten von Individuen von deren jeweiligem Umfeld abhängen. Somit ist selbst die
Messung von Outputs eine Vereinfachung der Realität.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
171
Allgemeine Fertigkeiten
Der nächste Bereich der Veränderung bezieht sich auf die Bedeutung von nichtformalen
Qualifikationen und Fertigkeiten. Für solche Fertigkeiten gibt es eine Reihe von Bezeichnungen:
„allgemeine Fertigkeiten“ (life skills) , „typische Fertigkeiten“ (generic skills) usw. Der
Arbeitsmarkt legt sehr viel Wert auf solche Fertigkeiten, und besonders Arbeitgeber versuchen,
Personen mit solchen Fertigkeiten einzustellen .
Es gibt die Hypothese, dass flexiblere Arbeitsmärkte den Arbeitgebern das „Hire-and-Fire“-Prinzip
erleichtern und ihnen somit eine Einstellung auf Probe ermöglichen. Wenn das wahr wäre, dann
wären Arbeitgeber weniger an den Zertifikaten von potentiellen neuen Mitarbeitern interessiert. In
der Praxis gibt es jedoch kaum Unterstützung für diese Hypothese. Die zunehmende Bedeutung der
Komponente der Humanressourcen für die Wertschöpfung führt vielmehr in die entgegengesetzte
Richtung. Da integrierte Produktionsprozesse auf die Kooperation angewiesen sind, ist es äußerst
wichtig, dass Arbeitgeber keine schlechten Leistungserbringer einstellen. Im Servicebereich sind
Fertigkeiten im Umgang mit Kunden gleichermaßen wichtig. Große Arbeitgeber befassen sich
zunehmend mit einer Reihe von Verfahren zur Beurteilung von sozialen/zwischenmenschlichen
Fähigkeiten bei neuen Mitarbeitern auf allen Ebenen (wohingegen diese in der Vergangenheit auf
Führungskräfte beschränkt waren).
Dies bedeutet für die Politik, dass Anbieter von Bildung und Ausbildung Mittel und Wege zur
Messung und Zertifizierung dieser „soft skills” finden müssen. Wenn ihnen das gelingt, dann
können Statistiker solche Zertifikate zählen und damit die Gestalter der Politik bei der Beurteilung
unterstützen, ob die nationalen Ergebnisse auf diesen Gebieten ausreichen oder nicht.
Nichtformale Wege des Lernens
Der nächste Faktor der Veränderung bezieht sich auf die Wege, wie das Lernen erfolgt. Die
Bedeutung nichtformaler Wege des Lernens wird zunehmend anerkannt. Zwei davon verdienen
besondere Beachtung: arbeitsbegleitendes, auf Erfahrung basierendes Lernen und selbständiges,
offenes Lernen. Ersteres ist natürlich nicht neu, doch die Gestalter von Bildungs- und
Ausbildungspolitik sind sich der Bedeutung von Berufserfahrung (und zwar außerhalb der Arbeit)
im Bereich der Entwicklung der Humanressourcen zunehmend bewusst. Der obengenannte Punkt
bezüglich der Bedeutung von „sozialen Fertigkeiten“ (social skills) verstärkt diese Entwicklung, da
viele Kommentatoren glauben, dass sich solche Fähigkeiten hauptsächlich außerhalb des
Unterrichtsraumes entwickeln. Auch Arbeitgeber planen ihre Organisationen gewissenhafter, um
den Arbeitnehmern mehr Entwicklungsmöglichkeiten innerhalb ihres Arbeitsumfeldes zu geben.
Dazu gehören Qualitätszirkel, Arbeitsplatzrotation (job rotation), Mentorentätigkeit und „work
shadowing“. Das Problem der Bildungs- und Ausbildungsstatistik besteht darin, dass es nicht sehr
sinnvoll ist, das Ausmaß dieser Tätigkeiten hinsichtlich der Zahl der beteiligten Personen oder
ähnlicher auf der Tätigkeit basierender Größen zu messen. Vielmehr sind auf den Output basierende
Messungen interessant, und das führt zu den oben angesprochenen Problemen bei der Messung von
„soft skills“. Ähnliche Probleme ergeben sich beim offenen Lernen, bei dem Messungen der Inputs
nicht sehr sinnvoll sind. Selbst wenn man Informationen über die Zahl der Personen, die das offene
Lernen praktizieren, und die entsprechende Dauer gesammelt hat, wäre das Ausmaß des jeweiligen
Lernfortschritts nur schwer zu bestimmen. Glücklicherweise handelt es sich beim offenen Lernen in
den meisten Fällen um formale, die Bildung oder den Beruf betreffende Kenntnisse oder
Fertigkeiten, die bei Erreichen bestätigt werden können. Somit ist es zum Beispiel ziemlich einfach,
die Anzahl der ausgestellten europäischen Computerführerscheine zu zählen.
172
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Veränderung der Berufe und Mischfertigkeiten
Eine weitere bedeutende Entwicklung auf den Arbeitsmärkten ist das „Verwischen” der Grenzen
zwischen früher deutlich abgegrenzten Berufen. In den traditionellen Handwerksberufen geht der
Trend zur Generalisierung, und es entstehen neue Mischberufe. Das stellt in erster Linie ein
Problem für die Gestaltung von Ausbildungsprogrammen dar. Die Ausbilder erhöhen daraufhin
mittels Modularisierung die Flexibilität und Vielfalt, während sich die Sozialpartner bei den
Lohnverhandlungen mit geringerer Konformität der Berufe abfinden müssen.
Das Problem für Statistiker besteht darin, wie mit den traditionellen Klassifikations-systemen für
Berufe verfahren werden soll. Sollte eine Reihe von Mischformen von Berufen definiert und zur
Klassifizierung von Personen benutzt werden, oder sollten die Personen nach dem dominierenden
Beruf klassifiziert werden? Bei einem Blick auf den irischen Arbeitsmarkt findet man zum Beispiel
im Hotelfach Ausbildungskurse (und Jobs) für Kellner, für Empfangspersonal sowie für
Kellner/Empfangspersonal. Einige Kellner sind auch ausgebildete Barkeeper, andere sind das nicht,
und es gibt natürlich auch Barkeeper, die keine Qualifikation als Kellner besitzen. Mir scheint eine
bloße Nennung der dominanten Funktion irreführend zu sein. Systeme sollten möglichst alle
Fertigkeitsgruppen, Qualifikationen und Arbeitsaufgaben, die sich auf Einzelpersonen beziehen,
beinhalten. Glücklicherweise stellt das für gespeicherte Daten in einer Computerdatenbank kein
wirkliches Problem dar, da in der Datenbank nach jedem gewünschten Kriterium gesucht werden
kann. Eine solche Vorgehensweise ist jedoch für druckschriftliche Veröffentlichungen unbrauchbar.
Sie ist ebenso unbrauchbar für Umfragen auf Arbeitgeberebene. Einzelpersonen können jedoch
relativ leicht angeben, welche Fertigkeiten, Qualifikationen und Arbeitsaufgaben sie praktizieren.
Internationale Mobilität von Arbeitskräften
Wie alle Märkte werden auch Arbeitsmärkte internationaler. Das spiegelt sich in einer größeren
Mobilität des Einzelnen wider. Innerhalb der EU ist diese Mobilität natürlich ein Grundrecht. In
Zukunft wird es voraussichtlich beträchtliche Einwanderungs-ströme von weniger entwickelten
Ländern in die EU geben. Zumindest bei einigen EU-Ländern wird sich darin zum Teil der erhöhte
Eigenbedarf an Arbeitskräften zum Ausgleich des Geburtenrückganges der letzten Jahrzehnte
widerspiegeln. Es wird auch den Wunsch von Personen aus ärmeren Ländern nach einer
Verbesserung ihres Lebensstandards und ihre verbesserten Einreisemöglichkeiten in die EU und
nach Nordamerika widerspiegeln. Im Zusammenhang mit der Bildungs- und Ausbildungsstatistik
werden wahrscheinlich Probleme in der Messung der Ströme von Personen mit anerkannten
Qualifikationen, in der Identifizierung und Prognose von Arbeitsmarktlücken, die mit qualifizierten
Einwanderern gefüllt werden könnten, und in der Messung des Ausmaßes des „Brain-Drain“
zwischen den Ländern bestehen.
Die Erfahrung Irlands kann in diesem Zusammenhang von Interesse sein. Die Veränderung des
Arbeitsmarktes in Irland hat in den letzten Jahren zu einer Nettoeinwanderung geführt.
Zukunftsprognosen signalisieren für den Rest dieses Jahrzehnts auf einen fortwährenden
Arbeitskräftemangel, der zum Teil durch Einwanderer ausgeglichen werden muss. Neben dem
allgemeinen Arbeitskräftemangel leidet das Land besonders unter Facharbeitermangel. Die
Expertengruppe, die sich mit dem künftigen Bedarf am Fertigkeiten befaßt (Expert Group on Future
Skill Needs), hat die Aufgabe übernommen, den prognostizierten Facharbeiterbedarf in bestimmten
Berufen/Bereichen mit dem geplanten Bildungs- und Ausbildungsangebot zu vergleichen. Diese Art
der Analyse wurde in bezug auf IT-Spezialisten, das Baugewerbe und die Biowissenschaften
durchgeführt.2 Obwohl die Verwendung von Bildungs- und Ausbildungsstatistiken zur Vorhersage
von Lücken nichts Neues ist, ist ihr Einsatz zur Beeinflussung der Einwanderungspolitik in Irland
neu. Ein neuer ressortübergreifender Regierungsausschuss für Einwanderung verwendete solche
2
Zweiter Bericht der Expert Group on Future Skill Needs, FAS/Forfas, Dublin, 2000.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
173
Analysen sogar, um Empfehlungen für eine auf Fertigkeiten basierende Einwanderungspolitik
auszusprechen. Der Ausschuss beantragte auch die Durchführung weiterer Analysen für andere
Berufe/Bereiche seitens der Expert Group on Future Skill Needs.
Für Statistiker wirft dies hauptsächlich Probleme bei dem Versuch auf, die unzähligen Ströme
innerhalb des Arbeitsmarktes zu dokumentieren und hochzurechnen. Der Arbeitsplatzwechsel
(Fluktuation) ist in der Regel der häufigste Grund für den Bedarf an neuen Mitarbeitern, jedoch sehr
schwierig zu prognostizieren. In der Tat gibt es in Irland und in vielen Ländern wenig Daten über
Abwanderungsströme. Darin spiegelt sich der Mangel an Längsschnittreihen zu Einzelpersonen
wider, der auf die fehlende Verknüpfung von Daten aus Sondererhebungen oder
Arbeitskräfteerhebungen über einen langen Zeitraum zurückzuführen ist. Dank der
Leistungsfähigkeit moderner Computer sollte das allerdings nicht länger ein praktisches Problem
darstellen, und wir sollten in der Lage sein, die Veränderungen hinsichtlich der Beschäftigung und
der beruflichen Stellung von Einzelpersonen lebenslang zu verfolgen. Außerdem stehen weitere
Statistiken auf Basis von Paneldaten zur Verfügung, aus denen Angaben über die
Arbeitskräftefluktuation entnommen werden können.
Bewertung von Arbeitsmarktprogrammen
Diese Entwicklungen bieten auch viel bessere Möglichkeiten für die Bewertung von Bildungs- und
Ausbildungsprogrammen. Obwohl solche Studien bereits seit vielen Jahren durchgeführt werden,
besteht in vielen Ländern ein erhöhter Bedarf an Bewertungen und Kostenwirksamkeitsanalysen
von staatlich getragenen Bildungs- und Ausbildungsprogrammen. Dies spiegelt den sich
entwickelnden Ethos der Reformierung von öffentlichen Bereichen und der zielgesteuerten
Unternehmensführung wider. Die meisten Beurteilungen von Bildung und Ausbildung beruhen
entweder auf ausgedehnten, produktionsfunktionellen Methoden unter Anwendung von
Bildungsniveaus oder auf kurzfristigen (bis zu 2 Jahre) Informationen über Beschäftigungsergebnis
nach der Ausbildung. Längerfristige Daten aus statistischen oder Arbeitsmarkterhebungen könnten
umfassendere, detailliertere und längerfristige Bewertungen mit entsprechenden Vorteilen für die
Gestaltung der Politik ermöglichen.
Schlussfolgerung
In diesem Bericht habe ich sechs Entwicklungen auf den Arbeitsmärkten beschrieben, die sich auf
die für Forschung und Politikgestaltung notwendigen Arten der Bildungs- und Ausbildungsstatistik
auswirken. Die kurze Erörterung jeder dieser Entwicklungen zeigt die beträchtliche Lücke zwischen
den vorhandenen und den idealerweise benötigten Statistiken. Einige dieser Lücken spiegeln die
Natur des Untersuchungsgegenstandes wider und werden niemals vollständig geschlossen werden.
In einigen Fällen muss der erste Schritt zur Schließung dieser Lücken in Form von besser
geeigneten Beurteilungskriterien auch von den Bildungs- und Ausbildungssystemen ausgehen. Doch
auch die Statistiker müssen eine umfassende Kooperation auf internationaler Ebene sichern. Sie
müssen auch moderne Datenverarbeitungsverfahren einsetzen, um eine stärker mehrdimensionale
Sammlungen und Meldung von Daten zu ermöglichen. Wie ich am Anfang dieses Berichtes
bemerkte, sind nichtvergleichbare Statistiken wenig wert. Darin liegt in erster Linie die
Herausforderung für Statistiker in den kommenden Jahren.
174
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
SCHNITTSTELLEN ZWISCHEN BILDUNG UND BESCHÄFTIGUNG.
KOMPETENZEN1 UND IHRE STATISTISCHE ERFASSUNG
Jordi Planas & Guillem Sala2
ICE-GRET
Edifici Rectorat
Universitat Autonoma de Barcelona
E - 08193 BELLATERRA (Barcelona)
[email protected]
Der Beitrag basiert auf zwei Forschungsprojekten, an denen die Verfasser mitgearbeitet haben.
Dabei handelt es sich um
 ein Projekt mit der Bezeichnung Education Expansion and Labour Market (EDEX)3 im Rahmen
der Sozioökonomischen Schwerpunktforschung (TSER);
 und um einen Bericht Marché de la compétence et dynamiques d'ajustement im Rahmen des 2.
CEDEFOP-Berichts über die Europäische Forschung auf dem Gebiet der Berufsbildung4.
Die Überlegungen sind noch nicht abgeschlossen, die Ergebnisse also nicht als endgültig zu
betrachten. In dem Beitrag geht es um die verschiedenen Methoden, wie Kompetenzen erworben
und anerkannt werden. Erwerb und Anerkennung von Kompetenzen bilden eine mehr oder weniger
formalisierte Schnittstelle zwischen den Produkten des Bildungssystems und den Unternehmen.
Unter diesem Aspekt befaßt sich unser Beitrag weder mit der genauen Definition der Inhalte der auf
unseren Arbeitsmärkten geforderten Kompetenzen noch - logischerweise - mit ihrer Erfassung,
ausgedrückt als produktive Leistung, was in anderen Arbeiten versucht wurde (OECD, 1996).
Unsere Überlegungen betreffen die Institutionalisierungsprozesse bestimmter Phänomene, die dazu
geführt haben, daß nicht nur Zeugnisse als Nachweis der Fähigkeiten von Arbeitskräfte anerkannt
werden. Dabei gehen wir von der Hypothese aus, daß sich auf unseren Arbeitsmärkten mehr oder
weniger allgemeine Strukturen entwickeln, die Bildungs- und Produktionssysteme verbinden.
Die Untersuchung dieser Strukturen wird durch statistische Informationssysteme beeinträchtigt, die
wiederum von den großen politischen Tätigkeitsbereichen (Bildung, Beschäftigung usw.) bestimmt
und begrenzt werden. Andererseits ergibt sich bei der Untersuchung der Prozesse, wie
Kompetenzen erworben und anerkannt werden, durch die Anwendung wissenschaftlicher Kriterien
ein multidimensionaler Ansatz. Analysiert man die sozialen Veränderungen, wird deutlich, daß auch
das verfügbare Datenmaterial einer Weiterentwicklung bedarf.
1. Vom Markt der Qualifikationen zum Markt der Kompetenzen
1
Kompetenzen: Im französischen Original wird der Begriff Compétences verwendet. Dieser Begriff läßt sich mit
Kompetenz oder (Sach-)Kenntnis übersetzen. Diese Dichotomie führt zu einigen ungelösten konzeptionellen
Problemen, die in diesem Beitrag nicht behandelt werden. Sie sollten allerdings vor einer statistischen Analyse des
„Marktes der Kompetenzen“ geklärt werden
2
Research workers at GRET (Grup de Recerca sobre Educació i Treball - Institut de Ciències de l'Educació, de la
Universitat Autònoma de Barcelona) and members of the EDEX network (Education Expansion and Labour
Market).
3
http://edex.univ-tlse1.fr/edex/
4
Bisher liegt dieser Bericht nur auf Fanzösisch vor (Marché de la compétence: dynamique et régulation - siehe
Bibliographie); CEDEFOP wird in diesem Jahr (2000) eine englische Fassung veröffentlichen.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
175
In den europäischen Ländern sind tiefgreifende Veränderungen in den Beziehungen zwischen den
Kompetenzen des einzelnen Menschen, ihren Merkmalen und ihrem Platz in den
Beschäftigungssystemen festzustellen.
Was die Hervorbringung von Fähigkeiten betrifft, so ist zunächst einmal eine starke Tendenz zu
mehr Bildung und Ausbildung festzustellen, einerseits aufgrund der Generalisierung, wenn nicht
sogar Universalisierung der Bildung, andererseits aufgrund der verlängerten Schulzeit und der damit
verbundenen höheren Bildungsabschlüsse.
Wie wirkt sich das höhere Bildungsniveau auf die Fähigkeiten des Einzelnen aus? Das immer
allgemeiner werdende Schulabschlußzeugnis ist so etwas wie ein universelles
Klassifizierungssystem: es verteilt die Schulabgänger aufeinanderfolgender Jahre in ein
hierarchisches Raster. Das Zeugnis wird damit in zunehmenden Maße zu einem Filter, anders
ausgedrückt, es erweist sich immer häufiger, daß ein akademischer Abschluß für den Zugang zum
Arbeitsmarkt und den beruflichen Aufstieg nicht ausreicht.
Andererseits ist es aber so, daß mit zunehmender Filterwirkung der Zeugnisse ihre Merkmale auf
dem Arbeitsmarkt gleichzeitig an Bedeutung verlieren. Schulabschlußzeugnisse stehen nicht mehr
für einen so rigorosen Auswahlprozeß wie früher, weil ein sehr viel größerer und heterogenerer
Personenkreis ein Zeugnis erwerben kann. Akademische Abschlüsse sind immer weniger ein Garant
dafür, daß ihre Inhaber - relativ gesehen - über ausgezeichnete Fähigkeiten verfügen. Da Angehörige
aller Gesellschaftsschichten Zugang zu akademischen Bildungsabschlüssen haben, werden die
Merkmale aufgrund des unterschiedlichen kulturellen und sozialen Hintergrunds immer
heterogener, wodurch die Bedeutung dieser Bildungsabschlüsse für den Arbeitsmarkt nicht mehr
eindeutig ist.
Zu der Vielzahl der Ausgangssituationen kommt eine zunehmende Diversifizierung der
Ausbildungsgänge. Die Zeugnisse bescheinigen den Abschluß von Ausbildungsgängen, die immer
heterogener werden, d. h. es gibt eine Vielzahl von Ausbildungswegen, eine interne
Diversifizierung. Es gibt immer mehr Wege, einen bestimmten Bildungsabschluß zu erreichen,
wobei es jedoch auf die jeweilige Bildungseinrichtung ankommt. Als Beispiel sei der Ruf der
Universität beim Erwerb eines Abschlusses (graduate) in den Vereinigten Staaten und - immer
häufiger - auch im Vereinigten Königreich genannt (Buechtemann; Verdier, 1998; Kivinen; Ahola,
1999). Ohne zusätzliche Informationen (in unserem Beispiel graduate ohne Nennung der
Universität, an der der Abschluß erworben wurde) spiegelt das Diplom an sich die entsprechende
akademische Leistung und folglich die traditionnel mit dem schulischen Erfolg verbundenen
Merkmale nicht so genau wider wie früher.
Auf der anderen Seite erfordern die Veränderungen in den Beschäftigungsstrukturen, die neuen
Formen der Arbeitsorganisation und des Arbeitsmarktes sowie das Outsourcing produktiver
Tätigkeiten ihrerseits einen neuen Ansatz für die Ermittlung und Anerkennung der Kompetenzen
der einzelnen Menschen.
Aufgrund der zunehmenden Komplexität der von der Wirtschaft geforderten Kompetenzen ist es
erforderlich, detailliertere Mechanismen zur Ermittlung und Bewertung dieser Kompetenzen
einzuführen. Die traditionnelle Methode zur Beschreibung der Leistungsfähigkeit, die sich unter
dem gemeinsamen und standardisierten Begriff der Qualifikation zusammenfassen läßt, ist in Frage
gestellt worden (Marsden, 1994; Lichtenberger, 1999). An ihre Stelle tritt bei der Klassifizierung
176
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
der Beziehungen auf dem Arbeitsmarkt ein personenbezogener und auf tatsächliche
Arbeitssituationen zugeschnittener Begriff - die Kompetenz .
Der Begriff „Kompetenz“ wird jedoch auf unseren Arbeitsmärkten schon seit langem verwendet. Im
Zusammenhang mit der Institutionaliserung der Qualifikationen ist man sich dieses Begriffs immer
bewußt gewesen. In den letzten Jahren hat die auf persönlichen Beziehungen basierende
Anerkennung von Kompetenzen aber aufgrund des fortschreitenden Verfalls der internen
Arbeitsmärkte an Bedeutung verloren. Traditionell waren persönliche und langjährige Beziehungen
zu den Arbeitnehmern in gewisser Weise ausschlaggebend für berufliche Karrieren und eine
effektive Arbeitsplatzverteilung.
Der Verfall der internen Märkte hat dazu geführt, daß weniger Informationen über das
Arbeitsangebot vorhanden sind. Daraus ergibt sich wiederum der Wunsch, die Methoden zur
Anerkennung beruflicher Kompetenzen zu institutionalisieren. Auf die Schnittstellen zwischen
Bildungssystem und Unternehmen wirken also Anerkennungsmechnismen ein, die mehr oder
weniger formell bzw. institutionalisert sind, die aber darauf abzielen, die Fähigkeiten des Einzelnen
zu beschreiben.
2.
Schnittstellen: Zwischen Institutionalisierung und informellem Charakter
Wenn wir davon ausgehen, daß die Kompetenz immer häufiger die Grundlage für den Austausch
auf dem Arbeitsmarkt bildet, so müssen neue Systeme mit standardisierten Merkmalen entwickelt
werden, die die auf Zeugnissen basierenden Systeme ersetzen. Diese Systeme stehen in engem
Zusammenhang mit den Regeln, die unsere Arbeitsmärkte regulieren, die ihrerseits ebenfalls im
Umbruch sind. Wie sehen diese Regeln aus? Welche Rolle spielen die gesellschaftlichen Akteure
und der Staat bei ihrer Entwicklung? Wer zieht Nutzen daraus?
In der Geschichte der europäischen Arbeitsmärkte haben sich verschiedene Segmente
herausgebildet, die mit ungleichen Arbeitsbedingungen und von der Gesellschaft geschaffenen
industriellen Normen zusammenhängen Diese Prozesse haben in den einzelnen Ländern bei der
Verknüpfung der Produkte der Bildungssysteme (Personen mit einem Abschlußzeugnis) und den
Kategorien der Beschäftigungsstruktur (Arbeitsplätze) in sozialer und institutionneller Hinsicht zu
unterschiedlichen Ergebnissen geführt.
Die Entwicklung von neuen Merkmalsssystemen hängt unweigerlich mit sozialen Konventionen
zusammen. Die Standardisierung der Merkmale muß sich in den einzelnen Ländern in spezifische
soziale Kontexte einfügen, in denen der Begriff der Kompetenz selbst sehr unterschiedlich definiert
ist (Merle, 1997). Will man ein operationnelles System standardisierter Merkmale auf europäischer
Ebene festlegen, so sind umfassende konzertierte Verhandlungen erforderlich, die auf einer
Harmonisierung der Regeln in den Mitgliedstaaten basieren, was kurzfristig nicht vorstellbar ist.
Die Untersuchung der Schnittstellen zwischen Bildungssystem und Unternehmen führt zu zwei
grundsätzlichen Fragen: Wo werden Kenntnisse und Kompetenzen erworben, für die kein Zeugnis
ausgestellt wird? Über welche Methoden verfügen die Arbeitgeber, um diese Kompetenzen zu
ermitteln oder anzuerkennen?
Im Rahmen der Diskussionen um das Projekt EDEX (Teil der Sozioökonomischen
Schwerpunktforschung) unterscheidet J.F. Germe zwei Modelle, die die Beziehungen zwischen
Bildungs- und Produktivsystem wiedergeben. Wir nennen sie hier Modell A und Modell B.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
177
In Modell A gibt es eine direkte Beziehung zwischen dem Output (Schulabgänger) des
Bildungssystems, geordnet nach Niveau und Ausrichtung der Abschlußzeugnisse, und den von den
Unternehmen angebotenen Arbeitsplätzen. In einem solchen Modell führt die Anhebung des
Bildungsniveaus zu einer - zumindest temporären - Diskrepanz zwischen dem schnelleren Erwerb
von Qualifikationen, insbesondere auf mittlerem und höherem Niveau, und der viel langsameren
Schaffung von Arbeitsplätzen, die - gemäß der Tradition unserer Arbeitsmärkte - diese
Ausbildungsniveaus erfordern. Modell A ist in den Ländern zu finden, in denen die Erstausbildung
im wesentlichen auf einem Schulsystem basiert, das berufsbildende Zweige einbezieht oder ganz
integriert, wie z. B. in Frankreich, Spanien und Italien.
Im Gegensatz dazu stellt Modell B eine explizite Schnittstelle zwischen den Produkten des
Bildungssystems und dem Zugang zum Arbeitsmarkt bereit. Diese nicht akademische Schnittstelle
erfüllt drei Funktionen:



Genaue Beschreibung der vorhandenen Kompetenzen der Bewerber im Vergleich zu den
Merkmalen, die vom Bildungssystem hervorgebracht werden, indem diese durch geeignetere
oder zumindest für die Arbeitgeber besser lesbare Begriffe erklärt und ergänzt werden;
Dämpfen und/oder Differenzieren der Erwartungen derjenigen, die eine berufliche
Eingliederung anstreben im Vergleich zu Schulabgängern, die das gleiche Bildungsniveau
aufweisen;
Abraten von einer Fortsetzung des Studiums. In Deutschland und in Großbritannien ist die
Studentenquote deutlich niedriger als in den romanischen Ländern.
Modell B ist typisch für Deutschland und Großbritannien. In Großbritannien besteht diese
Schnittstelle aus einer Vielzahl von Bildungsmöglichkeiten und -einrichtungen, in Deutschland im
wesentlichen aus dem dualen System mit seiner zunehmenden internen Differenzierung.
Wir sind der Ansicht, daß sich in allen Ländern Schnittstellen wie Modell B entwickeln werden,
wobei es sehr unterschiedliche Modalitäten und Stufen der Institutionalisierung geben wird, so wie
es auch in den Ländern, in denen Modell B bereits angewandt wird, der Fall ist. Anders gesagt: alle
europäischen Länder nähern sich schrittweise dem Modell B, als logische Folge der Notwendigkeit,
Mechanismen zu entwickeln, die die drei genannten Funktionen erfüllen.
Diese Schnittstellen werden gebildet aus
a) den „neuen“ ( ?) Methoden zum Erwerb von Kompetenzen außerhalb des Schulsystems;
b) den „neuen“ ( ? ) Methoden zur Ermittlung und Anerkennung von Kompetenzen.
Will man die verschiedenen Schnittstellen näher bestimmen, müssen die Felder der Tabelle
ausgefüllt werden, in denen die Bestandteile der Schnittstellen (Methoden zum Erwerb und der
Erfassung von Kompetenzen) ihren formellen oder informellen Eigenschaften gegenübergestellt
werden. Der formelle oder informelle Charakter der Ausbildungsmodalitäten hängt davon ab, ob die
Absicht besteht, explizit und in organisierter Form auszubilden. Hinsichtlich der Methoden zur
Anerkennung der Kompetenzen besteht die Formalisierung darin, daß die Kompetenzen in
irgendeiner, auch für Außenstehende nachvollziehbaren Form bescheinigt werden müssen.
Es handelt sich zweifellos um ein vereinfachendes Schema; es geht hier aber primär darum, das
Gesamtschema (die grundlegenden Merkmale der Schnittstellen) zu definieren, wobei die große
Vielfalt, aus denen es sich zusammensetzt, vorläufig außer acht gelassen werden sollte.
Tabelle 1. Bestandteile der Schnittstellen zwischen Bildungssystem und Unternehmen
Formell
Informell
178
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Methoden zum Erwerb von
Kompetenzen
Methoden zur Ermittlung der
Kompetenzen
A
B
C
D
A) Formelle (nicht schulische) Methoden zum Erwerb von Kompetenzen :
Unter diese Rubrik fallen :
 Die große Differenzierung bei Schülern. die einer gleichen Klassengruppe in der expliziten
Erstausbildung angehören; Schülern und Eltern werden immer häufiger parallele, explizite
Bildungsmöglichkeiten mit unterschiedlichen Bildungszielen oder Stundentafeln angeboten.
Diese expliziten außerschulischen Bildungsmöglichkeiten, die zwar häufig von den
Schulzentren als Dienstleistung angeboten werden, können dazu führen, daß - bei zusätzlichen
Unterrichtsstunden im Anschluß an den normalen Stundenplan, durch Ferienkurse usw. bestimmte Schüler im Vergleich zu ihren Klassenkameraden 50 % mehr Unterrichtsstunden
haben.
 Die außergewöhnliche Entwicklung der expliziten Weiterbildung, die sich in allen Ländern wenn auch in unterschiedlicher Form - vollzogen hat. Die institutionnelle Grundlage für die
Entwicklung dieser „Kurse“ ist äußerst vielfältig (Staat, Regionen, Unternehmen,
Bildungseinrichtungen); das bedeutet, daß auch Erfassung und Bescheinigung (Zertifikate)
variieren. Die vom Europäischen Sozialfonds finanzierten Politiken fallen unter diese
Entwicklung.
 Die Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung von Jugendlichen, bei denen in den letzten
Jahrzehnten ebenfalls große Fortschritte zu beobachten waren.
 Standardkurse mit internationaler Gültigkeit, die von anerkannten öffentlichen Institutionen
gefördert werden, z. B. die Englischkurse des British Institute.
 Über das Internet verbreitete Kurse, für die Zertifikate ausgestellt werden, wie beispielsweise
Microsoft-Kurse;
 Sonstige institutionalisierte Bildungsprojekte.
B) Informelle Methoden zum Erwerb von Kompetenzen :
 Die Erfahrungen, die Jugendliche in der schulischen Erstausbildung „freiwillig“ in der
Arbeitswelt sammeln; dieser Ansatz ist in einigen Ländern stark entwickelt und kann ein Vorteil
bei der Differenzierung von Jugendlichen sein, die die gleichen Bildungsabschlüsse erworben
haben;
 Berufserfahrung und deren qualitative Aspekte, wobei die Dauer der Betriebszugehörigkeit
sowohl von Vorteil als auch von Nachteil sein kann (wenn man die früher erworbenen
Kenntnisse vergißt und keine neuen Kenntnisse erwirbt);
 Die Errungenschaften im sozialen Bereich, wie Erfahrungen im gesellschaftlichen oder
familiären Umfeld, die den Hintergrund für die Mobilisierung und den Erwerb von anderen eher
kognitiven oder praktischen Kompetenzen bilden;
 Der "Kulturkonsum", d. h. das Interesse für das, was in verschiedenen kognitiven und sozialen
(Teil-)Bereichen passiert. Dabei kann es sich um die ständige freiwillige Weiterbildung oder um
geistiges Training handeln, das die Gehirnzellen „in Form hält“, damit neues Wissen
aufgenommen werden kann.
C) Formelle Methoden zur Ermittlung von Kompetenzen :
 "Quasi-Zeugnisse"5, die in Zusammenhang mit expliziten Weiterbildungsmaßnahmen verliehen
werden;
5
Explizites und formelles Zertifikat, das nach Abschluß einer expliziten und formellen Weiterbildungsmaßnahme im
außerschulischen Bereich verliehen wird und das nicht zu den Zeugnissen des Bildungssystems zählt.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
179





Zertifikate, die von "staatlichen Stellen" nach Abschluß informeller Lehrausbildungen
ausgestellt werden;
Die Ausstellung von "Quasi-Zeugnissen"5 seitens multinationaler Unternehmen, die den Erwerb
von "universell" anerkannten Kompetenzen bestätigen. Hierzu zählen die Zertifikate des British
Council bis hin zu denen von Microsoft sowie eine Vielzahl von sektorspezifischen Zertifikaten,
die manchmal entscheidende Bedeutung haben;
Die "formelle" Rolle, die von bestimmten Unternehmen ausgestellte Zeugnisse bei der
Anerkennung von Kompetenzen spielen. Diese Zertifikate beziehen sich auf Praktika oder die
Beherrschung bestimmter Techniken, "Maschinen" oder "Notsituationen";
Die auch von Außenstehenden "anerkannte" formelle Rolle von Erfahrungen in Unternehmen,
die in einem bestimmten Sektor führend oder besonders leistungsstark sind;
Englische Sprachprüfungen vor Ort, die von der Universität Cambridge anerkannt sind (1st
Certificate, Proficiency).
D) Informelle Methoden zur Ermittlung von Kompetenzen :
 Lebensläufe (Curriculum Vitae), wobei auch hier Entwicklungen zu beobachten sind.
Lebensläufe enthalten immer häufiger Angaben zu Hobbies und sozialen Kompetenzen,
enthalten also immer mehr Hintergrundinformationen;
 Personalberatungsunternehmen, die eine Vielzahl von Bewertungsmechanismen entwickelt
haben;
 Persönliche Gespräche, in denen versucht wird, die für einen Arbeitsplatz wichtigen
persönlichen Kompetenzen oder Unterschiede zwischen den Bewerbern zu ermitteln;
 Probeverträge, in deren Rahmen die beruflichen Fähigkeiten des Bewerbers über den
persönlichen und direkten Kontakt informell ermittelt werden.
3.
Die Institutionalisierung der Schnittstellen
Läßt sich in einem Kontext verlängerter Ausbildungszeiten und großer Mobilität der Arbeitskräfte
eine progressive Institutionaliserung dieser Schnittstellen (wie in Großbritannien) vorhersagen und
gleichzeitig behaupten, daß diese Institutionaliserung über die berufliche Eingliederung von
Jugendlichen hinausgehen und eine "lebenslange" Dimension annehmen wird?
Es ist wahrscheinlich kein Zufall, daß gerade in Großbritannien das Bedürfnis nach Entwicklung
und Institutionaliserung (zentrale und standardisierte Anerkennung) dieser Schnittstelle „am
dringlichsten“ war. Diese Pionierrolle ergibt sich aus der Schwäche der Zeugnisse gegenüber der
„universellen“ Klassifikation der Erwerbstätigen und potentiellen Erwerbstätigen und der
polymorphen Zersplitterung der zwischen Bildungs- und Beschäftigungssystem geschalteten
Weiterbildungsmöglichkeiten, die sich nicht anhand eines Standardkodes erfassen lassen. Hier sind
laut Bjørnåvold (1998) Ähnlichkeiten mit dem monetären System und dem Erfordernis von
Legitimierung und Transparenz erkennbar: wie lassen sich einfache, genormte und gültige
Informationen über den Wert dessen, was ausgetauscht wird, bereitstellen, wenn neue Kompetenzen
erforderlich sind?
Das Problem stellt sich in den Ländern, in denen das auf Zeugnissen basierende System (Frankreich,
Spanien) vorherrscht, nicht so dringlich und nicht auf die gleiche Art und Weise. In diesen Ländern
haben Zeugnisse auch weiterhin große Bedeutung bei der Verteilung von Stellen,
180
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Verantwortlichkeiten und Arbeitsentgelten (F. Dauty, 2000). In stark strukturierten
Bildungssystemen spielt das Qualifikationsniveau eine zentrale Rolle in der Hierarchie der
Arbeitsstellen und ihrer Bezahlung: dort geht man von einem leistungsorientierten Ansatz aus. In
den Ländern, in denen es bereits eine institutionalisierte Schnittstelle zwischen Bildungssystem und
Unternehmen gibt, ist das Problem ebenfalls von geringerer Bedeutung.
Das Problem wird aber in den Ländern weiter bestehen - und sich in Zukunft wahrscheinlich noch
verschärfen -, in denen das frühere, auf Zeugnissen aufbauende System an Bedeutung verliert. Es
muß also ein neues System entwickelt werden. Muß man aber so wie in Großbritannien vorgehen
(d. h. Mechanismen für eine zentrale Anerkennung und Ermittlung von Kompetenzen entwickeln,
unabhängig davon, wie diese erworben wurden), um diesem Bedarf vorzugreifen?
Anders gesagt, das spanische und das französische System profitieren von einer Art "Trägheit der
Zeugnisse", die ein gültiges und solides Merkmal darstellen und anhand derer man grundlegende
Arbeitsmarktentscheidungen treffen kann. Auf der anderen Seite verfügt Deutschland über ein
duales System, das diese Funktion mehr oder weniger erfolgreich ausfüllt. Der Fall Großbritanniens
erfordert hingegen immer dringlicher die Entwicklung von Institutionen, die diese Rolle
übernehmen, ausgehend von den Qualifikationen (QCA/NVQ).6
Die „romanischen“ Systeme haben nicht die gleiche Dringlichkeit, stellen aber de facto die Frage
nach Anerkennung der Kompetenzen immer häufiger unter einem institutionnellen Aspekt. Welche
Zukunft haben die einzelnen Systeme? Könnte das englische Modell in gewisser Weise der
Bezugspunkt für eine potentielle Entwicklung in anderen Ländern werden? Im strikten Sinne des
„exportierten“ Modells lautet die Antwort wahrscheinlich nein. Es stellt aber zweifellos einen
wichtigen Bezugspunkt für die künftigen Entwicklungen in Ländern dar, die gleiche wirtschaftliche
und soziale Merkmale aufweisen.
Ein anderer Diskussionspunkt betrifft die Anerkennung von Kompetenzen (bzw. der Nachweise
dieser Kompetenzen), die außerhalb der Schulsysteme erworben wurden. Es ist eine Tendenz
festzustellen, daß außerhalb des Schulsystems erworbene Kenntnisse anerkannt werden und zwar in
Form von Zeugnissen oder „quasi-akademischen“ Nachweisen (durch Bescheinigung der
Kompetenzen und/oder Methoden der Anerkennung und/oder Bescheinigung).
Gibt es andere universelle Anerkennungsverfahren als jene, die durch das Schulsystem legitimiert
sind und als Referenz dienen? Lassen sich neue, von (Fach-)Kenntnissen ausgehende und von den
schulischen Nachweisverfahren unabhängige Methoden entwickeln? Gibt es Alternativen zu den
schulischen Nachweisen in Form anderer Bewertungsmethoden und Anerkennungsverfahren?
Diese grundsätzlichen Fragen sind zu stellen, will man die möglichen Institutionalisierungsprozesse
der Schnittstellen zwischen Bildungssystemen und Unternehmen verstehen.
4. Wie lassen sich die Schnittstellen statistisch erfassen?
Bei einer näheren Untersuchung der Schnittstellen muß man sich mit den zwei zentralen Fragen
auseinandersetzen, die wir bereits angesprochen haben: wie werden Kompetenzen erworben, die
nicht durch ein Zeugnis abgedeckt werden? Anhand welcher Verfahren können Arbeitgeber diese
Kompetenzen ermitteln oder anerkennen?
6
Die neuesten Vorschläge zu den „graduates“ sind ein Hinweis darauf.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
181
Eine für diese Untersuchung geeignete Methodik darf also die wichtigsten Merkmale der
Kompetenzen nicht außer acht lassen.
a) Merkmale der Kompetenz als Gegenstand der Untersuchung

Kompetenzen sind vektoriell. Die Kompetenz eines Menschen setzt sich aus einer Reihe von
grundlegenden Kompetenzen zusammen. Diese einzelnen Bestandteile werden auf
unterschiedliche Art und Weise erworben. Einige werden in expliziten, andere in impliziten
Bildungssystemen (training on the job, learning by doing...) erworben, andere wiederum durch
soziale Kontakte außerhalb der Berufswelt oder sind angeboren (bzw. sehr früh in der primären
Sozialisation erworben). Bestimmte Kompetenzen lassen sich schließlich auch durch eine
Kombination der genannten Möglichkeiten erwerben. Bei der Untersuchung der Art und Weise,
wie Kompetenzen erworben werden, ist also eine Vielzahl von Ausbildungsorten und
Bildungsgängen zu untersuchen, d. h. es sind Informationen der unterschiedlichsten Art zu
sammeln.
Kompetenzen lassen sich ex ante nur sehr schwer messen. Bewertungen hängen von jedem
einzelnen Unternehmen und im Extremfall sogar von jedem einzelnen Arbeitsplatz ab.
Allgemein läßt sich sagen, daß ein Arbeitnehmer nicht sämtliche Kompetenzen, über die er
verfügt, in einen Arbeitsplatz einbringt. Je nach Arbeitssituation wird er einen Teil seiner
Fachkenntnisse mobilisieren. Es gibt keine immanenten (absoluten) Fähigkeiten: die
verwendbaren Kompetenzen hängen von den Bedingungen der Berufsausübung ab. Deshalb ist
der „Inhalt“ der Kompetenzen a priori von der „Beschreibung“ zu trennen, die nur ungefähre
Angaben machen kann.

b) Grenzen der verfügbaren Daten
Vinokur (1995: 153) stellt fest, daß die Theorie des Humankapitals die Funktion des Nachweises
insofern verschleiert, als sie unverfälschte und perfekte Informationen über die Personen
hinsichtlich Arbeitsangebot und -nachfrage voraussetzt, wobei die Qualität der Arbeit unmittelbare
Funktion der Ausbildungskosten und damit - für eine bestimmte Ausbildungstechnik - der
Ausbildungsdauer ist. Unter diesem Aspekt ist der wichtigste Indikator für die Leistungsfähigkeit
eines Menschen immer der Bildungsabschluß gewesen.
Es hat natürlich Versuche gegeben, andere Indikatoren zu entwickeln (z. B. im Rahmen eines von
CEDEFOP finanzierten Forschungsvorhabens, Mallet et alli., 19977). Die Kompetenzen ließen sich
aber nur anhand von einfachen Proxies erfassen, die sich angesichts der komplexen Situationen, die
sie beschreiben sollten, als sehr schwach herausstellten: Qualifikationsniveau d für die explizite
Ausbildung, Alter a für Berufserfahrung. Die Grenzen dieser Indikatoren sind angesichts der hier
angestellten Überlegungen deutlich erkennbar. Im weiteren Verlauf dieses Forschungsvorhabens
stellte sich heraus, welche Mängel die Informationssysteme über die Kompetenzen derzeit
aufweisen.
Der Erwerb von Kompetenzen - und dies entspricht der vektoriellen Beschaffenheit der
Kompetenzen - erfordert die Integration von Verfahren, die in einem quantitativen Ansatz außen vor
bleiben. Es ist erforderlich, einfache Variablen zu kombinieren, um so zu multidimensionellen
Variablen zu gelangen.
Bei der quantitativen Analyse der Schnittstellen zwischen Bildungssystem und Unternehmen
entstehen die Schwierigkeiten sowohl aufgrund fehlender Informationen als auch aufgrund des
7
Diese Untersuchung gilt als der direkte Vorläufer des EDEX-Projektes (TSER-Programm ).
182
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
fehlenden Zusammenhangs zwischen den bereits verfügbaren Informationen. Bei der Darstellung
von Informationen folgen die verschiedenen Methoden einzig und allein ihren eigenen „internen“
Regeln. So basieren die Beschäftigungsstatistiken beispielsweise auf der Beschäftigungspolitik, die
Bildungsstatistiken auf der Bildungspolitik usw. Wenn man nicht bedenkt, daß Daten für
unterschiedliche Zwecke verwendet werden, ist es schwierig, diese Daten komplementär zu
verwenden.
Schlußfolgerung: Tautologischer Effekt der statistischen Informationssysteme
Nur beobachtete Phänomene lassen sich transparent darstellen. Und nur Dinge, die sich untersuchen
lassen, werden auch untersucht: die Untersuchungsgegenstände hängen davon ab, ob Daten zur
Verfügung stehen. Die statistischen Informationssysteme begrenzen somit den Bereich der
beobachtbaren Phänomene. Die Kriterien der Datenerfassung stimmen aber nicht immer mit den
Kriterien der wissenschaftlichen Analyse überein.
Im Gegenteil, in den meisten Fällen orientieren sich die statistischen Informationssysteme an den
großen politischen Tätigkeitsbereichen (Bildung, Beschäftigung usw.) und sind voneinander
unabhängig. Dies führt zu einer gewissen Tautologie bei der Analyse der Politiken, indem nur
Informationen über das, was „erwartet“ wird, gesammelt werden, was dann möglicherweise zu einer
Bestätigung dessen, “was man vorausgesehen hat“, führt. Deshalb besteht die Gefahr, nicht richtig
über die tatsächlichen Auswirkungen der Politiken im Rahmen ihrer konkreten Umsetzung
informiert zu werden.
Der Bedarf, in Forschungsleistungen zu investieren, ist in zweifacher Hinsicht deutlich erkennbar:
zum einen sollten Synergien zwischen den vorhandenen Informationen gefördert werden, da dann
Indikatoren entwickelt werden könnten, die für die komplexe Aufgabe der Ermittlung und
Erfassung von Kompetenzen besser geeignet wären; zum anderen sollten neue Systeme und
Werkzeuge für die Datensammlung entwickelt werden.
Soziale Veränderungen müssen quantitativ bewertet werden. Die Untersuchung dieser
Veränderungen erfordert folglich eine Weiterentwicklung der statistischen Informationssysteme. Es
wird immer schwieriger, die angesprochenen Veränderungen zu beobachten und zu verfolgen, wenn
es statistische Lücken gibt. Phänomene wie die Entwicklung von Schnittstellen zwischen Bildung
und Beschäftigung könnten deshalb zu einer „black box“ werden, bei der man vor lauter
Informationen die wirklich wichtigen nicht erkennt.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
183
Bibliographie
Bjørnåvold, J. (1998): "¿Una cuestión de fe? Las metodologías y los sistemas para evaluar
aprendizajes no formales requieren una base de legitimidad", Formación Profesional revista
europea, Nr.12, S. 76-83.
Buechtemann, C.; Verdier, E. (1998): "Education and Training Regimes Macro-Institutional
Evidence", Révue d'économie politique, Nr. 108, S. 292-320.
Dauty, F. (2000): "Diplômes et marché du travail : des liens qui évoluent", mimeo.
Kivinen, O.; Ahola, S. (1999): "Higher education as a human risk capital", Higher Education,
Nr.38, S.191-208.
Lichtenberger, Y. (1999): “Compétence, organisation du travail et confrontation sociale”,
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Mallet L. et alli. (1997): "Diplômes, compétence et marchés du travail en Europe", Revue
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Marsden, D. (1994): "Mutation industrielle, compétence et marchés du travail", Formation
Professionnelle Revue Européenne, Nr. 1/1994, S.15-23.
Merle, V. (1997): “La evolución de los sistemas de validación y certificación. ¿Qué modelos son
posibles y que desafíos afronta el país francés?”, Formación Profesional Revista Europea, Nr. 12, S.
39-52.
OCDE (1996): Mesurer le capital humain. Vers une comptabilité du savoir acquis, Paris.
Planas, J.; Giret, J.F.; Sala, G.; Vincens, J. (2000): Marché de la compétence et dynamiques
d'ajustement, Cahier du Lirhe, wird in Kürze erscheinen. Eine englische Fassung wird im Laufe des
Jahres 2000 von CEDEFOP veröffentlicht.
Vinokur, A. (1995): "Réflexions sur l'économie du diplôme", Formation et emploi, Nr. 52, S. 151183.
184
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
DER SICHT DER NUTZER
Domenico Paparella
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Via Po, 102
00136 Roma
[email protected]
1.
Vorwort
Ziel dieser Mitteilung ist die Rekonstruktion eines Experiments zur Nutzung der statistischen
Informationen, um für die Sozialpartner wertvolle Informationen bereitzustellen.
Worüber ich berichten möchte, ist ein Experiment, das die Realisierung und Erprobung eines
Mechanismus zur Erhebung des Ausbildungsbedarfs in der italienischen Industrie betrifft.
Der Verfasser dieser Mitteilung nahm als Co-Direktor an dem noch nicht völlig abgeschlossenen
Experiment teil.
Die Durchführung des Vorhabens oblag der vom Industriearbeitgeberverband Confindustria und den
Gewerkschaften Cgil, Cisl und Uil auf bilateraler Grundlage eingerichteten und vom
Arbeitsministerium finanzierten nationalen Ausbildungsbehörde.
In dieser Mitteilung möchte ich folgende Aspekte aufgreifen:
a. Darlegung des Sinngehalts sowie der Bedeutung des Experiments mit den bilateralen
Einrichtungen in Italien;
b. Erläuterung des Vorhabens angesichts des kulturellen Hintergrunds, der Wahl der
Methodik sowie der Ergebnisausbeute;
c. Nennung der bei der Abwicklung des Vorhabens aufgetretenen statistischen
Probleme;
d. Lehren, die im Zusammenhang mit der Verbesserung der Qualität der den
Sozialpartnern zur Verfügung gestellten Daten aus dem Vorhaben zu ziehen sind;
e. Überlegungen dazu, in welchen Bereichen auf nationaler und europäischer Ebene
eine Zusammenarbeit zwischen den Sozialpartnern und den statistischen Ämtern
möglich ist.
2.
Die Erfahrungen mit der bilateralen Zusammenarbeit in Italien
Die Einrichtung bilateraler Organismen im Ausbildungsbereich ist das Ergebnis einer Periode
tiefgreifender Erneuerungen in den Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.
Dies verlieh dem sozialen Dialog eine gemeinschaftliche Komponente, die den Sozialpartnern eine
groß angelegte politische Aktion ermöglichte, um die berufliche Bildung wieder zu thematisieren.1
Die Ergebnisse dieser Aktion haben sich im Gesetz "Treu" (196/97) niedergeschlagen, in dem die
Gliederung des italienischen Weiterbildungssystems festgelegt ist.
1
Vgl.: Pier Antonio Varesi: „La formazione professionale negli accordi di concertazione“, Lavoro Informazione
Nr. 8, April 1999.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
185
Zu den wichtigen Ergebnissen dieser Periode gehört auch die Gründung der bilateralen Organismen
zur Verwaltung der Ausbildung2. Sie legen Zeugnis davon ab, daß die Sozialpartner bestimmte
Aspekte des Arbeitslebens mit gemeinsamen Zielsetzungen, Richtungsvorgaben und
Instrumentarien angehen.
In diesem spezifischen Fall hat sich bezüglich nachstehender kultureller und politischer Optionen
eine Konvergenz bei den Sozialpartnern herauskristallisiert:

die Ausbildung stellt für das Produzierende Gewerbe sowie den Dienstleistungssektor einen
fundamentalen Innovationsansatz dar;

die Ausbildung ist im Hinblick auf die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der
Unternehmen unverzichtbar;

die Steigerung der beruflichen Qualifikation ist für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen
der Arbeitnehmer sowie deren Behauptung auf dem inner- und außerbetrieblichen
Arbeitsmarkt von größter Bedeutung.
Die von den Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden eingerichteten bilateralen Organismen
haben mehrere Aufgaben.
Den bilateralen Organismen für die berufliche Bildung haben die Sozialpartner insbesondere die
Förderung folgender Maßnahmen übertragen:
 die Verbesserung der Ausbildung, der beruflichen Orientierung und der Umschulung;
 die Anpassung des Ausbildungssystems an den Bedarf der Unternehmer und Arbeitnehmer,
u. a. über die Förderung von Studien, Vorschlägen und innovativen Vorhaben.
In diesem Zusammenhang ist auch das Vorhaben einer Erhebung über den Ausbildungsbedarf im
italienischen Gewerbe zu erwähnen, die das Arbeitsministerium den bilateralen Organen für die
Ausbildung übertrug.
3.
Das Vorhaben einer Erhebung über den Ausbildungsbedarf
3.1. Zielsetzungen
Die auf bilateraler Grundlage (Arbeitgeberverband Confindustria und Gewerkschaften CGIL-CISUIL) eingerichtete nationale Ausbildungsbehörde hat sich mit diesem vom Ministerium für Arbeit
und Soziales finanzierten Vorhaben das Ziel gesetzt,
einen ständig auf dem neuesten Stand zu haltenden und laufend zu verbessernden Prozeß der
Erfassung des Bedarfs an Professionalität zu definieren und in Versuchen zu realisieren, um dem
Ausbildungssystem zur Anpassung des Ausbildungsangebots und der Ausbildungsinhalte an den
Bedarf (Funktionieren und Weiterentwicklung) des Produktionsapparats und des Arbeitsmarkts
"wertvolle Informationen" zur Verfügung zu stellen, wobei das Ausbildungssystem den Bedarf stets
vorwegnehmen soll.
2
Damit hat sich Domenico Paparella in La risorsa formazione nella gestione bilaterale delle parti sociali, Rom,
Chirone 2000, 1998, beschäftigt.
186
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Tabelle 1
Ziel
zweckdienliche Informationen
Ausbildungsmaßnahmen
Ausbildungsinhalte
Ausbildungsangebot
Vorwegnahme des Bedarfs
Wie man sieht, liegen dem gesamten Erhebungsmechanismus zwei Optionen über den
Informationscharakter zugrunde:
- der Nutzwert für den Empfänger (Ausbildungssystem),
- die Ergreifung von Maßnahmen im Ausbildungsbereich (Vorwegnahme).
Die erste Feldauswahl (Nutzwert) bezieht sich auf eine Auswahl an Informationen, die dem
Ausbildungssystem entsprechend ihrer tatsächlichen Umsetzbarkeit zugeleitet werden sollen. In
diesem Sinne haben sich die Sozialpartner dazu verpflichtet, in bezug auf die Ausbildungsinhalte
(Zusammenfassung der Berufsprofile, Beschreibungen, lexikalische Sammlung)3 sowie den
zeitlichen Bezugsrahmen (strukturelle Daten und Tendenzen) eine passende Form für die
Konkretisierung der Nachfrage auszuarbeiten4 .
Die zweite Feldauslese (Vorwegnahme des Bedarfs) beinhaltet, wie bereits gesagt, als Schlußstein
einen Sozialvertrag, der zugleich auch der kritischste Baustein des gesamten Erhebungsprozesses
ist. Dabei geht es darum, zu entscheiden, wie die Nachfrage aufzuarbeiten ist, mit anderen Worten,
welche Kriterien bei der Aufstellung der Spielregeln zum Tragen kommen sollen.
3
Vor allem ging es darum, die drei klassischen Kommunikationsfehler zu vermeiden: zu generische Angaben (z. B.
ausgebildete Fachkraft), zu spezielle Angaben (z. B. Fachkraft für die Wartung von Milchaufbereitungsanlagen),
unzulängliche, da auf das Einstellungsniveau abgestellte Angaben (z. B. Schichtassistent).
4
Die für das Ausbildungssystem erarbeiteten Hinweise haben nichts mit konjunkturbedingten
Einstellungsvorausschätzungen, sondern mit Strukturgrößen zu tun, die die Funktionsweise und die Entwicklung der
örtlichen Produktionssysteme zu beeinflussen vermögen.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
187
Im vorliegenden Fall5 wurde beschlossen, mit der Erarbeitung des Bedarfs zwei von den
Sozialpartnern als konvergierend erachtete Ziele zu verfolgen:
die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit des Produktionssystems;
die Steigerung des potentiellen Einsatzes menschlicher Ressourcen, d. h. die Verbesserung
der Stellung auf dem Arbeitsmarkt (innerhalb und außerhalb der Unternehmen).
Bei der Erarbeitung des Bedarfs stehen also nicht die unübersichtlichen beruflichen
Zielvorstellungen Modell, sondern die in bezug auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und
die Aussichten der Arbeitnehmer, eine Arbeitsstelle zu bekommen, als am ehesten anzustrebenden
Ziele.
Hierzu benötigt man ein von den x möglichen Szenarios abgekoppeltes ideales Szenario oder, wenn
man so will, eine Art „Benchmarking“ für die Entwicklungstendenzen der Berufssysteme.
Diesbezüglich bereiten die verschiedenen Innovationspotentiale im Produktionspanorama die
größten Schwierigkeiten.
Das Problem liegt nicht so sehr in der technologischen, sondern in der organisatorischen Variablen
begründet. Bei der Bedarfsbestimmung ist es nicht immer leicht, die Logik der funktionalen
Arbeitsteilung zu überwinden und ein ausgewogenes Gleichgewicht, das richtige Mittelmaß
zwischen Realität und der gewünschten Entwicklung zu erzielen.6.
Die Feldauswahl (Nutzwert und Vorwegnahme des Bedarfs) bestimmt die Grenzen der
Erhebungsziele, die Aktualisierungsinformationen, die die Produktion für die Ausbildung
bereitstellen soll:
- das Ausbildungsangebot (Lehrgangsplanung);
- die Ausbildungsinhalte (Lehrgangskonzeption).
5
Vgl. Vereinbarung vom 20. Januar 1993 zwischen den Gewerkschaften Cgil, Cisl, Uil und der Confindustria
(Arbeitgeberverband)
6
Hier ein Beispiel zur besseren Erhellung dieses Aspekts: Zuschneider, Näher und Strecker stehen in der industriellen
Arbeitswelt in der Regel für drei verschiedene Arbeitsabläufe. Unter dem Gesichtspunkt der Ausbildung sollte man
jedoch von einem einzigen Ausgangsablauf ausgehen (Fachkraft für Zuschneiden, Nähen und Strecken), wobei den
alternierenden Ausbildungsmechanismen im Arbeitsgeschehen die Ausbildung für spezifischere technische Abläufe
zu übertragen ist. Dies käme der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen (Flexibilität) sowie der Arbeitnehmer
zugute, wobei letzere vielseitiger einsetzbar wären. Wieweit darf man aber bezüglich eines einheitlichen
Ausbildungsgangs in einem Bereich wie der Konfektion gehen, in dem die Abteilungen Zuschneiden, Nähen und
Strecken (gerade in den größeren Unternehmen) klar voneinander getrennt sind?
188
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Tabelle 2
Ausbildungsangebot
MÁSSNAHMEN
INHALTE
welche Anforderungsprofile sind zu
erstellen
Bestimmung der
Anforderungsprofile
Tendenzen
wie sind sie
zu erstellen
Beschreibung
Anforderungsprofile
Bei der Aktualisierung des Bildungsangebots sollte die „virtuose Dynamik“ der Berufssysteme in
den verschiedenen Produktionsbereichen jeweils exakt bestimmt werden: Welche
Anforderungsprofile sollen um der Produktionsentwicklung willen erstellt werden?
Der Erhebungsprozeß ist zwei auseinanderstrebenden Kräften unterworfen:
Da ist einerseits die Notwendigkeit, die Nachfrage anhand einer angemessenen Zahl von überall im
Lande anerkannten Anforderungsprofilen zu erfassen, mit denen sich das gesamte Bedarfsspektrum
abdecken läßt7, wobei für jeden Sektor ein Verzeichnis der Anforderungsprofile zu erstellen ist8,
7
8
Diese Notwendigkeit ergibt sich sowohl für die Entwicklung des Produktionsapparats in unserem Land als auch die
Entwicklung des Ausbildungssystems.
Die den Unternehmen bezüglich des effektiven Operationsfeldes (Netz von Verbindungen) gesetzten Grenzen
erweitern sich immer mehr. Die Globalisierung stellt ein Phänomen dar, das auch Unternehmen von geringerem
Umfang mitreißt. Man denke dabei nur an die Unternehmen mit mehreren Standorten, die Dezentralisierung der
Produktion, bis hin zur Notwendigkeit, eine größere Mobilität der menschlichen Ressourcen für das gesamte Land zu
fördern.
Die abnorm ausufernden Lehrgangsbezeichnungen sind nicht Ausdruck eines Reichtums an Bildungsangeboten,
sondern eher Ausfluß einer sprachlichen Verwirrung, die das Bildungsangebot immer weniger transparent und die
Übertragung der besten Praktiken unmöglich macht und zudem die Orientierung der jungen Menschen erschwert,
wenn man an die Notwendigkeit denkt, Ausbildungsstandards zu definieren, oder sich mit dem Problem der
Anerkennung und Zertifizierung im Ausbildungsbereich beschäftigt.
Vgl. Anforderungsprofile in der italienischen Industrie, OBNF-Rom, November 1988. Der Begriff
<Anforderungsprofil> stellt eine Abstraktion dar, ein Idealbild, das von den Sozialpartnern erstellt und mittelfristig
den Funktions- und Entwicklungsbedingungen auf dem betreffenden Sektor entsprechen muß.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
189
und andererseits die Notwendigkeit, die lokale Entwicklung ihrer tatsächlichen logischen Tragweite
und Berufung nach zu deuten und - mit Hilfe regionaler Erhebungen - die einschlägigen
Nachfragetrends zu ermitteln (ob, wo und in welchem Maße die Anforderungsprofile greifen und
wie sie sich in das jeweilige regionale Umfeld einfügen).
Das Vorgehen zielte darauf ab, die Ausarbeitung der Anforderungsprofile zu konzentrieren, d. h. sie
den landesweiten Berufskategorien anzuvertrauen (die auf jedem Sektor jeweils einen Referenten
für die Arbeitgeber- und die Gewerkschaftsseite ernannt haben), und die Bedarfserhebung zu
dezentralisieren, d. h. sie den auf bilateraler Grundlage eingerichteten regionalen Körperschaften zu
übertragen (die in jeder Region Koordinatoren ernannt haben).
Bei der Aktualisierung der Bildungsangebote ging es darum, die Anforderungsprofile zu
beschreiben und sie nochmals einem idealen Produktionsprozeß zuzuordnen. Der Aktionsradius
muß dabei mindestens die nationale Ebene sein9.
Im vorliegenden Fall bestand das Problem darin, einen einheitlichen und von allen Sektoren
getragenen Prozeß samt einheitlicher Beschreibungsmodalitäten festzulegen und in der Praxis zu
erproben.
Zu diesem Zweck griff man auf die Gründung eines bilateralen, paritätisch besetzten
Expertenlabors zurück (wobei die Experten von den Sozialpartnern benannt werden)10, um den
Prozeß und die Beschreibungsinstrumentarien unter Einbeziehung der Sektorenreferenten zu
bestimmen, die bei der Umsetzung und Erprobung des Prozesses sowie der von diesem Labor
bereitgestellten Instrumentarien mitwirken.
Um den Austausch und die Verbreitung der Information zwischen den bilateralen Organismen und
darüber hinaus zu ermöglichen und eine einheitliche Aufbereitung der Daten auf nationaler und
lokaler Ebene sicherzustellen, wurde ein festgeschaltetes Informationsnetz konzipiert und
eingerichtet.
Das Erhebungssystem wurde demnach so gestaltet, daß den Sozialpartnern die Verwaltung des
gesamten Prozesses obliegt, wobei die jeweiligen Zuständigkeiten zum Tragen kommen.
In der Vereinbarung zwischen den Sozialpartnern aus dem Jahre 1993 werden die Abstraktionsmodalitäten auf zwei
Ebenen festgelegt:
Die Notwendigkeiten der Arbeitswelt: “realistische" Bezugnahme auf das umfassendste Berufsszenario unter
dem Blickwinkel der technologischen und organisatorischen Entwicklung.
Der Bedarf an Dialog mit dem Ausbildungssystem: Dabei sind für das Ausbildungssystem nicht verwertbare, zu
generische oder zu spezifische bzw. unzulängliche Informationen zu vermeiden.
Das Anforderungsprofil ist somit das Ergebnis eines Sozialvertrages. Daraus läßt sich eine Vielfalt an Berufsprofilen
ableiten.
9
Im Laufe dieser Untersuchungsphase ist mehrfach auf die Notwendigkeit hingewiesen worden, die nationalen
Grenzen zu überwinden und einen Vergleich zwischen den Sozialpartnern auf europäischer Ebene in Angriff zu
nehmen.
10
Von den Sozialpartnern für die einzelnen Warensektoren ernannte Experten.
190
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Tabelle 3
BILATERALE
LANDESWEITE
AUSBILDUNGSBEHÖRDE
Landesweite Erhebung über
den Ausbildungsbedarf
NATIONALE
BERUFSKATEGORIEN
(Sektorenreferenten)
Verzeichnis der
Anforderungsprofile
BILATERALES LABOR
(Experten der Sozialpartner)
Beschreibung der
Anforderungsprofile
BILATERALE REGIONALE
KÖRPERSCHAFTEN
(Koordinatoren)
Bedarfstrends
I n f o r m a t i o n s n e t z
Auf landesweiter Ebene definieren die Berufskategorien über die Sektorenreferenten sowie das
bilaterale Labor die Instrumentierung (Verzeichnis und Beschreibung der Bezugsmodelle) und
erproben diese.
Auf örtlicher Ebene verwenden die bilateralen Organe eine - für das gesamte Land einheitliche Instrumentierung bei der Erhebung der Bedarfstrends (regionale Erhebungen), interpretieren die
Ergebnisse und setzen sie um.
Die signifikantesten Ergebnisse des Vorhabens über:
die Erstellung der Anforderungsprofile
die örtlichen Erhebungen über die Bedarfstrends
die Beschreibung der Anforderungsprofile
werden auf zwei Ebenen dargestellt:
- Definition und Ausarbeitung einer von den Sozialpartnern getragenen Methodik;
- Ergebnisse der Feldversuche11.
3.2. Der Prozeß der Erstellung der Anforderungsprofile
11
Dabei ist anzumerken, daß die Feldversuche bei der Abfassung dieses Berichts noch nicht völlig abgeschlossen
waren.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
191
Erkennung der
Produktionsprozesse

16 sektorale
Untersuchungen
Erkennung der idealen
Prozesse
Hypothese der
Anforderungsprofile
Anhörung von Unternehmen
des Sektors
Verzeichnis der
Anforderungsprofile
Gestaltung der Fragebogen

16 sektorale Seminare

16 sektorale Seminare

16 sektorale Seminare

16 sektorale Seminare
Vergleich/Umsetzung
der Ergebnisse
Ausarbeitung der Fragebogen
Kurzbeschreibung der Profile

2 sektorenübergreifende
Seminare
1 sektorenübergreifendes
Seminar
Bewertung der Ergebnisse
örtliche Erhebungen


16 Sektorale Seminare
3.3. Die Anforderungsprofile
Die Prüfung des Verzeichnisses der Anforderungsprofile der 16 Sektoren ergibt folgendes Bild:
Profile insgesamt
Beherbergungsgewerbe
Baugewerbe
Molkereien
Nudeln und Produkte
aus dem Ofen
Grundlagenchemie
Chemische Fein- und
Spezialprodukte
Arzneimittel
Graphische Kunst und
Druckgewerbe
Möbelherstellung
Mechanik
Elektronik
Maschinen und Anlagen
Transportgewerbe
18
30
29
30
Sektorenübergreifende Profile
2
5
27
28
spezifische
Profile
16
25
1
1
33
31
29
31
1
0
32
27
29
22
3
4
27
38
31
37
33
23
38
31
37
31
4
0
0
0
1
Textilgewerbe
27
25
1
Textilveredelung
27
26
1
Konfektion
32
28
4
Schließt man das Beherbergungs- und das Baugewerbe aus, stellt man fest, daß es in den vierzehn
untersuchten Industriesektoren nicht sehr viele spezifische Profile im eigentlichen Sinn gibt. In
192
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
diesem Zusammenhang ist anzumerken, daß der „sektorenübergreifende“ Charakter der Profile
davon herrührt, daß bestimmte Sektoren eng aneinander grenzen (z. B. Grundlagenchemie und
Feinchemie, Mechanik und Maschinen- und Anlagenbau).
Vor allem darf man sich jedoch vom scheinbar transversalen und spezifischen Charakter der Profile
nicht blenden lassen.
Hinter einer identischen Bezeichnung können sich nämlich differenzierte Berufsbilder verbergen,
insbesondere, wenn man auf die technische Komponente abhebt. Zu den Anforderungsprofilen fast
aller Industriesektoren gehört z.B. der Produkt- und Dienstleistungstechniker/Kundenbetreuer, aber
im Textilgewerbe werden z.B. ganz andere Qualifikationen als im Maschinen- und Anlagenbau
gefordert, wobei die Kontaktfreudigkeit aber jeweils unbestrittenermaßen von großer Bedeutung ist.
Umgekehrt können scheinbar unterschiedliche Profile in hohen Maßen transversal ausgerichtet sein.
Denken wir dabei z. B. nur an Wärter nachgeordneter Drucksysteme (graphisches Kunst- und
Druckgewerbe) oder an die Wärter mechanischer Systeme/Bearbeitungen (Möbelherstellung), der
weitgehend dem Wärter automatischer Systeme in den Bereichen Mechanik, Maschinen- und
Anlagenbau, Elektronik und Transportgewerbe entspricht.
3.4. Die Bedarfserhebung
Auf der Grundlage der Ergebnisse der sektoralen Erkundung sowie der technologischen und
organisatorischen Analysen der 16 untersuchten Produktionsprozesse, an die sich der Aufbau eines
bilateral abgesegneten Verzeichnisses der Anforderungsprofile anschließt, um unter dem
Blickwinkel der örtlichen Ausrichtung der Produktionsstätten und der Unternehmensgröße den
Bedarfstrend bezüglich der Anforderungsprofile des Berufsverzeichnisses (wo und in welchem
Maße diese jeweils greifen) zu ermitteln, haben die 18 bilateralen regionalen Körperschaften die
Erhebung für die unter ihren Zuständigkeitsbereich fallenden örtlichen Bereiche koordiniert und
unmittelbar verwaltet.
Die Erhebung wurde mit Hilfe logisch gegliederter Fragebogen durchgeführt, die einer Stichprobe
von Unternehmen im ganzen Land zugeleitet wurde12.
Die Befragten erhielten den Fragebogen per Post. Ein Interviewer kontaktierte sie telefonisch und
half ihnen beim Ausfüllen.
Die bilateralen regionalen Körperschaften übernahmen:
- die Kontrolle der lokalen statistischen Quellen, wobei die Abweichungen zwischen den für die
Stichprobe ausgewählten Unternehmen herausgearbeitet und die fehlenden Unternehmen
identifiziert werden
- die Erarbeitung der regionalen Stichproben, der Unternehmensverzeichnisse sowie der im
Hinblick auf die Erstellung der einschlägigen Mailinglisten zu befragenden Personen.
3.5. Die Stichprobe
In der Erhebung war die Einholung von Daten mit Hilfe eines Fragebogens vorgesehen, der an eine
Stichprobe von Unternehmen verteilt wurde.
Zur Durchführung des Stichprobenplans wurde:
 die Gesamtheit der Subjekte (Grundgesamtheit) definiert, aus der die Stichprobe gezogen
werden soll;
 die (beobachtbare) Menge der zu erhebenden Daten definiert;
 die Verteilung theoretischer Wahrscheinlichkeiten der beobachtbaren Größen bestimmt;
12
Mit Ausnahme der Region Trient-Oberetsch.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
193
 die für die Erhebung erforderliche Genauigkeit festgelegt ;
 der jeweilige Stichprobenumfang geschätzt, um die gewünschte Genauigkeit zu gewährleisten.
Darüber hinaus war darauf zu achten, daß
 jedem Sektor eine spezifische Erhebung zugeordnet wurde;
 jeder Region eine spezifische Erhebung zugeordnet wurde.
Aus diesen Gründen sowie aufgrund des institutionellen Gefüges - nach der italienische Verfassung
sind die Regionen für die Ausbildung zuständig - wurde der Erhebungsbereich in TeilGrundgesamtheiten gegliedert, bei denen folgendes kombiniert wird:
a) die Region
b) und der Wirtschaftszweig.
Die regionale Ebene mußte wegen der Notwendigkeit einer Beschränkung der Erhebung sowie der
vorgenannten institutionellen Faktoren gewählt werden.
Aus Gründen, die mit der Ziehung der Stichprobenlisten zusammenhängen, wurden die Sektoren
auf der Grundlage des geltenden Klassifikationsstandards definiert (Ateco91 bzw. Nace Rev. 1).
Der Stichprobenumfang wurde durch die Zahl der Beschäftigten definiert, die zu einem
erhebungsnahen Zeitpunkt erfaßt wurde. Diese Größe mußte also bei Erstellung der
Stichprobenlisten bekannt sein.
Im Hinblick auf die Definition der Erhebungslogik erfolgte eine Unterscheidung nach drei
Beschäftigtenklassen:
a) 20-49 Beschäftigte, b) 50-249 Beschäftigte, c) 250+ Beschäftigte.
Prioritäres Ziel war die Erfassung von drei Merkmalen pro Anforderungsprofil:
x) Präsenz im Unternehmen;
y) Bedarfsentwicklung;
z) Angebot auf dem lokalen Arbeitsmarkt.
Der Stichprobenplan wurde auf die Präzisionsanforderungen bei der Bewertung dieser Aspekte
abgestimmt. Er wurde so festgelegt, daß bei der Schätzung der spezifischen Profile eine bestimmte
Präzision gewährleistet war und bei den transversalen/sektorenübergreifenden Profilen zumindest
dasselbe Maß an Präzision gewahrt blieb.
Bei der Stichprobenziehung griff man auf umfassende Unternehmensverzeichnisse zurück, die die
Teilgrundgesamtheiten bildeten, in die die Erhebung gegliedert ist.13.
13
Bekanntlich gehören zu den „allgemeinen“ Verzeichnissen, die, was den tatsächlichen Zugriff angeht, im
Zusammenhang mit den neuen Geheimhaltungsbestimmungen mit zahlreichen Unwägbarkeiten behaftet sind:
i das von Istat in Übereinstimmung mit der EU-Richtlinie aufgebaute ASIA-Archiv,
ii das Unternehmensverzeichnis (Handelskammern),
iii das Steuerregister (Finanzministerium),
iv die Archive der Unternehmen mit abhängig Beschäftigten (Inps),
v das Inail-Betriebsarchiv.
194
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Das ASIA-Verzeichnis erfüllte die Anforderungen an die Ziehung der Stichprobe für die
Erhebung der auf bilateraler Grundlage eingerichteten landesweiten Behörde.
1. Abschnitt
Merkmale des Unternehmens:
- Standort
- Umfang der Belegschaft
- Zusammensetzung der Belegschaft
- Markttypologie
- Funktion der befragten Person
2. Abschnitt
Betrifft die Informationen über14:
- die Produkt-/Dienstleistungsfamilien
- die charakteristischen Tätigkeiten
3. Abschnitt
Besteht aus einer den Anforderungsprofilen für den Sektor
entsprechenden Zahl von Bogen15.
Jeder Bogen/jedes Profil enthält:
- die Bezeichnung des Profils (und evtl. eine Kurzbeschreibung);
- ein erstes Feld zur Ermittlung von Stetigkeit, Dichte und
Einzugsgebiet der Personalsuche sowie gegebenenfalls
Rückgriff auf betriebsfremde Unterstützung;
- ein zweites Feld zur Ermittlung des mittel- bis langfristigen
Bedarfstrends des Unternehmens;
- ein drittes Feld zur Ermittlung der bei der Personalsuche auf
dem örtlichen Arbeitsmarkt auftretenden Probleme;
- ein viertes Feld zur Ermittlung des idealen Ausbildungsniveaus, das die Firma dem betreffenden Profil zuordnet;
4. Die Problembewältigung
Bei dem gesamten, in seinen Grundlinien bereits dargelegten Vorhaben mußte man mit zweierlei
statistischen Problemen kämpfen:

der Verfügbarkeit statistischer Informationen und ihrer Zweckdienlichkeit im Hinblick auf
den Wissensstand der Sozialpartner;

der Verbindung des Verzeichnisses der Anforderungsprofile und der Berufsklassifikation
(ISTAT ).
In fast sämtlichen Testphasen des Erhebungsfragebogens über den Ausbildungsbedarf mußte auf
öffentliche Statistiken zurückgegriffen werden. In der ersten Phase beschäftigte man sich mit der
Zusammensetzung der zu beobachtenden Warensektoren.
Bekanntlich sind die Warensektoren anhand des bei der Zählung 1991 verwendeten Codes Ateco 91
klassiert.
14
Die Definition der Produkt-/Dienstleistungsfamilien sowie der charakteristischen Tätigkeiten des Prozesses der
Erzeugung/Realisierung des Produkts/der Dienstleistung (diese Größe ermöglicht es, den Grad der vertikalen
Strukturierung der Unternehmen zu schätzen) ist - wie wir gesehen haben - auf den sektoralen Seminaren speziell
vertieft worden.
15
Dem Abschnitt vorangestellt ist ein Bogen, in dem Hilfestellung beim Ausfüllen gegeben wird; darin sind die
Erhebungsziele sowie die Gründe für die Wahl des Konzepts Anforderungsprofil in äußerst knapper Form dargelegt.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
195
Ihre Gliederung folgt den Kriterien der Vergleichbarkeit mit der Gliederung der Produktionsstruktur
in den übrigen europäischen Ländern.
Die Definition des Beobachtungsgegenstands bzw. die Zusammensetzung der zu analysierenden
Produktionssektoren bzw. - zyklen war das Ergebnis umfangreicher Nachforschungen im Rahmen
des Produktionszyklus, um die einschlägigen Tätigkeiten in Erfahrung zu bringen.
Die Systematik der Wirtschaftszweige, wie sie aus den statistischen Quellen hervorgehen,
entspricht nicht den tatsächlichen Aggregationen, die die Sozialpartner zur Grundlage der
Beobachtung des Berufssystems erhoben haben. Abgesehen von dieser unterschiedlichen
Klassifikation in der Datenbank ging es darum, die statistischen Aggregate präzise zu ermitteln, mit
denen man zur Zusammensetzung der als Beobachtungsgegenstand dienenden Produktionszyklen
vordringen konnte.
Daher nahm man im Hinblick auf die Wahl der Datenbank der Unternehmen, aus denen sich die zu
erhebenden Sektoren zusammensetzen, eine Ad-hoc-Aggregation der zu untersuchenden
Produktionszyklen vor.
Die nationalen Berufskategorien wurden aufgerufen, 16 sektorale Aggregate nach Maßgabe ihres
Gewichts (Zahl der Beschäftigten) und/oder ihrer Bedeutung für die Industrie zu bilden.
Die Bildung dieser Aggregate (Abgrenzung zwischen den Sektoren) erfolgte anhand von zwei
funktionalen Kriterien:
- Übereinstimmung mit dem Erhebungsziel (Bedarfserhebung) unter gebührender
Berücksichtigung der besonderen Merkmale der Produktionsprozesse16;
- Kompatibilität mit den in der Literatur verfügbaren statistischen Daten (Codes ATECO ’91).
Folgende sechzehn Sektoren wurden ausgewählt:
- Beherbergungsgewerbe
- Grundlagenchemie
- chemische Fein- und Spezialprodukte
- Konfektion
- Baugewerbe
- Elektronik
- Arzneimittel
- graphische Kunst und Druckgewerbe
- Molkereien
- Maschinen und Anlagen
- Mechanik
- Möbelherstellung
- Textilveredelung
- Nudeln und Produkte aus dem Ofen
- Textilgewerbe
- Kfz-Bau
Der Tätigkeitszyklus, auf den sich die Anforderungsprofile der einzelnen Produktionszyklen in der
Erhebung stützen, erreichte sein entscheidendes Moment anläßlich der Erkundung der
Produktionsprozesse.
16
Bei dieser Erhebung macht es z. B. wenig Sinn, den Sektor „Maschinenbau“, wo von der Stahlindustrie über den
Kfz-Bau bis hin zur Elektronik stark diversifizierte Produktionsprozesse zusammenlaufen, zu untersuchen.
196
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Ausgehend von einem zuvor von sämtlichen Sektoren gebilligten Konzept beschrieben die
Referenten zum Teil unter Mitwirkung von ihnen benannter Sachverständiger in einem ersten
Anlauf:
- die Szenarios (Marktsituationen und -tendenzen, bereits angestoßene bzw. sich abzeichnende
technologische/organisatorische Innovationen);
- die Produktion (Produkt-/Dienstleistungsfamilien und/oder Tätigkeitstypologien)
- der Produktionszyklus (Planung, Erzeugung, Wartung, Qualität).
Es ist daher möglich, die Unterschiede - bei den zu analysierenden Sektoren - zwischen der
Klassifikation der von der Statistik zugrunde gelegten Wirtschaftszweige und den aus der Analyse
der Produktionszyklen resultierenden zu bewerten.
Abgesehen von den Problemen im Zusammenhang mit der Klassifikation der Wirtschaftszweige
förderte die Umsetzung des Vorhabens Schwierigkeiten bezüglich der Verfügbarkeit von Daten zur
Identifikation der Unternehmen zutage; dabei ging es darum, die Zugehörigkeit eines Unternehmens
zu einem bestimmten Stichprobenelement exakt festzustellen.
Die in unserem Lande verfügbaren „allgemeinen“ Verzeichnisse sind sowohl hinsichtlich ihrer
Zuverlässigkeit als auch der Zugriffsmöglichkeiten als kritisch einzustufen.
Bezüglich der Geheimhaltungsbestimmungen besteht bei ihnen allen Unklarheit. Dies führte zu
einer ständigen Überprüfung der Zugehörigkeit eines Unternehmens zu einem bestimmten
„Stichprobenelement“, und zwar sowohl betreffend die sektorale Einstufung als auch die
tatsächliche Zugehörigkeit zu der Größenklasse, in der die Einstufung erfolgte.
Ferner wurde die Frage aufgeworfen, inwieweit es möglich ist, die Stichprobe auf subregionaler
Ebene zu gliedern.
Das Vorhaben bezieht sich nicht auf die lokale, sondern auf die regionale Analyse.
Dabei geht es um seine Abgrenzung. Die Informationen, die das Produktionssystem und das
Ausbildungssystem miteinander austauschen sollen, orientieren sich am Bedarf an Professionalität
auf lokaler Ebene. Hier ist es möglich, die Lücke zwischen dem Bedarf an Professionalität und dem
Bildungsangebot zu verkleinern.
Auf europäischer Ebene müßte vereinbart werden, wie der Begriff „lokal“ in bezug auf die
Produktionsstruktur und den Arbeitsmarkt zu definieren ist.
Auf der Grundlage dieser Annahme müßten die nationalen Statistiksysteme regional gegliederte
Daten liefern. Alternativ müßten diese Daten auf kommunaler Grundlage bereitgestellt werden, um
die regionale Gliederung der Erhebungsbereiche, die von Mal zu Mal erhoben werden sollen,
rekonstruieren zu können.
Die andere Problemgruppe betrifft die Berufsklassifikation. Bekanntlich besteht der „amtliche“
Problemansatz darin, die Klassifikation sämtlicher bestehender Berufe auf theoretischer Grundlage
zu erstellen und dabei Kriterien anzuwenden, mit deren Hilfe jeder einzelne Beruf klassenmäßig
zuzuordnen ist.
Traditionell folgte man dabei vor allem dem Kriterium der Aufgliederung der Berufe nach dem
Bildungsabschluß. Dabei wurden die manuellen Tätigkeiten von den geistigen Berufen abgegrenzt.
Weitere, häufig als komplementär erachtete Kriterien sind die Qualifikation, die Fähigkeit zur
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
197
selbständigen Arbeit, usw. Auf der Grundlage dieser Kriterien wurden Klassifikationen erstellt, die
die Wirklichkeit so vollständig wie möglich erfassen. Es handelt sich dabei um hierarchisch
aufgebaute, sämtliche Verästelungen nachzeichnende und - ausgehend von den großen
Berufsgruppen bis hinunter zu den Fachberufen - vertikal gegliederte Systeme.
Sie wurden fast ausschließlich für statistische Zwecke erarbeitet und finden nicht immer eine
Entsprechung in der Wirklichkeit, da es sich um starre Systeme handelt, die den ständigen
Veränderungen in der Arbeitswelt nicht Rechnung tragen können.
Die Klassifikation Istat-91 dagegen stellt die wichtigsten Unterschiede im Vergleich zu den
vorhergehenden heraus. Aufgrund der tiefgreifenden wirtschaftlichen Umwälzungen in den 80er
Jahren sowie im Vorgriff auf die technologischen Veränderungen der 90er Jahre sah das Istat die
Notwendigkeit ein, seine Berufsklassifikation radikal zu überarbeiten und der Klassifikation Isco-88
dabei größte Aufmerksamkeit zu schenken. Wichtigstes Klassifikationskriterium ist hier nicht nur
der Produktionssektor, sondern das Qualifizierungsniveau und/oder der Bildungsabschluß. Die
Berufe werden in 9 Großgruppen, 35 Gruppen, 599 Grundberufe und 6 319 Einzelpositionen
unterteilt. Dabei kommen vierstellige Codes zur Anwendung.
Ganz allgemeinen kann man anmerken, daß die vom Istat vorgeschlagenen Klassifikationen die
Notwenigkeit einer Systematisierung der Berufsdaten zu einem reinen Nomenklaturproblem
herabstufen. Andererseits muß man jedoch berücksichtigen, daß diese Klassifikationen vor allem zu
statistischen Zwecken erarbeitet wurden.
Der Arbeitsminister seinerseits hat die Berufsklassifikation hauptsächlich unter Berücksichtigung
der Berufe erarbeitet, die im Hinblick auf die Anwendung des Gesetzes, das die Arbeitsvermittlung
regelt und sich somit an die abhängig Beschäftigten richtet, von Belang sind, und das lediglich einen
Teil der bestehenden Berufe abdeckt. Bürokratische Hürden im Zusammenhang mit der
Aktualisierung haben es verhindert, daß die neuen Berufe (insbesondere die Informatikberufe)
berücksichtigt wurden, wohingegen noch zahlreiche bereits veraltete Berufe aufgeführt sind. Auch
die Terminologie ist veraltet. Daher bestehen Probleme bei der Vergleichbarkeit mit anderen
Systemen, aber auch terminologische Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Qualifikation, die
im Laufe der Ausbildung erworben wird.
Das Fehlen eines dauerhaften Berufserfassungssystems in Italien, das der Entwicklung Rechnung
tragen und anhand einer konstanten Typologie systematische Informationen liefern könnte, ist der
wichtigste Grund dafür, daß sich das Isfol (Istituto per lo Sviluppo della Formazione professionale
dei Lavoratori - Institut für die Entwicklung der beruflichen Bildung von Arbeitnehmern) zur
Gründung einer Berufsbeobachtungsstelle entschloß. Die Definition eines umfassenden Systems zur
Klassifikation und Beschreibung der bestehenden Berufe fällt jedoch nicht unter die
Zuständigkeiten des Isfol.
Mit dieser Beobachtungsstelle sollte hauptsächlich ein Erfassungsinstrumentarium zur
Unterstützung der einzelnen im Ausbildungsbereich aktiven Kategorien bereitgestellt und allgemein
ein Stützpfeiler der Arbeitspolitik errichtet werden.
Die vom Isfol vorgeschlagene Klassifikation ist im sogenannten Berufsverzeichnis enthalten, dessen
neueste Ausgabe aus dem Jahre 1991 stammt. Dieses Berufsverzeichnis ist ein nützliches
Instrumentarium. Die Isfol-Bogen stellen häufig eine der wichtigsten Dokumentationsquellen dar,
aus denen die Orientierungsdienste Basisinformationen über die Berufsprofile schöpfen. In
rechtlicher Hinsicht ist die Isfol-Klassifikation jedoch nicht offiziell anerkannt, so daß sie keine
„amtliche“ Klassifikation im eigentlichen Sinn darstellt. Die im Berufsverzeichnis enthaltenen
Bogen sind eher als Integrationsinstrument denn als vollständiger Katalog gedacht. Diese
Berufsklassifikation vereinigt fast sämtliche Berufe, zu der man mit Hilfe von berufsbildenden
198
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Lehrgängen Zugang hat.
Die im Vorhaben zur Erhebung des Ausbildungsbedarfs erarbeiteten Anforderungsprofile stellen
einen ersten Versuch dar, die Sprache des Produktionssystems und diejenige des
Ausbildungssystems zu vereinheitlichen.
Die nachfolgende Beschreibung der Profile im Sinne der Kompetenz, die es ermöglichen müßte, die
Probleme im Zusammenhang mit der „Kompetenzzertifizierung“ anzugehen, könnte auch im
institutionellen Rahmen erfolgen. In diesem Falle käme es zu einer von den Sozialpartnern
abgesegneten Einheitsklassifikation, die dem Bedarf des Ausbildungs- und Bildungssystems, der
Orientierungsdienste, der Arbeitsämter sowie der Statistik bei der Berufserhebung und klassifikation gerecht würde.
5. Was zeigen uns die Erfahrungen im Rahmen des Vorhabens?
Die Möglichkeit, für das Bildungs- und Ausbildungssystem zweckdienliche Informationen über den
aus der organisatorischen, technologischen und arbeitsmarktpolitischen Entwicklung erwachsenden
Bedarf an Professionalität mit Hilfe eines strukturierten sozialen Dialogs zu erzeugen, hängt von der
Verfügbarkeit zuverlässiger Daten und Informationen aufgrund einer anerkannten Klassifikation ab.
Die Durchführung des Vorhabens hat folgenden Bedarf zutage gefördert:

die Kriterien der Klassifikation der Wirtschaftsbereiche sind anhand von Tätigkeitsclustern
zu definieren, die für die einzelnen Prozesse und Produkte gebildet werden;

aufgrund der anerkannten Gebietsaggregationen müssen die eine Zuordnung zum
Wirtschaftszweig sowie zur Größenklasse ermöglichenden Informationen über die einzelnen
Unternehmen bereitgestellt werden;

die Modalitäten für eine Identifikation/Beschreibung der auch in begrifflicher Hinsicht
entweder vor dem Hintergrund der Entwicklung der Arbeitsorganisation oder in bezug auf
das Bildungs-/Ausbildungsangebot nicht mehr zeitgemäßen „Grundberufe“ sind zu
vereinheitlichen.
6. Überlegungen zu den Feldern, auf denen eine Zusammenarbeit zwischen den
Sozialpartnern und der nationalen und europäischen Statistikebene möglich ist.
Die Durchführung des Vorhabens förderte die Notwendigkeit der Einrichtung von Gremien zutage,
in denen über die extensive Anwendung des Prinzips des sozialen Dialogs ein „Leistungsaustausch“
zwischen der nationalen Statistik und den im sozialen Bereich wirksamen Kräften möglich ist.
In diesen Gremien soll ein ständiger Abgleich erfolgen und die Definition des Informationsbedarfs
der einzelnen Systeme ermöglicht werden.
Bei der Erhebung des Ausbildungsbedarfs wirken im Prozeß der Bereitstellung von Informationen
neben den sozial relevanten Kräften auch die lokalen Kräfte sowie die Einrichtungen des Bildungsund Ausbildungssektors mit.
Die Statistikeinrichtungen können vor Ort einen wichtigen Beitrag zur Entscheidungsfindung
leisten, die allen Bedürfnissen der im Ausbildungsbereich tätigen Akteure gerecht wird.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
199
Im übrigen ist es wünschenswert, daß die Statistik über die Bereitstellung von Grunddaten für die
Bedarfserhebung hinaus auch an der Durchführung der Erhebungen bei den Unternehmen beteiligt
wird. Die Statistik verfügt mit Sicherheit über eine solidere Methodik und größere Erfahrung mit
den Unternehmenserhebungen.
Gremien für den Abgleich zwischen den Akteuren, zumindest, was das Thema der Bedarfserhebung
im Berufs- und Ausbildungsbereich angeht, wären auf europäischer Ebene erforderlich.
Aus diesen Erhebungsprozessen schälen sich in der Tat die Berufsmerkmale heraus, denen das
Ausbildungsangebot entsprechen muß.
Von diesen Prozessen, in denen die Inhalte der einzelnen Profile (Professional Profiles) beschrieben
werden, hängen die Zertifizierungsverfahren für die Kompetenzen ab.
Mit anderen Worten: Die Transparenz der Qualifikationen und ihre Vergleichbarkeit auf
europäischer Ebene fußen auf der Vergleichbarkeit der Berufsdefinitionen und der inhaltlichen
Übereinstimmung, die bei jedem Anforderungsprofil zum Ausdruck kommen muß, damit für die
Arbeitnehmer das Recht auf Mobilität gewährleistet ist.
Das alte europäische Projekt eines einheitlichen Berufsverzeichnisses ist niemals verwirklicht
worden.
Der Umstand, daß - wenn auch in unterschiedlichem Maße - in vielen Ländern bei den
Definitionsprozessen derartige sozialpartnerschaftliche Probleme auftreten, macht das Ziel vielleicht
etwas realistischer.
Gemeinsam wäre es Ceies und Cedefop möglich, sämtliche mit diesen Problemen befaßten
europäischen Stellen in einem thematischen Netzwerk zusammenführen. Auf diese Weise könnten
die wissenschaftlichen, methodischen und technischen Wege ganz konkret unter die Lupe
genommen werden, die den einzelnen nationalen Systemen für eine von der Technologie, der
Arbeitsorganisation und der Öffnung der Märkte her faktisch unumgänglich gewordene
Entwicklung in Richtung Konvergenz offenstehen.
200
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
2. Tag:
TEIL 3:
SCHLUßFOLGERUNGEN UND
EMPFEHLUNGEN
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
201
202
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
IST EINE BRAUCHBARE STATISTIK DER ALLGEMEINEN UND BERUFLICHEN
BILDUNG MÖGLICH?
Ebbe K. Graversen
Danish Institute for Studies in Research and Research Policy
Finlandsgade 4
DK- 8200 Aarhus N
[email protected]
Das Funktionieren des Arbeitsmarkts ist an sich schon von Interesse, aus politischer Sicht jedoch
umso mehr. Wenn sich der Wandel der Volkswirtschaft von der Industriegesellschaft zur "neuen"
Wissensgesellschaft vollzieht, ist es wichtig zu wissen, wieviel Wissen im Land vorhanden ist und
wie es sich auf die einzelnen Personen verteilt. Das Aufspüren der Wissensströme innerhalb der
Wirtschaft ist der Grundstein für ein umfassendes Verständnis des in der Wirtschaft vorhandenen
Innovationspotentials. Aus der Überzeugung, daß Wissen in zunehmendem Maße Wachstum
erzeugt - wie es die OECD 1996 ausdrückte -, folgt daher, daß die Mittel und Wege, Wissen mit
Hilfe von verschiedenen Indikatoren zu vergleichen und zu messen, immer mehr an Bedeutung
gewinnen.
Aus der Sicht der Forschung ist der gegenwärtige Zustand, was empirische Daten betrifft, nicht
überwältigend. In der Theorie definiert der Forscher ein Problem, stellt ein Modell auf, sammelt
empirische Daten und testet die Theorie. In der Realität jedoch versucht der Forscher, ein Modell
mit Hilfe der verfügbaren Informationen zu lösen. Dabei bereitet es vor allem Schwierigkeiten,
Daten zu finden, die das betreffende Problem genau beschreiben. Das Ergebnis ist häufig ein
Kompromiß, die zweitbeste Lösung. Das kann dazu führen, daß sich die Forscher lieber auf Projekte
konzentrieren, zu denen Daten verfügbar sind, und nicht unbedingt auf Themen, an denen
Gesellschaft und Politik das größte Interesse haben.
Aus politischer Sicht ist das nicht der beste Weg. Ein Mittel von vielen, dem Auseinanderklaffen
von "freier" Forschung und "gewünschter" Forschung entgegenzuwirken, waren gezielte
Forschungsprogramme. Leider widmet sich die Wissenschaft lieber der "freien" Forschung,
während die Politik die "gewünschte" Forschung bevorzugt. Eine Lösung wäre offensichtlich, den
Schwerpunkt auf langfristige Anreize bei der Wahl der Forschungsthemen zu legen.
An dieser Stelle kommt die Arbeit des CEIES zum Tragen. Es gibt bestimmte Bedürfnisse, die
zumindest teilweise auf internationaler Ebene erfüllt werden müssen. Dazu gehören u. a.
 Vergleichbarkeit von Statistiken aus verschiedenen Ländern und Regionen, um Messungen und
eine vergleichende Beurteilung ("Benchmarking") der Messungen zu ermöglichen. Wenn die
Daten stärker genutzt werden sollen, müssen sie leicht zugänglich und ohne großen
Kostenaufwand nutzbar sein. Die Statistiken können auf Erhebungen oder Registern basieren,
aber sie müssen in jedem Fall repräsentativ sein. Die Vergleichbarkeit muß ein für alle Mal von
den nationalen statistischen Ämtern sichergestellt werden und nicht von den einzelnen
Forschern für jedes Projekt aufs Neue.
 Entwicklung von gemeinsamen Indikatoren, die für die Analyse des Funktionierens der
Arbeitsmärkte verwendbar sind. Die Entwicklung muß auf der Ebene der Mikrodaten und
ausgerichtet auf Analysezwecke erfolgen. Die "alte" Zweckorientierung auf der Ebene der
Makrodaten ist für die Definition von Indikatoren zur Analyse der "neuen", wissensbasierten
Ökonomie ungeeignet. Die Vorschläge müssen aus der Forschung kommen, aber die Daten
müssen von Institutionen wie Eurostat gesammelt werden, um die Vergleichbarkeit
sicherzustellen.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
203
 Aussagekräftige neue Indikatoren müssen sowohl formelle als auch informelle Informationen
über die allgemeine und berufliche Bildung, Wissen und Arbeitsmärkte einbeziehen. Früher
oder später muß stillschweigendes Wissen in die Indikatoren einfließen. Eine formale Bildung
ist ein Hinweis auf Fähigkeiten, aber ein solcher Meßwert ist nicht mehr als ein
Mindestmaßstab. Die Zukunft liegt in vollständig individualisierten, spezifischen und
vergleichbaren Datensätzen. Dann sind auch Kausalität, Selektivität und der Umfang der
praktischen Ausbildung am Arbeitsplatz sowie die Nettokosten der allgemeinen und beruflichen
Bildung leichter zu bestimmen.
 Individuelle Daten müssen einigermaßen aktuell sein. Auch wenn Strukturmodelle vorgelegt
werden können, benötigen die eher deskriptiven Analysen aktuelle Daten, wenn sie für
politische Zwecke von Wert sein sollen. Am besten wäre der Aufbau von aktualisierten
Längsschnittdaten oder - als zweitbeste Lösung - Paneldaten. Diese Lösung ist jedoch aufgrund
des Aspekts der Vergleichbarkeit und der Erkenntnis, daß diese möglicherweise für manche
Länder nicht erreichbar ist, weniger wahrscheinlich. Statt dessen mag die Zukunft in einer
erweiterten CLFS- oder CIS-Datenbank liegen.
 Mit Verzögerung vorliegende Statistiken führen kurz- und langfristig dazu, daß auch erst mit
Verzögerung auf Symptome reagiert wird. Dies ist insbesondere auf internationaler Ebene der
Fall, wo Vergleiche als Benchmarks verwendet werden können. Aus politischen Gründen muß
die Datenerfassung künftig beschleunigt werden. Für die Forschung mag die Datenqualität
wichtiger sein. Auch hier kann ein Kompromiß gefunden werden, wenn der Wille dazu
vorhanden ist. Hier stehen sich deskriptive, durchschnittlich "korrekte" Statistiken auf
aggregierter Ebene und testbare Modelle, die detaillierte "korrekte" Daten auf individueller
Ebene benötigen, einander gegenüber.
Es wird interessant sein, zu erfahren, ob das CEIES-Seminar die Kluft zwischen dem Wunsch der
Forscher nach Daten, die die theoretischen Modelle bestätigen, und dem Wunsch der Politik nach
Daten, die den Bedarf für politische Empfehlungen bestätigen, überbrücken kann. In meinen Augen
wird dies eine Brücke zwischen mittel- und langfristiger Forschung und kurzfristigem Bedarf sein.
Es ist eine der Aufgaben des Danish Institute for Studies in Research and Research Policy, eine
solche Brücke zwischen den Möglichkeiten der Forschung und den Bedürfnissen der Gesellschaft
herzustellen. Wir benötigen eine länderübergreifende Zusammenarbeit, um die gemeinsamen
Bausteine der Brücke zu entwerfen.
204
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
ZUSAMMENFASSUNG
Max van Herpen
Statistics Netherlands
Prinses Beatrixlaan 428
Postbox 4000
2270 JM Voorburg
[email protected]
Das Seminar wurde vom CEIES-Unterausschuß “Sozialstatistik“ veranstaltet und findet in den
Räumen der Cedefop statt. Der stellvertretende Vorsitzende des CEIES, Herr Joachim Lamel,
begrüßt die cirka 70 Teilnehmer, und der Direktor des Cedefop, Herr Van Rens, hält die
Eröffnungsansprache. Cedefop informiert die Anwesenden aus den verschiedenen Ländern über die
im Bildungssektor verwendeten Systeme und Methoden. Eines der Instrumente sei das elektronische
Berufsbildungsdorf The electronic training village. Auf dieser Internetseite würden zahlreiche
Informationen angeboten, wie z.B. Datenbanken zur betrieblichen Aus- und Weiterbildung, ein
monatlicher Newsletter und zahlreiche Diskussionsforen mit mehr als 10.000 Teilnehmern. Herr
van Rens betont, wie wichtig das Thema des Seminars sei, mit dem sich Cedefop bereits seit einiger
Zeit befasse. Im November werde die Europäische Kommission ein Memorandum mit einem
Vorschlag zur Einrichtung eines Berichtsystems über das lebenslange Lernen in Europa
veröffentlichen. Bei früheren Erhebungen sei Cedefop bereits zu dem Schluß gekommen, dass die
Kohärenz der verfügbaren Informationen in den einzelnen Ländern nicht ausreiche.
Das Seminar ist ein drei Teile untergliedert:
-
-
Teil 1: Aktuelles zu den Daten in der Aus- und Weiterbildung;
Teil 2: Künftige Entwicklungen;
zu beiden Teilen gibt es eine Stellungnahme der Herausgeber sowie der Anwender der Daten;
und
Teil 3: Schlußfolgerung und Empfehlungen, die in drei Teile aufgegliedert sind
- Reaktion von EUROSTAT, von Herrn Skaliotis;
- Runder Tisch unter Vorsitz von Prof. Psacharopoulos;
- Zusammenfassung durch den Vorsitzenden des Organisationskomitees, Prof. Frey.
Teil 1: Aktuelles zu den Daten in der Aus- und Weiterbildung
Zunächst gibt Herr Freysson einen Überblick über die vorhandenen Datenquellen, die sich mit
Fragen der allgemeinen und beruflichen Bildung sowie Beschäftigungsthemen befassen. Die
wichtigste davon sei die Erhebung über Arbeitskräfte (Labour Force Survey). Weitere
Datensammlungen seien das Europäische Haushaltspanel (Community Household Panel), die
Erhebung über die Struktur der Verdienste (Structure of Earnings Survey), die Erhebung über die
Arbeitskosten (Labour Cost Survey), die Erhebung zur beruflichen Weiterbildung (Continuing
Vocational Training Survey), die Datensammlung zur beruflichen Bildung (Vocational Education
and Training data collection) und die Datensammlung zur Arbeitsmarktpolitik (Labour Market
Policies data collection). Die vorhandenen Datenquellen umfaßten sehr viele Themenbereiche, bei
denen alle Arten von Beziehungen zwischen den Merkmalen des Humankapitals, dem Übergang
von der Schule zum Erwerbsleben und den Ergebnissen zur allgemeinen und beruflichen Bildung
untersucht werden könnten. Die Datenqualität und die Harmonisierung der einzelstaatlichen
Erhebungen seien notwendige Voraussetzungen, damit diese Datenquellen sinnvoll genutzt werden
könnten. Deshalb würden große Anstrengungen darauf verwendet.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
205
Pekka Myrskylä berichtet über die Bildungsabschlüsse und den Übergang von der Schule zum
Erwerbsleben auf der Grundlage des registergestützten Statistiksystems in Finnland. Die
Personenstandsregister stünden in Verbindung mit den Verwaltungsregistern über Einkommen,
Arbeitsplätze, Arbeitslosigkeit, Ruhestandsgeld, Unternehmen, Bildung und Ort des
Bildungsabschlusses. Von den Kindern werde auf die Eltern verwiesen und umgekehrt, so dass
Familienmitglieder, die nicht im selben Haushalt wohnen, abgeglichen werden könnten. Die
registergestützten Statistiken bedeuteten geringere Kosten, eine geringere Verantwortung, die
jährliche Verfügbarkeit der Daten der gesamten Bevölkerung und auch kleinerer Gebiete und
Untergruppen, zudem sei die Datenqualität im allgemeinen besser. Vertikale Daten stünden zur
Verfügung, so dass der Übergang von der Schule zum Erwerbsleben und Arbeitsplatzwechsel leicht
festzustellen seien. Dadurch habe man in Finnland ständig auf aktuelle Informationen über alle
möglichen Arten von Veränderungen in der Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt Zugriff, zudem
könnte die Entwicklung der Schulabgänger je nach Bildungsabschluß, Ausbildungssektor, Alter,
Geschlecht usw. verfolgt werden.
Ronnie Andersson von Statistics Sweden gibt einen Überblick über die vorhandenen Daten zum
Übergang von der Schule zum Erwerbsleben in Schweden. Er betont, dass die Verwaltungsdaten
nicht billig seien, da sie in aussagefähiges statistisches Datenmaterial umgearbeitet werden müßten.
Die Verwaltungsdaten könnten auch die Erhebungsdaten nicht ersetzen. Diese beiden Quellen
sollten einander ergänzen, denn jede habe ihre eigenen Schwächen und Stärken.
George Lemaître, OECD, stellt einen Bericht über die berufliche Bildung von erwachsenen
Arbeitern in OECD-Ländern, ihre Erfassung und Analyse vor. Hochqualifizierte Arbeitskräfte
gewönnen in einer modernen Wirtschaft zunehmend an Bedeutung, in der das Wissen ein
Schlüsselfaktor sei. Das Lernen gehe auch während des Berufslebens weiter, und die staatlichen
Berufsbildungssysteme sollte danach beurteilt werden, wie effektiv sie das Ziel des lebenslangen
Lernens unterstützten. Bis vor kurzem habe es nur wenig systematische Informationen gegeben, die
einen internationalen Vergleich ermöglicht hätten. Vier „harmonisierte“ Erhebungen zur beruflichen
Bildung ergäben zusammen einen Bestand von „stilisierten“ Fakten über die internationalen
Unterschiede im Niveau und der Verbreitung der beruflichen Bildung in den 24 OECD-Staaten. Die
Erhebungen unterschieden sich in dem Maße, wie die länderübergreifende Harmonisierung
gelungen sei. Erhebliche Unterschiede bestünden im Inhalt der Fragebögen und der Protokolle für
die Datensammlung, wodurch die Daten nicht verglichen werden könnten. Es gebe auch
Unterschiede, wie berufliche Bildung in den Erhebungen definiert und bewertet werde. Die
Bezugszeiträume unterschieden sich (Weiterbildung in den letzten 4 Wochen oder 12 Monaten); die
Ansprechpartner (Arbeitgeber oder Arbeitnehmer); die Unterscheidung zwischen beruflicher
Ausbildung und beruflicher Weiterbildung; der Umfang, in dem weniger strukturierte Formen der
beruflichen Bildung wie das Anlernen am Arbeitsplatz einbezogen seien; die Bevölkerungsgruppe
(lediglich Erwerbstätige, kleine Unternehmen und bestimmte Sektoren seien ausgeschlossen).
Daraus ergäben sich Daten, die weitgehend nicht vergleichbar seien. Auch die Inanspruchnahme
innerhalb eines Landes sei unterschiedlich groß. Das gelte ebenso für den Umfang und die Kosten
der beruflichen Bildung. Korrelationen zwischen diesen Variablen und Hintergrundvariablen wie
z.B. Alter und wirtschaftliches Ergebnis seien weniger anfällig. Die Analyse der
Bestimmungsfaktoren und Ergebnisse der beruflichen Bildung sei noch nicht ausreichend
entwickelt, um den politischen Entscheidungsträgern zuverlässige Schätzungen über den
wirtschaftlichen Nutzen zu liefern, aus denen sich spezifische politische Ansätze entwickeln ließen.
Weitere Fortschritte bei der Harmonisierung der Statistiken zur beruflichen Weiterbildung könnten
ein nützlicher Beitrag sein, um diese Lücke zu schließen.
Im Anwender-Forum stellte Bernard Fourcade von der Universität Toulouse ein Papier zur
Bildungsexpansion und dem Erwerb von Fertigkeiten vor, und zwar den Generationen gestützten
206
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Ansatz. In dem Papier wird ein laufendes Projekt beschrieben, bei dem die Auswirkungen des
zunehmenden Bildungsgrades auf die Dynamiken des Arbeitsmarktes auf der Grundlage des
Generationenansatzes für fünf EU-Staaten analysiert werden. Das Problem wird von zwei Seiten
angegangen, einmal geht es um die Auswirkungen hinsichtlich der Ergebnisse des Bildungssystems
(die Qualifikationsstruktur der Generationen) und dann hinsichtlich der Veränderungen innerhalb
des Bildungssystems (strukturelle Änderungen der Bildungswege). Das Projekt zielt auf die sehr
langfristigen Aspekte der Veränderung des Bildungssystems ab, wobei Zeit, Alter und Umfang der
Generationen wichtige Variablen sind.
Herr Marques aus Portugal stellt einen Bericht vor, in dem die Situation des allgemeinen und
beruflichen Bildungssystems, des Arbeitsmarktes und des statistischen Systems in Portugal
beschrieben wird. Herr Marques zeigt eine Reihe von Problemen auf. Häufig gingen Daten verloren,
seien nicht zugänglich oder unvollständig; es würden keine Entsprechungen zwischen dem Angebot
an beruflicher Weiterbildung und dem Bedarf auf Unternehmensseite deutlich; private berufliche
Weiterbildung in Eigeninitiative, die nicht bezuschußt ist, werde oftmals mit der Arbeitssituation
vermischt und sei deshalb nicht einfach zu bewerten; es gebe keine Informationen über die
Auswirkungen der beruflichen Bildung auf die Unternehmen und die Arbeitssituation der
Teilnehmer.
Arthur Schneeberger, aus Österreich spricht über die Probleme, auf die er beim Vergleich des
österreichischen Bildungssystems mit anderen Ländern stieß. Er wünscht sich eine größere
Diversifizierung im mittleren und höheren Segment der internationalen Standardklassifizierung für
Bildung (International Standard Classification of Education - ISCED), die 1997 überarbeitet wurde
und derzeit umgesetzt werde. 70 % der österreichischen Bevölkerung könnten ISCED 3 zugerechnet
werden, und im höheren Bildungssektor würden ähnliche Bezeichnungen für sehr unterschiedliche
Gegebenheiten in den einzelnen Ländern verwendet. Zwischen den staatlichen Bildungssystemen
und ISCED seien aus politischer Sicht noch nicht alle Fragen geklärt. Er plädiert für eine feinere
und genauere Untergliederung, an der Arbeitgeber und politische Entscheidungsträger beteiligt sein
sollten.
Chris Littler beschreibt die Methoden und Daten, die bei der Analyse der Arbeitsmarktergebnisse
der allgemeinen und beruflichen Bildung in England verwendet werden. Er befaßt sich insbesondere
mit der Auswertung der Datensammlungen über den Bildungssektor und den Arbeitsmarkt, um die
Orientierung junger Menschen auf dem Arbeitsmarkt einzuordnen, nachdem sie die allgemeine
Pflichtausbildung absolviert haben; der Analyse langfristiger wirtschaftlicher Vorteile und der
Profitabilität von allgemeiner und beruflicher Bildung durch angenäherte Werte des
Lebenseinkommens; und der Verwendung von Daten über die Fluktuation bei der Arbeitslosigkeit
als Mittel zur Bewertung der Auswirkungen von Arbeitsmarktpolitiken und -programmen.
Teil 2 Künftige Entwicklungen
Aurea Micali vom Nationalen Statistischen Institut Italiens stellt das neue System vor, das ISTAT
für die allgemeine und berufliche Bildung entwickelt hat. Im italienischen Bildungssystem hätten
bedeutende Neuerungen Einzug gehalten, und demzufolge würden die administrativen Erhebungen
nicht länger von ISTAT, sondern von den Ministerien selbst durchgeführt, obwohl ISTAT weiterhin
statistische Unterstützung leiste. ISTAT habe sein Programm überarbeitet, so daß man dem
internationalen Bedarf an Daten besser gerecht werden könne und genauere Informationen über die
Auswahlverfahren der Universitäten erhielte. Es gibt jedoch immer noch einige Informationslücken,
zu denen die Beschäftigung nach dem Schulabgang, das lebenslange Lernen und die private
berufliche Weiterbildung gehörten.
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
207
Jonny Einarsen und Helge Næsheim vom Statistischen Amt Norwegens informieren über das
statistische System, das sie zur Erwachsenenbildung einrichten. Sie kamen zu dem Schluß, dass es
nicht genügend internationale Empfehlungen zu Statistiken über die Erwachsenenbildung gebe. Ob
Personen, die jünger als 30 Jahre seien, als erwachsene Lernende zu definieren seien, könne in
Frage gestellt werden. Das würde die Probleme und Kosten der Auswertung erhöhen und entspricht
nicht unbedingt dem Bedarf an beruflicher Weiterbildung. Die Daten zur beruflichen Weiterbildung
für diese Gruppe sollten getrennt aufgeführt werden. Zuverlässige und wichtige Indikatoren zur
Erwachsenenbildung sollten für die Erhebung über Arbeitskräfte (Labour Cost Survey - LFS)
entwickelt werden. Eine umfassendere Datensammlung sollte durch getrennte Erhebungen erstellt
werden.
Roger Fox aus Irland stellte einige Entwicklungen vor, die sich auf die Art der erforderlichen
Statistiken zur allgemeinen und beruflichen Bildung auswirken. Die wichtigste sei die deutlich
gestiegene Bedeutung der Humanressourcen in der wirtschaftlichen Entwicklung. Jedoch sei
hinsichtlich der Vergleichbarkeit der Statistiken zur allgemeinen und beruflichen Bildung noch viel
zu tun. Die internationalen Organisationen sollten mehr Einfluß auf die Länder ausüben, die diese
Statistiken zur Verfügung stellen. Die Outputs (die Fertigkeiten der Bevölkerung) seien wichtiger
als die Inputs (der Umfang der in Anspruch genommenen Weiterbildung). Die Bildungsstatistiken
seien sehr input-orientiert. Informelle oder Alltagsfertigkeiten gewönnen in einer flexiblen
Wirtschaft zunehmend an Bedeutung. Informelle Wege des Lernens (quality circle,
Arbeitsplatzrotation) nähmen zu und seien für Outputfaktoren wie Alltagsfertigkeiten entscheidend.
Diese könnten in den Bildungsstatistiken nur schwer erfaßt werden, dennoch sollten sie nicht
unberücksichtigt bleiben. Die Berufsbilder veränderten sich, neue Fertigkeiten seien gefragt und
neue Hybrid-Berufsbilder bildeten sich heraus. Die Arbeitsmärkte würden internationaler, und
dadurch würde es zunehmend erforderlich, die Flüsse des Humankapitals für die Statistiken der
allgemeinen und beruflichen Bildung und die Abwanderung der gut Ausgebildeten in andere Länder
zu erfassen. Regierungen neigten eher dazu, Arbeitsmarktprogramme zu evaluieren, deshalb seien
langfristige vertikale Daten notwendig.
Lex Herweijer aus den Niederlanden stellt eine Untersuchung über die Korrelation zwischen dem
Bildungssystem und dem Arbeitsmarkt im niederländischen öffentlichen Sektor vor. Aus dieser
Studie ergibt sich ein Bild der Überqualifikation und der Ausbildungsmängel von Schulabgängern,
die für den öffentlichen Sektor ausgebildet werden; die Korrelation zwischen der Berufsausbildung
und der Laufbahn dieser Schulabgänger wird hergestellt; es werden Faktoren identifiziert, die die
Entscheidung für eine Ausbildung für eine Laufbahn im öffentlichen Sektor beeinflussen, und
Einblicke in die Wahrnehmung der Arbeit und die Attraktivität einer Laufbahn im öffentlichen
Sektor gewährt. Herr Herweijer erwähnt die Schwierigkeiten, Zugang zu detaillierten Daten für
Wissenschaftler zu erhalten. Es seien wenige oder keine Informationen über subjektive Faktoren
wie die Motivation der Auswahl, die Wahrnehmung, die Bewertung von Lehrgängen und
Berufsbildern von Seiten der Studenten und die Zufriedenheit mit der Arbeit auf Seiten der
Arbeitnehmer erhältlich; lebenslanges Lernen sei ein noch unbekannter Bereich.
Jordi Planas aus Spanien berichtet über die Schnittstelle zwischen beruflicher Bildung und
Beschäftigung, wie diese in den einzelnen Ländern unterschiedlich gestaltet seien und sich
veränderten, dass es unterschiedliche Methoden des Erwerbs und der Anerkennung von formalen
und informellen Fertigkeiten und Fähigkeiten gebe und dass sie in den Statistiken kaum zu finden
seien. Die Beschäftigungsstatistiken stützten sich auf die Beschäftigungspolitiken und die
Bildungsstatistiken auf die Bildungspolitiken. Es gebe keine Verbindung zwischen diesen beiden
Bereichen und somit auch nur wenige Daten. Die Forschung müsse die bereits vorhandenen
Datenquellen miteinander kombinieren und auch neue Systeme und Werkzeuge zur Sammlung von
Informationen entwickeln.
208
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Herr Paparella aus Italien spricht über das Projekt zum Bedarf an beruflicher Weiterbildung, das
noch nicht abgeschlossen sei und darauf abziele, einen Prozeß zur Überwachung der Nachfrage
nach beruflichen Fertigkeiten zu formulieren und zu testen, der kontinuierlich aktualisiert und
verbessert werden könne, um das Weiterbildungssystem mit einer „nützlichen Intelligenz“
auszustatten, so dass der Umfang und der Inhalt des Weiterbildungsangebots auf den operationellen
und Entwicklungsbedarf des Produktionssystems und des Arbeitsmarktes ausgerichtet sei und der
Weg für die Früherkennung von Bedürfnissen im Weiterbildungssystem geebnet werde. Die
Erhebung sei ein ständiger Dialog zwischen den Sozialakteuren, lokalen Gremien und den
Einrichtungen zur allgemeinen und beruflichen Bildung und stelle den Informationsbedarf der
einzelnen Systeme fest. Die Klassifizierung der Produktionsaktivitäten und Berufe und die
Informationen über einzelne Firmen müssten jedoch aktualisiert werden.
Teil 3 Schlußfolgerung und Empfehlungen
Herr Skaliotis von EUROSTAT kommt zu dem Schluß, dass EUROSTAT sich auf dem richtigen
Weg befinde, wenn es eine Task Force zur Auswertung des lebenslangen Lernens einrichte. Ein
konzeptioneller Rahmen umfasse alle - auch die nicht meßbaren - wichtigen Aspekte des
lebenslangen Lernens. Die Erhebung über Arbeitskräfte (Labour Cost Survey - LSF) und das
Europäische Haushaltspanel (Community Household Panel - ECHP) lassen Verbesserungen zu. Er
denke dabei an die Einrichtung eines Ad-hoc-Moduls zum lebenslangen Lernen in der Erhebung
über Arbeitskräfte. Die Harmonisierung der Daten sei von ebenso großer Priorität wie ihre
Zeitlosigkeit.
Prof. Psacharopoulos führt den Vorsitz des Runden Tisches und versucht, die Zuhörerschaft zu
provozieren. Statistiken sollten viel eher verfügbar sein, sie sollten in erster Linie von politischer
Relevanz sein, und es sollte eher weniger Statistiken geben und nicht mehr. Er glaubt nicht an die
Möglichkeit von vergleichbaren Daten der einzelnen Länder, die Schlüssigkeit innerhalb eines
Landes sei wichtig, so dass Entwicklungen erkennbar seien. Er fordert, dass eine rigorose
Evaluierung der Daten ermöglicht werden sollte. Frau Descy vom Cedefop bezweifelt die
Möglichkeit, Lernkompetenzen messen zu können. Herr Lassnigg, Österreich, hält die Daten über
den Übergang von der Schule zum Erwerbsleben für zu oberflächlich, es sollten weitere
Untersuchungen angestellt werden; für die Integration der administrativen und Erhebungsdaten
sollten Akzeptanzsysteme eingerichtet werden und man solle aus den neuen Theorien im
Wissensmanagement lernen. Herr van Uitert aus den Niederlanden plädiert für mehr Kontakte
zwischen den Anwendern und Herausgebern von Statistiken, wovon beide Seiten profitieren
würden. Herr Graversen aus Dänemark unterscheidet zwischen den schnellen Daten, die nicht sehr
genau seien, und den genauen Daten, die von der Wissenschaft benötigt würden, wobei die
Zeitlosigkeit nicht sehr wichtig sei. Herr Drymoussis von der Europäischen Kommission weist
darauf hin, dass die Kommission einen jährlichen Indikatorbericht vorbereite, der eine Übersicht
über die Aspekte der beruflichen Weiterbildung in der Beschäftigung gebe. Das lebenslange Lernen
sei ein Thema, mit dem man sich auf dem letzten Gipfel in Lissabon ausführlich befaßt habe. Eine
gründliche Beurteilung und Evaluierung werde nach 2,5 und 5 Jahre erfolgen.
Prof. Frey, Vorsitzender des Unterausschusses, faßt die Ergebnisse des Seminars zusammen. Seines
Erachtens sei der systematische Ansatz in den Statistiken zur beruflichen Bildung wichtig, müsse
jedoch aufgewertet werden. Die Erhebung über Arbeitskräfte sei ein zentraler Pfeiler dieses
Systems. Für die Erhebung über Arbeitskräfte werde ein durchgängiges Programm von Modulen
empfohlen. Das ISCED sollte in Beziehung zur ISCO umgesetzt werden. Ein System von MetaDaten sei erforderlich, in denen die Methoden, Definitionen und Klassifizierungen klar beschrieben
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
209
werden. Die Bemessung des lebenslangen Lernens entlang der drei von EUROSTAT
vorgeschlagenen Dimensionen, und zwar dem Lernraster, dem Wissensraster und dem Raster des
sozialen und wirtschaftlichen Hintergrunds, werde unterstützt. Regionale Besonderheiten und
spezifische Gruppen (z.B. ältere Menschen und ethnische Minderheiten) sollten besonders
berücksichtigt werden. Schließlich müsse der Zugang zu den Daten für die Anwender und
Kundenorientierung der Daten vereinfacht werden.
Herr Lamel, stellvertretender Vorsitzender von CEIES, dankt den Teilnehmern und den Rednern für
ihre Beiträge und Cedefop, das dem Ausschuß die Tagungsfazilitäten zur Verfügung gestellt hat,
und beendet das Treffen.
210
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Teilnehmerliste
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211
212
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
TEILNEHMERLISTE
Eurostat
Laurent Freysson
Nicole Lauwerijs
Joseé Nollen
Michail Skaliotis
Cedefop
P. Descy
Marie Jeanne Maurage
J. van Rens
S. Stavrou
CEIES
Margit Epler, Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte –
Statistische Abteilung
Luigi Frey, CERES
Ellen Horneland, Norwegian Confederation of Trade Unions
Joachim Lamel, Bundessektion Industrie, Wirtschaftskammer
Österreich
Fernando Marques , Gabinete de Estudos da CGTP-IN.
Henrik Bach Mortensen, Danish Employers' Confederation
Ineke Stoop, Social and Cultural Planning Office
Europäische Kommission Ioannis Drymoussis, DG Employment and Social Affairs
Ettore Marchetti, DG Education and Culture
Autriche
Lorenz Lassnigg , Institute for Advanced Studies
Arthur Schneeberger, Institute for Research on Qualification and
Training of the Austrian Economy
Belgien
Kris Degroote, Conseil Central de l’Economie
Sigrid Dieu, FOREM
Dänemark
Ebbe K. Graversen, The Danish Institute for Studies in Research and
Research Policy
Lars Borchsenius, Statistics Denmark
Estland
Katrin Jõgi, Estonian Ministry of Education
Finnland
Pekka Myrskyla, Statistics Finland
Kaija Ruotsalainen, Statistics Finland
Frankreich
Bernard Fourcade, Université des Sciences Sociales, LIHRE
G. Lemaitre, OECD
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
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Griechenland
Georges Psacharopoulos, University of Athens
Dimitrios Kavakas, American College of Thessaloniki
Christos Tzimos, National Statistical Service of Greece
Prof Evangelia A. Varella, Aristotle Unviersity of Thessaloniki
Mrs Paraskevi Zigra , Ministry of National Education and Religious
Affairs
Michael Litsardakis, Univeristy of Macedonia
Eleni Kechri, Ministry of National Education and Religious Affairs
Anna Konstantinidou, Ministry of National Education and Religious
Affairs
John Georgiades, Marketing Intelligence Specialist
Roger Fox, Foras Áiseanna Saothair (Training and Employment
Authority)
Italien
Aurea Micali, ISTAT
Domenico Paparella, CESOS
Cristina Berliri, ISOFOL
Barbara Buldo, Committee for the Guarantee of Statistical Information
- Council of Ministers
Claudio Franzosi, ISOFOL
Paola Stocco, ISOFOL
Natalija Zimina, uropean Training Foundation (National Observatory
in Lithuania)
Cesare Imbriani, stituto di Economia e Financza Roma “La Sapienza”
Madeira
João José Silva Martins, Direcção Regional de Estatística
Die Niederlande
L. Herweijer, Social and Cultural Planning Office
C.J. (Kees) van Uitert , Deputy director of ABU
Max van Herpen, Statistics Netherlands
Norwegen
Jonny Einarsen, Statistics Norway
Helge Næsheim, Statistics Norway
Slowenien
Suzana Gerzina, Centre for Vocational Education and Training,
National Vet Observatory
Dušanka Lužar, Human Resource Development Fund
Sonja Pirher, Employment Service of Slovenia
Jadranka Tuš, Statistical Office of the Republic of Slovenia
Spainien
Jordi Planas, ICE-GRET
Teresa Guardia , S.G. Estadísticas Sociales y Laborales
Rosario Martin Herranz, Ministerio de Trabajo y Asuntos Sociales
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10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
Schweden
Ronnie Andersson, Statistics Sweden
Anna-Karin Olsson, Statistics Sweden
Sven Sundin , National Agency for Education
Schweiz
Anna Borkowsky , Swiss Federal Statistical Office
Tschechische Republik
Jan Koucky, Ministry of Education
Miroslav Prochazka, Institute for Information on Education
Vereinigtes Königreich
Chris Littler, DfEE, Analytical Services
10th CEIES Seminar – Die Statistik der allgemeinen und beruflichen Bildung
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