Italien 2003, Teil 2

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Italien 2003, Teil 2: Sardinien
Silvanas Reisejournal
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Sardinien
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27. Oktober 2003, Civitavecchia (Italien, Westküste) Olbia -Capo Testa - Aggius (Norden Sardinien)
Cimitero dei Sassi
Als ich von der Fähre fuhr, winkten sie mich erst mal auf die
Seite. Schäferhunde und eine Kontrolle waren dort. Hoppla,
mache ich einen unseriösen Eindruck? Ein junger Typ kam
zu mir ans Fenster und wollte meinen Pass sehen. Er fragte
mich, ob ich alleine reise, ob ich Haschisch dabei hätte, wie
lange ich bleiben und wohin ich fahren wolle. Bei der Frage
nach Haschisch lachte ich nur und sagte, nein, das sei schon
eine Ewigkeit seither. Er war sehr freundlich und liess mich
weiterziehen, nachdem er mir noch den besten Weg raus
aus Olbia Richtung Arzachena erklärt hatte.
Mich begeisterte sogleich die Landschaft Sardiniens. Karg
und felsig, aber weit und offen und ein Himmel bei dem irgendwie alles möglich schien. Die Felsen sind meist abgerundet bzw. abgeschliffen, sind
über die ganze Gegend wild verstreut, mal hat es seltsame Anhäufungen von kugeligen Felsen, wie von Hand zusammengeschoben, dann wieder
spitzige hochgeschachtelte Felsen, wie Dominosteine.
Ich fahre ganz in den Norden zum Capo Testa. Dort, am nördlichsten Punkt des
Festlandes Sardiniens gibt es die schönsten Granitverwitterungen (laut Wanderführer). Es
sei eine der grössten Naturschönheiten auf der Insel und heisst cimitero dei sassi
(Friedhof der Steine).
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Und wirklich, es ist atemberaubend schön. Steine haben mich schon immer fasziniert und
hier ist es fast magisch. Wind, Brandung, Salzgischt und Temperaturwechsel modellierten
über Jahrmillionen eine Landschaft, als hätten Riesen mit Knetmasse gespielt.
Auch Zorro hat seinen Spass und hüpft mit mir von Stein zu Stein.
Durch Zistrosen und Ginster, die leider schon verblüht schlängele ich mich Hänge hinauf
und hinunter. Immer wieder bieten sich mir grandiose Anblicke. Es ist ausser mir, so
scheint es, keine Mensch hier. So liebe ich es, alleine durch die Natur zu streifen.
Am Ende der Wanderung komme ich ins Vale di Luna, wo sich ein paar Hippies
eingerichtet haben. Felsnischen scheinen ihnen genügend Schutz vor Wind und Wasser zu
bieten. Eine Wiese, mit grosser Feuerstelle in der Mitte ist der Talboden, welcher von
Felsen in urtümlichen Formen eingefasst wird. Überall sehe ich Figuren und Gestalten in
den Felsen.
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Ein guter Auftakt für Sardinien, befinde ich. Ich mache am Parkplatz Mittagspause, wo
jede Menge Katzen umherstreichen. Sie sehen aber alle gute genährt aus, offenbar haben
sie ein gutes Auskommen mit den Touristen, die regelmässig hierher fahren. Gut bin ich
ausserhalb der Saison hier. Auf der Fähre war lediglich noch ein weiteres Womo.
Ich fahre weiter Richtung Süden. Die Sonne scheint und es ist warm. Entlang der Küste
fahre ich bis zur Isola Rossa, welche mir schon von weit oberhalb rot aus dem blauem
Meer anlacht. Ich fahre hinunter und gehe mit Zorro am Strand spazieren. Es liegen
lauter braune Kugeln am Strand. Ich glaube, sie entstehen, wenn am Strand Schilf wächst
und das Schilfhaar sich mit dem Sand verbindet. Vom ewigen Hin- und Herkugeln am
Strand entstehen dann wohl mit der Zeit solche Kugeln (sie kommen offensichtlich doch
nicht von den Kühen, was ich früher mal geglaubt hatte...).
Von Isola Rossa fahre ich östlich ins Land hinein. Die Strasse windet sich in engen und
steilen Kurven die Berge hinauf. Vor Aggius gibt es eine Ebene, welche Valle della Luna
(schon wieder) heisst. Die Gegend sieht wrirklich wie eine Mondlandschaft aus. Morgen
will ich hier eine Wanderung unternehmen. Doch für heute heisst es erstmal Einkaufen
und Übernachtungsplatz finden. Bis jetzt habe ich jede Menge Campingverbotstafeln
gesehen. Auch an Ortseingängen heisst es immer wieder, dass es auf dem ganzen Gemeindeboden verboten ist zu campieren. Das verunsichert
mich. Wo soll ich denn was finden, wenn ich nicht gerade an der Strasse übernachten will! Ausserdem hat es überall diese sogenannten Tancas,
niedrigen Trockenmauern, welche die Insel wie ein Netz überziehen. Dazu ein bisschen Geschichte: 1820 bestimmte der sardische König Carlo Felice
mit der "tanca de bonde", dass jeder die Erde, die er bewirtschaftete, behalten dürfte, falls sie abgesteckt sei. Diese Privatisierung war fatal für die
nomadisierenden Hirten, welche von der Wanderschäferei lebten. Sie gerieten in Armut und Kriminalität. Lange Zeit drehte sich eine grausame
Spirale aus blutigen Raubzügen, staatlicher Verfolgung und Selbstjustiz.
Gegen Abend entschliesse ich mich dann doch auf dem Hügel vor dem Valle della Luna auf einem Parkplatz an der Strasse zu übernachten. Anfangs
war ich noch ein wenig nervös, doch es legte sich im Laufe des Abends und schlief durch, ohne einmal aufzuwachen.
28. Oktober 2003, Aggius - Torralba (im Valle dei Nuraghi, Nähe Nuoro)
Es giesst aus allen "Löchern"
Der heutige Morgen hat es in sich! Zuerst bislet mit Zorro ins Womo, dann pisst es
draussen so arg, dass ich meine Wanderung glatt abschreiben kann und dann vergesse
ich auch noch das Fenster oben über dem Alkoven zu schliessen, so dass die Matratze und
das Pyjama nass wird!
Das mit Zorro war mein eigener Fehler. Das habe ich gecheckt, als ich nachrechnete, wie
viele Stunden er drin war! Ich ging früh zu Bett, vergass später nochmals mit ihm
rauszugehen und schlief am morgen bis halb acht. Er musste also fast 12 Stunden
ausharren! Als er dann am morgen ganz aufgeregt umher hüpfte (dass tut er des öfteren,
aber normal vor lauter Vorfreude) und ich mich selbst mal zuerst auf den Hafen setzte,
geschah es. Er ging in die Hocke und bislete wie ein Mädchen auf dem Teppich vor dem
Eingang. Ich schrie auf und rief Nein, aber es war natürlich schon zu spät. Schnell ging ich
mit ihm hinaus, total verärgert, bis ich dann eben nachrechnete, dass er es wohl kaum
mehr aushalten hat können! Was soll's, es war schnell sauber gemacht.
Der Morgen war total verhangen und es regnete immer ärger. Trotzdem wollte ich diese
Wanderung machen. Ich würde mich halt gut einpacken, so dachte ich, und schliesslich
mag ich es, wenn am Himmel oben was los ist....
Aber es dauerte keine halbe Stunde draussen im Regen und ich war an den Beinen
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komplett durchnässt. Regenhosen, ja das wäre es jetzt. Aber solche habe ich dummerweise nicht dabei. Also kehrte ich um. Als ich zurückkam,
entdeckte ich, dass ich das Lukenfenster über dem Alkoven offen gelassen hatte! Mein Pyjama war nass geworden und auf dem Bett prangte ein
grosser nasser Flecken. Na prima! Was ist denn heute eigentlich los? Muss denn alles baden gehen, oder was?!
Wenn ich fahre, sitzt Zorro ja neben mir oder unten im Fussraum beim Nebensitz. Und
manchmal, da nimmt er Stellungen ein, die mich zum Lachen bringen. Ich muss dann
aufpassen, dass ich vor lauter fasziniertem Zorro anschauen in den Graben fahre!
Die Gegend ist so grau in grau, dass die Kakteen mit ihren roten Früchten richtig
auffallen.
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Ich beschloss, weiter zu fahren. Richtung Süden, in tausend Kurven dem Monte Limbara
(den ich auch gerne bestiegen hätte!) entlang durch endlose und dichte Macchie.
Am Lago del Coghinas machte ich Mittagspause und einen Spaziergang entlang dem See.
Währenddessen riss der Himmel langsam auf. Auf der Strecke bis Torralba (nördlich von
Macomer) war es mal sonnig, mal regnete es.
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Als ich durch das Dorf Oschiri fuhr, immer auf der Suche
nach "wo geht es jetzt weiter", sah ich dieses Wandbild,
dass ich unbedingt fotografieren wollte. Es war etwa 2x4m
gross und beeindruckte mich vor allem durch die Farben und
den Stil.
Ausserhalb Torralba, wo ich morgen eine Wanderung machen möchte, sofern Petrus so
gütig ist und es nicht allzu stark regnen lässt, stelle ich das Womo neben einer Kirche und
neben einer kleineren Nuraghe, abseits der Strasse, hin. Ich denke, hier ist ein günstiger
Übernachtungsplatz.
Die Nuraghen, Rundtürme, die wohl als Festungen und Wachtürme dienten, vielleicht aber
auch als Vorratskammern oder Versammlungsräume, stammen aus der Nuraghenkultur,
welche 1800 v. Chr. für 1300 Jahre Sardinien prägte. Allerdings weiss man kaum etwas
über dieses Volk.
Vom Weg, der weiter durch abgeerntete Felder führt sieht man Richtung
Norden verschiedene Vulkankegel und niedrige Tafelberge. Die Ebene hier
nennt sich Valle dei Nuraghi. Wird aber auch sardische Auvergne genannt.
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Kurz vor dem Abendessen marschiert eine Schafherde (hm, feiner Pecorino sehe ich da
vorbeilaufen..) mit Hirte vorbei.
29. Oktober 2003, Torralba - Oliena (bei Nuoro)
Endloser Regen und endlose Eichenwälder
Ein bisschen Geschichte: In dieser Gegend treffen drei Landschaftsformen zusammen:
Weite Talbecken, Tafelberge und kleine Vulkankegel. Es gab zwei Vulkanphasen (so etwa
20 -10 Mio. Jahre vor unserer Zeit): in der ersten hat ein Flachmeer die durch die
Drehung Sardiniens entstandenen Grabenbrüche mit Sediment (Mergel, Sandstein und
weicher Kalk) gefüllt. In der zweiten Vulkanphase spieen die jungen Vulkankrater
Basaltlava über das Land. Dort wo diese Decken durch Erosion nicht abgetragen worden
sind, blieben Tafelberge zurück.
Die Nacht war ein bisschen stressig. Einmal fuhr ein Auto vor und wendete wieder.
Vermutlich jemand, der das Licht gesehen hatte und nachschauen wollte, was da los ist.
Aber ich hatte trotzdem ein ungutes Gefühl. Ständig horchte ich auf alle Geräusche. Ich
hatte das Gefühl, dass es auch Zorro so ging. Er war ebenso unruhig wie ich. Einmal
knurrte er irgendetwas an. Aber es war so absolut dunkel, dass man rein gar nichts
erkennen konnte. Irgendwann schlief ich dann doch ein, stand aber schon wieder früh am
morgen auf.
Heute will ich ja unbedingt durch diese Landschaft wandern und mir die Nuraghe aus der Nähe anschauen. Aber ich werde schon bei der ersten, der
Santu Antine enttäuscht, denn das Tor ist verriegelt. Ob ich wohl zu früh dran bin? Es ist gerade mal acht!
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Egal, ich marschiere weiter, querfeldein durch Weidefelder entlang den Tancas und teilweise
auch den Strassen. Aber das Wetter meint es nicht gut mit mir. Wir sind kaum eine Stunde
unterwex, als es anfängt zu regnen, zuerst nur immer wieder ein paar kurze Schauer, die Sonne
löst sich mit den schwarzen Wolken immer wieder ab. Aber dann kommt es so richtig heftig.
Und blauer Himmel ist schon bald gar keiner mehr zu sehen. Wir kehren um. Das hat so keinen
Sinn, bin jetzt schon wieder bis auf die Haut nass. Wenn ich doch, verflixt, bloss Regenhosen
hätte! Ein Regenbogen begleitet uns zum Trost zum Womo zurück.
Bei diesem Wetter kann ich jede Wanderung vergessen. So ein verflixtes Pisswetter! Ich bin
richtig frustriert und auch entmutigt. Wenn das nun die ganze Zeit so weitergeht? Das Wetter
ist wirklich komplett unberechenbar. Es wechselt innert Kürze und man weiss nie, was als
nächstes kommt! Jammer!
Ich fahre ein kurzes Stück, um an einem Platz abseits der Strasse Mittagspause zu
machen. Esse einen Salat und versuche mich zu entspannen. Das regelmässige Essen
bringt mich wieder auf den Boden zurück. Das habe ich von Dominik gelernt. Auch wenn
es drunter und drüber geht oder einem schlicht die Lust vergangen ist, was zu essen,
dann gerade bringt es wieder eine Art Ordnung rein. Ich spüre auf alle Fälle, dass es mir
gut tut.
Unterwex sehe ich diese Schafe, die wie in einem Tanz sich über einen Strohhaufen
hermachen. Es sah zum Lachen aus!
Die Weiterreise bringt mich zur Stadt Nuoro, wo ich eigentlich auf den Monte Ortobene
wollte. Doch ich hatte keine Chance, diesen Hügel zu finden. Dann kam ich auch noch in
eine Baustelle und musste superknapp um die parkierten Auto zirkeln, so dass ich quasi
fluchtartig diese Stadt wieder verliess. Dummerweise geriet ich auf die Bergstrasse am
Monte Tiria. Die Strecke ist zwar schön aber endlos. Es geht in tausend Kurven durch
Eichenwälder noch und noch. Witzig waren die "Haustiere", welche überall frei in der Gegend rumtrampelten: Kühe, Esel, Schweine, Schafe, Ziegen.
Alle ohne Zaun oder sonstige Beinsperren. Verlockend wäre es schon gewesen, hier oben zwischen den Eichen zu campieren. Aber ich habe mich
nicht getraut. Irgendwie hat man das Gefühl, das der nächste Mensch erst wieder nach 20km zu finden wäre.
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Verrückt war das Dorf Orune anzusehen, wie es da mit seinen farbigen Häusern auf einem
Felsen oben thronte, tief unter sich das Tal und weit hinten die nächste Bergkette.
Ich war wohl heute den ganzen Nachmittag am Steuer. Gar nicht lustig! Vor allem, wenn
man auch noch beständig nach der richtigen Strasse Ausschau halten muss. Aber was soll
es. Schlussendlich bin ich doch noch an meinem heutigen Ziel angelangt: dem Kloster
N.S. di Monserrato. Leider war das Tor zum Klosterpark geschlossen (scheint auch nur ein
Saisonbetrieb zu sein...). So parkierte ich halt meine Karosse davor. Als ich ankam, hatte
der Himmel gerade den Blick freigegeben auf die Wahnsinnskulisse des Sopramonte! Ob
er sich mir morgen nochmals zeigt? Diese Nacht werde ich in seiner Obhut verbringen. Ich
hoffe, sie wird ruhiger als die letzte.
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30. Oktober 2003, Oliena - Lago di Gusana (in den Monti del Gennargentu)
Barbagia Ollolelai - Murales in Orgosolo
Der Morgen wird schnell schöner. Der Himmel reisst auf und gibt den Blick frei auf die
umliegenden Berge, sie sind imposant. Und es sind so viele. Hier oben ist man wie
umzingelt von ihnen.
Ich fahre Richtung Orgosolo und muss immer wieder fragen, ob ich auf der richtigen
Strasse bin. Des öfteren fehlen Strassenschilder. Sie sind schlicht nicht oder nicht mehr
da.
Hab mal ein paar Zahlen zusammengetan: gestern habe ich irgendwann 50'000 km
überschritten. Seit ich losgefahren bin, habe ich nun also in 30 Tagen 2000 km mit etwa
230 Liter Diesel für ca. CHF 320.00 gemacht! Insgesamt habe ich fast 1000 Euro für
meinen Unterhalt verbraucht! Viel zu viel! Ich bin baff, rechne es nochmals nach, aber es
stimmt! Na, mal abwarten, bis Ende Jahr sieht die Rechnung dann vielleicht ein wenig
anders aus. Tatsache ist aber, dass, wenn gewisse Kosten nicht geteilt werden können,
sie ganz schön ins Gewicht fallen!
Gemütlich tuckere ich über die Land- bzw. Bergstrassen, rauf und runter und, wie schon
ein paar Mal erwähnt, in tausend Kurven. Sardiniens Hinterland besteht, so scheint mir,
fast nur aus Gebirge.
Überraschend ist auch, wie viele Wiesen der Regen in leuchtendes Grün verwandelt hat. Es scheint nach langer Trockenheit frisch zu spriessen.
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Ich fahre also in die Barbagia Ollolai hinein. Barbagia nennt man das zentrale und östliche
Bergland. Es war früher nur schwer zugängliche Hochlagenregion mit dichten Eichen- und
Kastanienwälder. Hierher zogen sich die Urbewohner bereits vor den Römern zurück und
bewahrten sich ihre alten Bräuche. Den Namen erhielt das Gebiet von den Römern, für die
dort die zurückgebliebenen "Wilden" oder "Barbaren" wohnten.
In Orgosolo, früher das berüchtigste Banditennest Sardiniens, inmitten der Barbagia, einer der
ärmsten Regionen der Insel sind viele Murales (Wand- oder Hausmalereien, wie sie in Mexiko
entstanden) zu bestaunen. Sie zeugen von der Geschichte der sardischen Ausbeutung und des
Überlebenskampfes der Hirten. Es hat aber auch viele andere Themen, moderne wie auch
unpolitische.
Bis 1950 hatte Orgosolo einen zweifelhaften Ruf. Dann aber zeigte es sich, dass der
Zusammenhalt solch ursprünglicher Dorfgemeinschaften sich bewährte: sie verhinderten 1969
die Umwandlung ihres Weidelandes auf der Pratobelloebene in einen Truppenübungsplatz - sie
legten sich einfach mit ihren Herden auf die Wege. Dieser erfolgreiche passive Widerstand
machte in ganz Italien Schlagzeilen!
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Die Murales sind enorm eindrücklich. Sie leuchten in kräftigen Farben riesengross von den
Wänden. In allen Gassen begegnet man ihnen. Es wird einem fast zuviel ab all der
anklagenden Ausdrucke. Mit der Zeit erkennt man den Künstler mit seinem eigenen Stil.
Es ist faszinierend und energieraubend. Leider versteh ich kaum die Sätze, die da an den
Wänden stehen und das was die Bilder schon eindrücklich aussagen noch verbal
unterstreichen.
Ich fahre hinauf zur Pratobelloebene, wo vor gut 30 Jahren eben der passive Widerstand stattgefunden
hatte. Heute weiden dort oben zwischen den Steineichen wilde Pferde, Schweine und Kühe. Zorro hat
herausgekriegt, dass er die Schweine getrost ankläffen kann und ihm dabei nichts passiert. Er bleibt aber
auf vernünftigem Abstand, denn, ich glaube, allzu lange lässt sich das so eine Sau auch nicht gefallen!
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Mittagspause mache ich an einem Gigantengrab. Das ist eine grosse
Gemeinschaftsgrabstätte der Nuragher. Ich muss aber gestehen, dass ich diesen
Felsarrangements nichts abgewinnen kann. Natürlich ist es bemerkenswert, wenn man
bedenkt, dass sie damals ohne Werkzeuge und Hilfsmaterialien Bauten erstellen konnten,
welche bis in die heutige Zeit überdauerten. Aber irgendwie sagen mir diese Ort nicht so
richtig zu. Ich stehe da und kann es nicht wirklich schätzen. Vielleicht weiss ich zuwenig
darüber.
Zum Übernachten fahre ich an den Lago di Gusana. Der Weg führt über das
höchstgelegene Dorf Sardiniens, Fonni, auf 1000müM.
Wäre es Sommer, wäre so ein See sicherlich ein lohnender Platz, um zu bleiben. Aber es
bläst ein eiskalter Wind und der Himmel macht schon wieder auf Trauer. Ich suche mir
einen Platz am See, leider direkt an der Strasse, aber Besseres gibt es nicht. Alles, was
abseits der Strasse ist, ist völlig aufgeweicht und für mein Womo ein gefährlicher Sumpf.
Ich richte mich also hier an der Strasse ein und habe ein bisschen ein mulmiges Gefühl.
Dauernd höre ich das Knallen von Jägergewehren und das Heulen von Hunden.
Kurz vorher war ich mit Zorro beim See unten und sah einen Typen, war wohl ein Jäger.
Er hatte einen Patronengurt um die Hüften und machte einen überraschten und
verlegenen Eindruck. Ich blieb nicht lange und schaute, dass ich wieder wegkam. Dieser
Typ nun geisterte durch meine Fantasie und liess mir keine Ruhe. Ich bin da wirklich
schlimm!
Ein bewölkter Himmel macht irgendwie aus jeder Gegend, und sei sie noch so schön,
einen unfreundlichen Ort.
Als ich dann später geduscht und Haare gewaschen hatte, ging es mir besser. Die Angst
hielt mich nicht mehr arg gefangen. In solchen Momenten frage ich mich allerdings schon,
was ich mir hier eigentlich antue. Aber, wenn es dann wieder hell ist, dann denke ich,
jede Angst, die ich irgendwie meistere, ist eine Angst weniger. Und ich weiss aus
Erfahrung, dass ich einfach genügend gute Erfahrungen brauche, um mich sicher zu
fühlen.
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31. Oktober 2003, Lago di Gusana - S. Maria Navarrese (bei Arbatax, Ostküste)
Runter an die Wärme
Das Wetter ist nicht besser. Der Himmel ist bewölkt und ich kann die Wanderung auf den
La Marmora vergessen. Ebenso jene auf den Monte Tonneri. So ein Mist! Solange das
Wetter so unbeständig ist bringt es gar nichts, hier in den Bergen zu bleiben.
Ich fahre also, über ein paar Pässe durch Wälder und in tausend Kurven (halt immer
noch, sorry) runter an die Ostküste.
Mittagspause mache ich an einem idyllischen Platz, wo wieder Pferde, gepunktete
Schweine und zottlige Kühe zusammen weiden. Ein kurzer Spaziergang runter an den
Bach, wo es so schön wäre, wenn nicht alles vom Regen versumpft wäre, versöhnt mich
wieder mit Sardinien (war schon damit beschäftigt, es zu verfluchen!).
Gestern habe ich mit Duschen meinen Wasservorrat ziemlich erschöpft und da ich sowieso
runter an die Küste fahre, wäre es geschickt, vorher noch Bergwasser zu tanken. Es ist
nicht schwierig, in den Bergen Sardiniens Wasser zu finden, wohlverstanden gutes
Wasser. Dummerweise habe ich immer noch keine Spritzkanne gekauft, und der
Wasserstrahl vom Brunnen hat keinen Druck, sodass ich mit dem Schlauch nicht tanken
kann. Bedeutet also, Kanister zu füllen und zu schleppen. Aber kein Problem. Wenn es
etwas gibt, was ich zur Genüge habe, dann ist das Zeit! Vorher lasse ich noch alles alte
Wasser aus dem Frischwassertank raus.
Nördlich von Arbatax fahre ich der Küste entlang und lande in S. Maria Navaresse.
Mittlerweile ist es 22° und die Sonne scheint! Mein Herz lacht! Endlich. Und gute
Stellplätze hat es hier auch. Da die Saison vorbei ist, ist es geradezu eine Wonne, an
solchen Orten sich Plätzchen zu suchen. Sei es im Café, ein Parkplatz, an der Beach oder zum Schlafen. Überall Platz genug und kein Massenrummel!
Ach, gut bin ich hierher gekommen!
In einem Eisenwarenladen kaufe ich endlich eine Giesskanne. Einen CEE-Stecker (brauch ich für Campingplätze) finde ich ebenfalls. Mit Händen und
Füssen versuche ich zu erklären, dass ich Sicherungen für mein Womo suche. Am Ende sind alle, inklusive anwesende Kunden, dabei, sich
vorzustellen, was ich wohl meine...! Aber im Sortiment führten sie es leider doch nicht.
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Am Nachmittag fahre ich zu den nur 3km entfernten Feenhäusern, den Domus de janas.
Es sind Felsengräber der frühen Sarden (Kupferzeit, vor 5500 - 4500 Jahren), worin sie
ihre Toten bestatteten. In der sardischen Sagenwelt heissen sie Feenhäuser. Die
Kammern wurden in mühsamer Handarbeit mit Steinbeilen aus dem Fels gehauen und im
Laufe der Jahrhunderte zu regelrechten Wohnhausimitationen mit Dachsparren,
Stützpfeilern und Herdstellen erweitert.
Ich war ganz bezaubert von diesen Kammern, Wohnungen oder Gräbern, wie auch immer
man es ansehen mag. Die Kammern waren jeweils so angelegt, dass sie einen schönen
Vorplatz hatten und weite Sicht in die Gegend ermöglichten. Die Toten mussten sich in
einer Art Embryostellung befunden haben, um in so einem Grab Platz zu finden. Es wirkte
alles sehr weiblich und harmonisch auf mich. Es war ein wundervoller Platz, den ich richtig
aufgesaugt habe.
Als ich an den Strand fuhr, traf ich auf eine ältere Frau aus Deutschland. Ihr Mann lag im Krankenhaus irgendwo in den Bergen und sie musste auf
ihrem Schiff warten, bis er wieder fit war. Sie klagte über den starken Seegang, konnte mir aber auch sagen, dass morgen ein Feiertag (logo,
Allerheiligen, voll vergessen!) sei und alle Läden geschlossen sein würden. So ging ich also nochmals los, um Einzukaufen und (meine letzten?) Zigis
zu holen.
Zum Abendessen gab es frische sardinische Ravioli und frische Wiesenchampignons. Dazu ein Glas Chianti! Jetzt geht es mir wieder prächtig. Der
Wind hat ebenfalls nachgelassen und draussen herrschen immer noch sympathische 17°.
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1. November 2003, S. Maria Navarrese
Nichtstun
Das war eine ruhige und entspannende Nacht. Hat richtig gut getan. Belgier sind kurz nach mir mit einem gemieteten Womo aufgetaucht und haben
die Nacht ebenfalls auf diesem Stellplatz verbracht.
Den Morgen verbrachte ich mit der Installation von Wandhalterungen für den Besen und den Wanderstock. Zudem wollte ich schon lange die
Seekugeln vom Sand befreien und an einer Schnur aufziehen. Es gibt immer so dies und das zu tun. Auf alle Fälle verging der Vormittag mit solchen
Arbeiten. Am Nachmittag spazierte ich durch das Dorf zum ziemlich neu erstellten Hafen hinüber.
Irgendwann beschloss ich dann auch noch, meine letzten Zigis fortzuwerfen. Schliesslich wollte ich ja keine vierzigjährige rauchende Frau sein, das
hatte ich mir mal geschworen.
Am Abend fuhr dann ein ganzer Konvoi von italienischen Wohnmobilisten auf, die den Platz quasi okkupierten. Wie die Indianer stellten sie ihre
Womos im Kreis auf, sorgten dafür, dass das Licht im Quartier ausging, fragten mich aber auch, ob ich auch Wasser auffüllen wollte. Hoffentlich
schicken die ihre Bambinis nicht zu spät ins Bett! So alte Leute wie ich brauchen schliesslich ihren Schlaf!
Das Wetter war nicht übel heute. Am Morgen schien die Sonne, es war herrlich warm. Am Nachmittag zogen dann zwar dunkle Wolken über den
Himmel aber es regnete doch nicht.
2. November 2003, S. Maria Navarrese - Codula di Luna (nördlich von Arbatax)
Endlich wieder einmal geschwitzt
Der Morgen brachte einen orangefarbenen Sonnenaufgang. Die Sonne verschwand nur
ganz kurz hinter einer Wolkendecke um dann den Rest des Tages, so wie es sich gehört,
warm hinunterzuscheinen.
Ich hatte versprochen, heute meiner Mum anzurufen. Bei der Telefonkabine stellte ich
fest, dass ich keinerlei Münz bei mir hatte. Also fuhr ich ins Dorf, bekam dort Münz, sah
eine Telefonkabine und wollte dort telefonieren. Nur das waren solche, wo es nur mit der
Karte geht. Also bin ich zurück zur ersten Kabine. Aber die hat mein Münz aus
irgendeinem Grund nicht schlucken wollen. Ach, manchmal ist es wie verhext.
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Ich fahre die S125 nach Norden bis Baunei. Von dort führt eine schmale und steile Strasse
hinauf auf das Golgo-Plateau. Ich frage zwei Männer an der Abzweigung, ob die Strasse
wohl für ein Wohnmobil auch gehe. Sie meinten, ja, ja, nur Aufpassen in den Kurven! Na
prima! Aber es ging bestens. Die meisten Kurven in einem Hau.
Die Wanderung, welche ich vorhabe, führt vom Plateau hinunter in die Schlucht Goloritze.
Es ist ein einfacher, nicht zu verfehlender Weg, dem man die Steigung von 550m erst
beim Rückweg anmerkt.
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Den Aguglia Punta Goloritze, diesen Mega-Hinkelstein, sieht man plötzlich nach einer der letzten Kurven vor dem
Meer. Ein paar Deutsche sind am turmhohen Felsen am Klettern.
Der Weg durch die Schlucht führt bis zum Meer, welches in türkisen Farben schimmert. Nur zur Hälfte wage
ich mich ins Wasser. Es ist zwar nicht sehr kalt, aber irgendwie ist es insgesamt zu kühl für ein Bad.
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Schon bald mache ich mich auf den Rückweg und komme endlich wieder einmal so richtig ins
Schwitzen. Das tut gut!
Die Fahrt hinunter vom Plateau ins Dorf mache ich diesmal mit Links. Na klar, alles ist
einfach, wenn man's kennt. Ich muss sogar anhalten und die Strasse raufrennen, um mein
Womo in so einer wunderbaren Haarnadelkurve festzuhalten.
Diese Wanderung hat mir so gut getan, dass ich mich entschliesse noch ein wenig weiter auf
der S125 nach Norden bis zur Codula di Luna zu fahren. Die Strecke sei sowieso eine
wunderschöne, habe ich mir sagen lassen und diese Schlucht muss eine der mächtigsten
Sardiniens sein. Leider werde ich nicht die ganze Schlucht bis zum Meer durchlaufen können,
denn das würde 8 Stunden reine Marschzeit hin und zurück bedeuten. Schiffe fahren um diese
Jahreszeit nämlich keine mehr.
3. November 2003, Codula di Luna - Lido di Orri (südlich von Arbatax)
Von den Bergen zum Meer zurück
Die Nacht war wieder unruhig. Der Wind schüttelte dauernd das Womo durch und ich kam irgendwie nicht zur Ruhe. Wenn ich zum Fenster
rausschaute, konnte ich den Sternenhimmel bewundern und die Berge im Mondlicht leuchten sehen. Kein Licht weit und breit. Ich glaube, ich bin hier
am Ende der Welt. Ringsherum nur steile Berge, tiefe Schluchten und Wälder. Ich fühlte mich sooooo klein. Am Morgen wurde ich davon wach, dass
ein Auto hupte und dann davonfuhr. Hä? Ebenfalls guten Morgen!
Ich fuhr die Strasse hinunter bis nahe zur Ausgangsstelle der Wanderung. Schon gestern dachte ich, dass wohl nicht viele Womolenker ihre Vehikel
diese enge Strasse aufs Plateau hinauf manövriert haben. Und auch heute wieder: diese Strasse in die Schlucht hinunter war abenteuerlich. Ab und
zu im ersten Gang den Hang hinauf, grosse Steine, welche in der Strasse liegen umfahren, immer wieder kratzend unter den Bäumen durch und
Oleander schleifend durch enge Passagen. Irgendwann stellte ich dann das Womo an einer Stelle hin, wo ich wenden konnte. Weit konnte es ja nicht
mehr sein. Es ging dann aber doch noch ein rechtes Stück weiter hinunter. Dann hätte die eigentliche Wanderung anfangen sollen. Doch ich fand den
Weg nicht, bzw. fand ihn, um ihn gleich wieder zu verlieren. Er führte wohl hinein, aber da waren Stellen mit Schwemmholz quasi zugeschaufelt und
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an anderen Stellen hatte es zuviel Wasser. Ja, da half kein Jammern und Fluchen. Ich
musste mein Unterfangen leider wieder aufgeben. Keine Chance, einen gangbaren Weg zu
finden. Kam dazu, dass ich ja auch wieder einen Rückweg hätte finden müssen und das
war mir dann doch zu riskant. Wenigstens hatte ich einen schönen Spaziergang vom Auto
hierher und wieder zurück, aber enttäuschend ist es doch. Das ist nun schon die dritte
Wanderung, welche im abbrechen muss! Ich muss zugeben, ich bin frustriert. Und im
Moment habe ich mal wieder so richtig die Nase voll von Bergen. Also, runter an die
Beach!
Ich beschloss, zurück nach S. Maria Navarrese zu fahren, um dort die Sandra, von der mir
die Deutsche erzählt hatte, aufzusuchen, welche eine Adresse von einem Tierarzt hätte.
Sie war sehr nett und gab mir die Adresse von der Praxis in Arbatax, wo er operiert. Ich
will Zorro nämlich kastrieren lassen. Ich habe lange damit gerungen und habe sogar ein
bisschen ein schlechtes Gewissen deswegen (was Blödsinn ist, ich weiss!). Aber jetzt, wo
ich eine empfohlene Adresse habe, werde ich es machen lassen. Früher oder später wäre
es sowieso ein Thema geworden und wieso nicht hier, wo es günstiger ist. Ausserdem
wird er danach hoffentlich etwas ruhiger sein! Seit einiger Zeit schon, und es wird immer
schlimmer, ist er komplett aus dem Häuschen, wenn er andere Hunde sieht und
gehorchen tut er dann gleich gar nichts mehr. Dann kann ich rufen bis ich schwarz werde.
Und ich möchte es eigentlich nicht erleben, dass er mir hier irgendwo abhaut, weil er eine
streunende Hündin in die Nase bekommen hat!
Der Arzt war leicht zu finden. Allerdings brauchte es Überredungskunst, den Termin für Morgen zu kriegen und nicht erst für Sonntag.
In Arbatax muss man natürlich den roten Felsen anschauen gehen. Er ist sehr imposant und das Farbenspiel zwischen seinem Rot und dem Blau vom
Meer ist schön.
Anschliessend fahre ich ein kurzes Stück weiter um am Lido .... einen herrlichen Platz direkt an der Spiaggia zu finden. Ein älteres französischsardisches Pärchen sind meine Nachbarn. Ich spiele mit Zorro am Strand und komme dabei so ins Schwitzen, dass ich kurzentschlossen mein
Badezeug anziehe und in die Fluten tauche. Das Wasser ist herrlich klar (und erfrischend kühl, brr). Es sind nur ganz wenige Leute hier. Wenn man
sich vorstellt, wie überfüllt so eine Bucht in der Saison ist...
Die letzten Sonnenstrahlen geniesse ich lesend vor dem Womo sitzend. Morgen ist ein wichtiger Tag. Zorro wird seine "Männlichkeit" los und ich
werde vierzig! Wenn das mal gut geht?!
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Seite 22 von 52
4. November 2003 - Lido di Orri
Zorro's Kastration
Der Lido hier ist wunderschön. Gut ist die Saison vorbei, es ist sozusagen
niemand hier. Die Spiaggia liegt verlassen da und strahlt Ruhe und
Natürlichkeit aus. Die Strände werden nicht mehr gereinigt, so sammeln
sich die dunkelbraunen Seegräser am Strand. Sie stören aber nicht, im
Gegenteil, sie gehören ja hierher. Im Grunde sind solche Gegenden,
ausserhalb der Saison die beste Möglichkeit, in Ruhe zu campieren und
zum Teil auch noch ein bisschen Infrastruktur zu haben. So ist z.B. das
kleine WC-Häuschen am Platz noch offen (vermutlich aber inoffiziell).
Praktisch, denn so kann man die Chemietoilette richtig entsorgen und hat
erst noch Wasser, wenn auch kein Trinkbares.
Zorro war insgesamt 2 Stunden beim Tierarzt. Zuerst gab es eine
beruhigende Spritze, dann eine Einschläfernde. Dann schickte er mich weg,
ich solle in einer halben Stunde wiederkommen! OK. Ich musste allerdings
noch eine viertel Stunde länger draussen warten, während der ich mich
halb verrückt gemacht habe vor Sorge. Als ich dann reinkam, lag Zorro auf
dem Rücken, alle viere mit Schnüren an den OP-Tisch gebunden (wie ein
Osterhase als Sonntagsbraten), die nun leeren Hodensäcke rot eingepinselt
und einer kleinen Naht vorne. Er zeigte mir die rausgenommenen Hoden und erklärte in Englisch und Italienisch, was er gemacht hatte. Ich glaube,
er hat einen guten Job gemacht und war auch sonst sehr nett. Er trug mir dann den Kleinen, der noch voll in Narkose war, zum Auto und dann
fuhren wir zurück zu unserem letzten Übernachtungsort.
Ein Weilchen schlief er noch, doch dann wachte er langsam nach und nach auf. Irgendwann hörte ich ein Plumpsen. Er hatte versucht, vom Fussraum
auf den Fahrersitz zu kommen und ist dabei wieder runtergefallen. Als ich ihn wieder richtig hinlegte, jaulte er vor Schmerzen und Angst auf. Diesen
Schrei höre ich nun schon das Dritte Mal bei ihm. Das erste Mal beim Tierarzt in Marbella, als er in die Betäubung fiel, dass zweite Mal in Chaves bei
Peter und Andrea, als ihn eine Wespe gestochen hatte und er die Besinnung verlor und nun jetzt! Dieser Schrei ist grauenvoll. Er geht durch Mark
und Bein und zerreist einem zudem fast das Trommelfell!
Ein paar Stunden später lockte ich ihn dann aus dem Auto raus. Aber die hinteren Beine trugen ihn noch nicht so richtig und er musste sich auch
gleich hinlegen, um seine Naht zu lecken. Ich hoffe, das gibt keine Infektion, aber der Arzt meinte, es sei nicht nötig, ihm eine Halskrause zu
verpassen, denn die eigentliche Naht sei innen! Der arme kleine Kerl verzog sich sogleich in die Büsche, wo ich ihn wieder rausholen musste. Er war
total verängstigt. Ich hoffe, bis morgen hat er sich soweit erholt, dass er wenigstens einigermassen laufen kann!
Abgesehen von solchen Fehlversuchen verlief der Tag geruhsam. Ich las mehr oder weniger den ganzen Nachmittag, machte ein wenig das Auto
sauber, spazierte am Strand und quasselte mit meinen Nachbarn. Er erzählte mir, dass gestern Nacht in Tortoli Feuer gelegt wurde. Irgendwie traut
er dieser Gegend hier nicht so richtig. Sie erzählte mir, dass wenn sie alleine sind, dann fahren sie ins Dorf zum Übernachten. Aber so zu zweit ist
das wohl etwas anderes. Obwohl, ehrlich gesagt, das in meinen Augen kaum ein Unterschied ausmacht. Aber psychologisch natürlich schon... Ich
muss allerdings zugeben, dass ich alleine hier auch nicht bleiben würde. Es wäre mir zu abgelegen.
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Der heutige Tag ist natürlich geprägt von Zorro's Kastration. Mein Geburtstag verblasste da hingegen
fast, wenn da nicht all die lieben SMS und Telefonanrufe gewesen wären! Am Morgen hatte ich noch
moralischen Tiefgang, der sich aber nach und nach auflöste. Es hat gut getan, die lieben Botschaften zu
lesen und meine Liebsten am Telefon zu haben!
Während ich das hier schreibe, brennt eine kleine weisse Kerze zu Ehren meines runden Geburtstages.
Ich glaube, dass ist mein erster Geburtstag, den ich ausserhalb der Schweiz verbringe und alleine. Dafür
wurde mir auf Italienisch zum Geburtstag gratuliert, ist doch auch was!
5. November 2003 - Lido di Orri
Zorro's Genesung dauert - Erneuter Kuraufenthalt
Zorro geht es noch nicht viel besser. Er kann noch nicht normal laufen. Er zieht den
Schwanz ein, macht einen runden Rücken und es scheint, dass er Schmerzen verspürt im
hinteren Teil. Er ist ganz geplagt, aber er jammert kaum. Ein paar Mal konnte ich ihn
nach draussen lotsen. Er rennt dann zwei, drei Schritte in dieser gebückten Haltung und
muss sich dann gleich hinsetzen/-legen, um sich zu lecken. Dann rennt er wieder wie
gehetzt und so weiter. Er hat sich fast sofort in die nahen Büsche verkrochen und war auf
kein Zurufen hin hinaus zu bekommen. Erst als ich mich zum Strand hin entfernte, kam er
nachgerannt. Aber es war ein jämmerliches Bild. Im Laufe des Tages - habe etwa drei
ganz kleine Spaziergänge mit ihm gemacht - wurde es dann ein bisschen besser. Aber
eigentlich hatte ich erwartet, dass es schneller besseren würde. Befreundete Hundehalter
haben mich dann per SMS und Telefon beruhigt und gemeint, dass sein Verhalten den
Umständen entsprechend normal sei und dass das schon ein paar Tage dauern würde.
Ok, dann stelle ich mich halt auf ein paar Tage ein! Immerhin frisst er und heute Abend
hatte er sogar Lust zu spielen. Wird also schon wieder ins Lot kommen. Der arme Eunuch!
Langsam komme ich selbst auch zur Ruhe. Wenn man länger an einem Ort ist, dann stellt
sich ein ruhigerer Rhytmus ein. Man hat für alles mehr Zeit und fühlt sich je länger je mehr Zuhause. Die Spiaggia wird dann ein wenig zu "meiner"
Spiaggia.
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Ich habe den Tag mit eben diesen kleinen merkwürdigen Spaziergängen verbracht, zur
Abwechslung auch mal wieder ganz alleine, mit Lesen und Schreiben und am Vormittag
sogar mit Sünnele! Es war herrlich warm, bis am Nachmittag ein kalter Wind vom Meer
her blies, der sich aber bald wieder legte.
Es ist nett, Nachbarn zu haben. Ab und zu schwatzen wir miteinander, aber es ist auch
schlicht schön, noch jemand anders in der Nähe zu haben. Leider oder vielleicht auch
glücklicherweise sprechen sie Französisch. Immerhin ist mein Französisch genügend gut,
um wenigstens übers Wetter und derlei wichtige (!) Dinge zu reden. Dabei hätte ich gerne
Italienisch geübt. Heute Abend sind sie nun nach Tortoli gefahren, um die Nacht dort zu
verbringen. Das machen sie immer, wenn sie alleine sind. Aber heute wollen sie dorthin
um vor allem TV zu sehen, denn dort haben sie Empfang und hier nicht. So bin ich diese
Nacht also alleine hier. Aber ist schon Ok, bin mich das ja mittlerweile gewohnt. Und die
letzten zwei Nächte waren ja ruhig. Das bleibt auch hoffentlich so!
Schon 10 Tage auf Sardinien und irgendwie noch kaum was gesehen! Die Zeit vergeht im Fluge... dabei muss ich noch die Macchina in den Service
bringen. Da geht mindestens ein ganzer Tag drauf, an sich mehr, wenn ich dazurechne, wie lange ich brauche, bis ich einen Ford-Garagisten
gefunden habe...
6. November 2003, Lido di Orri
Dolce farniente
Langsam aber sicher kann ich es: das Dolce farniente. Und es tut sooo gut. Es eröffnet
auf einmal Raum. Raum, für einfach nur Sein, ohne etwas zu tun. Auch langsame
Spaziergänge am Strand, bei welchen ich versuche, mit allen meinen Sinnen diese
Landschaft in mich hineinzusaugen.
Heute morgen waren meine Nachbarn ja nicht da und es war herrlich schön, die
Morgenstimmung für mich ganz alleine zu haben. Meine Ängste verlieren sich auch
langsam. Es ist wie damals beim Camper. Es braucht eine gewisse Zeit und genügend
positive Erfahrungen bis man eine innere Sicherheit gewinnt und Unsicherheiten
verschwinden.
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7. November 2003, Lido di Orri - S. Maria di Navarrese
Katzenhaie nach Günters Art
Es ist Zeit, Einzukaufen. Hab sozusagen alle meine frischen Lebensmittel aufgebraucht. Auch Zigis sind
alle. Zudem brauche ich Wasser. Also packe ich meine sieben Sachen nach 5 Tagen Lido di Orri
zusammen und fahre nach Tortoli, um alle meine Sachen erledigen zu können.
In Tortoli gibt es einen Frischwasserbrunnen, der regelmässig auf Reinheit überprüft wird. Dort konnte
ich sogar meinen Wasserschlauch anhängen und den Tank füllen. Cool. Anschliessend Grosseinkauf für
die nächsten sieben Tage! Da kommt ganz schön was zusammen!
Als ich auf der Halbinsel Arbatax war, habe ich in einem Neubauviertel mit Strand an einem Lokal ein
Tabacchi-Zeichen gesehen, welches auch ein Internet-Symbol hatte. Dorthin fahre ich, um Mittagspause
zu machen und zu checken, ob ich wohl da meinen Update und meine Korrespondenz erledigen könnte.
Ging prima, war zwar nicht ganz billig, 1 Stunde 6 Euro! Aber in einer Stunde hatte ich meine Mails
beantwortet, die Internetseiten aktualisiert, und auch mein E-Bancing gecheckt.
Nun wollte ich weiter Richtung Süden fahren, denn die Deutschen, die ich hier traf, erzählten von
schönen Plätzen weiter südlich vom Lido di Orri.
Als ich auf der Strecke war, kamen sie mir sogar prompt entgegen. Sie drehten um und zeigten mir die
beiden wirklich hübschen Plätze. Allerdings waren beide Zufahrten so verschlammt, dass ich Bedenken
hatte, bei Regen hier wieder wegzukommen! Ich lud ich die Beiden auf ein Glas Wein in mein Womo. Sie
hatten sogar frisches Gebäck für mich besorgt. Rosi und Günter waren früher mit ihrem Wohnmobil und
seit langer Zeit schon mit ihrem Segelschiff an vielen Orten in Europa! Die Beiden luden mich spontan
zum Abendessen auf ihr Schiff ein. Natürlich lehnte ich nicht ab. Wann hab ich schon die Möglichkeit,
Katzenhai zu essen und dann auch noch auf einem grossen Segelschiff.
Auf der Rückfahrt zum Hafen machten wir beim lokalen Weinabfüller halt ich füllte eine Zwei-Liter-PETFlasche mit vino rossi für 2.90 Euro. Bin gespannt wie der ist.
Der Abend wurde gemütlich, Günter kochte den "kleinen" Hai, während Rosi und ich die Scampi aus
ihren Schalen schälten, welche am Schluss wieder in die Sause kamen.
Nach dem gelungenen Abendessen tauschten wir Bücher aus und sie erzählten, wo ich
überall hin und was ich sehen müsste in Sizilien. Die beiden verbringen den Sommer über
hier auf ihrem Schiff im Hafen von S. Maria di Navarrese, machen grosse Ausflüge von
hier aus und kehren dann Ende November wieder zurück in die Heimat. So ein Schiff ist
schon ganz eindrücklich. Viel Platz, sogar zwei Toiletten, ein Raum, wo man rings um den
Masten auf weichen Kissen sitzt. Ringsherum an den Wänden hat es Gestellt, welche
seehochgangssicher Bücher, Karten und allerlei enthalten. Alles ist sicher festgemacht, so
dass auch bei Sturm kein Chaos entsteht. Was mir persönlich nicht so behagt, ist das
bunkerische Gefühl, dass man hat, wenn man von oben her in einen kommt und die
Fenster alle ganz klein sind. Trotzdem strahlt so ein Raum eine abenteuerliche (!)
Gemütlichkeit aus.
Die Nacht verbrachte ich im Womo auf dem Hafengelände. Für Morgen hatten wir zum
gemeinsamen Frühstück abgemacht.
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8. November 2003, S. Maria di Navarrese - Lido di Orri
Schiffsausflug - Frühstück über Bord
Frühstück auf Deck. Das Wetter war trotz der gestrigen schwarzen Wolken schön geworden und warm. Ein Südwind blies und lockte Günter auf die
See hinaus. Und tatsächlich, Rosi liess sich überreden, unter Deck alles festzuzurren, was lose war. Ich ging Zorro holen, denn er sollte dabei sein
und ab ging die Post. Günter stand am Steuer und gab Rosi und mir Befehle, was zu tun war. Backbord das, Steuerbord jenes.... also diese
Fachsprache! Und bei jedem Befehl wird geschrieen, denn man muss ja gegen den Wind ankommen und auch gegen den Motorenlärm, bis man mal
segelt. Kaum aus dem ruhigen Hafenwasser empfingen uns ziemlich hohe Wellen. Wenigstens für meine Begriffe. Auch Rosi war es nicht mehr ganz
wohl. Ich hätte das grosse Schaukeln gerne genossen, aber ich versuchte meine Übelkeit, die mich nach ein paar Handgriffen auf dem Schiff, ergriff,
mit sturem Landblick unten zu halten. Auch eine Superschnell-kontra-Übelkeit-Tablette kaute ich. Aber es nützte halt alles nicht. Irgendwann musste
ich trotzdem kotzen. Nachher ging es dann besser aber leider immer noch nicht so ganz und das ärgerte mich dann über alle Massen. Jetzt sitze ich
mal auf einem tollen Segelschiff und kann's nicht wirklich geniessen! Zorro hielt sich tausend Mal besser als ich! Das Segeln war an sich herrlich. Vor
allem das Zurücksegeln, wo der Wind und die Wellten von schräg hinten kamen und es wie ein Fliegen war. Es ist aber offensichtlich auch harte
Arbeit. Bis so eine Leine (wie das richtig hiess, kann ich nicht mehr gaxen) eingeholt ist, da legt man sich schon ins Zeug! Leider habe ich vom
ganzen Ausflug kein Foto machen können, vor lauter Übelkeit.
Ich verabschiedete mich von den Beiden und war ehrlich gesagt froh, wieder festen Boden unter den Füssen zu haben. Sogar an Land meinte ich
noch, den Boden schaukeln zu spüren!
Ich fuhr zurück an "meinen" alten Platz am Lido di Orri, um mich zu erholen und wieder Ruhe in mich zu bringen. Irgendwann konnte ich auch wieder
Essen und machte anschliessend ein Nickerchen, welches gut tat.
Ein Womo parkierte hinter mir. Ein Mann mit einem Chiuahua (wie man das wohl schreibt?) spaziert vorbei und ich hörte später von meinen
Nachbarn, dass sie für diesen Hund 1000 Euro bezahlt hätten!
Als ich mit ihnen ein bisschen plauderte, wollte die 18-jährige Schwangere, dass ich ihr Geld gäbe. Ich erklärte, dass ich selbst auf mein Geld
schauen müsste und keines übrig hätte. Sie wollte einen Rock von mir und ich gab ihr dann ein T-Shirt und ein Jacke. Die Frau wollte mir aus den
Tarotkarten lesen, doch ich sagte, nein, danke, das kann ich selbst! Ich glaube, sie waren trotz meinen Geschenken irgendwie erbost oder neidisch
oder was auch sonst. Sie stellten zig Fragen, was ich arbeite und wieviel Geld ich verdiene und wieviel Geld ich brauch usw. Alles Fragen zu meinen
Finanzen, das ging mir auf den Geist und ich verabschiedete mich.
Genevieve, die Nachbarin lud mich zu einer Tasse Tee ein. Als die Zigeuner abfuhren, sie kamen aus Jugoslawien, winkte ich ihnen. Später am
Nachmittag stellte ich fest, dass ein nicht ganz billiges Spielzeug von Zorro fehlte, welches ich auf meinen Tisch gelegt hatte. Verdammt. Unglaublich.
Man schenkt was und wird dann doch noch beklaut!
9. November 2003, Lido di Orri
Schreiben, Lesen und Ruhe finden
Irgendwie habe ich meine innere Ruhe verloren. Ich bleibe heute hier, werde Schreiben, Lesen, Strandspaziergänge machen, Abwaschen, Toilette
leeren und sonst so Kleinigkeiten erledigen. Das wird mir gut tun und morgen geht es dann definitiv weiter in den Süden oder eventuell nochmals ins
Land hinein um eine Wanderung zu machen. Mal sehen.
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10. November 2003, Lido di Orri - Ulassai (Landesinnere, Nahe Ostküste)
Endlich wieder einmal eine "richtige" Wanderung
Habe mich am morgen von Geneviève und ihrem Mann verabschiedet. Er hat Hepatitis B
und sollte Zuhause in Frankreich bleiben, so der Arzt. Aber trotzdem wollte er noch
einmal in seine Heimat, Sardinien, kommen. Sie werden den Winter über bleiben und im
März zurückkehren. Sie waren ganz liebe, zurückhaltende Nachbarn!
Entlang der Küste fahre ich nach Süden und dann ab in die Berge. Das Wetter verspricht,
gut zu bleiben und mittlerweile weiss ich ja, was mich erwartet, wenn ich die Berge fahre:
tausend Kurven, enge Dörfer und kühles, vielleicht sogar nasses Wetter. Egal, schliesslich
bin ich vor allem wegen dem Wandern hierher gekommen!
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Seite 28 von 52
Drei Dörfer schmiegen sich auf rund 700müM eng an die Berge: Jerzu, Ulassai und Osini. Die Gassen
sind eng und des öfteren bange ich, ob ich da oben und auf der Seite wirklich durchpasse. Aber es geht
immer irgendwie und ich hab mich eigentlich schon ganz gut daran gewöhnt. Des öfteren sieht man
Witwen. In einigen Dörfern waren sie schwarz angezogen, hier sind sie dunkelbraun. Aber jedes Teil,
egal ob Strumpf, Kopftuch oder Schal ist exakt im selben Farbton. Man kann sagen, vom Scheitel bis zur
Sohle in dunkles Braun gehüllt! Herausschauen tut ein faltiges Gesicht. Selten lächelnd! Faszinierend und
erschreckend. Keine Farbe mehr im Leben, unvorstellbar für mich!
Die Wanderung führt mich an der Grotte Su Marmuri vorbei, welche um diese Jahreszeit
nicht mehr geöffnet ist, leider. Ich mag es nicht sonderlich, wenn solche
"Naturschauspiele" abgesperrt sind, kontrolliert werden, ein Brimborium drumherum
gemacht wird und es dafür kostet.
Der Weg führt durch wilde Macchie und Wälder, zuerst hoch auf die Kuppe und dann auf
der anderen Seite herunter in die Ebene. Viel Wald wurde hier wieder angepflanzt. Allerlei
Kiefern wachsen aus der dichten Macchie heraus. Es ist eine enorm grosse Ebene!
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Seite 29 von 52
Immer wieder hat es blühende und Früchte tragende Erdbeerbäume.
Die Früchte leuchten knallrot im sonst meist mehrheitlichen Grün der Macchie.
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Seite 30 von 52
In der Ebene Baulasse wurde ein wunderschöner Picknickplatz eingerichtet mit Brunnen,
schönen runden Steintischen unter den Eichen und hübschen Wasserläufen. Sogar zwei
Steinhäuser mit Laubdächern wurden errichtet. Im Innern konnte man die raffinierte und
zugleich einfache Bauweise des Hauses bestaunen. Mitten im Boden hatte es eine Feuerstelle.
Ob das Dach wirklich regendicht ist?
Ich musste wirklich aufpassen, dass ich den richtigen Weg erwischte. Nichts war so, wie
es gemäss Beschrieb war. Überall führten neuere Forstwege durch die Wildnis und ich
orientierte mich mehr an der kleinen Karte als an der Wegbeschreibung. Gut hatte ich
meinen Kompass dabei. So konnte ich wenigstens immer genau bestimmten, in welche
Richtung ich nun lief. Ein Verlaufen in dieser Gegend wäre nicht so lustig! Weit und breit
kein Mensch und die Wälder hier sind endlos. Als ich an einem Abzweiger den falschen
Weg erwischte und ich nach einer halben Stunde wieder umkehren musste, war es mir
wirklich nicht mehr so wohl. Aber bald darauf stiess ich auf einen festen Anhaltspunkt, der
mit meinem Führer übereinstimmte und so war ich wieder zufrieden, wenn auch
mittlerweile ziemlich müde.
Den Nuraghen Samu wollte ich mir aber trotzdem noch anschauen. Weit weg vom Weg
war er ja nicht. Und dieser beeindruckte mich nun doch. Wieso kann ich nicht sagen. Es
war vielleicht, wie er da mitten in der riesigen Macchie-Ebene stand und das seit zig, zig
Jahren. Trotzig gegen jede Witterung.
Leider zog der Nebel über die Anhöhen und der Rest des Weges versank in feuchtem
Grau. Todmüde kamen Zorro und ich beim Womo an. Wir waren mindestens sechs
Stunden unterwegs! Ob es morgen wohl wieder schön Wetter ist, bei dem Nebel?
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11. November 2003, Ulassai - Arcueri-Pass (noch mehr Landesinnere)
Naturpark Montarbu
Die Sonne weckte mich! Wie schön! Den Kaffee trank ich in der Türe sitzend, die Sonne
im Gesicht mit Blick auf Ulassai. Hm, so stimmt's!
Es ist das richtige Wetter, um noch eine Wanderung anzuhängen. Da ich nun schon so
weit in die Berge gefahren bin, lohnt es sich wohl, die Strecke bis zum Foreste Montarbu
auch noch zu zurückzulegen. Der Pass, auf dem ich späte dann übernachten werde, ist
auf knapp 1000m. Seine markanten Felszacken sind typisch für die Landschaft der Tacchi(Felstürme) und Tonneri- (zerfurchte Felswände) Region.
Auf dem Weg dorthin, hält mich die Polizei auf, Papierkontrolle. Sie wundern sich, dass ich
so spät im Jahr unterwex bin. Da sie nichts zu beanstanden haben, lassen sie mich
weiterfahren.
Die letzten 11km bis zum Forsthaus sind Schotterpiste, ein Auf und Ab und unter
tiefstehenden Bäumen hindurch und herum. Das Womo kratzt sich arg an den Bäumen.
Ob ich das auch wieder zurückschaffe? Immerhin hat mein Vehikel nicht so viel Kraft und
zum teil sind die Steigungen auf dem Schotter krass! Es darf einfach nicht anfangen zu
regnen, denke ich!
Der Anfang der Wanderung ist bezaubernd. Er führt an einem Bach entlang, der sich
unter den Laubbäumen über Steine und Wurzeln dahinschlängelt. Immer wieder sind
Kalkterrassen entstanden, die wiederum herrliche Becken mit kristallklarem Wasser
hinterlassen haben. Wenn es jetzt heiss wäre, wäre das ein herrliches Bad, hier in diesen
Gunten!
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Silvanas Reisejournal
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Der Weg wird immer steiler. Die letzten Höhenmeter kraxeln Zorro und ich den nun
trockenen Bachlauf hinauf. Oben, am Rande des Monte Tonneri, der hier steil gegen
Norden hin abfällt, empfängt uns eine grandiose Aussicht!
Nur noch wenig Meter über Karstfelsen, entlang vereinzelten Steinmännchen, und wir
kommen an unserem Wanderziel, dem Pizzu Margiani Pobusa, dem Gipfel des Monte
Tonneri, an. Eigentlicher Höhepunkt dieser Wanderung ist aber der Blick auf den
schönsten Taccu Sardiniens, den Felsturm Perda'e Liana!
Der Weg zurück ist einfach. Aber wie schon auf dem Weg hinauf treffen wir auch hier
wieder auf Mufflons! Wenn der Arbeiter beim Forsthaus mich nicht darauf aufmerksam
gemacht hätte, hätte ich nicht gewusst, was das für scheue Tiere sind. Sie sehen wie eine
Mischung aus Gems und Reh aus und rennen erschrocken davon, als wir sie überraschen.
Zorro hat offensichtlich keinen Jagdinstinkt! Die erste Reaktion ist sowieso davonrennen.
Dann, wenn er merkt, dass die anderen auch davonrennen, rennt er hinterher. Aber nie
weit. Alleine im Wald hat er irgendwie Angst. Na, hoffentlich bleibt das so!
Der Weg mit dem Womo zurück geht problemlos. Das gute an solchen Wegstrecken ist, man lernt das Auto und das, was damit möglich ist, erst
richtig kennen. Allerdings hatte ich mich innerlich schon auf eine Rückwärtsfahrt eingestellt. Gut, ist das nicht nötig (wäre aber eine gute Übung
gewesen, oder?)!
In einer Kurve sehe ich sogar ein Wildschwein. Komme sogar ziemlich nah ran, aber dann bin ich trotzdem zu spät für ein Foto!
Als ich, wieder zurück auf der Landstrasse und auf einem grossen Wiesenplatz, an meinem Laptop sitze und mir die Bilder anschaue, da bemerke ich,
dass die Pumpe immer wieder läuft. Was soll das denn bedeuten. Steh ich zu schräg? Aber auch ein Ausnivellieren bringt nichts. Shit, eigentlich kann
es nur eines bedeuten: ein Leck irgendwo im Wassersystem. Na dann Prost!
Also, alles wieder weggeräumt und runter auf die Knie. Irgendwo müsste das ja zu entdecken sein, denn es müsste mittlerweile schon ziemlich nass
sein, so wie die Pumpe gelaufen ist. Als ich unten beim Boiler reinschaue, sehe ich es. Der Boden ist nass, auch schon der Teppich vorne im Gang!
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Italien 2003, Teil 2: Sardinien
Silvanas Reisejournal
Seite 33 von 52
Supi! Genau das, was ich brauche! Ich muss den Fernseher rausnehmen, die ganze Verkabelung voneinander machen (ob ich das wieder richtig
zusammenbringe?) und die Bretter, die den Boilerraum vom Kleiderschrank trennen müssen ebenfalls raus. Jetzt erst kann ich mit einer
Taschenlampe reinschauen. Aber es ist schwierig, den der halbe Boden ist nass und man sieht nur schwer an die einzelnen Teile. Zuerst muss ich den
Boden trocken kriegen und dann erst kann ich sehen, wo es wieder nass wird. Gesagt getan, aber es dauerte! Als der Boden trocken ist, lasse ich die
Pumpe laufen und sehe sofort, dass es am Ende des Schlauches, kurz bevor er ins Ablassventil reingeht, rausrinnt. So eine Scheisse! Sorry, aber ich
hab wirklich laut geflucht und gejammert! Wie soll ich das denn wieder hinkriegen?
Zuerst mal lasse ich sämtliches Wasser ablaufen: aus dem Boiler und dem Frischwassertank! Vorher fasse ich aber noch 20 Liter in meinen
Faltkanister, nicht dass ich ganz auf dem Trockenen sitzen bleibe! Die Schlauch-Klemme kann ich lösen, aber den Schlauch krieg ich nicht weg! Da
muss jemand mit Kraft und Werkzeug dahinter. Mir fällt nur Tortoli ein, bzw. Lotzorei. Dort habe ich in einen Laden gesehen, der solche Schläuche
haben dürfte und vielleicht helfen sie mir ja im Hafen von S. Maria di Navarrese. Schliesslich hat man ja in Schiffen auch solche Wassersysteme.
Übrigens hatten mir auch Rosi und Günter von einem Wasserleck erzählt, welches sie mit einem Ersatzschlauch wieder hinkriegten. Vielleicht wissen
die Beiden, wo ich Hilfe kriege. Also wieder hinauf nach Tortoli. Langsam frage ich mich, komme ich denn nie in den Süden?
Die Nacht verbringe ich auf dem Pass. Es lohnt sich nicht, bei Dunkelheit die tausend Kurven runter ans Meer zu fahren.
12. November 2003, Arcueri-Pass - Porto Corallo (nörlich von Muravera, ca. 70km von Cagliari)
Trockengelegt
Am Abend hat mein älterer Bruder angerufen, nachdem ich ihm ein SMS betreffend meinem Schaden gemacht hatte. Er gab mir ein paar Tipps und
es tat vor allem einfach gut, mit ihm zu reden. Danke dir, mein liebes Bruderherz! Dass du mir immer mit Rat und Tat (wenn auch von der Ferne)
zur Seite stehst, schätze ich enorm! Wenn man so alleine unterwex ist, dann bedeutet solche Hilfe und Kontakte sehr viel. Ich bin wirklich dankbar,
dass ich dich habe, liebes Mäxchen!
Also habe ich heute frisch und fröhlich den einen Schlauch, von welchem ich dachte, er sei undicht, abmontiert, angeschnitten und frisch angesetzt.
Bei meinem Werkeln hatte ich nette Nachbarn. Die Polizia hatte auf dem Pass halt gemacht um die Leute rauszuholen und zu kontrollieren, so wie
gestern schon (fleissig sind sie hier!). Der junge Typ von gestern war auch wieder dabei. Als ich dann endlich losfahren wollte, hielt er mich an,
entschuldigte sich und fragte, ob ich hier oben ganz alleine übernachtet hätte? Ich sagte, ja klar. Er aber schüttelte den Kopf und sprach eindrücklich
auf Italienisch auf mich ein. Soviel verstand ich, dass er es keine gute Idee findet, an diesem Platz zu nächtigen. Auf Englisch bestätigte er mir dann
das, was ich auf Italienisch meinte zu verstehen. Ich sagte ihm, dass ich auf Sardinien in den bald drei Wochen, wo ich hier bin, keinerlei
Schwierigkeiten gehabt hätte! Er sagte, hier sei erstens mal der kälteste Platz vom ganzen Gebiet und zudem viel zu weit weg von jedem Ort! Ich
solle näher an die Dörfer fahren und nicht so im Niemandsland stehen! Und sollte was passieren, ich wisse ja, 112 und sie kämen sofort! OK, ich
bedankte mich für seine Fürsorge und die gutgemeinten Ratschläge und machte mich auf den Weg. Na, so ganz unbegründet wird seine Sorge wohl
nicht sein. Als ich die Pässe runter und rauf fuhr machte ich mir so meine Gedanken. Vielleicht ist es doch besser, in der Nähe von Ortschaften zu
übernachten und nicht gar so in der Pampa.
Am nächsten Brunnen tankte ich voll und liess gespannt die Pumpe laufen. Als der Boiler voll war, rann immer noch kein Wasser raus. Wunderbar, es
scheint dieser Schlauch gewesen zu sein. Ich tankte noch WC-Spülwasser, ging nochmals rein und checkte den Boiler, als ich mit Schrecken sah,
dass es doch nass geworden war. So ein Mist aber auch! Sofort schaltete ich die Pumpe aus und liess das Wasser aus dem Boiler ablaufen. Verflixt!
Wäre ja zu schön gewesen!
Ich fuhr weiter und überlegte. Wenn es nicht dieser Schlauch ist, dann muss es wohl der andere sein. Und mittlerweile weiss ich ja, wie es geht. Also
gut. Am nächsten Platz fuhr ich wieder raus und besah mir das ganze nochmals genau. Die beiden Abwasserschläuche des Boilers kommen ja im
Ablassventil zusammen. Könnte ja sein, dass das Ventil nicht mehr dicht ist! So genau kann man das von aussen nicht feststellen, denn der Boiler ist
unten im Wandschrank und ich komme bzw. sehe nur von bestimmten Winkeln her an die Schläuche und das ganze Zeug. Ich beschloss, mit dem
anderen Schlauch ebenso zu verfahren wie mit dem ersten. Zudem löste ich die Schrauben des Ventils und zog das Ventil mitsamt den Schläuchen
auf der Seite aus dem Guckloch raus. Ich besah mir das Teil von allen Seiten, aber konnte eigentlich nur feststellen, dass es unten rauströpfelt. Also
nicht mehr ganz dicht! Aber an sich müsste dieses Wasser ja unten rauslaufen und nicht auf den Boden des Wandschrankes! Wie kam das bloss? Na,
ich fand keine Antwort. Ich setzte das Teil wieder ein und machte mir einen Tomaten-Mozzarella-Salat während ich immer wieder nachschaute, ob
das ganze jetzt dicht bleibt. Und es blieb dicht! Ob es nun irgendwie am kleinen Abwasserschlauch gelegen ist oder am zweiten Zuführschlauch,
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keine Ahnung, aber bis heute Abend hat es immerhin dicht gehalten. Habe
sogar den Boiler aufgeheizt, Haare gewaschen und geduscht! Hoffentlich,
hoffentlich bleibt es so!
Entlang der südlichen Ostküste führt die S125 durch das breite Flusstal des
Quirra. Die Gegend ist unter anderem mit Wein angebaut. Es ist schön, zur
Abwechslung mal längere Zeit geradeaus fahren zu können und ich
geniesse es, mit gemütlichen 70km/Std. auf der Schnellstrasse zu fahren
und die Gegend anzuschauen.
Nördlich von Muravera, nur noch ca. 70km von Cagliari entfernt fahre ich
ans Meer hinunter zum Porto Corallo. Hier ist es im Sommer nicht
auszuhalten (hab ich gelesen), alles voll von Touristen! Aber jetzt, kein
Mensch weit und breit. Immer wieder hoffe ich, auf andere Reisende zu
stossen. Aber kein Glück. Kein Mensch, keine Womos, nur ich und
Einheimischen, die spazieren gehen, ihre Freundinnen ausfahren oder für
sonstwas im Auto sitzen. Das sehe ich übrigens des öfteren. Meist Männer,
aber auch Frauen, sitzen in ihren Autos, reden ins Handy oder schauen nur
so in der Gegend rum. Sie steigen nicht aus, bleiben sitzen und fahren
dann irgendwann wieder ab (?).
Na, wenn niemand da ist, kann ich auch nichts machen. Ich bleibe auf alle
Fälle hier, denn der Strand ist wunderschön und es hat ideale Plätze, um mein Womo hinstellen zu können. Sogar Wasseranschlüsse habe ich
gesichtet!
Ein gemütlicher Strandspaziergang bringt mir die Gegend noch ein wenig näher. Viel Natur haben sie hier sein lassen. Zwischen Strand und roter
Schotterstrasse gibt es eine Art Dünenlandschaft mit allerlei Sträuchern und Büschen. Der Blick kann weit in den Süden schweifen und trifft dort auf
Berge, welche wohl jene vom Südostkap sind. Dort hinunter werde ich fahren. Vielleicht morgen, vielleicht aber auch erst übermorgen. Mal sehen,
was morgen das Wetter und die Laune dazu sagen.
13. November 2003, Porto Corallo - San Giovanni (bei Muravera)
Womo-Pflichten
Bewölkter Himmel und eine weisse, offensichtlich säugende, Hündin, erwarten mich nach dem Aufstehen. Ich sitze wie gewohnt im Pyjama-Dress auf
der Treppe, meine Kaffeetasse in den Händen und werde langsam wach, während ich die Umgebung und das Wetter begutachte. Aber heute morgen
nerven schon wieder die Moskitos. Das früher mal malariaverseuchte Gebiet ist offenbar heute noch Brutstätte von zig Stechmücken! Schon gestern
Nachmittag, ab vier Uhr, kaum war die Sonne hinter einer Wolke verschwunden, fielen die Viecher in Massen über uns her.
Der Hündin gebe ich, wie schon gestern Abend eine Ration Hundefutter. Sie kann es sicher gebrauchen, wenn sie noch irgendwo Junge hat.
Der Himmel verspricht nichts gutes, heute. Also, auf und weiter. Hier in diesem Sumpf ist ein Bleiben undenkbar, ich müsste die ganze Zeit drin
bleiben.
In Villaputzu kann ich einkaufen und finde auch, nach einiger Sucherei einen Bankomaten. War aber auch knapp. Hatte gerade noch 20 Euro im
Sack! Als ich um eine Ecke fuhr, lachte mich ein Ford-Garagen-Schild an. Sie steht da, wie bestellt, denn mein 50'000 km Service ist überfällig. Ich
kriege für morgen Vormittag einen Termin. Wunderbar! Dann wäre ich diese Sorge auch los. Vermutlich aber auch etliche Euros! Egal, was sein
muss, muss sein.
Ich fahre an den Lido di San Giovanni runter und finde ganz am Ende einen Parkplatz mit Wasseranschluss. Zudem steht dort ein Womo mit
deutschem Kennzeichen! Jubel! Endlich wieder mal Nachbarn.
Sie haben eine junge Schäferhündin dabei, die sie hier an der Ostküste aufgegabelt haben. So kommt Zorro wieder mal auf seine Kosten. Er will
immer noch wie wild besteigen. Ob die Kastration wirklich hilft? Bis jetzt auf jeden Fall noch gar nicht.
Das erste Mal, dass ich meine Sonnenstore rauslasse, um mich vor der Sonne zu schützen! Aber es geht nicht allzu lange, und die Marquise schützt
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mich vor Regen! Wenn es nicht November wäre, würde ich sagen, ein richtiger sommerlicher Platzregen war das.
Wasser kann ich hier auch wunderbar tanken. Mit der Spritzkanne renne ich ein paar Mal hin und her, bis der Tank voll ist. Leider passt der Schnabel
der Giesskanne nicht in die äussere Tanköffnung! Aber das tollste ist ja, das es nicht mehr rinnt! Irgendwie hab ich das Leck stopfen können und
musste in keine Garage und musste keinen Ersatzschlauch kaufen. Ach, ist das gut!
Zum Abendessen gibt es eine leckere Minestrone mit frischem Brot. Hmmm, freu mich schon darauf!
14. November 2003, San Giovanni
Kleiner Ford-Service
Um halb neun geb ich mein Womo bei der Garage ab und begebe mich auf Stadttour,
oder wohl eher, Dorfrundgang. Vorher habe ich aber dem Garagisten noch klargemacht,
was ich mir so ungefähr vorstelle, was zu tun sei. Gestern Abend habe ich nämlich noch
das Servicebuch studiert. Dort ist auch alles in Italienisch beschrieben und so habe ich die
Stellen markiert und ihm unter die Nase gehalten. Ca 150 Euro, meinte er. Ok, das wäre
in Ordnung, wenn es nicht mehr wird.
Auf dem Rundgang fand ich einen Laden mit Internet-Point, wo ich mal in Ruhe Mails
beantworten konnte und noch ein wenig rumsurfen.
Auch in Muravera hat es viele Wandmalereien. Das eine, das ich fotografiert habe, hat mir
besonders gut gefallen. Vielleicht auch, weil es in Morgensonne eine besondere
Ausstrahlung hatte.
Nach zwei Stunden, wie abgemacht, bin ich zur Garage zurückgekehrt, in der Hoffnung,
sie seien, wie abgemacht schon fertig. Und tatsächlich, ich war überrascht, stand mein Womo schon wieder draussen, schön einparkiert. Der Service
hat mich 138 Euro gekostet. Dabei war ein Ölwechsel, Pneukontrolle, sämtliche Filter ausgetauscht. Tip-Top. Dann wäre das auch wieder paletti, bis
zum nächsten Service nach 10'000 km. Wo ich dann wohl sein werde? Auf der viermonatige Tour durch Spanien und Portugal hatten wir diese
Strecke gefahren. Wenn ich jetzt auch wieder vier Monate dafür bräuchte, dann wäre der nächste Service irgendwann im März 2004 fällig...
Ich fahre wieder runter an die Beach von San Giovanni, wo ich sicherlich heute, vielleicht
auch noch einen Tag länger bleiben werde. Mal sehen.
Es fahren immer wieder Autos hierher, wenden auf dem Platz und fahren wieder zurück.
Aber man gewöhnt sich daran.
Das Paar aus Köln kommt später am Nachmittag mit ihrem über 10m langem Teil auch
wieder. Schön.
Ich lasse meine Sonnenstore raus und mache mal wieder auf Ferienstimmung. Das Ding,
die Store, will dann später aber nicht mehr rein ins Fach. Ich denke, das ist was
verklemmt, bis ich dann sehe, dass die Federn rechts und links völlig verdreckt sind und
schlicht Schmiere brauchen. Gedacht, getan. Jetzt lässt sich sich wieder problemlos
reindrehen.
Am Abend laden mich die beiden Kölner, welche schon seit sieben Jahren immer wieder
für längere Reisen unterwex sind, zu Whisky-Cola und Bratwürsten ein. Wir schwatzen,
lachen, sind ein wenig betrunken und tanzen dann auch noch zu Griechischer Musik. Eine
herrliche Nacht mit so vielen Sternen! Es war amüsant und hat Spass gemacht. Zuviel getrunken hatte ich glücklicherweise nicht, aber einschlafen
konnte ich dann doch nicht. Das Coke machte mich viel zu quirlig.
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15. November 2003, San Giovanni
Lange Spaziergänge
Es war ein wunderbarer Morgen. Windstill und warm. Ein Bad im stahlblauen kühlen Meer
machte mich wieder frisch.
Den Tag verbrachte ich unspektakulär mit Lesen, Schreiben und langen Spaziergängen
durch die Flusslandschaft und am Meer entlang. Die Gegend ist schön und
abwechslungsreich. Leider frischt der Wind wieder im Laufe des Vormittags auf und so
verbringe ich viel Zeit im Womo drin. Mein rollendes Zuhause behagt mir sehr und ich
finde es gemütlich, drin zu sitzen und durch die Fenster eine sensationelle Sicht auf das
Meer zu haben. So eine Aussicht haben nicht viele von ihrem Zuhause aus!
Der Wind frischt auf. In der Nacht ist sogar stürmisch. Allerdings ist es Südwind und so
fallen die Temperaturen kaum. In der letzten Nacht hatte es 11°. Doch jetzt vielleicht so
16-18°.
16. November 2003, San Giovanni - Solanas (östlicher Golf von Gagliari)
Costa Rei
Der Tag bleibt bewölkt. Leider. Ist doch die Welt nur halb so schön, wenn das Wetter
nicht mitspielt! Ich tanke Wasser voll, leere Chemietoilette und verabschiede mich dann
von Gisi und Willi und der Schäferhündin Mona. Den letzten Kaffee trinke ich in ihrer
rollenden Villa, die echt schön, gemütlich und cool ist. Ja, so lässt sich's Leben.
Bevor ich nach Süden fahre, gehe ich nochmals nach Muravera, um meine Mummi
anzurufen. Die Karte für 7.50 Euro ist leider viel zu schnell verbraucht, obwohl es ja einen
günstigeren Sonntagstarif gibt.
Die Strasse zum Capo Ferrato hinaus wird je länger je übler. Der Herbstregen hat die
Schotterpiste an vielen Stellen arg ausgewaschen. Kurz vor dem Capo ist sogar eine
Stelle, wo ich denke, das geht jetzt nicht mehr. Wenn ich links an den Löchern vorbei will,
dann hänge ich mit dem Bauch fest. Gerade darüber reicht nicht, hänge ich ebenfalls fest
und rechts ist der Schotter so grob, dass ich nicht sicher bin, ob der hält. Ich überlege mir
schon, die ganze missliche Strecke wieder zurückzufahren. Aber dann danke ich: No risk, No fun. Und es geht, ich hänge nirgends an, nur mein
"Interieur" wird grausam durchgeschüttelt.
Vom Capo Ferrato aus ist dann wieder Asphalt. Es geht entlang der bekannten Costa Rei mit seinen vielen Campingplätzen. Die Costa Rei ist wild und
abwechslungsreich. Steile Klippen, vorgelagerte Felsinseln, immer wieder Süsswasserläufe entlang dem Meer und weite Sandbuchten. Die Strasse
führt von Bucht zu Bucht. In viele kommt man aber nur mit Allradantrieb.
Ein Stichstrasse sieht mir fest genug aus. Zeit für den Mittagshalt. Es ist kaum wer unterwex. Aber die Scherben auf der kleinen Parkmulde sagen
mir, dass hier eine Übernachtung nicht ratsam ist. So schade. Die Natur und die Menschenleere ist wirklich ein Wucht.
Eigentlich war mein heutiges Ziel Villasimius. Aber ich muss feststellen, dass das Dorf eine Art Geisterstadt ist. Wohl im Sommer proppevoll, aber
jetzt? Tote Hose und zusammen mit dem schlechten Wetter ganz und gar nicht ansprechend. Ein Spaziergang bringt mich zum Capo Carbonara
hinaus. Ich denke, ich fahre noch ein Stück weiter. Ich muss feststellen, dass hier fast alle Orte diesen gespenstischen Eindruck machen. Mag sein,
dass es am Wetter liegt, aber diese ausgestorbenen Feriendörfer wirken auf mich sehr abstossend. Trotzdem ist es langsam Zeit, einen
Übernachtungsplatz zu finden. In Solanas sehe ich, schon als ich von oben runterfuhr, einen grossen Parkplatz am Ende der Spiaggia. Es sind nur ein
paar Wellenreiter da, die aber auch bald von dannen ziehen und mich alleine auf dem riesigen Platz lassen. Egal. Hier werde ich bleiben. Morgen geht
es ab nach Cagliari.
17. November 2003 - Solanas - Nora (bei Pula, etwa 30km südlich von Cagliari)
Römischer Fussboden
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An steilen Klippen ging es rein nach Cagliari. Die Beschilderung ist gut und so lande ich prompt im
Hafen, der eigentlich ein guter Ausgangspunkt für eine Stadtbesichtigung wäre. Wenn da nicht das
Parkplatzproblem wäre! Auf dem grossen Parkplatz lassen sich mich nicht parkieren, schicken mich nach
weiter hinten und dort hat es keinen freien Platz für mich. Ich wende und suche, habe aber kein Glück.
Weiter im Industrieecken dann schon wieder. Aber ich getraue ich mich nicht, die Karre stehen zu
lassen. Im Grunde muss ich ja wieder hierher kommen, wenn ich mich für Sizilien einschiffe. Dann habe
ich sicher Zeit, die totgeschlagen werden muss. Also werde ich dann einen Stadtbummel unternehmen
und nun, nichts wie raus hier, aus diesem Getümmel!
Während ich die Schnellstrasse südwärts fahre, kann ich in den Salinen die Flamingos beobachten.
Schön, wie sie, selbst in rosa, in ebenfalls rosafarbenem Wasser stehen. Die möchte ich mir irgendwann
noch mal in Ruhe anschauen.
Pula entschädigt mich ein wenig für Cagliari. Sicher ist es hier im Sommer nicht mehr lustig vor lauter
Touristen. Aber jetzt ist es hübsch. Die farbigen Häuser drängen sich dicht an die verwinkelten Strasse.
Auf einem grossen Platz trinke ich Cappuccino und setze die eben gekaufte italienische SIM-Karte ein.
Für 10 Euro Grundgebühr lohnt sich der Wechsel wirklich - hätte ich schon viel früher tun sollen! Jetzt
kann ich nämlich für 50 Cents in die Heimat telefonieren und kann vor allem auch erreicht werden, ohne
dass es mich ebensoviel kostet wie den Anrufenden.
Auf der Landzunge von Pula befindet sich die vermutlich älteste (900-1000 v.Chr.) Phöniziergründung
auf Sardinien. Ab 238 v.Chr. war sie Hauptstadt des römischen Sardiniens. Heute sieht von den
phönizischen Überresten nicht mehr viel. Aber die römischen Mosaikböden sind gut erhalten und sehr
schön.
Die Stadt wurde im Mittelalter wegen Seeräuberüberfällen aufgegeben. 1889 legte dann eine Sturmflut
Teile der Anlage frei.
Auch die Überreste der Thermen, wovon sich ein Teil unter Wasser befindet, sind
eindrücklich.
Zorro muss ich für die Besichtigung im Auto lassen. Dafür kann ich in Ruhe die
Atmosphäre der Ruinen aufnehmen. Ich versuche mir, vorzustellen, wie auf diesen Wegen
schon vor 2000 Jahren Menschen gegangen sind. Ein wunderbarer Duft, den ich nicht
festmachen kann, liegt über der ganzen Anlage und es kommt mir entgegen, dass ich
alleine und ungestört durch die Überreste dieser ehemaligen Stadt laufen kann. Schade,
dass die Sonne nicht scheint. Trotzdem ist es warm, ca. 22°.
Auf dem grossen, mit niederstämmigen Palmen eingesäumten Parkplatz werde ich mein
Nachtlager aufstellen, sofern niemand kommt und mich wegschickt.
Den Abend verbringe ich mit Collagen zusammenstellen. Schon vor etlichen Tagen habe ich wild alles aus zwei Heftern rausgeschnitten, was mich
irgendwie ansprach. Nun habe ich vor, drei Themen umzusetzen: Der Mensch, Reisen und die Liebe. Die ersten beiden hängen nun, halb zehn, an
meinen Schränken. Wenn ich in solche Arbeit vertieft bin, dann verliere ich jedes Zeitgefühl. Ich vergesse dann sogar, zu Rauchen!
18. November 2003, Nora - Porto Pino (nördlich vom Capo Teulada, südlichster Punkt Sardiniens)
Costa del Sud, endlose einsame Strände
Morgens mache ich immer zuerst einen Spaziergang mit Zorro, sonst ist er quengelig und ich kann meinen Kaffee nicht geniessen. Des öfteren
mache ich diesen ersten Gang (meist ans Meer) im Pyjama. Ist eh kein Mensch weit und breit um diese Tageszeit. Manchmal habe ich das Glück,
dass ich ihn einfach rauslassen kann. Dann geht er seinen eigenen Wege. Aber hier ist die Strasse zu Nahe. Also stapfe ich mit ihm, heute
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ausnahmsweise schon angezogen, runter ans Meer und am Strand entlang. Es ist wieder
schön geworden. Aber extrem feucht und warm (25°).
Als ich später mit meiner Kaffeetasse in der Türe sitze, kommt ein Kerl vorbei. Er spricht
mich an und nachdem er Fragen wie woher, wohin, für wie lange und so gestellt hat,
kommt dann die übliche Frage, ob verheiratet, Kinder usw. Ich sage ja, ich wäre
verheiratet, habe sogar eine Tochter! Beide sind bei Freunden und ich gehe sie heute
abholen. Blablabla. Er verzieht sich, kommt aber später nochmals. Und er bringt Blumen
mit. Ein Sträusschen "Violletta", so sagt er heissen die, und einen Topf mit Geranien. Den
will er mir auch schenken. Ich erkläre ihm, dass das nicht so praktisch sei, denn ich wäre
noch lange unterwex. Er will mich überreden, aber ich lasse nicht locker. Die Violletta
nehme ich gerne, sie freuen mich sehr. Vincent, so heisst er, arbeitet hier in einem
Touristendorf von Mai bis Oktober. Dann muss er sich jeweils eine andere Arbeit für den
Winter suchen. Er ist eigentlich ganz nett und wir plaudern noch ein wenig, bis ich zu
verstehen gebe, dass ich jetzt zusammenpacken müsse, weil ich weiter wolle.
Der heutige Weg führt mich entlang der Costa del Sud. Wild und schier unbewohnt mit vielen wunderschönen Buchten ist sie wirklich bis jetzt,
optisch gesehen, die schönste Küste Sardiniens. Wenn ich nicht alleine unterwex wäre, so würde ich mich hier für ein paar Tage irgendwo
installieren. Aber so getraue ich mich nicht.
Eigentlich wollte ich heute auf dem Campingplatz bei Teulada übernachten, Duschen und Wäsche machen. Aber der Campingplatz ist leider zu,
obwohl im ADAC-Führer steht, dass er ganzjährig geöffnet sei. Na gut, es geht auch ohne Camping, zur Not kann ich auch eine Handwäsche machen.
Das was mir vor allem ausgeht, ist ja Unterwäsche, die schnell gewaschen und auch wieder trocken ist.
So fahre ich noch ein Stück weiter und nehme die Stichstrasse nach Porto Pino. Dort gibt
es "Stagnis", das sind flache Brackwasserlagunen, welche wichtige Rastplätze für die
Zugvögel bieten. Manchmal sind hier sogar Flamingos zu Besuch. Porto Pino ist mehr als
nur verschlafen. Der riesige Parkplatz ist leer. Vermutlich werde ich hier übernachten.
Aber zuerst einmal gibt es Mittagessen und ein wenig Ruhe, zum Lesen und Sein.
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Später mache ich mich auf einen langen Spaziergang, entlang dem teilweise mit Seegras
komplett zugemauertem Strand. Meine Schuhe deponiere ich irgendwo im hohen Gras
und laufe barfuss bis zur grossen Düne. Kurz davor werde ich von einer Tafel vor dem
Weiterlaufen abgeschreckt: Militärisches Sperrgebiet! Stacheldraht unterstützt die
unfreundliche Aussage und ich kehre um. War eh genug weit, im Sand läuft es sich
ziemlich anstrengend. Das Meer ist schön, klar und teilweise hell-türkis, dort wo das
Seegras nicht den ganzen Strand zumacht. Wenn Wellen das massige Seegras ans Ufer
werfen, sieht es manchmal wie Lava aus, dass hochspritzt.
Duschen tue ich jetzt halt "Zuhause". Boiler auf 50° erhitzen und dann ab unter die
Dusche. An sich dusche ich sehr gerne im Womo, macht auch keine Umstände mit dem
Duschvorhang bleibt es ringsum trocken. Anschliessend stehe ich für eine Zigarette lang
in den Wind und die Haare sind so gut wie trocken. Es bläst wieder ein heftiger warmer
Wind und das Womo schaukelt. Als ich meine Haar draussen trocknen lasse, sehe ich mit
Erstaunen, dass der Abwassertank übergelaufen ist. Das bedeutet, dass die Anzeige eben
doch stimmt und dass im unteren viertel Schlamm oder sonstiger Dreck so festsitzt, dass
das Wasser nie ganz ablaufen kann. So ein Mist! Das erklärt dann auch den schlechten
Geruch vom Tank her. Ich nehme an, dass ich den Tank, wenn ich wieder im Zugerland weile, abnehmen und eventuell ersetzen muss. Aber für
unterwex muss es auch so gehen. Sowas schaffe ich alleine nicht.
19. November 2003, Porto Pino - S. Antioco - Buggeru (Südwesten, Nähe
Iglesias)
Verlassene Bergwerke
Mein heutiges Tagesziel wäre eigentlich Calasetta auf der Isola di S. Antioco gewesen.
Aber erstens fand ich hier keinen geeigneten Platz zum Stehen, auch der Campingplatz
war geschlossen und in S. Antioco selber war ein Riesenrummel. Ich hatte ausgerechnet
jenen Tag erwischt, wo ein Silvio Olli von irgendwo nach Hause gebracht wurde und die
Beerdigung in seiner Heimatstadt, S. Antioco stattfand. Aus der Zeitung wurde ich leider
auch nicht schlau, um wen es sich da handelte. Aber offenbar eine wichtige Person, um
die die ganze Stadt trauerte. Überall hingen Italienfahnen mit schwarzen Bändern und es
wimmelte nur so von Volk. S. Antioco wäre ansonsten noch ein ganz hübscher Ort. Na
einen kleinen Bummel habe ich ja gemacht, Cappuccino getrunken und die Zeitung
studiert, oder wenigstens die Wetterseite.
Ich fahre also weiter Richtung Norden, fahre bei Gonessa wieder an die Küste runter und
dort eine geniale Strecke entlang der Küste, vorbei am Pan di Zucchero (auf dem Foto
ganz links hinten). Überall sieht man hier verfallene Bergwerke und die dazugehörigen
Siedlungen. Es sind, so habe ich gelesen, Überbleibsel aus der Mussolini-Zeit, wo alles aus
heimischer Erde stammen musste, auch wenn es völlig unrentabel war, geringste Bleiund Zinkerzkonzentrationen auszubeuten.
Die Strasse führt in steilen Serpentinen hoch hinauf, teilweise fahre ich sogar im ersten
Gang! Die Ausblicke sind sensationell, denn die Felsen haben hier immer wieder andere
Farben. Von Gelb über Rot bis zu Violett, wunderschön. Schade, dass es so wenige
Haltestellen gibt, denn ich muss höllisch auf die Strecke achten.
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In Buggeru mache ich Halt. Es ist schon nach 15 Uhr und Zeit für eine Pause. Der Strand
neben dem Hafen liegt verlassen da und lädt zu einem Spaziergang ein. Obwohl hier
eigentlich ein offizieller Camper-Stellplatz ist, ist die Barriere unten. Egal, ich stell mein
Womo gleich davor auf den Platz mit schönem Blick aufs Meer.
Das dahinterliegende Bergwerk sieht geisterhaft aus.
Für die Nacht bleibe ich hier. Langsam aber sicher habe ich ein Wäscheproblem. Klar
könnte ich ein paar Sachen selber waschen, aber die Bettwäsche ist ja auch wieder fällig.
So oder so muss ich mir eine Wäscherei suchen, da ja scheinbar alle Campingplätze schon
dicht gemacht haben. In Buggeru selber gibt es aber leider keine. Na, dann vielleicht im
nächsten Dorf!?
20. November 2003, Buggeru - Fluminimaggiore (nördlich von Iglesias,
Westküste)
Antas Tempel
Tatsächlich finde ich in Fluminimaggiore eine Wäscherei. Die Frauen klagen aber, dass
ihre Maschine nicht funktioniert. Ich lasse nicht locker und nach einigem hin und her,
meinen sie, bis Morgen Mittag könne ich die Wäsche wieder holen. Prima, ich stopfe alles
in den Duvet-Überzug und bringe die sicherlich 15 Kilo zu den Damen. Eine grosse
Katzenfamilie sitzt auf einem Mäuerchen oberhalb von mir und beäugt mich und meinen
Riesensack skeptisch und doch neugierig.
Diese Nacht werde ich wohl im Schlafsacken schlafen. Aber das macht nichts. Hauptsache
ich habe für die nächsten vier Wochen keine Wäschesorgen.
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Der Antas Tempel liegt etwa 10 km vom Dorf entfernt. Die Fahrt führt durch das enge
Antastal hinauf zur Anhöhe, wo der römische Tempel steht. Es waren zwar die Römer, die
ihn etwa 300 v.Chr. auf den Ruinen des Punischen Tempels erbauten. Der religiöse
Hintergrund blieb jedoch punisch: Zwei "Badewannen", die am Ende des Tempels in den
Boden eingelassen sind (diese Reinigung ist punische Sitte) sowie die Ausrichtung des
Tempels nach Nordwesten - ein römischer ist stets nach Osten ausgerichtet - lassen
darauf schliessen.
Ich mache zuerst mit Zorro einen langen Spaziergang ausserhalb des Parkes, denn wie
überall an solchen Orten sind Hunde nicht zugelassen. Dabei hätte er seine helle Freude,
an den frischen Ausgrabungen hinter dem Tempel ;-).
Anschliessend wandere ich dann alleine durch die Anlage, hinauf zum römischen Grab und
weiter dem Bergrücken entlang, bis ich einen wunderbaren Blick von oben über das ganze
Tal habe. Leider macht der Himmel immer mehr zu. Und als ich zum Auto zurückkehre,
fängt es an zu regnen. Dem Tempel habe ich leider nicht viel abgewinnen können. Ich
bewundere die Lage und ich begreife die Machtgefühle, die ein solcher Bau an einem
solchen Ort vermittelt, aber berühren tut es mich nicht. Ich stehe dann immer ein bisschen doof da (finde ich) und frage mich, ob ich denn wirklich
so ein Kulturbanause bin? Ich bräuchte wohl einen Geschichtenerzähler, der mir von früher erzählt und so die Vergangenheit in bunten Farben wieder
entstehen lassen könnte...
Mein Nachtquartier stelle ich in Fluminimaggiore auf, wo ich dann morgen meine Wäsche abholen kann. Das wäre dann das erste Mal, dass ich mitten
im Dorf übernachte. Hoffentlich ist das nicht gerade der Platz, wo sich die Jugend bis spät in die Nacht hinein mit ihren lauten Skooters trifft!
Nacht vom 20. auf den 21. November 2003, Fluminimaggiore
Steinewerfende Jugend
Ja, wenn es nur die Skooters und die Jungen Übermütigen und Verliebten gewesen wären! Am frühen Abend schaukelte das Womo. Ich ging hinaus
und sah gerade noch zwei Typen um die Ecke verschwinden. Der eine trug einen, so meinte er wohl, coolen, langen dunklen Mantel. Verflucht, diese
Jungs!
Es war mit Sicherheit der lauteste Platz, den ich mir hier ausgesucht hatte. Der Parkplatz war sozusagen leer, als ich kam und darum stellte ich ihn
quer hin. Im Laufe des Abends dann aber füllte sich dieser Platz immer mehr. Als ich mich entschied, umzuparkieren, musste ich feststellen, dass ich
nur mit Mühe rauskommen würde, denn vorne und hinten standen sie ganz nahe. Also vergass ich diesen Einfall. Glücklicherweise fing es später an
zu regnen und dass vertrieb dann auch die Verliebten und rumhängenden Skooter-Typen. Auch der Parkplatz leerte sich nach und nach.
Etwa um Mitternacht erschrak ich aus meinen Träumen, als das Womo wieder schaukelte. Verdammt. Das waren sicher wieder die gleichen Typen,
die jetzt auf dem Weg nach Hause waren. Hoffentlich reichte ihnen dieser harmlose Spass. Ich guckte aus dem schmalen Fenster im Alkoven und sah
sie im dunklen Wäldchen am Ende des Parkplatzes. Es waren drei und einer von ihnen war der von vorher, der mit dem langen Mantel.
Mit Schrecken sah ich, dass sie im Wald herumschlichen und dann kam der mit dem Mantel heraus und warf irgendetwas nach dem Auto. Ich wartete
auf einen Knall, aber es geschah nichts. Ich hoffte inbrünstig, dass sie sich jetzt verziehen würden. Ich machte Licht unten und hoffte, dass sie das
abschreckt. Aber, nein. Offenbar nützte das gar nichts. Der Typ schwang nochmals etwas in meine Richtung. Aber er traf wieder nicht. Während ich
den Wald im Auge behielt, überlegte ich fieberhaft, was ich machen könnte. Ich hatte den Gasspray bei mir und einen Knüppel, aber nichts, was ich
auf Distanz einsetzen könnte. Da kam der Typ wieder, er liess nicht locker, und warf, nehme ich an, einen Stein. Und diesmal traf er. Es krachte voll
gegen das Blech und nun hatte ich eine Riesenangst. Ich ging hinaus und rief ihnen zu, dass ich die Polizei rufe. Sie liessen sich nicht blicken. Ich
stieg wieder ein und rief tatsächlich die 112 an. Ich musste zuerst verbunden werden, um auf Englisch erklären zu können, was geschah. Ein Teil von
mir merkte, dass ich fast ins Telefon schrie. Ich hatte wirklich eine Heidenangst. Als ich die wichtigsten Angaben gemacht hatte, war auf einmal tote
Leitung! Riesig. Ich wusste nicht, ob sie jetzt jemanden vorbei schicken würden oder nicht.
Wenn die nochmals Steine werfen und zum Beispiel die Frontscheibe in die Brüche geht, dann wird es mühsam. Ich wollte nicht wie eine Zielscheibe
hier stehen bleiben und warten, bis die ihre Zielübungen verbessert hatten. Also, räumte ich schnell die offenliegenden Dinge weg, löste das
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Sicherheitsseil zwischen den Türen und setzte mich hinter das Steuerrad. Ich rechnete jeden Moment damit, dass noch mehr Steine geflogen kämen
und fuhr so schnell es ging vom Platz und auf die Hauptstrasse. Als ich Dorfausgangs fuhr, kam mir in den Sinn, dass ich die Carabinieri-Station am
Ende des Dorfes gesehen hatte, als ich einen Bummel machte. Genau, das war im Moment die beste Adresse für mich. Ich fuhr auf den Platz und
stieg zitternd aus dem Wagen. Und da fuhr die Polizei auch schon vorbei. Ich winkte und sie hielten an. Mit Händen und Füssen versuchte ich zu
erklären, was geschehen war und was ich gesehen hatte. Am Wagen selbst konnte ich keinen Schaden finden. Es war aber auch zu dunkel und alles
nass. Die zwei Polizisten sagten, ich solle hier bleiben, mich still verhalten, sie würden dorthin fahren und die Sache anschauen. Ich war
einverstanden. Der Platz vor der Polizei-Station war sicher und vor allem besser als durch die Nacht zu kurven in der Hoffung irgendwo einen ähnlich
tröstenden Platz zu finden. Die ersten Minuten sass ich geschockt am Tisch, hörte auf jedes Geräusch und schaute angestrengt in die Nacht hinaus.
Die Carabinieris fuhren noch zwei Mal vorbei. Irgendwann löste ich mich dann aus meiner ängstlichen Starre und machte mir einen Kräutertee. Als
ich ihn getrunken hatte, hatte ich mich auch soweit beruhigt, dass ich wieder, allerdings voll angezogen, ins Bett stieg. Aber es dauerte noch lange,
bis ich wirklich einschlafen konnte.
Vor allem musste ich daran denken, was ich selber für Blödsinn gemacht hatte, als ich in etwa dem gleichen Alter war. Ähnlich, wie die Typen hier,
ging es einfach darum, Frust und Machtlosigkeit in aggressiven Handlungen abzureagieren. Ich hatte wohl früher selbst schon Menschen zu Tode
erschreckt und nun erfuhr ich am eigenen Leibe, was es heisst, in der "Opferrolle" zu sein und solche Angst zu haben.
21. November 2003, Fluminimaggiore - Porto Palma (südlich des Golfes von
Oristano, Westküste)
Grosse Wäsche
Ich war immer noch todmüde, als ich um etwa 8 Uhr aufstand und mit Zorro spazieren
ging. Als ich wieder zum Auto zurückkam untersuchte ich es, aber ich fand nur einen
kleineren Einbuck. Schaden ist also nicht wirklich entstanden. Wäre wohl anders gewesen,
sie hätten eine Scheibe getroffen. Ich machte mir Kaffee und Müesli, Zorro ging wieder
schlafen. Der arme Kerl war gestern Nacht auch ganz verstört. Der Knall vom Stein war
hier drin extrem laut und natürlich hat er meine Angst mitgekriegt. Na, ja, wir haben wohl
beide nicht viel und das bisschen auch nicht gut geschlafen.
Später klingelte ich dann der Pforte, mit der Absicht, mich zu bedanken und zu erklären,
dass ich keine Anzeige machen würde. Ob sie sie gefunden haben oder nicht, war ganz
egal, denn sie hätten ohnehin nichts gegen sie in der Hand gehabt. Aber die Stimme aus
der Gegensprechanlage meinte nur, um 17 Uhr sei geöffnet. O.k., dann halt nicht.
Ich wollte weg hier aus dem Dorf. Zwar musste ich um 12 Uhr ja wieder hier sein, um die
Wäsche abzuholen. Aber solange wollte ich nicht hier stehen und die Ereignisse von
letzter Nacht permanent vor Augen haben. So fuhr ich runter ans nahe Meer und schrieb
diesen Bericht. Ein Spaziergang am Strand entlang entspannte ebenfalls meine Nerven.
Es ist bewölkt und hin und wieder regnet es. Auch ist es wieder kühler geworden. 15°
zeigt mein Thermometer an. Ach, ein bisschen Sonne würde jetzt meiner Stimmung gut tun.
Gegen 12 Uhr fahre ich wieder ins Dorf zurück. An einem Brunnen fülle ich meinen Wassertank, kann sagar meinen Schlauch anschliessen.
Bei der Wäscherei informiert mich die Frau, dass noch nicht alles trocken sei. Ob ich bis morgen noch warten wolle. Ich verneine und denke bei mir,
alles, aber nur keine weitere Nacht an diesem Ort! Ich packe die Wäsche, welche nicht so arg nass ist und geb ihr 10 Euro dafür. Fairer Preis, dass es
nicht ganz trocken wurde, hat wohl auch mit dem feuchten Wetter zu tun. Aber halb so wild. Ich werde nicht so weit fahren und die Wäsche draussen
aufhängen. Also muss es ein Wäscheleinenkompatibler Ort sein. Wieder führt mich die Strasse über Pässe, hinauf, hinauf, hinauf und wieder
hinunter. Ich kenne kein Land, welches ebenso viele Kurven hat wie Sardinien!
Ich fahre zum Zipfel unterhalb des Golfo di Oristano. Ich durchquere jede Menge Artischocken-Plantagen. Es ist Erntezeit, das Gemüse ist reif. Schön
auch, dass es wieder aufhellt!
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In Porto Palma finde ich einen schönen Parkplatz direkt am Meer. Das Dorf ist ein
Feriendorf, aber eines von der netten Art. Ein paar verstreute kleine und einfache Häuser,
umzingelt von Grün und bunten Bougainvilea (weiss nicht genau, wie sich das schreibt,
aber es sind jene, welche leichtblättrig glockenförmig in vielen Rottönen jetzt im Herbst
blühen, wunderschön und romantisch ranken sie sich um Mauern und Balkone).
Ich spanne mein Wäscheseil zwischen einem alten Baum und einer Strassenlaterne und
hänge die noch feuchte Wäsche auf. Moskitos unterbrechen meine Arbeit, ich muss mich
zuerst mit Chemie einreiben, dabei ist es Mittag! Bei einem Rundgang durchs Dorf treffe
ich nur auf zwei junge Frauen mit Kindern, einen Mann und eine alte Dame und zwei
Fischern am Meer. Das ist alles. Es hat auch keinen Laden und nichts hier.
Hier werde ich wohl kaum auf steinewerfende Jungs treffen.
Am Abend hole ich die Wäsche wieder rein. Alles ist nicht trocken geworden obwohl ein
frischer Wind bläst. So spanne ich im Womo ein Seil zwischen Bett und Küche - das wollte
ich schon lange mal tun -und hänge die restliche Ware hier auf.
Der Abend vergeht schnell und ich gehe, müde noch von letzter kurzer Nacht, früh ins Bett. Ich schlafe 12 Stunden! Und der Kleine ebenfalls. War
wohl nötig!
22. November 2003, Porto Palma - Torre Grande (westlich von Oristano,
Westküste)
Sonne, Wärme, Stille
Der Tag verspricht schön zu werden. Ich fahre den Weg der Küste entlang zurück und
habe das Glück, über den Stagno di Marceddi fahren zu können. Auf der Karte ist keine
Brücke oder sonstige Verbindung eingetragen. In meinem Reiseführer jedoch steht, dass
diese Brücke manchmal offen ist. Es führt kein Wegweiser dorthin. Man muss es einfach
wissen, dass die Brücke befahrbar ist und in diesem Fall einem einen Umweg von rund
20km erspart. Auf der anderen Seite fangen die weiten Felder um Arborea an. Diese Stadt
wurde in der Mussolini-Zeit gegründet. Sie hiess bis 1943 sogar Mussolinia! Es ist eine
landwirtschaftliche Grosssiedlung, welcher mit Strassen und Bewässerungssystemen, alle
im rechten Winkel, durchzogen ist. Als ich an der grossen Milchabfüllerei vorbeikomme,
wo auf der Mauer das grosse Arborea-Milch-Logo prangt, erkenne ich es von meiner Milch
und dem Mozzarella wieder. Aha, aber Kühe sehe ich keine, weit und breit nicht.
Ich fahre nach Oristano rein und finde gleich beim Dom einen Parkplatz. Ein kleiner
Bummel in der Vormittagssonne wird mir gut tun. In einer Buchhandlung finde ich sogar
deutschsprachige Romane, nicht gerade vom Feinsten, aber doch spannender Lesestoff.
Offenbar kennt Italien keine Preisbindung. Der aufgedruckte Europreis ist frischfröhlich
mit höheren Preisschildern überklebt. Die Statue von Eleonora, der Landesmutter von
Sardinien, muss ich fotografieren. Und zwar weil mir die Geschichte so gut gefällt. Sie ist zwar komplex, aber das wichtigste ist, dass sie, als ihr
Bruder 1383 bei der Befreiung von Sardinien von der Spaniern umkam, sie ihm als "Giudicessa" folgte. Der geschickten Politikerin gelang es in 20
Jahren, die eigenbrötlerischen Sarden zu einem gemeinsamen Staat zu einen. Mit einer neuen "Carta de Logu", wie die Gesetzbücher der Judikate
hiessen, stärkte Eleonora durch ein ausgewogenes Zivil- und Strafgesetzeswerk den inneren Frieden der Insel.
Den Weg hinaus aus einer Stadt ist manchmal ganz schön schwierig zu finden. Auch hier lande ich zuerst in engen Gassen und kantigen Winkeln.
Und immer wieder die kurzen Balkone, die verflixt tief hängen! Bis jetzt hatte ich ja Glück...
Torre Grande gefällt mir auf anhieb. Ebenfalls ein Feriendorf herrscht trotz des Saisonendes ein ganz wenig Betrieb. Gerade soviel, dass es nicht tot
wirkt und auch nicht hektisch. Ich stelle mein Womo in eine Sackgasse am Ende der Ferienhauszeile und beschliesse, hier zu bleiben. Ich hole Stuhl
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und Tisch heraus, geniesse einen Tomaten-Mozzarella(von Arborea)-Salat und anschliessenden Kaffee an der warmen Sonne. Ach, man vergisst
dabei, dass es Ende November ist!
Der Strand ist weit und schön und die Promenade wirkt ziemlich verlassen, so ohne Volk.
23. November 2003, Torre Grande - Putzu Idu (nordwestlich von Oristano,
Westküste)
Reiskorn-Strand
Ich fahre weiter nördlich über die Sinis-Halbinsel. Der Strand von Is Arutas wurde mir in
einem Führer wärmstens empfohlen. Und tatsächlich ist er traumhaft schön. Links und
recht wird der Strand durch Felsen abgeschlossen, auch mitten im Strand hat es kugelige
Felsen, welche Abwechslung in die Pracht bringen. Das erstaunliche an diesem Strand
aber ist der Sand. Er ist nur bis auf Reiskorngrösse geschliffen und findest sich in allen
Weisstönen.
Auch hier wieder mache ich einen langen Spaziergang, Strände rufen einfach danach...
Auf dem Rückweg jagt eine Horde Hunde Zorro, der sich ins Meer flüchtet.
Interessanterweise folgen ihm die Hunde dahin nicht. Sie sind auch zufrieden damit, dass
der Kleine nun verschüchtert im Meer steht und ziehen von dannen. Zorro kommt
eingeschüchtert zu mir zurück. Na, ja, er hat immer noch viel zu lernen und er tut mir ein
bisschen leid, denn er will ja eigentlich nur spielen.
Auf dem Parkplatz kann ich wunderbar meine Toilette entsorgen. So habe ich diese,
meine Sonntagspflicht, auch schon erledigt. Zum Übernachten ist es mir hier zu
abgelegen.
Also fahre ich weiter nach Putzu Idu. Mal schauen, was dieser lustige Namen tatsächlich
hergibt.
Jede Menge Parkplätze entlang der Strasse, auf der anderen Seite das Meer. Ok, muss
reichen, denn weiter fahren will ich heute nicht mehr. Allerdings muss ich mein Womo
nochmals umstellen, denn ich hab geschickterweise just bei den Temporeduzierstreifen
parkiert, die einen höllischen Lärm machen.
Der Abendspaziergang am Strand ist schön. Es ist Ebbe und ich kann auf einem äusseren
Streifen Sand laufen. Ich spiele mit Zorro mit einem Fussball, der im Meer schwamm. Da
kommt ein Junge hinter mir hergerannt und fragt ganz ausser Atem, ob ich den im Meer
gefunden hätte? Es sei seiner! Ich spiele ihm den Ball zu und er kehrt glücklich um. Ein
wunderschöner, wenn auch kurzer Sonnenuntergang, taucht das Meer in tollste Farben.
Am Abend ruft mein Bruder Mäxchen an, oh wie schön, heimatliche Stimmen zu hören. Er
ist total erkältet und hört sich übel an. Ich erzähle ihm von meinem Überfall und er lacht,
ich auch. So aus der Distanz ist alles halb so wild. Aber vergessen werd ich das Erlebnis
so schnell nicht wieder!
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24. November 2003, Putzu Idu - Marina Bosa (bei Macomer, Westküste)
Brunnenheiligtum Sta Christina
Auf dem Morgenspaziergang kann ich Flamingos im Stagno de ist Benas beobachten. Alle
haben sie die Köpfe unter Wasser. Plötzlich fliegen sie wie auf Kommando los und es ist
herrlich, ihnen zuzuschauen. Die pinken Flamingos haben schwarz-weiss gemusterte
Flügel. Sie zeichnen sich wunderschön gegen den Himmel ab. Gerne hätte ich sie
fotografiert, aber offensichtlich sind sie ziemlich scheu.
Ich fahre durch Olivenplantagen. Die Früchte sind bald reif und hängen fett an den
Bäumen. Teilweise sind sie schon von Grün ins Violett gereift.
Das Brunnenheiligtum von Sta Christina ist mein nächstes Ziel. Da es gleich an der
Schnellstrasse liegt, ist es einfach zu finden. Sogar Zorro darf ohne Wenn und Aber mit,
das erstaunt mich. Aber für ihn ist genial, zwischen den Olivenbäumen und Ruinen frei
herumlaufen zu können. Ausser mir ist ja keine Mensch da. Als ich am fotografieren der
alten Nuraghe bin, kommt ein älterer Herr zu mir und fängt an, mir dies und jenes zu
erklären. Er arbeitet für die Kommune hier und kennt sich aus. Interessant, was er alles
zu erzählen weiss. Wir verständigen uns auf Italienisch und Deutsch - er hat vier Jahre in
St. Moritz gearbeitet.
Er erklärt mir auch, dass die grossen schlanken Olivenbäume, Wildoliven sind!
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Eindrücklich ist der heilige Brunnen, der etwa 4000 Jahre alt sein soll. Wie sie das
geschafft haben, diese Präzision, mit welcher die Steine aufeinander geschichtet worden
sind! 24 Stufen führen hinunter zum kreisförmigen Brunnenboden.
Vom Brunnenboden aus sieht man zum 7m hochen Lichtloch, welches etwa 20cm
Durchmesser hat. Bis oben verlaufen die Steine in regelmässigen Abständen und werden
immer enger. Ich bin sehr beeindruckt. Zorro hingegen gar nicht, er geht respektlos im
Brunnenwasser baden!
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Im Laden genehmige ich mir noch einen Cappuccino und dann geht es weiter nach Bosa.
Das heisst, zuerst mal ans Meer. Eine Baustelle zwingt mich zu einem langen Umweg in
endlosen Schleifen wieder den Berg hinauf. Aber endlich lande ich dann doch noch in Bosa
Marina. Obwohl ein Bus- und Camperfahrverbot am Eingang des Dorfes steht fahre ich ein
Stück hinein und platziere mich auf einem der vielen leeren Parkplätze am Meer.
Dorfeingangs sehe ich Jugendlich, die rumstehen und palavern. Ich bin gestresst, hab ich
jetzt schon Angst vor denen? Ich muss mir selber gut zureden und mir klarmachen, dass
das, was in Fluminimaggiore passiert ist, überall passieren kann. Es hätte sogar ebenso
gut in Zug sein können, also nur keine Panik!
Der Strand hier ist Braun. Erstaunlich, von gelb oder gold, weiss, rosa, schwarz, grau bis
braun habe ich nun hier auf Sardinien schon alle Schattierungen gesehen, oder gibt es
noch mehr?
Ein wunderschöner Sonnenuntergang um 17 Uhr beendet auch hier den Abend. Um 7 Uhr
etwa geht sie auf. Die Tage sind wirklich verflixt kurz und werden ja noch kürzer!
25. November 2003, Marina Bosa - Porto Torres (nordwestlich von Sassari,
Nordwestküste)
Bosa von innen und Kloster von aussen
Der Morgenspaziergang bringt mich zum Turm am Ende des Strandes. Schade habe ich
meinen Fotoapparat nicht dabei. Das Grün der Felsen, welche teilweise überflutet,
teilweise bizarr von Wind und Seegischt geformt wurden sind eindrücklich.
Die eigentliche Stadt Bosa, gleich hinter Marina Bosa, ist ein Spaziergang wert. Ein
wundervolles Stadtbild bietet sich mir entlang dem Fluss Temo als ich über die Brücke
laufe. In dieser Altstadt hat es zur Abwechslung mal wieder hohe, mehrstöckige Häuser.
Wie üblich, gönne ich mir bei jedem Bummel einen Cappuccino.
Aber bald schon mache ich mich wieder auf den Weg Richtung Norden. Ich möchte heute Gas tanken. Nach meinen Führern müsste ich
entsprechende Tankstellen bei Sassari und bei Porto Torres finden.
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Die Schnellstrasse führt an der Santissima Trinita die Saccargia vorbei. Die schönste Landkirche
Sardiniens wurde zwischen 1110 und 1200 im schwarz-weissen toskanischen Zebrastil aus Kalk und
Basalt errichtet. Sie diente als Abtei der Kamaldulenser, einem einsiedlerischen Bedeniktinerorden.
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Grauslich schön waren vor allem die Reliefs an den Säulen. Schauderhaft schön!
Nach der Mittagspause fahre ich weiter Richtung Sassari, sehe eine GPL-Tankstelle und
denke, nein, ich möchte zuerst einmal die offizielle Abfüllstation sehen! Als ich aber bei
dieser gelandet bin, erklärt der Herr, dass sie das nicht machen. Er erklärt irgendwas von
falscher Flasche, aber ich habe den Eindruck, er will einfach nicht. So ein Mist! Und ich
dachte schon, ich könnte hier gleich auch noch rausfinden, wo ich sonst noch überall in
Italien Gas auffüllen könnte! War wohl nichts!
In Porto Torres sehe ich dann einen Gasladen, aber der hat erst um halb fünf offen. Bis
dahin ist es nicht mehr lange, also gehe ich mal Pause machen am Meer bei Porto Torres.
Hier legen übrigens die Fähren nach Toulon, Marseille, Propiano und Genua ab! Ich werde
in den nächsten Tagen rüber nach Olbia fahren und von dort den gleichen Weg, wie ich
hinkam, zurück aufs Festland machen.
Toll, der Typ kann die Flasche füllen! Ich hab schon fast nicht mehr daran geglaubt.
Morgen kann ichsie abholen. Supi, keine Gassorgen mehr für die nächsten Wochen!
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26. November 2003, Porto Torres - Capo d'Orso bei Palau (nördlich
von Olbia, Nordostküste)
Der Kreis schliesst sich
Die Gasflasche, gefüllt mit 10kg Propan für 18 Euro war schnell verstaut.
Ich fahre wieder zurück ans Meer und der Küstenstrasse entlang über
Castelsardo und weiter bis ich bei der Isola Rossa auf meine "alte"
Wegstrecke stosse. Nun hat sich der Kreis geschlossen.
Meine Rundfahrt über Sardinien ist beinahe beendet. Das Wetter macht
zwar nicht so richtig mit, es tröpfelt immer wieder aus dem verhangenen
Himmel, aber meine Laune steigt. Irgendwie bin ich froh, die Insel
verlassen zu können und wieder auf Festland zu kommen.
Heute morgen bekam ich einen Anruf von Karin. Es steht ziemlich fest,
dass sie Ende Dezember nach Sizilien runterkommt und vier Wochen
bleibt! Juhui, darauf freu ich mich enorm! So werde ich die nächsten drei,
vier Wochen gemütlich entlang der Westküste Italiens nach Sizilien
runterdröseln.
Ich fahre weiter nach Nordwesten Richtung Palau und finde dort, nach
einiger Sucherei den Aufstieg auf den Capo d'Orso, das Wahrzeichen
Sardiniens. Das "Kap des Bären" hat seinen Namen nach dem grossen
Granitfelsen auf seinem Gipfel, der an einen Bären erinnert.
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Der Blick von dort oben ist fantastisch. Sogar die Sonne zeigt sich. Die Tafoni-Verwitterungen sind
bezaubernd im spätnachmittäglichen Sonnenschein.
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Ich sitze eine Weile dort oben, geniesse den weiten Blick und die ruhige Atmosphäre auf dem Felsen und
nehme Abschied von Sardinien.
Auch wenn ich viele Regentage hatte, der Auftakt und das Ende nehmen mich wieder ein für Sardinien.
So wild und knapp bevölkert bietet es viele einsame, ruhige und dazu noch wunderschöne Plätze zum
Sein. Für mich, als Alleinreisende war es fast ein wenig zuviel der Einsamkeit. Vor allem, weil die Saison
hier definitiv vorbei ist und man sozusagen niemanden mehr antrifft. Das mag in der Vor- und
Nachsaison ganz anders sein; und mag wohl, auch vom Wetter her, geschickter sein. Obwohl, von den
Temperaturen her, der November absolut angenehm ist. Es wurde nie kälter als 15°, ausser natürlich in
den Bergen. Und bei Sonnenschein hab ich auch das eine und andere Bad im Meer genossen. Ich bin
überzeugt, dass es eine gute Destination zum Überwintern ist, vorausgesetzt man ist nicht alleine
unterwex oder es ist einem egal, auf keine Gleichgesinnten zu stossen.
Morgen fahre ich nach Olbia und werde mich vermutlich für Civitavecchia einschiffen, je nach dem,
welche Route die kürzeste ist.
Chronologisch weiter: Reisebericht Italien 2003, Teil 3
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