Verlobungszeit

Werbung
Verlobung
„Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine
bestimmte Zeit.“ (Altes Testament, Kohelet 3, 1)
So gibt es auch eine Zeit zum Heiraten und eine zum Verheiratet Sein.
Und es gibt eine Zeit zum Noch-nicht-Verheiratet-Sein.
Es gibt eine Zeit der Zweisamkeit und eine Zeit der Einsamkeit. Wer nicht
einsam sein kann, kann auch nicht zweisam sein. Wer nicht mit sich selbst
umgehen kann, kann auch nicht mit einem Partner umgehen. Wie soll es jemand
mit dir aushalten, wenn du es nicht einmal selbst mit dir aushältst?
Vor der Zweisamkeit steht also die Einsamkeit, auch als Zeit der Reifung
und des inneren Wachsens. Die Zeit der Zweisamkeit beginnt mit der Hochzeit.
Von diesem Moment an werden zwei Freunde „ein Fleisch“ (Gen 2, 24). Sie
schließen einen unauflöslichen Bund der Liebe, aus dem eine Familie werden
soll. Wenn zwei Christen heiraten, spenden sie sich dadurch das Ehesakrament.
Der Bund zwischen Mann und Frau ist ein heiliger Bund. In diesem getauften
Ehemann lebt Christus, der Bräutigam seiner Kirche, der seine Kirche so liebt,
daß er für sie stirbt (Eph 5, 25). Und in dieser getauften Ehefrau lebt die Kirche,
die „Braut des Lammes“ (Offb 19), die von Christus geheiligt wird. Christus hat
die Ehe zu etwas ganz Großem und Heiligem gemacht. Deswegen ist es so
wichtig, sich darauf vorzubereiten. Es ist unverantwortlich, unvorbereitet in eine
Ehe zu gehen.
Wie sieht das praktisch aus? Es gibt Katholiken, die scheren sich
überhaupt nicht darum. Aber um die geht es jetzt nicht. Es geht um zwei andere
Gruppen. Die eine Gruppe besteht aus denen, die wollen wirklich vor und in der
Ehe so leben, wie es die Kirche uns sagt. Aber in ihrer Umgebung stoßen sie auf
viele, auch praktische Hindernisse und auf Unverständnis, sogar unter
Verwandten und anderen Gläubigen. Sie gehen in Freude ihren Weg, aber es ist
nicht leicht. Sie brauchen Hilfe. Die anderen, um die es hier geht, bilden
vielleicht die größte Gruppe. Sie würden gern in reiner Liebe in die Ehe treten,
aber sie haben große Angst. Ihr Partner möchte sie vielleicht gern im Bett
ausprobieren (Ich hörte, wie jemand dazu sagte: „Man kann doch nicht die
Katze im Sack kaufen“). Sie wissen, daß dieses Ausprobieren vielleicht Spaß
macht, aber nicht wirklich gut für sie ist, doch sie trauen sich nicht, den anderen
warten zu lassen. Sie fürchten, sonst verlassen zu werden. Sie wissen: „Alles hat
seine Zeit“, und sie spüren in ihrem Herzen, daß die reine Liebe schöner und
größer ist und mehr echte Freude schenkt; aber sie haben Angst, verlassen zu
werden, und auch Angst, den Falschen zu heiraten. Sie haben so viele
gescheiterte Ehen gesehen (vielleicht die eigenen Eltern) und wollen nicht in
eine Falle tappen. So ziehen sie zusammen und beginnen eine „Ehe auf Probe“.
Eine „Ehe auf Probe“ ist aber keine Ehe. Es gibt auch keinen „Priester auf
Probe“. Wenn ein Priesterkandidat vor seiner Weihe die Messe feiern würde,
wäre es keine Messe, sondern eine Lüge, auch wenn er alle Gewänder anlegt
und alle Gebete richtig spricht. Wenn ein Mann und eine Frau ehelich
zusammenkommen, ohne den Bund des Lebens geschlossen zu haben, ohne sich
wirklich einander geschenkt zu haben, dann ist diese Vereinigung in
Wirklichkeit eine Lüge und führt letztlich nicht zum ersehnten Glück. Zwei
Körper vereinigen sich, aber die zwei Herzen sind getrennt. Was jeder im
Tiefsten ersehnt, ist jedoch die Vereinigung der Herzen. Die Vereinigung von
zwei Körpern und zwei Herzen ist für die Kirche etwas Heiliges. Die Kirche
nennt deshalb diese eheähnlichen Verhältnisse ohne den Ehebund auch in der
heutigen Zeit eine schwere Sünde. („Außerhalb der Ehe ist er [der
Geschlechtsakt] stets eine schwere Sünde und schließt vom Empfang der Hl.
Kommunion aus.“ Katechismus der Kath. Kirche n. 2390) Wir müssen auch
bedenken, daß eine Trennung nach einer schon so weit gehenden Beziehung
ungleich schmerzlicher ist, besonders für den, der vom anderen verlassen und
sozusagen nach der Erprobung für untauglich erklärt wird. Eine wirklich gute
Ehevorbereitung könnte also auch viel Leid ersparen.
Wir wissen einerseits, daß die Ehe mit der Hochzeit beginnt. Deswegen ist
ja die Hochzeit auch so ein großes Fest. Die Braut trägt ein weißes Kleid. Weiß
ist die Farbe einer reinen und großen Liebe.
Andererseits ist aber klar, daß es eine sehr gute und tiefe Vorbereitung braucht
für eine so große Entscheidung. Man darf sich nicht erst nach der Hochzeit
kennenlernen! Und hier können wir eine große Hilfe wiederentdecken, die
hoffentlich in Zukunft mehr gelebt wird als im Moment: die Verlobung und vor
allem die Verlobungszeit.
Die Verlobungszeit endet mit der Hochzeit. Sie beginnt mit der Verlobung.
Auch wer schon in einer „Ehe auf Probe“ gelebt hat, kann sich noch für eine
echte Verlobungszeit entscheiden. Umkehr ist immer möglich, auch wenn
manches nicht mehr ungeschehen gemacht werden kann!
Der Verlobung voraus geht die Zeit der Freundschaft, des „MiteinanderGehens“. Man trifft sich, man verbringt möglichst viel Zeit miteinander. Man
hofft, die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Aber irgendwann kommt der
Tag, wo die beiden merken, daß ihre Freundschaft zu einer tieferen Liebe
geworden ist; ihr gegenseitiges Vertrauen ist sehr groß; und sie stellen sich
ernsthaft die Frage: Ist mir dieser geliebte Mensch von Gott als mein Ehepartner
geschenkt worden? Und in dieser Ahnung und bei diesem Gedanken empfinden
sie eine enorme Freude: unsere Liebe ist nicht oberflächlich und launisch,
sondern etwas Stabiles, Verläßliches. Es wäre wunderbar, wenn dieser andere
Mensch wirklich sein ganzes Leben mit mir teilen würde. Und eines Tages
bekennen beide voreinander diesen selben Gedanken. Und doch spüren sie auch,
weil sie klug sind, daß die Zeit für die Ehe noch nicht da ist. Sie kennen sich
noch nicht so gut. Einer oder beide sind noch sehr jung. Manche wichtige Frage
ist noch ungeklärt. Sie haben noch keine ökonomische Basis für die Gründung
einer Familie. Die Berufsausbildung verlangt verschiedene Wohnorte. Oder sie
spüren einfach in ihrem Herzen, daß sie einzeln und gemeinsam noch eine Zeit
der Reifung brauchen. Sie müssen sich selbst und den anderen in Freiheit und
aller Ehrlichkeit prüfen. Ist meine Motivation wirklich echt? Sind meine
Gefühle rein und wahrhaftig? Will ich mich wirklich an diesen Menschen
binden? Ist unsere Liebe tragfähig? An welchen Stellen muß ich noch an mir
arbeiten?
Aus wichtigen Gründen wollen die beiden noch nicht jetzt heiraten. Sie
haben sich aber schon so sehr kennen- und lieben gelernt, daß sie bewußt
gemeinsam auf die Ehe zugehen wollen.
Dann ist die Zeit der Verlobung gekommen. Die Verlobung ist kein
Sakrament. Sie wird definiert als der „Ausdruck festen Willens zweier
Menschen, miteinander die Ehe einzugehen“ (Benediktionale, n. 55). Das kann
ohne kirchliche Feier geschehen, einfach dadurch, daß die beiden Liebenden
sich gegenseitig sagen, daß sie ernsthaft vorhaben, sich zu heiraten. Es ist
hilfreich, wenn das auch unter den Verwandten, Bekannten und Freunden
bekannt gemacht wird. Dann kann man hoffen, daß die anderen sich mit den
Verlobten freuen, sie auf ihrem Weg unterstützen, helfen, Schwierigkeiten zu
überwinden. Andere Freunde wissen, daß die beiden Verlobten schon eine
gewisse Entscheidung füreinander getroffen haben und nicht für andere
Beziehungen zur Verfügung stehen. Die Liebe der beiden Verlobten hat eine
neue, verbindlichere, tiefere Qualität.
Da die Verlobung ein wichtiger Schritt ist, ist sehr zu empfehlen, sie auch
durch eine kirchliche Feier zu begehen. Das kann als Segensfeier zu Hause oder
in der Kirche, auch in Rahmen einer hl. Messe (bei uns z.B. am Freitagabend)
geschehen. Dazu kann man die Familien und Freunde einladen und – wenn man
will - anschließend in einem Fest die Verlobung mit ihnen in kleinerem oder
größerem Rahmen feiern. Man sollte aber aufpassen, daß diese Feier nicht der
Hochzeit ähnelt und es zu keinen Mißverständnissen kommt. Die Ringe, die
traditionellerweise der Mann besorgt, werden gesegnet, und die beiden stecken
sie sich als Zeichen ihrer Verlobung an den Ringfinger der linken Hand. So
tragen sie auch bei räumlicher Trennung das Zeichen der versprochenen Ehe mit
sich. Das ist auch eine Erinnerung an die Verpflichtung, dem Verlobten nicht
erst später in der Ehe, sondern schon jetzt treu zu sein. Von der Hochzeit an
werden diese Ringe als Eheringe am Ringfinger der rechten Hand getragen. Bei
der Trauung entfällt dann der Ritus der Ringsegnung.
Im anschließenden Segensgebet über die Verlobten heißt es: „Sende ihnen
dein Licht, damit sie klar erkennen, daß du sie füreinander bestimmt hast. Hilf
ihnen, den Weg ihres Lebens gemeinsam zu gehen. Halte deine schützende Hand
über die beiden, daß sie in ehrfürchtiger Liebe und Verantwortung diese Zeit der
Vorbereitung auf die Ehe leben. Laß sie im Glauben an dich und in gegenseitigem
Vertrauen immer besser zueinander finden.
Zeige diesen Verlobten den Weg, den du sie führen willst. Sei mit ihnen in guten
und in schweren Tagen. Vollende, was du in ihnen begonnen hast, und laß ihre
Liebe zueinander wachsen. Laß ihre Liebe ein Zeichen für andere sein.“
Hier wird sehr schön deutlich, daß die Verlobungszeit nicht eine leere Zeit ist,
nicht nur einfach ein zeitlicher Warteraum auf die Hochzeit ist, wo nichts
passiert, sondern daß die Verlobungszeit eine ganz wichtige Funktion hat und
den beiden eine sehr große Hilfe sein kann.
Es geht in dieser Zeit darum, festzustellen, ob man wirklich füreinander
bestimmt ist, dies aber nicht, indem man mit dem anderen spielt oder ihn
ausprobiert, sondern indem man schon in ernsthafter Weise viele Aspekte des
Lebens miteinander teilt. In der Verlobungszeit bemühen sich die beiden um
ehrfürchtige und verantwortliche Liebe als Vorbereitung auf die Ehe. Ehrfurcht
bedeutet in dieser Phase, zu akzeptieren, daß die Entscheidung füreinander noch
nicht endgültig ist. Wenn der andere sich von der Verlobung lösen will, dann
kann er das. Ehrfurcht und Verantwortung bedeutet auch, immer tiefer zu
erkennen, daß an meiner Seite nicht nur ein Körper ist, nicht nur eine physische
Person mit einem bestimmten Gesicht und einem bestimmten Namen, sondern
eine unsterbliche Seele, eine Mensch mit einer ewigen Bestimmung. Je mehr ich
den Weg der Liebe mit einem anderen Menschen gehe, desto mehr
Mitverantwortung trage ich auch für sein ewiges Leben.
Die beiden Verlobten sollten möglichst viel Zeit miteinander verbringen,
sich immer besser kennenlernen, sich über die wichtigen Fragen des zukünftigen
gemeinsamen Lebens austauschen, eventuelle Konflikte bedenken und
besprechen. Es ist in dieser Zeit auch angebracht, an einem guten Kurs über
Natürliche Empfängnisregelung teilzunehmen und auch über die Frage der
Sexualität vertrauensvoll miteinander zu sprechen. In den Zärtlichkeiten, die sie
austauschen, lernen die Verlobten immer mehr, nicht nur das angenehme Gefühl
für sich selbst zu suchen, sondern mit der Sprache ihres Leibes eine echte, treue
und opferbereite Liebe auszudrücken.
Dem anderen muß auch die Einsamkeit und Stille gewährt werden. Der
einzelne Verlobte braucht diese Zeiten, wo er mit Gott allein ist, wo er im Gebet
und im Nachdenken vor Gott seine Absichten und Wünsche in das Licht der
Wahrheit halten kann. Darum sollten die Verlobten zwar viel Zeit füreinander
haben, aber nicht „aneinander kleben“. Die Wahrheit des anderen erkenne ich
nur aus einer positiven Distanz heraus.
Während der Verlobung erkennt man auch, daß nicht nur man selbst,
sondern auch der andere ein sündiger und mit Fehlern behafteter Mensch ist.
Gegenseitiges Verzeihen ist immer wieder notwenig. Kraft dazu erhält man
besonders auch aus dem selbst empfangenen Bußsakrament. Dies schon am
Anfang einzuüben ist wichtig für das ganze gemeinsame Leben.
Verlobungszeit ist Zeit der Vorbereitung, Zeit des Gespräches, Zeit der
Geduld und des Verzeihens, Zeit des Gebetes, Zeit der Freiheit, Zeit der
Gemeinsamkeit und Zeit des Alleinseins.
„Alles hat seine Zeit.“ Irgendwann spüren die Verlobten, daß die Zeit
gekommen ist, wo sie mit Gottes Hilfe einander das endgültige Ja schenken und
den sakramentalen Ehebund schließen. Haben sie die Herausforderungen der
Verlobungszeit gemeinsam bewältigt, können sie mit Mut und großer Hoffnung
einander und Gott vertrauen und sich einander in der Ehe schenken.
Vikar Christoph Sperling, April ’04
(benutzte Literatur: Hl. Schrift; Katechismus der Katholischen Kirche; Benediktionale; Alain Quilici, Les
Fiancailles)
Herunterladen