Jesus lebt, mit ihm auch ich

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»Jesus lebt, mit ihm auch ich«
Worte: Christian Fürchtegott Gellert; Musik: Albert Höfer 1859
Meinrad Walter
Wollte man dieses Lied auf einen Nenner bringen, dann sind es die ersten
beiden Worte „Jesus lebt“! Kürzer lässt sich die biblisch-christliche Osterbotschaft
nicht formulieren. Und die zweite Satzhälfte des anfänglichen Ausrufs begründet,
warum das überhaupt heute noch wichtig ist: „… mit ihm auch ich!“ Alle Worte, die
zudem erklingen, variieren diese „Kurzformel des österlichen Glaubens“, die poetisch
gleichsam eingespannt ist in die beiden Namen „Jesus“ und „ich“. Im Hintergrund
stehen Bibelworte wie „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“ (Hiob 19,25) oder Jesu
Verheißung in den Abschiedsreden des Johannesevangeliums „ich lebe und ihr sollt
auch leben“ (Joh 14,19b).
Wer ist der Dichter dieses Liedes? Christian Fürchtegott Gellert (1715–1769)
stammt aus einem protestantischen Pfarrhaus im sächsischen Erzgebirge. Er
studierte Theologie, wurde aber, nicht zuletzt wegen seiner körperlich und seelisch
angegriffenen Gesundheit, nicht Pfarrer, sondern widmete sich der Wissenschaft als
Professor in Leipzig. Dort hielt er Vorlesungen über Philosophie, Dichtkunst,
Beredsamkeit und Moral. Der preußische König Friedrich II. schätzte ihn, und der
junge Goethe berichtet als Hörer seiner Vorlesungen: „Die Verehrung und Liebe,
welche Gellert von allen jungen Leuten genoss, war außerordentlich.“ Gellert blieb
jedoch nicht im rein akademischen Bereich, sondern entfaltete etwa mit seinen
Fabeln eine große Wirkung als populärer Schriftsteller. Sein bekanntestes Gedicht ist
wohl „Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre“, das Ludwig van Beethoven als
Klavierlied vertonte.
Im Kirchenlied „Jesus lebt, mit ihm auch ich“ entspricht der Botschaft von
Gellerts Worten von Anfang an ein Klang. Es ist der Quartsprung f-b mit signalhaftem
Rhythmus und der Betonung auf „lebt“. Und ähnlich wie die Anfangsbotschaft der
Worte zieht sich dieser Klang durch das gesamte Lied. Er erklingt nach dem Beginn
nochmals im zweiten sowie im vierten/fünften Takt. Die Worte „Er verklärt mich in
sein Licht“ (Takt 9/10) sind von der Quart gleichsam gerahmt, und der vorletzte Takt
schließlich beschreibt nochmals das gleiche wichtige Intervall, nun aber vom oberen
Ton ausgehend.
Die Melodie stammt von Albert Höfer (1802–1857), der als Priester und
Musiker im Bistum Augsburg gewirkt hat. Ganz im Sinne der Aufklärung und der
beginnenden demokratischen Bewegung saß er einige Wahlperioden lang im
„Landrat von Schwaben und Neuburg“. Das Gesangbuch „Laudate“, an dem er
maßgeblich mitgewirkt hat, war bis zum Erscheinen des „Gotteslob 1975“ in
Gebrauch.
Das Lied von Gellert und Höfer entfaltet Bilder von Jesus: Er ist der von Gott
Auferweckte (1). Er ist der Herrscher der Welt (2), der Überwinder allen Leidens (3)
und der Tröster in der Todesnot (4). Jedes dieser Bilder ist aber nicht nur ein Bild von
Jesus. Vielmehr sind die Betrachter gleichsam in das Bild mit hineingemalt. Der
Glaubende hofft auf seine Auferstehung und die Verklärung in das göttliche Licht
hinein (1), er nimmt teil an Christi Herrschaft (2), hält unverbrüchlich zu Jesus (3) und
er ruft Jesus im Leben wie im Tod als Tröster an (4).
Zweimal wechselt Gellert mit Bedacht von der Aussage zur direkten Anrede.
Das ist – nach der Überschrift „Jesus lebt, mit ihm auch ich“ – gleich die erste Zeile,
und dann nochmals die allerletzte in der Schlussstrophe. „Tod, wo sind nun deine
Schrecken?“ – ist inspiriert von der Frage, die der Apostel im ersten Korintherbrief
aufwirft: „Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?“ (1 Korinther 15,54).
Oftmals ist dieser Triumph über den Tod vertont worden, eher verinnerlicht in Georg
Friedrich Händels „Messias“ und geradezu triumphierend im „Deutschen Requiem“
von Johannes Brahms.
Wichtiger noch ist die zweite direkte Rede, die sich an Jesus wendet: „Herr,
Herr, meine Zuversicht!“ Dieses Stoßgebet intensiviert die Schlusszeile jeder Strophe
„dies ist meine Zuversicht“. Gellert deutet damit auch an, dass er sich von dem im
evangelischen Raum altbekannten barocken Vertrauenslied „Jesus, meine
Zuversicht“ aus dem Jahr 1644 wohl hat inspirieren lassen. Übrigens sah er auch
dessen Melodie von 1653 für sein neues Lied vor, womit ihm die meisten
evangelischen Gesangbücher gefolgt sind, auch das heutige. Das neue „Gotteslob“
hat sich für die in einigen Regionen bereits bekannte Melodie von Höfer entschieden,
so dass wir nun mit diesem Lied in ökumenischer Hinsicht eine textliche
Übereinstimmung bei musikalischer Verschiedenheit haben.
Für viele ist das Lied „Jesus lebt, mit ihm auch ich“, das Gellert in seinen
„Geistlichen Oden und Liedern“ 1757 erstmals veröffentlicht hat, ein neues Osterlied.
Dass es den Geist der Aufklärung atmet und zugleich biblisch verankert ist, könnte
einer neuen katholischen Aneignung durchaus entgegenkommen. 50 Jahre nach
dem Inkrafttreten der Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils
„Sacrosanctum Concilium“ dürfen wir aber auch an einen Impuls dieser liturgischen
Erneuerung denken. In Artikel 81 hat das Konzil empfohlen, dass der Ritus des
Begräbnisses „deutlicher den österlichen Sinn des christlichen Todes ausdrücken“
soll. Doch dafür gibt es nur wenige Lieder. Die Sterbelieder bleiben oftmals zu sehr
beim Tod stehen, wohingegen die Auferstehungslieder eine Osterfreude vermitteln,
die dem Abschied am Grab kaum angemessen ist. „Jesus lebt, mit ihm auch ich“
könnte zum Osterlied katholischer Gottesdienste werden und zugleich zum
österlichen Lied bei manchen Trauerfeiern.
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