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23/08
Sonntag, 8. Juni 2008
Pfr. Michael Wanner
Thema: „Bekehrt euch, so werdet ihr leben!“
Hes. 18, 1-4.21-24.30-32
Liebe Gemeinde, liebe Freunde!
In einer Unterhaltung kamen wir auf die Gerechtigkeit Gottes zu sprechen. Mein Gesprächspartner sagte:
„Ich verstehe nicht, dass Gott der Ungerechtigkeit in dieser Welt nicht ein Ende macht und die Bösen, die in
der Welt all das Unheil anrichten, nicht ausrottet und mit dem Tod bestraft.“ Ich entgegnete etwas keck:
„Und was wird dann aus Ihnen und aus mir. Glauben Sie, wir hätten dann noch eine Chance?“
Ähnlich wie der Mann mit dem ich mich unterhielt, dachten auch die verschleppten Israeliten in Babylon:
„Warum vernichtet Gott die Gottlosen nicht? Er hat doch auch in der Vergangenheit kräftig aufgeräumt in
den Reihen unseres Volkes. Warum müssen wir immer noch unter den Unterdrückern leiden? Warum
dürfen wir immer noch nicht zurück in unsere Heimat?“
Da meldet sich Gott selbst zu Wort. Im Gespräch mit seinem Diener Hesekiel rückt er das Bild zurecht,
das seine Leute von ihm haben: „Meinst du, dass ich Gefallen habe am Tode des Gottlosen, spricht Gott
der Herr, und nicht vielmehr daran, dass er sich bekehrt von seinen Wegen und am Leben bleibt.“
Gott ist ein Gott des Lebens und nicht des Todes. Er hat kein Interesse am Tod der Gottlosen.
Er hat viel Geduld und wartet auf die Umkehr vom eigenen Weg und die Rückkehr auf den Weg Gottes.
Er setzt sich mit allen Mitteln dafür ein, dass sogar Menschen, die sich schon am Rande des Abgrunds
befinden, zurück zum Leben finden. Noch ein zweites Mal betont der Liebhaber des Lebens: „Denn ich
habe kein Gefallen am Tod des Sterbenden, spricht Gott der Herr. Darum bekehrt euch, so werdet ihr
leben.“
„Bekehrt euch, so werdet ihr leben!“ Das ist die abschließende Aussage Gottes im Gespräch mit seinem
Freund Hesekiel. Schritt für Schritt entfaltet der Gott des Lebens den Weg zurück zum Leben.
Er spricht von Redensarten und Gottessprüchen,
von Todesspuren und Lebenswegen,
von Abrechnungen und neue Seiten,
sowie von Müllkippen und Wendeplätzen.
Redensarten und Gottessprüche
In Israel gab es die Redensart: „Die Väter haben saure Trauben gegessen, aber den Kindern sind die
Zähne davon stumpf geworden.“ Wir würden sagen: „Die Suppe, die uns die Generation unserer Eltern
eingebrockt haben, müssen wir jetzt selbst auslöffeln.“
Durch diese Redensart werden andere für die gegenwärtigen Verhältnisse verantwortlich gemacht.
Auf diese Weise kommt es zur Rechtfertigung des eigenen Verhaltens: „Das ist halt meine Art. Mein
Vater war genauso. Das ist alles in meinen Genen so angelegt. So bin ich eben. Kann ich etwas für meine
Erziehung? Daran sind die Umstände schuld. Andere sind doch noch viele schlimmer.“
Mit diesem Sprichwort lässt sich auch die Situation in der eigenen Familie oder in der eigenen
Gemeinde erklären. Es ist heute so, weil damals das und das von dem und dem so und so gemacht wurde.
Ich weiß genau, was uns jetzt so zu schaffen macht und die Entwicklung der eigenen Gemeinde blockiert.
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Aber diesen Redensarten der Menschen werden jetzt Gottessprüche gegenübergestellt. Gott selbst spricht
und hinterfragt die Redensarten der Menschen: „Was habt ihr unter euch im Lande Israel für ein
Sprichwort? - Das ist Unsinn. Ihr könnt nicht andere verantwortlich machen für das wie es ist. Jeder von
euch muss sich selbst in Frage stellen. Jeder von euch ist selbst verantwortlich für das, was er tut. „Jeder,
der sündigt soll sterben… und jeder der meine Gebote hält, soll am Leben bleiben‘“.
Gott hinterfragt nicht die Auffassung, dass jeder eingebunden ist in eine größere Gemeinschaft. Wenn
einer in dieser Gemeinschaft sündigt, dann leidet die ganze Gemeinschaft darunter.
Aber er wehrt sich dagegen, dass die Verantwortung abgeschoben wird auf andere. Jeder ist zunächst für
sich selbst verantwortlich. Von den sauren Trauben, die du selbst isst, bekommst du stumpfe Zähne,
nicht von den sauren Trauben, die andere gegessen haben. Jeder muss zuerst vor der eigenen Türe
kehren. Jeder wird vor Gottes Gericht beurteilt für das, was er selbst getan oder versäumt hat.
Vorsicht! Auch der Gerechte kann sich abwenden von seiner Gerechtigkeit und Unrecht tun und wieder so
leben wie die Gottlosen. Paulus sagt: „Wer da stehe, sehe zu, dass er nicht falle“ (1. Kor. 10,12).
Es ist gefährlich, alles von sich selbst abzuweisen. Am Ende wird Gott selbst für alles verantwortlich
gemacht. Die Leute im Exil werfen ihm vor: „Der Herr handelt nicht recht.“ Aber Gott entgegnet: „Handle ich
denn unrecht?“ Ist es nicht vielmehr so, dass ihr unrecht handelt?“
Wir müssen aufpassen, dass wir den Gottessprüchen nicht unsere eigenen Redensarten gegenüberstellen.
Wir müssen acht geben, dass wir die Gedanken Gottes nicht durch unsere eigenen Vorstellungen ersetzen.
Todesspuren und Lebenswege
Die biblische Sicht von Tod und Leben geht viel tiefer als unser oberflächliches Denken. Tod ist mehr als
Stillstand und Ende der Herztätigkeit und der Gehirnströme und Leben ist mehr als ein funktionierendes
EKG und EEG.
Tod ist Beziehungslosigkeit. Tod ist Leben ohne Gott. Der autonome Weg des Menschen ohne Gott führt
in den Tod. Er ist wie eine abschüssige Bahn, auf der es am Ende kein Halten mehr gibt. Auf diesem Weg
bleiben überall Todesspuren zurück. Durch unser Leben fügen wir uns und anderen Verletzungen zu. Wir
zerstören Leben. Am Ende dieses Weges ist der zweite Tod.
Haben Sie schon einmal Gothics gesehen? Die Gothics sind Teil der Schwarzen Szene. Die Gothics
schminken sich ihre Gesichter leichenblass mit schwarzen Augenrändern. Sie färben ihre Haare
pechschwarz, tragen lange schwarze Mäntel oder Kleider und behängen sich mit Symbolen des Todes und
der Finsternis. Ihre ganze Lebenseinstellung ist von tiefer Melancholie geprägt. Die Gothics leben eine
Todeskultur und wollen der Gesellschaft vor Augen führen, wie sie ihr Leben und das Leben anderer
Menschen sehen und empfinden. Gott macht deutlich, dass die meisten Menschen im Grunde genommen
Gothics sind.
Er zeigt auf, was zur Kultur des Todes gehört. Er macht deutlich, welche Verhaltensweisen den Menschen
das Leben nehmen. In seiner Aufzählung nennt Gott Übertretungen seiner Gebote, die dazu führen, dass
das eigene Leben und das Leben anderer zerstört werden.
Im Einzelnen: Der falsche Gottesdienst: Opfer der Lebenskräfte aus falschen Motiven heraus und für
falsche Ziele. Oder die sexuelle Unreinheit: Das Gieren in Gedanken, Worten und Taten nach anderen
Frauen. In der Liste der Übertretungen nennt Gott auch das ganze Thema Besitz: Den Versuch, durch
Ausnutzung anderer, durch Wucher oder durch gesetzeswidrige Praktiken zu Geld zu kommen. Und Gott
spricht auch das Thema Geiz an: Die Unterlassung von Geld- und Opfergaben an die, die auf diese
Zuwendungen dringend angewiesen sind und das verschlossene Herz und die verschlossene Hand
gegenüber Hungernden und Notleidenden. „Wer in dieser Weise Gewalt und Unrecht geübt und unter
seinem Volk getan hat, was nicht taugt, siehe, der soll sterben um seiner Schuld willen“, sagt Gott.
Wir müssen uns vor Augen führen, dass jede Sünde uns den Hals zuschnürt, die Kraft raubt und das Leben
nimmt. Die Übertretung der Gebote und Ordnungen Gottes gleicht einem feinen Nadelstich im
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Schlauchboot, in dem ich sitze, aus dem dann langsam aber sicher alle Luft weicht bis es schließlich
untergeht.
Den Todesspuren setzt Gott die Lebenswege gegenüber. Das Leben mit Gott und nach seinen Ordnungen
stärkt das eigene Leben und das Leben anderer.
Auf diesem Weg kommt Energie, Kraft und Heilung zur Wirkung. Wer so lebt und das alles tut, „…soll das
Leben behalten“, sagt Gott.
Hinterlassen wir Todesspuren bei uns selbst und anderen oder gehen wir auf den Lebenswegen Gottes?
Abrechnungen und neue Seiten
Was die Israeliten machen ist, dass sie mit anderen Menschen abrechnen. Sie haben die Schuldigen
entdeckt und halten diesen Leuten ihre Schuld vor.
Kennen Sie die Kellner in manchen Restaurants mit ihren modernen Abrechnungsgeräten? Da werden die
bestellten Speisen und Getränke gleich eingetippt. Am Ende muss man nur auf einen Knopf drücken und
die Abrechnung steht.
Ich habe den Eindruck, dass wir alle so ein Gerät mit uns herumtragen. Da wird dann das Versagen der
anderen fleißig eingetippt und bei unseren Begegnungen drücken wir auf den Knopf und schauen auf das
Display und sehen auf einen Blick alles, was uns der andere schuldig blieb.
Anders ausgedrückt: Bei unseren Begegnungen kommt es vor, dass wir gedanklich einen
Verbrechersteckbrief vom anderen im Kopf tragen: „Ja, das ist der, der eigentlich verhaftet werden sollte
und immer noch frei herumläuft.“ So wird im Extremfall die Gemeindegliederkartei zur Verbrecherkartei.
Halten Sie doch bei den Begegnungen mit anderen Menschen nicht das Phantombild oder den
Verbrechersteckbrief hoch, sondern malen Sie sich das Wunschbild Gottes vor Augen, das er von dem
anderen hat und das er in seinem Leben zur Entfaltung bringen möchte.
Und dann ist es ja auch so, dass Gott selbst in unserem Leben lange Abrechnungen machen kann. Im
Gleichnis von den Schuldnern macht Jesus das deutlich. Da kommt einer zu seinem Gläubiger. Dem
schuldet er eine Millionensumme, die er nie im Leben zurückbezahlen kann. Doch der Gläubiger macht
einen Strich unter die Rechnung. Er erlässt dem Armen alle Schulden und schlägt eine neue Seite auf. So
ist Gott. Wir hören ihn gegenüber Hesekiel sagen: „Es soll an alle seine Übertretungen, die er begangen
hat, nicht gedacht werden, sondern er soll am Leben bleiben um der Gerechtigkeit willen, die er getan hat.“
Stellen sie sich vor: Gott macht einen Strich unter das, was war. Er denkt nicht einmal mehr dran. Er
schlägt eine neue Seite auf. Du darfst noch einmal von vorne anfangen.
Wenn er es so mit dir macht, solltest du dann nicht auch andere so behandeln: einfach einen
Schlussstrich ziehen und eine neue Seite aufschlagen!
Müllkippen und Wendeplätze
Gott hat Golgatha zur Müllkippe erklärt. Dort wo sein Sohn am Kreuz für unsere Schuld starb, findet
Müllentsorgung statt.
Dort kann nicht nur alles entsorgt werden, was dich bisher besorgt machte. Durch die Vergebung, die
Jesus uns ermöglicht, können auch die Altlasten, die sich bei dir schon lange abgelagert haben, der
Giftmüll, der den Grund deiner Seele verseucht hat und der Sperrmüll, der dein Leben zugemüllt hat,
beseitigt werden.
Gott sagt. „Werft von euch hinweg alle eure Übertretungen, die ihr begangen habt.“ Der Ausdruck, der hier
verwendet wird, bedeutet eigentlich: „Werft mit aller Kraft über euch nach hinten weg alle eure
Übertretungen.“ Es soll nichts mehr aus dem Müll meines Lebens herausgefischt oder wiederverwertet
werden. Wirf alles mit voller Kraft über dich nach hinten!
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Und dann kommt Gott auf die Wendeplatte zu sprechen. Der Weg zum Leben führt über die Wendeplatte.
Kürzlich waren wir mit unserer Jüngsten beim Fahrradfahren lernen. Wir benutzen dazu eine große
Wendeplatte. Naemi fuhr im Kreis auf der Wendeplatte. Sie hatte immer besondere Freude an den Pfützen,
die es dort gab und steuerte sie zielsicher an. Ist es nicht oft so in unserem Leben. Da ist die Wendeplatte.
Wenden und Umkehren ist angesagt. Und wir wenden auch. Aber dann drehen wir noch einmal eine neue
Runde, mitten durch die Dreckpfützen hindurch. Wir wenden wieder und dann kommt noch einmal eine
Runde.
Wenn im Auto mit dem Navigationssystem unterwegs sind, kann es sein, das die Stimme aus dem Gerät
sagt: „Bitte wenden! Bitte wenden sie jetzt.“ Aber wenn ich uneinsichtig bin, dann fahre ich weiter und lasse
mir eine neue Route berechnen. So ist es oft im Leben.
Doch Gott sagt: „Kehrt um und kehrt euch ab von aller Abtrünnigkeit.“ Kurz: „Kehrt um und lebt!“
Dazu ist eine Umkehr und Abkehr von den bisherigen Wegen notwendig. Dazu muss ich konkrete Schritte
tun und eine neue Richtung einschlagen. Zur Umkehr und Abkehr gehört aber nicht nur der neue Weg,
sondern auch die neue Gesinnung. Gott sagt: „Macht euch ein neues Herz und einen neuen Geist.“
Was passiert bei der Sünde? Bei der Sünde kommt es zu Grenzüberschreitungen. Das Wort für
Übertretungen kommt von „pascha“ „durchbrechen“. Die Zäune, die gedanklich durchbrochen wurden,
müssen wieder geflickt werden. Die Grenzpfähle müssen neue gesetzt werden. Ich muss
Gedankenblockaden einrichten: „Halt, bis hierher und nicht weiter. Ich lasse diese Gedanken nicht zu! Sie
stellen eine Grenzüberschreitung dar.“
Wir brauchen an dieser Stelle auch die Seelsorge. Eine Seelsorge, die nicht das eigene Ich aufbaut und
die eigenen Wege bestärkt, sondern eine Seelsorge, die mich in Frage stellt, Gottes Wege aufzeigt und
wieder auf Gottes Wege bringt. Die Seelsorge kann helfen, aus dem Kreisverkehr auf der Wendeplatte eine
Ausfahrt zu finden, die zurückführt auf den Weg des Lebens.
„Bekehrt euch, so werdet ihr leben!“ sagt Gott und er zeigt uns dazu den Weg. Er führt über
Redensarten und Gottessprüche, Todesspuren und Lebenswege, Abrechnungen und neue Seiten,
Müllkippen und Wendeplätze.
Im Zusammenhang unseres heutigen Bibelabschnitts nennt Gott Israel „Haus des Widerspruchs“! Er
bewahre uns davor, dass sich bei allem, was er uns sagen will, nur innerer Widerspruch meldet.
Aber dann verwendet Gott auch ein wunderbares Bild. Ein Adler pflückt von einer mächtigen Zeder einen
Zweig ab. Dieser kleine Zweig wird ins Erdreich eingepflanzt und wächst zu einem neuen jungen und
frischen Baum heran.
Auf ganz ähnliche Weise will Gott jetzt durch seinen Geist Neues in unser Leben einfliegen, einpflanzen
und aufwachsen lassen. „Bekehrt euch, so werdet ihr leben!“
Amen
Herausgeber:
Evang. Brüdergemeinde Korntal, Saalstr. 6, 70825 Korntal-Münchingen
Tel.: 07 11 / 83 98 78 - 0, Fax: 07 11 / 83 98 78 – 90; e-Mail: [email protected]
Die Korntaler Predigten können Sie im Internet über www.Bruedergemeinde-Korntal.de als .doc oder .mp3 abrufen.
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