Beziehungen der Reformatoren Luther, Bullinger und Calvin zu

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Beziehungen der Reformatoren Luther, Bullinger und Calvin
zu Erzbistum, Kurfürstentum und Stadt Trier.
Vortrag von Gunther Franz am 16. 11. 2011 im Rahmen der
Seniorenakademie der Evang. Kirchengemeinde Trier im Caspar-OlevianSaal
Eine ausführlichere Fassung mit Anmerkungen ist in dem Tagungsband „Der Trierer
Reichstag von 1512 in seinem historischen Kontext“, herausgegeben von Michael Embach
und Elisabeth Dühr, 2012 im Paulinus-Verlag Trier, S. 101-118, erschienen.
Gliederung
1. Luther auf dem Reichstag in Worms und seine Beziehung zum Augustinerkloster
Mülheim (Ehrenbreitstein).
2. Luthers Polemik gegen den Trierer Erzbischof.
3. Luthers Kritik an der Heilig-Rock-Wallfahrt
und der Matthiaswallfahrt.
4. Militärische Auseinandersetzungen mit lutherischem Hintergrund: Sickingen,
Bauernkrieg, Albrecht Alcibiades.
5. Lutherische Reformation im Osten und Süden des Erzbistums.
6. Caspar Olevian als Schüler von Bullinger und Calvin und Calvins Beziehung zu Trier.
7. Überkonfessioneller Reformationsversuch in Trier unter Berufung auf die
Augsburgische Konfession.
8. Calvinisten in der Stadt Trier 1560-1585.
Wer sich mit der Trierer Geschichte beschäftigt hat, denkt bei dem Titel des
Vortrags an zwei zeitlich getrennte Ereignisse:
1. Die Verhandlungen auf dem Wormser Reichstag mit dem Trierer Kurfürsten
und Erzbischof Richard von Greiffenklau 1521.
2. Caspar Olevian als Schüler von Johannes Calvin und Calvins Einfluss auf
den Reformationsversuch von 1559.
Bekannt sind die drei Reformatoren Luther, Zwingli und Calvin. Warum
erscheint Bullinger im Titel? Nachdem Ulrich Zwingli in der Schlacht bei
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Kappel gefallen ist, wurde Heinrich Bullinger 1531 als dessen Nachfolger zum
Vorsteher (Antistes) der Zürcher Kirche berufen und versah dieses Amt bis zu
seinem Tod. Bullinger hatte durch seine europäische Kirchenpolitik weit über
Zürich hinausgehende Bedeutung.
„Erzbistum, Kurfürstentum und Stadt Trier“ heißt es im Titel. Das Erzbistum
Trier als geistliches Gebiet war wesentlich größer als der Kurstaat und umfasste
einen fast 400 Kilometer langen Streifen von der Maas bis an die Lahn. Die
Stadt Trier spielte mit ihrem Anspruch auf Reichsunmittelbarkeit und dem
verlorenen Prozess eine besondere Rolle in der Reformationsgeschichte.
In der gebotenen Kürze möchte ich darlegen, dass Stadt und Kurfürstentum
Trier trotz aller Abschottung gegen die so genannte Ketzerei sowohl Einflüssen
des Luthertums als auch das Calvinismus ausgesetzt waren.
1. Luther auf dem Reichstag in Worms und seine Beziehung zum
Augustinerkloster Mülheim (Ehrenbreitstein)
Für die Beiziehung des Trierer Erzbischofs und Kurfürsten Richard von
Greiffenklau als Schiedsrichter fand Karl von Miltitz, ein sächsischer Adliger in
Diensten Roms, 1519 die Zustimmung Martin Luthers. Miltitz forderte Luther
auf, nach Ehrenbreitstein (im Kurfürstentum Trier) zu kommen. Aus den
Verhandlungen wurde aber nichts, da Luther die Teilnahme von Kardinal
Cajetan ablehnte und Friedrich der Weise auf die bevorstehende Kaiserwahl
verwies.
Nachdem Papst Leo X. die Bannbulle erlassen hatte, zitierte Kaiser Karl V.
Luther zum Reichstag nach Worms, um die Reichsacht zu verhängen. Auf den
Reichstagen hatten die sieben Kurfürsten, an erster Stelle der Trierer, einen
Ehrenplatz. Bei den beiden Verhören vor dem Kaiser und Vertretern des Reichs
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am 17.und 18. April 1521 führte der Trierer Offizial (geistlicher Richter) Dr.
Johannes von der Eck(en) die Verhandlungen. Er darf nicht verwechselt werden
mit dem Ingolstädter Theologen Johannes Eck. Es sollte auf Befehl des Kaisers
nicht mit dem widerspenstigen Mönch disputiert, sondern ihm lediglich vor
Verhängung der Reichsacht Gelegenheit zum Widerruf gegeben werden. Von
der Ecken fragte in lateinischer und deutscher Sprache, ob Luther sich öffentlich
zu den unter seinem Namen verbreiteten Büchern (es waren etwa zwanzig
Schriften ausgelegt) bekenne und ob er ihren Inhalt aufrechterhalten wolle. Am
zweiten Tag forderte der Offizial mit einer längeren Rede Luther zu einem
eindeutigen Widerruf auf. Dieser antwortete mit den Worten: „Und solange
mein Gewissen durch die Worte Gottes gefangen ist, kann und will ich nichts
widerrufen, weil es unsicher ist und die Seligkeit bedroht, etwas gegen das
Gewissen zu tun. Gott helfe mir, Amen.“ Die Worte „Hier stehe ich, ich kann
nicht anders“ sind nicht sicher bezeugt.
An zwei Tagen verhandelte noch einmal eine Kommission der Reichsstände
unter Führung des Trierer Kurfürsten mit Luther. Im Anschluss nahm der
Kurfürst Luther, von der Ecken und den Theologen Cochlaeus auf sein Zimmer
und sprach auch mit ihm unter vier Augen. Der päpstliche Nuntius berichtete,
Richard habe Luther ein schönes Priorat bei einer seiner Burgen angeboten, wo
er ehrenvoll in Ruhe wirken könne. Es wird sich um das AugustinerEremitenkloster Mülheim im Tal im heutigen Koblenzer Stadtteil
Ehrenbreitstein handeln. Der Erhalt einer ruhigen Pfründe war sicher nicht das
Ziel von Luthers reformatorischen Schriften. Obwohl es in Worms
bemerkenswerter Weise doch noch zu einem theologischen Gespräch
gekommen ist, scheiterten die Bemühungen, die Einheit der Kirche zu retten.
Am 8. Mai 1521 verhängte der Kaiser die Reichsacht, die als „Wormser Edikt“
publiziert wurde. In der Stadt Trier wurde das Edikt offentlich angeschlagen
und verkundt und fand auf Veranlassung von der Eckens eine Verbrennung
lutherischer Schriften statt.
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Nach einer alten Überlieferung, die sich bereits bei dem Historiker Christoph
Bro(u)wer findet, hatte Luther mehrfach das Augustinerkloster in Mülheim
besucht. Johannes von Paltz aus Pfalzel bei Trier trat in Erfurt in den
Augustinereremitenorden ein und wurde Theologieprofessor. Dass Paltz Luthers
theologischer Lehrer am Erfurter Generalstudium (der Hochschule) des Ordens
gewesen sei, wird bestritten, da zwischen Luthers Klostereintritt in Erfurt im
Jahre 1505 und Paltz’ Fortgang als Prior für den Aufbau des Klosters in
Mülheim nur eine kurze gemeinsame Zeit lag. Luther hat angeblich 1510 Johann
von Paltz in Mülheim besucht und nach dessen Tod als Visitator der
Augustinerkongregation den Mülheimer Konvent aufgesucht. Aus diesem
Kloster stammt ein Augustiner-Graduale (für den Gottesdienst) in zwei Bänden
mit schönen Miniaturen, dass nach einer Überlieferung von Luther mit eigener
Hand gefertigt worden ist. Die Handschrift liegt heute im Trierer Bistumsarchiv,
ist aber nicht von Luther geschrieben.
2. Luthers Polemik gegen den Trierer Erzbischof
Als Reformator hatte Luther keine Beziehung zum Erzbistum Trier. Erzbischof
und Kurfürst Richard von Greiffenklau starb nach längerem Leiden (man
vermutete eine Vergiftung durch einen Trunk Wasser) 1531 in seiner Burg
Ottenstein in Wittlich. Da man einen „schnellen und erschrecklichen Tod“ als
Gottes Strafe für einen bösen Lebenswandel ansah, schmähte Luther mehrfach
den „Lästerer des Evangeliums“. In einer Predigt äußerte er: Sic dicitur de
Episcopo Treverensi, das er gewutet hab wie ein ochs, quia verbum
contempserat, 2. gelestert, 3. verfolgt, und bei Tisch erklärte Luther: Bischoff
von Trier hatt der Teufel leibhafftig hin weckh gefurt in die hell, quia sanguis
innoxius hatt wider in geschrieen, des er vil vergossen hatt. Dass Richard von
Greiffenklau viel Blut von evangelischen Märtyrern vergossen habe, stimmt
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nicht. Auch der andere Trierer Gegner Luthers auf dem Reichstag in Worms,
Johann von der Eck(en), musste wegen seines plötzlichen Todes in Esslingen
1524 als abschreckendes Beispiel herhalten: Cantzellarius Treverensis – omnes
mortui sint sine crux et sine lux. In der konfessionellen Auseinandersetzung
hielt man sich nicht an den von den alten Griechen stammenden Grundsatz De
mortuis nihil sine bonum. (Dieser wurde von Diogenes Laertius Chilon von
Sparta zugeschrieben.)
1532/33 bezeichnete Luther in einer Predigt „Darum werden die Frevler im
Gericht nicht bestehen“ die Bischofssitze von Rom, Mainz, Trier wegen der
gottlosen Lehre und des Götzendienstes (idololatria) als sedes Satanae et
cathedrae pestilentiae. Die Nennung der Erzbischöfe von Mainz und Trier
(nicht aber Köln) neben Rom als dem „Sitz des Antichrists“ ist eine
zweifelhafte „Ehre“. Es ist zu beachten, dass Luther regelmäßig die
„papistischen“ Gegner seines Verständnisses des Evangeliums mit dem Teufel
in Verbindung brachte. Dabei sollte man den Namen Gottes nicht unnützlich
führen, aber auch nicht den Namen des Teufels. Bei Tisch bezeichnete Luther
auch den Bischof zu Trier als der gotze.
3. Luthers Kritik an der Trierer Heilig-Rock-Wallfahrt und der
Matthias-Wallfahrt
Nach der auf die Initiative Kaiser Maximilians zurückgehenden erstmaligen
Zeigung der Heilig-Rock-Reliquie im Jahre 1512 folgten zunächst jährliche
Zeigungen und 1524 - 1553 Wallfahrten im Sieben-Jahres-Rhythmus der
Aachenfahrt. Luthers scharfe Kritik an der Trierer Wallfahrt ist im
Zusammenhang seiner grundsätzlichen Kritik an den Wallfahrten zu sehen,
deren Missstände bereits im Spätmittelalter und von Humanisten gegeißelt
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worden waren. Er nahm die Zeigung des angeblichen Rocks Christi als Beispiel
einer erst vor kurzer Zeit begründeten Wallfahrt mit großem Zulauf.
Die Vorträge über die zehn Gebote, welche Luther 1516/17 (also noch vor dem
Thesenanschlag) unter großem Andrang des Volkes gehalten hatte, erschienen
1518 im Druck. Zum 1. Gebot nannte Luther die Wallfahrten zu St. Peter in
Rom, St. Jakobus in Compostella, nach Jerusalem und Trier, um Reliquien der
Heiligen zu ehren und Ablässe zu erhalten. In Trier werden die MatthiasWallfahrt zum angeblich „einzigen Apostelgrab“ nördlich der Alpen und die
neue Heilig-Rock-Wallfahrt gemeint sein. Wallfahrten seien nicht verpflichtend,
sondern freiwillig. Als Begründung zu den 95 Thesen über den Ablass
veröffentlichte Luther 1518 Resolutiones. Es gäbe viele Gründe für solche
Wallfahrten, rarissime iustis.
Solche Zurückhaltung legte Martin Luther 1520 ab mit seiner ersten
reformatorischen Hauptschrift „An den christlichen Adel deutscher Nation von
des christlichen Standes Besserung“, in dem er dem Papsttum teuflischen Betrug
vorwarf. Zu den Punkten, die auf einem Konzil behandelt werden sollten,
gehörten zweimal die Wallfahrten. Es sei nicht wahr, dass eine Wallfahrt ein
gutes Werk sei, und die Ehemänner sollten stattdessen besser ihre Familien und
den Nächsten unterstützen. Die Trierer Heilig-Rock-Wallfahrt wird neben
anderen neuen Wallfahrten wie die zum Heiligen Blut in Wilsnack genannt.
Statt dass die Bischöfe solchs teuffels gespenst (Gespinst) zulassen und davon
profitieren, sollten sie es unterbinden, denn es wird dadurch die Geldgier
gestärkt, falscher, erdichteter Glauben verbreitet, tabernenn und hurerey
gemehrt und das arme Volk an er Nase herumgeführt.
1522 predigte Luther in Erfurt vom Kreuz und Leiden eines Christenmenschen.
Man solle Christus nachfolgen in geduldigem Tragen seines Kreuzes. Also hat
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man auch ein sunderlich fest und grewlich spiel angericht mit dem rock Christi
tzu Trier. Lost yr aber den rock eyn rock sein, das creutze eyn creutze. 1524
predigte Luther, dass Gott den Ort erwählt, wo er predigen lässt, und dass die
Menschen „toll und töricht“ seien, heilige Orte zu wählen, do ist der rogk zcu
Thrir, do haben wir Sant Matthis. Gott ist nicht, wo die Heiligen begraben
liegen, sondern wo sein Wort ist, da ist er auch. Mit der Ablehnung heiliger Orte
bricht Luther mit einer Tradition, die älter als das Christentum ist. Dass es nicht
auf die Reliquie ankommt, sondern auf Jesus Christus (das creutze bei Luther)
ist die Voraussetzung für die ökumenische Begegnung bei der bevorstehenden
Heilig-Rock-Wallfahrt.
1530 schrieb Luther in Coburg eine Vermanung an die geistlichen versamlet
auff dem Reichstag zu Augsburg. Darin wehrte er sich gegen den Vorwurf,
Neuerungen einführen zu wollen; im Gegenteil bekämpfe er gerade Neuerungen
wie die Wallfahrten, wobei unsers herrn Rock zu Trier ein besonderes Beispiel
sei. Was haben alle lüterische newigkeit gethan, gegen diesem einigen betrüg
und schalckeit? Besorgt, dass der diplomatischer auftretende Philipp
Melanchthon auf dem Reichstag in Augsburg zu nachgiebig sein könne,
verstärkte Luther seine Kritik noch in der Warnung an seine lieben Deutschen:
Was hat [zu Trier] der Teufel grossen jarmarckt gehalten. Die „Papisten“ hätten
solche Verleugnung und Verachtung Christi gefördert, mit Ablass geziert und
sich daran bereichert.
Zu Matth. 18 „Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind…“
predigte Luther 1538, dass man Christus nur finden könne, wo das Evangelium
rein gepredigt und die Sakramente richtig gereicht werden. Da müsse man nicht
gehn Trier, do unsers herrn Christi rock sein sol, wallfahren. Noch unmittelbar
vor seinem Tod 1546 predigte Luther in Eisleben, dass die Christen Gott
dankbar sein sollen, dass sie ihn selber hören können, daheim im Haus oder in
der Pfarrkirche. Sind wir aber nicht tol und töricht, dass wir nach Trier zu unsers
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Herrgotts Rock oder nach Aachen laufen? Aber wir sollen Gottes wort hören,
das der uns Schulmeister sey.
Gegenüber der regelmäßigen Verteufelung der Wallfahrten ist es harmlos, wenn
Martin Luther 1532 bei Tisch spottete, dass in Deutschland 18 Apostel beerdigt
liegen, obwohl Christus nur zwölf hatte. Matthias soll zusammen mit Simon und
Juda im Dom zu Goslar liegen, aber auch in Trier und Rom (S. Maria
Maggiore). Dass er auch in Padua gezeigt wird, war in Wittenberg nicht einmal
bekannt.
4. Militärische Auseinandersetzungen mit lutherischem Hintergrund:
Sickingen, Bauernkrieg und Albrecht Alcibiades
Ritter Franz von Sickingen hatte sich durch eine Reihe von Fehden und
Kriegszügen eine starke Stellung am Mittelrhein geschaffen. Die Ebernburg
oberhalb der Nahe machte er zur „Herberge der Gerechtigkeit“, in der er neben
andern Reformatoren auch Luther aufnehmen wollte. Er begann 1522 eine
Fehde gegen den Erzbischof von Trier. Falls Sickingen Trierer Kurfürst
geworden wäre, wäre zugleich eine entscheidende Bresche in den geistlichen
Besitz im Rheinland geschlagen und dieser der Reformation geöffnet worden.
Die deutsche Geschichte wäre natürlich anders verlaufen.
Im deutschen Bauernkrieg von 1525 verbanden sich soziale, wirtschaftliche und
religiöse Forderungen. Der Rat der Stadt Trier gab dem Drängen der
Bürgerschaft nach und reichte dem Domkapitel sechs Artikel zur Beschränkung
der Rechte und Einkünfte des Domkapitels und der Geistlichkeit ein. Auch
wollte die Stadt an den reichen Einnahmen bei den Heilig-Rock-Ausstellungen
beteiligt werden.
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Diese Artikel waren kein Ausdruck evangelischer Gesinnung, brachten aber den
Zorn über die besonderen Rechte der Geistlichen und der Klöster zum
Ausdruck. Papst Clemens VII. lobte für den vorbildlichen Kampf gegen die
Neuerer den Trierer Erzbischof, der in seiner Antwort ebenfalls die religiöse
Bedeutung der Niederschlagung des Aufstandes betonte. Das Erzbistum Trier
sollte ein Bollwerk zur Erhaltung der alten Frömmigkeit und Religion sein.
1552 forderte Markgraf Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach den
Trierer Kurfürsten Johann von Isenburg auf, die Festung Ehrenbreitstein zu
öffnen und den Durchzug über Rhein und Mosel zu gestatten. Da die Stärke der
Trierer Stadtmauern und die verfügbaren Truppen zur Verteidigung nicht
ausreichten, wurden die kaiserlich-burgundischen Truppen von der Stadt
abgewiesen und der Markgraf mit großer Höflichkeit empfangen, um die
Zerstörung zu vermeiden. Da Albrecht Alcibiades zumindest äußerlich
Protestant und ein ausdrücklicher Feind des Klerus war, hat man später gefragt,
ob das Handeln der Stadt ein Ausdruck evangelischer Gesinnung gewesen ist.
Zumindest hatte seit der Belagerung durch Franz von Sickingen die Treue zum
Erzbischof und Kurfürsten merklich nachgelassen.
5. Lutherische Reformation im Osten und Süden des Erzbistums
Wie ich zu Beginn sagte, war das Erzbistum Trier als geistliches Gebiet
wesentlich größer als der Kurstaat. Es erstreckte sich von Hessen (Gießen an der
Lahn) bis auf die Gebiete der Spanischen Niederlande und der vereinigten
Herzogtümer Lothringen und Bar, in denen die „Ketzerei“ strikt unterdrückt
wurde. Im Osten und Südosten wurden fast dreihundert Pfarreien evangelisch.
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Landgraf Philipp von Hessen hat sich spätestens seit 1524 zu Luthers
Reformation bekannt, die zwei Jahre später durchgeführt wurde. Von der
Landgrafschaft gehörten zum Erzbistum Trier ein Teil Oberhessens mit Gießen
sowie die reiche Niedergrafschaft Katzenelnbogen am Rhein mit St. Goar und
Braubach. Auch in Rhens am Rhein, das von Kurköln an Katzenelnbogen Hessen verpfändet war, wurde die Reformation eingeführt.
Graf Philipp III. von Nassau-Weilburg berief bereits 1525/1526 einen
evangelischen Prediger und führte 1536 die Reformation durch. Graf Wilhelm
der Reiche von Nassau-Dillenburg wandte sich 1530 der Reformation zu und
führte 1532 eine erste Kirchenordnung ein. Graf Philipp von Solms-Braunfels
ließ ab etwa 1540 evangelisch predigen. Nach dem Augsburger Religionsfrieden
folgten die Grafschaften Wied, Leiningen-Westerburg und Sayn. Die einzige
Reichsstadt im Erzbistum Trier war Wetzlar an der Lahn. Vom Rat der Stadt
wurde die lutherische Lehre eingeführt; das Marienstift (der Wetzlarer „Dom“)
blieb aber katholisch.
Das Herzogtum Pfalz-Zweibrücken lag südlich des Erzbistums Trier und ragte
nur mit Nohfelden und der Grafschaft Veldenz an der Mittelmosel in dessen
Gebiet hinein. Die reformatorische Bewegung fand in Zweibrücken besonders
früh Eingang; Johann Schwebel wurde 1523 als Hofprediger angestellt. Veldenz
gehörte 1444-1543 zu Pfalz-Zweibrücken. Verschiedentlich wurde für die
Reformation Jahr 1523 (der Beginn der Reformation in der Stadt Zweibrücken)
angegeben. Es gibt Belege für die Jahre 1539 und 1543. Nach der
reichsrechtlichen Billigung durch den Religionsfrieden von 1555 folgten bei der
Einführung der Reformation das Fürstentum Pfalz-Simmern, die Hintere
Grafschaft Sponheim (ein Kondominat von Pfalz-Simmern und der
Markgrafschaft Baden-Baden), das Kurfürstentum Pfalz und die Wild- und
Rheingrafschaft. Zur Hinteren Grafschaft Sponheim hatte das Kurfürstentum
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Trier besondere Beziehungen, denn die Ämter Birkenfeld, Allenbach und
Kastellaun auf dem Hunsrück mit der Exklave Winningen an der Mosel sowie
Trarbach an der Mosel lagen inmitten des katholischen Territoriums.
In der Eifel zwischen den Kurfürstentümern Köln und Trier lag die Grafschaft
Manderscheid mit mehreren Linien. Die Grafschaft Virneburg fiel durch
Erbschaft an Manderscheid-Schleiden. Die Reformation ist nach dem
Religionsfrieden um 1556/1560 eingeführt worden; nach dem Tod von Graf
Dietrich VI. 1593 erfolgte die Rekatholisierung. Es gab im 17. Jahrhundert
Militäreinsätze wegen der lutherische Konfession, aber in Schleiden (das zum
Herzogtum Luxemburg gehörte) blieb ein Drittel der Bevölkerung evangelisch.
Bis Ende des 16. Jahrhunderts ist die Mehrzahl der in den alten Grenzen des
Erzbistums Trier gelegenen lutherischen Territorien in der sogenannten „zweiten
Reformation“ zur calvinistischen Konfession gewechselt: Kurpfalz mit PfalzSimmern, Pfalz-Zweibrücken (ohne das Kondominat der Hinteren Grafschaft
Sponheim), Hessen-Kassel sowie die Grafschaften Nassau, Sayn, Wied und
Solms.
6. Caspar Olevian als Schüler von Bullinger und Calvin und Calvins
Beziehung zu Trier
Caspar von der Olewig, der sich als Akademiker Olevianus nannte, wurde
am 10. August 1536 in dem heute noch erhaltenen gotischen Haus in der
Trierer Grabenstraße 13 geboren. Die Eltern stammten aus der städtischen
Führungsschicht (Bäcker und Metzger) und ermöglichten zum weiteren
Aufstieg der Familie zwei Söhnen Studium und Promotion mit langjährigen
teuren Aufenthalten im Ausland. Caspar begann 1550 mit dem Studium der
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Philosophie und Jurisprudenz an der Sorbonne in Paris und studierte von
1553 bis 1557 in Orléans und Bourges, dessen Fakultät führend in Europa
war. Dort kam Olevian in Verbindung mit den im Verborgenen wirkenden
evangelischen Gemeinden und zu dem calvinistischen Juristen Hugo
Donellus. Angeblich entscheidend für Olevians weiteren Lebensweg wurde
ein Unglück. Prinz Hermann Ludwig von der Pfalz (der Sohn des späteren
Kurfürsten Friedrich III.) der in Bourges studierte, ertrank bei einer
Bootsfahrt. Olevian geriet beim Versuch den Prinzen zu retten, selber in
Lebensgefahr und legte ein Gelübde ab, wenn Gott ihn aus dieser Not
erretten würde, so wollte er seinem Vatterland das Evangelium predigen,
wenn er darzu beruffen würde. In Bourges studierte Olevian die Bibel und
daneben gute bücher so zu außlegung derselben geschriben , als fürnemlich
herrn Johannis Calvini.
Nach der Promotion zum Doktor des Zivilrechts 1557 kehrte Olevian für
kurze Zeit nach Trier zurück, wo er die Bekanntschaft mit evangelisch
gesinnten Bürgern, besonders Bürgermeister Johann Steuß machte. Statt ein
Praktikum am Reichskammergericht in Speyer zu beginnen, entschloss sich
Olevian, in Genf und Zürich Theologie zu studieren. Im März 1558 reiste
Olevian nach Genf. Calvin befasste sich damals mit der Auslegung des
Galater- und Epheserbriefes sowie des Jeremiabuches. Olevian lernte Calvin
näher kennen, der ebenfalls nach dem Aufenthalt in Paris 1528-1531 die
Rechtswissenschaft an den Universitäten Orléans und Bourges studiert hatte.
In Zürich studierte Olevian bei Petrus Martyr Vermigli und Heinrich
Bullinger. Heinrich Bullinger war als Nachfolger Zwinglis Vorsteher
(Antistes) der Zürcher Kirche. Er übte eine umfangreiche Predigtätigkeit aus,
und seine gedruckte Predigtsammlung erreichte große Verbreitung. In der
Abendmahlsfrage einigte er sich 1549 mit Calvin im Consensus Tigurinus
(d.h. Züricher Konsens), der die Trennung von den Lutheranern vertiefte.
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Ebenso wie Zwingli war Bullinger ein Vertreter der Bundestheologie, mit der
das göttliche Heilshandeln im Alten und Neuen Testament beschrieben
wurde, die Olevian später ausgeführt hat.
Olevian traf bei einer Schiffsfahrt auf dem Genfer See Guillaume Farel,
neben Calvin der andere Reformator der französischen Schweiz. Farel
ermahnte Olevian „zum höchsten“, sein Gelübde zu halten und in seinem
Vaterland für die Reformation zu wirken. Auf ein Schreiben der
evangelischen Gemeinde in Metz an Calvin wurde dorthin Petrus Colonius
entsandt, weil Olevian nach Trier gehen wollte. Auf dessen Anregung hatte
Calvin im 1558 zwei Briefe an die evangelisch gesinnten Ratsmitglieder
Otto Seel und Peter Sirck gerichtet, um sie zur Standhaftigkeit und Klugheit
zu ermahnen. Als im Februar 1559 Petrus Colonius von Metz nach Trier
kam, um Kontakt mit den dortigen Protestanten aufzunehmen, fand er
allerdings, wie er ausführlich an Calvin berichtete – Mutlosigkeit und nur
sehr wenige Gläubige vor, da es keinen Prediger gäbe. Daraufhin entsandten
Calvin und das Genfer Presbyterium Olevian nach Trier, der in Absprache
mit Bürgermeister Steuß bei der Einführung der Reformation helfen sollte.
Dazu diente eine Stelle an der Philosophischen Fakultät der Universität, bei
der die Stadt das Besetzungsrecht hatte.
7. Überkonfessioneller Reformationsversuch in Trier unter Berufung auf
die Augsburgische Konfession.
Obwohl Olevian ein Anhänger der Schweizer Reformation war und der Trierer
Reformationsversuch von Calvin unterstützt worden ist, berief man sich in Trier
auf die Augsburgische Konfession und nannte die Evangelischen
„Konfessionisten“. Diese lutherische Bekenntnisschrift war auf dem Reichstag
1530 Kaiser Karl V. übergeben worden und seit dem Augsburger Reichstag von
1555 reichsrechtlich geschützt. In der geänderten Fassung von 1540 (der
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Confessio Augustana (CA) variata) war die Augustana auch von den
Calvinisten anerkannt, die deswegen den Religionsfrieden auch für sich
reklamierten.
Bei den dramatischen Ereignissen in Trier spielten die konfessionellen
Unterschiede innerhalb des Protestantismus keine Rolle! Ein besonderes
Anliegen war der Empfang des Abendmahls unter beiderlei Gestalt und nicht
etwa die Frage, ob die Gegenwart Christi real oder symbolisch zu verstehen sei.
Ein zentrales Thema bildete auch die Rechtfertigung allein aus dem Glauben,
ohne die Werke des Gesetzes. Das von dem Stadtschreiber Peter Dronckmann
überlieferte Glaubensbekenntnis der Weberzunft, die sich der Reformation
zugewandt hatte, enthielt die gemeinsame altkirchliche Lehre der
Glaubensbekenntnisse.
Der überkonfessionelle Charakter der Trierer Reformation zeigt sich daran, dass
ein führender Prediger des lutherischen Herzogtums Pfalz-Zweibrücken, der
Superintendent Cunemann Flinsbach, zur Unterstützung nach Trier kam. Dem
Kurfürsten gelang es nicht, irgendeinen Belege für Olevians Anhängerschaft an
die calvinische „Ketzerei“ zu erhalten.
Die hohe Bedeutung, die den Ereignissen in Deutschland beigemessen wurde,
kann man daraus ersehen, dass auf Initiative Kurfürst Friedrichs III. von der
Pfalz, der die Zuwendung zum Calvinismus noch nicht offiziell vollzogen hatte,
im November 1559 eine 26-köpfige Gesandtschaft der pfälzischen
Fürstentümer, des Herzogtums Württemberg, der Landgrafschaft Hessen und der
Markgrafschaft Baden-Durlach in Trier eintraf – alles lutherische Territorien.
Die Delegation konnte zwar keine Duldung der Evangelischen mit oder ohne
Gottesdienstausübung erreichen, wohl aber, dass die peinliche Anklage, die zu
Bluturteilen geführt hätte, fallengelassen wurde.
Der kurpfälzische Gesandte Valentin Graf zu Erbach, der für den
Konfessionswechsel der Pfalz vom Luthertum zum Calvinismus eintrat, hat im
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Dezember 1559 Olevian, als er noch gefangen lag, im Auftrag von Kurfürst
Friedrich III. in dessen Hauptstadt Heidelberg berufen. Der lutherische Herzog
Wolfgang von Pfalz-Zweibrücken wollte ihn aber auch gewinnen, was sicher
nicht der Fall gewesen wäre, wenn Flinsbach berichtet hätte, dass Olevian in
Trier als Calvinist aufgetreten sei.
Erst anschließend wurde Caspar Olevian ein führender evangelisch-reformierter
Theologe. Sein Anteil am Heidelberger Katechismus, seit 1618/19
Bekenntnisschrift der reformierten Kirchen, lässt sich nicht genau bestimmen.
6. Calvinisten in der Stadt Trier 1560-1585
Auch nach der Vertreibung der Evangelischen aus Trier im Jahr 1560 hat
sich in den folgenden 25 Jahren in der Stadt konfessionell mehr ereignet als
man bisher wusste. Die Bäckerswitwe Anna Olevian konnte die Bäckerei
fortführen und bot der kleinen evangelischen Gemeinde im großen
Kellergewölbe, das erhalten ist, einen Ort für heimliche Gottesdienste. Das
Kapitell einer steinernen Kanzel im Keller ist heute als Gedenkstein im
Caspar-Olevian-Saal aufgestellt.
1560 beklagte Margarethe von Parma, die Statthalterin der spanischen
Niederlande in Brüssel, dass nun auch das Herzogtum Luxemburg von der
Häresie angesteckt worden sei und dass Prediger von Trier aus die Provinz
durcheilten, um die neue Lehre zu verkündigen. Die Berater der Statthalterin
haben anscheinend übertrieben. 1564 berichteten die Jesuiten, dass
häretische Prediger durch heimliche Predigten und Schriften Boden
gewinnen würden.
Anna Olevian hatte eine große Familie mit bedeutenden Vertretern in den
verschiedenen reformierten und lutherischen Territorien Deutschlands. Ein
Neffe war Michael (von) Loefenius, ein hoher pfälzischer Beamter in
Heidelberg und in der Oberpfalz, der geadelt wurde. Caspars Nichte heiratete
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den Theologieprofessor Johannes Piscator (Fischer). Bei dem
Konfessionswechsel des Kurfürsten Ludwig VI. von der Pfalz zum
Luthertum wurden 1576/77 drei Familienmitglieder, Olevian, Loefenius und
Piscator, als führende Calvinisten ausgewiesen! Über das Bekenntnis von
Anna Olevian ist nur bekannt, dass sie 1564 am Abendmahl unter beiderlei
Gestalt festhielt. 1583 bekannte sie, dass sie nach der Einsetzung Christi das
hochwürdige Sakrament zu Frankfurt, Straßburg und an anderen Orten
empfangen habe. Es ist erstaunlich, dass eine ältere Frau solche Reisen
unternahm.
1569 erhielt Dr. Wilhelm Kyriander als Stadtsyndikus ein führendes Amt in
Trier, um den Prozess gegen den Kurfürsten um die Reichsunmittelbarkeit zu
führen. Der calvinistische Jurist hatte in Köln die katholische Messe und
Taufe abgelehnt und deswegen die Stadt verlassen müssen. Er bekannte sich
äußerlich zur Augsburgischen Konfession, die – wie gesagt - als CA variata
auch für Evangelisch-Reformierte akzeptabel war. 1575 hat Kurfürst und
Erzbischof Jakob von Eltz in Koblenz Abgesandten der Stadt Trier
„Klagpunkte“ überreichen lassen, worauf Johannes Dillinger hingewiesen
hat. Die Stadt habe die Burse zur Taube den Jesuiten wieder abgenommen
und darin eine Schule eingerichtet, in der durch den Syndicus (Kyriander)
viell Irfäll unnd Ketzereyen vorkommen. Dieser habe neue Schulbücher in
Frankfurt gekauft und dem Schulmeister zur Benutzung übergeben. Der Rat
habe wegen der Religion aus Trier verbannte Bürger wieder ohne Erlaubnis
des Kurfürsten aufgenommen.
Punkt 43. Doctor Caspar Olevianus sei mit Wissen etlicher des Rats neulich
in der Stadt Trier gewesen. 44. Der Rat wolle einen calvinistischen
Prädikanten annehmen und auf die Kanzel lassen. Es gäbe das Gerücht, man
wolle Landsknechte anstellen, die den Prädikanten vor den Bürgern schützen
sollen.
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Die Stadt hat fast alles bestritten. Der Bücherkauf in Frankfurt durch
Kyriander ist aber in den erhaltenen Rechnungen bezeugt. Wenn Olevian
noch einmal heimlich in Trier war, bekommt die Überlieferung, dass er im
Keller des Bäckereihauses gepredigt habe, einen Sinn. In den zwei Monaten
von August bis Oktober 1559 hat Olevian in Trier vor großem Publikum
öffentlich gepredigt und brauchte keine Kanzel im Keller.
Zwei Jahre nach den „Klagpunkten“ berichtete 1577 Jakob von Eltz an den
päpstlichen Nuntius Bartholomäus Portia, einige Trierer Bürger hätten den
Kurfürsten von der Pfalz um Hilfe gebeten und als Gegenleistung die
Einführung der calvinischen Lehre in Aussicht gestellt. Da Friedrich III.
1576 gestorben ist, weist das auch auf das Jahr 1575.
1582 wollte Graf Johann von Nassau Olevian für eine reformatorische
Aufgabe im Kurfürstentum Trier gewinnen. Olevian lehnt ab, da er sich der
Trierischen Sachen in den 23 Jahren seit seiner Ausweisung entschlagen
habe und bösen Argwohn vermeiden wolle.
1585 beanstandete der päpstliche Nuntius Francesco Bonomi in Köln, dass noch
zwei Calvinisten, ein Arzt und ein Goldschmied, in Trier arbeiteten. Dr. Heso
Meyer sagte unter Druck zu, katholisch zu werden. Bonomi berichtete auch über
den Schänder eines Madonnenbildes und des Altarsakraments in Trier, ein
unehelicher Enkel des Kurfürsten Friedrich von der Pfalz. Obwohl der Übeltäter
bei den Jesuiten zum Katholizismus konvertierte, wurde er vom Kurfürsten
Johann von Schönenberg zur Erbauung und Abschreckung der Bevölkerung
zum Tod durch das Schwert verurteilt. Mit dieser Nachricht, die wir heute nicht
mehr erbaulich finden, endet die Geschichte der Reformation in Trier.
In Koblenz ist eine kleine evangelische Gemeinde, die heimliche
Versammlungen (Conventicula) mit Predigten in den Häusern abhielt, 1584
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bis1590 bezeugt. Über eine konfessionelle Ausrichtung (lutherisch oder
calvinistisch) wissen wir nichts.
Zweihundert Jahre lang, von 1584 bis 1784 konnten Protestanten fast
vollständig aus dem Kurstaat (sofern die Rechte nicht mit evangelischen
Herren geteilt werden mussten) ferngehalten werden. Für die von Johannes
Dillinger geäußerte Vermutung, dass einige Protestanten heimlich in Trier
geblieben seien, habe ich keinen Hinweis gefunden. Das Toleranzedikt des
Kurfürsten Clemens Wenzeslaus von 1784 bot nur eine sehr eingeschränkte
Duldung für einzelne Protestanten, vor allem Handelsleute und Fabrikanten.
Eine neue Zeit beginnt erst durch die Eingliederung des linksrheinischen
Gebietes in die Französische Republik 1798. 1817 verfügte der preußische
König Friedrich Wilhelm III. die Anstellung eines Predigers für die
„Evangelische Zivil- und Militärgemeinde“ in Trier mit seiner Umgebung.
Dass die Trierer Gemeinde als preußische Gründung uniert ist (in der
Evangelischen Kirche im Rheinland gibt es Gemeinden mit lutherischer,
reformierter und unierter Tradition), passt gut zu ihrer Geschichte im 16.
Jahrhundert mit Einflüssen der lutherischen und der Schweizer Reformation.
Im Saarland erschien 1951 eine Sondermarke zum Reformationsjubiläum
1575 mit den Porträts von Luther und Calvin gemeinsam (wegen der beiden
Territorien Nassau-Saarbrücken und Pfalz-Zweibrücken, die auch im
heutigen saarländischen Wappen vertreten sind). In Trier verliefen die
Reformation und deren Unterdrückung ganz anders; das Doppelporträt beider
Reformatoren scheint aber ganz passend zu sein.
Literaturhinweise:
Gunther Franz: Trier zur Reformationszeit. In: Trier im Mittelalter. Hrsg. Hans Hubert Anton,
Alfred Haverkamp. Trier 1996 (2000 Jahre Trier 2), S. 533-588.
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Caspar Olevian und der Reformationsversuch in Trier vor 450 Jahren 1559-2009. Hrsg. vom
Evangelischen Kirchenkreis Trier in Verbindung mit Gunther Franz und der Caspar-OlevianGesellschaft Trier. Norderstedt 2009.
Gunther Franz: Von der Konfrontation zur „Toleranz“: Protestanten im Kurfürstentum Trier
1560-1798
[und] Reformatorische Bestrebungen, Reformation und Rekatholisierung im Kurfürstentum
und im Erzbistum Trier. In: Geschichte des Bistums Trier, Bd. 3: Kirchenreform und
Konfessionsstaat (bis 1802). Hrsg. von Bernhard Schneider, Trier 2010 (Veröffentlichungen
des Bistumsarchivs Trier 37), S. 462-481 und 602-677, Karte S. 793.
Gunther Franz: Beziehungen der Reformatoren Luther, Bullinger und Calvin
zu Erzbistum, Kurfürstentum und Stadt Trier. In: Der Trierer Reichstag von 1512 in seinem
historischen Kontext. Hrsg. Michael Embach (Ausführlichere Druckfassung des Vortrags mit
Anmerkungen), erscheint 2012.
Andreas Mühling:: Caspar Olevian 1536-1587. Christ, Kirchenpolitiker und Theologe. Zug
2008 (Studien und Texte zur Bullingerzeit 4).
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