Bauer Thomas Zukunft der Kommunikationswissenschaft – Kommunikationswissenschaft der Zukunft (aus: Medien Journal 2/2000) Abstract Bauers Text „Zukunft der Kommunikationswissenschaft – Kommunikationswissenschaft der Zukunft“ beschäftig sich mit dem aktuellen Stand der (deutschen) Kommunikationswissenschaft und deren Entwicklung in den nächsten Jahren. Hauptaugenmerk richtet er dabei auf die Themen Selbstverständnis und Selbstreflexion der Kommunikationswissenschaft. Nur darin sieht er eine reelle Möglichkeit für die Kommunikationswissenschaft sich sowohl als unabhängige Wissenschaft zu behaupten als auch über sich selbst hinaus zu wachsen und sich weiter zu entwickeln. Schlagwörter Thomas A. Bauer, Cultural Studies, Reflexivität, Zukunft der Kommunikationswissenschaft, Selbstverständnis der Kommunikationswissenschaft Glöckler Kathrin, 0001715 Kern Petra, 0201035 696511 VO Medienpädagogik: Medienbildung, Medienkompetenz, Medienkultur Univ.-Prof. Dr. Thomas A. Bauer, Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Universität Wien, WS 2004/2005 Zusammenfassung des Textes In „Zukunft der Kommunikationswissenschaft – Kommunikationswissenschaft der Zukunft“ gibt Bauer eine Anregung zur Transformation der Kommunikation(swissenschaft). Wichtigstes Schlagwort dabei ist „Selbstreflexion“. Diese muss, wie das Selbstverständnis, selbst zum Gegenstand der Kritik werden, um die Relativität ihrer Aussagen aufzuzeigen und glaubwürdig zu bleiben bzw. zu werden. Manfred Rühl meint dazu, dass, wenn die menschliche Kommunikation Kausaltechnik wäre, es leicht wäre, eine praktische Anleitung für die Kommunikationswissenschaft zu schreiben. Kommunikation wäre allerdings reflexiv1. Zu beachten ist auch, dass die Kommunikationswissenschaft in ihren Aussagen über Kommunikation an sich um nichts „richtiger“ liegt, als andere Disziplinen. Deshalb sollte sich die Kommunikationswissenschaft bewusster darauf konzentrieren, viele möglichst unterschiedliche Positionen zu schaffen. Grundlegend ist dabei, dass die Kommunikationswissenschaft nicht als „Lagerhaus des Wissens“ verstanden wird, sondern als offenes Handelssystem, in dem das Kommunikationswissen „in Tausch und Dialog“ gewinnt. Obwohl die Mediengesellschaft als Mythos gilt, traut man den Medien die Verwirklichung der Wunschbilder dieser Gesellschaft zu. Dabei auftretende Fehler zeigen dabei nur die Grenzen dieses Systems „Medien“ an. Grundvoraussetzung für die Verwirklichung dieser Vorstellungen ist die Tatsache, dass sich die Kommunikationswissenschaft weiterentwickelt. Das heißt, sie muss kommunizierende (für den sozialen Gebrauch verwendbare) Wissenschaft sein und darf keine Schwierigkeiten im Umgang mit Bildung, Politik, Kunst oder der Medienpraxis haben. Überdies muss sie sich darüber im Klaren sein, dass die vorhandenen Theorien längst nicht mehr ausreichen, um die reale Komplexität zu erfassen. Theorien sind nur dann kompetent und sinnvoll, wenn sie auch in der Praxis anwendbar sind und nicht umgekehrt. 1 Rühl, Manfred: Kommunikationswissenschaft zwischen Wunsch und Machbarkeit, Einige Betrachtungen zu ihrer Identität heute. S. 49 Es ist also nur gerechtfertig von der Kommunikationswissenschaft in Zukunft zu fordern, dass sie nicht nur über sich selbst reflektiert, sondern auch sich selbst als unbegrenzten Suchvorgang betrachtet. Enorm wichtig für die Zukunft der Kommunikationswissenschaft ist das Projekt der „Cultural Studies“: es wird klar gemacht, dass mit Kommunikation immer auch Kultur ins Spiel kommt. Durch dieses Bewusstsein kann die Kommunikationswissenschaft über den Beobachtungshorizont der Publizistik und der Medien hinauswachsen und sich als „wissenschaftskommunikative Schnittstelle“ verschiedenster Lebensbereiche einschalten. Letztendlich bleibt der Kommunikationswissenschaft allerdings nicht anderes übrig, als in ein neues („weiteres“ und v.a. adäquateres) Format hinein zu wachsen, in dem „Risse“ bzw. Probleme nicht einfach oberflächlich „gelöst“, sondern grundlegende Maßnahmen zur Lösung getroffen werden. Konkrete Vorstellungen, wie diese grundlegenden Maßnahmen genau aussehen sollen, gibt es allerdings noch nicht. Hintergründe (Theorie, Methode) Der Autor verweist in seinem Artikel öfter auf die Cultural Studies, das Selbstverständnis der Kommunikationswissenschaft und auf das Prinzip der Reflexivität. Der Cultural-Studies-Approach geht davon aus, dass „jede Mediennutzung in einem Geflecht von Variablen stattfindet, die sich nur mit Hilfe von Methoden analysieren lassen, die konsequent die Perspektive auch auf die Ränder kommunikativer Prozesse richten und soziale ebenso wie situative und persönliche Voraussetzungen berücksichtigen.“2 Das Selbstverständnis der Kommunikationswissenschaft definiert Thomas A. Bauer als Fragestellung in seinem Artikel, nämlich: „wie kann man über Kommunikation sprechen und wissen schaffen“3. Das Prinzip der Reflexivität beruht auf der Selbstbestimmung und Selbstkritik der Wissenschaft. Die Kommunikationswissenschaft sollte in der Lage sein, sich selbst zum Gegenstand der Kritik zu machen. 2 Schmidt, Siegfried J./Zurstiege Guido: Orientierung Kommunikationswissenschaft. S. 117 Bauer, Thomas A.: Zukunft der Kommunikationswissenschaft – Kommunikationswissenschaft der Zukunft. S. 48 3 Thesen, Forschungsergebnisse Thomas A. Bauer wirft in seinem Artikel viele Thesen auf, die notwendig sind um die Kommunikationswissenschaft neu zu überdenken. Um den Artikel in der gewünschten Länge abzuhandeln, werden wir nur auf einige Thesen eingehen. „Eine solche integrierte Perspektive (Anm.: des mit Medien und Kommunikation befassten Wissenschaftskomplexes) kann meines Erachtens nur über den Weg des intensiven Nachdenkens darüber deutlich werden, wie man wissenschaftlich über Kommunikation redet und reden kann.“4 Er fordert damit auf, die Kommunikationswissenschaft von Grund auf neu zu überdenken und auch das Selbstverständnis der Kommunikationswissenschaft mit dem möglichen Verständnis von Kommunikation übereinzustimmen (vgl. Bauer 2000, S.48). Er stellt auch die These auf, dass „die Kommunikationswissenschaft sich bewusst und methodisch sich den Freispielraum offen halten muss, sich selbst zum Gegenstand der Kritik zu machen …, um die Relativität ihrer Aussagen glaubhaft zu machen.“5 Thomas A. Bauer sieht eine Lösung darin, dass sich die Kommunikationswissenschaft als ein Suchsystem versteht, welches er als „ein von Kriterien definierter Wegweiser der reflexiven Fragestellung“6 definiert. Außerdem fordert er die Kommunikationswissenschaft auf, sich als ein Teil der gesamtsozialen Entwicklung zu sehen [vgl. Bauer 2000, S. 51], um so glaubhaft über die Zukunft der Kommunikation reden zu können. Auswertung und Besprechung des Artikels Zusammenhang zur Medienpädagogik Die Relevanz des Artikels für die Medienpädagogik liegt für uns klar auf der Hand. Thomas A. Bauer fordert in seinem Text: „Sie (Anm.: die Kommunikationswissenschaft) sollte sich viel bewusster darauf konzentrieren, viele und naturgemäß unterschiedliche Positionen und Aussichtspunkte der Betrachtung dessen zu schaffen, was Menschen – als Personen, in Organisationen Bauer, Thomas A.: Zukunft der Kommunikationswissenschaft – Kommunikationswissenschaft der Zukunft. S. 48 5 Bauer, Thomas A.: Zukunft der Kommunikationswissenschaft – Kommunikationswissenschaft der Zukunft. S. 49 6 Bauer, Thomas A.: Zukunft der Kommunikationswissenschaft – Kommunikationswissenschaft der Zukunft. S. 50 4 oder Unternehmungen – tun oder tun können, um über ihr eigenes soziales Handeln kritisch zu reflektieren bzw. reflektieren zu wollen.“ 7 Da sich die Medienpädagogik hauptsächlich mit dem Menschen als Untersuchungsgegenstand beschäftigt, ist diese These von dem Autor besonders wichtig für die Medienpädagogik. Natürlich sind auch alle anderen aufgezeigten Punkte in dem Artikel bedeutend für die Medienpädagogik, da sie ein Teilgebiet der Kommunikationswissenschaft ist und somit von Veränderungen natürlich auch betroffen wäre. Bei unseren Literaturrecherchen sind wir auf einige andere Texte gestoßen, die sich mit dem gleichen oder einem ähnlichen Thema beschäftigen. Diese haben wir explizit in der Bibliographie angegeben. Eine vertiefendere Recherche zu diesem Thema wäre sicherlich sehr interessant, vor allem für uns Studenten, um die Entwicklung in unserer Wissenschaft zu verfolgen und kritisch zu hinterfragen. Kritik des Artikels Sehr treffend kritisiert Gernot Wersig die Kommunikationswissenschaft: der eigentliche Wissenschaftskern in Deutschland lebe eher vom Geborgten (z.B. den Ideen der 40er bis 60er in den USA), von Außenseitern wie Watzlawik und Theoretikern anderer Fächer8. Er schließt sich damit der Meinung des Mediensoziologen Alphons Silbermann an, der in der Kommunikationswissenschaft zum großen Teil ein „Gewusel kleinteiliger Arbeiten“ (ebd.) sieht, das es so manchem Wissenschaftler leicht macht, sich durch Duplizierung und Trivialisierung zu profilieren. Bauer selbst kritisiert mehr die Distanz der Kommunikationswissenschaft zu gesellschaftlichen Problemen und die Tatsache, dass sich unser Fach zu oft mit dem bereits verfügbarem Wissen begnügt. Die Kritiken dieser Wissenschaftler sind auch für uns Studenten gut nachvollziehbar. In den ersten Semestern wird man in den Einführungsvorlesungen großteils mit Theorien konfrontiert, die allesamt aus den Bauer, Thomas A.: Zukunft der Kommunikationswissenschaft – Kommunikationswissenschaft der Zukunft. S. 49 f. 8 vgl. Wersig, Gernot :Viel Erfolg und wenig Innovation. Die dt. Kommunikationswissenschaft muß nachdenken. S. 12 7 60ern bis 80ern stammen und von der praktischen Realität mehrheitlich weit entfernt sind. Es scheint, als würde die Theorie abseits der Praxis existieren. Würde es also gelingen, einen Umbauprozess in Gang zu bringen, der „alle[...] relevanten Bezugstexte[...] und Handlungskontexte[...] der Kommunikation aus Theorie und Praxis [in] einen Raum gegenseitiger Verweisung“9 bringt, wäre dies ein erster Schritt in die richtige Richtung, damit sich die Kommunikationswissenschaft in Zukunft wieder als eigenständige, praxisnahe und vor allem aktuelle Sozialwissenschaft etablieren kann. Bauer, Thomas A.: Zukunft der Kommunikationswissenschaft – Kommunikationswissenschaft der Zukunft. S. 57f. 9 Bibliographie Bauer, Thomas A. (1980): Medienpädagogik. Einführung und Grundlegung. Wien-Graz. Burkart, Roland (2002): Kommunikationswissenschaft. Wien-Köln-Weimar. Dröge, Franz (1972): Wissen ohne Bewusstsein. Materialien zur Medienanalyse der Bundesrepublik Deutschland. Frankfurt am Main. Görke, Alexander / Kohring, Matthias (1997): Worüber reden wir? Vom Nutzen systemtheoretischen Denkens für die Publizistikwissenschaft. 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Schmidt, Siegfried J.: Der Diskurs des radikalen Konstruktivismus. Frankfurt am Main. Schmidt, Siegfried J./Zurstiege, Guido (2000): Orientierung Kommunikationswissenschaft. Was sie kann, was sie will. Reinbek bei Hamburg. Wersig, Gernot (1997): Viel Erfolg und wenig Innovation. Die deutsche Kommunikationswissenschaft muß nachdenken. In: Aviso, Nr. 20, S. 12.