Jean Baudrillard - Thomas A. Bauer

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Jean Baudrillard
Videowelt und fraktales Subjekt
(aus: Barck Karlheinz (Hg.), Aisthesis: Wahrnehmung heute oder Perspektive
einer anderen Ästhetik (3. Auflage). Leipzig, Reclam, 1991)
Abstract:
Jean Baudrillard erklärt in diesem Text, dass die Interaktion zwischen Mensch
und Maschine immer mehr fortschreitet. Dies hat zur Folge, die
zwischenmenschliche Kommunikation wird immer mehr in den Hintergrund
gedrängt. Weiters geht er darauf ein, dass durch diesen Prozess die Grenzen
zwischen realer und virtueller Welt nicht mehr deutlich erkennbar sind.
Schlagwörter:
Gesellschaftskritik
Kulturkritik
Kommunikation
Technikphilosophie
Kultursoziologie
Hammer Maria-Theresia, 0325683
Kostwein Anna- Ulrike, 0206100
696511 VO Medienpädagogik: Medienbildung, Medienkompetenz, Medienkultur
Univ.-Prof. Dr. Thomas Bauer, Institut für Publizistik- und
Kommunikationswissenschaft, Universität Wien, WS 2004/2005
Zusammenfassung:
Um diesen Text zu verstehen, sollte man zuerst auf einige Eckdaten des Autors
eingehen. Jean Baudrillard (geb. 1929) studierte Germanistik, Philosophie und
Soziologie in Paris und unterrichtete Soziologie an der Universität Paris-Nanterre.
Bekannt wurde er aber eher durch seine Tätigkeiten als Literaturkritiker,
Übersetzer, Schriftsteller und Redakteur (z.B.: Zeitschriften „Utopie“ und
„Troverses“).
„Videowelt und fraktales Subjekt“ hielt er als Vortrag auf dem Symposium
„Philosophie der neuen Technologie“ in Linz 1988.
In seinem Text behandelt Baudrillard das Problem, wonach Menschen ihre
sozialen Verhaltensweisen immer mehr vernachlässigen, sogar bereit sind diese
ganz und gar aufzugeben. Der einzige Punkt in denen sie den Maschinen (noch)
voraus sind, ist die Fähigkeit Lust zu empfinden.
Laut Baudrillard besteht der Mensch nur noch als fraktales Subjekt, was bedeutet,
er ist in seine Einzelteile zersplittert und wird durch ein Netzwerk von
Körperprothesen zusammengehalten. Alles rund ums Subjekt verschwindet und
nur noch die Maschinen bleiben übrig, ein Empfinden und Leben wird nur noch
durch diese Prothesen ermöglicht. Durch die These der Unempfindsamkeit
können wir die logische Folgerung ziehen, dass das Gehirn auch eine Prothese
innerhalb des Körpers ist.
Das ist keineswegs Science-fiction, sondern bloß die Verallgemeinerung
der Theorie McLuhans über die „Ausdehnungen des Menschen“. Sofern
man die Elektronik und die Kybernetik als Ausdehnung des Gehirns
bezeichnet, ist unser Gehirn selber gewissermaßen zum artifiziellen
Auswuchs des Körpers geworden, der also an sich selbst gar nicht mehr
zum Körper gehört.“1
Aufgrund dieser Ausweitung verhält sich der Mensch sowohl auf körperlicher als
auch auf geistiger Ebene wie ein Satellit, der nirgends mehr heimisch ist.
1
Baudrillard, Jean (1991): Videowelt und fraktales Subjekt, Seite 253, in: Barck, Karlheinz (Hg.):
Aisthesis. Wahrnehmung heute oder Perspektiven einer anderen Ästhetik (3. Auflage), Leipzig:
Reclam, 252–264.
Baudrillard ist der Ansicht, dass Körper und Gehirn nur mehr als Szenario
betrachtet werden. Das geschieht dadurch, dass jeglicher Flair einer Situation
verloren geht, wenn man sie bis ins kleinste Detail betrachtet und dies hat
wiederum das Ende der ästhetischen Distanz zur Folge.2
„Der Pornographie mit ihrer extremen Promiskuität zerlegt den Körper in seine
kleinsten Teile und die Gesten in kleinste Bewegungsmomente.“3
Im Bereich der Lehre und Forschung - beginnend im Kindesalter - beschränkt
sich die Kommunikation meist auf Mensch – Computer.
Eine weitere These Baudrillards lautet: „Das Videostadium hat das
Spiegelstadium abgelöst.“4 Der Spiegel symbolisiert das reale Ich, das
tatsächliche Abbild mitsamt seinen Emotionen. Das Video hingegen wird
charakterisiert durch Oberflächlichkeit und Bedeutungslosigkeit, was in einer
emotionslosen, auf Maschinen fixierten Gesellschaft gut nachvollziehbar ist.
Anhand des Fotoapparates veranschaulicht Baudrillard, wie stark unser Blick
durch Technik, beispielsweise den Bildschirm oder das Objektiv, beeinflusst und
verzerrt wird.
„Vor dem Spiegel spielt das Subjekt sein eigenes Reales und sein eigenes
Imaginäres. Im Objektiv, auf Bildschirmen im Allgemeinen und vermittels
aller Mediatechniken wird die Welt virtuell, das Objekt liefert sich
„potentiell“ aus und treibt sein eigenes Spiel.“5
Ein zentraler Begriff ist die black box, welcher besagt, dass das Subjekt nahezu
ausgelöscht wird, es verliert dabei seine Persönlichkeit und damit die Freiheit. In
diesem Zusammenhang wäre auch das Prinzip des Interface zu erwähnen.
Virtuelle Maschinen und neue Technologien bilden mit dem Menschen einen
integrierten Schaltkreis. Sie sind wie durchsichtige Prothesen, welche fast nicht
mehr von den menschlichen Genen abgrenzbar sind. Der „Papoula“ von Philip K.
Dick (amerikanischer Science-fiction Autor) ist ein Beispiel dafür.
Abschließend geht Baudrillard darauf ein, dass Menschen davon träumen, sich
jeglicher Verantwortung und Intelligenz zu entledigen und deshalb nach
2
Vgl. Seite 258
Ebd. Seite 254
4
Ebd. Seite 256
5
Ebd. Seite 259
3
Maschinen mit schöpferischen Fähigkeiten streben. Dies ist jedoch nach Meinung
des Autors eine utopische Vorstellung. „Die künstliche Intelligenz ist ohne
Intelligenz, weil sie nicht artifiziell ist.“6 Maschinen können die Realität weder
abbauen noch umwerten, da ihnen jegliche Leidenschaft fehlt.
Auswertung und Besprechung:
Im Falle Baudrillard fällt es uns sehr schwer wirkliche Zusammenhänge mit der
Vorlesung Medienpädagogik herzustellen, da der Autor den Prozess der
zwischenmenschlichen Kommunikation in seinem Text „Videowelt und fraktales
Subjekt“ für rückläufig erklärt.
Medienpädagogik geht von einer kommunikativen Kompetenz
(=emanzipatorischer Ansatz) aus, die eine gewisse Fähigkeit, Zuständigkeit und
Verantwortungshaltung meinem Gesprächspartner gegenüber voraussetzt, um eine
erfolgreiche Kommunikation überhaupt möglich zu machen.7
Baudrillard stellt sich hingegen sogar die Frage:
„Bin ich nun Mensch, oder bin ich Maschine? Es gibt heute keine Antwort
mehr auf diese Frage: realiter und subjektiv bin ich Mensch, virtuell und
praktisch bin ich Maschine.“8
Es geht ihm gar nicht mehr um die Bereitschaft zu kommunizieren. Er ist der
Ansicht, dass Menschen den Maschinen mittlerweile so ähneln, dass man gar
nicht mehr von menschlicher Interaktion reden kann.
„Das ist das Ende der Partizipation, das Ende des Beteiligtsein und der
Empathie. Die Geburt einer ganz und gar spektakulären Gesellschaft, in
der jeder Akteur immer mehr zum Zuseher wird. Und auch hier spielt das
Fernsehen die Hauptrolle. Der Bildschirm, die andauernde Berieselung
6
Ebd. Seite 262
vgl. Univ.-Prof.Dr. Thomas Bauer: 696500 VO Medienpädagogik, 17.11.2004
8
Baudrillard, Jean (1991): Videowelt und fraktales Subjekt, Seite 260, in: Barck, Karlheinz (Hg.):
Aisthesis. Wahrnehmung heute oder Perspektiven einer anderen Ästhetik (3. Auflage), Leipzig:
Reclam, 252–264.
7
sind die Hauptursache für diese Entwicklung. Und genau das ist es auch,
was Baudrillard zu thematisieren versucht.“9
Subjektive Meinung:
Baudrillard sieht die fortschreitende Technisierung von einer rein negativen Seite.
In seinem Artikel wird keiner der Vorteile erwähnt, die diese mit sich bringt. Er
erwähnt zum Beispiel nicht die positive Seite des E- Mail Verkehrs, der um
einiges schneller ist als der normale Briefverkehr, oder das Internet, welches als
zusätzliche Quelle für jegliche Art von Information dient.
Es stimmt, dass Maschinen eine wichtige Rolle in der Gesellschaft einnehmen,
aber nicht in dem Ausmaß wie Baudrillard es sieht. Der soziale Kontakt zwischen
den Menschen besteht weiterhin und das wird sich auch in Zukunft nicht ändern.
Es gibt keinen Grund, dass Gefühle wie Liebe, Begehren oder Leidenschaft
verloren gehen sollten. Deshalb kann es auch nicht sein, dass der Geschlechtsakt
nur dem Zweck der Fortpflanzung dient.
Dennoch hat Baudrillard in gewisser Weise Recht. Dieser Fortschritt der
Maschinen bringt nicht nur Positives zum Vorschein. Die Gesellschaft scheint in
manchen Bereichen abzustumpfen. Es besteht die Möglichkeit alles zu sehen. Die
Realität beinahe zu spüren; zu sehen, was auf der Welt geschieht - in Bildern, in
Farbe - überall und wann immer man will, ist nicht immer schön. Als Beispiel
wären hier Kriege, Hungersnöte, Umweltkatastrophen oder ähnliches zu nennen.
Besonders betroffen sind Kinder, die schon in so jungen Jahren mit der harten
Realität konfrontiert werden. Einerseits ist das ein Weg aufgeklärt zu werden,
andererseits aber besteht die Möglichkeit abzustumpfen, denn täglich
irgendwelche Schreckensbilder zu sehen, berührt einen irgendwann nicht mehr so
stark wie es eigentlich sollte.
Wir bewegen uns in Richtung virtuelle Kommunikation (E-Mail, Messenger,...).
Dabei fällt in vielen Fällen die face-to-face Kommunikation weg. Das kann aber
auch wieder von Vorteil sein, wenn beispielsweise weite Distanzen zu
Pretting, Gerhard (1992): „Zu einer negativen Medientheorie“. (Burroughs, Mc Luhan,
Baudrillard), Dipl.- Arbeit, Wien: Universität Wien, S 85.
9
überbrücken sind. Es ist auch wahr, dass Maschinen in vielen Bereichen die
Arbeit des Menschen übernehmen. Das soll aber nicht heißen, dass das Gehirn
durch technische Prozesse ersetzt wird. Sie erleichtern gewisse Arbeiten, und
müssen aber dennoch von einem Menschen überwacht werden. Es kontrolliert
daher nicht die Maschine den Mensch sondern immer ein Mensch die Maschine.
Bibliografie:
Ausgewählte Werke Jean Baudrillard:
o Baudrillard, Jean (1990): Das Jahr 2000 findet nicht statt, Berlin: MerveVerlag.
o Baudrillard, Jean (1989): Paradoxe Kommunikation. Vortrag im
Kunstmuseum Bern, 5. Februar 1989, Bern: Beuteli-Verlag.
o Baudrillard, Jean (2001): Das System der Dinge. Über unser Verhältnis zu
den alltäglichen Gegenständen (2. Auflage), Frankfurt/Main [u.a.]:
Campus-Verlag.
o Baudrillard, Jean (1989): Philosophien der neuen Technologie, Berlin:
Merve-Verlag.
Allgemein:
o Dick, Philip K. (1994): Black box, in: Dick, Philip K.: Alle Erzählungen,
Zürich: Haffmans, Band 9.
o McLuhan, Herbert M. (1992): Die magischen Kanäle, Düsseldorf; Wien
[u.a.]:Econ.
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