Folien - FernUniversität in Hagen

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FELD 1
Hagener Woche der Philosophie
18.11.2013
Gunnar Schumann
Was ist Wissen?
Ein Grundproblem der Erkenntnistheorie
© FernUniversität in Hagen / Horst Pierdolla
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FELD 1
1.1 Die beiden Grundfragen der Erkenntnistheorie



(auch „Epistemologie/Epistemology“, wegen „Episteme“ – griech.: „Wissen“)
Nach G. Ernst: „Einführung in die Erkenntnistheorie“, WBG Darmstadt 2010.
Erkenntnistheorie = die Disziplin der Philosophie, die sich mit zwei Grundfragen
beschäftigt:
 1. Grundfrage: „Können wir sicheres Wissen erlangen?“
 Frage wichtig für unser Selbstverständnis als Menschen
 es ist die Frage nach den Grenzen unseres Wissens, ein Bestimmungsversuch
dessen, was wir als sicheres Wissen bezeichnen können und was nicht
 Frage nach der Grenze / Möglichkeit unseres Wissen ist vllt. die Hauptfrage der
Erkenntnistheorie, aber man kann sie nicht zuerst erledigen/abhandeln, denn sie
zieht unmittelbare eine weitere nach sich:
Folie 2
08.04.2015
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FELD 1
1.1 Die beiden Grundfragen der Erkenntnistheorie
 2. Grundfrage: „Was ist Wissen?“
 = Frage nach „dem Wesen“ oder „der Natur“ oder „der Definition“ von Wissen
 In d. analyt. Phil. Dominant; schon bei Platon: Theaitetos
 die Frage „Was ist Wissen?“ verzweigt sich:




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




Wie groß ist die Domäne des Wissens?
Von welchen Sachverhalten können wir Wissen haben?
Was ist der Unterschied zw. Glauben und Wissen?
Ist mathematisches Wissen sicherer als Wahrnehmungswissen?
Kann reine Vernunft Wissen von der Außenwelt erlangen?
Ist Wissen absolut (ewig) oder relativ?
Ist absolutes Wissen für uns erwerbbar?
Kann man moralisches Wissen haben?
Können wir wissen, ob Gott existiert oder ob die Seele unsterblich ist?
Gehört Glauben / Überzeugung zum Wissen oder ist es unverträglich damit?




zu wissen, dass Jill größer ist als Jack ≠ wissen, dass rosa heller ist als rot
den Unterschied zwischen richtig und falsch zu wissen ≠ Unterschied zwischen Granny Smith
und Golden Delicious Äpfeln zu kennen
zu wissen, was ich will ≠ zu wissen, was du willst
zu wissen, wie man etwas tut (Fahrrad fahren) ≠ zu wissen, dass etwas der Fall ist
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1.1 Die beiden Grundfragen der Erkenntnistheorie

welche Fragen die 2. Grundfrage nach sich zieht, hängt davon
ab, wie sie beantwortet wird
 denn selbstverständlich muss man nur dann bspw. die Frage beantworten,
was eine Überzeugung ist, wenn man glaubt, dass eine-Überzeugung-haben
zum Wissen dazugehört
 eine Wesensfrage zieht weitere Wesensfragen nach sich
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1.2 Erkenntnistheorie und andere Disziplinen
 die Fragen, die sich an die zweite Grundfrage anschließen,
werden nicht alle wiederum in der Erkenntnistheorie behandelt
 welche philosophischen Disziplinen nun Nachbardisziplinen der
Erkenntnistheorie sind, das hängt eben davon ab, welche Auffassung von
Wissen man vertritt
 Philosophie wird oft unterteilt in „Theoretische“ und
„Praktische Philosophie“:
 TP: Sprachphilosophie, Metaphysik, Erkenntnistheorie, Phil. d. Geistes,
Logik, Philosophie der Logik, Wissenschaftstheorie, Phil. der Mathematik,
Metaethik
 PP: Ethik, Rechtsphilosophie, politische Philosophie, Geschichtsphilosophie,
Ästhetik, Religionsphilosophie
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1.2 Erkenntnistheorie und andere Disziplinen
 Nachbardisziplinen der Erkenntnistheorie:
 Wenn Wissen etwas mit Wahrheit zu tun hat:
Sprachphilosophie, Logik, Metaphysik
 Wenn Wissen etwas mit Überzeugungen zu tun hat: Phil. des
Geistes
 Wenn Wissen etwas mit Rechtfertigung zu tun hat: Ethik,
Metaethik
 Wenn Wissen etwas mit Ursachen zu tun hat: Metaphysik,
Wissenschaftstheorie
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1.2 Erkenntnistheorie und andere Disziplinen
 jedenfalls zeigt die unterschiedl. Mögl. der Einordnung der
Erkenntnistheorie, wie sehr die ET in das Netz der phil. Disziplinen
eingeordnet ist – so sehr, dass sie bis in 19. Jh. hinein gar nicht als
eigenständige phil. Disziplin wahrgenommen worden ist
 obwohl sie schon immer zum festen Kanon der Philosophie zählte, d.h. alle
großen Philosophen haben sich mit Fragen und Problemen der ET beschäftigt
 seit dem 17. Jh. spielte ET sogar eine privilegierte Rolle:
 Klassiker der ET: Descartes (Discours de la Methode; Meditationes), Locke „An essay
concerning human understanding“, Berkeley „A treatise concerning the principle of
human knowledge“, Hume: “A treatise of human nature”, “An inquiry concerning human
understanding”, Kant: KrV
 seither hat die ET den Status einer Grundlagendisziplin
 auch wenn ihr seit dem 20. Jh. innerhalb der analyt. Philos. die
Sprachphilosophie und in der nicht-analyt. (kontinentalen) Philosophie die
Ontologie ihr den Rang streitig gemacht haben
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FELD 1
2.1 Cartesischer Skeptizismus
 Ausgangspunkt für den Skeptizismus ist die kaum bestreitbare
Tatsache, dass wir uns gelegentlich täuschen:
 z.B.:
 Optische Täuschungen
 Träume: wir halten das Erlebte für real
 Aber der Skeptiker muss sich gar nicht auf Träume und opt.
Sinnestäuschungen berufen, sondern kann den Umstand ins Feld
führen, dass es ja einen bösen Dämon („genius malignus“) geben
könnte, der es schafft, uns permanent zu täuschen
 = Descartes’ Gedankenexperiment (erste Hälfte 17. Jh.)
 moderne Version: Gehirn-im-Tank
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2.1 Cartesischer Skeptizismus
 Woher wissen wir nun, dass wir nicht Gehirne im Tank sind?
 Die einzig mgl. Antwort scheint zu sein: Wir wissen es nicht
 Man kann auf die Herausforderung des Skeptikers nicht entgegnen: das
skeptizistische Szenario ist unwahrscheinlich, denn wir wissen nicht
einmal das!
 = „radikale Skeptizismus“

„radikal“, weil er den Umfang unseres gesamten Wissens bezweifelt
 Descartes entwickelt zwar diesen Skeptizismus
 aber Descartes ist kein „radikaler“, sondern ein „methodischer Skeptiker“
 D. sucht absolut sicheres Fundament für Überzeugungen und dafür
schließt er zunächst alles aus, was nicht als sicheres Fundament dienen
kann
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2.2 Agrippinischer Skeptizismus
 Wenn wir also unsere Überzeugungen begründen wollen, scheint ein
Problem zu entstehen:
 Angenommen, ich behaupte, dass p
 („p“ ist Variable, die für eine beliebige Aussage steht)
 dann werde ich p begründen müssen (keine Aussage kann sich selbst
begründen), indem ich eine andere Behauptung anführe: q
 aber wie wird nun q gerechtfertigt?
 a) durch r, s, t ... infiniter Regress – keine Begründung
 b) durch Abbruch der Kette – keine Begründung, Dogmatismus
 c) durch Zirkel, aber dann wäre es , als rechtfertige sich p letztlich durch sich
selbst – also wieder keine Begründung
 weitere Möglichkeiten scheint es nicht zu geben und alle sind erfolglos :
also ist es prinzipiell nicht möglich, Wissen zu haben
 auch: „Münchhausen-Trilemma“
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 Welches Wissen/Welche Bereiche des Wissens werden eigtl.
durch die beiden Skeptizismen in Frage gestellt?
 Agrippinische Sk.: unser Wissen überhaupt
 Cartesische Sk.: Wahrnehmungswissen
 Wahrnehmung ist jedoch nicht die einzige Quelle der
Erkenntnis, es gibt auch noch:




Erinnerung (eher e. Form des Wissens)
Vernunft
Zeugnis Anderer „testimonial“
einige Philosophen: Introspektion
 letztlich denken wir aber: der Skeptiker kann nicht recht
haben, irgendetwas müssen wir doch wissen, selbst dann,
wenn wir uns hin und wieder täuschen
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3. Die Methode der analyt. Erkenntnistheorie: Begriffsanalyse
 wenn wir den Umfang unseres Wissens klären wollen, dann
müssen wir die Natur von Wissen bestimmen
 = „Wesen“ einer Sache zu erfassen
 Wie geht man nun dabei vor?
 notwendige Bedingungen: wenn eine Eigenschaft einer Sache notwendigerweise
zukommt, dann gehört sie zu seinem Wesen
 d.h. wenn sie diese Eigenschaft eben haben muss, z.B. „Junggesellen“ und
„unverheiratet“
 „Junggesellen“ und „unverheiratet“ vs. „spät ins Bett gehen“
 selbst wenn alle Junggesellen spät ins Bett gehen, dann wäre es immer noch keine
notwendige Eigenschaft von Junggesellen, denn Junggesellen wären auch dann noch
Junggesellen, wenn sie nicht spät ins Bett gehen würden, aber Junggesellen wären
keine mehr, wenn sie verheiratet wären
 „kontingente Eigenschaft“
 manchmal wird dies auch so von Philosophen ausgedrückt, dass etwas eine
Eigenschaft „in allen möglichen Welten“ hat (oder das die entsprechende
Aussage „X ist F“ eine „notw. Wahrheit“ sei)
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3.1 Begriffsanalyse

wenn man die Natur einer Sache bestimmt, interessieren nicht nur einzelne notw.
Bedingungen, denn auch andere Dinge könnten die notwendigen Bedingungen
haben, ohne diese Sache zu sein

(nicht nur Junggesellen sind unverheiratet, auch manche Frauen, Kinder, Mönche, der Papst
und Witwer)
 Man muss daher alle weitere notwendigen Bedingungen
aufsuchen,




„männlich“
„ist heiratsfähig“
„war noch nie verheiratet“
„muss sich nicht der Ehe enthalten“
 so dass alle notwendigen Bedingungen zusammen genommen
eine hinreiche Bedingung für „Junggeselle“ ergeben
 am besten wäre also für den Wissensbegriff eine Liste von
notwendigen Bedingungen, die zusammengenommen
hinreichend sind, dafür, Wissen zu sein
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3.1 Begriffsanalyse
 das Erforschen dieser notwendigen und hinreichenden Bedingungen =
„Begriffsanalyse“
 „Analytische Erkenntnistheorie“
 die Frage nach der Natur oder dem Wesen des Wissens wäre durch eine solche
Analyse beantwortet
 und, so wie die Erkenntnistheorie den Begriff des Wissens analysiert, so werden
andere Begriffe von anderen Disziplinen der Philosophie analysiert:








Begriff des moralisch Guten in der Ethik
Begriff der Gerechtigkeit in der Rechtsphilosophie / pol. Philosophie
Begriff der Bedeutung in Sprachphilosophie
Begriff der Wahrheit in Sprachphilosophie / Metaphysik,
Begriff der Person in der Philosophie des Geistes / phil. Anthropologie
Begriff der Ursache in der Wissenschaftstheorie
Begriff der Handlung in der Handlungstheorie
u.s.w.
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3.1 Begriffsanalyse

Wie geht man nun dabei vor, die notwendigen und hinreichenden
Bedingungen eines Begriffs aufzusuchen??


„Apriorismus“ und „Naturalismus“
Der Apriorismus geht so vor: Wir suchen notw. und hinreichende
Bedingungen für den Wissensbegriff „durch Nachdenken“:


Damit jemand weiß, dass p, muss…

1. Schritt:) Man schlägt eine Bed. vor, die prima facie notw. zu sein scheint:




Etwa: p muss wahr sein
2. Schritt:) man sucht Beispiele, um zu überprüfen, ob die Bed. tatsächlich notwendig ist bzw.
ob sie schon hinreichend ist


„Armchair-Philosophy“
finden wir ein oder mehrere Bsp.e, bei denen wir sagen würden, dass eine Person weiß, dass p,
obwohl die in Frage stehende Bedingung nicht erfüllt ist, so handelt es sich um keine notw. Bedingung
Finden wir ein oder mehrere Bsp.e, bei denen wir sagen würden, dass eine Person nicht weiß, dass p,
obwohl alle in Frage stehenden Bedingungen erfüllt sind, so handelt es sich bei ihnen um keine
zusammengenommen hinreichenden Bedingungen
Im ersten Fall wird Bed. verworfen; im zweiten muss nach weiteren gesucht werden
Wenn eine Liste von Bedingungen sämtlichen Bsp.en standhält, ist man
theoretisch fertig
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3.1 Begriffsanalyse
 es ist klar, dass bei dieser Methode unsere Reaktion auf die Beispiele
entscheidend ist – was „wir sagen würden“
 „unsere Reaktion“ und „was wir sagen würden“ – mit „wir“ und „uns“ sind nicht
ausgebildete Philosophen gemeint, sondern alle kompetenten Sprecher des
Deutschen
 jeder, der Deutsch (oder eine andere Sprache) spricht, kann dabei mitmachen
 man braucht nur Sprachkompetenz

zusätzlich vonnöten: eine gute sprachliche Vorstellungskraft; geschärftes Bewusstsein
dafür, welche Unterschiede es geben kann, sowie gute Fähigkeit, auf das eigene
Sprachvermögen zu achten
 die philosophische Untersuchungsweise ist eine begriffliche,
keine empirische, wie in den Einzelwissenschaften
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3.1 Begriffsanalyse
 weil wir den Ausdruck „wissen“ bereits kompetent verwenden,
wissen wir auch, unter welchen Umständen wir ihn
gebrauchen und unter welchen nicht, so dass wir prinzipiell
schon längst wissen, welche Bedingungen der W-Begriff
erfüllen muss
 dabei haben wir zwar Begriffe irgendwann mal in unserer
Kindheit/Jugend empirisch erlernt, aber wenn wir sie einmal erlernt
haben, dann brauchen wir keine weitere Erfahrung / Experimente, um
herauszufinden, was im Wissensbegriff enthalten ist
 es geht nur um das Explizitmachen von bereits Gewusstem, nicht um
das in-Erfahrung-Bringen neuer Fakten über Wissen
 aber das Explizitmachen der Bedingungen ist eine komplizierte,
langwierige und geistig anstrengende Angelegenheit
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3.1 Begriffsanalyse
 M.a.W.: in der Erkenntnistheorie geht es um eine begriffliche
Untersuchung von Wissen und den anderen Begriffen, die mit
Wissen zusammenhängen (Kennen, Gewissheit,
Überzeugung, Glauben, Rechtfertigung, „Bekanntschaft“,
Vermuten, Raten, Information, Erkenntnis, etc.)
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4.1 Der Gegenstand der analyt. ET: „Wissen-dass“
 Es gibt viele Formen des Wissens und nicht alle sind
tatsächlich relevant in der Erkenntnistheorie
 Man kann nicht nur wissen, dass p, sondern auch Wissen-wo (PapuaNeuginea liegt), wer Caesar war, wann der Zug nach Köln abfährt, usw.
 Doch diese Formen lassen sich offenbar in Wissen-dass-Sätze
umformen
 Wissen-wo = wissen, dass etwas an dem-und-dem Ort liegt
 Wissen-wann = wissen, dass etwas zu der-und-der Zeit geschieht
 Wissen-wer = wissen, dass die Person X diejenige ist, die…
 aber was mit „Wissen-wie man Klavier spielt“?
 manche Philosophen sagen, es handelt sich um gar keine Form von Wissendass, sondern eher eine Fähigkeit, ein Können, ja manchmal die Handlung
selbst
 Wissen-wie man X tut = wissen, dass dies-und-dies eine geeignete Methode
ist, X zu tun
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4.2 Die klassische Analyse des Wissensbegriffes
 Wahrheit als notwendige Bedingung für Wissen
 Damit S weiß, dass p, muss…
 …1) p wahr sein

(„die Menschen im MA wussten, dass die Erde eine Scheibe ist“ – damit will man in der Regel nur sagen, dass
man es damals fest glaubte)
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4.2 Die klassische Analyse des Wissensbegriffes
 Überzeugung als notwendige Bedingung für Wissen
 Damit S weiß, dass p, muss…
 …2) S muss glauben / überzeugt sein / meinen, dass p


manchmal nimmt man „sich sicher sein“ oder „gewiss sein, dass p“ als notw. Bed. für Wissen, also ein subjekt.
Gefühl, dass die eigene Überzeugung begleitet
aber das scheint zu restriktiv, denn wir wissen vieles, ohne dass uns dabei so ein Gefühl begleitet
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4.2 Die klassische Analyse des Wissensbegriffes
 Rechtfertigung als notwendige Bedingung für Wissen
 Damit S weiß, dass p, muss…
 …3) S muss gerechtfertigt sein, zu meinen, dass p



um „glückliches Raten“ auszuschließen (Pferdewetten-Bsp.)
Auch: „gute Gründe“ haben für die Überzeugung, dass p
Man spricht von epistemischer Rechtfertigung – um sie von anderen Formen, etwa moralischer Rechtfertigung zu
abzugrenzen
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4.2 Die klassische Analyse des Wissensbegriffes
 S weiß, dass p, genau dann, wenn
 1) p wahr ist,
 2) S glaubt, dass p,
 3) S ist epistemisch gerechtfertigt zu glauben, dass p.
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5.1 Das Gettier-Problem

(Edmund Gettier 1963)
 Smith und Jones bewerben sich um einen Job
 Smith bekommt vom Personalchef gesagt: „Jones wird den
Job bekommen und nicht Sie!“
 Smith sieht, wie sich Jones 10 Münzen in die Hosentasche
steckt.
 Smith leitet aus beiden Aussagen die Aussage p ab:
„Derjenige, der den Job bekommen wird, hat 10 Münzen in
der Hosentasche“
 1) p ist wahr
 2) Smith glaubt, dass p.
 3 Smith ist gerechtfertigt, zu glauben, dass p.
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5.1 Das Gettier-Problem
 Zwei Zufälle:
 a) Jones sagt den Job ab – und Smith bekommt ihn doch
 b) Smith‘s Frau hat Smith selbst 10 Münzen in die Hosentasche
gesteckt – ohne dass Smith davon wusste
 Wusste Smith, dass p?
 = „Derjenige, der den Job bekommen wird, hat 10 Münzen in der
Hosentasche“
 Wir sind geneigt, dass zu verneinen.
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5.1 Das Gettier-Problem
 Smith hat gute Gründe anzunehmen, dass sein Nachbar
Jones einen Ford fährt
 Smith weiß gerade nicht, wo sich ein weiterer Nachbar,
Brown, sich aufhält
 Smith bildet die Aussage p: „Entweder fährt Jones einen Ford
oder Brown ist in Barcelona“
 2 Zufälle:
 a) Jones fährt in Wahrheit keinen Ford
 b) Brown ist tatsächlich in Barcelona
 Wieder sind alle 3 Bedingungen der klass. Anaylse des WBegriffs erfüllt, ohne dass wir tatsächlich Smith zu wissen,
dass p, zuschreiben würden.
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5.1 Das Gettier-Problem
 In beiden Bsp. en sind jeweils alle 3 Bedingungen für Wissen erfüllt,
d.h. man müsste sagen, dass Smith wusste dass p – aber das
wollen wir nicht
 Denn die Aussage p war ja jeweils nur zufälligerweise wahr
 Wie also muss nun die Analyse des Wissens aussehen, um zufällig
wahre, gerechtfertigte Überzeugungen auszuschließen?






Brauchen wir eine 4. Bedingung?
Brauchen wir mehr Bedingungen?
Sollten wir eine Bedingung wegstreichen? Welche?
Müssen wir eine oder mehrere Bedingungen der klass. Wissensdef. anders verstehen?
Müssen wir die Analyse des W-Begriffs ganz aufgeben?
Sollen wir sagen, dass die Gettier-Bsp.e keine Gegenbeispiele sind?
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5.2 Lösungsversuche des Gettier-Problems
 Erste Lösungen zum Gettier-Problem:
 In den Gettier-Bsp.en waren jeweils eine der Prämissen, die
Smith verwendete, falsch
 Und deswegen würden wir nicht sagen, dass Smith jeweils
Wissen hatte
 daher = „no false lemma“-Bedingung:
 S weiß dass p, gdw.




1. p wahr ist
2. S glaubt, dass p
3. S ist gerechtfertigt zu glauben, dass p
4. die Rechtfertigung von S beruht nicht auf falschen Prämissen
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5.2 Lösungsversuche des Gettier-Problems
 aber: Scheunenattrappen-Bsp.:
 Barney fährt übers Land mit seinem neuen Auto
 Er schaute einmal nach rechts aus dem Auto, sieht eine Scheune und
kommt zu der wahren, gerechtfertigten Überzeugung, dass es eine
Scheune ist
 Was Barney nicht weiß, ist, dass er an der einzig echten Scheune im
Landkreis vorbeigefahren ist
 Sonst stehen in diesem Landkreis nur Scheunenattrappen
 Hätte Barney eine dieser Scheunenattrappen gesehen, hätte er
ebenfalls geglaubt, dass es sich um eine Scheune handele
 Es war also wieder nur reines Glück, dass Barney zufällig die einzig
richtige Scheune getroffen hat
 Unter diesen Umständen würden wir ihm kein Wissen
zuschreiben
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5.2 Lösungsversuche des Gettier-Problems
 Barneys Überzeugung beruht auf keiner falschen Prämisse,
eigtl. auf gar keiner Prämisse, denn er verwendet ja nur seine
Wahrnehmung
 In Barneys Fall sind wieder alle 4 Bedingungen erfüllt, ohne
das wir ihm ein Wissen zuschreiben würden
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5.2 Lösungsversuche des Gettier-Problems
 Neuer Vorschlag:
 In Barneys Fall bricht seine Rechtfertigung durch die neu
hinzukommende Information zusammen, dass im Landkreis überall
Scheunenattrappen stehen
 Jemand, der weiß, dass er sich in einer Gegend voller
Scheunenattrappen befindet, ist epistemisch unverantwortlich, wenn er
glaubt, das da ist eine Scheune, nur weil es von der Straße aus so
aussah
 S weiß dass p, genau dann, wenn






1. p wahr ist
2. S glaubt, dass p
3. S ist gerechtfertigt zu glauben, dass p
4. wenn die Rechtfertigung von S nicht durch neue, hinzukommende Information
zerstört werden kann
im Fake-Barn-Bsp. etwa durch die Info, dass man durch „fake barn county“ fährt
im originalen Gettier-Fall durch die Info, dass Jones den Job nicht bekam
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5.2 Lösungsversuche des Gettier-Problems
 Wieder ein Gegenbeispiel (Tom Grabit):
 Jones sieht, wie ein ihm bekannter Mann namens Tom Grabit in einer
Bibliothek ein Buch unter seinen Pullover steckt und damit den Raum
verlässt
 Jones kommt zu der wahren Überzeugung, dass Tom ein Buch
gestohlen hat
 Aber Toms Mutter sagt: Nein, das war nicht Tom, (Tom würde so etwas
nie tun!) sondern sein kleptomanischer Zwillingsbruder Tim
 Toms Mutter ist aber wahnsinnig und hat sich Tim nur ausgedacht, weil
sie die Klauerei ihres Sohnes Toms nicht ertragen kann
 Durch die neu hinzukommende Information von der Mutter, dass Tom einen
kleptomanischen Zwillingsbruder hat, der das Buch geklaut hat, würde die
Rechtfertigung von Jones zunächst zerstören
 Aber in Wirklichkeit wusste Jones, dass es Tom war, weil die
hinzukommende Information falsch war
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5.2 Lösungsversuche des Gettier-Problems
 D.h. das Tom Grabit-Bsp. zeigt, dass die 4. Bedingung zu
stark ist, d.h. sie schließt Fälle von echtem Wissen aus.
 Das Tom-Grabit-Bsp. zeigt, dass Rechtfertigung nicht gegen alle,
sondern nur gegen relevante (nicht-irreführende) Zusatzinformation
immun sein muss
 aber: Was heißt relevant? Für jemanden, der längst weiß, dass Toms Mutter
verrückt ist, wäre diese Zusatzinfo nicht-relevant – aber eben nur dann
 d. h. ob eine Zusatzinfo relevant ist oder nicht, hängt vom
Standpunkt ab und damit wäre es keine objektive Sache
mehr, ob jemand gerechtfertigt ist oder nicht
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5.2 Lösungsversuche des Gettier-Problems
 Kausaltheorie des Wissens (A. Goldman):
 Zu beachten ist die Tatsache, dass Brown zwar in Barcelona ist/Jones zwar
einen Ford fährt, aber diese Tatsachen nichts mit Smith’ Überzeugung, dass
p zu tun haben
 D.h. es besteht kein kausaler Zusammenhang zwischen der Tatsache, dass
p und Smith Überzeugung, dass p
 Ein solche hätte bspw. bestanden, wenn Brown Smith eine Postkarte aus Barcelona
geschickt hätte – dann wäre Smith‘s Überzeugung gerechtfertigt gewesen
 Also muss die Rechtfertigung in einer kausalen Verbindung zwischen p und der
Überzeugung, dass p bestehen
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5.2 Lösungsversuche des Gettier-Problems
 Kausaltheorie des Wissens (A. Goldman):
 1. Wahrnehmung: wenn jemand eine Vase sieht, dann weiß er nur dann, dass dort
eine Vase steht, wenn die Vase selbst die Ursache für seine Überzeugung ist (und
nicht etwa eine Holoprojektion)
 2. Erinnerung: wenn eine Überzeugung eine andere kausal hervorruft
 4. Zeugnis anderer = „Testimonium“
 3. Schließen: das Ausbrechen des Vulkans führte zu Lava-Ablagerungen, die
später zu S’ Überzeugung, dass p führen
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5.2 Lösungsversuche des Gettier-Problems
 Einwand I gegen die Kausaltheorie:
 weder Erinnern noch Schließen sind kausale Prozesse zwischen Gegenständen
oder Ereignissen, die da Überzeugungen heißen – Überzeugungen sind weder
Gegenstände, noch Ereignisse




(trotz ihres Substantiv-Charakters)
mentale Ereignisse sind paradigmatischerweise Stimmungen, Gefühle, Erregungen, Schmerzen
oder sich-konzentrieren
sie tauchen auf, wenn man wach ist und hören mit dem Verlust des Bewusstseins auf; sie haben
Grade, steigen an und gehen zurück; sie können durch Ablenkung unterbrochen und später
wieder aufgenommen werden
aber man hört nicht auf etwas zu glauben oder zu wünschen, wenn man einschläft – man hört
nicht auf zu glauben, dass die Schlacht von Hasting 1066 stattfand, wenn man schläft; ich kann
nicht mehr glauben als sie, dass heute Montag ist (bzw. das heißt nur, dass ich es mehr als
jemand anderes darauf ankommen lassen würde / mehr darauf wetten würde) und eine
Überzeugung kann nicht durch eine Ablenkung unterbrochen und später wieder aufgenommen
werden
 wenn jemand in gewisser Weise geneigt ist zu handeln oder zu sprechen, dann
schreiben wir ihm eine Überzeugung zu
 aber nicht durch unser Entdecken einer „mentalen Entität“ oder „mentalen Prozesses“
 auch nicht durch Entdecken eines Gehirnzustandes oder eines Ereignisses in seinem
Nervensystem
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5.2 Lösungsversuche des Gettier-Problems
 Einwand II gegen die Kausaltheorie
 Ein logischer Schluss besteht darin, dass, wenn jemand die Wahrheit der
Prämissen anerkennt, er ebenfalls die Wahrheit der Konklusion anerkennen
muss – und das aufgrund log.-semant. Beziehungen zwischen den
Prämissen und der Konklusion: „Alle Menschen sind sterblich“ – „Einige
Menschen sind sterblich“ – wegen der Bedeutung von „alle“ und „einige“
 beim Vulkan-Bsp.: Vom Vorhandensein der Lava kann nur dann auf das
Ausbrechen/Vorhandenseins eines Vulkans geschlossen werden, wenn S
zusätzlich die Prämisse „Immer wenn Lava irgendwo liegt, muss ein Vulkan
in der Nähe sein“ akzeptiert – dies ist eine der Hintergrundannahmen des
Subjekts – aber die beiden zusammengenommen reichen hin, um die
Konklusion zu rechtfertigen – die „Ursache“ für die Konklusion spielt keine
Rolle
 das Vorhandensein der Lava, die Wahrnehmung ist ein Grund, die
Konklusion zu akzeptieren, aber nicht die Ursache der Überzeugung
 Gründe können eine Überzeugung bestätigen, aber Ursachen können das nicht
 Es ist falsch, die Rechtfertigungsbedingung durch eine Kausalbeziehung ersetzen
zu wollen
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5.2 Lösungsversuche des Gettier-Problems
 Einwand III gegen die Kausaltheorie:


Selbst wenn die Überzeugung, dass p durch die Tatsache, dass p verursacht wurde,
würden wir nicht immer von Wissen sprechen:
wenn jemand S im Tank von außen eine Überzeugung induziert bekommt, dass S im
Tank ist, dann ist diese Überzeugung auch (wenigstens z. T.) durch die Tatsache,
dass S im Tank ist verursacht, ohne dass wir davon sprechen würden, dass S weiß,
dass er im Tank ist, denn ihm hätte genauso gut jede andere Überzeugung, u. a.
auch die, dass er nicht im Tank ist, induziert werden können
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5.2 Lösungsversuche des Gettier-Problems / Struktur der Rechfertigung
 Eine Weiterentwicklung der Kausaltheorie ist der
Reliabilismus, nach dem eine Überzeugung dann
gerechtfertigt ist, wenn sie sich einem verlässlichen Prozess
(Wahrnehmung) verdankt
 Der Reliabilismus versteht sich zumeist auch als Lösung zu
einem anderen Problem: den Agrippina-Trilemma
 Fundamentalismus
 Kohärentismus
 Infinitismus
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6. Abkehr von der Analyse
 Für den Reliabilismus ist „gerechtfertigt sein“ identisch mit
einer oder mehreren bestimmten Rechtfertigungstrategien
 Etwa: sinnl. Wahrnehmung
 Für die Kohärentisten ist „gerechtfertigt sein“ identisch mit
einer Reihe von Unterbedingungen, bei denen sich eine
Überzeugung kohärent in das Gesamtsystem der
Überzeugungen eingliedert
 D.h.: Beide Grundströmungen verstehen den
Rechtfertigungsbegriff hauptsächlich als einen deskriptiven
Begriff, so wie „rot“ oder „salzig“
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6. Abkehr von der Analyse
 Aber: „gerechtfertigt sein“ oder „gute Gründe haben“ sind
Wertausdrücke, d.h. ob jemand gerechtfertigt ist / Wissen hat
oder nicht, ist abhängig von unseren epistemischen
Maßstäben
 D.h. es gibt eine Reihe von verschiedenen
Verwendungsweisen von „wissen“
 Wenn wir hohe Maßstäbe anlegen, dann schreiben wir Jones kein
Wissen, dass Tom Grabit das Buch gestohlen hat, zu (weil er relevante
Alternativen nicht ausschließen kann – etwa Toms Zwillingsbruder)
 Wenn wir niedrigere Maßstäbe anlegen, dann können wir Jones
durchaus das Wissen, dass Tom Grabit das Buch gestohlen hat,
zuschreiben
 Wir verwenden den Wissensbegriff im Alltag ja auch nicht so,
dass ständig die höchsten Maßstäbe erfüllt sein müssen
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FELD 1
6. Abkehr von der Analyse
 Es ist also fruchtlos, sich auf die Suche nach der einen, für alle
Situationen angemessenen Definition von „Wissen“ zu begeben
 Das Projekt, die eine Analyse des Wissensbegriffs aufzufinden, ist
nicht erfolgreich
 Aussichtsreicher scheint es, zu verstehen, was wir sprachlich
eigentlich tun, wenn wir jemandem oder uns selbst Wissen
zuschreiben:
 Wir geben eine Art von Garantie oder drücken aus, dass man sich auf unsere
Information verlassen kann
 Wir geben auch zu verstehen, dass jemand gute Gründe für seine Überzeugung
hat
 Wenn wir sagen, dass die Überzeugung, dass p gut begründet / gerechtfertigt ist,
dann beschreiben wir die Überzeugung nicht; wir behaupten nicht, dass die
Überzeugung, dass p, eine bestimmte oder mehrere deskriptive Eigenschaften
hat (etwa: „wurde durch sinnliche Wahrnehmung gewonnen“), sondern wir
empfehlen die Überzeugung, dass p; wir schreiben vor, dass man sie haben
sollte
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6. Abkehr von der Analyse
 Außerdem sollte man beachten, dass es nicht sinvoll ist,
Wahrheits- und Rechtfertigungsbedingung zusammen in der
Wissensdefinition auftauchen zu lassen:
 Wenn uns jemand nachweist, dass er gute Gründe für seine
Überzeugung, dass p hat, wäre es absurd, noch zu verlangen, dass p
auch wahr ist – die guten Gründe zeigen ja, dass p wahr ist (wenn sie
tatsächlich gut sind)
 Und tatsächlich gut sind sie, wenn wir sie selbst akzeptieren
 Wissen ist kein objektives „Ding“, von dem es eine bestimmte
Definition gibt, sondern ein Begriff, der von Perspektiven
abhängig ist – wie ein Wertbegriff („gut“, „schön“)
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6. Abkehr von der Analyse
 D.h. aber nicht, dass sich jeder aussuchen kann, was
„Wissen“ („gut“, „schön“) ist
 Die Maßstäbe müssen universalisierbar sein, d.h. in gleichen
Fällen muss man gleich urteilen, ob eine Überzeugung
gerechtfertigt ist / Wissen darstellt oder nicht
 Das schließt auch die eigenen Überzeugungen ein – und jeder
von uns hat ja schon immer welche
 So, wie wir den W-Begriff also tatsächlich verwenden (wir schreiben uns
und anderen ja tatsächlich Wissen zu) erübrigt sich der cartes.
Skeptizismus
 Wenn wir eine Überzeugung rechtfertigen, berufen wir uns auf allg.
akzeptierte Maßstäbe (damit erledigt sich der aggripin. Skeptizismus)
 Dennoch ist „gerechtfertigt“ nicht mit „allg. akzeptierter Standard“
synonym, denn die Maßstäbe könnten sich ja ändern
 Aber der empfehlende Charakter bleibt
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