Beispiel 24 Parameter der Rechteckverteilung

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Statistik
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
4.1. Zufallsvariable
Bei vielen Zufallsexperimenten wird gemessen oder gezählt, das Versuchsergebnis ist eine
Zahl (  Bsp. 1).
Bei Zufallsexperimenten, deren Ausgänge nicht unmittelbar Zahlen sind, werden den
Versuchsergebnissen oft Zahlen zugeordnet (  Bsp. 2).
In den Beispielen werden den Ausgängen eines Zufallsexperimentes reelle Zahlen
zugeordnet: Auf der jeweiligen Ausgangsmenge  wird eine Funktion X () definiert, die
ihre Werte in Abhängigkeit vom Zufall annimmt. Man nennt solche Funktionen X ()
Zufallsvariable oder Zufallsgrößen. Zufallsvariable werden mit großen Buchstaben, die
Werte, die sie annehmen, mit entsprechenden kleinen Buchstaben bezeichnet.
Zu jedem Ausgang  gehört eine Wahrscheinlichkeit P (). Aus diesen Wahrscheinlichkeiten
kann man nun auch Wahrscheinlichkeiten für die Zufallsvariable berechnen, etwa die
Wahrscheinlichkeit dafür, dass X einen ganz bestimmten Wert a annimmt:
(1)
P( X  a )  P({ X ( )  a})
;
Ereignis " X  a"
Entsprechend kann man nach der Wahrscheinlichkeit fragen, dass die Zufallsvariable X
Werte in einem Intervall a  X  b annimmt.
Definition 1: Zufallsvariable
Eine auf  definierte reellwertige Funktion X () heißt Zufallsvariable, falls die
folgenden Wahrscheinlichkeiten existieren
P( X  a) und P(a  X  b) ;
a, b  IR
Die Menge aller Zahlen, die eine Zufallsvariable annehmen kann, nennt man Wertemenge
oder Wertevorrat von X.
Wie in Kapitel 1 bei den Merkmalen unterscheidet man zwischen diskreten und stetigen
Zufallsvariablen.
65
Statistik
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
Beispiel 1:
a) Augenzahl eines Würfels
b) Zahl der in einer Telefonzentrale pro Tag eingehenden Gespräche
c) Größe oder Gewicht einer zufällig ausgewählten Person
d) Alle experimentellen Messungen
Beispiel 2:
a) Qualitätskontrolle: brauchbar  1; unbrauchbar  0
b) mehrmaliges Werfen einer Münze: Anzahl „Wappen“
c) Glücksspiel: Gewinn
Beispiel 3:
Anzahl der „Wappen“ bei dreimaligem Werfen einer Münze.
 = { ZZZ, ZZW, ZWZ, ZWW, WZZ, WZW, WWZ, WWW}
X () = Anzahl der W
Ausgang :
X ():
ZZZ ZZW ZWZ ZWW WZZ WZW WWZ WWW
0
1
2
3
Unter der Voraussetzung einer idealen Münze kann man leicht Wahrscheinlichkeiten
berechnen, etwa:
P ( X  3) 
1
;
8
P (0  X  1,5) 
P ( X  2) 
1
;
2
3
8
P ( X  3)  0
66
x
Statistik
4.2.
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
Diskrete Zufallsvariable
4.2.1. Beschreibung diskreter Zufallsvariabler
Definition 2: Diskrete Zufallsvariable
Eine Zufallsvariable heißt diskret, falls ihre Wertemenge nur endlich oder abzählbar
unendlich viele verschiedene Werte enthält.
Diskrete Zufallsvariable entsprechen den diskreten Merkmalen in Kapitel 2.1. Man kann sie
durch Funktionen beschreiben, die den Häufigkeitsfunktionen einer Stichprobe sehr ähnlich
sind; die Rolle der relativen Häufigkeiten übernehmen jetzt die Wahrscheinlichkeiten.
Zur Beschreibung einer diskreten Zufallsvariablen X benötigt man die Wahrscheinlichkeiten
(2)
P ( X  xk )  f ( xk ) ;
f ( xk ) heißt Wahrscheinlichkeitsfunktion von X
Bei jeder Durchführung des Zufallsexperimentes nimmt die Zufallsvariable X genau einen
ihrer Werte an. Die zugehörigen Ereignisse „ X  x1 “, „ X  x 2 “ ... sind unvereinbar, bilden
also eine Ausgangsmenge, aus der alle für X interessierenden Ereignisse aufgebaut werden
können. Für ihre Wahrscheinlichkeiten gilt (vgl. entsprechende Eigenschaften der relativen
Häufigkeiten)
(3)
0  f ( xk )  1
(4)
 f ( xk )  1
xk
wobei in (4) die Wahrscheinlichkeiten aller x k der Wertemenge von X aufsummiert werden.
Eine diskrete Zufallsvariable X kann somit eindeutig beschrieben werden durch die
Zahlenpaare ( x k , f ( x k )) , die man zweckmäßig in einer Verteilungstabelle
(Wahrscheinlichkeitstabelle) anordnet:
(5)
X:
 x1
 f (x )
1)

x2
f ( x2
... 
. . . 
67
Statistik
Beispiel 4a:
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
Idealer Würfel, X = Augenzahl
xk
1
2
3
4
5
6
f ( xk )
1
6
1
6
1
6
1
6
1
6
1
6
Beispiel 5:
(  = 1)
Idealer Würfel, X = Anzahl der Würfe bis zur ersten Sechs
xk
1
2
3
...
f ( xk )
1
6
5 1

6 6
5 1
  
6 6
k
2
5
 
6
…
 IN
...
k 1

1
6
…
(  = 1)
Die Wahrscheinlichkeiten f ( x k ) sind das theoretische Gegenstück zu den relativen
Häufigkeiten in Kapitel 2.1. Dort wird ein Merkmal aber auch beschrieben durch die
~
relativen Summenhäufigkeiten, bzw. die empirische Verteilungsfunktion F (x); ganz
entsprechend definiert man jetzt die Verteilungsfunktion F ( x ) einer diskreten
Zufallsvariablen als Summe aller Wahrscheinlichkeiten „von links her bis zur Stelle x“:
F ( x )  P( X  x ) 
(6)
 f ( xk )
xk  x
Die graphische Darstellung der Wahrscheinlichkeiten f ( xk ) ergibt ein Stabdiagramm, die
Darstellung von F (x) eine monoton von 0 nach 1 wachsende Treppenfunktion.
Beispiel 4b:
Idealer Würfel, X = Augenzahl
x
0
1
2
3
4
5
6
7
f (x)
0
1
6
1
6
1
6
1
6
1
6
1
6
0
F (x)
0
1
6
2
6
3
6
4
6
5
6
1
1
68
Statistik
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
Die letzte Zeile bedeutet dabei ausführlich




F( x )  




0
1
6
1
3
...
1
für
x 1
für
1 x  2
für
2 x3
für
6 x
1
f(x)
F(x)
1
2
1
2
1
6
1
6
1
Beispiel 6:
2
3
4
5
6
x
1
x
0
1
2
3
f (x)
1
8
3
8
3
8
1
8
F (x)
1
8
4
8
7
8
1
4
5
6
F (x)
1
1
1
2
1
2
1
3
Dreimaliges Werfen einer idealen Münze, X = Anzahl der Wappen
(vgl. Bsp. 3 in Abschnitt 2.1.)
f(x)
0
2
2
3
0
x
69
1
2
3
x
x
Statistik
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
Eigenschaften der Verteilungsfunktion einer diskreten Zufallsvariablen:
Jede diskrete Zufallsvariable X hat als Verteilungsfunktion eine Treppenfunktion F (x) , die an
den Stellen x k Sprünge der Höhe f ( x k )  P( X  x k ) besitzt, mit folgenden Eigenschaften:
(7a)
F (  )  0
(7b)
F (  )  1
(7c)
x  x*
 F ( x )  F ( x* )
monoton nicht fallend
Mit Hilfe der Verteilungsfunktion F (x) kann man sehr einfach die Wahrscheinlichkeit
berechnen dafür, dass X Werte aus einem Intervall annimmt:
(8)
P(a  X  b)  F (b)  F (a)
(9)
P( X  a)  1  P( X  a)  1  F (a)
70
Statistik
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
4.2.2. Erwartungswert einer diskreten Zufallsvariablen
Eine Zufallsvariable sei gegeben durch die Verteilungstabelle
(10)
X:
 x1
 f(x )
 1
x2
f(x2 )
... xn 
... f(xn )
n
mit
 f ( xi )  1
i 1
Wird das zugehörige Experiment sehr oft ausgeführt, so interessiert man sich dafür, welchen
Wert X „im Mittel“ annimmt.
Definition 3: Erwartungswert
Der Mittelwert aller Werte x i gewichtet mit ihren Wahrscheinlichkeiten f ( xi ) heißt
Erwartungswert (Mittelwert) der Zufallsvariablen X:
(11)
E( X )   
n
x
i 1
i
 f(xi )
Ist eine Verteilung wie in Beispiel 7 symmetrisch, dann ist ihr Erwartungswert natürlich das
Symmetriezentrum.
Ist Y  g ( X ) eine für alle Werte der Zufallsvariablen X definierte Funktion, dann ist auch Y
eine diskrete Zufallsvariable mit den Werten y i  g ( xi ) . Da die Werte g ( xi ) mit derselben
Wahrscheinlichkeit f ( xi ) angenommen werden wie die Werte xi , erhält man als Erweiterung
der Definition (11) den Erwartungswert einer Funktion der Zufallsvariablen X :
E (Y )  E[ g ( X )] 
(12)
n
 g ( xi )  f ( xi )
i 1
Wichtig sind die Erwartungswerte der Funktionen X k und ( X   ) k ; k = 1, 2, 3, ... :
(13)
n
 k  E ( X )   xi k  f ( xi )
k
... k. Moment
i 1
n
(14)
 k  E[( X   ) k ]   ( xi   ) k  f ( xi )
i 1
... k. zentrales Moment
Speziell gilt
 0  E ( X 0 )  E (1)  1 , 1  E ( X 1 )  E ( X )  
71
Statistik
Beispiel 7:
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
Erwartungswerte diskreter Zufallsvariabler
a) Würfel (Beispiel 4):
  E( X )  1 
1
1
1
 2   ...  6   3,5
6
6
6
b) dreimaliger Münzwurf (Beispiel 6):
  E( X )  0 
1
3
3
1
 1   2   3   1,5
8
8
8
8
Beachten Sie in beiden Fällen die Symmetrie!
Beispiel 8:
Ein Spieler wirft 2 Münzen. Bei „WW“ erhält er 4 Euro, für jedes „Z“
muss er 1 Euro zahlen. Wie groß ist bei häufigem Spielen sein mittlerer
Gewinn?
Lösung:
Sei X = Anzahl der W, dann ist der Gewinn Y des Spielers eine Funktion
der Zufallsvariablen X, also selbst eine Zufallsvariable Y  g ( X )
Die gesuchte durchschnittliche Gewinnerwartung ist der Erwartungswert
von g ( X ) .
Für X und Y lauten die Verteilungstabellen (gleiche Einzelwahrsch.!)
0 1 2 
X : 1 1 1 


4 2 4

E[ g ( X )]   2 
- 2

Y  g(X ) : 1
 4
1
1
1
 1  4   0
4
2
4
72
-1
1
2
4

1
4 
… „faires Spiel“
Statistik
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
4.2.3. Varianz und Standardabweichung einer diskreten Zufallsvariablen
Der Erwartungswert  der Zufallsvariable X ist ein reiner Lageparameter; er gibt zwar
Auskunft, um welchen mittleren Wert die zufällige Größe gruppiert ist, sagt aber nichts aus
über ihre Verstreutheit. So haben die zwei Zufallsvariablen X und Y in Beispiel 9 zwar
denselben Erwartungswert, die Werte von Y streuen aber viel stärker als die Werte von X.
Der Erwartungswert der Differenz ( X   ) ist wegen
(15)
E( X  )  E( X )    0
als Maß für die Streuung ungeeignet. Der Erwartungswert von X   wäre zwar ein
vernünftiges Streuungsmaß, mathematisch günstiger ist es aber, den Erwartungswert der
Abstandsquadrate zu bilden (vgl. entsprechende Überlegungen bei der Einführung von
Streuungsparametern in Kapitel 2).
Definition 4: Varianz und Standardabweichung einer diskreten Zufallsvariablen X
n
(16.a)
 2  Var( X )  E[( X   )2 ]   ( xi   )2  f ( xi ) ... Varianz
i 1
(16.b)
  Var ( X )
... Standardabweichung
Ist  2 klein, so muss jedes Glied der Summe klein sein: Werte, die weit von  entfernt liegen,
besitzen eine kleine Wahrscheinlichkeit. Umgekehrt folgt bei großem  2 , dass nicht alle x i
nahe bei  liegen können.
Zur einfacheren Berechnung von  2 kann man (16.a) noch etwas umformen:
(17)
 2  Var( X )  E ( X 2 )   2
... Verschiebungssatz
Übung : Beweisen Sie Gleichung (15) und den Verschiebungssatz (17).
73
Statistik
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
Beispiel 9:
5
6 7
8
9 
4
X: 

0,2 0,2 0,2 0,1 0,1 0,2
  x  6,3
2
4
8 10 11 
1
Y: 

0,2 0,1 0,2 0,1 0,1 0,3
  y  6,3


0.3
0.3
0.2
0.2
0.1
0.1
0
1
2
3
4
5
µ-
6
7
µ
8
9
10
µ+
11
>
0
>
0
f2(y)
0.4
f1(x)
0.4
0
12
x
1
2
3
4
µ-
Varianzen (mit (17) berechnen!):
 x 2  16  0,2  25  0,2  36  0,2  49  0,1  64  0,1  81  0,2  6,3 2
 42,9  39,69  3,21
 y 2  1  0,2  4  0,1  16  0,2  64  0,1  100  0,1  121  0,3  6,3 2
 56,5  39,69  16,81
 Standardabweichung:
 x  3,21  1,79 
  Veranschau lichung im Diagramm!
 y  16,81  4,10 
74
5
6
7
µ
8
9
10
11
µ+
12
y
Statistik
4.3.
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
Theoretische diskrete Verteilungen
4.3.1. Binomialverteilung
Bei vielen Zufallsexperimenten interessieren nur zwei sich gegenseitig ausschließende
Ereignisse, von denen bei jeder Durchführung genau eines eintritt: „Erfolg“ oder
„Misserfolg“.
Die Zufallsexperimente in Beispiel 10 haben folgende gemeinsame Eigenschaften:
1)
Der Ausgangsraum  enthält nur zwei Elemente A und A :
 
(18)
2)
 A,
 P(A)  p
A  mit 
 P (A )  q  1 - p
A  Erfolg
A  Mißerfolg
Die Versuche sind beliebig oft wiederholbar unter gleichen
Bedingungen; die Wiederholungen sind voneinander unabhängig.
Ein Zufallsexperiment mit diesen Eigenschaften heißt Bernoulli-Experiment.
Beispiel 10:
a)
b)
c)
d)
Werfen eines Münze: {Wappen; Zahl}
Untersuchung von Werkstücken: {brauchbar, unbrauchbar}
Ziehen aus einer Urne mit roten und weißen Kugeln mit Zurücklegen: {rot, weiß}
Medikament: {wirksam, nicht wirksam}
Bei Bernoulli-Experimenten stellt sich die Frage nach der Anzahl der Erfolge bei n
Versuchen. Wir betrachten dazu die Zufallsvariable
X =
Anzahl der Erfolge bei n-maliger Durchführung eines Bernoulli-Experimentes
Das Ereignis „ X  k “, d.h. „k Erfolge bei n Versuchen“, lässt sich auf verschiedene Weisen
realisieren: Es besteht aus allen geordneten n-Tupeln mit k -mal A und (n  k ) -mal A , d.h.
aus einfachen Ereignissen der Form (in der Klammer aufgelistet sind der Reihe nach die
beobachteten Ergebnisse A bzw. A )
(19)
  ( A A A A A ... A A)
mit
k  mal A, ( n  k )  mal A
0k n
Die n Einzelversuche sind nach Voraussetzung unabhängig; für die Wahrscheinlichkeit eines
solchen Ereignisses (19) folgt also nach dem Multiplikationssatz für unabhängige Ereignisse
(20)
P( )  P( A) k  P( A )n  k  p k  (1  p )n  k
75
Statistik
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
Beispiel 11:
3-maliges Würfeln, B = „genau 2 Sechsen“, P( B)  ?
Lösung:
A = „Sechs“, A = „keine Sechs“, p  P ( A) 
1
6
Mögliche Realisierungen ( Elementereignisse ):
AAA ,
AA A ,
A AA
 B  AAA  AA A  A AA
Wahrscheinlichkeit der Elementarereignisse:
2
1 5
P( AAA )  P( AA A)  P( A AA)  P( A)  P( A)  P( A )    
 6 6
2

1 5
P( B)  P( AAA )  P( A AA)  P( A AA)  3    
 6 6
Die Realisierungen (n-Tupel) der Bauart (19) lassen sich wie folgt aufbauen:
1. Schritt: Auswahl von k Stellen aus n für Erfolg A
2. Schritt: restliche Stellen mit A auffüllen
 n
 n1    Möglichkeiten
k
 n2  1 Möglichkeit
Nach dem Fundamentalen Zählprinzip besteht das interessierende Ereignis „ X  k “ also aus
n
n1  n 2    gleichwahrscheinlichen unvereinbaren Ereignissen. Mit Hilfe des
k
 
Additionssatzes für unvereinbare Ereignisse folgt damit für die gesuchte Wahrscheinlichkeit:
(21)
n
P( X  k )  f B (k ; n; p)     p k  (1  p)n  k
k 
; k  0 , 1, ... n
f B ( k ; n; p ) heißt Wahrscheinlichkeitsfunktion der Binomialverteilung mit den
Parametern n und p.
Aus (21) ergibt sich für die Verteilungsfunktion der Binomialverteilung
(22)


FB ( x; n; p )  P( X  x )  


0
x
 f B ( k ; n; p )
für x  0
für x  0
k 0
Aufsummiert wird dabei von 0 bis zur größten natürlichen Zahl k mit k  x .
76
Statistik
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
Beispiel 12:
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass bei dreimaligem Werfen
eines idealen Würfels genau 3 ( 2, 1, 0 ) -mal eine Augenzahl kleiner als
5 auftritt?
Lösung:
A  " kleiner als 5"  {1, 2, 3, 4 } ;

Binomialverteilung mit n  3 ,
P( X  3)
2
 f B (3; 3; )
3
P( X  2)  f B ( 2; 3;
P( X  1)

2
) 
3
2
 f B ( 1; 3; )
3
P( X  0)  f B ( 0; 3;
3

2
) 
3
P ( A) 
p
2
3
2
3
0
 3  2   1 
       
 3  3   3 
2
1
 3  2   1 
       
 2  3   3 
1
2
 3  2   1 
       
 1  3   3 
0
3
 3  2   1 
       
 0  3   3 
 1
8
1
27

8
27
 3
4 1

9 3

12
27
2 1
 3 
3 9
 11
1
27
 1
6

27

1
27
Binomialverteilte Zufallsvariable kommen in der praktischen Anwendung häufig vor. Werte
von f B (k ; n; p) und FB (k; n; p) findet man in Tabellen bzw. als Statistik-Funktionen in
Taschenrechnern und PCs. Wegen der Symmetrie der Binomialkoeffizienten
n
n

   

k 
n  k 
 


(23)
werden nur Werte für p  0,5 tabelliert; wegen (23) gilt dann
f B (k ; n ; p)  f B (n  k ; n ; 1  p )
(24)
Für Mittelwert  und Varianz  2 einer binomialverteilten Zufallsvariablen mit den
Parametern n und p erhält man
(25)
E( X )   B  n  p ;
Beispiel 13:
Var( X )   B 2  n  p  (1  p)  n  p  q
X sei die Anzahl der Wappen beim viermaligen Werfen einer idealen
Münze. Wie groß sind E ( X ) und Var ( X ) ?
77
Statistik
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
Lösung:
Binomialverteilung mit den Parametern
1
 2
2
1 1
 4   1
2 2
E( X )    4 
Aus (25) folgt
Var( X )   2
n4 ;
p  q 
1
2
(anschauli ch klar! )
Wenn keine Verwechslungsgefahr besteht, lässt man die Parameter n und p in der
Argumentklammer weg und schreibt kurz
f B ( k ) , FB ( x )
anstelle von
f B ( k ; n ; p ) , FB ( x ; n ; p )
Mit (21) und (22) lassen sich leicht folgende Wahrscheinlichkeiten berechnen (für beliebige
Parameter n IN und 0  p  1 ):
a) Höchstens s Erfolge (s = 0, 1, ... n)
(26)
P( X  s ) 
s
 f B (k )  FB ( s)
k 0
b) Mindestens r Erfolge (r = 0, 1, ... n)
(27)
P( X  r ) 
n
r 1
k r
k 0
 f B (k )  1   f B (k )  1  FB ( r  1)
c) Mindestens ein Erfolg
(28)
P( X  1)  1  f B (0)  1  FB (0)  1  q n
d) Mindestens r und höchstens s Erfolge
(29)
P( r  x  s )  f B ( r )  ...  f B ( s )  FB ( s )  FB ( r  1)
78
Statistik
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
Diagramme zur Binomialverteilung
Die folgenden Bilder zeigen die Abhängigkeit der Binomialverteilung von ihren Parametern
n und p ; zur besseren Veranschaulichung sind statt Stabdiagrammen die entsprechenden
Polygonzüge gezeichnet.
p = 0.1
0.4
p = 0.9
0.3
p = 0.3
p = 0.7
p = 0.5
0.2
0.1
0
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
k
a) Abhängigkeit von p bei festem n  10
n
2
1

p
Die Verteilung für
entsteht aus der Verteilung für p durch Spiegelung am
Mittelpunkt x M .
 Für p  0,5 ist die Verteilung symmetrisch zu x M 
n=5
0.4
n = 10
0.3
n = 25
0.2
0.1
0
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
k
b) Abhängigkeit von n bei festem p  0,2
 Mit wachsendem n nähern sich die Polygone immer mehr einer
symmetrischen Glockenkurve mit Maximum bei   np
79
Statistik
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
4.3.2. Poissonverteilung (Verteilung seltener Ereignisse)
Bei vielen Anwendungen, die durch Bernoulli-Experimente beschrieben werden können, ist
die Erfolgswahrscheinlichkeit p des einzelnen Experiments klein, während die Anzahl n der
Experimente sehr groß ist.
Beispiel 14:
a) Atomzerfall: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmtes Atom einer gewissen Menge
radioaktiven Materials im Zeitraum  t zerfällt, ist sehr klein; die Anzahl der Atome ist
sehr groß…
b) Anzahl der Verkehrsunfälle pro Tag in einer Großstadt
c) Anzahl der Kunden, die während einer Minute an einem Schalter ankommen
d) Anzahl der Druckfehler pro Seite in einem Buch
Für großes n und kleines p ist die Berechnung der Binomialkoeffizienten sehr mühsam.
Vorteilhaft erweist sich bei solchen „seltenen Ereignissen“ die Näherung
(30)
n
p0



Setzt man p 

n
  n  p  const
mit
, q  1

n
(  ist der Erwartungswert )
in die Wahrscheinlichkeitsfunktion f ( k ; n , p ) der
B
Binomialverteilung (21) ein und lässt n   gehen, dann geht die Wahrscheinlichkeitsfunktion f ( k ; n , p ) mit den zwei Parametern n und p über in die WahrscheinlichkeitsB
funktion f ( k ;  ) mit dem einen Parameter   n  p :
P
(31)
P( X  k )  f P ( k ;  ) 
k
k!
 e  ,
k  0 , 1, 2 , . . .
. . . Wahrscheinlichkeit der Poisson-Verteilung mit dem Mittelwert 
(Verteilung seltener Ereignisse)
80
Statistik
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
Schreibt man die Wahrscheinlichkeiten der Reihe nach an, so erhält man die
Wahrscheinlichkeitstabelle
k
0
e
f (k )
P
1

 e
2


3
2
2
e


...
3
3!
e

...
Betrachtet man die Einzelwahrscheinlichkeiten f (k ) in dieser Tabelle, so erkennt man
P
leicht folgende rekursive Beziehung zwischen f (k ) und f (k  1)
P
f P (k ) 
(32)

k
P
 f P (k  1)
Beim Grenzübergang (30) ergibt sich aus der Varianz 
Varianz 
2
P
2
B
der Binomialverteilung (25) die
der Poissonverteilung:
 B 2  n p q    (1 

n

)
 P2  
für
n
Poisson-verteilte Zufallsvariable haben also die Varianz
2  
(33)
In Tabellen bzw. PC-Software findet man neben den Einzelwahrscheinlichkeiten f (k ;  )
P
auch die zugehörigen Verteilungsfunktionen F ( k ;  ) ; häufig steht dabei anstelle von k die
P
Variable x.
Zur Veranschaulichung der Güte der Poisson-Näherung sind in der folgenden Tabelle einige
Binomial- und Poisson-Wahrscheinlichkeiten für   n p  1 zusammengestellt:
Binomial
Poisson
 1
k
n = 4; p = 1/4
n = 10; p = 1/10
n = 100; p =1/100
0
0,316
0,349
0,366
0,368
1
0,422
0,387
0,370
0,368
2
0,211
0,194
0,185
0,184
3
0,047
0,057
0,061
0,061
4
0,004
0,011
0,015
0,015
5
-
0,002
0,003
0,003
81
Statistik
Beispiel 15:
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
Zahlenwerte zur Poisson-Näherung
3
 60 
3
57
f B ( 3 ; 60 ; 0,01 )     0,01  0,99
 0,0193
3
 
f P ( 3 ; 0,6 ) 
0,6
0,6
e
 0,0198
3!
 70 
4
66
f B ( 4 ; 70 ; 0,03 )     0,03  0,97
 0,0995
4
 
f P ( 4 ; 2,1 ) 
2,1
2,1
e
 0,0992
4!
100 
2
98
  0,05  0,95
f B ( 2 ; 100 ; 0,05 )  
 0,0812
2


f P ( 2; 5) 
4
2
5
5
e
 0,0842
2!
Beispiel 16: Eine Telefonvermittlung wird im Durchschnitt m-mal pro Stunde beansprucht.
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit für
a) 3 Anrufe in 2 Minuten,
b) mindestens 1 Anruf in 2 Minuten,
c) mindestens 3 Anrufe in 2 Minuten?
Lösung:
Die Anzahl X der Anrufe in einem (beliebigen) Zeitintervall der Länge 2 Minuten ist
poissonverteilt mit
E( X )   
m
m
2 
;
60
30
k
f P (k ) 
1  m
 m / 30

 e
k!  30 
3
a) P( X  3) 
1  m 
 m / 30

 e
3!  30 
 m / 30
b) P( X  1)  1  P( X  0)  1  f P (0)  1  e



c) P( X  3)  1  P( X  2)  1  f P (0)  f P (1)  f P (2)  1  e m / 30   1 
Zahlenwerte für m = 60:
Pa  0,18 ;
Pb  0,865 ;
82

Pc  0,32
2
m 1 m  
 
 
30 2  30  

Statistik
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
Beispiel 17:
Folgende Tabelle enthält die Ergebnisse einer Zählung von Fadenbrüchen an einer
Webmaschine. Zeigen Sie, dass angenähert eine Poisson-Verteilung vorliegt.
Fadenbrüche pro Längeneinheit
Häufigkeit
0
1
2
3
4
5
6
15
26
21
19
8
3
0
Lösung:
Als Schätzwert für den Parameter  nimmt man den arithmetischen Mittelwert der
Stichprobe
0  15  1  26  2  21  3  19  4  8  5  3  6  0
172

 1,87
15  26  21  19  8  3  0
92
 
k
1,87
1,87
f P ( k ; 1,87 ) 
e
k!
 Poisson-Wahrscheinlichkeiten:
Zum Vergleich mit den beobachteten absoluten Häufigkeiten werden die PoissonWahrscheinlichkeiten f (k ) mit dem Stichprobenumfang n  92 multipliziert; anschließend
P
wird gerundet:
k
0
1
2
3
4
5
6
f (k )
0,1541
0,2882
0,2695
0,1680
0,0785
0,0294
0,0092
92  f (k )
14,18
26,51
24,79
15,46
7,22
2,70
0,84
≈
14
27
25
15
7
3
1
P
P
4.3.3 Hypergeometrische Verteilung
Betrachtet werden zwei unterschiedliche Ziehungen: In einer Urne sind N Kugeln, M
schwarze und (N – M) weiße. Es werden n Kugeln gezogen
a) mit Zurücklegen
b) ohne Zurücklegen.
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, genau k schwarze Kugeln zu ziehen?
Ist „X = Anzahl der schwarzen Kugeln in der Menge der n gezogenen Kugeln“ ein, dann sind
die Wahrscheinlichkeiten P( X  k ) ; k  0 , 1, . . . n zu bestimmen
83
Statistik
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
Im Fall a) handelt es sich bei den Ziehungen um n Bernoulli-Experimente mit p 
M
, die
N
gesuchte Wahrscheinlichkeit ist die Binomial-Wahrscheinlichkeit :
(34)
n
Pa ( X  k )  f B ( k ; n ; p )     p k  (1  p)n  k
k 
mit
p
M
.
N
Im Fall b) erhält man die gesuchte Wahrscheinlichkeit mit den Hilfsmitteln der Kombinatorik
nach der klassischen Definition
P( A) 
A
Anzahl der für A günstigen Fälle

Anzahl der möglichen Fälle

Die Anzahl der möglichen Fälle ist gleich der Anzahl der ungeordneten n Stichproben ohne
Zurücklegen aus einer N-Menge
N
   
n
Günstig für das Ereignis A = „X – k“ sind alle Anordnungen von k aus M schwarzen und
(n – k) aus (N – M ) weißen Kugeln
M  N  M 
A     

k
n

k
  

(Fundamentales Zählprinzip!)
Damit ergibt sich für die gesuchte Wahrscheinlichkeit bei der Ziehung b) ohne Zurücklegen
(35)
M  N  M 
   

k   n  k 

Pb ( X  k )  f H ( k ; n; M ; N ) 
N
 
n
0k n
kM
nk  N M
f ( k ; n; M ; N ) heißt Wahrscheinlichkeitsfunktion der Hypergeometrischen
H
Verteilung mit den Parametern n, M und N .
(*)
2
Für Erwartungswert  und Varianz  einer hypergeometrisch verteilten Zufallsvariablen X
mit den Parametern n, N, M erhält man
(36)
E ( X )  H  n 
M
;
N
Var( X )   H2 
84
n M ( N  M )( N  n )
N 2 ( N  1)
Statistik
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
Die hypergeometrische Verteilung spielt beim Ziehen ohne Zurücklegen dieselbe Rolle wie
die Binomialverteilung beim Ziehen mit Zurücklegen. Für große Werte von N, M , N - M und
kleine Werte von n werden sich die Wahrscheinlichkeiten beim Ziehen mit bzw. ohne
Zurücklegen nur wenig unterscheiden, die dreiparametrige hypergeometrische Verteilung (59)
kann dann angenähert werden durch die zweiparametrige Binomialverteilung (58).
Anwendung der hypergeometrischen Verteilung in der Qualitätskontrolle
Bei der Massenfertigung von Werkstücken kann die Endkontrolle des Herstellers bzw. die
Abnahmekontrolle des Kunden nach folgendem Schema erfolgen:
Werden die Werkstücke in Packungen zu jeweils N Stück geliefert, dann wird jeder Packung
durch Ziehen ohne Zurücklegen eine Stichprobe von n Stück entnommen. Enthält diese
Stichprobe nicht mehr als eine zugelassene Zahl c fehlerhafter Stücke, so wird die Packung
angenommen, andernfalls wird sie zurückgewiesen. Die Wahrscheinlichkeit P, dass eine
Packung angenommen wird, heißt Annahmewahrscheinlichkeit; sie hängt natürlich ab vom
relativen Anteil M/N der fehlerhaften Stücke.
Beispiel 18
Eine Lieferung von 100 Teilen enthält 10 Ausschussteile; fünf Teile werden überprüft. Wie
groß sind die Wahrscheinlichkeiten für k = 0, 1, . . . 5 fehlerhafte Teile in der Stichprobe
a) exakt (Ziehung ohne Zurücklegen)
b) näherungsweise (Ziehung mit Zurücklegen)
(*) Die Reihenfolge der beiden Parameter N und M in der Argumentklammer ist in der
Statistik-Literatur nicht einheitlich; wir folgen hier der Reihenfolge der Parameter in der
Excel-Funktion HYPGEOMVER .
85
Statistik
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
Lösung:
a) Hypergeometrische Verteilung mit den Parametern n = 5; M = 10; N = 100
10   90 
    
0
5
P( X  0)      
100 


 5 
(35) 
P( X  1) 
10   90 
    
1 4
100 


 5 
P( X  2) 
10   90 
    
2  3 
100 


 5 
90  89  88  87  86
1 2  3  4  5
100  99  98  97  96
1 2  3  4  5
1

0,5838
10  90  89  88  87  5

100  99  98  97  96

0,3394
0,0702
P( X  3)  . . .
0,0064
P( X  4)  . . .
0,0003
P( X  5)  . . .
0,0000
b) Binomialverteilung mit den Parametern n = 5 ; p = 0,1
5
3
f (0)  0,9  0,5905
B
4
4
f B (1)  5  0,1  0,9  0,3281
2
2
f (3)  10  0,1  0,9  0,0081
B
f B (4)  5  0,1  0,9  0,00045
3
f B (2)  10  0,1  0,9  0,0729
5
f B (5)  0,1  0,0000
Zusatz: Erwartungswert und Varianz der Zufallsvariablen in Beispiel 18
H  B  n 
2
H 
M
 5  0,1  0,5
N
n M ( N  M )( N  n)
2
N ( N  1)

5  10  90  95
2
100  99
2
 B  n  p  (1  p)  5  0,1  0,9  0,45
86
 0,4318
 
 
H
B
 0,657
 0,671
Statistik
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
4.4. Stetige Zufallsvariable
In der beschreibenden Statistik (Kapitel 2) betrachten wir neben diskreten Merkmalen auch
stetige Merkmale mit kontinuierlicher Verteilung; diesen stetigen Merkmalen entsprechen in
der Wahrscheinlichkeitsrechnung stetige Zufallsvariablen mit einem Intervall als
Wertebereich ( Beispiel 19).
Definition: Stetige Zufallsvariable
Eine Zufallsvariable X heißt stetig, wenn eine nicht negative integrierbare Funktion f
existiert, so dass die zugehörige Verteilungsfunktion F in Integralform dargestellt
werden kann
F ( x )  P( X  x ) 
(37)
x
 f (u) du.

f (x) heißt Dichtefunktion oder Dichte der stetigen Zufallsvariablen X.
Aus (37) folgt wegen P(  X  )  1

(38)
 f (u) du
 1
(vgl. diskret:

 f (x )  1)
i
i
und nach dem Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung
(39)
F ( x)  f ( x)
(für jede Stetigkeitsstelle von f )
Die Dichte f (x) ist die Ableitung der Verteilungsfunktion F (x) .
Bemerkungen:
1. Der Summenformel für die Verteilungsfunktion Fd einer diskreten Zufallsvariablen X
Fd ( x ) 
 f ( xi )
f ( xi ) ... Wahrscheinlichkeitsfunktion
xi  x
entspricht bei einer stetigen Zufallsvariablen die Integralformel (37).
2. Nach (38) hat die Fläche unter der Dichtefunktion den Flächeninhalt 1. f (x) ist also das
theoretische Gegenstück zur Häufigkeitsdichte in der beschreibenden Statistik: Die Fläche
des Häufigkeitsdichte-Histogramms hat ebenfalls den Wert 1 (vgl. 2.1. Bsp. 7 ).
87
Statistik
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
Beispiel 19: Drehscheibe (stetiges Roulette)
x
X = Winkel des zum Stillstand gekommenen Zeigers
gegen Bezugsrichtung (Bogenmaß)
X   0, 2

Bei einer idealen Scheibe ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass X einen Wert im Intervall
 a, b    0, 2  annimmt, gleich dem Verhältnis der Intervall-Länge b  a  zur
Gesamtlänge 2 :
P( X  [a, b] )  (b  a) 
1
2
Für die Verteilungsfunktion F ( x)  P( X  x) ergibt sich damit
für
x0
für
0  x  2
für
2  x
1
2
für
0  x  2
0
sonst
 0

 x
F ( x)  
 2
 1

Die Funktion


f ( x)  


bezeichnet man als Dichtefunktion oder kurz Dichte der Zufallsvariablen X.
Zwischen F (x) und f (x) besteht offenbar die Beziehung
x
F ( x)  
0
1
du
2
für x  [0,2 ] ,
die man wegen f ( x)  0 für x  [0,2 ] allgemeiner schreiben kann in der Form
x
F ( x) 
 f (u )du
x  IR

1
F (x )
1
2
x
x
2
2
88
Statistik
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
Aus der Definition (37) der Verteilungsfunktion folgt die wohl wichtigste Formel zur
Berechnung von Wahrscheinlichkeiten bei gegebenem F (x) bzw. f (x) :
P(a  X  b)  P( X  b)  P( X  a )
(40)
P ( a  X  b)  F ( b)  F ( a ) 
b
 f ( x)dx
a
Die Wahrscheinlichkeit für das Ereignis a  X  b ist
-
die Fläche unter der Dichtekurve zwischen x  a und x  b
-
der Zuwachs der Verteilungsfunktion zwischen x  a und x  b .
Dichtekurve und Intervallwahrscheinlichkeiten:
P(a  X  b)  F (b)  F (a)
F ( x0 )
P ( x  c )  1  F (c )
xo
a
c
b
x
Wahrscheinlichkeiten bei stetigen Zufallsvariablen lassen sich entsprechend der Skizze als
Flächen darstellen. Es ist deshalb auch nur sinnvoll, nach Intervallwahrscheinlichkeiten zu
fragen. Für jeden einzelnen Wert x 0 ergibt sich die „Punktwahrscheinlichkeit“ P( X  x0 )  0 .
Aus diesem Grund kann man bei der Berechnung von Wahrscheinlichkeiten Intervallgrenzen
hinzunehmen oder weglassen, ohne dass sich die entsprechende Wahrscheinlichkeit ändert;
für stetige Zufallsvariablen gelten also (im Unterschied zu diskreten Zufallsvariablen)
folgende Beziehungen:
(41)
P ( a  X  b)  P ( a  X  b)  P ( a  X  b)  P ( a  X  b)
F ( x )  P( X  x )  P( X  x )
Fortsetzung zu Beispiel 19:
3
stehen bleibt:
4
2

3
3

3 1
1
P(  X  )  F ( )  F ( )   
2
4
4
2
8 4
8
Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Zeiger zwischen
89

und
Statistik
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
Durch Angabe einer Verteilungsfunktion F (x) oder einer Dichtefunktion f (x) ist eine
stetige Zufallsvariable eindeutig bestimmt. Die wesentlichen Eigenschaften dieser Funktion
sind
(42)
(43)
Verteilung sfunktion
Dichte










F ( x ) stetig, monoton nichtfalle nd
F (  )  0
F (  )  1
f ( x)  0

 f ( x ) dx
1

Erwartungswert und Varianz einer stetigen Zufallsvariablen sind analog zum diskreten Fall
definiert; das Summenzeichen wird durch ein Integral ersetzt:
(44)
diskrete ZV
stetige ZV
E( X )   :
 xi  f ( xi )
 x  f ( x) dx
E[ g ( X )] :
 g ( xi )  f ( xi )
 g ( x)  f ( x) dx
E[ X 2 ] :
2
 xi  f ( xi )
2
 x  f ( x) dx
Var ( X )   2 :
2
 ( xi   )  f ( xi )
2
 ( x   )  f ( x) dx
Für die Varianz gilt in beiden Fällen der Verschiebungssatz
(45)
Var ( X )  E ( X 2 )  [ E ( X )]2  E ( X 2 )   2
90
Statistik
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
4.5. Eigenschaften von Erwartungswert und Varianz
4.5.1. Lineare Transformationen
Bei Änderung von Skalen, z.B. Celsius in Fahrenheit…
Für eine lineare Transformation Y  a  X  b mit a, b  R einer Zufallsvariable X gilt
E ( a  X  b)  a  E ( X )  b
(46)
Var( a  X  b)  a 2 Var( X )
Beweis: (am Modell diskreter Zufallsvariablen)
E ( aX  b)   ( a  xi  b)  f ( xi )  a   xi  f ( xi )  b   f ( xi )





Var(aX  b)   (axi  b  [a  b]) f ( xi )  a
2
1
2
(x  ) f (x ) 




2
i
i

2
 a Var( X )
2
Definition: Die Zufallsvariable
Z
(47)
X 

heißt standardisierte (normierte) Zufallsvariable.
Wegen der Eigenschaften (46) gilt:
(48)
E(Z ) 
1

E( X ) 

1
 0 , Var( Z )  2 Var( X )  1


4.5.2. Summe von Zufallsvariablen
X und Y seien zwei stochastisch unabhängige Zufallsvariable; f ( x ) und g ( y )
ihre Wahrscheinlichkeitsfunktionen. Dann gilt:
P ( X  xi , Y  y j )  f ( xi )  g ( y j )
Für Erwartungswert und Varianz gilt dann
(49)
E ( X  Y )  E ( X )  E (Y )
Var( X  Y )  Var( X )  Var(Y )
91
Statistik
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
Beispiel 20:
a) Werfen eines Würfels:
x
:1 2 3 4 5 6 
X : i

1
 f ( xi ) : ..... 6 ..... 
6
6
i 1
i 1
1
6
  E ( X )   xi  f ( xi )   i  
6
1
6
7
2
 2  Var ( X )   i 2   ( ) 2 
i 1
7
 3,5
2
35
12
b) (Gleichzeitiges) Werfen von n Würfeln:
S n : „Augensumme der n Würfel (Summe von n unabhängigen Zufallsvariablen X)
7
35
 n  E (S n )  n  E ( X )  n 
, Var ( S n )  n 
2
12
c) Mittlere Augenzahl bei n Würfeln:
X
1
Sn :
n
E( X ) 
1
1
7 7
E (S n )   n  
n
n
2 2
92
2
1 35
1
, Var ( X )    Var ( S n )  
n 12
n
Statistik
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
4.6. Normalverteilung
4.6.1. Dichte und Verteilungsfunktion der Normalverteilung
Bei vielen Verteilungen häufen sich die Werte in der Nähe des Mittelwertes. Die zugehörigen
Dichtekurven haben einen höchsten Punkt und nehmen nach rechts und links hin monoton ab.
Häufig sind diese Kurven symmetrische Glockenkurven. Theoretische Untersuchungen
zeigen, dass die Dichten vieler praktisch wichtiger Zufallsvariablen hinreichend genau durch
einen ganz bestimmten Glockenkurven-Typ beschrieben werden können, die sogenannte
Gaußsche Glockenkurve der Normalverteilung.
Definition 1: Dichte der Normalverteilung
a) Die Zufallsvariable X heißt normalverteilt mit Mittelwert  und Varianz  2 , wenn
für ihre Dichte gilt

1
f ( x) 
e
2 
(50)
( x   )2
... N (  ;  2 )  Verteilung
2 2
b) Die Zufallsvariable Z mit der Dichtefunktion
z2
(51)
1 2
 ( z) 
e
2
... N ( 0 ; 1)  Verteilung
ist normalverteilt mit Mittelwert   0 und Varianz  2  1 .
Die N ( 0; 1 )  Verteilung heißt Standard-Normalverteilung.
Die zugehörigen Kurven y  f (x) nach (50) haben folgende Eigenschaften:

symmetrisch zur Geraden x  

Maximum (  /

Wendepunkte bei x1, 2    

Horizontale Asymptote ... x-Achse

  Verschiebung längs x-Achse

  Streckung bzw. Stauchung der Dichtekurve
1
2 
)
Je kleiner  , desto größer ist das Maximum und desto rascher fällt die Dichtekurve
nach beiden Seiten hin ab.
93
Statistik

4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
Fläche unter der Dichtekurve ist 1
_
  0,5
1
2
_
 1
 2
-2
0
2
4
8
6
x
10
Dichtekurven der Normalverteilung für   4 und verschiedene Werte von 
Zur Berechnung von Wahrscheinlichkeiten mit Gleichung (40) benötigt man Verteilungsfunktionen.
Definition 2: Verteilungsfunktion der Normalverteilung
a) Die N ( ; 2 )  verteilte Zufallsvariable X besitzt die Verteilungsfunktion
(52)
x

F ( x )  P( X  x ) 
f (u) du 

1
2 

x

e
(u   )2
2 2
du

b) Die N ( 0; 1 )  verteilte Zufallsvariable Z besitzt die Verteilungsfunktion
(53)
 ( z )  P( Z  z ) 
z
  (t ) dt

94

1
2
z


e

t2
2
dt
Statistik
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
Die Integrale in (52) und (53) sind nicht geschlossen integrierbar: es gibt im Bereich der
elementaren Funktionen keine Stammfunktion von f (x) bzw.  (z ) ! Man muss deshalb
neue Funktionen definieren bzw. Werte der Verteilungsfunktionen in Tabellenform
bereitstellen.
Mit Hilfe der Substitution
(54)
t 
u






, du   dt
u  

ux

t  
x
t

geht (52) über in
x
(55)
F ( x) 
1
2



e

t2
2
x
dt   

  
Damit lassen sich alle Wahrscheinlichkeitsberechnungen für normalverteilte Zufallsvariable
zurückführen auf Berechnungen für die standardisierte N ( 0; 1 )  Verteilung.
Verteilungsfunktion der N ( 0 ; 1)  Verteilung
 (z )
z
95
Statistik
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
Für die Wahrscheinlichkeit, dass eine N (  ;  2 )  verteilte Zufallsvariable X Werte annimmt
zwischen a und b ergibt sich mit (55)
(56)
b 
a 
P ( a  X  b)  F ( b)  F ( a )   
  

  
  
Insbesondere gilt (  Tabelle zur NV im Anhang)
P(     X     )
a)
  (1)   (1)
 0,8413  0,1587
 0,6826
b) P(   2  X    2 )   (2)   (2)  0,9772  0,0228  0,9544
P(   3  X    3 )
c)
  (3)   (3)
 0,9987  0,0013  0,9974
Anders formuliert: Bei normalverteilten Zufallsvariablen liegen
a) etwa 2/3 aller Werte zwischen    und   
b) etwa 95% aller Werte zwischen   2 und   2
  Regeln der NV
c) etwa 99,7% aller Werte zwischen   3 und   3
Bemerkungen:
1) Wegen der Symmetrie der Dichtefunktion  (z ) ist  (z ) häufig nur tabelliert
für z  0 ; dann ist folgende Beziehung nützlich
(57)
( z)  1  ( z)
2) Anstelle der Funktion  (z ) ist oft tabelliert die Funktion
(58)
* ( z ) 
1
2
z

e

t2
2
dt
0
Zwischen  und  * besteht offensichtlich wegen der Symmetrie der Normalverteilung
der Zusammenhang
(59)
 ( z )  * ( z ) 
1
2
96
Statistik
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
Sigma-Regeln der Normalverteilung
  3
 

  2   

  2
  3
2
3
 95%
 99,7%
Veranschaulichung zu (57) - (59)
*z)
 (z)
z
 (-z)
>
1 (z)
-z
z
97
>
z
>
Statistik
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
Beispiel 21:
Intervall-Wahrscheinlichkeiten bei gegebenen Grenzen
X1 sei N ( 0 ; 1)  verteilt , d.h. normalverteilt mit   0 und  2  1 ;
X2 sei N ( 0,8 ; 4 )  verteilt , d.h. normalverteilt mit   0,8 und  2  4
Bestimmen Sie für i  1, 2 folgende Wahrscheinlichkeiten:
a) P( X i  2,44)
b) P( X i  1,16)
c) P( X i  1)
d) P(2  X i  10)
Lösung (mit Tabelle):
P( X 1  2,44)   (2,44)  0,9927
a)
 2,44  0,8 
P( X 2  2,44)   
   (0,82)  0,7939
2


P( X 1  1,16)   (1,16)  0,1230
b)
oder mit (46) ...  1   (1,16)  1  0,8770  0,1230
  1,16  0,8 
P( X 2  1,16)   
   (0,98)  0,1635
2


P( X 1  1)  1   (1)   (1)  0,1587
c)
 1  0,8 
P( X 2  1)  1   
  1   (0,1)  0,4602
 2 
P(2  X 1  10)   (10)   (2)  1  0,97725  0,02275
d)
 10  0,8 
 2  0,8 
P(2  X 2  10)   
 
   (4,6)   (0,6)  0,2743
 2 
 2 
98
Statistik
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
Beispiel 22:
Grenzen bestimmen zu vorgegebenen Wahrscheinlichkeiten
X sei normalverteilt mit   2 und  2  0,25 . Bestimmen Sie c so , dass gilt
a)
P( X  c)  0,2
b) P(2  c  X  2  c)  0,9
Lösung (mit Tabelle):
c  2 !
P( X  c)  1  P( X  c)  1   
  0,2
 0,5 
a)
z ( ) Tab.
  (2c  4)  0,8

2c  4  0,842  c  1,579
!
  2  c  2
  2  c  2
 
   (2c)   (2c)  D(2c)  0,9
0,5
0,5





b)
z ( D ) Tab.

2c  1,645

c  0,8225
4.6.2. Eigenschaften normalverteilter Zufallsvariabler
a) Die Normalverteilung ist eine zweiparametrige Verteilung: sind Mittelwert und Varianz
gegeben, so ist die Verteilung vollständig bestimmt:  gibt die Lage,  2 die Form der
Verteilung an. Bestehen Gründe zur Vermutung, dass ein Merkmal normalverteilt ist, so
wählt man als Schätzweret für  und  2 den arithmetischen Mittelwert x und die
empirische Varianz s
b) Satz 1:
2
(s. Abschnitte 2.1. / 5.3) :
  x;
 2  s2
Jede lineare Funktion einer normalverteilten Zufallsvariablen ist
normalverteilt:
X : N (  ; 2 )
Satz 2:

Y  aX  b :
N ( a  b; a 2 2 )
Die Summe normalverteilter Zufallsvariabler ist normalverteilt:


2
X 2 : N ( 2 ; 2 )  

unabhängig

X 1 : N ( 1 ;  1 )
2
99
Z  X 1  X 2 : N( 1   2 ;  1   2 )
2
2
Statistik
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
4.6.3. Grenzwertsätze
Satz von de Moivre-Laplace
Die Diagramme auf Seite 79 zeigen, dass sich die Binomialverteilung mit wachsendem n
immer mehr einer symmetrischen glockenförmigen Verteilung nähert; diese Eigenschaft der
Binomialverteilung findet ihren Ausdruck im Satz von de Moivre-Laplace.
Die Verteilung der Zufallsvariable
X n = Anzahl der Erfolge bei n Versuchen mit
 E ( X n )    np

 Var ( X n )   2  npq
ist zum Vergleich mit anderen Verteilungen nur schlecht geeignet, da  und  2 linear mit n
wachsen. Man geht deshalb über zur zugehörigen standardisierten Zufallsvariablen
Xn 
*
Xn  

X  np
 n
npq
mit
 E(X n* )  0

 Var( X n* )  1
Für ihre Verteilungsfunktion Fn * ( x)  P( X n *  x) gilt der Grenzwertsatz von de MoivreLaplace
lim Fn ( x ) 
*
n 
n 
1
2
x

e

t2
2
dt  ( x )

Die Verteilungsfunktion der standardisierten Binomialverteilung nähert sich für
n   der N ( 0 ; 1 )  Verteilung.
Zentraler Grenzwertsatz
( X 1 , X 2 , X 3 ...) sei eine Folge von unabhängigen Zufallsvariablen mit Erwartungswerten  i
und Varianzen  i . Durch fortgesetzte Addition der Zufallsvariablen Xi lässt sich eine neue
Folge ( S1 , S 2 , S 3 ...) von Zufallsvariablen bilden:
2
n
Sn   X i
i 1
n
mit
E ( Sn )     i
i 1
n
, Var( Sn )   2    i
2
i 1
Der zentrale Grenzwertsatz besagt, dass die Summe von unabhängigen Zufallsvariablen
angenähert normalverteilt ist, wenn die Zahl der Summanden hinreichend groß ist;
genauer gilt:
Die Folge der Verteilungsfunktionen der standardisierten Zufallsvariablen
konvergiert gegen die N ( 0 ; 1 )  Verteilungsfunktion
100
Sn  

Statistik
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
Bemerkungen:
1) Der zentrale Grenzwertsatz erklärt, warum viele Zufallsvariable normalverteilt oder
näherungsweise normalverteilt sind:
Normalverteilung kann angenommen werden, wenn sich viele unabhängig voneinander
wirkende zufällige Einflussgrößen additiv zur betrachteten Zufallsvariable überlagern.
2) Mit ähnlichen Überlegungen lässt sich aus dem zentralen Grenzwertsatz auch das
Gaußsche Fehlergesetz begründen: Gauß zeigte, dass Messungen einer Größe, die mit
Zufallsfehlern behaftet sind, um den Mittelwert der Beobachtungen normalverteilt sind;
die Parameter  und  2 dieser Normalverteilung müssen dabei in der Praxis aus den
Messwerten geschätzt werden durch den arithmetischen Mittelwert und die empirische
Varianz.
4.6.4. Annäherung der Binomialverteilung durch die Normalverteilung
Für große Werte von n lässt sich die Binomialverteilung der Zufallsvariablen Xn nach dem
Grenzwertsatz von de Moivre-Laplace annähern durch eine Normalverteilung mit
2
Erwartungswert   n  p und Varianz   n  p  q ; q  1  p (vgl. dazu die Diagramme
auf Seite 79 und den Abschnitt 4.5.2).
Für die näherungsweise Berechnung von Binomial-Wahrscheinlichkeiten erhält man damit:
Für 0  k1  k2  n mit ganzen Zahlen k , k gilt
1
P(k1  X n  k2 ) 
(60)
mit

k2

k  k1
k1  n p  0,5
;
n pq
2
f B ( k ; n; p )  (  )  ( )

k2  n p  0,5
n pq
Zur Erläuterung von (60), vor allem zur Begründung der Grenzen  und  , kann man das
Histogramm einer Binomialverteilung betrachten. Ersetzt man das Stabdiagramm, bei dem
über den möglichen ganzzahligen Werten k  0 , 1, . . . n jeweils die Wahrscheinlichkeit
f (k ) aufgetragen wird, durch ein Histogramm, bei dem über den Intervallen
B
101
Statistik
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
k  0,5  x  k  0,5 Rechtecke der Höhe f (k ) aufgetragen werden, dann ist die Fläche
B
des über k bzw. über k  0,5  x  k  0,5 liegenden Rechtecks gleich der Wahrscheinlichkeit P( X  k )  f (k ).
n
B
BV: n = 10; p = 0,5
0
1
2
3
5
4
7
6
8
9
10
*
Bezeichnet man die Histogramm-Treppenfunktion mit f B (x ) , dann gelten offensichtlich die
Beziehungen
(61)
k  0, 5
*
 f B ( x) dx
P( X n  k )  f B ( k ) 
k  0, 5
(62)
P(k1  X n  k 2 ) 
k 2  0, 5
*
 f B ( x) dx
k1  0,5
*
Nach dem Satz von de Moivre-Laplace kann man f B (x ) annähern durch die Dichte der
Normalverteilung mit   n p und 
(63)
P(k1  X n  k2 ) 
2
 n p q : aus (62) folgt also
k 2  0, 5
1
2  n p q
Mit Hilfe der Standardsubstitution z 
x

Näherungsformel (60).
102

k1  0,5

( x  n p)2
exp( 
) dx
2n p q
xn p
folgt daraus aber sofort die
n pq
Statistik
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
Die Näherung (60) ist brauchbar für
d.h.  B  3 ,
n pq  9
(64)
ihr Vorteil gegenüber den unhandlichen Ausdrücken der Binomialverteilung für große n
leuchtet unmittelbar ein.
Beispiel 23
Bestimmen Sie die Wahrscheinlichkeit für mindestens 4 und höchstens 6 Wappen bei 10
Münzwürfen
a) exakt
b) näherungsweise mit Normalverteilung
Lösung:
a) Binomial-Verteilung mit n = 10, p = 0,5
10  10  10   1 10
P(4  X  6)  f (4)  f (5)  f (6)             
B
B
B
 4   5   6   2 
210  252  210 672


 0,65625
1024
1024
b) Näherung mit de Moivre-Laplace-Grenzwertsatz (60)
P(4  X  6)   (
6,5  5
2,5
)  (
3,5  5
2,5
)   (0,95)   (0,95) 
Tabelle
 D(0,95)

0,6579
Bemerkung: Die Übereinstimmung ist trotz n p q  2,5  9 recht gut, da wegen p  0,5
eine symmetrische Verteilung vorliegt (s. Histogramm auf Seite 79).
103
Statistik
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
4.7. Weitere stetige Zufallsvariablen
Eine Zufallsvariable X heißt gleichmäßig verteilt über dem Intervall a  x  b , wenn sie
die Dichtefunktion bzw. Verteilungsfunktion
(65)
 0
 xa
für a  x  b
; F ( x)  
 ba
sonst
 1
1


f ( x)   b  a

 0
für
xa
für
a xb
für
xb
besitzt (vgl. Beispiel 14 Seite 37). Für Erwartungswert und Varianz erhält man
Gl 
(66)
ab
;
2
2
 Gl

(b  a ) 2
12
1
1
ba
x
a
b
x
a
b
Eine Zufallsvariable X heißt exponentialverteilt mit dem Parameter   0 , wenn sie die
Dichtefunktion bzw. Verteilungsfunktion
(67)
   e  x
f ( x)  
 0
für x  0
sonst
 1  e  x
; F ( x)  
 0
für x  0
sonst
besitzt. Für Erwartungswert und Varianz erhält man
(68)
E 
1

;
 E2 
1
2
F(x)

1
f (x)
x
x
Anwendungen der Exponentialverteilung: Zufällige Zeitdauer
- eines Telefongesprächs
- zwischen zwei aufeinanderfolgenden Anrufen in einer Telefonzentrale
- bis zum Ausfall von Bauelementen (Lebensdauerprobleme)
- für die Durchführung von Wartungs- oder Instandhaltungsmaß
104
Statistik
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
Beispiel 24 Parameter der Rechteckverteilung

1
1 b
1 1 2
ab
2
   x  f ( x) dx   x 
dx 
x dx 
 (b  a ) 

ba
ba a
ba 2
2

a

2

b


2
( x   )  f ( x) dx 

1 b a
3 ba

2
 x  f ( x) dx  
2


3


3

1 b 2
2
x dx   

ba a
1
1 2
1
2
2
2
(a  b)  (b  ab  a )  (a  b) 
4
3
4
1 2
(b  a )
2
(b  2ab  a ) 
12
12
2
 
;
ba
12
Beispiel 25
Zur Reparatur eines elektrischen Gerätes werden im Durchschnitt 2 Stunden benötigt. Wie
groß ist (bei Annahme einer zugrundeliegenden Exponentialverteilung) die Wahrscheinlichkeit dafür, dass zur Reparatur eines beliebigen Gerätes mindestens 3 Stunden aufgewendet
werden müssen?
Lösung:
Die Zufallsgröße X = zufällige Reparaturzeit gemessen in h unterliegt einer Exponentialverteilung mit dem Parameter  
1 1
2  h 
( Erwartungswert  
 P( X  3)  1  P( X  3)  1  F (3)
E
0,53 
1,5
 1  1  e
 0,2231
  e


105
1

 
1

)
Statistik
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
4.8. Aufgaben
1. In einer Schachtel liegen 4 rote und 6 schwarze Kugeln. Zwei davon werden gezogen
a) mit Zurücklegen
b) ohne Zurücklegen
Ermitteln Sie in beiden Fällen die Wahrscheinlichkeitsfunktion f (x) für die
Zufallsvariable „X = Anzahl der gezogenen schwarzen Kugeln“.
2. Bestimmen Sie die Wahrscheinlichkeitsfunktion (Wahrscheinlichkeitstabelle) der
diskreten Zufallsvariablen „X = Augensumme zweier idealer Würfel“.
Skizzieren Sie das zugehörige Stabdiagramm und berechnen Sie Erwartungswert und Varianz.
3. Bei einem Spiel mit zwei Würfeln erhält man bei einem Einsatz von 0,40 Euro als Gewinn
1 Euro für die Augensumme 10, 2 Euro für die Augensumme 11 und 3 Euro für die
Augensumme 12; in den übrigen Fällen erhält man keinen Gewinn. Wie groß ist der
Erwartungswert des Reingewinnes?
4. a) Eine ideale Münze wird fünfmal geworfen. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dafür,
dass genau dreimal Wappen erscheint?
b) Durch Beobachtungen über einen längeren Zeitraum stellte man fest, dass von 1000
Neugeborenen im Mittel 515 Knaben sind. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dafür,
dass in einer Familie mit 6 Kindern mindestens 4 Knaben sind?
c) Von 1000 Werkstücken einer Produktionsreihe seien im Mittel 920 fehlerfrei. Wie
groß ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass in einer Stichprobe von 10 Werkstücken
mindestens 9 fehlerfrei sind?
5. Auf ein Ziel werden 8 Schüsse abgegeben; die Trefferwahrscheinlichkeit bei einem
Schuss sei 0,3. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit für
a) höchstens 4 Treffer
b) mindestens 3 Treffer
c) mindestens 1 Treffer
d) mindestens 3 und höchstens 4 Treffer?
Gewinnwahrscheinlichkeiten beim Lotto „6 aus 49“
6.
Wie groß sind die Wahrscheinlichkeiten für 6, 5, 4, 3, 2, 1, 0 – Richtige?
7.a) Gegeben ist ein System aus 4 gleichartigen voneinander unabhängigen Komponenten,
das genau dann funktionsfähig ist, wenn mindestens 3 der Komponenten intakt sind; die
Zuverlässigkeit jeder Komponente sei p. Wie groß ist die Funktionswahrscheinlichkeit
dieses „3 aus 4 – Systems“?
b) Vergleichen Sie die Wahrscheinlichkeit aus a) mit der Zuverlässigkeit eines Systems aus
3 in Reihe geschalteten Komponenten für p = 0,99 .
c) Geben Sie eine allgemeine Formel an für die Zuverlässigkeit eines „m aus n – Systems“
mit Komponentenzuverlässigkeit p.
106
Statistik
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
8. Fünf Arbeiter, die unabhängig voneinander arbeiten, benötigen Strom, und zwar jeweils
im Mittel etwa 12 Minuten pro Stunde. Genügt es, die Stromversorgung so einzurichten,
dass 3 Arbeiter gleichzeitig Strom entnehmen können oder entstehen erhebliche
Wartezeiten dadurch, dass mehr als 3 Arbeiter gleichzeitig Strom entnehmen wollen?
9.
Von 100 Personen ist durchschnittlich eine Person farbenblind.
a) Berechnen Sie die Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich unter 100 zufällig ausgewählten
Personen zwei oder mehr farbenblinde Personen befinden.
b) Wie viele Personen müssen zufällig ausgewählt werden, damit sich mit einer
Wahrscheinlichkeit von mindestens 95% mindestens eine farbenblinde Person unter
ihnen befindet?
10.
Tote durch Hufschlag in der preußischen Armee im Zeitraum 1875 – 1894 (Zahlen nach
v. Bortkiewicz)
Untersuchungen an 10 preußischen Kavallerieregimentern während 20 Jahren ergaben
folgende Tabelle ( z(k) = Anzahl der Regimenter mit k Toten durch Hufschlag pro Jahr )
k
z(k)
0
109
1
65
2
22
3
3
4
1
5
0
Zeigen Sie, dass angenähert eine Poisson-Verteilung vorliegt.
11. Auf einer stark befahrenen Straße werden in 2 Stunden 10 080 Fahrzeuge gezählt. Die
Voraussetzungen für Poisson- und Exponentialverteilung seien erfüllt.
a) Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass
- in 3 sec kein Fahrzeug
- in 3 sec mindestens 6 Fahrzeuge
- in 6 sec genau 4 Fahrzeuge
in 6 sec höchstens 10 Fahrzeuge
vorüber fahren?
b) Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass bis zum Vorüberfahren des nächsten
Fahrzeugs
- höchstens 1 sec
- höchstens 2 sec
- mindestens 0,5 sec vergehen?
12. Ein Automat stellt Bolzen her, deren Durchmesser D normalverteilt ist mit  = 15 mm und
 = 0,25 mm. Bolzen mit 14,5 mm  D  15,3 mm werden als maßgerecht betrachtet;
Bolzen mit D 15,3 mm werden nachgearbeitet, Bolzen mit D  14,5 mm sind Ausschuss.
Wie viel Prozent der Bolzen
a) sind maßgerecht,
b) können nachgearbeitet werden,
c) sind Ausschuss?
107
Statistik
4. Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung
13. Eine Metallhobelmaschine stellt Platten der Dicke X her. X sei normalverteilt und habe
bei einer bestimmten Maschineneinstellung die Werte  = 10 mm und  = 0,02 mm.
a) Wieviel Prozent Ausschuss ist zu erwarten, falls die Platten
a1) mindestens 9,97 mm stark sein sollen,
a2) höchstens 10,05 mm stark sein dürfen,
a3) um höchstens  0,03 mm vom Sollwert 10 mm abweichen dürfen?
b) Wie muss man die Toleranzgrenze 10 – c und 10 + c wählen, damit man nicht mehr
als 5% Ausschuss erhält?
c) Wie ändert sich der Ausschussanteil für die in b) bestimmte Größe c, wenn sich der
Mittelwert  infolge Abnützung des Hobelstrahls nach 10,01 mm verschiebt?
 x
14.
Zeigen Sie, dass
   e
f ( x)  

0
für x  0
Dichtefunktion einer stetigen
sonst
Zufallsvariablen ist (Exponentialverteilung).
Berechnen und skizzieren Sie die zugehörige Verteilungsfunktion. Wie groß sind
Erwartungswert und Varianz? Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit P (1  X  2) ?
 x

15. Gegeben ist die Funktion f (x)   x  2
 0

für
0  x 1
für
sonst
1 x  2
a) Zeigen Sie, dass f (x) die Eigenschaften einer Dichtefunktion besitzt. Skizze!
b) Bestimmen und skizzieren Sie die zugehörige Verteilungsfunktion F (x).
2
c) Wie groß sind Erwartungswert  und Varianz  ?
d) Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit für „X < 0,5“ ?
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