Segelpädagogik für schwierigste Jugendliche –

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Segelpädagogik für schwierigste Jugendliche –
Ein Auslaufmodell?
Längerfristige Segelprojekte mit jungen Menschen in
psychosozialen Notlagen vor dem Hintergrund pädagogischer,
gesellschaftlich-politischer und finanzieller Aspekte
Diplomarbeit zur Diplomprüfung an der Fachhochschule Münster,
Fachbereich Sozialwesen
vorgelegt am 14. Mai 2002
von Mark Huhnen
Studiengang Sozialpädagogik
Betreuer: Herr Dr. rer. soc; Dipl.-Päd. Frevel
Zweitprüfer: Herr Prof.Dr.rer.soc. Doehlemann
1
Gliederung und Inhalt
1. Einleitung: Zwei Beobachtungen aus zwei Praktika ........................................... 4
2. Eingrenzung des Problemfeldes: Längerfristige Segelprojekte mit jungen
Menschen in psycho-sozialen Notlagen .............................................................. 6
2.1 Terminologische Fragen ................................................................................ 6
2.2 Fragestellung und Arbeitshypothesen ......................................................... 11
2.3 Wie werden die Arbeitshypothesen geprüft?............................................... 15
2.4 Mitglieder mit Segelprojekten im „Bundesverband Erlebnispädagogik e.V.“
(BE) – Indiz für die Entwicklung des Umfangs ........................................ 17
3. Pädagogische Aspekte ....................................................................................... 19
3.1 Grundsätzliches: Wie soll die Wirksamkeit oder der Erfolg pädagogischer
Maßnahmen festgestellt werden? ................................................................ 19
3.2 Zeit und Raum auf Segelschiffen: Die Besonderheiten eines Mediums ..... 21
3.3 Was kann an Bord gelernt werden? – Mögliche Erziehungsziele ............... 25
3.4 Alle in einem Boot! – Symmetrie vs. „Totale Institution“ , Hierarchie und
Demokratie an Bord..................................................................................... 28
3.5 Und dann wieder zuhause... Die Transferproblematik ................................ 32
3.6 Segelpädagogik oder Segeltherapie? ........................................................... 34
3.7 Sinn oder Unsinn, das ist hier die Frage – Einschätzungen des
pädagogischen Erfolgs ................................................................................. 36
3.8 Andere Konzepte für junge Menschen in psychosozialen Notlagen ........... 39
3.9 Für wen ist nun was sinnvoll? – Zielgruppe(n) I ......................................... 40
4. Gesellschaftliche und politische Aspekte .......................................................... 42
4.1 „Finales Rettungskonzept“ und „Soziale Verklappung“ ............................. 42
4.2 Rechtliche Grundlagen ................................................................................ 44
4.3 Gibt es noch „genügend“ junge Menschen in psychosozialen Notlagen, für
die längerfristige Segelprojekte sinnvoll sind? – Zielgruppe(n) II .............. 47
4.4 Wahrnehmung in der Öffentlichkeit ............................................................ 51
4.5 Pädagogik in Abhängigkeit von Gesellschaft und Politik ........................... 57
4.6 Die Verwaltung junger Menschen – Jugendämter und „Neue Steuerung“ . 61
5. Finanzielle Aspekte ........................................................................................... 63
5.1 Weniger zur Verfügung stehende Finanzen bei den öffentlichen Trägern? 63
5.2 Freier Träger – Leistungsberechtigter – Träger der öffentlichen
Jugendhilfe................................................................................................... 65
5.3 Betriebswirtschaftliche Überlegungen des freien Trägers........................... 67
5.4 Was ist teurer, Segeln oder „Knast“? .......................................................... 70
6. Rückblick und Ausblick .................................................................................... 73
6.1 Zurück zu den Arbeitshypothesen ............................................................... 73
6.2 Woran lag es nun? – Noch einmal die „Macher“ ........................................ 76
6.3 Warum es immer weniger längerfristige Segelprojekte für junge Menschen
in psychosozialen Notlagen gibt – eine vorläufige Antwort und ihr Wert 78
6.4 Was nun? ..................................................................................................... 79
2
Anhang I: Quellenverzeichnis ............................................................................... 80
I.1 Veröffentlichte Quellen ................................................................................ 80
I.2 Unveröffentlichte Quellen ............................................................................ 86
Anhang II: Prüfungsarbeiten zu Segelprojekten .................................................... 88
Anhang III: Fälle in der Jugendhilfestatistik ......................................................... 92
III.1 Tabelle 3: Vergleich von begonnenen und beendeten Hilfen nach § 34
(unter besonderer Berücksichtigung der Wohnform Heim) und §35 KJHG zum
jeweiligen Bestand am Jahresende (1991-1998) ............................................... 92
III.2 Tabelle 4: Bestände in der Wohnform Heim nach Altersklassen jeweils
zum 31.12. eines Jahres (1991-1998) ................................................................ 93
III.3 Tabelle 5: Bestände in Intensiver sozialpädagogischer Einzelbetreuung
nach Altersklassen jeweils zum 31.12. eines Jahres (1991-1998) ..................... 94
Anhang IV: Im weiteren Sinne zum Thema gehörige Presseartikel ..................... 95
Anhang V: Weitere Tabellen ............................................................................... 109
V.1 Tabelle 6: Gesamtpreisindex der Lebenshaltung aller privaten Haushalte in
der BRDeutschland (1991-1998) ..................................................................... 109
V.2 Tabelle 7: Ausgaben der Jugendämter für Leistungen nach § 34 KJHG
(Heime, sonstige betreute Wohnform) in tausend DM (1992-1998)............... 109
Anhang VI: Modell angelehnt an die ANNA-CATHARINA ............................. 110
VI.1 Tabelle 8: Monatliche Ausgaben und Einnahmen .................................. 110
VI.2 Tabelle 9: Monatliches Ergebnis bei verschiedener Besetzung .............. 111
3
1. Einleitung: Zwei Beobachtungen aus zwei Praktika
Zwischen Ende Februar und Anfang April 2001 leistete ich mein Blockpraktikum
auf dem Schulschiff ANNA-CATHARINA, das von der Gesellschaft für Jugendund Familienhilfe e.V. (GJFH) betrieben wird, ab. Die ANNA-CATHARINA
fährt seit 1981 mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen zur See, seit
1989 von der GJFH getragen. Im Rahmen des Praktikums hörte ich meinen
Praxisanleiter Dipl.Päd. Thomas Piruzgar-Merkle hin und wieder sagen, es gebe
immer weniger solcher Schiffe, die längerfristige Projekte mit jungen
Außenseitern machen.
Im August und September 2001 leistete ich ein weiteres Praktikum auf einem
anderen Segelschiff ab. Diesmal segelte ich mit Jugendlichen und pädagogischem
Personal der Jugendwohngruppe der Flensburger Abteilung von „Sozialarbeit und
Segeln“ auf einem gerade erst für die Jugendarbeit zugelassenen alten Giekewer1
namens HANS VON WILSTER. HANS war damit nach langer Zeit, in der es nur
ein Segelschiff, die GALATEA VON BUXTEHUDE, bei „Sozialarbeit und
Segeln“ gab, wieder ein Segelschiff dieses Trägers, mit dem auch längerfristige
Projekte verbunden werden sollten. Bewohner aus der Wohngruppe sollten, bzw.
sollen während der Sommersaison an Bord als Stammbesatzung mitfahren, wenn
HANS für kürzere Freizeiten von anderen Gruppen gechartert wird.
Diese beiden Erfahrungen erschienen mir gegensätzlich, bzw. gegensätzliche
Tendenzen widerzuspiegeln. Das lässt sich aber möglicherweise dahingehend
auflösen, dass HANS „gegen den Strom“ fährt, also entgegen der allgemeinen
Tendenz. Oder vielleicht gibt es aber gar nicht immer weniger Segelschiffe, die
längerfristige Projekte mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen machen.
Was ist nun also die allgemeine Tendenz? Gibt es tatsächlich immer weniger
Segelprojekte mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen? Und wenn dies
so ist, warum ist es so?
Mit diesen Fragen, besonders mit der letzten, werde ich mich in dieser
Diplomarbeit beschäftigen. Um aber nicht von der Beantwortung der ersten Frage
abhängig zu sein, sollen evtl. auch unabhängig von einer Veränderung die
Bedingungen und der Hintergrund solcher Projekte untersucht werden.
Dazu werde ich zunächst das Problemfeld genauer eingrenzen, terminologische
Fragen versuchen zu klären, einen Hinweis geben, wie die allgemeine Tendenz
ist, die Frage des „Warum“ konkretisieren und dazu Arbeitshypothesen aufstellen,
die im weiteren Verlauf der Arbeit überprüft werden sollen.
1
Ein Giekewer ist ein Plattboden-Segelschiff mit einem Mast.
4
In dieser Arbeit werden auch immer wieder „die Macher“ solcher Projekte zu
Wort kommen, deswegen werde ich auch noch kurz auf die Technik des
Experteninterviews eingehen.
5
2. Eingrenzung des Problemfeldes: Längerfristige
Segelprojekte mit jungen Menschen in
psycho-sozialen Notlagen
2.1 Terminologische Fragen
Segeln kann als eine Angebotsform der Erlebnispädagogik verstanden werden,
bzw. das Segelboot oder das Segeln an sich als Medium, wenn nicht sogar als das
klassische Medium, für die (erlebnis)pädagogische Arbeit2. Der Streit, ob es sich
bei der Erlebnispädagogik um eine Teildisziplin der Erziehungswissenschaften
oder (lediglich) um eine handlungsorientierte Methode handelt3, ist dabei und
besonders für diese Arbeit unerheblich.
Der Einwand, dass der Begriff Erlebnispädagogik inhaltlich verkürzend wirken
könnte, da durch den Teilbegriff Erlebnis eine gewisse Einmaligkeit und Kürze
und damit Nichtübertragbarkeit in den Alltag nahegelegt wird, scheint da schon
wichtiger. Erlebnispädagogik und hier die Angebotsform Segeln ist aber zunächst
möglicherweise zu mehr in der Lage, als ein einmaliges Erlebnis zu verschaffen.
Zumindest soll für diese Arbeit diese schon vorweggenommene Einschränkung
vermieden werden und später noch genauer darauf eingegangen werden.
Hier sei noch angemerkt, dass für
„...Kurt Hahn (, der) [Ergänzung d.d.V.] häufig als ihr (, der Erlebnispädagogik –
d.V.) Vater bzw. Begründer genannt und ausgegeben wird, der aber weder Urheber
des Gedankens ist noch den Begriff der >>Erlebnispädagogik<< benutzte, sondern
den einer >>Erlebnistherapie<<.“ 4
das Entscheidende eines Erlebnisses für einen Lernerfolg, d.h. auch für eine
potentielle Übertragung, die Intensität und nicht die Dauer sei. Je intensiver ein
Erlebnis ist, desto höher sind die Chancen, dass die erinnerte Erfahrung in einem
späteren Augenblick hilfreich sein kann.5
Auch der nun eingeführte Begriff Segelpädagogik hat sicherlich seine Mängel.
Was soll Segelpädagogik heißen? Das Segeln gelehrt und gelernt wird? Diese
Fragen sind berechtigt, schließlich ist jede Lehr-Lern-Situation Pädagogik. Und
2
Vgl.: Galuske, Michael, Methoden der Sozialen Arbeit. Eine Einführung, Weinheim München
1998, S. 212f.
/ Vgl.: Heckmair, Bernd, Michl, Werner, Erleben und Lernen. Einstieg in die Erlebnispädagogik,
Neuwied, Kriftel, Berlin 31998, S. 171
3
Vgl.: Galuske, a.a.O., S. 207
4
Bauer, Hans G., Erlebnis- und Abenteuerpädagogik. Eine Literaturstudie, München 31987, S. 5 /
Vgl.: Reiners, Annette, Erlebnis und Pädagogik, München 1995, S. 15 / Vgl.: Antes, Wolfgang,
Erlebnispädagogik. Fundierte Methode oder aktuelle Mode?, Münster 1999, S.14 –in:
Jugendstiftung Baden-Württemberg (Hrsg.), Erlebnispädagogik. Theorie und Praxis in Aktion,
Münster 1999, (S. 11-24)
5
Vgl.: Reiners, Annette, Praktische Erlebnispädagogik. Neue Sammlung motivierender
Interaktionsspiele, München 1991, S. 2
6
dass Segeln erst gelernt werden muss, um es zu beherrschen, ist unstrittig. Es gäbe
also kein Segeln mehr, würde es nicht gelehrt und gelernt. Die im Titel dieser
Arbeit gestellte Frage wäre unsinnig und könnte sinnvoll nur noch lauten „Segeln
– ein Auslaufmodell?“.
Der Begriff Segelpädagogik soll deshalb bedeuten, dass, wie eben angedeutet,
Segeln, bzw. das Segelboot als Medium für eine pädagogische Situation, die über
das Segeln hinaus geht, herangezogen wird, dass also neben dem (rein
technischen) Segeln lernen und lehren andere Erziehungs- oder Bildungsziele im
Vordergrund stehen.
Nun deckt dieser Begriff der Segelpädagogik immer noch ein weitläufiges Feld
ab: Vom Teamtraining mit Managern bis zur Klassenfahrt auf dem IJsselmeer6.
Aus diesem Grund wird an dieser Stelle aus dem immer noch recht weitläufigen
Feld der Erlebnispädagogik auf Segelschiffen ein spezieller Bereich für diese
Arbeit herausgegriffen: Längerfristige Arbeit bzw. längerfristige Segelprojekte
mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen.
Dieser Bereich ist besonders interessant, weil er noch originär soziale Arbeit
darstellt. Bei den o.g. Teamtrainings für Manager und Segelfreizeiten für
„normale“ junge Menschen ist dies nur äußerst eingeschränkt der Fall. Von eben
diesen Teamtrainings und Segelfreizeiten sind längerfristige Projekte mit jungen
Menschen in psychosozialen Notlagen abzugrenzen: Durch Längerfristigkeit und
junge Menschen in psychosozialen Notlagen.
Längerfristigkeit impliziert eine mehr als oberflächliche soziale Beziehung
zwischen den jungen Menschen und dem pädagogischen Personal. Die jungen
Menschen werden dabei während eines Abschnitts ihres Lebens begleitet.
Als Orientierung kann § 35 des KJHG herangezogen werden, unter den eine
Ferienfreizeit selbst mit jungen Menschen, denen Hilfen zur Erziehung gewährt
wird und die in einer psychosozialen Notlage sind, gewiss nicht fallen würde.
Jedoch heißt es auch im § 35 KJHG: „...auf längere Zeit angelegt...“ 7, ohne dass
genauer konkretisiert wird.
Längerfristigkeit steht hier auch im Gegensatz zu „Outward Bound-Kursen“ mit
einer Kurslänge von 12 Tagen8. Wenn die Zeitspanne für erlebnispädagogische
Maßnahmen von einem Tag bis hin zu einem Jahr oder länger reicht 9, dann liegt
6
Bei Klassenfahrten auf dem IJsselmeer steht beispielsweise das einmalige Erlebnis durchaus mit
im Vordergrund.
7
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Kinder- und Jugendhilfe (Achtes
Buch Sozialgesetzbuch), Berlin 102000, S. 53
8
Vgl.: Jagenlauf, Michael, Wirkungsanalyse Outward Bound – Ein empirischer Beitrag zur
Wirklichkeit und Wirksamkeit der erlebnispädagogischen Kursangebote von Outward Bound
Deutschland, München 21994, S. 78 –in : Bedacht, Andreas u.a. (Hrsg.), Erlebnispädagogik:
Mode, Methode oder mehr?. Tagungsdokumentation des Forums Erlebnispädagogik, München
2
1994, S. 72-95
9
Reiners, 1995, a.a.O., S. 57
7
hier
der
Fokus
eher
bei
Zweiterem,
mindestens
aber
bei
10
„...Betreuungsarrangements von mehr als zwei Monaten Dauer.“
Diese Längerfristigkeit muss zunächst nicht der von Kurt Hahn geforderten oben
angedeuteten Intensität entgegen stehen bzw. sie ausschließen. Sie bietet
möglicherweise aber noch andere, darüber hinausgehende Möglichkeiten (und
Risiken). Dies wird später noch angesprochen.
Als junge Menschen können Menschen bezeichnet werden, die in der
Lebensphase der Jugend sind.
„Jugend
beginnt
mit
der
>>physiologischen
Revolution<<,
die
zur
Geschlechtsreife führt. Wann Jugend aufhört, ist eine Frage gesellschaftlicher und
persönlicher Definitionen. Gemeinhin gilt die Jugendzeit als beendet, wenn die
jungen Leute ökonomisch >>auf eigenen Beinen stehen<<, ein eigenes Domizil
haben, eine – der Absicht nach – lebenslange Verbindung (Ehe) eingehen und die
Verantwortung von Elternschaft auf sich nehmen und juristisch volljährig sind.“ 11
Diese soziologische Definition lässt sich nicht in Lebensjahre umrechnen.
Schließlich sind auch nicht alle Menschen gleich und bei gleichem Lebensalter
gleich erwachsen.
Juristisch betrachtet ist nach §7(2)Nr. 2 u. 3 KJHG „...Jugendlicher, wer 14, aber
noch nicht 18 Jahre alt ist, .. junger Volljähriger, wer 18, aber noch nicht 27 Jahre
alt ist“12.
Für diese Arbeit sollen – an die soziologische Definition angelehnt – Jugendliche
und junge Volljährige zusammengefasst werden zu „junge Menschen“.
Im alltagssprachlichen Gebrauch kann der Begriff „Jugendlicher“ schon häufig
ein Fehl- oder abweichendes Verhalten implizieren. In dieser – zunehmend älter
werdenden – Gesellschaft kommt dies zum Beispiel in Ausrufen, wie „Die Jugend
von heute“ oder in der statistischen Abgrenzung von „Jugendkriminalität“ zum
Ausdruck. Niemand redet von „Erwachsenenkriminalität“.
In solchen Zusammenhängen entsprechen Jugendliche damit paradoxerweise
nicht dem gesellschaftlichen Ideal der Jugendlichkeit, das z.B. zum Ausdruck
kommt in den Worten: „jung, dynamisch und erfolgreich“. In dieser Überhöhung
der Jugendlichkeit deutet sich ein zweites mögliches Missverständnis an:
Jugendlichen ginge es grundsätzlich schon so gut, dass ein Bedarf an Hilfe
unvorstellbar wird. Für etwas mehr Neutralität scheint da der Begriff „junger
Mensch“ zu sorgen, der nicht in dem Maße zu einer Zuschreibung positiver oder
negativer Eigenschaften führt.
10
Klawe, Willy, Bräuer, Wolfgang, Erlebnispädagogik zwischen Alltag und Alaska. Praxis und
Perspektiven der Erlebnispädagogik in den Hilfen zur Erziehung, Weinheim München 1998, S. 8
11
Doehlemann, Martin, Junge und ältere Menschen: Soziologie der Altersphasen, Neuwied Kriftel
Berlin 1994, S. 98 – in: Biermann, Benno u.a., Soziologie. Gesellschaftliche Probleme und
sozialberufliches Handeln, Neuwied Kriftel Berlin 1994, S. 95-120
12
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, a.a.O., S. 42
8
Auf diese Weise ist der Begriff des „devianten Jugendlichen“, als der ein
schwierigster Jugendlicher bezeichnet werden könnte, möglicherweise doppelt
etikettierend. Devianz bedeutet nämlich abweichendes Verhalten13.
„Als a. V. gilt jenes Verhalten von Individuen und Gruppen, das mit den als richtig
und erwünscht angesehenen Normen .. und Werten einer Gesellschaft nicht im
Einklang steht.“14
Die Definition eines abweichenden Verhaltens ist also gesellschaftsbedingt.
Natürlich ist Gesellschaft auch hierbei kein homogenes Gebilde. Was
abweichendes Verhalten ist, wird von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen
sehr unterschiedlich definiert und anderen Gruppen zugeschrieben. Trotzdem gibt
es einen mehr oder minder klaren Mainstream. Je weiter entfernt davon und je
seltener Verhaltensweisen auftreten, desto stärker werden sie als abweichend
wahrgenommen. Gerade auf junge Menschen bezogen steigt also die
Wahrnehmung ihres Verhaltens als abweichend, je geringer ihr Anteil an der
Bevölkerung wird.
Das Gegenteil von abweichendem Verhalten ist konformes Verhalten15 (immer
auch relativ zu einem mehr oder minder diffusen Mainstream), also angepasstes
Verhalten. Pädagogische Maßnahmen, die auf konformes Verhalten abzielen,
würden mit Sicherheit dazu beitragen, dass der oder die vorher Deviante in der
Gesellschaft konfliktfreier leben kann. Sie oder er wäre wunderbar angepasst und
fiele gar nicht auf.
Damit einher ginge ein hohes Maß an Autoritäts- bzw. Obrigkeitshörigkeit bis
blinder Gehorsam, die Grundlage totalitärer Systeme. Mindestens kommt es
dadurch immer auch zur Reproduktion und Verstärkung tradierter
gesellschaftlicher Werte und Normen. Zu einer kritischen Auseinandersetzung mit
Werten, Normen, Regeln, Hierarchien und Befehlen wird nicht angeregt.
Eine auf Konformität abzielende Pädagogik verhindert den mündigen Menschen,
der als handelndes Subjekte der Demokratie die Grundlage unserer Verfassung
darstellt.
Aufgrund dieser indirekten Implikation soll in dieser Arbeit weitgehend auf den
Begriff der Devianz verzichtet werden.
Der Begriff schwierigste Jugendliche bzw. schwierigste junge Menschen, oder
auch schon „,schwierige’ Jugendliche“16 ist jedoch auch nicht besonders gut
geeignet. Er deutet wieder darauf hin, dass in erster Linie die Gesellschaft mit ihm
oder ihr ein Problem hat und erst dadurch und danach der junge Mensch ein
13
Vgl.: Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge, Fachlexikon der sozialen Arbeit,
Stuttgart 1997,
S. 216
14
van den Boogaard, Hilde, Abweichendes Verhalten, Stuttgart 1997, S. 5 –in: Deutscher Verein
für öffentliche und private Fürsorge, a.a.O., S.5-6
15
Vgl.: Grohall, Karl-Heinz, Soziologie des abweichenden Verhaltens und der sozialen Kontrolle,
Neuwied Kriftel Berlin 1994, S. 133 ff. –in: Biermann, Benno u.a., a.a.O., S. 133-172
16
Reiners, 1995, a.a.O., S. 57
9
Problem hat oder bekommt. Etwas klarer wird das in der Formulierung „Kinder
und Jugendliche, die als besonders schwierig gelten“17. Des weiteren deutet dieser
Begriff darauf hin, dass es besonders schwierig ist, mit dem jungen Menschen
umzugehen, was in vielen Fällen gar nicht stimmt. Ein großer Anteil junger
Menschen in psychosozialen Notlagen ist sehr „umgänglich“ bzw. freundlich und
unauffällig und verhält sich (zumindest oberflächlich) völlig konform. Als
Beispiel ist ein junger Mensch denkbar, der immer ausgesprochen höflich ist, aber
fast gar kein Selbstvertrauen hat.
Eine für diese Arbeit sehr brauchbare Definition der Zielgruppe der
längerfristigen Projekte ist folgende: „Delinquente und deprivierte
Heranwachsende in psycho-sozialen Notlagen, wie Schulverweigerer oder
hyperaktive Kinder ...“18
Die Aufzählung könnte sicherlich noch weiter geführt werden.
Die Begriffe Delinquenz19 und Deprivation20 sollen eine eher unterstützende und
helfende Wirkung pädagogischer Maßnahmen andeuten und nicht sosehr, dass die
jungen Menschen in Richtung geltender Normen und Werte hin geformt werden.
Wobei der Begriff Delinquenz eine nur relativ entstigmatisierende Wirkung zum
Begriff der Jugendkriminalität hat21 und diese wohl mit seiner zunehmenden
Bekanntheit einbüßen wird. Der Begriff Deprivation (von engl. deprive –
einschränken, verwehren) deutet da eher eine erlittene „...Einengung in vielen
Lebensbereichen...“22 an. Insgesamt ist – angelehnt an die o.g. Definition und das
Vorherige – die Definition der Zielgruppe als junge Menschen in psychosozialen
Notlagen sehr angemessen. Sie ist weit genug – psychosoziale Notlagen können
sehr vielfältig sein – und trotzdem klar. Die Andeutung einer Trennlinie könnte
das KJHG und dort die Hilfen zur Erziehung sein. Die Hilfen zur Erziehung
setzen einen Bedarf, eine Notwendigkeit voraus23.
Das Projekt war bei Kurt Hahn elementarer Bestandteil des von ihm (mit-)
begründeten Outward Bound-Konzeptes, das auch in seinen Kurzschulen zum
tragen kam. Unter einem Projekt verstand Kurt Hahn, dass eine Aufgabe im
handwerklichen, technischen oder geistigen Bereich von einem Schüler
selbstständig bearbeitet und gelöst werden sollte24. Wenn hier von längerfristigen
Segelprojekten mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen die Rede ist, so
17
Klawe, Bräuer, a.a.O., S. 7
Fischer, Thorsten, Ziegenspeck, Jörg W., Handbuch Erlebnispädagogik Von den Ursprüngen
bis zur Gegenwart, Bad Heilbrunn 2000, S. 272
19
Vgl.: Scheerer, Sebastian, Delinquenz, Stuttgart 1997, S. 195 f. –in: Deutscher Verein für
öffentliche und private Fürsorge, a.a.O.
20
Vgl.: Iben, Gerd, Soziale Benachteiligung, Stuttgart 1997, S. 845 –in: Deutscher Verein für
öffentliche und private Fürsorge, a.a.O.
21
Vgl.: Scheerer, Delinquenz, a.a.O, S. 195.
22
Grohall, Soziologie des abweichenden Verhaltens und der sozialen Kontrolle, a.a.O., S. 161
23
Vgl.: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, a.a.O., S.51
24
Vgl.: Reiners, 1991, a.a.O., S. 3 / Vgl.: Antes, a.a.O., S. 15 / Vgl.: Heckmair, Michl, 1998,
a.a.O., S. 25
18
10
ist damit nicht gemeint, dass die jungen Menschen längere Zeit alleine segeln
sollen. Der Begriff wird hier anders, nämlich eher im Sinne einer Maßnahme bzw.
einer Institution, die solche Maßnahmen anbietet, verwendet.
Durch die Fokussierung auf längerfristige Segelprojekte mit jungen Menschen in
psychosozialen Notlagen entfallen Untersuchungen längerfristiger Projekte mit
„normalen“ jungen Menschen, wie z.B. das Projekt „High Seas (sic!) High School
(HSHS)“25 auf der „THOR HEYERDAHL (sic!) als DreimastToppsegelschoner“26 in Kooperation mit der Hermann-Lietz-Schule Spiekeroog27.
Diese ist eine Privatschule, die „Kosten zw. DM 3300,- und DM 3500,-“28 angibt.
Natürlich können auch hier schon vorher oder während des Projekts psychosoziale
Notlagen vorhanden sein oder auftreten. Häufig sind diese ja nicht offenkundig.
Die Zielsetzung ist aber in erster Linie eine andere: Nämlich Schule – also in
diesem Fall Gymnasium – nur für ein halbes Jahr auf dem Meer. Dies ist sehr
stark an Kurt Hahns „Schule zur See“ angelehnt, aus der die gesamte
Segelpädagogik mit hervor gegangen ist. Diese Arbeit wird sich jedoch auf
außerschulische Projekte im Rahmen der Hilfen zur Erziehung konzentrieren.
2.2 Fragestellung und Arbeitshypothesen
Nach diesen Eingrenzungen die eingangs angedeuteten Fragen konkretisierend
lautet die zentrale Frage dieser Arbeit:
Unter welchen Bedingungen und vor welchem Hintergrund finden längerfristige
Segelprojekte mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen in der
Bundesrepublik Deutschland statt?
Wobei „in der Bundesrepublik Deutschland“ nicht heißen soll, dass die Projekte
tatsächlich in der Bundesrepublik stattfinden. Das wären aufgrund des geringen
Seeraums der BRD evtl. nur sehr wenige. Außen vor blieben Schiffe, wie die
anfangs erwähnte ANNA-CATHARINA, deren Heimathafen Gibraltar ist. Sie
wird von der GJFH, die in Überlingen, also in der BRD, sitzt, betrieben und auf
ihr fahren Jugendliche aus Deutschland mit. „in der Bundesrepublik Deutschland“
bezieht sich darauf, dass die Träger in Deutschland ihren Sitz haben und die
jungen Menschen ihren Wohnsitz in Deutschland haben.
Die o.g. zentrale Frage soll hier besonders aus der Perspektive der (möglichen
bundesdeutschen) Anbieter von längerfristigen Segelprojekten mit jungen
25
http://www.thor-heyerdahl.de/high_sea_high_school.htm, 13.01.2002
http://www.thor-heyerdahl.de/das_schiff.htm, 13.01.02 / Ein Dreimast-Toppsegelschoner ist
einer von vielen möglichen Typen von Segelfahrzeugen. Segelfahrzeuge ist dabei der offizielle
Sprachgebrauch im Seerecht. Eine Definition und Unterscheidung von Segelboot und Segelschiff
gibt es dort nicht. In dieser Arbeit können die Begriffe Segelboot und Segelschiff trotzdem
synonyn für Segelfahrzeug vorkommen.
27
Vgl.: http://www.thor-heyerdahl.de/high_sea_high_school.htm, 13.01.2002
28
http://www.privatschulen-suche.de/schulen/internate/niedersachsen/Hermann_Lietz_Spiek.html,
13.01.2002
26
11
Menschen in psychosozialen Notlagen, also den „Machern" diskutiert werden.
Schließlich sind sie es, die ein solches Angebot machen oder nicht. Deswegen
muss die zentrale Frage ergänzt werden durch:
Wo sehen (oder sahen) die Anbieter solcher Projekte spezielle Chancen und
Risiken? Mit welchen Problemen haben sie zu kämpfen?
Was veranlasst die (potentiellen) Anbieter, eben so ein Angebot zu machen oder
nicht (mehr) zu machen?
Diese Frage lässt sich aufteilen in drei weitere:
Gelten längerfristige Projekte mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen
in der Fachdebatte überhaupt (noch) als sinnvoll?
Wie lassen sie sich finanzieren?
Vor welchem gesellschaftlichen und politischen Hintergrund können sie ablaufen?
Die Frage nach der Zielgruppe – junge Menschen in psychosozialen Notlagen –
muss dabei aufgeteilt werden und unter zwei der eben genannten Fragen
subsummiert werden:
1. Die Frage, für welche Zielgruppe – also auf welche besonderen Merkmale
abzielend – solche Projekte konzipiert sind, fällt unter die Frage der
pädagogischen Fachdebatte.
Es gibt verschiedene psychosoziale Notlagen. Nicht bei jeder ist ein
längerfristiger Aufenthalt auf einem Segelschiff notwendig und sinnvoll. In
manchen Fällen würde sich die Lage eventuell verschlechtern.
2. Die Frage, ob nun eine solche Zielgruppe (in ausreichender Größe) in der BRD
existiert, fällt unter die Frage nach dem gesellschaftlichen Hintergrund.
Es könnte ja durchaus sein, dass es zwar noch junge Menschen in psychosozialen
Notlagen in der BRD gibt, deren Notlagen aber dergestalt sind, dass sie durch
Segelpädagogik nicht zu erreichen sind oder, wie gerade angedeutet, deren
Notlagen durch Segelpädagogik noch verschärft würden. Eine weitere
Möglichkeit wäre, dass die Zielgruppe, für die es notwendig und sinnvoll ist, von
vernachlässigbarer Größe ist.
Die eben aufgeworfene Frage der Finanzierung muss, vor allem für eine sinnvolle
Betrachtung des gesellschaftlichen und politischen Hintergrunds, einen Vergleich
der Kosten solcher Projekte zu anderen Möglichkeiten mit jungen Menschen in
psychosozialen Notlagen umzugehen, beinhalten.
Politisches und Gesellschaftliches ist natürlich miteinander auf das Engste
verwoben. Je nach Sichtweise ist es sogar beinahe deckungsgleich.
In dieser Arbeit sollen aber leicht unterschiedliche Schwerpunkte angedeutet
werden:
Als ein eher gesellschaftlicher Aspekt ist mit Sicherheit die Frage der Zielgruppe
– ob sie in relevanter Größe vorhanden ist – zu nennen. Auch die Wahrnehmung
in der (nicht fachlichen) Öffentlichkeit, z.B. in Artikeln von Tageszeitungen und
Wochenmagazinen, zählt eher dazu. Politische Entscheidungen in Bund, Ländern
und Kommunen werden davon natürlich nicht unbeeinflusst getroffen. Durch die
12
politische Lenkung wiederum werden die für den Aspekt der Finanzierung so
wichtigen Jugendämter beeinflusst.
Auch die Frage nach dem rechtlichen Hintergrund fällt unter die Frage nach dem
politischen Hintergrund, da geltendes Recht Ausfluss der Politik ist.
Ausgehend von den eben aufgestellten Fragen wird sich diese Arbeit im weiteren
in drei Hauptkapitel unterteilen:
a) Pädagogische Aspekte,
b) Gesellschaftlich-politische Aspekte (inkl. rechtlicher Aspekte) und
c) Ökonomische Aspekte
Zu jedem dieser drei Kapitel wird nun je eine Arbeitshypothese aufgestellt, die in
gewisser Weise die eben dargestellten Fragen vorläufig beantwortet, an der sich
die Kapitel im wesentlichen orientieren. Die Kapitel sollen einen Beitrag leisten,
diese Arbeitshypothesen zu untermauern oder zu verwerfen:
a) Die Sicht der pädagogischen Fachwelt auf die Sinnhaftigkeit und Legitimation
der Segelpädagogik im allgemeinen und längerfristiger Segelprojekte mit jungen
Menschen in psychosozialen Notlagen im besonderen hat sich nicht grundlegend
geändert. Die Fachwelt sah und sieht Segeln immer noch als pädagogisch sinnvoll
an.
Es gibt / gab mit Sicherheit immer wieder einige kritische, gewichtige und
ernstzunehmende Anmerkungen zur Pädagogik an Bord von Segelfahrzeugen, zur
möglichen „totalen Institution“ Segelschiff und Hinweise auf Gefahren und
Risiken. Grundsätzlich wird die Erlebnispädagogik allgemein und speziell die
Segelpädagogik weiterhin als sinnvolle Möglichkeit betrachtet, jungen Menschen
in psychosozialen Notlagen eine (womöglich letzte) Chance zu bieten, auch wenn
es als wünschenswert angesehen wird, eine solche Möglichkeit nicht nur an eine
Notlage zu koppeln.
Eine tatsächliche Wirksamkeit ist, wie in der Pädagogik allgemein, nicht direkt
nachweisbar, wird die klassische Konditionierung, bei der in der Wirkung eines
Reizes direkt eine Reaktion sichtbar wird, ausgelassen. Eine Wirksamkeit kann
nur auf Erziehungsziele hin anhand von Wirkmodellen eingeschätzt werden.
b) Das politische und öffentliche Klima gegenüber vermeintlich teuren
pädagogischen Maßnahmen und besonders gegenüber Segelprojekten hat sich
verschlechtert. Es gibt trotzdem – in vorläufiger Beantwortung der oben
angedeuteten Frage – eine (mehr als) genügend große Zielgruppe von jungen
Menschen in psychosozialen Notlagen, für die nach pädagogischen
Gesichtspunkten, also nach fachlichen Überlegungen und unter Ausklammerung
finanzieller Aspekte, ein längerfristiges Schiffsprojekt angezeigt wäre.
13
In der Tages- und Wochenpresse erschienene Artikel über Segelmaßnahmen
befassten sich kaum mit dem pädagogischen Sinn und den möglichen
„Entbehrungen“ der Teilnehmer, wie dem Herausgerissensein aus dem gewohnten
sozialen Umfeld und der Arbeit, die das Segeln, besonders auf etwas älteren
Schiffen mit sich bringt. Es wurde das Bild des jugendlichen Abweichlers und
Kriminellen gezeichnet, der für seine Untaten auch noch mit einem teuren
Luxusurlaub, einer Kreuzfahrt auf Kosten des Steuerzahlers, belohnt wird. Das
musste Empörung bei all jenen in der Gesellschaft und Politik hervorrufen, die
„harte und gerechte Bestrafung“ befürworten und die „volle Härte des Gesetzes“
fordern.
Dadurch trat bei allen an der Finanzierung Beteiligten eine eventuell übertriebene
Skepsis oder Vorsicht gegenüber solchen Maßnahmen auf – je wichtiger das
eigene Bild in der Öffentlichkeit, umso stärker.
Ein weiterer Effekt ist, dass MitarbeiterInnen solcher Projekte zunehmend in die
Position gedrängt wurden, etwas vermeintlich „Unrechtes“ rechtfertigen zu
müssen. Mitarbeit in einem solchen Projekt wurde zunehmend unattraktiver und
die Suche nach geeignetem Personal wurde immer schwieriger, zumal bei einem
hohen Maß an nötiger Qualifikation bzw. Mehrfachqualifikation (pädagogisch
und seglerisch, im Ausland auch noch fremdsprachlich) und einigen
„Entbehrungen“ (24 Stunden am Tag „im Dienst“, weit weg von der Familie oder
dem sonstigen sozialen Umfeld) eher wenig Gehalt gezahlt wird.
Eine weitere Ursache ist, wenn auch weit hergeholt, der Neoliberalismus, der sich
in den letzten Jahren mehr und mehr zum gesellschaftlichen und politischen
Mainstream entwickelt und auch die soziale Arbeit voll erfasst hat.
Begriffe wie Effizienz und Qualitätskontrolle haben mit Sicherheit auch ihr Gutes.
Einfach nur „ein bisschen rumpädagogisieren“ ist schließlich nicht erstrebenswert.
Sehr schnell tritt dann aber das eben angedeutete Problem der
Nichtnachweisbarkeit von Wirkungen auf. Dieses ist nun bei längerfristigen
Segelprojekten noch größer, zumal sich mögliche Wirkungen erst „auf lange
Sicht“ erschließen, anders als bei der Unterbringung im Sinne einer
Ruhigstellung. Begünstigt werden also Maßnahmen, bei denen gewünschte
Effekte leichter und schneller sichtbar zu Tage treten.
c) Die Besetzungspraxis von Seiten der Jugendämter und größeren Träger hat sich
verändert und ist für die zumeist kleineren Träger von Segelprojekten ungünstiger
geworden. Dadurch wurden diese Projekte, die recht teuer sind,
betriebswirtschaftlich unrentabel bzw. ein Verlustgeschäft.
Ganz allgemein gilt aber, dass eine einmalige und zunächst teurere, aber
erfolgreiche Teilnahme bei einem längerfristigen Segelprojekt auf Dauer Geld
spart, z.B. bei der Sozialhilfe.
So sind die bei der Besetzung eines Schiffs maßgeblichen und damit für die
Finanzierung unerlässlichen Jugendämter nicht unabhängig von politischer
14
Steuerung, sei es auf kommunaler bzw. Kreisebene oder auf Landesebene über die
Landesjugendämter. Gesellschaftliche und politische Aspekte haben also direkt
Auswirkungen auf die Finanzierung.
Je größer der (pädagogische) Erfolg von längerfristigen Segelprojekten bzgl. eines
Erziehungsziels Selbstständigkeit oder „das eigene Leben in den Griff kriegen“
ist, desto stärker helfen sie Geld zu sparen. Im Vergleich zu einer vermutlich
pädagogisch weniger erfolgreichen Jugendhaftanstalt mit hoher Rückfallquote,
wie auch im Vergleich zu einem weiteren, sehr langen Verbleib in der
persönlichen Unselbstständigkeit, also in Betreuung, sind sie zeitlich
überschaubarer und günstiger.
2.3 Wie werden die Arbeitshypothesen geprüft?
Wie eben erwähnt sollen in dieser Arbeit auch die „Macher“, also der Kreis von
Personen, die längerfristige Projekte mit jungen Menschen in psychosozialen
Notlagen anbieten oder angeboten haben, zu Wort kommen. Sie sind ja letztlich
diejenigen, die sich wohl begründet entscheiden, ein solches Angebot neu zu
etablieren, ein solches Projekt weiterzubetreiben oder einzustellen. Sie sind
diejenigen, die näher an dem Thema sind, als jeder und jede andere. Sie können
Aussagen dazu machen, was längerfristige Segelprojekte zu etwas besonderem
macht. Und vor allen Dingen können sie am besten selbst über die eigenen
Erfahrungen, die pädagogischen, aber besonders auch die Erfahrungen mit den
finanziellen und sonstigen Problemen beim Betrieb solcher Projekte berichten.
Wie sollten nun aber die „Macher“ zu Wort kommen?
Eine Vollerhebung mit schriftlichen Fragebögen, die in Richtung quantitativer
Sozialforschung gegangen wäre, schien im Rahmen dieser Arbeit aus mehreren
Gründen weder möglich noch sinnvoll:
Als erster Grund, der eine Reihe anderer Gründe nach sich zieht, ist die Kürze der
zur Verfügung stehenden Zeit zu nennen. Eine Vollerhebung hätte die Erstellung
und Verschickung – nach Recherche der aktuellen Adressen – eines Fragebogens
bedeutet. Dabei wäre aber immer noch nicht geklärt, ob nach Recherche der
aktuellen Adressen wirklich alle Projekte abgedeckt würden. Danach müsste bei
diesem Verfahren eine angemessene Zeit auf Rücklauf gewartet werden, bis mit
der Auswertung zu beginnen wäre.
Angesichts der Tatsache, dass wahrscheinlich nur sehr wenige Projekte noch
existieren, würden bei einer Vollerhebung einzelne abweichende Meinungen und
nicht zurückgelaufene Fragebögen direkt relativ große Prozentzahlen ausmachen
und damit das Gesamtbild stark verzerren. Quantitative Sozialforschung macht
eben besonders bei großen Mengen Sinn.
Für diese Arbeit werden u.a. deshalb im Sinne qualitativer Forschung wenige
halbstandardisierte bis nichtstandardisierte intensive Experteninterviews geführt
und verwertet. Halbstandardisiert waren diese Interviews, weil einige
15
Hauptfragen, die sich stark an den eben beschriebenen Fragen orientierten, jedes
Mal gestellt wurden. Aus der Beantwortung der Fragen heraus entwickelten sich
aber immer wieder neue Fragen, die vertiefend nochmals angesprochen wurden.
Da jedoch die Hauptfragen nicht vorformuliert waren, sondern als Stichpunkte
vorlagen, gingen die Interviews zugleich in Richtung nichtstandardisierter
Interviews.29
Diese intensiven Interviews beinhalteten besonders Fragen
 nach (besonderen) pädagogischen Chancen und Risiken und damit nach
dem pädagogischen Sinn,
 nach dem Eindruck, wie die Projekte in der Öffentlichkeit
wahrgenommen wurden und
 nach der Finanzierbarkeit der Projekte.
Dabei konnten, wie schon angedeutet, im Rahmen dieser Interviews einzelne
Fragen, z.B. wenn sie zunächst unklar waren, genauer geklärt und vertieft werden.
Die „Macher“ urteilen aufgrund ihres persönlichen Bezugs jedoch möglicherweise
etwas undistanzierter und subjektiver. In bestimmtem Maße sind sie betriebsblind.
Ihre Aussagen sind als nicht rein fachlich, sachlich und objektiv zu bewerten. Zu
einem nicht unwesentlichen Anteil sind ihre Aussagen von eigenen Interessen
geprägt. Wer würde z.B. die eigene Arbeit als nicht sinnvoll und zur
Erfolglosigkeit verdammt hinstellen, selbst wenn dies so wäre?
Eine Überprüfung der Aussagen der „Macher“, ein Vergleich mit anderen
Aussagen von Menschen mit bis zu entgegengesetzten Positionen ist daher
unerlässlich. Auch die anderen Aussagen werden aber wieder von Interessen
geleitet sein, selbst die „wissenschaftlichen“. Aus einem Vergleich der Aussagen
von Menschen mit sehr verschiedenen Positionen und damit unterstellten
unterschiedlichen Interessen ergeben sich treffendere Aussagen.
Für Überprüfung und Vergleich bot sich (Fach-) Literatur in Buch- und
Zeitschriftenform an. Anhand des Vergleichs von Literatur und Interviews und
deren gegenseitiger Ergänzung sollten die Arbeitshypothesen geprüft werden.
Für das folgende Hauptkapitel „Pädagogische Aspekte“ wird im wesentlichen
(Fach-) Literatur herangezogen und u.a. mit Aussagen aus den Interviews aber
auch mit Inhalten von Konzepten von solchen längerfristigen Projekten mit
jungen Menschen in psychosozialen Notlagen verglichen. Dabei sollen besondere
pädagogische Chancen und besondere pädagogische Risiken herausgearbeitet
werden. Geklärt werden soll, ob, inwieweit und unter welchen Voraussetzungen
solche Projekte als sinnvoll anzusehen sind. Darüber hinaus sollen chronologisch
sortierte Prüfungsarbeiten einen zusätzlichen Eindruck vermitteln, inwiefern
längerfristige Segelprojekte mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen als
sinnvoll erachtet werden.
29
Vgl.: Phillips, Bernard S., Empirische Sozialforschung. Strategie und Taktik, Wien 1970, S.
136f.
16
Im darauf folgenden Hauptkapitel „Gesellschaftliche und politische Aspekte“ soll
die aktuelle Rechtslage besonders auf die Paragraphen hin untersucht werden, die
Rechtsgrundlage für längerfristige Segelprojekte mit jungen Menschen in
psychosozialen Notlagen sein können. Der Frage des Vorhandenseins und des
Umfangs potentieller Zielgruppen soll anhand qualitativer aber auch quantitativer,
statistischer Aussagen nachgegangen werden. Der Frage der „gesellschaftlichen
Ordnung“ (Stichwort Neoliberalismus) und ihrer Auswirkungen auf Segelprojekte
soll hauptsächlich mit Literatur nachgegangen werden. Die Wahrnehmung in der
Öffentlichkeit soll hauptsächlich durch Presseartikel dargestellt werden.
Im Hauptkapitel „Finanzielle Aspekte“ soll anhand qualitativer und quantitativer,
statistischer Aussagen die finanzielle Lage der öffentlichen Träger der Jugendhilfe
insbesondere auf kommunaler Ebene untersucht werden. Anhand des Materials
aus den Interviews (und ergänzendem schriftlichen Material) sollen Kalkulationen
der Träger(-vereine) nachvollziehbar gemacht werden. Anhand einer auf realen
Daten basierenden Modellrechnung soll ein Vergleich bzgl. der Kosten zwischen
Jugendstrafvollzug und Segelprojekten geführt werden.
2.4 Mitglieder mit Segelprojekten im „Bundesverband
Erlebnispädagogik e.V.“ (BE) –
Indiz für die Entwicklung des Umfangs
Versucht man die Anzahl sozialpädagogischer oder sozialtherapeutischer
Segelprojekte zu bestimmen, stößt man auf den „Bundesverband
Erlebnispädagogik e.V.“. Dieser ist 1992 durch Umbenennung aus dem 1987
gegründeten „Bundesverband Segeln – Pädagogik – Therapie e.V.“
hervorgegangen.30 „Im ,Bundesverband Segeln – Pädagogik – Therapie e.V.’
schlossen sich 1987 zahlreiche (36) und recht unterschiedliche Institutionen,
Vereine, Projekte und Persönlichkeiten zusammen, die dem Segeln als
erzieherische Möglichkeit ... einen hohen Stellenwert beimaßen.“31 Bis 1990 gab
es 54 Projekte, die umfangreich beschrieben wurden.32 Später, aber immer noch
zu Zeiten des „Bundesverband Segeln – Pädagogik – Therapie e.V.“ ist sogar von
60 Projekten die Rede.33
Wie sich die Satzungs- und Namensänderung des Bundesverbandes 1992 auf die
Zahl der Mitglieder mit Segelprojekten ausgewirkt hat, ist im Rahmen dieser
Arbeit mangels vorliegender Zahlen nicht zu klären.
Als weitere Quelle liegt eine Mitgliederliste des „Bundesverband
Erlebnispädagogik e.V.“ aus dem Jahr 1995 als Fax vor. Hier hat die derzeitige
Vgl.: Ziegenspeck, Jörg, Erlebnispädagogik. Rückblick – Bestandsaufnahme – Ausblick,
Lüneburg 1992, S.85f
31
ebd., S. 80
32
Vgl.: ebd., S. 81
33
Vgl.: ebd., S. 83
30
17
Geschäftsführerin des Bundesverbands, Christiane Thiesen, die Mitglieder
angekreuzt, die mit Sicherheit mit Segeln zu tun haben; dies sind noch 30. Bei 6
weiteren mit Fragezeichen gekennzeichneten ist dies nicht sicher.
Eine weitere Liste, die auch als Fax vorliegt, kommt der Antwort auf eine Anfrage
bzgl. einer längerfristigen Unterbringung eines jungen Menschen in einer
psychosozialen Notlage auf einem Segelschiff gleich. Hier sind es noch 11
Anbieter.
Für ein paar Mitglieder auf der Liste von 1995 kann das Ende des Projektes als
gesichert angenommen werden:
So hat der „Ausbildungsschiff Liekedeeler e.V.“ aus Oldenburg nach eigenen
Angaben noch 1995 aufgehört, Jugendhilfe auf Segelbooten zu leisten.
Die „Interessengemeinschaft Segeln u. Fahrt (I.G.S.F.)“ wurde auf Betreiben des
vorher beteiligten Bezirksamtes Hamburg-Mitte eingestellt, so der in der
Adressenliste für dieses Projekt genannte Stefan Thomsen.
Der „Jugendschiff ,Outlaw’ e.V.“ veräußerte nach eigenen Angaben ca. 1998 sein
gleichnamiges Schiff.
Laut „Bundesverband Erlebnispädagogik e.V.“ ist Herr Peer Helge Leyh, der
heute ein Projekt auf dem Festland an der Algarve macht, früher auch gesegelt.
Das hier Dargestellte ist zwar kein Beweis für die eingangs zitierte These von
Thomas Piruzgar-Merkle, es gäbe immer weniger Schiffe, die längerfristige
Projekte mit jungen Außenseitern machen. Es ist ja schließlich nicht klar, ob
mögliche neuentstandene Projekte außerhalb des Bundesverbandes geblieben
sind. Als ein Indiz jedoch kann es schon verstanden werden.
18
3. Pädagogische Aspekte
3.1 Grundsätzliches: Wie soll die Wirksamkeit oder der Erfolg
pädagogischer Maßnahmen festgestellt werden?
Wird versucht, den Sinn oder Unsinn von pädagogischen Maßnahmen, in diesem
Fall also von längerfristigen Segelprojekten mit jungen Menschen in
psychosozialen Notlagen zu beschreiben, liegt es nahe, die Frage zu stellen, ob
diese erfolgreich oder wirkungsvoll sind, bzw. wie die „Ergebnisqualität“34 ist. Im
Falle von teureren Maßnahmen, was solche Projekte doch häufig sind, heißt die
Frage darüber hinaus: Sind diese Maßnahmen besonders wirkungsvoll und
erfolgreich, so dass sich der erhöhte finanzielle Einsatz lohnt? Könnten diese
Fragen leicht beantwortet werden, wäre der Sinn damit zum überwiegenden Teil
schon geklärt. Früher schien dies noch recht einfach: „Die Frage nach der
Wirkung kam in der außerschulischen Bildung der 70er Jahre überhaupt nicht vor.
Das wurde von den Beteiligten schlichtweg vorausgesetzt.“35 Die Situation
scheint aber nun eine andere zu sein, und so „...ist diese Frage für Geldgeber,
Träger und auch Pädagogen unumgänglich, wenngleich sie äußerst schwierig zu
beantworten ist.“36 So scheint es „...klar, daß solche zeitlich begrenzten
Maßnahmen, wie z.B. das Segeln in Gruppen, auf Langzeitwirkungen hin schwer
zu untersuchen sind.“37
Wie sollen also nun solche Fragen nach Erfolg und Wirkung im Einzelfall und
dann auch noch generell beantwortet werden? „Was heißt Erfolg?“38 fragt Bettina
Lauterbach bei der Untersuchung des Erfolgs des NOSTRA-Projektes.
Doch gehen wir zunächst einen Schritt zurück und stellen uns folgenden Fragen:
 „Ist es sinnvoll, Pädagogik [...] unter dem Gesichtspunkt der Wirkung zu
betrachten?“39
Im Rahmen der klassischen Konditionierung, im Rahmen eines ReizReaktionsschemas, ist dies sicherlich sehr leicht möglich. Auf einen
gegebenen Reiz erfolgt beobachtbar eine ganz bestimmte, bei gleichem Reiz
34
Haspel, Manuel, Erlebnispädagogik und ihre Qualität in der Jugendhilfe. Ansätze zur
Qualitätssicherung in der erlebnispädagogischen Projektarbeit, Heidenheim 1996,
unveröffentlichte Diplomarbeit, S.81ff.
35
Heckmair, Michl, a.a.O., S. 43
36
ebd., S. 43
37
Mustert, Rainer, Rogge, Michael, Erlebnispädagogik und Segeltherapie: Möglichkeiten der
Verhaltensänderung bei Jugendlichen durch das Segeln in Gruppen, Bremen 1986,
unveröffentlichte Diplomarbeit, S. 137
38
Lauterbach, Bettina, Öffentliche Erziehung auf einem Segelschiff – Erfahrungen aus dem
Projekt „NOSTRA“ des Rauhen Hauses in Hamburg, Hamburg 1988, unveröffentlichte
Diplomarbeit, S. 90
39
Schwiersch, Martin, Wirkt Erlebnispädagogik?. Wirkfaktoren und Wirkmodelle in der
Erlebnispädagogik, München 11995, S. 140, -in: Kölsch, Hubert (Hrsg.), Wege Moderner
Erlebnispädagogik, München 11995, S. 139 - 183
19
auch gleiche Reaktion als Wirkung. Mit einem in diese Richtung gehenden
behavioristischen Ansatz, lässt es sich leicht nach Wirkungen fragen.
Wird konstruktivistisch davon ausgegangen, dass Wirklichkeit im Subjekt
selbst erst entsteht und von außen höchstens Angebote gemacht werden
können, die im Innern zum Auslöser von Veränderung werden können, sind
pädagogische Wirkungen wohl eher als Glücks- oder Zufälle zu sehen.
 „Wie können mögliche Wirkungen valide erfasst werden? Weiß man denn,
wenn sich keine Wirkungen einstellen, ob die Pädagogik oder die
Wirkungsforschung versagt hat?“40 Diese Frage führt direkt zur nächsten,
nämlich der Frage, wie Wirkungsforschung überhaupt aussehen kann. Auf
welche Weise sollen Wirkungen erforscht werden?
Bevor diese Frage beleuchtet werden kann, muss erst klar sein, dass nach
Wirkungen im Sinne von Erfolgen immer von den vorher gesetzten Zielen
abhängen41. Bei diesen wiederum ist entscheidend, wer diese Ziele setzt: Werden
die Ziele von Jugendämtern oder Pädagogen vor Ort bestimmt, werden sie
gesellschaftlich definiert (siehe hierzu auch meine Ausführungen zur Devianz in
Unterkapitel 2.1) oder dürfen Teilnehmende sich ihre Ziele selber setzen?
Die Ziele können also sehr unterschiedlich sein und damit auch die Beurteilungen
des Erfolgs.
Den ersten drei Instanzen der o.g. Frage, also den Jugendämtern, den Pädagogen
und der Gesellschaft, ist dabei aber eins gemeinsam: Sie setzen Ziele in gewisser
Weise von außen und so „...wird das Subjekt, dessen Grad an Zielerreichung
interessiert, zum Objekt degradiert.“42
Eine weitere Schwierigkeit bei der Kontrolle von Zielerreichung ist folgende:
„.. Erziehungs- und Handlungsziele sind .. mehr oder weniger realistische
Fiktionen, Hoffnungen, Wünsche, Erwartungen, selten aber klar erreichbare und
kontrollierbare Ziele.“43
„Empirische Beweise für diese pädagogische Hoffnung zu führen, ist allerdings ein
schwieriges Unterfangen.“44
Dementsprechend gibt es verschiedene mehr oder minder gute Möglichkeiten,
„Wirkungen festzustellen“45:
1. Die Teilnehmenden können direkt befragt werden. Dadurch wird
sozusagen die „Kundenzufriedenheit“ erfragt.46 Hier werden auch ganz
klar die Teilnehmenden als Subjekte begriffen.
40
ebd., S.140
Vgl.: ebd., S. 141
42
ebd., S. 141
43
Heckmair, Michl, a.a.O., S. 44
44
ebd., S. 200
45
Schwiersch, a.a.O., S. 141
46
Vgl.: ebd., S. 142f. / Vgl.: Haspel, a.a.O., S. 81
41
20
Eine etwas andere Art von „Kundenzufriedenheit“ mag sich ergeben,
wenn die zuständigen – und finanzierenden – Jugendämter befragt
werden. Diese werden ihre Beurteilung eher nach folgendem richten:
2. Das weitere Verhalten der Teilnehmer nach der Maßnahme wird
beobachtet, z.B. ob ein Hauptschulabschluss nachgeholt wird oder ob sich
die Straftaten verringern. In diesem Falle wird nach den eben
angeschnittenen gesellschaftlichen Zielen und dem Grad der Anpassung
an die damit verbundenen Normen gefragt.
3. „Außenstehende“ Wirkungsforschende, meistens die Pädagoginnen und
Pädagogen vor Ort, schätzen für das interessierende Subjekt, eine oder
einen der Teilnehmenden, ein, ob Ziele erreicht wurden, die für das
Subjekt stimmig sind, ob das Subjekt sozusagen „auf seinem eigenen Weg
ist“ – unabhängig davon, ob dieser Weg für die Wirkungsforschenden
stimmig sein kann.47 Etwaige eigene Interessen, die dabei –
möglicherweise unterbewusst – eine nicht unerhebliche Rolle spielen
können, können die Qualität der Aussagen aber doch entscheidend
mindern.
Ob dazu noch ergänzend die Mitarbeiterzufriedenheit, die Bekanntheit der
Einrichtung und die Wirtschaftlichkeit als Indikatoren für die Ergebnisqualität48
herangezogen werden können, bleibt zweifelhaft, auch wenn sie im Rahmen der
Qualitätssicherung interessant sein können. Selbst ein ausgefeilter und
anonymisierter Fragebogen, der die Mitarbeiterzufriedenheit abfragt, wird an
manchen Stellen möglicherweise nicht ganz ehrliche Antworten zutage fördern.
Entgegen diesen Ausführungen hat es doch immer wieder Versuche gegeben, den
Erfolg oder die Wirksamkeit von einzelnen, mehreren oder allen längerfristigen
Projekten auch mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen zu beschreiben.
Dabei ist immer auf eine, zwei oder alle drei o.g. Möglichkeiten zurückgegriffen
worden.
Vor dem Rückgriff auf die Ergebnisse solcher Untersuchungen ist es jedoch
sinnvoll, zu bedenken, welche Wirkungen auftreten können. Oder besser: Welche
Faktoren können an Bord wirken und sich wie auf den pädagogischen bzw.
therapeutischen Prozess auswirken. Was sind also die Besonderheiten des Settings
und was für (spezielle) Chancen und Risiken können sich daraus ergeben?
3.2 Zeit und Raum auf Segelschiffen:
Die Besonderheiten eines Mediums
Als eine erste, schon augenscheinliche Besonderheit ist die im Gegensatz zu
Situationen auf dem Festland veränderte räumliche Situation zu nennen. Diese ist
ambivalent. Einerseits ist ab einer gewissen Entfernung vom Ufer bei klarem
Wetter in jede Richtung schon einige Meilen zu gucken ohne etwas anderes zu
47
48
Vgl.: Schwiersch, a.a.O., S.143
Vgl.: Haspel, a.a.O., S. 81ff.
21
sehen als Wasser und Himmel. Es kann ein Gefühl von Weite, eine Andeutung
von Unendlichkeit entstehen, ein Gefühl sich in jeder Richtung mit dem Schiff
sehr weit bewegen zu können und sehr lange an keine Grenze zu stoßen.
Andererseits ist der Bewegungsraum auf dem Schiff sehr stark eingeschränkt.
Hier stoßen die Menschen an Bord sehr schnell an die durch das Medium
vorgegebenen Grenzen, z.B. die Reling. Die Weite des Meeres und der
Mikrokosmos Schiff stehen also in einem krassen Gegensatz zueinander.49
Dadurch werden die auf dem Schiff befindlichen Menschen zu einer
Schicksalsgemeinschaft
ähnlichen
Schiffsgemeinschaft.
Dieser
Schiffsgemeinschaft kann sich der oder die einzelne nicht bzw. kaum entziehen.
Rückzugsmöglichkeiten sind wenn überhaupt nur sehr eingeschränkt gegeben,
vielleicht in Form einer eigenen Kammer.
Auftretende Konflikte – und Konflikte treten überall auf, wo Menschen
zusammenleben, vor allen Dingen, wenn sie dies über längere Zeit auf so engem
Raum tun – müssen daher ausgetragen werden. Vor dem Konflikt davonzulaufen,
ist nicht möglich. Für junge Menschen, deren Konfliktlösungsstrategie dies war,
bedeutet die Situation an Bord eine neue Erfahrung im Umgang mit Konflikten
und die Möglichkeit, einen neuen Umgang mit Konflikten zu lernen. Im Rahmen
dieser Schiffsgemeinschaft und der Enge, die sie zusammenschließt, bzw. der
Dichte, mit der sie untereinander in Kontakt sind, und des eben angedeuteten
Spannungsverhältnisses zur Weite des Meeres werden gruppendynamische
Prozesse automatisch initiiert bzw. beschleunigt50. Es etabliert sich eine eigene
Sozialstruktur mit hoher sozialer Dichte. Bei längerfristigen Projekten kann
aufgrund der Enge und der damit verbundenen Überschaubarkeit der sozialen
Beziehungen eine sehr stabile und für den jungen Menschen auch stabilisierende
Beziehung zwischen ihr oder ihm und der Betreuungsperson bzw. den
Betreuungspersonen entstehen, die für ein Lernen von Vorbildern und – viel
wichtiger noch – für ein Vertrauensverhältnis, in dem Probleme bearbeitet werden
können, unerlässlich ist. „Die Qualität der Maßnahme bestimmt die Wirkung; die
erlebnispädagogische Maßnahme bestimmt die Qualität der Beziehung.“51 So
sagen Jens Günther und Helga Arp von Gangway e.V. Hamburg, dass ihre Arbeit
im wesentlichen Beziehungsarbeit ist.52
Die durch das Medium bedingten natürlichen Grenzen wirken sich bei genügend
Entfernung vom Land als möglicherweise noch stärkere Barrieren aus als jede
Mauer oder abgeschlossene Tür. Bei Projekten im Ausland stellen Sprache und
„Fremdheit“ immer noch eine – wenn auch niedrigere – Hürde dar, selbst wenn
das Schiff im Hafen liegt. Als die – wie viele erlebnispädagogische Konzepte
suggerieren – vielfach unter dem Aspekt einer Alternative zu einer geschlossenen
49
Vgl.: Heckmair, Michl, a.a.O., S. 171
Vgl.: ebd., S. 171
51
Schwiersch, a.a.O., S. 157
52
Vgl.: Interview mit Helga Arp und Jens Günther, „Gangway e.V.“, Hamburg 20. Februar 2002
50
22
Unterbringung diskutierte Möglichkeit53 können längere Segeltörns in diesem
Sinne, aber auch aus anderen Gründen wohl kaum gesehen werden54.
„Segelschiffe sind wie geschlossene Einrichtungen. Anstatt Mauern und Türen
gibt es hier eine Reling und danach das Meer.“55 Unterbringung auf Segelbooten
ist also in gewisser Weise eine andere Form der geschlossenen Unterbringung.
Ein wesentlicher Unterschied hierbei ist jedoch, dass die Grenzen eben durch das
Medium vorgegeben sind und in dem Maße auch als natürliche wahrgenommen
werden können, nicht so sehr als Schikane.
Auch die Zeit wird an Bord eines Schiffes anders erlebt. Wer schon einmal mit
einem Segelschiff einen Hafen verlassen hat und sich nach einer Stunde noch
einmal umschaut, hat den Eindruck, der Hafen läge immer noch zum Greifen nah.
Die beim Segeln mit großen Yachten und viel Wind erreichten Geschwindigkeiten
von üblicherweise nicht über 10 Knoten – etwa 19 km/h, meistens aber weniger –
im Zusammenspiel mit der eben beschriebenen Weite lassen ein Gefühl der
Langsamkeit aufkommen. Im Kontrast zum oftmals hektischen Alltag bietet sich
hier die Möglichkeit, die Langsamkeit wieder zu „entdecken“. Dieser Effekt
könnte auch „Entschleunigung“56 genannt werden.
Auch die Kontinuität und Struktur des Tages ist eine andere. „Als Gegensatz zum
zerstückelten Tagesablauf zu Hause steht Geschlossenheit und Dichte des
Erlebens.“57 Dies gilt natürlich auch für andere erlebnispädagogische Projekte,
aber in ganz besonderer Weise für das Segeln.
Ein weiterer räumlicher und zeitlicher Faktor ergibt sich aus der starken
Einschränkung bis hin zur Unmöglichkeit der Benutzung moderner
Kommunikationsmittel, wie Fernsehen aber auch Telefon und Internet, da diese
an Bord meistens nicht oder aufgrund stark erhöhter Kosten nur für die Sicherheit
zur Verfügung stehen. Dadurch wird der tägliche Kontakt zum Herkunftsmilieu
erheblich erschwert oder sogar unmöglich. Briefe können nur im nächsten Hafen
abgeschickt werden. Vielleicht kann hier auch eine Telefonzelle benutzt oder ein
Internetcafé aufgesucht werden.
Es entsteht dadurch, aber vor allem durch die darüber hinausgehende zeitliche und
räumliche Trennung – bei Projekten im Ausland noch stärker – eine Distanz zum
möglicherweise gefährdenden aber reizvollen Herkunftsmilieu, um den jungen
Menschen durch die Kontrasterfahrung zum Alltag und den damit verbundenen
Herausforderungen neue Lernprozesse zu ermöglichen und den Rückgriff auf alte
Lösungsmuster, z.B. Konfliktstrategien, zu erschweren.58 Hier setzen
53
Vgl.: Klawe, Bräuer, a.a.O., S. 17f. / Vgl.: Fischer, Ziegenspeck, a.a.O., S. 273f. / Vgl.:
Vgl.: Klawe, Bräuer, a.a.O., S. 18ff.
55
Interview mit Norbert Niemeyer, Stellvertretender Geschäftsführer der „Outlaw Gesellschaft
für Jugendhilfe gGmbH“, Greven, 18. Februar 2002
56
Heckmair, Michl, a.a.O., S. 85
57
ebd., S. 173
58
Vgl.: ebd., S. 63
54
23
verschiedene Kritiken an: Befürworter eines lebensnahen Ansatzes sehen z.B.
hierin ein Fehlen der Ressourcenerschließung der Lebenswelt des jungen
Menschen.59 Auch die Transferproblematik steht hiermit im Zusammenhang. Fällt
der junge Mensch, wenn er wieder zurück im Herkunftsmilieu ist, auch wieder
zurück in die alten Lösungsstrategien? Diese Frage soll im Unterkapitel 3.5
bearbeitet werden.
Dass die Natur als Erlebnisraum nicht einfach nur beherrscht werden kann –
typischerweise Element diverser erlebnispädagogischer Maßnahmen seit David
Henry Thoreau60 und Kurt Hahn61 – ist beim Segeln besonders klar. Segeln findet
unter Gegebenheiten statt, die sich ständig verändern und dabei total entscheidend
sind. Bei wenig bzw. gar keinem Wind macht das Schiff keine Fahrt, bei viel
Wind wird es ungemütlich. Bei Wind aus der falschen Richtung kann ein
bestimmtes Ziel nicht angelaufen werden. Jegliche Wetterphänomene wirken sich
direkt und unmittelbar auf Schiff und Besatzung aus. Auf diese Weise ist das
Wetter als der vielleicht am wenigsten beherrschbare Teil der Natur eine Größe,
von der die Besatzung abhängig ist, an die sie sich anpassen muss und der sie sich
aufgrund ihrer „Wirklichkeit“ nicht entziehen kann62. Damit umgehen zu können,
stellt eine Anpassungsleistung mit damit verbundenem Erfolgserlebnis dar, ohne
in Abhängigkeit menschlicher Macht und Herrschaft zu geschehen.
Auch die Tätigkeit des Segelns hat gewisse Besonderheiten und stellt bestimmte
Anforderungen an alle an Bord. Nur ganz moderne und kleinere Yachten sind
alleine zu segeln. Die für die Jugendhilfe eingesetzten Schiffe sind meist etwas
größer und älter. Sie sind nur zu besegeln, wenn eine bestimmt Anzahl von
Menschen mit anpackt. Dabei ist dann zu beachten, dass Gruppengröße und Schiff
in Relation zueinander stehen sollten. Es darf nicht sein, dass für mehrere
Teilnehmer permanent nichts zu tun ist und diese damit unterfordert sind. Das
Gegenteil, Überforderung, ist auch von Nachteil. Aufgaben müssen zu bewältigen
sein, sonst führen sie zu Misserfolgserlebnissen. Gerade diese sollen aber
vermieden und durch Erfolgserlebnisse ersetzt werden, wenn das Selbstwertgefühl
gesteigert werden soll. Dabei kommt den Aufgaben meist aus Sicht der jungen
Menschen, besonders wenn sie z.B. „Schulverweigerer“ oder „-versager“ sind,
noch ein anderer Vorteil zu: Es sind meist praktische Aufgaben, die in ihrer
Notwendigkeit leicht zu erkennen sind. „Man muss nicht viel erklären an Bord.
59
Vgl.: ebd., S. 63f.
Vgl. etwa: Heckmair, Michl, a.a.O., S. 9ff.
61
Vgl. etwa: Fischer, Ziegenspeck, a.a.O., S. 229
62
Vgl.: Scheffers, Wilfried, Segeln als Medium sozialpädagogischer Arbeit mit Kindern und
Jugendlichen, Köln 1994, unveröffentlichte Diplomarbeit, S. 73
60
24
Das meiste erklärt sich von selbst.“63 Und „...wenn man nicht mit anpackt, fährt
das Schiff nicht dahin, wo es soll.“64
Wenn nun jeder Mensch seine Aufgabe hat, müssen die einzelnen Tätigkeiten
noch koordiniert werden, soll z.B. ein Manöver gelingen. Dazu ist eine klare und
direkte Kommunikation, wie sie auf der ANNA-CATHARINA betont wird,
notwendig. Ironie und langes „Um-den-Brei-herum-reden“ funktioniert dann
nicht. Das Medium Segeln befördert also eine Kommunikation, die
möglicherweise eine „heilsame“ Erfahrung für junge Menschen ist, in deren
Milieu sehr viel mit bzw. über Ironien und Zweideutigkeiten mitgeteilt wurde und
die jungen Menschen sich immer fragen mussten, was wirklich gemeint ist.
Trotz allem besteht auf einem Schiff aufgrund der eben angedeuteten
Langsamkeit und Entfernung – auch zu Gefahren – an vielen Positionen die
Möglichkeit, Fehler zu machen, ohne Konsequenzen für die Sicherheit, aber mit
einer direkten Rückmeldung durch das Boot. Diese Fehler können zugelassen
werden. Sie sind Teil eines Ausprobierens. Vielleicht wird eine andere
Teilnehmerin oder ein anderer Teilnehmer gefragt, die oder der sich dadurch
bestätigt fühlt. Auch hierdurch wird Gruppendynamik verstärkt.65 So sind
„...Segeltörns .. geradezu Archetypen des Gruppenlernens in der
Erlebnispädagogik.“66
Gruppendynamische Prozesse ermöglichen in hohem Maße soziales Lernen –
auch und gerade der jungen Menschen untereinander und miteinander im Sinne
der „Peergroup“ als Sozialisationsinstanz.
3.3 Was kann an Bord gelernt werden? – Mögliche Erziehungsziele
Wird das Lernen an Bord von Segelschiffen betrachtet, kann zunächst
unterschieden werden zwischen
 spezifischem Lernen, z.B. Lernen, ein Schiff zu steuern und
 nicht-spezifischem Lernen, z.B. dem eben angedeuteten Lernen neuer
Problemlösungs- und Konfliktbewältigungsstrategien.67
Lernerfolge aus spezifischem Lernen bzw. die erworbenen spezifischen
Fertigkeiten lassen sich dabei unmittelbar nur auf das Medium selber, also das
Segelschiff, nutzbringend anwenden, sind also spezifisch für das Medium. Ein
Schiff zu steuern, nutzt in Situationen, in denen es gar keine Schiffe gibt, eben
nichts. Eine neue und bessere Problemlösungs- und Konfliktbewältigungsstrategie
hingegen ist überall, wo Probleme und Konflikte auftreten können, von Nutzen.
Betrachten wir aber zunächst das spezifische Lernen: Neben der Fähigkeit ein
Schiff zu steuern, können sehr viele Fertigkeiten gelernt werden, die in der Nautik
63
Interview: Arp, Günther, a.a.O.
Interview: Niemeyer, a.a.O.
65
Vgl.: Heckmair, Michl, a.a.O., S. 172
66
ebd., S. 86
67
Vgl. Reiners, 1995, a.a.O., S. 21
64
25
unter dem Begriff „Seemannschaft“ zusammengefasst werden. Dazu zählt
sinnvolle Knoten knüpfen zu können ebenso wie Segel setzen und bergen usw.
Wenn, wie bei einigen Einrichtungen, z.B. der ANNA-CATHARINA, auch noch
Werftzeiten eingeplant sind oder wenigstens zwischendurch das Schiff gewartet
wird, kommen noch handwerkliche Fertigkeiten dazu, wie z.B. Streichen,
Polieren, Metall- und Holzbearbeiten usw. Bei der ANNA-CATHARINA und bei
der UNDINE, die auch Fracht segelt68, führt das dazu, dass die Projekte den
jungen Menschen auch als Praktikum vor der Ausbildung anerkannt werden
können.
Dieses spezifische Lernen hat aber noch eine viel wichtigere Funktion; hierüber
kommt es teilweise erst zum unspezifischen Lernen. All diese eben genannten
Aufgaben erfordern eine hohe Sorgfalt. Sorgfalt ist jedoch eine Eigenschaft, die in
ganz anderen Zusammenhängen sinnvoll einsetzbar ist. Auch kann bei einem
jungen Menschen bei der Feststellung, z.B. außerordentlich gut Streichen zu
können, das Selbstbild, zu dem es gehört, nichts zu können, vielleicht weil er oder
sie zuhause immer als Nichtsnutz etikettiert wurde, ins Wanken geraten und durch
ein positiveres ersetzt werden. Oder: „Wer 45 Tonnen steuern kann, schafft auch
noch ganz andere Sachen!“69
Und gerade wegen dieser und anderer gewünschter und angestrebter
Lernmöglichkeiten oder Lern- oder Erziehungsziele werden die Maßnahmen
durchgeführt. Hierin kommt die Bedeutung des Segelns und auch des
Segelnlernens als Medium zum Ausdruck. Ein Medium ist etwas, was
„dazwischen“, in der Mitte ist. Über ein Medium wird etwas ganz anderes
„vermittelt“, kann Nicht-Spezifisches gelernt werden.
So soll nun betrachtet werden, was alles, bezogen auf nicht-spezifisches Lernen,
gelernt werden kann. Was sind also die Erziehungsziele, die in Theorien und
Konzepten aufgeführt werden? Ob sie in der Praxis erreicht werden oder
überhaupt zu erreichen sind, ist eine andere Frage, die später noch geklärt werden
soll.
Lernziele in der Erlebnispädagogik allgemein können nach Reiners grob
unterteilt werden in

„...die Entwicklung individueller Persönlichkeitsmerkmale wie Entwicklung
von
Eigeninitiative,
Spontanität,
Kreativität,
Selbstvertrauen,
Selbstwertgefühl, Selbstwertgefühl, Selbstbewußtsein, Selbstverantwortung,
realistischem Selbstbild, Überprüfung von Wertesystemen etc. ...,

die Förderung sozialer Kompetenzen (Teamarbeit, Rücksichtnahme,
Kommunikationsfähigkeit,
Mitgefühl,
Hilfsbereitschaft,
Konfliktbewältigung etc.) und
68
Vgl.: Interview: Arp, Günther, a.a.O.
Gesellschaft für Jugend- und Familienhilfe e.V., Projektkonzeption Jugendschiff AnnaCatharina, Überlingen 31996, unveröffentlicht , S. 16
69
26

das Wachsen eines systemischen ökologischen Bewußtseins.“70
Besonders in die erste Kategorie fallen die von Nickolai, Quensel und Rieder
genannten Ziele „Identität, Zukunftshoffnung und sinnerfülltes Leben“, die
Jugendlichen aus „sogenannten Randgruppen“ als Chancen eröffnet werden
sollten.71
Diese Kataloge sind als noch halbwegs realistisch einzuschätzen. Es könnten aber
noch sehr viele weitere mögliche Lernziele bzw. vermutete Wirkungen genannt
werden, bis „recht ,blumige’ Kataloge“72 entstehen, „die sich wie ein
Rundumschlag durch die gesamte Pädagogik lesen“73 und die oft
„hochspekulativen ,Heilscharakter’ haben.“74 Da es sich aber zumeist nur
mögliche Erziehungsziele handelt, könnte darauf erwidert werden, dass klar ist,
dass diese nicht immer auch erreicht werden, zumal die besonders umfassenden
Kataloge häufig noch nicht zielgruppenspezifisch sind, wie z.B. der recht
umfassende Katalog von Hanspeter Hufenus, in dem „Selbständigkeit und
Entscheidungsfähigkeit erlangen“ aber auch „Führungsprinzipien und
Führungsstile kennenlernen und üben“ als Lernziele auftauchen75. Hier dürfte klar
sein, dass das Letztgenannte wohl eher im Training für Manager Ziel sein kann,
bei denen man ersteres mit hoher Wahrscheinlichkeit als erreicht voraussetzen
kann. Möglicherweise kommt es dadurch zu überzogenen Erwartungen seitens der
Theoretiker an die Praxis der Erlebnispädagogik im Allgemeinen, aber auch der
Segelpädagogik im Speziellen.76 Diese Erwartungen werden aber noch später
Gegenstand der Betrachtungen sein.
Weitgehende Einigkeit herrscht wohl nach Klawe und Bräuer über
folgenden Katalog zu erwartender Wirkungen, die dann auch für realistische
Ziele herangezogen werden können:

„Verbesserung der Selbstwahrnehmung

Erhöhung der Selbstkontrolle und Ausdauer

Schärfung des Einfühlungsvermögens in andere Personen

anwachsende Motivation zu schulischer und beruflicher Weiterbildung

Umgang mit dem eigenen Körper und eigenen Gefühlen

Umgang mit Kritik und Mißerfolg, sowie Lob und Anerkennung (Steigerung
der Frustrationstoleranz)
70
Reiners, 1995, a.a.O., S. 33
Vgl.: Nickolai, Werner u.a., Erlebnispädagogik mit Randgruppen, Freiburg im Breisgau 21991,
S. 9
72
Klawe, Bräuer, a.a.O., S. 51
73
ebd., S. 51
74
ebd., S. 52f.
75
Vgl.: Hufenus, Hanspeter, Erlebnispädagogik – Grundlagen, Luzern 21997, S. 88 –in: Herzog,
Fridolin (Hrsg.), Erlebnispädagogik. Schlagwort oder Konzept?, Luzern 21997, S.85-99
76
Vgl.: Klawe, Bräuer, a.a.O., S. 52f.
71
27

Veränderung der Beziehung zwischen Betreuer und Jugendlichen in
Richtung auf gesteigerte gegenseitige Akzeptanz

wachsende Bereitschaft, reflektiert und fundiert eigene Entscheidungen für
den weiteren Lebensweg zu treffen“77.
Als ein weiteres mögliches Erziehungsziel, welches früher in aller Munde war und
heute scheinbar nicht mehr so große Bedeutung hat, soll hier das Erziehungsziel
Emanzipation genannt werden, da es für folgende Betrachtungen noch von
Wichtigkeit ist.
3.4 Alle in einem Boot! – Symmetrie vs. „Totale Institution“ ,
Hierarchie und Demokratie an Bord
Seefahrt gilt als traditionell stark „hierarchisch, patriarchalisch und verengt
leistungsorientiert“.78 In gewisser Hinsicht ist dies auch der Fall. Verwiesen sei
hier insbesondere auf die militärische Schifffahrt, in der, wie im gesamten
militärischen Bereich, eine sehr stark ausgeprägte hierarchische Struktur von
Befehl und Gehorsam mit teils drakonischsten Strafen bei Befehlsverweigerung
und Insubordination vorherrschte. Auch in der nicht direkt militärischen Seefahrt
war so etwas anzutreffen, wie das Beispiel des auf historischen Tatsachen
basierenden Romans „Meuterei auf der Bounty“ zeigt.
Übersehen wird aber allzu häufig, dass es auch schon früher in der
Handelsschifffahrt oder im Walfang und der Fischerei Formen von Partizipation –
meist in Form eines Schiffsrates – gegeben hat. Da die Mannschaft häufig am
Gewinn der Fahrt beteiligt war, war sie auch beteiligt an strategischen
Überlegungen, z.B. ob ein bestimmter Hafen zum Wasser- und Vorrätefassen
angelaufen werden soll oder zugunsten eines möglichen höheren Gewinns
weitergefahren werden soll.
Da beim Segeln alle an Bord gleichermaßen und für jeden wahrnehmbar unter
einigen unabänderlichen Rahmenbedingungen wie, wie eingangs dieses Kapitels
angedeutet, dem Wetter „leiden“, gibt es Elemente der Gleichheit an Bord. Vor
dem Wetter sind gewissermaßen alle gleich. Auch der sonst so mächtige
Pädagoge kann dagegen nichts tun. Alle sitzen in einem Boot. Auch müssen alle
die Enge des Raumes hinnehmen. Und wahrscheinlich werden alle das gleiche
essen. Auch kann der Pädagoge nicht, wie z.B. in einem Heim, nach seiner
Schicht nach Hause gehen, während die Bewohner bleiben müssen.
Es gibt also viele von der Situation vorgegebene Elemente der Gleichheit, die als
gute Voraussetzung für ein symmetrisches Interagieren, für ein Miteinander
anstelle einer Über-Unterordnung angesehen werden können. Eben diese
77
78
ebd., S. 53
Vgl.: Heckmair, Michl, a.a.O., S. 202
28
Symmetrie soll zu neuen Möglichkeiten der Beziehungsstrukturen, besonders
zwischen Pädagoge und Teilnehmer, führen und Konflikte vermeiden helfen.79
Die Wirklichkeit sieht leider häufig ganz anders aus:
In bestimmten Situationen, z.B. (sicherheitsrelevanten) Manövern, ist eine „klare
Kommandostruktur“ sicherlich auch unerlässlich. Wenn es schnell gehen muss,
bleibt eben keine Zeit, das Manöver erst „durchzudiskutieren“. Das gilt übrigens
sogar im Freizeitbereich. Einer ist für die Sicherheit des Schiffes und der
Besatzung juristisch verantwortlich – im Seerecht immer der mit dem höchsten
Qualifikationsnachweis. Um dem gerecht werden zu können, muss er natürlich
mit den nötigen Kompetenzen auch und gerade im Sinne von Befehlsgewalt
ausgestattet sein.
Derjenige, der aufgrund dieser Verantwortlichkeit an der Spitze der oben
angedeuteten Kommandostruktur steht – Schiffsführer, Skipper oder Kapitän
genannt – ist gleichzeitig auch immer in den pädagogischen Kontext eingebunden.
Selbst jenseits des Juristischen und der Konsequenzen daraus haben aber die
Betreuenden (Erwachsenen) an Bord meistens einen großen Wissens- und
Fähigkeitsvorteil das Segeln betreffend, auch aufgrund der häufig gegebenen
seglerischen Qualifikation80. Die dadurch allein schon entstehende Überlegenheit
muss aber nicht zugleich eine autoritäre Hierarchie an Bord bedeuten.
Oft herrscht aber eine über die Notwendigkeit im Manöver hinausgehende
autoritäre Hierarchie an Bord. Durch die Pädagogen werden Tagesabläufe sehr
stark strukturiert. Durch diese von den jungen Menschen so erlebte
Fremdbestimmung
oder
Entmündigung
bleiben
wenig
eigene
81
Gestaltungsmöglichkeiten . „Die Jugendlichen fühlen sich schikaniert und
unfähig zugleich“82. Pädagogen und Teilnehmer stehen sich als getrennte Gruppen
gegenüber83 – aber nicht symmetrisch. In diesem Zusammenhang von
Partizipation zu reden, wäre verfehlt. Eben genannte Erziehungsziele wie
Emanzipation und auch Verbesserung des Selbstbildes können so wohl kaum
erreicht werden.
So durchgeführte Segelprojekte können – wie viele erlebnispädagogische
Maßnahmen84 – durchaus schon einige Merkmale einer „Totalen Institution“
haben, wie sie Erving Goffman beschreibt. Als Merkmale einer „Totalen
Institution“ werden von Goffman genannt:
79
Vgl.: Klawe, Bräuer, a.a.O., S.17f.
Vgl.: Interview: Arp, Günther, a.a.O. / vgl.: Interview mit Thomas Piruzgar-Merkle, Leiter der
Anna-Catharina der Gesellschaft für Jugend- und Familienhilfe e.V., Düsseldorf, 25. Januar 2002
81
Vgl.: Sommerfeld, Peter, Erlebnispädagogisches Handeln, Weinheim München 1993, S. 104, S.
127
82
ebd., S. 136
83
Vgl.: ebd., S. 104f
84
Vgl.: Fatke, Reinhard, Kritische Anfragen der Erziehungswissenschaft an die
Erlebnispädagogik, Luzern 21997, S. 45 –in: Herzog, a.a.O., S. 35-48
80
29

Der soziale Verkehr mit der Außenwelt und die Freizügigkeit sind
beschränkt z.B. auch durch Wasser.85
 Eine Trennung verschiedener Lebensbereiche, z.B. Wohnen und Arbeiten
(Goffman nennt noch Spielen), ist aufgehoben.
 Die „Insassen“ verrichten ihre tägliche Arbeit in großen Gruppen, in denen
alle das gleiche tun müssen und gleich behandelt werden.
 Die „Insassen“ sind einer einzigen Autorität strikt unterworfen.86
 Mit den Bedürfnissen der „Insassen“ wird auch unabhängig von
Notwendigkeiten bürokratisch umgegangen.87
 An „Insassen“ gerichtete Erwartungen entsprechen einer „Insassenrolle“.
Wechsel zwischen verschiedenen sozialen Rollen, eine eigene
Rollenplanung ist nicht möglich.88
 Die „Insassen“ und das Personal stehen einander als getrennt und evtl.
auch feindselige Gruppen gegenüber.89
 Es wird über das Schicksal der „Insassen“ ohne deren Kenntnis davon
entschieden.90
 Das Selbstbild der „Insassen“ wird durch verschiedenste Demütigungen
verändert.91
Durch diese strukturellen und prozessualen Merkmale der „Totalen Institution“
soll es bei den „Insassen“ zu „depersonalisierenden Tendenzen“92 und der
Ausprägung von Merkmalen wie Apathie und Unterwürfigkeit kommen.
Nachdem noch kurz anzumerken ist, dass der wissenschaftliche Erkenntniswert
des Konzepts „Totale Institution“ umstritten ist93, stellt sich die Frage, inwieweit
die Merkmale einer „Totalen Institution“ im Falle längerfristiger Segelprojekte
tatsächlich gegeben sind.
Die Aufhebung der Trennung der Arbeitsbereiche ist tatsächlich gegeben. Ihr
unterliegen aber anders als z.B. in geschlossenen Heimen und anders als von
Goffman als typisch erachtet94 wie eben angedeutet nicht nur die Teilnehmenden
sondern auch die Betreuenden. Hier deutet sich ein erstes Problem der
Übertragbarkeit des Konzepts „Totale Institution“ an. Werden „Insassen“ mit
Teilnehmenden übersetzt, kann dieses Merkmal als nur eingeschränkt erfüllt
angesehen werden, weil es eben nicht nur für die „Insassen“ gilt. Andernfalls sind
85
Vgl.: Goffman, Erving, Asylums. Essays on the Social Situation of Mental Patients and other
Inmates, 1961 –übersetzt: Lindquist, Nils, Asyle. Über die soziale Situation psychiatrischer
Patienten und anderer Insassen, Frankfurt am Main 1972, S. 15f
86
Vgl.: ebd., S. 17
87
Vgl.: ebd., S. 18, S. 21
88
Vgl.: ebd., S. 25
89
Vgl.: ebd., S. 18f
90
Vgl.: ebd., S. 20
91
Vgl.: ebd., S. 22, S. 25 , S. 33, S. 43 u.v.m.
92
Fatke, a.a.O., S. 45
93
Vgl.: Höft-Dzemski, Reiner, Totale Institution, Stuttgart 1997, S. 960 –in: Deutscher Verein für
öffentliche und private Fürsorge, a.a.O., S. 960
94
Vgl.: Goffman, a.a.O., S. 18, S. 22
30
die Betreuenden selber auch „Insassen“. Dann können sie aber nicht alle einer
Autorität strikt unterworfen sein, weil die Betreuenden ja selber die Autorität
darstellen und dies auch nur in dem Maße, wie autoritär sie das Projekt gestalten.
Von der Gestaltung der Maßnahme hängt es auch ab, ob und wie stark
Rollenwechsel unmöglich gemacht werden, mit Bedürfnissen bürokratisch
umgegangen wird und gedemütigt wird. Ob es ein eben beschriebenes
Gegeneinander oder ein Miteinander gibt, ob und wie Teilnehmende an
Entscheidungen, die ihre Geschicke betreffen, beteiligt sind, sind Fragen der
konkreten Ausgestaltung.
Längerfristige Segelprojekte können also durchaus unbeachtet der Problematik
der Übertragbarkeit ein, mehrere oder alle Merkmale einer „Totalen Institution“
mit all ihren angesichts der oben angedeuteten Erziehungsziele kontraproduktiven
Wirkungen haben. Für eine „Totale Institution“ ist laut Goffman bezeichnend,
dass sie einen beträchtlichen Teil der Merkmale aufweist.95 Das erstgenannte
Merkmal leitet sich direkt – wie auch eben angedeutet – aus dem Arbeitsauftrag
eines Schiffes ab96. Die Erfüllung der anderen Merkmale hängt wesentlich von der
konkreten Ausgestaltung der einzelnen Maßnahmen durch die Betreuenden vor
Ort ab.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, möglichst viele Merkmale einer „Totalen
Institution“ zu vermeiden:
Anfangen kann das damit, dass größter Wert auf echte Freiwilligkeit bei der
Teilnahme an der Maßnahme, dass heißt auch ein Ausschluss von
Scheinfreiwilligkeiten, wie z.B. der Wahl zwischen Haft und Segelprojekt, gelegt
wird, wie mittlerweile auch praktiziert97. Freiwilligkeit heißt dementsprechend
auch, dass die jungen Menschen jederzeit die Maßnahme von sich aus abbrechen
können, ohne deshalb negative Konsequenzen fürchten zu müssen98.
Darüber hinaus könnte eine „behutsame Partizipation“ in die richtige Richtung
weisen, d.h. eine mit den Fähigkeiten und Erfahrungen wachsende Aktivierung
und Minderung von Passivität mit dem (wahrscheinlich nicht erreichbaren) Ziel
eines symmetrischen Agierens außer in Sicherheitsbelangen99. Dabei kommen die
Betreuenden in eine nicht ganz unkomplizierte Position. Sie sind juristisch für die
Sicherheit verantwortlich und größere Experten für das Medium Schiff,
gleichzeitig sind sie Erlebnisgefährten – alle in einem Boot – der Teilnehmenden,
95
ebd., S. 17
Vgl.: Hinze, Thomas, Langzeittörns mit verhaltensaufälligen Jugendlichen. Eine mögliche
Alternative zur geschlossenen Unterbringung, Bielefeld 1988, unveröffentlichte Diplomarbeit –
annotiert in: Buhl, Ines, Neumann, Kirsten, ANNOTIERTE BIBLIOGRAPHIE VON
ERLEBNISPÄDAGOGISCH
RELEVANTEN
PRÜFUNGSARBEITEN.
EINE
DOKUMENTATION UND AUSWERTUNG VON 158 STUDIEN, Lüneburg 1996, S. 37 –in:
Ziegenspeck, Jörg (Hrsg.), DIE ERLEBNISPÄDAGOGIK IM SPIEGEL VON 158
PRÜFUNGSARBEITEN. Annotierte Bibliografie, Lüneburg 1996, S. 11-71
97
Vgl.: Interview: Arp, Günther, a.a.O. / Vgl.: Interview: Piruzgar-Merkle, a.a.O.
98
Vgl.: ebd. / ebd.
99
Vgl.: Reiners, 11995, a.a.O., S. 25
96
31
bei denen es nötig sein kann, sehr klare Grenzen zu setzen. Außerdem müssen sie
noch die Metaposition des pädagogischen oder gar therapeutischen
Prozessbegleiters einnehmen100.
3.5 Und dann wieder zuhause... Die Transferproblematik
Wenn nun ein junger Menschen aus dem möglicherweise für sie oder ihn
gefährdenden Milieu (zu Hause) bewusst herausgenommen wird, um bestimmte
Lernprozesse überhaupt erst zu ermöglichen, wie kann dann das Gelernte, wenn
der junge Mensch wieder zurückkehrt, im alten Milieu weiter Anwendung finden?
Ist die Gefahr nicht sehr groß, dass der junge Mensch in seine alten
Verhaltensweisen, Lösungsmuster und Konfliktstrategien zurückfällt?
Die Frage des Transfers des Gelernten ist also von ganz entscheidender
Bedeutung für den Erfolg bzw. die Wirkung von milieufernen Projekten, zu denen
längerfristige Segelprojekte ja ohne Zweifel zählen. Die Frage des Transfers ist
wohl auch die mit am stärksten thematisierte und problematisierte in der
Erlebnispädagogik überhaupt101. Vielleicht ist sie die „Gretchenfrage an die
Erlebnispädagogik“102. „Mit der Beantwortung der Frage nach dem Transfer, so
scheint es, steht und fällt der erlebnispädagogische Ansatz.“103 So fordert z.B.
Willy Klawe: „Erlebnispädagogik ist ... keine Projektpädagogik, sondern wird aus
dem Alltag abgeleitet und muß in den Alltag zurückfließen“104 Richard
Münchmeier stellt fest: „Je weniger aber der thematische Gehalt des ,Erlebnisses’
z.B. in Bezug auf lebensweltliche und alltägliche Probleme der
Lebensbewältigung reflektiert wird, desto geringer werden die für jeden
pädagogischen Prozeß unverzichtbaren Transfermöglichkeiten aus der
Lernsituation in das ,Leben’ [Hervorhebung d.d.V.]“105 „Genau im Alltag ..
müssten sich die Lernerfolge der Erlebnispädagogik (wie natürlich jeder anderen
Methode der Jugendpädagogik) bewähren.“106
Wie sich hier schon abzeichnet, betrifft das Transferproblem aber die gesamte
Pädagogik und da besonders kurzzeitpädagogische Maßnahmen107, und da wieder
noch stärker erlebnisorientierte kurzzeitpädagogische Maßnahmen.108 Besonders
in diesem Zusammenhang, aber möglicherweise auch übertragbar auf
100
Vgl.: ebd., S.27f.
Vgl.: Bauer, 31987, a.a.O., S. 55
102
Vgl.: Heckmair, Michl, a.a.O., S. 200
103
ebd., S. 200
104
Klawe, Willy, Randale und Gewalt auf der Straße. Erlebnispädagogische Maßnahmen im
AgAG-Programm, Marburg 1996, -in: Becker, Peter u.a. (Hrsg.), Abenteuer – ein Weg zur
Jugend?, Marburg 1996, S. 95-105 (DORT NICHT GEFUNDEN!!!) –hier zitiert nach: Klawe,
Bräuer, a.a.O., S. 14
105
Münchmeier, Richard, München 1994, S. 30 –in: Bedacht u.a., a.a.O., S. 28-31
106
ebd., S. 30
107
Vgl.: Heckmair, Michl, a.a.O., S. 200
108
Vgl.: Bühler, J., Das Problem des Transfers. Kritisches zur erlebnisorientierten
Kurzzeitpädagogik, 1986 –in: Deutsche Jugend 34/1986, S. 71101
32
längerfristige Projekte, haben sich drei Modelle nacheinander und auseinander
entwickelt. Diese sollen im folgenden, wenn auch kurz, da es dazu genügend
Literatur gibt, vorgestellt werden109:
1. „The Mountains Speak for Themselves”
Bei diesem möglicherweise als “harten Weg”110 zu bezeichnenden Modell geht es
darum, durch die erlebnispädagogische Ausnahmesituation den Teilnehmenden
Schlüsselerlebnisse zu ermöglichen, mit deren Verarbeitung die Teilnehmenden
dann aber allein gelassen werden. Hier kommt es besonders auf die schon anfangs
angedeutete Erlebnistiefe (Intensität) an. Je tiefer das Erlebnis ist, desto stärker
soll die persönlichkeitsbildende Wirkung sein.
2. „Outward Bound Plus“
Die wie beim vorangegangenen Modell gemachten Erfahrungen und Erlebnisse
sollen durch angeleitete, gezielte Reflexion, also kognitiver Verarbeitung, stärker
in das Leben der Teilnehmenden integriert werden und dadurch besser in den
Alltag transferiert werden.
3. Metaphorisches Modell
Um nicht doch wieder, entgegen der ursprünglichen Grundidee der
Erlebnispädagogik, besonders die kognitive Dimension anzusprechen, sollte auf
das nachträgliche „Drüber-Reden“ wieder verzichtet werden. Dazu sollten die
Erlebnisse so gestaltet werden, dass die Übertragbarkeit der Erfahrung in den
Alltag und auf Probleme des Alltags durch starke Metaphorik bzw. Isomorphie,
also Gleichförmigkeit oder besser Gleichartigkeit oder Ähnlichkeit, offenkundig
wird.
Längerfristige Segelprojekte lassen sich dabei am ehesten – mit unterschiedlicher
Gewichtung je nach konkreter Ausgestaltung – den letzten beiden Modellen
zuordnen. Da die Menschen an Bord über längere Zeit zusammen sind, bleibt es
nicht aus, dass über Erlebtes gesprochen und reflektiert wird.
Gerade aber in Bezug auf die wichtigeren Lernziele im Bereich des nichtspezifischen Lernens sind starke „Isomorphien“111 zu erkennen: Das Leben in
einer Gemeinschaft und die damit verbundenen Notwendigkeiten, z.B.
gegenseitige Rücksichtnahme; die klare Kommunikation und das „Mitanpacken“,
das zum Gelingen eines Vorhabens führt; das Navigieren auf See, wie im Leben,
das durch eine gute Vorbereitung und Planung erleichtert wird; die
Unkontrollierbarkeit des Wetters, mit der trotzdem zurechtzukommen ist und
viele weitere.
Trotzdem bleibt die Frage, ob das Erlernte trotz seiner möglichen offensichtlichen
Übertragbarkeit unter den im alten Umfeld gegebenen und im Vergleich zur
Maßnahme völlig verschiedenen Bedingungen auch tatsächlich Anwendung
109
Vgl. etwa: Reiners, 11995, a.a.O., S. 60ff / Heckmair, Michl, a.a.O., S. 53f / Galuske, a.a.O., S.
213f / Schwiersch, a.a.O., S. 147ff
110
Schwiersch, a.a.O., S. 47
111
wörtlich: Gleichförmigkeiten
33
findet. Zu einem bestimmten Anteil ist sicher davon auszugehen. Die lange Zeit
und die eben beschriebenen Wirkmodelle werden bei dem jungen Menschen
Spuren hinterlassen – auch in tieferen Ebenen seiner Persönlichkeit – die noch
länger nachwirken. Wie schnell aber verblassen diese Eindrücke und verwehen
diese Spuren? Die alten Erinnerungen aus der Zeit vor dem Segelprojekt sind ja
nicht „gelöscht“, sondern immer noch da. Die Möglichkeit der Rückerinnerung
und damit verbundenen Rückfälligkeit in alte Verhaltensweisen und Perspektiven
besteht besonders auch angesichts der größeren Isomorphie zwischen der
Situation vor und nach der Maßnahme als zwischen der Situation in und nach der
Maßnahme.
Hier kann Nachbetreuung ansetzen. Vielleicht ist es jedoch übertrieben, zu
behaupten, in der Jugendhilfe sei der Transfer nur dann gewährleistet, wenn der
Transferprozess begleitet wird.112 Im Rahmen der Nachbetreuung kann ein junger
Mensch dabei begleitet und unterstützt werden, mit den neu erlernten
Verhaltensweisen, Strategien und Perspektiven auf altbekannte Situationen der
Lebenswelt zu reagieren. Segelprojekte, sowie überhaupt erlebnispädagogische
Maßnahmen, sollten also integriert sein – vielleicht als Einstiegsmaßnahme - in
ein darüber hinausgehendes individuelles Konzept, in dem Nachbetreuung auch
durch qualifiziertes Personal weitergeführt wird.113 Dadurch kann der Erfolg eines
Segelprojektes deutlich gesteigert werden.114 So folgen auch viele
Diplomarbeiten, die sich mit längerfristigen Segelprojekten beschäftigen, einem
Drei-Phasen-Modell von Vorbereitung, Seephase und Nachbereitung.115 Und so
stellt etwa Münchmeier eine „...Tendenz, an die erlebnispädagogische eine Phase
des Übergangs bzw. der ,Nachbetreuung’ anzuhängen, ...“116 fest.
Dabei stellt es sich häufig als schwierig bis unmöglich heraus, die Kontinuität der
Bezugspersonen zu gewährleisten. Gelöst ist dieses Problem z.B. bei Gangway
e.V., wo nach der halbjährigen Seephase das Personal der UNDINE auch auf der
Landstation mitarbeitet.117
3.6 Segelpädagogik oder Segeltherapie?
So, wie Kurt Hahn nicht von Erlebnispädagogik, sondern von Erlebnistherapie
sprach, könnte hier die Frage gestellt werden, inwieweit gerade in Bezug auf die
als junge Menschen in psychosozialen Notlagen bezeichnete Zielgruppe von
Segeltherapie die Rede sein muss. So gibt es auch einige Diplomarbeiten über
therapeutisches oder sozialtherapeutisches Segeln, in denen von pädagogischen
112
Vgl.: Bedacht, Andreas, Manteler, Rolf, Theoriedefizit, Grenzen, Missverständnisse der
Erlebnispädagogik, 1994, S. 123 –in: Bedacht u.a. (Hrsg.), a.a.O., S. 119-125
113
Vgl.: Fatke, a.a.O., S. 47
114
Vgl.: Interview: Piruzgar-Merkle
115
Vgl.: Buhl, Neumann, a.a.O., S. 21ff
116
Münchmeier, a.a.O., S. 30
117
Vgl.: Interview: Arp, Günther / Interview Niemeyer
34
und therapeutischen Möglichkeiten die Rede ist.118 Erlebnispädagogik allgemein
soll ein ganzes Bündel verschiedenster psychotherapeutischer Effekte beinhalten
und psychotherapeutischer Wirkungen entfalten, sodass das Erlebnis auch in der
Psychotherapie wieder eine große Rolle spielt.119
Wenn Kurt Hahn sein Konzept Erlebnistherapie nannte, weil es sich an Defiziten
orientierte120, an „sozialen Seuchen“, wie dem „Verfall der Unternehmungslust“,
dem „Verfall der Sorgsamkeit“ und dem „Verfall der menschlichen
Anteilnahme“121, aber sein „Ansatz zur Therapie .. ein pädagogisches Konzept“122
war, dann kann das auch unter Berücksichtigung der Erziehungsziele als ein
Indikator zumindest für therapeutische Anteile in der Segelpädagogik gesehen
werden.
Letztlich ist es wahrscheinlich auch nicht sinnvoll, eine strikte Trennlinie
zwischen Therapie und Pädagogik zu ziehen, gab es doch immer wieder
Methoden, die in beiden Feldern sinnvolle Anwendung fanden – z.B. die nondirektive Gesprächsführung nach Carl Rogers123, Überschneidungen und
Zusammenwirken. So gilt denn auch in der Projektkonzeption der ANNACATHARINA der sozialtherapeutische Ansatz als hilfreich für die pädagogische
Arbeit an Bord.124 Die Lernprozesse hier haben durchaus schon therapeutischen
Charakter, basieren sie doch auf dem Modell der „Logischen Ebenen“ nach
Gregory Bateson125. Die logischen Ebenen sind (von unten nach oben) „Äußerer
Zusammenhang“,
„Verhalten/Fähigkeiten“,
„Werte/Glaubenssätze“
und
schließlich „Identität/Zugehörigkeit“. Krisen führen mit der Zeit auf immer
höheren logischen Ebenen zu der Möglichkeit neuer Perspektiven.126 „Die Krise
ist ein produktiver Zustand, man muß ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe
nehmen.“127
So haben erlebnispädagogische Maßnahmen und besonders Segelprojekte nicht
selten eine „...therapeutische Qualität...“128 oder „...großen therapeutischen
Nutzwert.“129
118
Vgl.: Buhl, Neumann, a.a.O., S. 20ff
Vgl.: Haf, Wolfgang, Michl, Werner, Psychotherapeutische Wirkungen der Erlebnispädagogik,
München 21994, S. 151ff –in: Bedacht, Andreas u. a. (Hrsg.), a.a.O., S. 151-157
120
Vgl.: Reiners, 1995, a.a.O., S. 15
121
Vgl. etwa: Bauer, 31987, a.a.O., S. 23
122
Schad, Nico, Eckern, Monika, „See me, feel me, touch me, heal me...“. Erlebnis und Therapie =
Erlebnistherapie?, München 21994, S. 180 –in: Bedacht u.a. (Hrsg.), a.a.O., S. 180-199
123
Vgl. etwa: Rogers, Carl R., Die nicht-direktive Beratung, München 1972
124
Vgl.: Gesellschaft für Jugend- und Familienhilfe e.V., a.a.O., S. 10
125
Vgl.: ebd., S. 8ff, S. 15
126
Vgl.: ebd., S. 15
127
Max Frisch, hier zitiert nach: Heckmair, Michl, a.a.O., S. 86
128
Münchmeier, a.a.O., S. 29
129
Heckmair, Michl, a.a.O., S. 88
119
35
3.7 Sinn oder Unsinn, das ist hier die Frage – Einschätzungen des
pädagogischen Erfolgs
Nach der vorangegangenen Darstellung einiger wesentlicher Wirkfaktoren, die
keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, soll nun (entgegen den Ausführungen
zu Anfang des Kapitels) eine Einschätzung des Sinns bzw. Erfolgs oder der
Wirksamkeit von längerfristigen Segelprojekten gegeben werden. Dazu wurden
die für diese Arbeit vorliegenden Arbeiten, meist Diplomarbeiten, die sich mit der
Wirksamkeit einzelner oder mehrerer Projekte beschäftigen in chronologischer
Reihenfolge aufgeführt, um einen Eindruck gewinnen zu können, ob sich die
Sichtweise auf den Sinn verändert hat. Die jeweils aufgeführten Beurteilungen
speisen sich in den meisten Fällen aus intensiven Beschreibungen einzelner
Projekte vor dem Hintergrund theoretischer Überlegungen, ähnlich den hier
vorangegangenen. Sie können daher ihrerseits wohl als Einschätzungen gelten.
Alle in dieser Tabelle aufgeführten Arbeiten finden sich im
Prüfungsarbeitenarchiv des Instituts für Erlebnispädagogik Lüneburg:
36
Tabelle 1: Prüfungsarbeiten aus dem Archiv des Instituts für Erlebnispädagogik Lüneburg
Jahr Anzahl davon mit
der
positiver/
Arbeiten neutraler/
negativer
Einschätzung
1978
1
0/0/1
1979
1
0/1/0
1983
3
1985
1986
1987
3
2
4
1988
8
1989
1990
3
3
1991
3
1992
1993
3
2
1994
1995
2
1
Besonderheiten
der
Untersuchungen
dieses Jahres
besonders
relevante
Kritik
Kaum Verhaltensänderungen
Erwägen
von
Innovation
1/2/0 Ergänzung
zur Abgrenzung
zum
Heimerziehung
Therapeutischen
3/0/0
Mehr Nachbetreuung
2/0/0
Mehr Nachbetreuung
3/0/1 Alternative
zur Mangelnde wissenschaftliche
herkömmlichen
Prüfung und Prüfbarkeit
Erziehung
und
geschlossener
Unterbringung
4/4/0 Viel konzeptuelle
Weiterentwicklung
1/2/0
Mehr Nachbetreuung
2/1/0 Auch Übertragung
auf
andere
Zielgruppen
1/2/0 Konzeptuelle
Weiterentwicklung
und Übertragung
auf
andere
Zielgruppen
1/2/0
0/2/0
Gefahr
der
Kommerzialisierung
2/0/0
1/0/0 ARGE-NOAH
130
130
Siehe auch Anhang II
37
Zusätzlich und nicht aus dem Prüfungsarbeitenarchiv:
Stefan Kupko beschreibt in Auswertung eines sechsmonatigen Segeltörns 16
jugendliche Teilnehmende und deren positive Entwicklung sozialen Verhaltens
und körperlicher Konstitution.131
Thomas Hegemann untersucht in einer katamnestischen132 Studie 61
Teilnehmende von achtmonatigen Maßnahmen des „heilpädagogischen Heims zur
See ,Anna-Catharina e.V.’“ und stellt anhand der Bewertungskriterien
Ausbildungsabbruch, Verwahrlosung, Delinquenz, Psychiatrie und betreute
Einrichtung 51,3 und 88,8 Prozent fest.133
Die zwischen Oktober 1996 und Juli 1997 befragten Jugendämter schätzen laut
Willy Klawe und Wolfgang Bräuer die Effekte erlebnispädagogischer
Maßnahmen, von denen 15,2 Prozent Schiffsprojekte sind, meist positiv ein;
selbst abgebrochene Maßnahmen können noch positive Effekte haben.134
Aus dem hier aufgeführten Katalog, der mit Sicherheit nicht vollständig alle zum
Thema geschriebenen Arbeiten enthält, lässt sich natürlich nichts beweisen.
Tendenzen lassen sich aber schon ablesen.
Als ein Nebenergebnis könnte die Verteilung der Arbeiten angesehen werden. Die
meisten wurden zwischen Mitte der 80er und Anfang der 90er Jahre geschrieben.
Danach nahmen die Arbeiten zum Thema immer weiter ab. Eine dazu gezeichnete
Kurve wäre bei geschickter Wahl des Maßstabs phasenverschoben zur Kurve
eines unter 2.4 angedeuteten Umfangs der Projekte. Der Höhepunkt der Kurve
„Anzahl der Prüfungsarbeiten“ geht dem Höhepunkt der Kurve „Anzahl der
Projekte“ zeitlich voraus.
Möglicherweise kann dies als weiteres Indiz für die These gewertet werden, das es
immer weniger Projekte dieser Art gibt, zumindest aber, das die „Hochphase“
längerfristiger Segelprojekte mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen
vorbei ist.
Die hier dargestellten Arbeiten zeichnen, obwohl mit Kritik und
Verbesserungsvorschlägen nicht gespart wird, grundsätzlich ein eher positives
Bild der Wirkungen solcher Projekte; und dies über Jahre sehr konstant. Eine
Ablehnung, die sich mit der Zeit ergeben hätte, lässt sich hieraus nicht ableiten.
131
Vgl.: Uhlmann, Katharina, Effektivität und Wirkvariablen erlebnispädagogischer
Langzeitprojekte bei Jugendlichen mit Störungen des Sozialverhaltens, Tübingen 1995,
unveröffentlichte Diplomarbeit, S. 42
132
Katamnese bedeutet eine Betrachtung der „Nachgeschichte“ eines Teilnehmers einer
Maßnahme (in gewisser Weise als Gegensatz zu Anamnese, die die „Vorgeschichte“ betrachtet)
133
Vgl.: Hegemann, Thomas, Untersuchungen zum Rehabilitationserfolg eines
sozialtherapeutischen Segelschiffprojektes, Lüneburg 1992, S. 14ff –in: Zeitschrift für
Erlebnispädagogik 3/1992, S. 14-22
134
Vgl.: Klawe, Bräuer, a.a.O., S. 94ff
38
3.8 Andere Konzepte für junge Menschen in psychosozialen
Notlagen
Wenn nun der pädagogische Sinn längerfristiger Segelprojekte weiterhin
angenommen wird, heißt das noch lange nicht, dass es jeweils das einzig sinnvolle
ist. Bedeutete moderne Erlebnispädagogik Anfang der 70er Jahre fast
ausschließlich Segelpädagogik135, gibt es heute eine große Auswahl verschiedener
erlebnispädagogischer und sonstiger Angebote, z.B. für junge Menschen in
psychosozialen Notlagen. Neben – auch eher klassisch erlebnispädagogischen –
alpinen Aktivitäten wie Skifahren, Abfahrt und Langlauf, oder Bergwandern sind
auch Klettern und Abseilen, Höhlenwanderungen, Schlauchboot- und
Ruderbootfahrten usw. anzutreffen, die aber nicht in dem Maße einen
abgeschlossenen Lebensraum darstellen und höchst selten als längerfristige
Projekte angeboten werden. An dieser Stelle kann z.B. auch auf die recht neue
Entwicklung „City Bound“ hingewiesen werden: Hier wird, im Gegensatz zu den
eben genannten Aktivitäten, die in der „Freien Natur“ stattfinden, die eigene Stadt
als Erlebnis- und Lernraum aufgefasst bzw. soll den jungen Menschen geholfen
werden, in der eigenen Stadt, die so arm an natürlichen, nicht technisierten und
kommerzialisierten
Erlebnisräumen
zu
sein
scheint,
(legale)
Erlebnismöglichkeiten zu erschließen. So kann „City Bound“ sehr
lebensweltorientiert an dem ansetzen, was z.B. Ulrich Beck in seiner
Risikogesellschaft136 beschrieben hat und wieder Möglichkeiten kleinerer
individueller Gefahren, Abenteuer und Herausforderungen da bieten, wo sie ganz
besonders verloren schienen: in der eigenen Stadt.137
Zu finden sind die meisten oben genannten Angebote aber eher im Bereich
offener Jugendarbeit, als Ferienfreizeit oder ergänzend als Teilmaßnahme in der
Heimerziehung oder geschlossenen Unterbringung. Hier, in Heimerziehung und
geschlossener Unterbringung, haben wir es dann auch schon häufiger zu tun mit
jungen Menschen in psychosozialen Notlagen. Oben beschriebene
erlebnispädagogische Kurzmaßnahmen können eingebettet in das sonstige
Konzept oder abgestimmt auf den Einzelfall auch immer wieder ihren Sinn
machen, wenn es z.B. darum geht, den Heimalltag aufzulockern und aus ihm
auszubrechen oder um das ewige Reden zu durchbrechen und praktisches Tun zu
ermöglichen u.s.w.138
Die langfristigen und milieufernen erlebnispädagogischen Projekte, die z.B. ins
Spiel kommen, wenn die Heimerziehung an ihre Grenzen stößt, lassen sich in drei
große Gruppen unterteilen: Stand-, Reise- und Schiffsprojekte. Wobei
135
Vgl.: Fischer, Ziegenspeck, a.a.O., S. 268
(Vgl.:) Beck, Ulrich, Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne, Frankfurt a.M.
1986
137
Vgl. etwa: Heckmair, Michl, a.a.O., S. 176ff
138
Vgl. etwa: Quensel, Stephan, Eine alternative Pädagogik für sozial behinderte Jugendliche –
Prinzipien und Hindernisse, Freiburg im Breisgau 21991, S. 13ff –in: Nickolai, Werner u.a., 21991,
a.a.O., S. 11-37
136
39
Standprojekte heißt, dass der junge Mensch bei Pädagogen oder Gastfamilien an
einem festen Ort untergebracht wird. Diese Art „erlebnispädagogisches Projekt“
kommt noch am häufigsten vor, gefolgt von den Reiseprojekten und danach den
Schiffsprojekten. Schwierig ist dabei die Zuordnung von Mischformen.139 Wenn
ein Schiff längere Zeit an Land repariert und restauriert wird, zählt es dann zu den
Stand- oder Schiffsprojekten?
Wie unterscheiden sich nun Stand- und Reiseprojekte von Schiffsprojekten?
Einige Besonderheiten bzw. besondere Chancen und Risiken von Segelprojekten,
die ja Schiffsprojekte sind, wurden eben schon beschrieben. Als erster
Unterschied ist wohl der zwischen Land und Wasser zu nennen. Die Folgen
daraus sind, dass auf dem Wasser das „Entkommen“ für den jungen Menschen
nahezu unmöglich ist, bei einem Reiseprojekt meist immer noch schwer und bei
einem Standprojekt wohl etwas leichter, weil für den jungen Menschen etwas
mehr „Planungssicherheit“ für einen „Ausbruch“ bestünde. Da gerade dieser
Aspekt in hohem Maße sowohl Chance als auch Risiko darstellt, erfordern alle
drei Projektarten, das Segeln aberganz besonders, ein hohes Maß an Sensibilität in
Bezug auf „Freiheitsentzug“ und Freiwilligkeit seitens der Teilnehmenden.
Die zeitliche Strukturierung des Tages dürfte beim Standprojekt am größten sein,
während beim Segeln die Abhängigkeit vom Wetter und beim Reisen die ständig
neuen Umgebungen dies etwas schwieriger machen.
Auch werden sich in allen drei Projektarten etwas unterschiedliche soziale
Strukturen und Formen der Kommunikation und des Zusammenlebens und
-arbeitens ergeben. Die einzelnen Unterschiede herauszuarbeiten würde hier den
Rahmen sprengen.
3.9 Für wen ist nun was sinnvoll? – Zielgruppe(n) I
Aufgrund der vorherigen Überlegungen kann wohl davon ausgegangen werden,
dass ein längerfristiger Aufenthalt auf einem Segelschiff für fast alle Menschen
von großem persönlichem Nutzen sein kann – weit über die in dieser Arbeit
genannte Zielgruppe junger Menschen in psychosozialen Notlagen hinaus. Die
Erfahrung der „Entschleunigung“ als Kontrast zur allzu oft hektischen Alltagswelt
mit ihren Terminen kann die „Langsamkeit entdecken“ lassen und wieder das
Auge für scheinbar unbedeutende Details öffnen. Enge Termine einhalten zu
wollen, ist vor dem Hintergrund der Unwägbarkeiten des Wetters ein schwieriges
bis sinnloses Unterfangen. Und eben diese Unwägbarkeiten, die damit
zusammenhängenden Urgewalten der See relativieren die Herrschaft des
Menschen über die Natur. Sie ist eher eine Partnerin, auf die die Menschen sich
einlassen müssen. Es klappt besser, mit ihr und dem Wind zu fahren als dagegen.
In Rahmen der Jugendhilfe kommen aber häufig nur die „schwierigen Fälle“ in
den „Genuss“ eines Segeltörns, wobei „Genuss“ aus Sicht der Teilnehmenden
139
Vgl.: Klawe, Bräuer, a.a.O., S. 95ff
40
häufig, wie eben angedeutet und später nochmals aufgegriffen, Entbehrung und
harte Arbeit auch und vor allem an sich selbst bedeutet. Das Ansetzen bei
„schwierigen Fällen“ ist in mehrerlei Hinsicht aber problematisch , was noch zu
zeigen sein wird.
Wird nun innerhalb der Zielgruppe „Junge Menschen in psychosozialen
Notlagen“ nach Merkmalen gesucht, die in besonderer Weise für ein Segelprojekt
und nicht ein Stand- oder Reiseprojekt sprechen, müssen wieder die
Besonderheiten des Segelns bemüht werden.
Zunächst ist es in besonderem Maße sinnvoll für junge Menschen, die Konflikten
eher aus dem Weg gegangen sind und dadurch in Probleme geraten sind. Dann ist
es in besonderem Maße sinnvoll bei jungen Menschen, die sehr stark mit
inkongruenten Aussagen konfrontiert waren und nun in der durch das Medium
Segeln erforderlichen klaren Kommunikation Halt finden können und selber eine
klare Kommunikation lernen können.
Es gibt natürlich auch Merkmale die gegen ein längerfristiges Segelprojekt
sprechen, Kontraindikationen also: Neigung zu Seekrankheit ist da noch fast die
harmloseste. Wenn aus irgendeinem Grund, z.B. wahnhaften oder hirnorganischen
Störungen140, Situationen völlig falsch eingeschätzt werden, bringt der Teilnehmer
oder die Teilnehmerin sich selbst und vielleicht alle anderen in große Gefahr und
die Erreichbarkeit ist nicht so gegeben wie an Land. Bei Borderline-Strukturen
kann es sein, dass der oder die Teilnehmende, wenn er oder sie sich in –
möglicherweise gar nicht realer – Gefahr wähnt, dauerhaft auf die „andere Seite“
abkippt. Selbst hier bestehen noch Chancen auf Verbesserung der
Lebenssituation, die Gefahr ist aber zu groß.141
140
141
Vgl.: Gesellschaft für Jugend- und Familienhilfe, a.a.O., S. 9
Vgl.: Interview: Piruzgar-Merkle
41
4. Gesellschaftliche und politische Aspekte
4.1 „Finales Rettungskonzept“ und „Soziale Verklappung“
An dieser Stelle wird noch einmal auf einen Aspekt verwiesen, der auch als
pädagogischer Aspekt gelten könnte. Weit mehr ist er aber nicht ursächlich
pädagogisch, sondern hat pädagogische Probleme zur Folge. Es handelt sich hier,
wie im weiteren noch vermehrt, um eine Sicht auf längerfristige Segelprojekte
und andere längerfristige Maßnahmen. Zentraler Begriff ist hierbei der des
„Schwierigsten“ Jugendlichen oder jungen Menschen, für den ein solches Projekt
angeboten wird.
Zunächst legt er den – möglicherweise oberflächlichen – Gedanken nahe, eben
erst ein „schwieriger Fall“ werden zu müssen, um in diesen „Genuss“ zu kommen.
Warum sollte anderen das nicht auch gewährt werden?142 Eine berechtigte Frage
mit hohem Neidpotential, wie im Folgenden noch zu sehen sein wird.
Darüber hinaus geht die Spirale der Stigmatisierung und Etikettierung weiter: „Du
wirst Segeln geschickt, du bist ein schwerer Fall.“ Es kommt also zu einer
weiteren Ausgrenzung des „Schwierigen“.143
Hier ist also der Anknüpfungspunkt für eine Maßnahme die Auffälligkeit, das
abweichende Verhalten, das nicht gewünscht wird, nicht nur weil es Normen
verletzt, sondern diese auch in Frage stellt. Wird bei abweichendem Verhalten
angeknüpft, äußert sich darin auch immer ein von Nachträglichkeit geprägter
Sanktionsgedanke, eine gewollte Herbeiführung einer Verhaltensänderung im
Sinne einer Verhaltensanpassung.144
In der Frage nach dem Umgang mit den „Schwierigen“ und „Schwierigsten“
haben sich in Bezug auf längerfristige erlebnispädagogische Maßnahmen und
damit auch segelpädagogische Maßnahmen, vor allem wenn sie im Ausland
stattfinden, zwei Sichtweisen etabliert, die sich nicht, wie noch gezeigt wird,
entgegenstehen müssen und teilweise überschneiden. Ihnen ist gemeinsam, dass
sie wieder enorme pädagogische Probleme nach sich ziehen. Die beiden
Sichtweisen entsprechen einer der Erlebnis- und Segelpädagogik wohlgesonnenen
und einer dieser nicht so wohlgesonnenen Beantwortung der in einigen
Grundzügen bedenklichen Frage: „Was tun mit den ,Schwierigsten’ ?“
Die der Erlebnispädagogik wohlgesonnene und von ihr selber mitgetragene
Sichtweise entspricht der eines „Finalen Rettungskonzeptes“. Durch die unter 3.3
beschriebenen sehr umfassenden und von den Protagonisten als realistisch
eingeschätzten Erziehungsziele wird suggeriert, mit Erlebnispädagogik und
besonders mit längerfristigen Projekten wäre nahezu alles zu schaffen. Noch so
schwer wiegende psychologische bis psychopathologische Probleme seien
Vgl.: Gottschalk, Wolfgang, München 1994, S. 40 –in: Bedacht u.a. (Hrsg.), a.a.O., S. 37-42
Vgl.: Bauer, Hans G., München 1994, S. 44 –in: Bedacht u.a. (Hrsg.), a.a.O., S. 43-46
144
Vgl.: Gottschalk, a.a.O., S. 40
142
143
42
behebbar. Berichte, dass dies in Einzelfällen auch gelingt bzw. Verbesserungen
der Situation des Teilnehmenden erreicht wurden, gibt es. Gleichzeitig ist häufig
von einem hohen damit verbundenen Risiko die Rede.145 In Fällen solcher
wenigstens teilweiser Erfolge ist aber auch häufig eine Höher- oder
Zusatzqualifikation im Sinne einer therapeutischen Zusatzausbildung etwa seitens
eines Mitarbeitenden gegeben.
Auf der anderen Seite scheint ein Bedarf an eben solchen „finalen
Rettungskonzepten“ sehr groß zu sein.146 Und zwar wohl in dem Sinne, froh sein
zu können, ein Allheilmittel gefunden zu haben. Die Versuchung ist groß, erst
alles andere zu probieren, und dann, wenn scheinbar gar nichts mehr geht, zu
erlebnispädagogischen Langzeitprojekten als „ultima ratio“147 zu greifen. Dies
beinhaltet schon eine fatale Konsequenz. Deutlich wird sie an der Frage: Was ist,
wenn nun auch das längerfristige erlebnispädagogische (Segel-)Projekt scheitert?
Wenn dies die finale Hilfe, die letzte Rettung schwierigster Jugendlicher war, ist
hernach keine weitere mehr möglich und sinnvoll?148 Die Stigmatisierung gelangt
damit auf die neue Ebene mit dem diagnostischen Etikett „unheilbar“. Aus einem
jungen Menschen, stigmatisiert mit dem Etikett „hilfsbedürftig“ ist einer
geworden, dem nicht mehr zu helfen ist. Hier zeigt sich, dass so verstandene
erlebnispädagogische
Maßnahmen
„das
letzte
Glied
eines
als
149
Verschärfungszusammenhang verstehbaren Jugendhilfesystems“ darstellen.
Darüber hinaus tragen die mit der Sichtweise eines „finalen Rettungskonzeptes“
verbundenen überhöhten Erwartungen dazu bei, dass mehr und mehr Misserfolge
wahrgenommen werden. Wenn mit einer Maßnahme Ziele verbunden werden, die
gar nicht zu erreichen sind, ist diese Maßnahme von Vornherein zum Scheitern
verurteilt.
Diese wohlwollende Sichtweise generiert dadurch in gewisser Weise selber
Enttäuschungen, die zu einer ablehnenden Sichtweise führen.
Gleichzeitig bietet ein „finales Rettungskonzept“ als Allheilmittel auch die
Möglichkeit, die „schwierigen Jugendlichen“ leichter zu versorgen und damit als
Fälle zu „entsorgen“. Junge Menschen die Probleme haben, Probleme machen,
also „Probleme sind“, werden behandelt wie andere Probleme auch. Wenn sie als
gar nicht oder nur sehr schwer lösbar und „klärbar“ eingestuft werden, ist die
Tendenz groß, sie zu verschieben. In einer krassen und überspitzten Formulierung
werden junge Menschen wie menschlicher Abfall behandelt und auf See entsorgt,
also verklappt. Beispiele dieser „sozialen Verklappung“150 gibt es auch in anderen
Bereichen: Von den alten Menschen, die in Pflegeheimen mehr oder minder gut
145
Vgl.: Interview Piruzgar-Merkle, Vgl.: Kapitel 3.9
Vgl.: Bauer, Hans G., Annäherung an den Begriff „Moderne Erlebnispädagogik“, München
1995, S. 41 –in: Kölsch (Hrsg.), a.a.O., S. 37-53
147
wörtlich: letzte Vernunft, hier i.S. letzte Möglichkeit
148
Vgl.: Interview Niemeyer, a.a.O.
149
Bauer, Hans G., Innovation oder Verklappung?. Einige Anmerkungen zur Diskussion über
erlebnispädagogische Projekte im Ausland, S. 16 –in: erleben & lernen, 1/1997, S. 14-17
150
Vgl.: ebd., S. 14ff
146
43
versorgt werden, um der „jugendlichen“ Spaßgesellschaft nicht mehr im Wege zu
stehen, über die Obdachlosen, die nicht mehr in der Stadt betteln sollen, weil sie
dadurch die Kundschaft von den feineren Geschäften abschrecken würden, bis
eben zu „Problemkindern“.
Dabei gibt es im Bereich der Jugendhilfe natürlich unterschiedliche
Ausprägungen dieses Phänomens. Unterschieden werden sollte, ob das, was hier
mit „Verklappung“ angedeutet wurde, bewusst oder unbewusst geschieht. In
vielen Fällen ist ein bewusstes Verklappen um einer bequemen Entsorgung willen
wohl eine übertriebene Unterstellung. Es ist ja häufig noch gut gemeint, wenn die
„Mami ihr Kind zur Reparatur abgeben will“151.
Als direkte Folge im Sinne eines pädagogischen Risikos ist die unter 3.4 als
wichtig erarbeitete Freiwilligkeit der Teilnehmenden nicht mehr gegeben152 und
die Gefahren einer „Totalen Institution“ vergrößern sich.
Sinnvoll scheint in diesem Zusammenhang, bei etwaigen Vorgesprächen und
Hilfeplangesprächen sehr „hellhörig“ zu sein, wer die Maßnahme wirklich will:
Der junge Mensch tatsächlich selber oder doch die Fallzuständigen im Jugendamt
und bei ehemaligen Einrichtungen oder die Eltern.153
Nicht übersehen werden sollte hier, dass dies bei den Anbietern von
Segelprojekten möglicherweise nicht immer so genau beachtet wird. Eine
Ablehnung eines Teilnehmers, in diesem Falle aufgrund der Unfreiwilligkeit,
bedeutet schließlich diesen Platz zunächst nicht besetzt zu haben, was, wie noch
zu zeigen sein wird, für das finanzielle Überleben wichtig sein kann.
Weitergedacht ist sogar ein Anbieter möglich, der bewusst und wider besseres
Wissen sich dafür anbietet und sozusagen den „Entsorgungsunternehmer“ spielt,
der die Verklappung auf Kosten des jungem Menschen und der Qualität der
pädagogischen Arbeit gerne durchführt.
Wie klar wird, sind die Sichtweisen des „finalen Rettungskonzeptes“ und der
„sozialen Verklappung“ Teilaspekte eines Aspektes, der gut als „Überfrachtung“
bezeichnet werden kann und der dazu beitragen kann, die Segelpädagogik zum
kentern und sinken zu bringen.
4.2 Rechtliche Grundlagen
Die wesentliche rechtliche Grundlage für soziale Arbeit mit Kindern und
Jugendlichen bildet das Achte Buch Sozialgesetzbuch, das Kinder- und
Jugendhilfegesetz (KJHG). Nach jahrzehntelanger Diskussion nahm 1988 ein
Gesetz zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts die parlamentarischen
Hürden. Inkrafttreten sollte das neue KJHG am 1. Januar 1991.
Vereinigungsbedingt trat das KJHG in den neuen Ländern aber schon mit dem
151
Interview Piruzgar-Merkle, a.a.O.
Vgl.: ebd.
153
Vgl.: Interview Piruzgar-Merkle, a.a.O.
152
44
Tag der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 in Kraft, in den alten Ländern
dann wie geplant am 1. Januar 1991154. Damit „...wurde die mit der Novellierung
des RJWG (Reichsjugendwohlfahrtsgesetz, d.A.) im Jahre 1961 eingeleitete
Entwicklung von einem Ordnungsgesetz hin zu einem modernen Leistungsgesetz
zementiert und weitgehend abgeschlossen.“155
Innerhalb des KJHG befasst sich ein erstes Kapitel mit allgemeinen Vorschriften.
Hier im §1 Absatz 1 wird zunächst ein grundsätzliches Recht jedes jungen
Menschen auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer
eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit konstatiert.156
Dadurch werden in gewisser Weise schon grundsätzliche Erziehungsziele
festgelegt, nämlich Eigenverantwortlichkeit und Gemeinschaftsfähigkeit. Dazu
sollen nach §1 Absatz 3 insbesondere die soziale Entwicklung gefördert und
Benachteiligungen abgebaut werden. Die Eltern, denen nach §1 Absatz 2 zunächst
das Recht auf die und die Pflicht zur Erziehung zukommen, sollen in der
Erziehung beraten und unterstützt werden. Kinder und Jugendliche sollen vor
Gefahren geschützt werden und es soll dazu beigetragen werden, dass die
Bedingungen für eine gelingende Erziehung gut sind.157
Das KJHG unterscheidet in §2 bei den Aufgaben der Jugendhilfe zwischen
Leistungen und sonstigen Aufgaben.158 Auf Leistungen haben die Bürgerinnen
und Bürger einen Rechtsanspruch. Zu den anderen Aufgaben zählen hoheitliche
und Kontrollaufgaben.
Zu den Leistungen zählen auch die Hilfen zur Erziehung, die Eingliederungshilfen
für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche und die Hilfen für junge
Volljährige, aufgeführt im gleichlautenden vierten Abschnitt des zweiten Kapitels
des KJHG mit entsprechenden Unterabschnitten159, die in der Mehrzahl der Fälle
die rechtliche Grundlage längerfristiger Segelprojekte mit jungen Menschen in
psychosozialen Notlagen darstellen. Zu nennen ist hier besonders der §27, Hilfe
zur Erziehung und dann in der Konkretisierung der §34, Heimerziehung und §35,
Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung. Wobei der §35 meist nicht
Grundlage der Maßnahme selber ist, aber häufig in der Nachbetreuung.
Dementsprechend beziehen sich die Maßnahmen auf der ANNA-CATHARINA
und der UNDINE bei den Hilfen zur Erziehung explizit auf die §§ 27 und 34.160
Vgl.: Deufel, Konrad, BEGRÜSSUNG, S. 26 –in: Bundesministerium für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend (Hrsg.), Mehr Chancen für Kinder und Jugendliche. Stand und Perspektiven
der Jugendhilfe in Deutschland. Veranstaltungsdokumentation. Band 2, Bonn 2000, S. 26-29
155
Gehrold, Stefan Dominik, Das Verhältnis zwischen Kommunen und Caritasverbänden bei der
Wahrnehmung von Aufgaben nach dem Jugendhilferecht, Frankfurt am Main u.a. 1996, S. 5
156
Vgl.: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Kinder- und Jugendhilfe,
a.a.O., S. 40
157
Vgl.: ebd., S. 40
158
Vgl.: ebd., S. 40
159
Vgl.: ebd., S. 40, S. 51ff
160
Vgl.: Gesellschaft für Jugend- und Familienhilfe e.V., a.a.O., S. 22 / Vgl.: Gangway e.V., 2002.
Leistungsbeschreibung.
Das
Stufenbetreuungsmodell
Gangways.
Von
intensiver
Gruppenbetreuung in die Selbständigkeit, Hamburg 2002, unveröffentlicht, S. 4
154
45
Als Heimerziehung können solche Projekte angesehen werden, weil sie Erziehung
über Tag und Nacht bieten und in einer Verbindung von Alltagsleben (durch die
Längerfristigkeit sich einspielende Alltage) und pädagogischen und
therapeutischen Angeboten die Entwicklung des Kindes dahingehend zu fördern
versuchen, dass entweder eine Rückkehr zur Familie erreicht werden kann oder
die Erziehung in einer anderen Familie vorbereitet wird. Eine auf längere Zeit im
Sinne von auf Dauer angelegte Lebensform, wie es auch der §34 vorsieht, bieten
Schiffsprojekte nicht.161 Da sich das Angebot auch an junge Volljährige richten
kann, ist der §41, durch den einige Hilfen zur Erziehung, z.B. auch §34, auf junge
Volljährige ausgedehnt werden können, als Ergänzung von Bedeutung.162
Weiterhin von Bedeutung kann ergänzend die §35a beschriebene
Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche sein, die auch
von einer Einrichtung über Tag und Nacht (also in Form von Heimerziehung)
erbracht werden kann.163 Genannt werden möglicherweise im Zusammenhang der
Eingliederungshilfen für seelisch Behinderte Kinder und Jugendliche auch die §§
39, 40 und 100 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) oder zur Überwindung
sozialer Schwierigkeiten der § 72 BSHG sowie zur Schaffung von
Arbeitsgelegenheiten die §§ 19 und 20 BSHG. Auch jugendrichterliche
Weisungen im Sinne der §§ 10 und 12 des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) können
zusätzliche Grundlage sein.164 In diesem Fall ist die in Kapitel 3.4 als wichtig
erachtete Freiwilligkeit nicht gewährleistet. Bezogen auf das KJHG kann diese in
Ansätzen bzw. als rechtlich gesichert gelten durch das in § 5 KJHG den
Leistungsberechtigten, also Eltern und Kindern grundsätzlich gewährte Wunschund Wahlrecht hinsichtlich der Gestaltung der Hilfe165. Den Wünschen bzw. der
Wahl soll dabei entsprochen werden, wenn keine unverhältnismäßigen
Mehrkosten entstehen. Ergänzend dazu ist im §36 eine Aufklärung über die
Folgen und Auswirkungen der Hilfen festgeschrieben und dass ein Hilfeplan, an
dem Fachleute und Leistungsempfänger mitwirken, aufgestellt wird, wobei
Bedarf, Art und Umfang der Hilfe festgehalten wird.166
Zum Schutz vor Gefahren, wie es das KJHG wie eben angedeutet verlangt, kann
es nötig sein, Kinder und Jugendliche auch gegen den Willen der Eltern in Obhut
zu nehmen (§ 42) oder von einer anderen Person (als den
Personensorgeberechtigten) oder Institution zu entfernen (§ 43, Herausnahme),
auch ohne die Zustimmung des Personensorgeberechtigten, um es anderweitig
161
Vgl.: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Kinder- und Jugendhilfe,
a.a.O., S. 53
162
Vgl.: ebd.; S. 58 / Vgl.: Gangway e.V., a.a.O., S. 4 / Vgl.: Gesellschaft für Jugend- und
Familienhilfe e.V., a.a.O., S. 22
163
Vgl.: ebd., S. 22 / Vgl.: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Kinderund Jugendhilfe, a.a.O., S. 54
164
Vgl.: Gesellschaft für Jugend- und Familienhilfe e.V., a.a.O., S. 22
165
Vgl.: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Kinder- und Jugendhilfe,
a.a.O., S. 41
166
Vgl.: ebd., S. 55
46
unterzubringen.167 Auch in solchen Fällen wäre die Unterbringung auf einem
Schiff denkbar, aber meist nicht sinnvoll. Schiffsprojekte sind auf
Längerfristigkeit angelegt; Inhobhutnahme und Herausnahme haben eher den
Charakter einer kurzfristigen Intervention, nach der erneut entschieden werden
muss.
Schwierigkeiten entstehen bei der grundsätzlich gesetzlich vorgeschriebenen
Erlaubnis für den Betrieb einer Einrichtung (§45), wenn sich diese im Ausland
befindet. Selbiges gilt bzgl. der für die Erteilung der Erlaubnis vorgeschriebenen
Prüfung vor Ort.168 Die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben, zu denen diese
Kontrollaufgabe als andere Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe gehört, endet
mit dem Geltungsbereich des Grundgesetzes also an den Grenzen der
Bundesrepublik Deutschland. Keine deutsche Behörde kann den Betrieb einer
Einrichtung beispielsweise in Spanien untersagen. Für den Betrieb einer
Einrichtung sind statt dessen die dortigen Bestimmungen zu beachten. So können
tatsächlich Auslandsprojekte von Deutschland aus nicht kontrolliert werden, was
möglicherweise zu beklagen ist. Es besteht natürlich die Möglichkeit, zweifelhafte
Einrichtungen nicht mehr zu besetzen. Bei 653 Jugendämtern in der
Bundesrepublik könnte ein zweifelhafter Träger aber durchaus noch recht lange
erfolgreich um Besetzung werben. Abhilfe könnte hier Kommunikation zwischen
und mit den Jugendämtern und Landesjugendämtern schaffen. Gesammelt werden
könnten Erfahrungen mit verschiedenen Einrichtungen z.B. in Form eines
Schwarzbuches bzw. andersherum in Form eines Positivkatalogs.
Für die Seefahrt selber gibt es natürlich auch Regeln und gesetzliche bzw.
gesetzartige Vorschriften. So werden die Kollisionsverhütungsregel, in denen
Befeuerung (Beleuchtung) der Schiffe, Ausweich- bzw. Vorfahrtsregeln usw.
festgehalten sind, als internationales Seerecht ergänzt durch nationale Gesetze wie
etwa die deutsche Seeschifffahrtsstraßenordnung. Diesen Bereich zu vertiefen,
würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Angemerkt sei noch, das wesentliche
Sicherheitsaspekte, wie z.B. die Mindestqualifikation der Schiffsführerin oder des
Schiffsführers, sich ableiten aus Versicherungsanforderungen und Standards. So
richtet sich die ANNA-CATHARINA u.a. am höchsten Sicherheitsstandard, der
ständig aktualisierten Klasse 100 A5 des Germanischen Lloyds aus.169
4.3 Gibt es noch „genügend“ junge Menschen in psychosozialen
Notlagen, für die längerfristige Segelprojekte sinnvoll sind? –
Zielgruppe(n) II
Wird die Frage untersucht, ob es Zielgruppen, wie sie unter Kapitel 3.9
beschrieben sind, in genügendem, also auch finanziell relevantem Umfang gab
167
Vgl.: ebd., S. 59f
Vgl.: ebd., S. 61f
169
Vgl.: Gesellschaft für Jugend- und Familienhilfe e.V., a.a.O., S. 24
168
47
oder gibt, besteht zunächst das Problem, dass Daten über junge Menschen, so wie
sie dort beschrieben sind, nirgendwo aufgeschlüsselt und statistisch erhoben
wurden. Aus diesem Grund scheint es sinnvoll, zunächst nicht-quantitative und
danach in Anlehnung an die rechtlichen Grundlagen quantitative Aussagen
heranzuziehen, um möglicherweise auch einen zeitlichen Verlauf zu skizzieren.
Vorweg folgende Feststellung: Da bis zum Anfang der 90er Jahre die Anzahl der
Projekte größer wurde, ist davon aus zugehen, dass, wenn vielleicht nicht für alle,
zumindest für einige Projekte „ein Markt“, d.h. eine relevante Zielgruppe
vorhanden war.
Im Achten Jugendbericht von 1990 heißt es, dass 1985 ca. 10 Prozent der etwa
8,9 Millionen Kinder unter 15 Jahren, also etwa 890.000 Kinder mit nur einem
Elternteil, meist der Mutter, zusammenleben. Weiter ca. 10 Prozent, also wieder
890.000 Kinder dieser Altersstufe leben in Stieffamilien.170 Der Verlust eines
(leiblichen) Elternteils, wie er bei diesen 1.780.000 Kindern häufiger der Fall sein
wird, dürfte psychosoziale Notlagen eher befördern.
Da besonders alleinerziehende Mütter zu einem größeren Prozentsatz erwerbstätig
sind, bzw. sein müssen, entstehen „...Abstimmungsprobleme zwischen den
Zeitstrukturen der Kinderbetreuung..., der Erwerbsarbeit und der Familie“171
zusätzlich zu den eingeschränkten ökonomischen Lebensbedingungen.172
„Verwahrlosungen“ sind dadurch zwar nicht „vorprogrammiert“, werden aber
wahrscheinlicher.
„In den Bedingungskonstellationen, unter denen Kinder und Jugendliche heute
(1990, d.A.) aufwachsen, sind zugleich auch Widersprüche, Unsicherheiten und
Gefahren enthalten. Diese können zu Schwierigkeiten und problematischen
Bewältigungsformen belastender Lebensbedingungen beitragen und machen
besondere Unterstützungsleistungen notwendig“ 173
Der Gebrauch von (illegalen) Drogen stagnierte 1990 auf hohem Niveau und die
Anzahl registrierte tatverdächtiger Jugendlicher ging seit 1984 teilweise leicht
zurück.174
Der 9. Jugendbericht von 1994 befasste sich schwerpunktmäßig mit der Situation
von Kindern und Jugendlichen in der ehemaligen DDR bzw. in den fünf neuen
Ländern.175 Dennoch kommt er für Gesamtdeutschland zu dem Schluss, dass die
Sozialisationsbedingungen junger Menschen immer prekärer werden. Von
sozioökonomischen Risiken und biographischen Wechselfällen mit den
170
Vgl.: Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit, Achter Jugendbericht.
Bericht über die Bestrebungen und Leistungen der Jugendhilfe, Bonn 1990, S. 13
171
(Vgl.:) ebd., S. 13
172
Vgl.: ebd., S. 13
173
ebd., S. 15
174
Vgl.: ebd., S. 15
175
Vgl.: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Neunter Jugendbericht.
Bericht über die Situation der Kinder und Jugendlichen und die Entwicklung der Jugendhilfe in
den neuen Bundesländern, Bonn 1994, S. 13
48
möglichen Folgen krisenhafter Lebenslagen und „abweichenden“ Verhaltens sind
nicht mehr nur Randschichten betroffen, sondern es kann „...prinzipiell jeden
treffen.“176
Aus dem Mikrozensus von 1995 geht hervor, dass in den neuen Bundesländern
75,4 Prozent der Nicht-Volljährigen bei ihren miteinander verheirateten leiblichen
Eltern leben, in den alten Ländern 83,6 Prozent. Zusammen mit den 5,2 Prozent
der Nicht-Volljährigen im Osten und den 2,0 Prozent im Westen, die mit beiden
Eltern in nicht-ehelicher Lebensgemeinschaft leben, leben in den neuen
Bundesländern 80,6 Prozent und in den alten Bundesländern 85,6 Prozent der
Nichtvolljährigen mit beiden Eltern zusammen.177 Falls die Untersuchungen
vergleichbar wären, könnte eine Verbesserung der o.g. Situation von 1985 (im
achten Jugendbericht) eingetreten sein, die möglicherweise i.S. eines geringeren
Bedarfs auch weniger notwendige Hilfen nach sich ziehen würde. Trotz allem
spricht der zehnte Kinder- und Jugendbericht von 1998 von einer Zunahme von
Einelternfamilien178 und von einer hohen Erwerbstätigkeit von Müttern179.
Laut einer Untersuchung von Zinnecker u.a. (1996) ließen die Aussagen von etwa
einem Viertel der 10-13jährigen Befragten auf ernste Konflikte und
Kommunikationsstörungen im Verhältnis zu den Eltern schließen.180
Im zehnten Kinder- und Jugendbericht von 1998 ist darüber hinaus von einer
beachtlichen Anzahl von Kindern, die keine sicheren Beziehungen zu ihren
engsten Bezugspersonen, z.B. den Eltern finden, die Rede.181 Eine nicht
unbeträchtliche Anzahl von Eltern sei nicht in der Lage für ihre Kinder
angemessen zu sorgen.182 Viele Eltern erzögen ihre Kinder in einem autoritärkontrollierenden, gleichgültigen, vernachlässigenden oder inkonsistenten Stil.183
Der zehnte Kinder- und Jugendbericht fordert(,) ein breites Spektrum an
differenzierten Hilfen (zu entwickeln).184
Im elften Kinder- und Jugendbericht von 2002 ist noch von einer Ausweitung
ökonomischer und sozialer Notlagen die Rede.185
Wie im vorigen Unterkapitel beschrieben, kann als die hauptsächliche rechtliche
Grundlage innerhalb der Hilfen zur Erziehung der §34 KJHG, in dem
176
ebd.; S. 582
Vgl.: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Zehnter Kinder- und
Jugendbericht. Bericht über die Lebenssituation von Kindern und die Leistungen der Kinderhilfen
in Deutschland, Bonn 1998, S. 25ff
178
Vgl.: ebd., S. 27
179
Vgl.: ebd., S. 31
180
Vgl.: ebd., S. 28
181
Vgl.: ebd., S. 28
182
Vgl.: ebd., S. 31
183
Vgl.: ebd., S. 28
184
Vgl.: ebd., S. 251
185
Vgl.: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Elfter Kinder- und
Jugendbericht. Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinderund Jugendhilfe in Deutschland, Berlin 2002, S. 138
177
49
„Heimerziehung und sonstige betreute Wohnform“ geregelt ist, genannt werden.
Vom Statistischen Bundesamt wird in der Statistikreihe „Jugendhilfe –
Erzieherische Hilfen außerhalb des Elternhauses“ noch unterdifferenziert nach
verschiedenen Wohnformen in Heim, selbständige Jugendwohngemeinschaften
und Betreuung in eigener Wohnung.186 Eine Kategorie „besondere
Betreuungsformen“, zu denen auch Betreuung auf Segelschiffen zählen könnte,
oder sogar eine Kategorie „Betreuung auf Segelschiffen“ ist hier – obwohl
wünschenswert – nicht zu finden.187 Trotzdem lässt sich sagen, dass die
Zielgruppe junger Menschen in psychosozialen Notlagen, für die ein
längerfristiges Segelprojekt „sinnvoll und notwendig“ sein kann aufgrund der
juristischen Subsummierung unter dem §34 KJHG und dem Ausschluss der
Wohnformen „Jugendwohngemeinschaft“ und „Eigene Wohnung“ für diese
Statistik neben anderen wohl unter der Wohnform „Heim“ zu finden ist. Wäre ein
drastischer Rückgang zu verzeichnen, läge es nahe, dass auch weniger junge
Menschen aus der Kategorie „Heim“ für längerfristige Segelprojekte in Frage
kämen. Als mehr als ein Indiz ist die statistische Entwicklung in der „Wohnform
Heim“ allerdings nicht zu werten, da Verschiebungen innerhalb der Kategorie
nicht berücksichtigt werden. Ferner käme die Untersuchung der tatsächlich
durchgeführten Hilfen zur Feststellung der Größe der Zielgruppe einem
Zirkelschluss gleich. In diesem Sinne ist innerhalb der Kategorie „Wohnform
Heim“ auch möglicherweise nicht die komplette Zielgruppe enthalten.
Auch an der allgemeinen Genauigkeit der Statistik ist wohl zu zweifeln. So gibt es
erhebliche Differenzen zwischen den jeweiligen Beständen am Jahresende und
dem rechnerischen Saldo aus dem Bestand des Vorjahres addiert mit den
begonnenen Hilfen und subtrahiert um die beendeten Hilfen eines Jahres.188
Für beide statistischen Entwicklungsverläufe, für die Fortschreibung des
Bestandes vom 01. Januar 1991 mit begonnenen und beendeten Hilfen und die
Entwicklung der Bestände, ist jedoch zwischen 1991 und 1998 ein Anstieg zu
verzeichnen und zwar sowohl für die übergeordnete Kategorie „Heimerziehung /
sonstige betreute Wohnform“ als auch für die Unterkategorie der Unterbringung
in einem Heim. Werden jeweils aus diesen Gruppen nur die männlichen jungen
Menschen betrachtet, weil sie häufiger als die weiblichen jungen Menschen auf
Segelschiffen189 betreut werden, ist die Steigerung ähnlich groß. Für alle acht
Möglichkeiten der Betrachtung (Heimerziehung / sonstige betreute Wohnform
und Wohnform Heim, Bestände und Fortschreibung, männlich und weiblich und
Vgl.: Statistisches Bundesamt, Fachserie 13: Sozialleistungen. Reihe 6.1.2 Jugendhilfe –
Erzieherische Hilfen außerhalb des Elternhauses, Stuttgart 1993-2000
187
Vgl.: Blandow, Jürgen, Hilfen zur Erziehung außerhalb des Elternhauses. Stationäre
Erziehungshilfen auf dem statistischen Prüfstand, Neuwied Kriftel Berlin 1997, S. 29f –in:
Rauschenbach, Thomas, Schilling, Matthias (Hrsg.), Die Kinder- und Jugendhilfe und ihre
Statistik. Band II: Analysen, Befunde und Perspektiven, Neuwied Kriftel Berlin 1997, S. 15-86
188
Vgl.: ebd., S. 32f / siehe Anhang III.1 Tabelle 3
189
Auf der UNDINE werden z.B. nur Jungen aufgenommen.
186
50
nur männlich) ist bis auf einen deutlichen Einbruch von 1995 auf 1996 eine
Steigerung zu sehen.190
Es ist jedoch sicherlich eine Altersgrenze zu ziehen, ab wann ein längerfristiges
Segelprojekt sinnvoll ist. Auf der UNDINE wird das Alter der Zielgruppe mit 1417 Jahren angegeben, auf der ANNA-CATHARINA mit 14-21.191 In der Statistik
des statistischen Bundesamtes ist jedoch keine Altersgruppe der 14jährigen oder
14-...jährigen aufgeführt, sondern eine Altersgruppe der 12-15jährigen. Als den
Alter nach interessante Zielgruppe wird nun hier die Gruppe der 12-21jährigen
angenommen, in der sich bezogen auf die Wohnform Heim – sowohl bei
männlichen und weiblichen als auch nur bei männlichen jungen Menschen –
zwischen 1991 und 1998 eine leichte Steigerung ergeben hat, von kleineren
Schwankungen nach unten abgesehen. Eine sehr deutliche Steigerung hat sich
jedoch für die gleichen Alters- und Geschlechtsgruppen in Bezug auf „Intensive
sozialpädagogische Einzelbetreuung (ISE)“ ergeben.192 ISE-Maßnahmen können
in gewisser Weise als „Konkurrenz“ zu Segelprojekten gesehen werden, weil auch
hier junge Menschen in besonderen, schwierigen Situationen, also in
psychosozialen Notlagen Zielgruppe sind.
Die Vermutung liegt nahe, dass die mögliche(n) Zielgruppe(n) eher größer
geworden sind. Nicht-quantitative bzw. ungenau quantitative Aussagen zeichnen
das Bild einer Verschärfung und einer Vermehrung der unter Kapitel 3.9
indizierten Problemlagen. Die an die rechtlichen Grundlagen angelehnte Statistik
zeigt eine Zunahme der Fallzahlen.
4.4 Wahrnehmung in der Öffentlichkeit
Wird die Wahrnehmung längerfristiger Segelprojekte in der Öffentlichkeit
betrachtet, so ist zunächst festzustellen, dass die Berichte in der Presse in den 80er
Jahren noch von einer ausgesprochen positiven Bewertung der Projekte geprägt
waren. Soziale Arbeit auf Segelschiffen war noch jung. 1974 fing das
evangelische Jugenddorf Rendsburg mit Segelaktivitäten an. Zu der Zeit wurde
Erlebnispädagogik nahezu ausschließlich mit Segeln in Verbindung gebracht.193
Segeln galt als innovativ und erfolgversprechend, wenn es auch schon damals
nicht ganz unumstritten war. Zweifel bezogen sich darauf, dass andere Interessen
als pädagogische im Vordergrund standen, z.B. die Pflege historischer Schiffe.194
Die Projekte fanden in erster Linie auf Nord- und Ostsee statt.
190
Siehe Anhang III.1 Tabelle 3
Vgl.: Gangway e.V., a.a.O., S. 6 / Vgl. Gesellschaft für Jugend- und Familienhilfe e.V., a.a.O.,
S. 3
192
siehe Anhang III.2 Tabelle 4, Anhang III.3 Tabelle 5
193
Vgl.: Fischer, Ziegenspeck, a.a.O., S. 268
194
siehe Anhang IV / Vgl.: Der Spiegel, Unternehmen „Outlaw“: Pädagogik unter Segeln, Heft
46/1982, S.121
191
51
1994 wurde dann im Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler unter dem Titel
„Öffentliche Extratouren – Kostspieliges auf Steuerzahlerkosten“ ein Bericht aus
Schleswig-Holstein veröffentlicht, in dem „Segeltouren auf Windjammern...“ und
andere erlebnispädagogische Projekte massiv angeprangert werden. Sie seien ein
„unschlagbares Angebot...an schwererziehbare Jugendliche“, die dort „umhegt
und betreut“ werden, „rund um die Uhr und vor allem kostenlos“. Es tauchen
Begriffe wie „Kreuzfahrt“ auf und die Frage ob „Resozialisierung und Sühne“ nur
so zu erreichen seien. Der Artikel endet mit dem Satz: „Die Mehrzahl aller
Steuerzahler wird sich ein Leben lang vom eigenen sauer verdienten Geld
Argentinien als Urlaubsziel nicht leisten können.“195 Dieser Artikel ist damit von
den Artikeln, die für diese Arbeit vorlagen, nur der erste, der in Richtung
sinnloser Verschwendung von Steuergeldern, Belohnung anstelle einer Strafe und
Benachteiligung des Normalbürgers, der sich so etwas nicht leisten kann, geht.
Wie es zu solchen Berichten kommt, ist in einem Artikel der Welt am Sonntag
(WamS) nachzulesen: Ein Bürger hatte einen WamS-Artikel, der von einem
„...13jährigen Deutschen, der mit einem Sozialarbeiter auf Staatskosten nach
Neuseeland gereist war und dort wieder zum einschlägigen Dieb wurde (WamS v.
13. März 1994)“ berichtete und in dem diese Reise ein „kostspieliges
pädagogisches Fiasko“ genannt wurde, an den Bund der Steuerzahler
übergeben.196
Besonders hervorgehoben werden kann hier der Artikel „Kamelritt ins Glück“ in
der Spiegel-Ausgabe 36/1996. Der Spiegel ist deshalb hervorzuheben, weil er eine
über regionale und Milieugrenzen hinweg große Reichweite hat und dadurch
auch, wie schon häufig zu sehen, über große politische Durchschlagskraft verfügt
– erinnert sei hier an die Spiegel-Affäre des Franz-Josef Strauß. In dem Artikel ist
von bis zu 12 000 D-Mark pro Monat teuren Maßnahmen von mitunter dubiosen
Vereinen mit häufig überforderten Betreuern die Rede. In einigen Fällen werde
auf diese Weise die nachfolgende Rück- bzw. Straffälligkeit mitfinanziert. Es fällt
der Satz: „Wenn Pauschalurlauber auf Gomera vom Ufer aus zusehen müssen,
wie deutsche Crash-Kids auf einer Jacht vorbeirauschen, dann wirft das die Frage
auf, ob Verbrechen sich doch lohnt – insbesondere, wenn die Kinder nach der
Rückkehr wieder Autos klauen und zu Schrott fahren.“197 Der Artikel beginnt mit
einer Beschreibung einer intensiven Maßnahme für zwei Mädchen in Neuseeland,
die „gründlich schief“ ging.198 Eines der Mädchen, in dem Artikel „Jennifer, 15,“
habe sich in Neuseeland weiterhin, wie schon vorher in Deutschland, prostituiert
siehe Anhang IV / Präsidium des Bundes der Steuerzahler e.V. – Wiesbaden (Hrsg.), DIE
ÖFFENTLICHE VERSCHWENDUNG. Ein Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler. XVI.
Ausgabe. Bonn 1993 –hier zitiert nach: Zeitschrift für Erlebnispädagogik, a.a.O., Heft 1/1994, S.
58
196
siehe Anhang IV / Vgl.: Kummer, Jochen, Steuergelder für Weltreisen krimineller
Jugendlicher, Welt am Sonntag 17.07.1994
197
siehe Anhang IV / Der Spiegel, Kamelritt ins Glück, S. 143 -in: Ausgabe 36/1996, S.142-151
198
ebd., S. 142
195
52
und „...verschwand Nacht um Nacht mit fremden Männern.“199
Geschäftemacherei wird dem Trägerverein dieser Maßnahme, dem Kinder- und
Jugendhilfe-Verbund e.V. (KJHV) in Kiel, vorgeworfen, wie auch in einigen
anderen regionalen Zeitungen.200 Der vormalige Vorsitzende des
Bundesverbandes Erlebnispädagogik e.V. (BE), Prof. Jörg Ziegenspeck, wird
zitiert mit dem Begriff „Sozialmafia“, deretwegen er den Vorsitz im BE
aufgegeben habe, weil er „...die Geschäfte auf dem Rücken der Kinder nicht
verantworten“ könne.201
In einigen Leserbriefen und Stellungnahmen wird dem Spiegel bzgl. dieses
Artikels Unseriosität, Populismus und unsaubere Recherche vorgeworfen, z.B.
vom damaligen BE-Vorsitzenden und Ziegenspeck-Nachfolger Hans G. Bauer
und vom KJHV.202
Die in dem Artikel Jennifer genannte weist die Behauptung, sie habe sich jemals
prostituiert, weit von sich und ist dankbar für die Neuseelandreise. Sie sei auf
einem guten Weg. Prof. Jörg Ziegenspeck stuft den KJHV als seriös ein.
Einige weitere Artikel zeichnen ein negatives Bild der auf Auslandsreisen und
längerfristige Projekte, u.a. Segelprojekte, verkürzten Erlebnispädagogik. So weiß
etwa der Spiegel wieder in seiner Ausgabe 3/1997 von weiteren Skandalen und
Geschäftemachereien zu berichten und schreibt, bezugnehmend auf den Artikel
Kamelritt ins Glück: „Die umstrittene Erlebnispädagogik gerät tiefer in die
Kritik...“203
Hier wird nicht der Kreuzfahrt-, Urlaubs- und Freizeitgedanke in den Fordergrund
gestellt, sondern das Gegenteil. Bei Heinz-Jürgen Geißelmann, der in der Karibik
in der Dominikanischen Republik für das Institut für Außerschulisches Lernen
und Erlebnispädagogik e.V. (ALEP) ein Pädagogisches Projekt betreut, müssten
die Teilnehmenden 8 Stunden täglich im Straßenbau arbeiten, bekämen nicht
genügend Nahrung, dafür aber Prügel, so berichtet ein Rückkehrer von dort.204
Etwa zur gleichen Zeit erregt in Berlin der Fall Daniel großes Aufsehen. In der
Berliner Zeitung erschienen zwischen 15. und 18 Januar 1997 täglich ein oder
mehrere Artikel über den Fall. Am 15. und 16. wird es so dargestellt, dass Daniel,
der beteiligt war, als ein Obdachloser von vier Jugendlichen fast zu Tode
gesteinigt worden war, zum „Strafurlaub“ in die Karibik, und zwar zu eben jenem
Heinz-Jürgen Geißelmann, geschickt wurde. Die Ausgabe vom 15. zeigt ein Foto
von Daniel, der am Strand tanzt und ist unterschrieben mit „Auf unsere Kosten
tanzt er in der Karibik.“205
199
ebd., S. 142
siehe Anhang IV
201
siehe Anhang IV / Vgl. Kamelritt ins Glück, a.a.O., S. 148
202
siehe Anhang IV
203
siehe Anhang IV / Der Spiegel, Straßenbau und Prügel, S. 48 –in: Der Spiegel, Ausgabe
3/1997, S. 48-50
204
Vgl.: ebd., S. 48ff
205
siehe Anhang IV
200
53
In der Ausgabe des Tagesspiegel Berlin vom 16.01.1997 ist dann zu lesen, der
Spiegel habe für seinen Artikel Geißelmann nicht selber gefragt. Das Bild des
tanzenden Daniel ist entstanden, weil der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) Daniel
mit dem Auto zum Strand gebracht habe. Geißelmanns Projekt befinde sich im
Landesinneren.206
Die TZ München schreibt am 11.07.1997, ein 13jähriger, „Bayerns bösester Bube
darf zur Strafe in die Ferien“ und sich dabei auch noch aussuchen, ob er lieber
nach Spanien oder Griechenland möchte. Andere müssten für die Ferienparadiese,
in die schwerkriminelle Jugendliche geschickt werden, viel Geld bezahlen. Für die
Berliner Morgenpost steht am 17.09.1996 fest, die „,Erlebnispädagogik’ auf
Kosten der Berliner Steuerzahler“ ist teuer und noch nicht einmal erfolgreich.207
So titelt auch die Mittelbayrische Zeitung am 19.01.1998 „Teure
Erlebnispädagogik: Trotz Schiffahrt für 50 000 Mark weiter geklaut“. 208 Die
Westdeutsche Zeitung fragt am 22.09.1998, ob schwererziehbare oder gar
kriminelle Jugendliche nicht belohnt werden, wenn sie auf ein Segelschiff
geschickt werden.209
Sicherlich gibt es auch immer wieder positive Darstellungen von
erlebnispädagogischen oder spezieller segelpädagogischen Langzeitprojekten,
z.B. im Südkurier über die ANNA-CATHARINA, bei der eine Maßnahme mit
80.000 DM zwar teuer aber effektiv sei und die bei Behörden auf Vorurteile
stoße.210 Über die Undine gibt es mindestens zwei längere Berichte: In Szene
Hamburg 1/1996 ist ein längerer Bericht über die UNDINE. Hier werde harte
Arbeit, sowohl pädagogische als auch von den Jungen – auf der UNDINE werden
nur Jungen aufgenommen211 - geleistet und sie sei erfolgreich.212 Sehr ähnlich ist
der Bericht in Spiegel spezial 12/1997.213 Die Flensburger Nachrichten berichten
am 08.11.1995 von der Rückkehr der CHARLOTTE und schätzen den Erfolg als
hoch ein. 80% der Jugendlichen seien nach dem Projekt nicht mehr straffällig.214
In der Süddeutschen Zeitung vom 20.07.1996 findet sich ein Bericht der dem
Schiffsprojekt NORA eine hohe Erfolgsquote attestiert.215
Die positiven Artikel sind aber meist kürzer und nicht so groß aufgemacht. Die
hier genannten negativen Artikel sind nicht immer komplett sauber recherchiert.
Interessanterweise weiß der Spiegel in seiner Ausgabe 29/1994 davon zu
berichten, dass Horrorgeschichten in der Jugendszene teilweise von Journalisten
gestellt werden. Möglicherweise lassen sich „Skandale“ besser verkaufen bzw.
206
siehe Anhang IV / Der Tagesspiegel Berlin 16.01.1997
siehe Anhang IV / Vgl.: Berliner Morgenpost 17.09.1996
208
siehe Anhang IV / Mittelbayrissche Zeitung 19.01.1998
209
siehe Anhang IV / Vgl.: Westdeutsche Zeitung 22.09.1998
210
siehe Anhang IV / Vgl.: Südkurier 17.11.1995
211
siehe Anhang IV / Vgl.: Interview Arp, Günther
212
siehe Anhang IV / Vgl.: Szene Hamburg 1/1996, S. 19-21
213
siehe Anhang IV / Vgl.: Spiegel special 12/1997, S. 34-39
214
siehe Anhang IV / Vgl.: Flensburger Nachrichten 08.11.1995
215
siehe Anhang IV / Vgl. Süddeutsche Zeitung 20.07.1996
207
54
sind nur schlechte Nachrichten gute Nachrichten. „Stories“ müssen, um gut
verkauft werden zu können, sensationsträchtig genug sein. Auf eben die
Verkaufbarkeit sind freie Journalisten, und um diese handelt es sich im
Wesentlichen im Zusammenhang erlebnispädagogischer Auslandsprojekte,
angewiesen.216 Wenn nun die Erwartung, eine sensationelle Story vorzufinden,
enttäuscht wird, liegt es nahe, die Realität ein wenig zu manipulieren und z.B.
Aussagen aus dem Zusammenhang zu reißen, Sachverhalte zu manipulieren, wie
im Fall Daniel geschehen, oder entlassene Mitarbeiter zu interviewen, die
aufgrund der Differenzen mit ihrem ehemaligen Arbeitgeber ein Interesse daran
haben, die geleistete Arbeit nachträglich zu diskreditieren217, wie z.B.
möglicherweise im Fall der Vorwürfe der Familie Ladewig gegen den KJHV.218
In diesen negativen Artikeln wird an Beispielen die gesamte Erlebnispädagogik –
verkürzt auf längerfristige Projekte besonders im Ausland – als ganzes in Verruf
gebracht. Das, selbst bei sauberer journalistischer Arbeit, besonders obskure
Projekte, Fehlschläge und Schiebereien herausgestellt wurden, hat zur
Konsequenz, dass seriös Anbieter, die fundierte Arbeit leisten, in Mitleidenschaft
gezogen wurden.219
Für längerfristige Segelprojekte wird ein Bild erzeugt, kriminelle und
abweichende junge Menschen würden für ihre Verfehlungen mit
Luxuskreuzfahrten auf Kosten des kleinen Steuerzahlers, der sich das selber nie
leisten könnte, belohnt und ließen sich von den Betreuenden wie von Stewards
und Stewardessen verwöhnen. Die Betreuenden ihrerseits bereicherten sich auf
Staatskosten und finanzierten so ihre Träume.220
Positive Artikel ziehen kaum Reaktionen nach sich, die Reaktionen auf negative
Berichterstattung sind vielfältig. Als teilweise noch im Rahmen der
Berichterstattung zu betrachten, selbst wenn sie in diesen Zeitungen noch klar
abgetrennt sind, sind zu den Artikeln gehörige Kommentare. In diesen werden
längerfristige Maßnahmen als zu teuer und Belohnung für kriminelle Jugendliche
abgelehnt und härter Strafen gefordert. In der WZ wird in diesem Zusammenhang
eine sicherlich billigere „ordentliche Tracht Prügel – notfalls mehrfach“ ins
Gespräch gebracht.221 Rückschläge werden als „Anlaß..., endlich umzudenken“222
betrachtet.
216
Vgl.: Pfalz, Helmut, Anmerkungen zur Medienberichterstattung über erlebnispädagogische
Maßnahmen im Ausland. Eine Stellungnahme zu dem Artikel von Michael Kneissler, wie er im
Heft 10 / 11 – 95 der „Zeitschrift für Erlebnispädagogik“ unter der Überschrift „Deutsche
Heimkinder im Ausland“ nachgedruckt ist, Lüneburg 1995, S. 75 –in: Zeitschrift für
Erlebnispädagogik 12/1995, S. 75-79
217
Vgl.: ebd.; S. 76
218
siehe Anhang IV
219
Vgl.: Albrecht, Hergen, Auf der Flucht. Anmerkungen zu einem Trend, Lüneburg 1997, S. 5 –
in: Zeitschrift für Erlebnispädagogik 3/1997, S. 5-8
220
Vgl.: Interview Piruzgar-Merkle, a.a.O.
221
siehe Anhang IV / WZ 26.06.1998
222
siehe Anhang IV / LZ 01.07.1998
55
In einigen Fällen versuchen die betroffenen Träger mit Stellungnahmen sachlich
Falsches aus den Artikeln richtig zu stellen, wie z.B. der KJHV. Der
Bundesverband oder andere natürliche und juristische Personen wenden sich in
Leserbriefen gegen Pauschalverurteilungen und weisen auf unsachgemäße
Darstellungen hin223. Als möglicherweise berechtigt empfundene Kritik kann
aufgenommen werden, z.B. wollte ALEP nach Kritik an Auslandsprojekten auch
ein Projekt in der Nähe von Berlin anbieten224. Eine Besondere Initiative ist hier
zu nennen: Um die sinnvolle Auswahl von Projekten zu unterstützen und die
aufgrund der im vorigen Unterkapitel erwähnten mangelnden behördlichen
Kontrolle möglichen „Schwarzen Schafe“ auszuschließen, schlug der
Bundesverband Erlebnispädagogik im April 1995 die Einführung eines
Gütesiegels vor.225
Die Reaktionen aus der Politik können sehr unterschiedlich sein und lassen sich
unterteilen in sehr zeitnahe Reaktionen und längerfristigere. Als sehr zeitnahe
Reaktion ist der kurz nach Bekanntwerden des „Falls Daniel“ gefasste Beschluss
der Bezirksverordneten-Versammlung Tempelhof, keine Jugendlichen mehr ins
Ausland zu schicken, zu werten.226 Zuvor war es aber im Berliner Senat zu einem
„Streit um Erziehung in der Karibik“227 gekommen. Sozialsenatorin Stahmer
(SPD) verteidigte die Maßnahme des Jugendamtes Tempelhof, während die Union
dies als skandalös bezeichnete und Erziehungsaufenthalte in Brandenburg
forderte.
Die Meinungen können aber auch über Parteigrenzen hinweg gleich und innerhalb
der Parteien unterschiedlich sein. So verteidigte Hanna Hunsinger, Abgeordnete
für die FDP im Kreistag Oberursel „die sogenannte Erlebnispädagogik“ als
sinnvoll gegenüber ihre Parteikollegin und hessischen Landtagsabgeordneten
Dorothea Henzler, die in einer Resozialisierungsmaßnahme auf einem Schiff in
Italien leichtfertigen Umgang mit Steuermitteln sah. In der dortigen CDU gab in
diesem Zusammenhang ähnliche Differenzen.228 Auch auf Länder- und
Bundesebene scheint es auch ohne direkten Bezug auf bestimmte Fälle
Reaktionen gegeben zu haben. So spricht sich der damalige Bundesjustizminister
Schmidt-Jortzig 1997 gegen Erlebnispädagogik aus und hält geschlossenen
Unterbringung für denkbar.229 1998 hält er sie sogar für nötig230 ebenso wie der
damalige Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) und einige
Länderinnenminister auch aus der SPD231. Bayern beantragt angesichts der neuen
Kriminalstatistik, in der ein Anstieg der Gewalt Jugendlicher verzeichnet ist, 1998
223
siehe Anhang IV
siehe Anhang IV / Vgl.: Berliner Zeitung 17.01.1997
225
siehe Anhang IV / Vgl.: Süddeutsche Zeitung 25.04.1995 / Vgl.: Rheinische Post 26.04.1995
226
siehe Anhang IV
227
siehe Anhang IV / Berliner Morgenpost 17.01.1997
228
siehe Anhang IV / Vgl.: Taunuszeitung 15.03.1997
229
siehe Anhang IV / Hannoversche Allgemeine Zeitung
230
siehe Anhang IV / Vgl.: http:// www.taz.de/~taz/980703.taz/ta_T980703.43.html 03.07.1998
231
siehe Anhang IV / Vgl.: tageszeitung 26.02.1998
224
56
höhere Strafen für Jugendliche.232 Auch der Hamburger Richterverein fordert
„geschlossene Heime für junge Kriminelle“233 und der Bundesgerichtshof „fordert
härtere Strafen für junge Gewalttäter“234. 1999 denkt auch die damalige GrünenSprecherin Röstel über die Möglichkeiten geschlossener Heime nach, die die
Grünen ablehnen.235
Auch bei Experten scheint sich die Meinung zu wandeln. Im Stern vom
03.04.1996 stellt der Kriminologe Christian Pfeiffer fest, dass ein Segeltörn oft
erfolgreicher und billiger ist, als Wegsperren236 und ist dann im folgenden Jahr in
einem Interview mit Spiegel spezial skeptisch bezüglich der Kosten-NutzenRelation eines Segeltörns. Der Spiegel habe ja zurecht einige Missstände
aufgedeckt.237
Möglicherweise ist es durch diese und andere Berichte zu einer
„Marktbereinigung“ gekommen, weil einige wirkliche Missstände aufgedeckt
wurden238. Auch die aufgeworfene Frage ob tatsächlich jeder „schwierige Fall“
sinnvoll
in
einem
Auslandsprojekt
bzw.
einer
längerfristigen
erlebnispädagogischen Maßnahme untergebracht werden kann, geht in die
Richtung des schon beleuchteten Aspekts einer sozialen Verklappung. Vielleicht
ist es also im Rahmen der Presseberichte dazu gekommen, dass etwas
differenzierter nach der richtigen Maßnahme für einen jungen Menschen gesucht
wurde. Wenn dadurch dann weniger junge Menschen für längerfristige
Segelprojekte in Frage kommen, wird die Nachfrage natürlich kleiner und es
können nur weniger Anbieter „überleben“.
4.5 Pädagogik in Abhängigkeit von Gesellschaft und Politik
Warum sollten längerfristige Segelprojekte, erlebnispädagogische Projekte im
Allgemeinen oder die Kinder- und Jugendhilfe, ja die Pädagogik überhaupt vor
dem Hintergrund der Gesellschaft und Politik betrachtet werden? Wie in Ansätzen
schon gezeigt werden konnte, gibt es enorme Abhängigkeiten. Rechtliche
Grundlagen, in denen schon Ziele für die Kinder und Jugendhilfe vorgegeben
sind, gilt es zu erfüllen, Berichte in den Medien haben Auswirkungen darauf, wie
und in welcher Weise Geld ausgegeben wird. Möglicherweise ist zu sagen, „daß
es sich bei der Jugendhilfe nur am Rande um eine pädagogische Veranstaltung
handelt, im Kern um eine gesellschaftliche und politische.“239 Vor dem
Hintergrund gesellschaftlicher und politischer Veränderungen haben sich
232
siehe Anhang IV
siehe Anhang IV / Zeitschrift für Erlebnispädagogik 10/1997
234
siehe Anhang IV / Süddeutsche Zeitung 24.10.1997
235
siehe Anhang IV / Vgl.: Hamburger Abendblatt 26.11.1999
236
siehe Anhang IV / Vgl.: stern 03.04.1996
237
siehe Anhang IV / Vgl.: Spiegel special 12/1997
238
siehe Anhang IV / Vgl.: Interview Niemeyer, a.a.O.
239
Blandow, Jürgen, Am Ende des “Jahrhunderts des Kindes”. Über Grenzen und Grenzfälle der
Jugendhilfe, Lüneburg 2000, S. 14 –in: Zeitschrift für Erlebnispädagogik 2/2000, S. 13-22
233
57
Logomythien der Pädagogik, Menschenbilder und damit Bilder von jungen
Menschen im Laufe der Geschichte ständig geändert und gewandelt. Mit
Bismarcks Sozialgesetzgebung etwa wurden aus kriminellen Kindern
verwahrloste Kinder, die aufgrund elterlichen Versagens der Erziehung und
Rettung bedurften. Gegen Ende der Weimarer Republik galten diese Kinder dann
wieder als unerziehbar und mussten verwahrt werden, in der NS-Zeit dann als
Asoziale oder im Falle besonderer Grausamkeit als Helden der HJ. Nach der
Forderung der Arbeitserziehung für die „Typen vom Schwarzmarkt“ und der
Beseitigung des Schwarzmarktes durch die Währungsreform gab es die Rückkehr
zu RJWG. Ab Mitte der 60er Jahre wurden aus Verwahrlosten zunächst Opfer
gesellschaftlicher Verhältnisse, dann Therapiebedürftige und schließlich eines
gelingenden Alltags Würdige.
Das, was als problematisch gilt, wer Zielgruppe ist, wie die Zielgruppe genannt
wird, wie Jugendhilfe darauf reagieren soll und vor allem mit welchen
Erziehungszielen, scheint also unmittelbar abhängig zu sein von den gerade
geltenden gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Verhältnissen.240 Es
scheint deshalb sinnvoll zu sein, wenigstens kurz anzudeuten, welche Verhältnisse
gerade vorherrschen.
Zunächst fällt in der für diese Arbeit relevanten Zeit ab etwa Mitte der 80er Jahre
ein Ereignis mit möglicherweise auch für den in dieser Arbeit untersuchten
Bereich weitreichenden Konsequenzen auf: Der Zusammenbruch des „Ostblocks“
und die deutsche Wiedervereinigung. Eine direkte, aber nur sehr formale Folge
der Wiedervereinigung ist z.B. das eben beschriebene nicht-zeitgleiche
Inkrafttreten des KJHG in den alten und neuen Bundesländern. Darüber hinaus
hatte die Jugendhilfe nun nicht mehr nur mit den schon vorher vorhandenen
Unterschieden von Zielgruppen in unterschiedlichen Regionen, z.B. in der Stadt
und im ländlichen Raum, zu tun, sondern mit zusätzlichen Unterschieden, die sich
aus dem Leben in verschiedenen Staaten mit verschiedenen gesellschaftlichen und
politischen Systemen ergaben.
Auch musste die Infrastruktur der Jugendhilfe mit den freien und den öffentlichen
Trägern, also den Jugendämtern, in den neuen Ländern erst aufgebaut werden.
Das kann aber wohl höchstens über Umwege Grund für das Wenigerwerden von
längerfristigen Segelprojekten für junge Menschen in psychosozialen Notlagen
sein. Die Zielgruppe wird ja nicht abrupt kleiner sondern eher größer. „Über
Umwege“ kann aber heißen dass zum Teil Mittel für den Aufbau der Infrastruktur
auch über Einsparungen in anderen Bereichen und Bundesländern aufgebracht
wurden.
Interessant erscheint, dass mit dem Zusammenbruch des Ostblocks und des
dortigen „Kommunismus“ bzw. „Sozialismus“ das im Westen vorherrschende
gesellschaftliche, politische und ökonomische System als „siegreich“ bzw.
„überlegen“ erschien bzw. dargestellt wurde. Zweifel, ob im Ostblock jemals
240
Vgl.: ebd.; S. 14
58
Sozialismus oder Kommunismus geherrscht haben, oder eher sehr feudal
anmutende Oligarchie oder ein „Staatskapitalismus“ bleiben dabei
unberücksichtigt.
Das im Westen (schon vorher) vorherrschende System basiert auf einer liberalen
bzw. neoliberalen Marktwirtschaft, die sich theoretisch noch auf Adam Smith
beruft.241 Dabei können verschiedene Strömungen und Ausprägungen des
Neoliberalismus unterschieden werden. Das Spannungsfeld erstreckt sich von
einem „Laisser-faire-Neoliberalismus“, der jegliche Einmischungen in und
Begrenzungen des freien Marktes ablehnt, bis hin zu einem „Ordoliberalismus“
(der Freiburger Schule), der staatliche Lenkung zulässt und als Vorstufe der
sozialen Marktwirtschaft gesehen werden kann.242 Interessant erscheint das
Stichwort „dritter Weg“, der sich als Mittelweg in unterschiedlichen Variationen
in diesem Spannungsfeld und zwischen den beiden großen Ideologien der
abendländischen Moderne, dem Liberalismus und dem Sozialismus, versteht. Als
frühe Sucher nach einem dritten Weg werden zum Beispiel auch Pierre-Joseph
Proudhon und Pjotr Kropotkin genannt.243 Diese haben sich selbst als
„Anarchisten“ bezeichnet, die wirtschaftlich bzw. die Verteilung betreffend eher
sozialistisch geprägt waren. „Anarchistisch“ bedeutete, dass sie jegliche
Herrschaft von Menschen über Menschen ablehnten, also auch den Staat als ein
Herrschaftsgebilde.244
Spätere Varianten des dritten Weges gehen eher von einer sozialen
Marktwirtschaft wie in der BRD aus. So wurde das Wirtschaftswunder der
Bundesrepublik als Begründung für den Neoliberalismus herangezogen, 245 und so
wird nun eben der Zusammenbruch des Ostblocks bzw. das Verschwinden der
„zweiten Welt“ aus einer vormaligen Aufteilung in „drei Welten“246 als
Rechtfertigung und Begründung dafür genutzt, dass es zum bestehenden System
der Marktwirtschaft keine Alternative gäbe, da es das beste aller vorstellbaren
Systeme sei. Es stellt sich also als „Ende der Geschichte“ dar.247
So „..verkörpert der Neoliberalismus eine mächtige Wirtschaftstheorie, [...] die
überall in der Welt von Politikern, hohen Beamten und Journalisten nachgebetet
wird.“248, also sich mehr und mehr durchsetzt. So zeigt sich das von Gerhard
241
Vgl. etwa: Chomsky, Noam, Profit over People. Neoliberalismus und globale Weltordnung,
Hamburg Wien 62001, S. 21
242
Vgl.: Blum, Reinhard, Soziale Marktwirtschaft. Wirtschaftspolitik zwischen Neoliberalismus
und Ordoliberalismus, Tübingen 1969, S. 90ff
243
Vgl.: Nawroth, Egon Edgar, Die Sozial- und Wirtschaftsphilosophie des Neoliberalismus,
Freiburg (Schweiz) 1961, S. 3
244
Vgl.: Drücke, Bernd, Zwischen Schreibtisch und Straßenschlacht?. Anarchismus und libertäre
Presse in Ost- und Westdeutschland, Ulm 1998, S. 58ff
245
Vgl.:Nawroth, a.a.O.., S. V (Vorwort)
246
Vgl.: Hardt, Michael, Negri, Antonio, Empire. Die neue Weltordnung, Frankfurt am Main
2002, S. 11
247
Vgl.: Bourdieu, Pierre, Kapitalismus als konservative Restauration, -in: http://www.hommemoderne.org/societe/socio/bourdieu/BkapitaD.html, 04.04.2002
248
ebd.
59
Schröder und Tony Blair im Juni 1999 gemeinsam verfasste Thesenpapier „Der
Weg nach vorne für Europas Sozialdemokraten“ als in weiten Teilen neoliberal.
Zwar findet in dem Papier, das sich auf die Konzepte oder besser Wahlkampflabel
Politik
der
„Neuen
Mitte“
(Deutschland)
und
des
„Dritten
Weges“(!)(Großbritannien) bezieht, eine Ablehnung des und Abgrenzung zum
Laisser-faire-Neoliberalismus,
der
den
jeweiligen
konservativen
Vorgängerregierungen unterstellt wird, statt. Dies impliziert jedoch, wie auch
Forderungen einer angebotsorientierten Wirtschaftspolitik u.ä., allgemein
Neoliberalismus. In dem Papier wird gefordert, ein „universelles
Sicherheitsstreben“ wieder durch Werte „...wie persönliche Leistung und Erfolg,
Unternehmergeist, Eigenverantwortung und Gemeinsinn...“ zu ersetzen. Die
Sprache des Papiers, die z.B. zum Ausdruck kommt in den
häufig
vorkommenden Vokabeln Flexibilisierung und Modernisierung, erinnert sehr
stark an betriebswirtschaftliche Terminologie. Menschen werden z.B. durch
Begriffe wie „Humankapital“, in das investiert werden soll, verdinglicht.249
So steht zu vermuten, dass von anderen „Neoliberalen“ noch deutlicher gedacht
wird, dass „...das menschliche Kapital genauso wie das technische zu behandeln
und abzuschreiben.“250 ist. „So wird die Betriebswirtschaft zur
Gesellschaftsphilosophie.“251, „...zu einem universellen Glauben, zu einem neuen
ökumenischen Evangelium.“252 Verwertbarkeit und Profit werden dadurch zu
einem wichtigen, wenn nicht „...zum einzigen Maßstab in Erziehung und
Kultur...“253 in einer Weltordnung, die so umfassend ist, dass sie sich auf alle
Bereiche menschlichen sozialen Lebens erstreckt, also auch auf die
Sozialsysteme.254
Vor diesem Hintergrund werden aus den eben beschrieben „eines gelingenden
Alltags würdigen“ Jugendlichen „...nunmehr erneut Täter, Arbeitsunwillige, sich
der Modernisierung verweigernde Jugendliche.“255 Wird eine Zielgruppe so
charakterisiert, liegt es nahe, ihr mit mehr Härte zu begegnen. Die im
vorangegangenen Kapitel dargestellten Be- und Zuschreibungen und Forderungen
seitens der Öffentlichkeit und Politik, die, wie eben angedeutet, von dem hier
beschriebenen Phänomen auch erfasst sind, werden teilweise erklär- und
nachvollziehbar. Einem „Opfer gesellschaftlicher Verhältnisse“ kann ein
Segeltörn zugestanden werden, einem „Therapiebedürftigen“ oder „eines
gelingenden Alltagswürdigen“ auch noch, einem „Täter“ und „Arbeitsunwilligen“
nicht.256 Hier liegt ein Sanktionsgedanke wieder nahe.
Vgl.: Schröder, Gerhard, Blair, Toni, Der Weg nach vorne für Europas Sozialdemokraten –in:
http://www.blaetter.de/kommenta/dok30799.htm 04.04.2002
250
Böhnisch, Lothar, Sozialpädagogik der Lebensalter, Weinheim München 1997, S. 10
251
ebd., S. 10
252
Bourdieu, a.a.O.
253
ebd.
254
Hardt, Negri, a.a.O., S. 37ff
255
Blandow, a.a.O., S. 14
256
Vgl.: ebd., S. 14
249
60
4.6 Die Verwaltung junger Menschen –
Jugendämter und „Neue Steuerung“
In den 90er Jahren führte eine von der „Kommunalen Gemeinschaftsstelle für
Verwaltungsvereinfachung“ (KGSt) in Gang gesetzte Verwaltungsreform unter
dem Stichwort „Neue Steuerung“ zu Bestrebungen, „Managementdenken und im
Marktgeschehen erprobte Managementmodelle auf die öffentliche Verwaltung zu
übertragen.“257 Diese „Modernisierung“ sollte auch schnell die Sozialverwaltung
und hier besonders das Jugendamt erreichen.258
Das Konzept der Neuen Steuerung bedient sich hauptsächlich einer
betriebswirtschaftlichen Terminologie. Zum Ausdruck kommt diese
betriebswirtschaftliche Denk- und Verfahrensweise in Begrifflichkeiten wie
Effektivität, Effizienz, Kundenorientierung, Produkten, Qualitätskontrolle oder
Controlling, input, output und outcome.259
Im folgenden sollen einige dieser Begrifflichkeiten auch in ihrer Relation
zueinander dargestellt werden und geprüft werden, inwiefern sie sinnvoll
anwendbar auf längerfristige Segelprojekte mit jungen Menschen in
psychosozialen Notlagen sind:
Mit dem Begriff des Kunden sollte das Verhältnis zwischen Staat und Bürger
bzw. zwischen Verwaltung und Adressaten symmetrischer werden. Außerdem
sollte dadurch eine größere Kundenorientierung, also Ausrichtung an den
Bedürfnissen der Adressaten erreicht werden.260 Der Begriff des Kunden führt
aber nicht zwingend dazu. Ein Kunde ist jemand, der die Wahl hat, etwas, ein
Produkt, zu konsumieren oder es sein zu lassen. Ein Produkt wird in der „Neuen
Steuerung“ als eine fest definierte Leistung in Form von Zielvereinbarungen
verstanden.261 Anhand des Produktes setzt die Qualitätskontrolle bzw. das
Controlling an. Geprüft wird die Qualität des Produktes in seiner
Ergebnisqualität, also in den erreichten vereinbarten Ziele.262 Diese Ergebnisse
können auch als output263 bzw., da es die Wirkungen von Handeln betrifft, als
outcome264 bezeichnet werden. Je mehr output bzw. outcome erzielt wird, desto
größer ist die Effektivität. Je mehr output oder outcome in Bezug auf den input,
Merchel, Joachim, Schrapper, Christian, Einleitung: „Neue Steuerung“ in der Sozialverwaltung
– Hoffnungen, Skepsis und Fragen gegenüber einem neuen Modernisierungskonzept, Münster
1996, S. 7 –in: Merchel, Joachim, Schrapper (Hrsg.), Christian, Neue Steuerung. Tendenzen der
Organisationsentwicklung in der Sozialverwaltung, Münster 1996, S. 7-15
258
Vgl.: ebd.
259
Vgl.: ebd., S. 7ff / Vgl.: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend,
Handbuch zur Neuen Steuerung in der Kinder- und Jugendhilfe. Eine Arbeitshilfe für freie und
öffentliche Träger, Stuttgart Berlin Köln 2000, S. 15ff
260
Vgl.: Merchel, Schrapper, Einleitung..., a.a.O., S. 7
261
Vgl.: ebd., S. 8f
262
Vgl.: ebd., S. 9 / Vgl.: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend,
Handbuch zur Neuen Steuerung..., a.a.O., S. 19
263
Vgl.: Merchel, Schrapper, Einleitung..., a.a.O., S. 9
264
Vgl.: .: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Handbuch zur Neuen
Steuerung..., a.a.O., S. 15
257
61
also die bereitgestellten Ressourcen, z.B. finanzielle Mittel, erzielt wird, desto
größer ist die Effizienz.265
Als schwierig in der Übertragung auf längerfristige Segelprojekte mit jungen
Menschen in psychosozialen Notlagen erweist sich zunächst schon der zum
Kunden gewordene Adressat. Durch diese Begrifflichkeit wird möglicherweise
eine Konsumentenhaltung des Kunden impliziert oder antizipiert, die davon
ablenkt, dass zu Verhaltensänderungen ganz wesentlich der junge Mensch durch
eigenen Willen und eigene Anstrengungen, bei denen er oder sie begleitet wird,
gelangt. Eine Konsumentenhaltung entspräche dann tatsächlich dem in Kapitel 4.3
angedeuteten, von der Presse gezeichneten Bild einer Luxuskreuzfahrt. Auch ist
fraglich, inwieweit die Freiheit eines Kunden bei der Auswahl von Produkten der
in Kapitel 3.4 für unabdingbar erachteten Freiwilligkeit entsprechen kann. Die in
Kapitel 3.1 beschriebenen Schwierigkeiten bei Erfolgs- bzw. Wirkungsanalysen
wirken sich auch hier im Sinne einer „Schwammigkeit“ der Größen output oder
outcome aus, in deren Abhängigkeit Effektivität und Effizienz stehen. Sehr ähnlich
gelagert ist das Problem von Qualitätssicherung: Für Qualitätssicherung sind u.a.
konsensfähige und eindeutige Qualitätskriterien erforderlich, welche aber z.B.
schon durch mögliche unterschiedliche Erwartungen seitens der Teilnehmenden,
deren Angehörigen und der Kostenträger, also der Jugendämtern (und darüber
hinaus der Öffentlichkeit) als nur selten erreichbar angesehen werden können.266
„Am ehesten kann man sich bei Widersprüchen noch auf das Qualitätskriterium
,Sicherheit’ und ,Zuverlässigkeit’ einigen.“267 Diese möglicherweise als
Minimalkonsens anzusehenden Qualitätsmerkmale sind wichtig, würden aber,
ständen sie allein, im Falle längerfristiger Segelprojekte mit jungen Menschen in
psychosozialen Notlagen auch nur ein Minimalprogramm wirklich voraussetzen
und liefen dann auf bloße Verwahrung auf einem Segelschiff hinaus. Insofern
können sehr weitgehende Normierungen, wie sie auch in Produktbeschreibungen
zum Ausdruck kommen, qualitativ hochwertige Arbeit noch erschweren oder gar
verhindern.268
265
Vgl.: ebd., S. 18
Siehe auch Kapitel 3.1 / Vgl.: Heiner, Maja, Ziel- und kriterienbezogenes Qualitätsmanagement
in der sozialen Arbeit. Vom Katalogisieren der Aktivitäten zur Reflexion von Qualitätskriterien,
Münster 1996, S. 218 –in: Merchel, Schrapper, a.a.O., S. 210-230
267
ebd., S. 218
268
Vgl.: ebd., S. 219
266
62
5. Finanzielle Aspekte
5.1 Weniger zur Verfügung stehende Finanzen bei den öffentlichen
Trägern?
Im Begründungszusammenhang der neuen Steuerung, der erforderlichen größeren
Effizienz, ist häufig eine zunehmende Finanzknappheit aller staatlicher Ebenen
genannt worden. Mit den knapper werdenden Mitteln sollte effizienter
umgegangen werden.269 „Die finanziellen Spielräume (der Jugendhilfe, d.A.)
werden enger“ 270, heißt es schon im Achten Jugendbericht von 1990. Sehr ähnlich
ist auch im Elften Jugendbericht von 2002 von
„..Zeiten, in denen einerseits die Haushaltslage der Kommunen, der Länder und des
Bundes sowie der sonstigen quasi-öffentlichen Kostenträger das Sparen zur
Notwendigkeit
macht
und
andererseits
im
gesamten
Wirtschaftlichkeit und Transparenz eingefordert wird...“
Sozialsektor
mehr
271
zu lesen. Inwieweit sind in Zuge dessen auch die Träger der Jugendhilfe von
Finanzknappheit und Sparzwang betroffen?
Zunächst ist festzustellen, das es örtliche und überörtliche Träger der Jugendhilfe
gibt. Örtliche Träger der Jugendhilfe sind per (Bundes-)Gesetz die Kreise und
kreisfreien Städte.272 Per Delegation und durch Landesrecht geregelt können aber
auch größere kreisangehörige Städte zuständig werden.273 Wer überörtlicher
Träger ist, regelt Landesrecht.274 Die örtlichen Träger errichten Jugendämter, die
überörtlichen Landesjugendämter275, die sie auch finanziell zu verantworten
haben. Dabei sind aber die örtlichen Träger in der Regel für die Leistungen, also
auch die Hilfen zur Erziehung, und anderen Aufgaben der nach dem KJHG
Vgl. auch: Banner, Gerhard, Von der Behörde zum Dienstleistungsunternehmen – Brauchen
wir ein neues Steuerungsmodell?, Beckum 1992, S.19ff –in: Ebell, Peter u.a. (Hrsg.), Brauchen die
Kommunen neue Steuerungsmodelle?. Zur Handlungsfähigkeit der kommunalen Selbstverwaltung
am Ende des 20. Jahrhunderts, Beckum 1992, S. 19-43
270
Vgl.: Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit, a.a.O., S. 16
271
Vgl.: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Elfter Kinder- und
Jugendbericht, a.a.O., S. 70
272
Vgl.: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Kinder- und Jugendhilfe,
a.a.O., S. 73, § 69 (1) KJHG
273
Vgl.: ebd., S. 73, § 69 (2) KJHG / Vgl.: Maus, Robert, Aufgabenverantwortung und
Finanzverantwortung der kommunalen Gebietskörperschaften, Baden-Baden 1995, S. 34 –in:
Ipsen, Jörn (Hrsg.), Kommunale Aufgabenerfüllung im Zeichen der Finanzkrise, Baden-Baden
1995, S. 33-45
274
Vgl.: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Kinder- und Jugendhilfe,
a.a.O., S. 73, § 69 (1) KJHG
275
Vgl.: ebd., S. 73, § 69 (3) KJHG
269
63
zuständig, die überörtlichen für nur ganz wenige, z.B. die Beratung der örtlichen
Träger.276
Durch Bundesgesetz, also durch das KJHG, werden den Gemeinden Aufgaben
übertragen,
vorgeschrieben
bzw.
geregelt,
die
eigentlich
als
Freiwilligkeitsaufgaben in den Bereich ihrer Selbstverantwortung fallen und damit
in ihrer Finanzierung liegen.277
Damit wird in gewisser Weise das Konnexitätsprinzip verletzt. Das aus dem
Artikel 104a des Grundgesetzes hervorgehende278 Konnexitätsprinzip bedeutet,
dass finanzielle Belastungen von dem getragen werden sollen, der durch die
Festlegung einer Aufgabe die Kosten verursacht, ist als ein
Verantwortlichkeitsprinzip. Bei Zweigleisigkeit der Finanzverfassung, der
Aufteilung in Bund und Länder und gleichzeitiger Dreigleisigkeit der Verwaltung
(Bund – Länder – Kommunen) gibt es keinen bzw. nur sehr schwachen
(rechtlichen) Schutz der Kommunen gegenüber dem Bund.279 Außer der
Jugendhilfe lassen sich noch weitere Beispiele für Verlagerungen von Ausgaben
auf die Kommunale Ebenen finden.280 So liegt der Schluss sicherlich nahe, dass
Gemeinden und Kreise stärker als andere öffentlich-rechtliche Körperschaften
unter Finanzkrisen leiden.281
Es wird aber auch ein anderes Bild gezeichnet: Die Möglichkeiten akute
Finanzengpässe durch Verschuldung zu überwinden, sind – anders als bei Bund
und Ländern – kommunalaufsichtlich sehr begrenzt, was als positiven Effekt
langfristig sicherlich eine geringere Belastung durch Schulden und Zinsen mit
sich bringt.282 So scheint die Finanzlage der Kommunen im Vergleich zu Bund
und Ländern besser zu sein.283
Bis hierhin blieben aber Disparitäten der einzelnen Körperschaften auf der
kommunalen Ebene untereinander völlig unbeachtet. Von Vergrößerungen der
Kosten, beispielsweise der Kosten für Sozialhilfe oder Kinder- und Jugendhilfe,
oder deren Verlagerung von Bundes- oder Landesebene auf die kommunale Ebene
276
Vgl.: Lütjen, Ulf, Organisation und Finanzierung von Trägern der freien Jugendhilfe. Ein
Praxisleitfaden, Neuwied Kriftel Berlin 1997, S. 118ff / Vgl. auch: Bundesministerium für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Kinder- und Jugendhilfe, a.a.O., S. 84, § 85 KJHG
277
Vgl.: Maus, a.a.O., S. 35
278
Vgl.: ebd., S. 44
279
Vgl.: Wieland, Joachim, Gemeinden und Kreise in der bundesstaatlichen Finanzverfassung,
Osnabrück 1998, S. 61f –in: Ipsen, Jörn, Schneider, Hans-Peter (Hrsg.), Staat und Kommunen –
Kooperation oder Konflikt. 8. Bad Iburger Gespräche, Osnabrück 1998, S. 61-69 / Vgl.: Kirchhof,
Ferdinand, Gemeinden und Kreise in der bundesstaatlichen Finanzverfassung, Baden-Baden 1995,
S. 53ff –in: Ipsen, 1995, a.a.O., S. 53-66 / Vgl. Sarrazin, Thilo, Kommunale Aufgaben und
kommunaler Finanzstatus, Osnabrück 1998, S. 12f –in: Ipsen, 1995, a.a.O., S. 11-24
280
Vgl.: Böhme, Rolf, Die Städte in der Finanzkrise, Baden-Baden 1995, S. 26f –in: Ipsen, 1995,
a.a.O., S. 25-32
281
Vgl.: Wieland, a.a.O., S. 61
282
Vgl.: Sarrazin, a.a.O., S. 17
283
Vgl.: Rehm, Hannes, Reform der Kommunalfinanzen – Voraussetzung zur Verbesserung der
Steuerungsfähigkeit?, Beckum 1992, S. 98 –in: Ebell, Peter u.a. (Hrsg.), Brauchen die Kommunen
neue Steuerungsmodelle?. Zur Handlungsfähigkeit der kommunalen Selbstverwaltung am Ende
des 20. Jahrhunderts, Beckum 1992, S. 95-112
64
werden besonders ohnehin schon finanzschwache Kommunen getroffen.
Tendenziell ist nämlich die „Sozialhilfe-Belastung“ ärmerer Kommunen höher.284
Ähnliches wird vor dem Hintergrund des eben angedeuteten Zusammenhangs
sozioökonomischer Bedingungen und des Bedarfs an Maßnahmen der Kinderund Jugendhilfe (4.3) auch für die „Kinder- und Jugendhilfe-Belastung“ ärmerer
Kommunen gelten. Die finanziellen Möglichkeiten scheinen also da am
geringsten zu sein, wo der Bedarf am größten ist.
Um auf die Frage in der Überschrift dieses Unterkapitels zurückzukommen, sind
die Ausgaben für Jugendhilfe und damit die Etats der Jugendämter wohl eher
gestiegen. Bundesweit sind sie von 1990 auf 1991, also mit Inkrafttreten des
KJHG, sogar sprunghaft 33,8 Mrd. DM auf 40,6 Mrd. DM gestiegen, danach
etwas flacher, aber immer noch stark285. Da aber mit dem KJHG auch eine
Vielzahl neuer Leistungsansprüche der Bürger und damit finanzielle Belastungen
der Kommunen entstanden sind, muss das Volumen der Ausgaben für Erziehung
in Heimen, zu denen längerfristige Segelprojekte gezählt werden können, nicht
unbedingt gestiegen sein.
Die eigentlichen „Finanzkrisen der Gemeinden“ entstanden häufig aber erst ab
etwa 1993, da auch die Kommunen zunächst noch vom „Vereinigungsboom“
profitierten und sich in den ersten beiden Jahren nach der Vereinigung sogar zu
höheren Ausgaben verleiten ließen.286 Ab 1993 etwa dürfte das „große Sparen“
eingesetzt haben, das auch in der Jugendhilfe wie überhaupt als Einschnitte ins
soziale Netz spürbar geworden ist.287 Wie sich das im einzelnen, auch vor dem
Hintergrund sehr unterschiedlicher Lagen der einzelnen Kommunen, auf konkrete
Entscheidungen bzgl. der Finanzierung von Maßnahmen seitens des Jugendamtes
ausgewirkt hat, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht geklärt werden. Zu vermuten
ist aber, dass es eine Tendenz zur möglichst kostengünstigen Maßnahme gegeben
hat. In diesem Zusammenhang ist der Begriff „unverhältnismäßige Mehrkosten“,
der auch das Wunsch- und Wahlrecht (§ 5 KJHG) einschränken kann288, als
dehnbarer Begriff möglicherweise relevant.
5.2 Freier Träger – Leistungsberechtigter – Träger der öffentlichen
Jugendhilfe
Um zu verstehen, wie nun ein freier Träger, also z.B. ein Anbieter längerfristiger
Segelprojekte für junge Menschen in psychosozialen Notlagen, „zu seinem Geld
284
Vgl.: Sarrazin, a.a.O., S. 17f
Vgl.: Böhme, a.a.O., S. 32
286
Vgl.: Sarrazin, a.a.O., S. 16f
287
Vgl.: Lütjen, a.a.O., S. 5 u. S. 117
288
Vgl.: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Kinder- und Jugendhilfe,
a.a.O., S. 41
285
65
kommt“, also wie die Leistung, die er erbringt bezahlt wird, sind zunächst
grundlegende Rechtsverhältnisse zu klären.289
Grundlegend für eine Leistungserbringung durch einen freien Träger ist zunächst
die Beziehung zwischen Leistungserbringer, also dem freien Träger, für diese
Arbeit der freie Träger, der ein längerfristiges Segelprojekt anbietet, und dem
Leistungsempfänger, für diese Arbeit also dem jungen Menschen in einer
psychosozialen Notlage, möglicherweise bei Nichtvolljährigkeit vertreten durch
eine(n) Personensorgeberechtigte(n). Zwischen ihnen wird eine privatrechtliche
Vereinbarung über die zu erbringende Leistung abgeschlossen, die
Leistungsvereinbarung. Grundsätzlich kann also die (Dienst-)Leistung z.B. eines
Segelprojektes „auf dem freien Markt“ angeboten werden.
Mit dem KJHG besteht aber ein Rechtsanspruch auf Leistungen der öffentlichen
Jugendhilfe, meistens des örtlichen Jugendamtes. Aufgrund des Wunsch- und
Wahlrechtes (§ 5 KJHG) können Leistungsberechtigte aber wählen, wie die Hilfe
ausgestaltet werden soll, also auch das die Hilfe von einem freien Träger, z.B.
einem Anbieter von Segelprojekten, gestaltet werden soll. Dieser Wahl bzw.
diesen Wünschen soll von Seiten des öffentlichen Jugendamtes entsprochen
werden, wenn keine „unverhältnismäßigen Mehrkosten“ entstehen.290 In diesem
Fall wird die Maßnahme, das Segelprojekt öffentlich finanziert. Dabei hat der
freie Träger aber noch keine Ansprüche auf Bezahlung gegen das Jugendamt,
sondern im Sinne der Erfüllung des Vertragsverhältnisses bei den Hilfen zur
Erziehung als Leistungsentgelt gegen den jungen Menschen oder die
Personensorgeberechtigten als Leistungsempfänger und diese(r) wiederum als
Leistungsberechtigte(r) gegen den öffentlichen Träger.
Um diesen langen Rechtsweg finanziell zu umgehen, sollen Vereinbarungen über
die Höhe der Kosten zwischen freien und öffentlichen Trägern angestrebt werden
(§ 77 KJHG). (Diese Vereinbarung ist aber trotzdem nicht Rechtsgrundlage für
die Erbringung der Leistung. Rechtsgrundlage bleibt der Anspruch des oder der
Leistungsberechtigten.) Dadurch werden direkte Kostenerstattungen möglich.
Diese Vereinbarungen, die einvernehmlich zustande kommen sollen, werden in
Form von Pflegesatzvereinbarungen getroffen. Dabei sollen alle dem freien
Träger entstehenden Kosten abgedeckt werden. Der Pflegesatz kann auch
umgerechnet werden in einen Tagessatz.
Für Pflegesatzvereinbarungen besteht die Möglichkeit, um nicht jedes Jahr erneut
verhandeln zu müssen, diese fortzuschreiben, z. B. unter Einberechnung der
steigenden Gehälter und Lebenshaltungskosten.
Im Sommer 1996 wurde aber vom Gesetzgeber beschlossen, dass die Pflegesätze
der stationären und teilstationären Hilfen zur Erziehung, zu denen längerfristige
Segelprojekte zählen, jährlich in den alten Bundesländern um ein Prozent und in
289
Vgl. auch für das Folgende: Lütjen, a.a.O., S. 121ff
Vgl.: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Kinder- und Jugendhilfe,
a.a.O., S. 41
290
66
den neuen Bundesländern um zwei Prozent, in Ausnahmefällen um 2,5 Prozent
steigen sollen. Durch diese Deckelung der Kosten wird nicht mehr der
tatsächliche Anstieg der Kosten der freien Träger berücksichtigt. Mit einem
Prozent liegt die Steigerung unter der Steigerung der Lebenshaltungskosten der
privaten Haushalte 1996 und 1997291.
Tatsächlich sind die Ausgaben der Jugendämter für Leistungen gemäß §34 KJHG
(Heimerziehung, sonstige betreute Wohnform) ab 1996 nur noch sehr leicht
gestiegen, nachdem sie in den Vorjahren sehr deutlich gestiegen ist.292 Werden
noch vergleichend die Bestände an jungen Menschen der jeweiligen Jahr
herangezogen, wird das Bild noch deutlicher. Von Ende 1994 auf Ende1995 sind
die Bestände deutlich zurückgegangen (während die begonnenen und beendeten
Hilfen sich nicht sehr stark verändert haben). Die Ausgaben sind jedoch um etwa
acht Prozent gestiegen. In jedem der Folgejahren sind die Bestände wieder
merklich gestiegen (bei leichtem Anstieg begonnener und beendeter Hilfen). Die
Steigerung der Ausgaben ist jedoch immer geringer geworden. Die Steigerung der
Bestände betrug von Ende 1996 auf Ende 1997 etwa 3,5 Prozent und die
Steigerung der Ausgaben etwa zwei Prozent. Es liegt also der Schluss nahe, dass
nicht nur durch die Deckelung der Kosten gespart wurde, sondern zusätzlich
durch die Auswahl einer möglichst billigen Maßnahme. Der Begriff
„unverhältnismäßige Mehrkosten“ könnte also tatsächlich im Zuge knapperer
Kassen einen Bedeutungswandel im Sinne einer strengeren Auslegung erfahren
haben.
5.3 Betriebswirtschaftliche Überlegungen des freien Trägers
Die unter 3.8 beschriebene Verteilung auf die genannten Projektarten – 40, 8%
Stand-, 20,7% Reise- und 15,2% Schiffsprojekte (23,3% nicht eindeutig
zuzuordnen) – erklärt sich vielleicht aus den unterschiedlichen durchschnittlichen
Kosten: 1996/97 für Standprojekte 276DM/Tag, für Reiseprojekte 290DM/Tag
und für Schiffsprojekte 308DM/Tag, wobei Projekte im Ausland jeweils etwas
teurer und Projekte im Inland etwas günstiger sind293. Da sich daraus noch nicht
die Gesamtkosten einer Maßnahme errechnen lassen, scheint ein Vergleich der
Zahlen schwierig. So haben Standprojekte meistens eine wesentlich längere
Durchführungsphase und dauern insgesamt länger als Schiffs- und
Reiseprojekte294, bei denen in der Vor- und Nachbereitungsphase die Kosten
geringer sein werden als während der See- oder Reisephase. Die Kosten oder
möglicherweise eingesparten Kosten auf lange Sicht sind dabei jedoch noch nicht
eingerechnet. Sie sind in erster Linie abhängig vom Erfolg und werden später
noch Gegenstand der Betrachtung sein.
291
Siehe Anhang V.1, Tabelle 6
Siehe Anhang V.2, Tabelle 7
293
Vgl.: Klawe, Bräuer, a.a.O., S. 96f
294
Vgl.: ebd., S. 97f
292
67
Wie kommen nun die 308 DM Tagessatz für Schiffsprojekte zustande, für die
ANNA-CATHARINA sogar 350 DM295? Warum sind Schiffsprojekte nochmals
teurer als Reise- oder Standprojekte?
Wird die Frage aus Sicht der Träger von Schiffs- bzw. Segelprojekten betrachtet,
muss sie eher lauten: Bei welchem Tagessatz und welcher Auslastung läuft das
Projekt kostendeckend? Hier liegt der Kristallisationspunkt, an dem sich
entscheidet, ob es attraktiv ist als Anbieter solcher Projekte aufzutreten, also
schwarze Zahlen schreiben zu können oder ob ein Verlustgeschäft zu erwarten ist
und deshalb kein Angebot gemacht wird bzw. das Angebot eingestellt wird.
Dazu werden zunächst kurz die Kosten betrachtet, die im Vergleich zu Reise- und
Standprojekten auftreten und welche dafür nicht entstehen. Aufgeführt werden in
der nachfolgenden Tabelle also nur Kosten, die bei wenigstens einer der
Projektarten nicht entstehen. Kosten für Ernährung z.B. werden als in etwa gleich
angesehen – sie unterscheiden sich eher nach dem Land in dem das Projekt
stattfindet, als nach der Projektart – und werden deshalb hier nicht aufgeführt.
Wird der Betreuungsschlüssel als gleich idealisiert – Unterschiede wird es hier
eher zwischen dem einem Projekt und dem anderen geben, als zwischen den
Projektarten generell – können die Kosten für pädagogisches Personal als gleich
gesetzt werden.
Tabelle 2: Gründe für unterschiedliche Kosten längerfristiger erlebnispädagogischer Projekte
Schiffsprojekte
Unterhalt, Wartung , Pflege
des Schiffs
Hafengebühren, Liegegeld
Sicherheitsausrüstung
(Zusatz-)Kosten nautisches
Personal
Reiseprojekte
Standprojekte
Kosten für Unterkunft Unterhalt des Hauses
während der Reise
Verkehrsmittel
Diese Aufstellung ist sicher nicht vollständig. Als Andeutung mag sie genügen. In
ihr sind besonders die Kosten für Unterhalt, Wartung und Pflege des Schiffs zu
betonen. Sie betragen meist wesentlich mehr als die Kosten für die Unterkunft
während einer Reise oder den Unterhalt eines Hauses. Als zusätzliche
kostensteigernde Faktoren können das Alter des Schiffes und die damit
verbundene erhöhte Wartungsbedürftigkeit und Beteiligung der Teilnehmenden
an der Wartung angesehen werden. Von Teilnehmenden bei Wartung und Pflege
gemachte Fehler, die wahrscheinlich sind und zugelassen werden müssen, sind
meist sehr materialintensiv und die Materialen sehr teuer, da es Spezialmaterialien
sind. Z.B. kann ein kleiner Topf Versiegelungslack schon über 100 € kosten, die
nochmals bezahlt werden müssen, wenn der Topf umgekippt wird oder nicht nach
295
Vgl.: http://www.familienhilfe.net/gjfh/start.htm, 13.03.2002
68
der Arbeit wieder verschlossen wird. So ist teuerer, die Teilnehmenden an der
Wartung zu beteiligen und ihnen eine Lernmöglichkeit zu bieten, als die
regelmäßige Pflege und Wartung einer Werft zu übertragen.296
Die in der Tabelle aufgeführten Kosten für Unterhalt, Pflege und Wartung des
Schiffes, die Hafengebühren oder das Liegegeld für den festen Liegeplatz, die
Kosten für die Sicherheitsausrüstung inkl. deren Wartung, die immer an den
neuesten Stand oder zumindest die aktuellen Normen angepasst werden müssen,
die Versicherung für das Schiff usw. lassen sich zusammenfassen zu „Kosten
Schiff“. Diese entstehen und sind nahezu gleichhoch unabhängig davon, ob das
Schiff tatsächlich fährt und mit wie vielen Personen es besetzt ist. Die Kosten
Schiff werden also pro Person kleiner, je besser das Schiff ausgelastet also besetzt
ist. Bei der UNDINE werden diese Kosten mit 90.000 € angegeben.297
Kosten oder Zusatzkosten für nautisches Personal entstehen sobald das Schiff
fährt, unabhängig von der Besetzung mit Teilnehmenden. Mit dem Begriff
Zusatzkosten sollte hier angedeutet werden, das Personal mit nautischer und
pädagogischer Qualifikation teurer sein kann. Doch dazu später nochmals.
Die UNDINE ist jeweils ein halbes Jahr auf See von 1. Mai bis 31. Oktober (184
Tage). Die in dieser Zeit anfallenden Kosten (inkl. Aufwand für Lebensmittel und
Bekleidung der Jungen), die auch „reine Reisekosten“ genannt werden können
und bei denen der größte Teil Personalkosten sind, werden für die UNDINE von
Gangway e.V. mit 188.770 € angegeben. Der Gesamtaufwand pro Jahr beträgt
also 278.770 €. Bei voller Besetzung mit 8 Jungen während der kompletten 184
Tage müsste der Tagessatz 189,38€ bzw. etwa 370 DM betragen, um dem
Aufwand zu entsprechen. Wenn jetzt nur ein Klient nach der Hälfte der Zeit das
Schiff verlässt, was sicherlich keine Seltenheit ist, und nicht durch einen anderen
Klienten ersetzt wird, müsste der Tagessatz schon etwa 200€ oder ca. 390DM
betragen.
Die Modellrechnungen im Anhang sollen – angelehnt an ein Schiff ähnlich der
ANNA-CATHARINA – zusätzlich darstellen, wie stark die Schiffsprojekte
abhängig sind von ihrer Besetzung und dem gewährten Tagessatz. Dabei sind die
zugrunde gelegten Zahlen mehr oder minder willkürlich gesetzt mit dem Versuch,
nicht zu unrealistisch zu sein. Es ist sicherlich verständlich, dass die Gesellschaft
für Kinder- und Familienhilfe e.V. nicht ihre genauen Kalkulationen zur
Verfügung stellen kann.
Trotzdem kann klar gemacht werden, dass, was möglicherweise auch so auf der
Hand liegt, Schiffsprojekte abhängig sind von Besetzung und Tagessatz. Wenn,
wie oben dargestellt, die Pflegesätze (in Form von Tagesätzen) die tatsächlichen
Kosten kaum oder nicht (mehr) decken und gleichzeitig günstigere Projekte von
296
Vgl.: Interview Piruzgar-Merkle
Vgl.: Herzig, Karolin, Grobe Kalkulation Seeprojekt UNDINE, aus einer E-Mail von Gangway
e.V., unveröffentlicht
297
69
Seiten der Jugendämter angestrebt werden, werden besonders knapp kalkulierte
Projekte schnell rote Zahlen schreiben und bald beendet.
Weitere Sparmöglichkeiten können häufig nur zu Lasten der Qualität der
pädagogischen Arbeit realisiert werden. Beim größten Kostenfaktor, den
Personalkosten, wird dies besonders deutlich. Wenn auch bei
erlebnispädagogischen Projekten gilt, dass zur Vermeidung von „berufmäßigem
Burnout“ neben Erfolg und innerem Gleichgewicht, auch Sicherheit und
angemessene finanzielle Unterstützung notwendig sind298, dürften Sparpotentiale
in diesem Bereich sehr klein sein. Wie eben ja schon angedeutet, kann es
notwendig und sinnvoll sein, Personal mit sowohl nautischen wie auch
pädagogischen Qualifikationen zu beschäftigen. Je höherwertig diese
Qualifikationen sein sollen, desto teurer werden die Gehälter299. Die
Einschränkung Qualität oder Sicherheit würde sich also ergeben können, durch
schlechterqualifiziertes oder „ausgebranntes“ Personal. Gerade aber die Qualität
bzw. der Erfolg längerfristiger Segelprojekte waren Gegenstand der öffentlichen
Kritik.
5.4 Was ist teurer, Segeln oder „Knast“?
Wie schon angedeutet, spielt auch in der politischen und öffentlichen Diskussion
der Faktor Geld eine große Rolle, besonders im Zusammenhang eines effizienten
Einsatzes der (knappen) finanziellen Mittel.
Wird zunächst nur ein Segelprojekt ohne Nachbetreuung mit einem gleichlangen
Aufenthalt in einer Strafanstalt verglichen, ist das Segelprojekt wahrscheinlich
teurer. In Nordrhein-Westfalen betrugen 2001 die Tageshaftkosten für einen
„Gefangenen“ (nicht differenziert zwischen Jugend- und Erwachsenenvollzug)
durchschnittlich 145,64DM.300 Bei einem achtmonatigen Aufenthalt (und 30
Tagen pro Monat) würden die Haftkosten 34.953,60DM betragen, eine
gleichlange Betreuung auf der ANNA-CATHARINA kostet bei einem Tagessatz
von 350DM 84.000DM und wäre damit mehr als doppelt so teuer.
Sinnvollerweise schließt sich, wie in Kapitel 3.5 gezeigt, eine Phase der
Nachbetreuung an die Seephase an. Bei der Gesellschaft für Jugend- und
Familienhilfe e.V. (GJFH), dem Träger der ANNA-CATHARINA wird
üblicherweise eine Nachbetreuung von weiteren acht Monaten Dauer angeboten.
Während dieser Zeit wird meist im Rahmen einer §35-(ISE-)Maßnahme eine
Fachkraft mit 19,75 Stunden für 70DM pro Stunde dem jungen Menschen als
Betreuung und (Re-)Integrationshilfe zur Seite gestellt, sodass bei 35 Wochen
Priest, Simon, (dt. Fassung), Alling 1998, S. 74ff –in: Paffrath, F. Hartmut (Hrsg.), Zu neuen
Ufern. Internationaler Kongreß erleben & lernen, Alling 1998, S. 74-91
299
Inhaber eines großen Kapitänspatentes können, da es an ihnen mangelt, (außertariflich) bis zu
12.000DM pro Monat verdienen.
300
Vgl.: Justizministeriums Nordrhein-Westfalen, Durchschnittliche Tages-Haftkosten einer/eines
Gefangenen in Nordrhein-Westfalen im Haushaltsjahr 2001
298
70
weitere Kosten von 48.387,50DM entstehen. Ein besonderes Angebot der GJFH
ist das sogenannte Familien-Intensiv-Training, welches systemisch in der
Ursprungsfamilie bzw. dem Ursprungssystem Ursachen für die psychosoziale
Notlage des jungen Menschen zu beheben versucht und während der acht Monate
Dauer 33.000DM kostet.301 Im Maximalfall entstehen Kosten von 165.387,50DM
bei einer maximalen Dauer von zwei Jahren. In dieser Zeit sind in einer
(durchschnittlichen) Haftanstalt ohne pädagogisches Programm Kosten von
106.317,20DM angefallen.
Eine solche Rechnung ist allerdings sehr verkürzt, wenn sie nicht Erfolg/Wirkung
mit einrechnet und damit Aussagen über die Effizienz der eingesetzten Mittel
trifft. Auch wenn grundsätzliche Zweifel am Sinn und der Zulässigkeit solcher
Parameter bestehen (vgl.: Kapitel 3.1 und 4.6), werden hier für diese modellhafte
Berechnung Erfolgskriterien aufgestellt und zwar für die Haft die
Legalbewährung (indiziert durch Wiederverurteilungen) etwa in den folgenden
fünf Jahren nach „Erledigung“ bzw. Beendigung der Sanktion und für das
Segelprojekt das weitergehende Erfolgskriterium nach fünf Jahren die
Rückmeldung zu erhalten, die Teilnahme am Projekt habe sich gelohnt. Finanziell
sind diese ehemaligen Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der Regel von
öffentlichen Geldern unabhängig. Die Legalbewährung wird z.B. von Gangway
e.V. bei regulär beendeten Projekten mit der UNDINE und Nachbetreuung usw.
so eingeschätzt, das die Rückmeldung der Polizei war, dass fast nie wieder mit
Teilnehmern des Projekts in Berührung kamen.302 Der „Rückfallstatistik ´90“
zufolge bleiben aber innerhalb der nächsten fünf Jahre nach Erledigung einer
freiheitsentziehenden Sanktion nur 7,67 Prozent der 15-20jährigen und 28,93
Prozent der 20-25jährigen ohne erneute Verurteilungen. Etwa drei Viertel
(76,61%) der 15-20jährigen erhält erneut eine Freiheitsstrafe und knapp die Hälfte
(49,45%) der 20-25jährigen.303 Auch in anderen europäischen Ländern
Wiederverurteilungen Jugendlicher nach Freiheitsstrafen recht häufig, in
Österreich etwa bei 74 Prozent innerhalb von fünf Jahren304 und in Schweden bei
etwa 77 Prozent innerhalb von zwei Jahren305.
Die GJFH gibt ihre Erfolgsquote nach oben genanntem Erfolgskriterium („es habe
sich gelohnt“) mit sieben bis acht von zehn bei Nachbetreuung und sogar neun
von zehn bei zusätzlichem Familien-Intensiv-Training an.
Die eben Kosten für alle drei Maßnahmen der GJFH von zusammen
165.387,50DM würden in Haft bei täglichen Kosten von 145,64DM nach etwa
1.136 Hafttagen bzw. 3 Jahren und 41 Tagen erreicht. Bei jungen Menschen, bei
301
Vgl.: E-Mail von Thomas Piruzgar-Merkle
Vgl.: Interview Arp/Günther
303
Vgl.: Kerner, Hans-Jürgen, Erfolgsbeurteilung nach Strafvollzug – Ein Teil des umfassenden
Problems vergleichender Sanktionsforschung, Bonn 1996, S. 70 –in: Kerner, Hans-Jürgen u.a.
(Hrsg.), Jugendstrafvollzug und Bewährung. Analysen zum Vollzugsverlauf und zur
Rückfallentwicklung, Bonn 1996, S. 3-95
304
Vgl.: ebd., S. 49
305
Vgl.: ebd., S. 53
302
71
denen zu befürchten steht, dass ihr Haftaufenthalt aufgrund von (Mehrfach-)
Wiederverurteilung länger als diese Zeit dauern wird, würde also rechnerisch
sicherlich ein Segelprojekt kostengünstiger sein. Nicht miteingerechnet sind dabei
aber noch ganz andere Faktoren, die das Verhältnis noch zugunsten von
Segelprojekten verschieben:
Durch die Tat, die zur Wiederverurteilung führt, entstand möglicherweise
(volkswirtschaftlicher) Schaden.
Die stigmatisierende Wirkung von Haft, die größer ist, als die von Segelprojekten
und die weniger aktivierende Wirkung führen zu einer längeren bzw. häufigeren
Abhängigkeit der „Exhäftlinge“ von öffentlichen Geldern, während ehemalige
Teilnehmende an Segelprojekten möglicherweise arbeiten und Steuern zahlen.
Jugendstrafvollzug, in dem, um besseren Resozialisierungserfolg zu haben, mehr
pädagogische Mittel eingesetzt werden, wird mit dem pädagogischen Aufwand,
besonders durch Personalkosten, wieder teurer und ist noch wesentlich stärker von
dem Vorwurf des Paradoxons der „Erziehung zur Freiheit in Unfreiheit“
betroffen.
72
6. Rückblick und Ausblick
6.1 Zurück zu den Arbeitshypothesen
Die erste Arbeitshypothese (a) aus Kapitel 2.2, die sich auf pädagogische Aspekte
bezog, besagte im wesentlichen, dass sich die Sicht der Fachwelt auf
längerfristige Segelprojekte mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen
nicht wesentlich verändert hat. Die Fachwelt bewertet solche Projekte nach wie
vor unter bestimmten Voraussetzungen als sinn- und wirkungsvoll.
Im dritten Kapitel („Pädagogische Aspekte“) sind Aspekte der fachlichen
Diskussion aufgenommen und (in groben Zügen) dargestellt worden. Dabei
wurden zunächst hauptsächlich qualitative, theoretische Aussagen aus der
Fachdebatte bzw. der Fachliteratur herangezogen.
Im Unterkapitel 3.1 werden grundsätzliche Probleme von Wirkungs-, Erfolgsbzw. Ergebnisanalysen angeführt. Einwände bezogen sich besonders darauf, von
wem und vor dem Hintergrund welcher Zielvorstellungen Aussagen sinnvoll zu
treffen seien. Nach einem Hinweis darauf, dass sich der Thematik der Wirkungen
über theoretische Wirkmodelle genähert werden kann, folgt eine Darstellung der
besonderen zeitlichen und räumlichen Situation an Bord von Segelschiffen mit
Überlegungen, wie sich diese im pädagogischen Kontext sowohl positiv als auch
negativ auswirken können (Unterkapitel 3.2). Vor diesem Hintergrund wurden
mögliche Erziehungsziele kritisch untersucht (Unterkapitel 3.3) und es wurde
angedeutet, dass nicht immer alle Erziehungsziele erreichbar sind und durch
übergroße Erwartungen, die sich in sehr umfangreichen Zielvorstellungen äußern
können, längerfristige Segelprojekte mit jungen Menschen in psychosozialen
Notlagen überfrachtet werden können. In den folgenden beiden Unterkapiteln
wurden besonders umstrittene Aspekte des Fachdiskurses beleuchtet.
Problematisiert und diskutiert wurde die Sozialstruktur an Bord (Unterkapitel
3.4), die immer der Gefahr der Hierarchisierung unterliegt und damit einer auf
Emanzipation, Selbständigkeit und Verbesserung des Selbstbewusstseins
zielenden Pädagogik zuwider laufen kann. Die Gefahr einer „Totalen Institution“
(nach Goffman) mit depersonalisierenden Effekten für die Teilnehmenden wurde
dabei für nicht zwingend und vermeidbar erachtet. In Unterkapitel 3.5 wurde das
Problem des Transfers, also der Übertragung des Gelernten aus der pädagogischen
Situation in den Alltag, für längerfristige Segelprojekte beschrieben. Dabei wurde
dargelegt, dass alle drei Wirkmodelle aus der Erlebnispädagogik, besonders aber
das „Outward Bound Plus“-Modell und das metaphorische Modell im Rahmen
längerfristiger Segelprojekte Anwendung finden und dass der Nachbetreuung im
Alltag zur Übertragung des Gelernten in den Alltag entscheidende Bedeutung
zukommt. Nach Überlegungen, dass längerfristige Segelprojekte sowohl unter
therapeutischen als auch pädagogischen Gesichtspunkten zu betrachten sind, eine
strikte Trennung zwischen Therapeutischem und Pädagogischem kaum mögliche
73
ist (Unterkapitel 3.6), war anhand von in dieser Arbeit aufgeführten
Prüfungsarbeiten und weiteren Studien keine grundsätzliche Schlechterbewertung,
sondern tendenziell eine Gleichbewertung der Sinnhaftigkeit längerfristiger
Segelprojekte mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen bei abnehmender
Anzahl der Prüfungsarbeiten festzustellen (Unterkapitel 3.7). Folgend wurde kurz
skizziert, dass es zunehmend auch mehrere andere Konzepte für junge Menschen
in psychosozialen Notlagen gibt (Unterkapitel 3.8). Kapitel 3 endet mit dem
Versuch auch vor den vorangegangenen pädagogischen Überlegungen mögliche
Zielgruppen nach Merkmalen genauer zu bestimmen.
Die bezüglich der pädagogischen Aspekte unter 2.2 aufgestellte Arbeitshypothese
scheint eher bestätigt als widerlegt zu sein. Weder in den eher theoretischen
Diskursen in der Fachliteratur noch in den meist empirischen Prüfungsarbeiten
waren Tendenzen festzustellen, dass längerfristige Segelprojekte als immer
unsinniger oder gar gefährlicher erachtet wurden. Vielmehr wurde auf Gefahren,
wie der Gefahr einer starken Hierarchisierung, und Probleme wie das des
Transfers schon sehr früh und immer wieder hingewiesen. In den
Prüfungsarbeiten und weiteren Studien werden längerfristige Segelprojekte (im
Laufe der Jahre sehr konstant) größtenteils als sinnvoll angesehen.
Die mit dem vierten Kapitel „Gesellschaftliche und politische Aspekte“
korrespondierende Arbeitshypothese (b) aus Unterkapitel 2.2 besagte, dass sich
das gesellschaftliche und politische „Klima“ gegenüber längerfristigen
Segelprojekten mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen verschlechtert
hat. Die Öffentlichkeit stehe den Projekten eher ablehnend gegenüber, aber auch
grundsätzliche Entwicklungen der gesellschaftlichen, politischen und
ökonomischen Ordnung, die unter dem Stichwort „Neoliberalismus“ angedeutet
werden, haben negative Auswirkungen für die Durchführbarkeit und Legitimation
längerfristiger Segelprojekte mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen,
bei denen es problematisch ist, Wirkungen – in Zahlen ausgedrückt – zu belegen.
Eine Zielgruppe, für die solche Projekte sinnvoll und angemessen ist, sei in
„genügendem“ Ausmaß vorhanden.
Kapitel 4 beginnt zunächst mit einer in Fachdebatten hauptsächlich thematisierten
Darstellung zweier Sichtweisen auf längerfristige Projekte mit jungen Menschen
in psychosozialen Notlagen. Beide Sichtweisen, die des „finalen
Rettungskonzepts“ und die der „sozialen Verklappung“, ziehen direkte
pädagogische Probleme nach sich, indem entweder zu hohe Erwartungen an die
Projekte gestellt werden oder die (zur Vermeidung einer „Totalen Institution“)
notwendige Freiwilligkeit gefährdet wird (Unterkapitel 4.1). Im folgenden
Unterkapitel 4.2 werden die rechtlichen Grundlagen, besonders das KJHG,
beleuchtet, auch zum Verständnis nachfolgender auf diesen Grundlagen
basierender statistischer Aussagen. Durch qualitative Aussagen insbesondere aus
den Jugendberichten der Bundesregierung und statistische Aussagen basierend auf
den rechtlichen Grundlagen wurden im Unterkapitel 4.3 Indizien gesammelt, dass
die Zielgruppe wahrscheinlich nicht kleiner geworden ist. Mangels genauerer
74
bzw. spezieller Daten war es allerdings nicht möglich, definitive Aussagen zu
machen. Im nachfolgenden Unterkapitel 4.4 wurde an Presseartikeln gezeigt, dass
in der Öffentlichkeit ein verzerrtes Bild von längerfristigen Segelprojekten mit
jungen Menschen, wie überhaupt von (erlebnis-)pädagogischen Projekten
besonders im Ausland herrscht. Abweichler würden für ihr Verhalten auch noch
auf Staats- bzw. Steuerzahlerkosten belohnt und würden betreut von Pädagogen,
die sich bereichern. Auch Politiker und Politikerinnen tendierten im Zuge der
Berichterstattung zu einer ablehnenden Haltung zu solchen erlebnispädagogischen
Projekten, zu denen auch längerfristige Segelprojekte mit jungen Menschen in
psychosozialen Notlagen zählen. Im folgenden Unterkapitel 4.5 wurde anhand
von Literatur der „Neoliberalismus“ als vor allem ökonomischer, aber auch
gesellschaftlicher und politischer „Mainstream“ herausgearbeitet, durch den eine
(betriebs-)wirtschaftliche Terminologie und Denkweise in allen gesellschaftlichen
Bereichen, also auch in den Sozialsysteme Einzug hält. Unter dem Stichwort
„neue Steuerung“ wurde dies im folgenden Unterkapitel 4.6 für Jugendämter
gezeigt und es wurde dargestellt, wie problematisch eine Übertragung und
Anwendung (betriebs-)wirtschaftlicher Methoden auf die Jugendhilfe und
besonders längerfristige Segelprojekte mit jungen Menschen in psychosozialen
Notlagen ist.
Die
Ergebnisse
dieses
Kapitels
deuten
tatsächlich
auf
eine
„Klimaverschlechterung“ für diese Projekte hin. Sowohl der gesellschaftlichpolitische „Mainstream“ besonders in Form der „neuen Steuerung“, als auch das
verzerrte Bild der Projekte in der Öffentlichkeit lassen es nicht leichter und
attraktiver erscheinen, ein längerfristiges Segelprojekt anzubieten. Wie sich dies,
vor allem aber das Bild in der Öffentlichkeit auf das Finden von geeigneten
Mitarbeitern ausgewirkt hat, konnte nicht vertiefend untersucht werden. Dass
potentielle Mitarbeiter vermittels der Variable „Sozialprestige“ abgeschreckt
werden, liegt als Vermutung nach wie vor nahe.
Eine dritte Arbeitshypothese (c) ging davon aus, dass die Besetzungspraxis der
Jugendämter sich nachteilig für längerfristige Segelprojekte mit jungen Menschen
in psychosozialen Notlagen entwickelt habe, obwohl auf lange Sicht solche
Projekte ökonomisch günstiger bzw. sinnvoller sind als beispielsweise
Jugendstrafvollzug.
Das dieser Arbeitshypothese entsprechende Kapitel 5 „Finanzielle Aspekte“ zeigt
zu Beginn die Finanzkrise der kommunalen Ebene, als Träger der örtlichen,
öffentlichen Jugendhilfe, durch die die Projekte in den meisten Fällen finanziert
werden müssten (Unterkapitel 5.1). Dass dabei grundsätzlich keine direkte
rechtliche Beziehung zwischen dem freien Träger, zu denen auch die Anbieter
von Segelprojekten gehören, und öffentliche Träger besteht, sondern erst über
anzustrebende Vereinbarungen bzgl. der Kosten in Form von Tagessätzen
entsteht, wurde im folgenden Unterkapitel 5.2 aufgezeigt. Hier wird auch
verwiesen auf die vom Gesetzgeber herbeigeführte Deckelung der Kosten durch
nur sehr geringe mögliche Steigerung der Tagessätze. Aufgrund der nur sehr
75
geringen Steigerung der gesamten Ausgaben in diesem Bereich der Jugendhilfe
bei gleichzeitigem stärkeren Anwachsen der Fallzahlen lässt sich eine veränderte
Besetzungspraxis seitens der Jugendämter vermuten. Obwohl „Besetzung durch
die Jugendämter“ wegen des Wunsch- und Wahlrechts nicht ganz korrekt ist,
erlangen die Jugendämter bei der Besetzung durch den Begriff
„unverhältnismäßige Mehrkosten“ maßgeblichen Einfluss. Inwiefern sich die
Faktoren Besetzung und Tagessatz auf die Kalkulationen und die
Wirtschaftlichkeit der einzelnen Projekte auswirkt, wurde im Unterkapitel 5.3 an
zwei Projekten nachgezeichnet. Dabei wurde deutlich, dass die ohnehin schon
sehr knapp kalkulierten Projekte sehr anfällig sind, wenn die kalkulierte
Besetzung ausbleibt. Sparpotentiale könne nur noch auf Kosten der Qualität
realisiert werden. Zum Ende des Kapitels fünf werden noch die Kosten von
Jugendstrafvollzug und Segelprojekten (mit Nachbetreuung usw.) verglichen
(Unterkapitel 5.4). Es zeigte sich, dass auf lange Sicht Segelprojekte mit hoher
Wahrscheinlichkeit kostengünstiger sind.
Eine in der Arbeitshypothese behauptete Veränderung der „Besetzung durch die
Jugendämter“ zuungunsten der Segelprojekte konnte nicht direkt nachgewiesen
werden, scheint aber sehr wahrscheinlich. Als ein Beispiel für die direkt politische
Einflussnahme auf die Jugendämter ist (neben der „neuen Steuerung“) die
„Deckelung der Kosten“ zu nennen. Die These, dass längerfristige Segelprojekte
dauerhaft günstiger sind als beispielsweise Jugendstrafvollzug, scheint eher
bestätigt denn widerlegt.
6.2 Woran lag es nun? – Noch einmal die „Macher“
Wie eingangs der Arbeit angedeutet, war es schwierig, diejenigen zu erreichen,
die ihre Projekte eingestellt haben, eben weil sie mangels offizieller Adresse kaum
ausfindig zu machen waren. Aus diesem Grund wurden für diese Arbeit zwei
aktuelle (Noch-)Anbieter und ein Nicht-mehr-Anbieter längerfristiger
Segelprojekte interviewt. Doch auch oder gerade die aktuellen (Noch-)Anbieter
konnten über die Probleme berichten, aufgrund derer andere Anbieter ihre
Projekte aufgegeben haben.
Herr Niemeyer von der Outlaw gGmbH nannte zwei Gründe die in erster Linie
und zu etwa gleichen Anteilen dazu geführt haben, dass Outlaw keine
Segelprojekte mehr anbietet: Konzeptionelle und wirtschaftliche Überlegungen.
Konzeptionell habe sich Outlaw e.V. dafür entschieden, sich auf flexible
erzieherische Hilfen mit starkem sozialräumlichem Bezug zu konzentrieren.
Wirtschaftlich sei das Risiko zu hoch gewesen, da bei einer notwendigerweise
knappen Kalkulation die Projekte durchgängig zu etwa 95 Prozent ausgelastet
hätten sein müssen. Wäre risikomindernd eine Sicherheit einkalkuliert worden,
wäre ein Tagessatz von etwa 400 DM realistisch gewesen. Problematisch sei es
auch immer gewesen geeignetes Personal mit Doppelqualifikation zu finden, das
bereit ist, bei relativ geringer Bezahlung zu arbeiten. Grundsätzlich, so Niemeyers
Einschätzung, habe es eine zeitlang mehr Angebot als Nachfrage gegeben. Der
76
Markt habe also einfach nicht mehr hergegeben und hätten normale
Marktmechanismen dazu geführt, dass einige Anbieter aufgeben mussten.306
Helga Arp und Jens Günther von Gangway e.V. benannten als wichtigste
Probleme die finanziellen. Die Projekte seien sehr personalintensiv und damit bei
notwendiger (nautischer und pädagogischer) Doppelqualifikation und bei einem
Betreuungsschlüssel von eins zu zwei teuer und müssten bei den sehr knappen
Tagessätzen mit etwa 95 Prozent belegt sein. Diese Belegung ist dann besonders
schwierig zu erreichen, wenn bei Finanzknappheit die Jugendämter zu geringerer
Besetzung neigten. Druck würde auf Verwaltungsmitarbeiter ausgeübt, keine
Projekte über bestimmten Tagessätzen zu genehmigen. Rückfragen von Gangway
e.V., warum nicht mehr belegt würde, ergaben regelmäßig, dass finanzielle
Gründe und nicht pädagogische ausschlaggebend seien.
Die negative Berichterstattung in der Presse hätte im wesentlichen die Projekte
betroffen, die nicht in ausreichendem Maße selber Öffentlichkeitsarbeit geleistet
hätten. Es sei aber ganz gut, dass es jetzt vielleicht weniger Projekte gebe, bei
denen junge Menschen schlecht untergebracht sind.
Geeignetes Personal zu finden, sei sehr schwer. Die nötigen Voraussetzungen,
nautische und pädagogische Qualifikationen, eine Familie im Hintergrund, die es
mitträgt, wenn jemand ein halbes Jahr weg ist, selber ein halbes Jahr auf
Privatleben weitgehend zu verzichten, erfüllten nur wenige. Mit den sonst in der
Seefahrt üblichen Gehältern können Segelprojekte nicht mithalten.307
Thomas Piruzgar-Merkle gibt vielfältige Probleme beim Betrieb eines
Segelprojektes an. Grundsätzlich sei das Geld immer knapp. So könne die Arbeit
nicht annähernd angemessen belohnt werden. Von den Mitarbeitern werde ein
hohes Maß an Qualifikationen verlangt, die erst im Zuge der Professionalisierung
der sozialen Arbeit möglich wurden. Es seien damit aber auch längere und
fundiertere Ausbildungszeiten und –leistungen nötig geworden. Zusätzlich werde
von den Mitarbeitern neben der nautischen Ausbildung die Beherrschung zweier
Fremdsprachen und handwerkliche Vorkenntnisse erwartet. Bei einer Bezahlung
von etwa BAT 4b sei es sehr schwierig, Personal zu finden, das dazu bereit ist,
rund um die Uhr „im Einsatz“ zu sein, weit weg von der Familie.
Durch die Presseberichte, die sich pauschal gegen alle Auslandsprojekte richtete,
seien Einrichtungen demotiviert und demontiert worden, sodass etwa 50 Prozent
aufgegeben hätten.308
306
Vgl.: Interview Niemeyer, a.a.O.
Vgl.: Interview Arp/Günther, a.a.O.
308
Vgl.: Interview Piruzgar-Merkle, a.a.O.
307
77
6.3 Warum es immer weniger längerfristige Segelprojekte für junge
Menschen in psychosozialen Notlagen gibt –
eine vorläufige Antwort und ihr Wert
Die zu Beginn der Arbeit gestellte Frage, warum es immer weniger längerfristige
Segelprojekte für junge Menschen in psychosozialen Notlagen gibt, würde ich
nun, am Ende dieser Arbeit so beantworten, dass meistens unmittelbar finanzielle
Gründe die Anbieter dazu bewegten, ihre Projekte einzustellen. Was aber
mittelbar der Grund war, was also ursächlich zu den finanziellen Problemen
geführt hat, scheint mir nach wie vor nicht eindeutig klärbar. Die in den
Arbeitshypothesen genannten und in dieser Arbeit untersuchten Phänomene
scheinen mir aber mit unterschiedlicher Gewichtung, die in dieser Arbeit nicht
weiter untersucht wurde, ein Gemenge von Gründen zu ergeben. Dabei lässt sich
gewiss für jeden dieser möglichen Gründe wieder fragen, was ihnen zugrunde
liegt und bei den dann gefundenen Gründen lässt sich dies wieder fragen usw.
Eine Einordnung von Segelprojekten in einen größeren Kontext, wie dies in dieser
Arbeit u.a. intendiert war, ist abschließend wohl kaum möglich. Ansatzweise ist
diese aber von mir versucht worden. Allein durch die Wahl der besonders zu
untersuchenden Aspekte über die Aufstellung der Arbeitshypothesen beinhalten
ein Nichtuntersuchen bzw. ein Ausschließen anderer Aspekte, die möglicherweise
auch (mittelbar) relevant waren oder sind. Die von mir gewählten Aspekte
schienen mir jedoch besonders plausibel.
Plausibel ist auch das Stichwort zur Bewertung der Ergebnisse der einzelnen
Kapitel und Unterkapitel. Eine wirklich eindeutige wissenschaftliche
„Beweisführung“ war in dieser Arbeit und der gegebenen Zeit und aufgrund
fehlenden Materials häufig nicht möglich. Ausgehend von „Indizien“ schienen
mir bestimmte Aussagen aber plausibel.
Bei allen Schwierigkeiten mit dem Begriff „schwierigste Jugendliche“ komme ich
nun zurück auf die Frage, die gleichzeitig Thema dieser Arbeit ist:
Segelpädagogik für schwierigste Jugendliche – Ein Auslaufmodell?
Auslaufen bedeutet in der Sprache der Seeleute das Verlassen des sicheren
Hafens, das Aufbrechen zu neuen Ufern. Für einen jungen Menschen können
psychosoziale Notlagen bei all ihren Gefährdungen ein Stück Sicherheit oder
besser Vertrautheit bedeuten. Wenn der sichere Hafen als Metapher für diese
gewohnten psychosozialen Notlagen dient und die neuen Ufer die realistisch zu
erreichenden Erziehungsziele sind, war Segelpädagogik schon immer ein Modell
des Auslaufens und sollte es auch weiterhin bleiben.
Ob Segelpädagogik auch ein auslaufendes Modell, also ein Modell, dass nicht
mehr angeboten wird, ist, ist eine andere Frage, auf die auch diese Arbeit kein
klares Ja oder Nein als Antwort geben kann. Die weitere Entwicklung wird dies
wohl zeigen. Um längerfristige Segelprojekte mit jungen Menschen in
psychosozialen Notlagen nicht zu einem auslaufenden Modell werden zu lassen,
also weiterhin als Modell des Auslaufens zu erhalten, ließe sich einiges tun.
78
6.4 Was nun?
Als erstes sind natürlich noch Fragen offengeblieben, bei denen es sich lohnen
würde, diese vertiefter zu untersuchen. Wünschenswert ist m.E. eine größere
vergleichende Wirkungsanalyse verschiedener Umgangsweisen mit den
„Schwierigsten“. Diese sollte aber auch breiter in den Erfolgskriterien sein, d.h.
sie sollte die nachhaltige Erreichung verschiedenster Erziehungsziele beinhalten.
Die Nachhaltigkeit kann durch einen ausreichenden Katamnesezeitraum, also
etwa fünf Jahre nach Beendigung des Projekts, in die Untersuchung Eingang
finden. Trotzdem sollte auch eine solche Untersuchung, eine quantitative
Untersuchung mit vielen ehemaligen Teilnehmenden jeweils deren Vorgeschichte
berücksichtigen. Des weiteren erachte ich es als sehr sinnvoll, für die Bewertung
der Erreichung der Ziele neben ehemaligen Teilnehmende und Jugendämtern,
auch die ehemaligen Pädagogen vor Ort einzubeziehen. Sie könne trotz aller
eigener Interessen doch häufig gut einschätzen, ob der Weg, der von ehemaligen
Teilnehmenden eingeschlagen wird, für diese schlüssig und sinnvoll ist.
Eine solche Wirkungsanalyse könnte dazu beitragen, eine evtl. wiederkehrende
Diskussion auch in den Medien zu versachlichen und würde den Anbietern
sowohl als Evaluation der eigenen Arbeit, als auch als Argumentationshilfe
dienen können. Zwar häufen sich die Anzeichen, dass längerfristige Segelprojekte
mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen einen nach wie vor
vielversprechenden Weg darstellen, eine Erforschung dessen scheint aber
abgebrochen ohne beendet zu sein.
Bis dahin kann den verbliebenen Anbietern nur geraten werden, weiterhin die
geäußerten Kritiken immer wieder ernst zu nehmen, als Anlass zur Überprüfung,
wie viel der Kritik berechtigt ist, aber auch wie viel der Kritik durch eigene
Öffentlichkeitsarbeit entkräftbar ist. Klarheit sollte darüber geschaffen werden,
dass längerfristige Segelprojekte nicht das Allheilmittel für „alle Gestörten“ sein
können. Hiergegen können sich die Anbieter ebenso wenden wie gegen den
Missbrauch des Mediums Segeln zur Verklappung derer, die lästig sind.
Grundsätzlich hoffe ich, dass längerfristige Segelprojekte als eine
vielversprechende aber auch viel einhaltende Möglichkeit des Umgangs mit
jungen Menschen in psychosozialen Notlagen erhalten bleibt. Es besteht auch
Grund zu dieser Hoffnung. Das Interesse, solche Segelprojekte zu belegen,
scheint wieder zu steigen.309 Denen, die gerne wieder Segelprojekte belegen
möchten, möchte ich zurufen: „Geld ist nicht alles und gute Arbeit hat ihren Preis!
Auch und gerade in Zeiten knapper Kassen ist dieses Geld gut und nachhaltig
angelegt.“
309
Vgl.: ebd. / Vgl. Interview Arp/Günther, a.a.O.
79
Anhang I: Quellenverzeichnis
I.1 Veröffentlichte Quellen
(ohne die für 4.4 relevanten Zeitungsartikel, die aus Anhang IV zu entnehmen sind)
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I.2 Unveröffentlichte Quellen
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Februar 2002
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Scheffers, Wilfried, Segeln als Medium sozialpädagogischer Arbeit mit Kindern
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Langzeitprojekte bei Jugendlichen mit Störungen des Sozialverhaltens, Tübingen
1995, unveröffentlichte Diplomarbeit
87
Anhang II: Prüfungsarbeiten zu Segelprojekten
Alle hier aufgeführten Arbeiten finden sich im Prüfungsarbeitenarchiv des
Instituts für Erlebnispädagogik Lüneburg:
1978:
Erwin Bogena und Jürgen Dietrich kommen in ihrer gemeinsame Examensarbeit
„...zu dem Schluß, daß nicht genügend Verhaltensänderungen bei den
Jugendlichen bewirkt werden und daß insofern die öffentliche Ersatzerziehung auf
dem Wasser keine Alternative zur praktizierten Heimerziehung darstellt.“310
1979:
Rudolf Westenberger „...kommentiert .. Chancen und Gefahren der
segeltherapeutischen
Maßnahmen
und
erwägt
zukünftige
311
Innovationsmöglichkeiten des Fürsorgesystems“ in seiner Magisterarbeit.
1983:
Christian Bode formuliert Bedingungen für das Erreichen pädagogischer Ziele.
Dabei kommt es ihm auf pädagogische Möglichkeiten und Wirkungen in
Abgrenzung zu Therapeutischem an.312
Martin Seelov betrachtet Segelprojekte besonders unter dem Aspekt der
Alternative oder Ergänzung zu Heimerziehung.313
Brunhild Zantrop zieht in ihrer Examensarbeit ein vorläufiges positives Fazit bzgl.
des Segelprojektes JONATHAN.314
1985:
Sybille Bucke sieht zahlreiche Faktoren an Bord als förderlich für
Verhaltensänderungen bei Jugendlichen.315
Uli Fentrop stellt in seiner Examensarbeit die Wirksamkeit von
Erlebnispädagogik exemplarisch am Segelprojekt Outlaw dar.316
Manfred Riedle, Holger Schmidt und Martina Schmidt sehen in ihrer
gemeinsamen Diplomarbeit Segeltörns als wegweisend für die weitere Zukunft
von Klienten an und fordern Nachbetreuung.317
1986:
Udo Fischer zeigt, wie sich strukturelle Momente des Segelns pädagogisch nutzen
lassen und regt eine größere Vernetzung von Therapie und Pädagogik an.318
Rainer Mustert und Michael Rogge kommen in ihrer gemeinsamen Diplomarbeit
nach Fragebögen und Interviews mit Teilnehmern und Betreuern zu dem positiven
310
Buhl, Neumann, a.a.O., S. 22f
ebd., S. 66f
312
Vgl.: ebd., S. 20f
313
Vgl.: ebd., S. 60f
314
Vgl.: ebd., S. 70f
315
Vgl.: ebd., S. 22f
316
Vgl.: ebd., S. 30f
317
Vgl.: ebd., S. 56f
318
Vgl.: ebd., S. 32f
311
88
Schluss, dass Ansätze zu Verhaltensänderungen erkennbar seien und fordern
Nachbetreuung.319
1987:
Jürgen Becker sieht nach Beschreibung zweier Projekte diese als
erfolgversprechende Alternative zur geschlossenen Unterbringung.320
Thomas Mallach bewertet den sozialtherapeutischen Nutzen zweier Projekte
positiv und problematisiert die wissenschaftliche Überprüfbarkeit.321
Helmut Paar beschreibt das Fehlschlagen einer Segelmaßnahme für einen
Klienten.322
Torsten Strumila spricht von Effizienz der Erlebnispädagogik, u.a. von
Segelprojekten, in Problemfällen als Alternative zu herkömmlichen Formen
öffentlicher Erziehung.323
1988:
Stephan Buttgereit spricht sich für vermehrten Einsatz sozial-therapeutischer
Segelprojekte aus.324
Monika Dittmann befindet das Segelprojekt Arge Noah für konzeptuell ausgereift
vor allem die Nachbereitung und damit verbundene Stabilisierung betreffend.325
Thomas Hinze grenzt die „Totale Institution“ Schiff von anderen „Totalen
Institutionen“ ab und fordert die Gleichwertigkeit aller Gruppenmitglieder an
Bord.326
Andrea Johannknecht beschreibt Chancen für die Entwicklung junger Menschen
anhand sozialpädagogischen Segelns.327
Bettina Lauterbach beschreibt nach einer „Erfolgsanlyse“ für das Projekt
NOSTRA
Gründe
für
Nichterreichen
von
Zielen
und
macht
328
Verbesserungsvorschläge.
Susanne Naber beurteilt die Wirkung einer von ihr dokumentierten pädagogischtherapeutischen Segelreise als positiv.329
Thomas Piruzgar beschreibt detailliert sozialtherapeutisches Segeln anhand
verschiedener Projekte und besonders anhand der ANNA-CATHARINA und trägt
zur Weiterentwicklung dessen bei.330
Uta Reich beschreibt Bedingungen des Zusammenlebens an Bord von Schiffen,
die ein therapeutisches Klima begünstigen.331
319
Vgl.: ebd., S. 50f
Vgl.: ebd., S. 20f
321
Vgl.: ebd., S. 50f
322
Vgl.: ebd., S. 52f
323
Vgl.: ebd., S. 64f
324
Vgl.: ebd., S. 24f
325
Vgl.: ebd., S. 26f
326
Vgl.: ebd., S. 36f
327
Vgl.: ebd., S. 40f
328
Vgl.: ebd., S. 46f
329
Vgl.: ebd., S. 52f
330
Vgl.: ebd., S. 54f
331
Vgl.: ebd., S. 54f
320
89
1989:
Johannes Guschelbauer untersucht mit mathematisch-statistischen Methoden, die
er selbst auch mit Kritik betrachtet, einen Langzeittörn mit Mädchen auf
Verhaltensänderung und kommt dabei zu dem Ergebnis, dass der Nachbereitung
besondere Bedeutung zukommt.332
Christiane Linn beschreibt in ihrer Examensarbeit das Schiff „als ,geschützten und
attraktiven Erlebnis- und Erfahrungsraum’“333.
Birgit Wibberg untersucht die Chancen der Erlebnispädagogik, u.a. des Segelns,
mit jugendlichen Straffälligen.334
1990:
Martin Fritsch sieht Erlebnispädagogik nach einem Segeltörn mit der ANNACATHARINA als Zusammenspiel von Erlebnistherapie und Milieutherapie.335
Harald Kunert befürwortet in seiner Examensarbeit grundsätzlich den Ausbau
längerfristiger Segelprojekte und problematisiert geschlossene Unterbringung im
allgemeinen.336
Beate Wehking spricht sich für Therapie von jungen Menschen mit
Drogenproblematik auf Segelschiffen aus.337
1991:
Klaus Freudenhammer beschreibt insbesondere Segeln als Möglichkeit die
Abgetrenntheit von der Natur zu überwinden und zu einer Urharmonie
zurückzufinden.338
Thilo Korek beschreibt Segeln als erlebnispädagogisches Medium, das
Möglichkeiten der Verhaltensänderung besonders dadurch bietet, dass das Schiff
ein abgetrennter Lebensraum mit verschiedenen Lernfeldern und einer besonderen
Sozialgemeinschaft ist.339
Manfred Roth thematisiert nach Gesprächen mit Teilnehmenden mehrerer
Schiffsprojekte positive und negative Effekte und regt Verbesserungen, wie z.B.
Ausbildungsmöglichkeiten an.340
1992:
Katja Günewald beschreibt die „Totale Institution“ Schiff als Chance und die
auftretenden Konflikte an Bord als Möglichkeit des Trainings konstruktiver
Konfliktlösungsstrategien.341
Birgit Reinhold beleuchtet Möglichkeiten erlebnispädagogischer Maßnahmen,
u.a. des Segelns, im Rahmen des § 35 KJHG.342
332
Vgl.: ebd., S. 34f
ebd., S. 48f
334
Vgl.: ebd., S. 68f
335
Vgl.: ebd., S. 32f
336
Vgl.: ebd., S. 44f
337
Vgl.: ebd., S. 66f
338
Vgl.: ebd., S. 32f
339
Vgl.: ebd., S. 42f
340
Vgl.: ebd., S. 56f
341
Vgl.: ebd., S. 34f
333
90
Harald Wurst setzt sich mit verschiedenen Aspekten sozialtherapeutischen
Segelns und da besonders mit der ANNA-CATHARINA auseinander.343
1993:
Reiner Fischbach beschreibt Möglichkeiten weitgehender Gleichheit und
antiautoritärer Erziehung an Bord von Segelschiffen.344
Ralf Sattelmeier warnt, nachdem er die Anwendung verschiedener
Therapieformen beleuchtet, vor Kommerzialisierung von Segelprojekten und
fordert verstärkte wissenschaftliche Begleitung.345
1994:
Heiko-Michael Bohn räumt nach Beschäftigung besonders mit LangzeitSegelprojekten der Erlebnispädagogik wertvolle Möglichkeiten in der Ergänzung
herkömmlicher Methoden ein, warnt aber vor einer Glorifizierung.346
Wilfried Scheffers hält fest, dass Segeln für sozialpädagogische Arbeit günstige
Rahmenbedingungen bietet.347
1995:
Hasko Facklam und Raphael Meßlinger kommen nach der Untersuchung des
Segelprojekts ARGE NOAH zu dem Ergebnis, das aufgrund offensichtlicher
Erfolge dies eine gute und notwendige Alternative darstellt.348
342
Vgl.: ebd., S. 56f
Vgl.: ebd., S. 70f
344
Vgl.: ebd., S. 30f
345
Vgl.: ebd., S. 58f
346
Vgl.: ebd., S. 22f
347
Vgl.: Scheffers, a.a.O., S. 79
348
Vgl.: Facklam, Hasko, Meßlinger, Raphael, Möglichkeiten erlebnispädagogischer Arbeit mit
gefährdeten Jugendlichen am Beispiel der „Arge Noah“, Kassel 1995, unveröffentlichte
Diplomarbeit, S. 103
343
91
Anhang III: Fälle in der Jugendhilfestatistik
III.1 Tabelle 3: Vergleich von begonnenen und beendeten Hilfen nach § 34
(unter besonderer Berücksichtigung der Wohnform Heim) und §35 KJHG zum
jeweiligen Bestand am Jahresende (1991-1998)
Jahr
Bestand
31.12. Heimerziehung/ Unterbringung in Intensive
Vorjahr,
+ Sonstige betreute einem Heim
sozialpädagogisch
begonnene Hilfen, - Wohnform
e Einzelbetreuung
beendete Hilfen, = männ- männ- männ- männ- männ- männrechnerischer Saldo lich und lich
lich und lich
lich und lich
weiblich
weiblich
weiblich
1991
01.01.’91 64.332 39.313 60.669 37.529
682
340
+ 23.938 13.386 21.974 12.509
457
249
- 20.560 12.027 18.466 11.006
345
186
= 67.710 40.672 64.177 39.032
794
403
1992
31.12.’91 68.190 40.920 63.423 38.626
865
440
+ 25.393 14.187 23.024 13.104
532
294
- 21.472 12.389 19.146 11.291
434
233
= 72.111 42.718 67.301 40.439
963
501
1993
31.12.’92 72.685 43.012 66.627 40.092
1.033
529
+ 27.573 15.513 24.667 14.086
617
360
- 24.173 13.833 21.249 12.320
497
271
= 76.085 44.692 70.045 41.858
1.153
618
1994
31.12.’93 76.824 45.047 69.254 41.400
1.248
676
+ 26.915 14.889 23.642 13.341
833
410
- 24.756 14.300 21.459 12.645
683
371
= 78.983 45.636 71.437 42.096
1.398
715
1995
31.12.’94 80.077 46.202 70.880 41.819
1.505
772
+ 27.865 15.474 23.560 13.497
1.106
561
- 24.113 13.569 20.270 11.699
677
368
= 83.829 48.107 74.170 43.617
1.934
965
1996
31.12.’95 69.969 40.549 61.831 36.846
1.424
709
+ 27.268 15.006 22.497 12.803
1.082
571
- 25.426 14.091 20.232 11.629
935
499
= 71.811 41.464 64.096 38.020
1.571
781
1997
31.12.’96 75.543 43.451 65.541 38.948
1.849
931
+ 27.422 14.945 22.368 12.631
1.258
655
- 25.465 13.988 20.147 11.510
977
498
= 77.500 44.408 67.762 40.069
2.130 1.088
92
31.12.’97 78.212 44.682 66.543 39.379
2.303 1.171
+ 28.312 15.616 22.471 12.855
1.373
720
- 25.658 14.105 20.188 11.571
1.062
545
= 80.866 46.193 68.826 40.663
2.614 1.346
01.01.’91 64.332 39.313 60.669 37.529
682
340
+begon. H.’91-’98 214.686 119.016 184.203 104.826
7.258 3.820
-beend. H.’91-’98 191.623 108.302 161.157 93.671
5.610 2.971
= 87.395 50.027 83.715 48.684
2.330 1.189
31.12.’98 82.051 46.819 68.133 40.336
2.778 1.424
Quelle(n):
Statistisches Bundesamt, Fachserie 13: Sozialleistungen. Reihe 6.1.2 Jugendhilfe
– Erzieherische Hilfen außerhalb des Elternhauses, Stuttgart 1993-2000, jährlich,
je S. 15 (begonnene Hilfen), S. 31 (beendete Hilfen), S. 53 (Bestände) (außer
1998 und 2000 S. 51)
Statistisches Bundesamt, Fachserie 13: Sozialleistungen. Reihe 6.1.4 Jugendhilfe
– Erzieherische Hilfen außerhalb des Elternhauses, Stuttgart 1993, S.
1998
III.2 Tabelle 4: Bestände in der Wohnform Heim nach Altersklassen jeweils
zum 31.12. eines Jahres (1991-1998)
12 – 15 Jahre
15 – 18 Jahre
18 – 21 Jahre
12 – 21 Jahre
männlich männlich männlich männlich männlich männlich männlich männlich
und
und
und
und
weiblich
weiblich
weiblich
weiblich
1991
14540
9548
19911
11728
8224
4867
42675
26143
1992
14847
9603
20325
11914
10018
5816
45190
27333
1993
15314
9805
20570
12028
11139
6425
47023
28258
1994
15455
9717
20802
11965
11579
6478
47836
28160
1995
14906
9499
20629
11688
8352
4702
43887
25889
1996
15292
9742
22182
12593
9425
5333
46899
27668
1997
15279
9653
22418
12741
9884
5545
47581
27939
1998
13014
8217
20041
11561
11017
6203
44072
25981
Quelle(n):
Statistisches Bundesamt, Fachserie 13: Sozialleistungen. Reihe 6.1.2 Jugendhilfe
– Erzieherische Hilfen außerhalb des Elternhauses, Stuttgart 1993-2000, jährlich,
je S. 53 (außer 1998 und 2000 S. 51)
Jahr
93
III.3 Tabelle 5: Bestände in Intensiver sozialpädagogischer Einzelbetreuung
nach Altersklassen jeweils zum 31.12. eines Jahres (1991-1998)
12 – 15 Jahre
15 – 18 Jahre
18 – 21 Jahre
12 – 21 Jahre
männlich männlich männlich männlich männlich männlich männlich männlich
und
und
und
und
weiblich
weiblich
weiblich
weiblich
1991
17
13
357
189
404
181
778
383
1992
18
12
395
215
509
247
922
474
1993
24
18
406
233
632
332
1062
583
1994
29
15
536
284
646
357
1211
656
1995
35
25
685
362
650
292
1370
679
1996
38
29
747
417
929
423
1714
869
1997
64
48
884
494
1099
501
2047
1043
1998
40
27
919
508
1213
598
2172
1133
Quelle(n):
Statistisches Bundesamt, Fachserie 13: Sozialleistungen. Reihe 6.1.2 Jugendhilfe
– Erzieherische Hilfen außerhalb des Elternhauses, Stuttgart 1993-2000, jährlich,
je S. 53 (außer 1998 und 2000 S. 51)
Jahr
94
Anhang IV: Im weiteren Sinne zum Thema gehörige
Presseartikel
Die nachfolgend aufgeführten Presseartikel sind (so gut wie möglich)
chronologisch geordnet. Zum Großteil stammen sie aus dem Ordner „Presse.
Artikel. 1982 – 1999“ des Bundesverbands Erlebnispädagogik e.V.
1982:
Der Spiegel 46/1982 S. 116-128
Outlaw – Segeln als Mittel der Sozialisierung statt Knast. Pädagogischer Ertrag
grundsätzlich umstritten, bei Outlaw 80%.
1984:
Lübecker Nachrichten 29.07.1984
ZUVERSICHT als erfolgreiches Vorbild für Erziehung Jugendlicher in
Verbindung mit Segelschiffen
1985:
segeln 2/1985
Langer Bericht über Segeln auf der ZUVERSICHT als Therapie –als erfolgreich
dargestellt
Stern 23.04.1985
Segeln als Pädagogik und Therapie mit „Fürsorgezöglingen“ auf der UNDINE
wird gelobt
Lübecker Nachrichten 09.06.1985
Arbeitslose Jugendliche bauen Schiffe behindertengerecht um
Lübecker Nachrichten 09.08.1985
Behinderte und Nichtbehinderte segeln zusammen auf der JACHARA
1994:
Zeitschrift für Erlebnispädagogik 1/1994
Abdruck eines Berichtes aus: Präsidium des Bundes der Steuerzahler e.V. –
Wiesbaden (Hrsg.): DIE ÖFFENTLICHE VERSCHWENDUNG. Ein
Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler. XVI. Ausgabe, Bonn 1993
„...das unschlagbare Angebot...“, „...Kreuzfahrt...“, „...Fernweh der auf
Steuerzahlerkosten mitreisenden Betreuer Vater dieses pädagogischen
Gedankens...“
(anbei)
95
Welt am Sonntag 17.07.1994
„Steuergelder für Weltreisen krimineller Jugendlicher“ – Misserfolge – Bund der
Steuerzahler eingeschaltet
Der Spiegel 27/1994 S. 92-95
CDU-Politiker wieder für vermehrte
pädagogisch und politisch umstritten ist.
geschlossenen
Unterbringung,
die
Der Spiegel 29/1994 S. 61
Von Journalisten werden Horrorgeschichten in der Jugendszene gestellt.
Welt am Sonntag (WamS) 17.07.1994
„Steuergelder für Weltreisen krimineller
pädagogisches Fiasko“
Jugendlicher“
„kostspieliges
1995:
Hamburger Abendblatt 10.01.1995
Hamburg holt Kinder aus Kuttula zurück wegen des Vorwurfs der
Kindesmisshandlung
Zahl der Kindeer gesunken – Anteil der Alleinerziehenden gestiegen
Hamburger Abendblatt 11.01.1995
Kuttula klagt gegen Hamburger Jugendbehörde wegen Verleumdung und
Nötigung
Hamburger Abendblatt 16.01.1995
Rückfälliges Crash-Kid als Beispiel für missglückte Kuttula-Maßnahme
Hamburger Abendblatt 19.01.1995
Streit in der Hamburger Bürgerschaft um den Sinn der Zusammenarbeit mit
Kuttula und deren Ende
Hamburger Abendblatt 06.02.1995
Mädchen, das aus Kuttula zurückgeholt wurde hatte sich nach Berlin abgesetzt
..(nicht angegeben)..349 01.03.1995
Erlebnispädagogik mit schwererziehbaren Jugendlichen nicht teurer
Heimerziehung – Schwarze Schafe – überwiegend positive Beurteilung
als
Bei mit „..(nicht angegeben)..“ gekennzeichneten Artikeln konnte nicht (eindeutig) festgestellt
werden, aus welcher Zeitung/Zeitschrift er stammt. Zu finden sind solch Artikel in einem
Presseordner des Bundesverbandes Erlebnispädagogik e.V. (BE).
349
96
Bild (München) 01.03.1995
„Brandstiften, schlagen, rauben – dann auf Staatskosten 9 Monate nach Australien
Der Spiegel 9/1995 „Das Ende der Erziehung“
„Wer soll die Schwerstarbeit Erziehung leisten?“ – Ende der Familie –
Überforderung der Schule - Beschreibung einer sich verschärfenden Heimkarriere
dpa 24.04.1995
„Reisen in ferne Länder als Mittel gegen die schiefe Bahn“ – Wert auf
Nachbetreuung gelegt
Süddeutsche Zeitung 25.04.1995
„Erlebnispädagogik oft letzte Chance“, „Gütesiegel gegen Nestbeschmutzer“
Rheinische Post 26.04.1995
Wohlwollende Darstellung erlebnispädagogischer (Auslands-)Projekte
Gütesiegel soll schwarze Schafe verhindern, die Branche in Verruf bringen
–
Süddeutsche Zeitung 09.05.1995
„Zahl der Heimkinder auf fast 70000 gestiegen“
Süddeutsche Zeitung Magazin 35/1995, 01.09.1995
Geschäftemacherei mit Algarve-Projekten
HNP-Stadtnachrichten 11.09.1995
Bericht über erfolgreiches Jakobsweg-Projekt mit Nachbetreuung
..(nicht angegeben).. Stadtnachrichten 12.09.1995
Bericht über ebendieses Jakobsweg-Projekt
Flensburger Nachrichten 08.11.1995
Bericht über Rückkehr der CHARLOTTE mit positiver Einschätzung der Arbeit
(80% der Jugendlichen nach Projekt nicht mehr straffällig)
Kieler Nachrichten 10.11.1995
Pädagogen warnen, dass durch Verwaltungsreform Problemkinder ausgegrenzt
werden könnten
Südkurier 17.11.1995
Positiver Bericht über die ANNA-CATHARINA – mit 80000 DM pro Maßnahme
zwar teuer aber effektiv – viele Vorurteile bei Behörden
97
Geislinger Zeitung 22.12.1995
Erfolgreicher Bau eines Wasserkraftwerkes mit Jugendlichen
1996:
Tempo Januar 1996
Reportage über junge Obdachlose / Ausreißer
Szene Hamburg 1/1996 S. 19-21
Bericht über UNDINE VON HAMBURG – hart aber erfolgreich
Hamburger Abendblatt 13.01.1996
Kritik an Jugendbehörde im Fall Dennis
Hamburger Abendblatt 15.01.1996
U.a. zu Kuttula – CDU-Bürgerschaftler Ehlers: Alleingänge der Jugendbehörde zu
Lasten des Steuerzahlers
Hamburger Abendblatt 16.01.1996
Interview mit Jugendsenatorin Raab und kurzer Artikel zu Dennis im Waldhotel
in der Nähe von Kuttula
Bild (Hamburg) 17.01.1996
Haftbefehl gegen Dennis – Kuttula umstritten
..(nicht angegeben).. 18.01.1996
Rückfälligkeit nach vorzeitigen Verlassens von Kuttula
..(nicht angegeben).. 19.01.1996
Justiz möchte Dennis inhaftieren
..(nicht angegeben).. 08.03.1996
Eher positiver Bericht über Entwicklungshilfeprojekt mit Jugendlichen in
Namibia und Werbung dafür – „Auslandsprojekte...und Erlebnispädagogik, die
wie Abenteuerurlaub anmutet, machen immer wieder Negativschlagzeilen. Vom
„Verschieben“ krimineller Jugendlicher ist die Rede, und die betroffenen scheinen
auf Steuerzahlers Kosten dabei gut abzukassieren.“
Hamburger Morgenpost 12.03.1996
„Hamburgs frechster Dieb Dennis (17) auf Bewährung frei“
Schleswig-Holsteinische Landeszeitung 13.03.1996
Versagen der Erlebnispädagogik am Beispiel Dennis
98
LZ 13.03.1996
Meldung und Bericht über „,Crash-Kid’ Dennis“ – ihm droht nun Jugendhaft
Schwabo 14.03.1996
Berichte über kurze Ski-Freizeit des Heimes Eichhorn
Bild Rhein-Neckar 18.03.1996
„Vorbestrafter Söldner spielt Vater für kriminelle Kids“
Bild (19.03.1996?)350
„Jugend-Camp: Erziehung in Spanien besser als in der Pfalz?“„Ex-Knacki als
Erzieher für kriminelle Kids – Schock bei unseren Jugendämtern.“ „Dieter Lau
vom Bund der Steuerzahler: ‚Selbst wenn man vom pädagogischen Sinn solcher
Maßnahmen absieht, verstehe ich nicht, weshalb teure Erlebnispädagogik im
Ausland für die Erziehung der Jugendlichen besser sein sollen, als preisgünstigere
im Schwarzwald oder in der Pfalz?’“
..(nicht angegeben – RNZ?).. 19. März 1996
Artikel zur Fehlbesetzung in spanischem
Auslandsprojekte?“
Camp
„Wer
kontrolliert
Stern 03.04.1996
Wie Umgehen mit „Kriminellen Kindern“? – Bericht u.a. über Projekte mit
anschließender Rückfälligkeit: „Für Kritiker der Erlebnispädagogik ist Lars das
beste Beispiel für deren Scheitern.“ Andererseits hohe Rückfallquote im
Strafvollzug (bis zu 80%)
Interview mit Kriminologe Christian Pfeiffer: Segeltörns oft erfolgreicher und
billiger als Wegsperren
Interview mit Streetworker: Schwierige und langwierige Arbeit, anderen erscheint
es wie Verschleuderung von Steuergeldern
Mittelbadische Presse 10.04.1996
Fußballturnier mit Straffälligen
Stern 15.04.1996
NDR dreht Film über Crashkids
350
Daten mit Fragezeichen und in Klammern sind Daten, an denen der entsprechende Artikel dem
Bundesverband Erlebnispädagogik e.V. (BE) zugefaxt wurden. Eine hohe zeitliche Nähe ist
anzunehmen.
99
Ruhrnachrichten 20.05.1996
Eher positiver Artikel zu Ranch-Projekt in Argentinien – umstritten aufgrund der
hohen vom Steuerzahler finanzierten Kosten, die nicht höher sind als bei
Heimunterbringung (siehe auch Artikel im Kölner Stadt-Anzeiger 12.09.1996)
Mittelbadische Presse, 24.05.1996
Interview zu einer Kanutour mit jungen Schützenvereinsmitgliedern
Leipziger Volkszeitung 31.05.1996
Bundespräsident Herzog bei „Markt der Jugendhilfe“ zu Gast – schlecht Zeiten
für Jugendhilfe – Gefahr der Einsparung bei denen, die kein Stimmrecht haben
..(nicht angegeben).. 31.05.1996
Eröffnung des Jugendhilfetages durch Roman Herzog mit Aufforderung,
Einsparungen in der Jugendhilfe sehr genau zu überdenken
Süddeutsche Zeitung 20.07.1996
Positiver bericht über Schiffprojekt NORA – hohe Erfolgsquote
LZ (Lübecker Zeitung?) 07.08.1996
Schwere Vorwürfe gegen Kinder- und Jugendhilfe-Verbund (KJHV) Kiel wegen
Unregelmäßigkeiten der Betreuung
Kiel 21.08.1996
Stellungnahme zu Vorwürfen gegen KJHV
Presseinformation der Landesregierung Schleswig-Holstein 22.08.1996
Vorwürfe gegen Kinder- und Jugendhilfe-Verbund (KJHV) haben sich als haltlos
erwiesen
Dithmarscher Landeszeitung 23.08.1996
Schleswig-Holsteinische Landesregierungen entkräften Vorwürfe gegen KJHV
..(nicht angegeben).. ..(nicht angegeben)..
FDP-Landtagsabgeordnete Aschmoneit-Lücke will weitere Klärung bzgl. KJHV
Der Spiegel 36/1996 S. 142-151 „Kamelritt ins Glück“ 02.09.1996
(Bis zu 12000 DM/Monat) Teure Maßnahmen von mitunter dubiosen Vereinen
mit häufig überforderten Betreuern
In einigen Fällen wird auch Straffälligkeit mitfinanziert
„Wenn Pauschalurlauber auf Gomera vom Ufer aus zusehen müssen, wie
deutsche Crash-Kids auf einer Jacht vorbeirauschen, dann wirft das die Frage auf,
100
ob Verbrechen sich doch lohnt – insbesondere, wenn die Kinder nach der
Rückkehr wieder Autos klauen und zu Schrott fahren.“
Ziegenspeck („Sozialmafia“) habe den Vorsitz des BE aufgegeben, weil er die
Geschäfte auf dem Rücken der Kinder nicht mehr verantworten kann.
Kotzan habe Probleme bei seiner ersten Weltreise auf Staatskosten
Die Jugendlichen seien hinterher kaum zu reintegrieren
Leserbrief der „Jennifer“ an den Spiegel bzgl. des Artikels „Kamelritt ins Glück“
02.09.1996
Gegendarstellung der in dem Artikel „Jennifer“ genannten Frau, sie sei auf einem
guten Weg, das Projekt daher nicht fehlgeschlagen, habe sich nie prostituiert und
sei nie psychiatrischer Behandlung gewesen
KJHV 04.09.1996
Stellungnahme zum Spiegel-Artikel „Kamelritt ins Glück“
Unsaubere Recherche und Falschdarstellungen
Kölnische Rundschau 04.09.1996
Bezug auf Spiegel-Artikel „Kamelritt ins Glück“, Fachgebietsleiter
Heimvermittlung des Kölner Jugendamtes Michael Schroeder: Solche Reisen
werden nur vereinzelt durchgeführt. Kosten ähnlich hoch wie in
Heimeinrichtungen hier, sehr vorsichtig mit solchen Projekten
Anfrage des NDR an KJHV 05.09.1996
Vorwürfe, Betreuungsgelder kämen nicht bei zu Betreuenden an und Betreuung
sei unzureichend
Stellungnahme zu den Vorwürfen der Familie Ladewig und der Anfrage des NDR
05.09.1996
Gegendarstellungen zu Vorwürfen gegen KJHV
Anschreiben zur Stellungnahme zu den Vorwürfen der Familie Ladewig...
06.09.1996
Krainz, Victoria Leserbrief zu Spiegel 36/1996 06.09.1996
Populistischer und chaotischer Artikel
Ziegenspeck, Jörg Stellungnahme zu Spiegel 36/1996 06.09.1996
KJHV als seriös einzustufen
Bauer, Hans G. Leserbrief zu Spiegel 36/1996 10.09.1996
Unseriös, sachliche Falschaussagen, Denunziationsjournalismus
101
Welt am Sonntag (10.09.1996?)
„Jugendbehörde veranstaltet Fernreisen für Autodiebe“ – Artikel noch eher
neutral
Der Spiegel 38/1996
Leserbriefe zu „Kamelritt ins Glück“, 36/1996
Kölner Stadt-Anzeiger 12.09.1996
Maßnahmen im Ausland häufig gar nicht viel teurer als Heim in Deutschland,
hohe Erfolgsquote, trotzdem umstritten weil durch Steuerzahler finanziert – am
Beispiel einer Ranchmaßnahme in Argentinien (in weiten Teilen wörtlich der
Artikel der Ruhrnachrichten vom 20.05.1996)
Berliner Morgenpost 17.09.1996
Teure „,Erlebnispädagogik’ auf Kosten der Berliner Steuerzahler“, die auch noch
nicht erfolgreich ist
1997:
Der Spiegel 3/1997
„Die umstrittene Erlebnispädagogik gerät tiefer in die Kritik...“ weitere Skandale
und Geschäftemachereien – Bei Heinz-Jürgen Geißelmann, der in der Karibik in
der Dominikanischen Republik für das Institut für Außerschulisches Lernen und
Erlebnispädagogik e.V. (Alep) ein Pädagogisches Projekt betreut, müssten die
Teilnehmenden 8 Stunden täglich im Straßenbau arbeiten, bekämen nicht
genügend Nahrung, dafür aber Prügel, so berichtet ein Rückkehrer von dort
Berliner Zeitung 15.01.1997
„Berliner Straßenjunge 8 Monate Karibik auf Staatskosten“ – Daniel warf Steine
auf Obdachlosen – „Auf unsere Kosten tanzt er in der Karibik“ am Strand
Brief von Thomas Heckner, Christophorus Jugendwerk
15.01.1997
Leserbrief zu Der Spiegel 3/1997, 36/1996 und 9/1995
Oberrimsingen
Pressemitteilung von ALEP zu Der Spiegel 3/1997 15.01.1997
Weder Urlaub noch Arbeitslager – „Wir werden auch die zunehmende Kritik an
Projekten dieser Art im Ausland aufnehmen und ab Spätsommer ´97 im
ländlichen Umfeld von Berlin ein heilpädagogisches Projekt anbieten...“
Berliner Zeitung 16.01.1997
(Steinewerfer) Daniel wird zum „Strafurlaub“ in die Karibik geschickt, Opfer
seine Angriffe nicht
102
Bild 16.01.1997
„Weil’s billiger ist Karibik-Sonne für den Steinewerfer“
Tagesspiegel Berlin 16.01.1997
Spiegel habe damals bzgl. Geißelmann diesen nicht selber gefragt – Daniel am
Strand tanzend: vom MDR mit Auto dorthin gebracht, er lebt dort gar nicht am
Strand; er hat selber gar keinen Stein geworfen
Berliner Zeitung 16.01.1997
Daniels Mitteilnehmer bei Geißelmanns Projekt Thilo berichtet, es habe ihm gut
getan
Berliner Zeitung 17.01.1997
Politischer Streit um Daniel in der Karibik – ALEP bietet jetzt auch in
Brandenburg etwas an
Berliner Morgenpost 17.01.1997
Politischer „Streit um Erziehung in der Karibik“ – Argumente: geringere Kosten
und gute Erfolge
Berliner Zeitung 18., 19.01.1997
Darstellung, das „Pädagogik unter Palmen“ sinnvoll sein kann – aber warum nicht
doch in Schleswig-Holstein, Österreich oder Polen
Oranienburger Generalanzeiger (18.01.1997?)
Positivere Schilderung eines Projektteilnehmers in der Karibik (bzgl. Vorwürfen
von Andreas Licht)
..(nicht angegeben).. (29.01.1997?)
Nach dem Fall Daniel beschloss die Bezirksverordneten-Versammlung
Tempelhof, keine Jugendlichen mehr ins Ausland zu schicken
LZ 22.01.1997
Staatsanwaltschaft ermittelt nun wegen Untreue gegen KJHV – KJHV sauer, dass
Vorwürfe nicht schon längst geprüft und ausgeräumt sind
Leserbrief an Der Spiegel betr.: 3/1997 inkl. Anschreiben 22.01.1997
..(nicht angegeben).. (29.01.1997?)..
„Kritik an der Erlebnispädagogik wächst...“ – Verschwendung von Steuergeldern,
mangelnde Erfolgskontrolle, Freizeitcharakter
103
Heinz Schätzel 30.01.1997
Stellungnahme zu einseitiger und Berichterstattung
Express 02.02.1997
Versöhnung zwischen Steinewerfer und Opfer in der Karibik
Taunus Zeitung 15.03.1997
Meinungsverschiedenheit je innerhalb von CDU und FDP in Bad Homburg zu
Sinn
und
Unsinn
erlebnispädagogischer
Maßnahmen
–
Teure
erlebnispädagogische (Schiffs-)Reisen vs. Sogar leicht teurere Heime (bis zu 380
DM /Tag) – es gäbe schon Auswüchse („Sozialmafia“)
Schaumburger Wochenblatt 15., 16.03.1997
CDU-Arbeitskries besucht Jugendhof Hirschkuppe – Auslandsprojekte =
„Geschlossene Unterbringung de luxe“ – Auslandsprojekte nicht teurer als
Heimunterbringung in staatlichen Heimen
Die Zeit 21.03.1997
Diskussion: Helfen härtere Strafen und „Null-Toleranz“ gegen Jugendkriminalität
Focus 18/1997
Reportage über High Seas High School mit der Thor Heyerdahl
Süddeutsch Zeitung 17., 18., 19.05.1997
Shell-Studie – Die gesellschaftliche Krise hat die Jugend erreicht
Focus 20/1997
Bericht über 14jährigen Chef einer Einbrecherbande – Hamburgs Justizsenator
Hoffmann-Riem spricht sich gegen geschlossene Unterbringung und
(eingeschränkt) für Erlebnispädagogik aus
Spiegel 21/1997
Forderung mehr
Sanktionscharakter
geschlossener
Heime
mit
starkem
Zwangs-
und
(SN?) Juni 97?
Niedersächsische CDU für Geschlossen Unterbringung und Verschärfung des
Strafrechts für junge Volljährige
104
Hannoversche Allgemeine Zeitung (23.06.1997?)
„Absage an Erlebnispädagogik Justizminister Schmidt-Jortzig hält geschlossene
Heime für denkbar“ – Für Verschärfung und strengere Anwendung von
Zwangsmaßnahmen bei Jugendkriminalität – Straftäter auf Staatskosten auf
erlebnispädagogische Reisen schicken sei abenteuerlich
KSA 2/1997 Zeitschrift des Deutschen Kinder Schutz Bund e.V. (10.07.1997)
Hinweis auf „Urlaubsimage“ von Karibik in der Öffentlichkeit – Knappe
Abwägung von Pro und Contra von „Abenteuerstrafen“
TZ München (Boulevard), 11.07.97 S. 1, S. 7
„Bayerns bösester Bube“ darf wählen, ob er die einjährigen Ferien auf
Staatskosten lieber in Spanien oder Griechenland verbringen möchte
Badische Zeitung 27.08.1997
„Interessengemeinschaft gegen Soziale Kompetenz“ will ein Seminarhaus für
Jugendliche und junge Erwachsene, die dort soziale Kompetenz erlangen sollen,
in Bräunlingen – Unterbränd im Schwarzwald verhindern, auch juristisch und mit
einer „Politik der Nadelstiche“ – „Die Initiatoren und ihre Schützlinge sollten
spüren, daß sie nicht willkommen seien.“
Süddeutsche Zeitung 24.10.1997
„SPD-Fraktion gegen schärfere Jugendstrafen“
„BGH fordert harte Strafen für junge Gewalttäter“
Süddeutsche Zeitung (09.11.1997?)
Weiterer Bericht über Widerstand gegen Projekt Soziale Kompetenz in
Unterbränd – Der Konflikt entspannt sich
Stern 48/1997
Reportage über Buschschule Namibia – andere Projekte werden kurz als teuer und
schlecht dargestellt
1998:
taz 03., 04.01.1998
Geschlossene Heime von SPD-Bundestagsfraktion abgelehnt
Mittelbayrische Zeitung 19.01.1998
„Teure Erlebnispädagogik: Trotz Schiffahrt für 50 000 Mark weiter geklaut“
Badische Zeitung 11.02.1998
Bericht über KZ-Fotoexkursion des Christophorus-Jugendwerks
105
taz 26.02.1998
Geschlossene Heime scheinen wieder salonfähig zu werden
taz mag 28.02, 01.03.1998
Reportage über selbstverwaltetes
Obdachlose in Berlin
Thomas-Weißbecker-Haus
für
junge
Berliner Zeitung 18.03.1998
Karibik-Maßnahme für Daniel ein Erfolg – Opfer hat Daniel verziehen
Die Zeit 08.04.1998
Zügiger Täter-Opfer-Ausgleich als Mittel gegen Jugendkriminalität
..(nichtz angegeben).. 30., 31.05., 01.06.1998
Kriminalstatistik: Mehr Jugendgewalt – „Bayern beantragt höhere Strafen für
Jugendliche“
WZ 26.06.1998
Südamerikareise eines Jugendlichen Wiederholungstäters bestätigt
Kommentar: „Tausende rechtschaffener Bundesbürger träumen jedes Jahr davon,
einmal an den Abenteuer-Touren ...teilnehmen zu dürfen...“, „Einen 13jähriger
aus Darmstadt kommt’s billiger: Er begeht eine Straftat nach der anderen, um nun
für 73000 Mark auf Staatskosten zu einer mehrmonatigen ,Sozialtherapie’ nach
Südamerika geschickt zu werden.“, „Und wie viel eine ordentliche Tracht Prügel
kostet – notfalls mehrfach?“
Der Spiegel 27/1998
Südamerikareise des 13jährigen – Generalstaatsanwalt von MecklenburgVorpommern fordert Herabsetzung der Strafmündigkeit auf 12
Jahre –
Geschätzte Rückfallquote für Knast etwa 90% - Forderung geschlossener
Unterbringung – kurze Beschreibung einer gelungenen und nicht gelungenen
Maßnahme
Bild 01.07.1998
„Justiz-Schande“ Mord an einem Ladenbesitzer in Hamburg-Tonndorf von zwei
Jugendlichen, die in der „Villa Pulverhof“ betreut wohnten
106
LZ 01.07.1998
Nach Mord an Ladenbesitzer Debatte um geschlossene Heime – Rückschlag für
Hamburger Modell „Menschen statt Mauern“
Kommentar: „Zwei Menschen mussten in diesem Jahr in Hamburg bereits
sterben, weil sich die Hansestadt standhaft weigert, schwerstkriminelle
Jugendliche in geschlossenen Heimen zu verwahren.“ „Anlaß..., endlich
umzudenken“
SHZ Landeszeitung 02.07.1998
„Härtere Linie gegen junge Kriminelle?“ - Ole von Beust für (Wieder)Einführung geschlossener Heime – Kinderschutzbund: geschlossenen Heime
keine Lösung
LZ 03.07.1998
Diverse Politiker besonders von CDU und FDP aber auch von SPD fordern
Einrichtung geschlossener Heime und härteres Durchgreifen gegen jugendliche
Kriminelle
LZ 03.07.1998
13jähriger wird zur Therapie nach Argentinien geschickt, nachdem schon einige
Maßnahmen, auch eine erlebnispädagogische in Schweden, gescheitert sind
Ausdruck von http://www.taz.de/~taz/980703.taz/ta_T980703.43.html 03.07.1998
Kritik an Forderungen aus Politik, mehr geschlossenen Heime zu haben – Gewalt
und Devianz aus Randständigkeit, Armut usw. erklärt
..(nicht angegeben).. (23.09.1998?)
Sozialtherapie in Argentinien wegen dortiger Medienproteste abgebrochen
Westdeutsche Zeitung 22.09.1998
„Erlebnispädagogik in der Kritik“ – „Müssen schwererziehbare oder gar
kriminelle Jugendliche ... auf ein Segelschiff? Werden sie damit nicht noch für
ihre Taten belohnt? So fragen sich empörte Bürger.“ Ziegenspeck: Kann trotzdem
Sinn machen, sollte Ausnahme bleiben, Tendenz auffällige Jugendliche einfach
auszulagern
1999:
Hamburger Abendblatt 26.11.1999
Nach Mord eines Jugendlichen in Bad Reichenhall denkt Grünen-Sprecherin
Röstel über die
Möglichkeiten geschlossener Heime nach, die die Grünen ablehnen
107
2000:
deutsche jugend 4/2000
CDU-DSU-FDP-Koalition in Dresden kürzt Mittel für Jugendhilfe von 17 auf 13
Millionen Mark, obwohl das städtische Jugendamt einen Bedarf von 19 Millionen
DM angemeldet hatte
deutsche jugend 7-8/2000
CDU und CSU für Verschärfung des Jugendstrafrechts
deutsche jugend 12/2000
Jugendliche zeigen hohe Risikobereitschaft in Folge der Erlebnisarmut des
Alltags
Zahl der Straftaten von Kindern hat seit 1993 stark zugenommen
108
Anhang V: Weitere Tabellen
V.1 Tabelle 6: Gesamtpreisindex der Lebenshaltung aller privaten Haushalte
in der BRDeutschland (1991-1998)
1995 = 100
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
Jahresdurchschnitt
87,5 91,6
95,7
98,3
100
101,4 103,3 104,3
Steigerung
zum Vorjahr
4,69% 4,48% 2,72% 1,73% 1,40% 1,87% 0,97%
Quelle(n): Statistisches Bundesamt, Fachserie 17, Reihe 7: Preisindizes für die
Lebenshaltung 1998 (jährlich), Stuttgart 1999, S. 14f
V.2 Tabelle 7: Ausgaben der Jugendämter für Leistungen nach § 34 KJHG
(Heime, sonstige betreute Wohnform) in tausend DM (1992-1998)
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
2.339.503 2.793.458 3.145.286 3.399.616 3.524.405 3.597.408 3.600.392
Steigerung
19,40% 12,59%
8,09%
3,67%
2,07%
0,08%
Quelle(n): Statistisches Bundesamt, Fachserie 13: Sozialleistungen. Reihe 6.4:
Einnahmen und Ausgaben der Jugendhilfe, Stuttgart 1994-2000, jährlich, je S. 11
zum Vorjahr
109
Anhang VI: Modell angelehnt an die
ANNA-CATHARINA
VI.1 Tabelle 8: Monatliche Ausgaben und Einnahmen
Plätze für Teilnehmende:
6
Tage pro Monat:
mögliche Besetzungstage:
Tagessatz:
Kosten bei
30
0 Plätze
180
besetzt,
350,00 DM
maximale monatliche Einnahmen aus Besetzung:
0 Personal
63.000,00 DM
Kosten Schiff:
7.000,00 DM
7.000,00 DM
Kosten pro Mitarbeiter:
NautikerIn (+PädagogIn) BAT III, 39 J.
5.025,98 DM
+ Arbeitgeberanteil Sozialversicherung =
5.505,96 DM
+ 200 DM Bordzuschlag
5.705,96 DM
PädagogIn BAT IVb, 39 J.
4.007,00 DM
+ Arbeitgeberanteil Sozialversicherung =
4.389,67 DM
+ 200 DM Bordzuschlag
4.589,67 DM
max. Anzahl PädagogInnen (ohne NautikerIn):
2
PraktikantIn
2.000,00 DM
+ Arbeitgeberanteil Sozialversicherung =
2.191,00 DM
+ 200 DM Bordzuschlag
2.391,00 DM
max. Kosten Personal (ohne Verwaltung):
17.276,30 DM
Kosten Verpflegung Teilnehmende:
Kosten pro Besetzungstag:
12,00 DM
max. Kosten:
Kosten Verwaltung = 25% der Einnahmen bei Vollbesetzung:
Kosten Medizin, Gruppenaktivitäten...:
2.160,00 DM
15.750,00 DM 15.750,00 DM
1.000,00 DM
Reisekosten Projektleiter:
500,00 DM
Kosten Telekomunikation:
1.000,00 DM
Überschuß bei Vollbesetzung:
Verlust bei 0 Besetzung:
18.313,70 DM
22.750,00 DM
110
VI.2 Tabelle 9: Monatliches Ergebnis bei verschiedener Besetzung
Anzahl besetzte Plätze:
entspricht Besetzungstage:
1
2
3
4
5
6
30
60
90
120
150
180
Einnahmen (Tagessatz 350DM):
10500,00 21000,00 31500,00 42000,00 52500,00 63000,00
Einnahmen (Tagessatz 300DM):
9000,00 18000,00 27000,00 36000,00 45000,00 54000,00
Ausgaben Ernährung und Kleidung:
465,00
930,00
1395,00
1860,00
2325,00
2790,00
5.318,38
5.318,38
5.318,38
5.318,38
5.318,38
5.318,38
Anzahl PädagogInnen
0
0
1
1
2
2
Kosten PädagogInnen
0,00
0,00
3845,11
3845,11
7690,22
7690,22
PraktikantIn
0,00
1752,80
1752,80
1752,80
1752,80
1752,80
Kosten Personal (ohne Verwaltung):
NautikerIn
Fixkosten:
22750,00 22750,00 22750,00 22750,00 22750,00 22750,00
Gewinn / Verlust (Tagesatz 350DM): -18033,38
-9751,18
-3561,29
Gewinn / Verlust (Tagesatz 300DM): -19533,38 -12751,18
-8061,29
6473,71 12663,60 22698,60
473,71
5163,60 13698,60
111
Ich versichere hiermit, dass ich diese Arbeit selbständig verfasst und keine
anderen Hilfsmittel als die angegebenen benutzt habe. Alle Stellen, die
Ausführungen anderer Autoren wörtlich oder sinngemäß entnommen sind, habe
ich durch Angabe der Quellen als Zitate kenntlich gemacht. Die Arbeit wurde
bisher weder in Teilen noch insgesamt einer anderen Prüfungsbehörde vorgelegt
und auch nicht veröffentlicht.
Falls meine Diplomarbeit die Note „sehr gut“ (1,0 oder 1,3) erreicht, bin ich damit
einverstanden, dass das Zweitexemplar in der Bibliothek des Fachbereichs
Sozialwesen der Fachhochschule Münster eingestellt wird.
112
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