DAAText 2012 (rev) (5)

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Das Recht des Lufttransports
Prof. Dr. Wolf Müller-Rostin, Bonn
2–
Inhaltsverzeichnis
1
Die Rechtsgrundlagen des Luftverkehrs...................................................... 5
1.1
1.2
1.3
Das Recht der internationalen Luftbeförderung ................................................................ 5
Das Recht der nationalen Luftbeförderung ....................................................................... 8
Die Beförderungsbedingungen ......................................................................................... 8
2 Grundsätzliches zu den frachtrechtlichen Vorschriften Error! Bookmark not
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3
Der Luftbeförderungsvertrag und die Parteien des
Luftbeförderungsvertrages
3.1
3.2
3.3
3.4
3.5
4
Der Luftbeförderungsvertrag als Werkvertrag ................................................................. 11
Der Luftfrachtführer ......................................................................................................... 12
Der Spediteur .................................................................................................................. 14
Der Absender .................................................................................................................. 15
Nicht am Vertrag Beteiligte ............................................................................................. 15
Die Dokumentation der Luftfrachtbeförderung ......................................... 16
4.1
4.2
4.3
4.4
4.5
4.6
4.7
Der Luftfrachtbrief und „jede andere Aufzeichnung“ ....................................................... 16
House Air Waybill und Master Air Waybill ...................................................................... 18
Der Luftfrachtbrief als Sicherung eines Akkreditivgeschäftes ........................................ 20
Ausstellen des Luftfrachtbriefes ...................................................................................... 20
Der Inhalt des Luftfrachtbriefes gem. Art. 8 WA bzw. Art. 8 WA/HP .............................. 22
Der Inhalt von Luftfrachtbrief und Empfangsbestätigung gem. Art. 5 MÜ ...................... 23
Die Beweiskraft der Angaben im Luftfrachtbrief bzw. in der Empfangsbestätigung ....... 24
5 Rechte und Pflichten von Absender und Empfänger gemäß Art. 12-15
WA, WA/HP, MÜ ................................................................................................ 277
5.1
5.2
5.3
5.4
5.4.1
Schadensersatzanspruchsrecht des Absenders ....................................................... 28
Verfügungsrechte des Absenders ............................................................................. 28
Die Pflichten des Absenders ...................................................................................... 31
Rechte und Pflichten des Empfängers ....................... Error! Bookmark not defined.2
Rechte und Pflichten bei Ablieferung der Güter
3–
5.4.2
6
33
Die Haftungsregelungen ............................................................................ 344
6.1
6.2
6.2.1
6.2.2
6.2.3
6.2.4
6.3
6.4
6.5
6.5.1
6.5.2
6.5.3
6.5.4
6.6
6.6.1
6.6.2
6.7
6.7.1
6.7.2
6.7.3
7
Das Recht zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen
Das Verschulden ........................................................................................................... 344
Die Schadensobjekte und Schadensformen ................................................................... 35
Die Zerstörung ............................................................................................................ 36
Der Verlust .................................................................................................................. 36
Die Beschädigung ....................................................................................................... 37
Die Verspätung ........................................................................................................... 38
Das schadenursächliche Ereignis und die Kausalität ..................................................... 40
Die Beweispflicht ............................................................................................................. 40
Der Haftungszeitraum gemäß Art. 18 WA, WA/HP, MÜ ................................................. 42
Bestimmung des Haftungszeitraumes nach dem Warschauer Abkommen ............... 42
Bestimmung des Haftungszeitraumes nach dem Montrealer Übereinkommen ......... 43
Der Begriff der Obhut.................................................................................................. 43
Der Haftungszeitraum bei der Verspätung gemäß Art. 19 ......................................... 45
Die Haftungsbefreiung .................................................................................................... 45
Haftungsbefreiung wegen Mitverschuldens nach dem Warschauer Abkommen bzw.
Montrealer Übereinkommen
45
Haftungsbefreiung nach dem Montrealer Übereinkommen........................................ 46
Die Luftfrachtersatzbeförderung ..................................................................................... 49
Vertragsgemäße Luftfrachtersatzbeförderung und bekannter Schadensort .............. 49
Vertragsgemäße Luftfrachtersatzbeförderung und unbekannter Schadensort .......... 50
Vertragswidrige Luftfrachtersatzbeförderung ............................................................. 51
Die Haftungsgrenzen.................................................................................... 55
7.1
Die Haftungsgrenzen des Warschauer Abkommens und ihre Durchbrechbark. ............ 55
7.2
Die Haftungsgrenzen des Montrealer Übereinkommens und ihre
Undurchbrechbarkeit .................................................................................................................... 58
7.3
Die Bemessung des Umfangs des Schadensersatzes ................................................... 62
8
Die Haftung des Luftfrachtführers für seine „Leute“ ................................ 63
9 Von einem anderen als dem vertraglichen Luftfrachtführer ausgeführte
Beförderung ........................................................................................................ 65
10 Die Gerichtsstände des Art. 28 WA, WA/HP bzw. Art. 33 MÜ ................... 67
11 Die Frist zur Schadensanzeige .................................................................... 68
12 Die Ausschlussfrist ...................................................................................... 69
13 Schiedsverfahren ......................................................................................... 70
14 Die Umrechnung der abstrakten Haftungsbeträge .................................... 70
15 Die Versicherungspflicht ............................................................................. 71
16 Nationales Lufttransportrecht der §§ 407–475h HGB................................. 73
16.1 Besonderheiten des Lufttransports .................................................................................... 73
16.2 Der Luftbeförderungsvertrag ........................................................................................... 74
4–
16.3
16.4
16.5
16.6
16.7
16.8
Die Haftung des Luftfrachtführers ................................................................................... 76
Haftungsausschlussgründe ............................................................................................. 77
Ersatz für Güterschäden ................................................................................................. 78
Die Schadensanzeige ..................................................................................................... 80
Verjährungsregelung ....................................................................................................... 80
Die Beförderungsdokumente .......................................................................................... 80
17 Schlussbemerkung ...................................................................................... 81
Übersicht - Prüfungsschema für den Schadensfall……………………………..83
Literaturverzeichnis ........................................................................................... 86
Anhang ................................................................................................................ 87
5–
1 Die Rechtsgrundlagen des Luftverkehrs
1.1
Das Recht der internationalen Luftbeförderung
Gewerblicher Luftverkehr wird seit fast 100 Jahren betrieben. Wesentliches Merkmal des
Luftverkehrs ist, dass er zumeist grenzüberschreitend ist und dadurch zahlreiche Länder mit
unterschiedlichen Rechtssystemen berührt. So kommt z. B. bei einer Luftfrachtbeförderung von
Deutschland nach Kanada mit Zwischenlandung in Irland die Anwendung von mindestens drei
Rechtsordnungen in Betracht. Wird zudem die Beförderung durch ein US-amerikanisches
Luftfahrtunternehmen für einen holländischen Absender durchgeführt, ist ersichtlich, dass ohne
vereinheitlichende Vorschriften allenfalls die Rechtsanwälte der Parteien, und zumeist nicht
einmal diese, in der Lage sind, das anzuwendende Recht zu bestimmen. So wurde frühzeitig
erkannt, dass diese neue Verkehrsart auch einer angemessenen Behandlung durch das Recht
bedurfte. Eine Vereinheitlichung der die Luftbeförderung regelnden Vorschriften war
unabdingbar, um die Anwendung unterschiedlicher nationaler Rechte auszuschließen und um
für die Parteien des Luftbeförderungsvertrages Rechtsklarheit und Rechtssicherheit
herbeizuführen.
So wurde bereits im Jahre 1925 in Paris eine internationale Luftprivatrechtskonferenz
einberufen, die einen Entwurf eines Abkommens über die Beförderungsdokumente und die
Haftung des Luftfahrtunternehmers im internationalen Luftverkehr erarbeitete. Ausgehend von
diesem Entwurf wurde auf einer weiteren Konferenz, die im Oktober 1929 in Warschau
stattfand, das Abkommen zur Vereinheitlichung von gewissen Regeln über die Beförderung im
internationalen Luftverkehr erarbeitet. Dieses Abkommen, besser bekannt unter der verkürzten
Bezeichnung „Warschauer Abkommen“, trat am 29. Dezember 1933 für das Deutsche Reich in
Kraft (RGBl. 1933 II 1039). Damit war ein Rechtsinstrument geschaffen, welches die
wesentlichsten privatrechtlichen Regelungen im internationalen Luftverkehr auf eine weltweit
einheitliche Grundlage stellte und somit den rechtlichen Rahmen für den rasanten Aufschwung
des gewerblichen Luftverkehrs gewährte. Kritik insbesondere an den Haftungsregelungen des
Warschauer Abkommens führte zu einer Staatenkonferenz, die im Jahre 1955 in Den Haag im
Wege des sogenannten „Haager Protokolls“ (BGBl. 1964 II 1295) das Warschauer Abkommen
in zahlreichen Vorschriften novellierte. Das Haager Protokoll trat ergänzend neben das
Warschauer Abkommen. Deutschland ist Ratifikationsstaat des Warschauer Abkommens in
seiner Originalfassung und in der Fassung des Haager Protokolls. In den Folgejahren zeigten
sich weitere Schwächen des Warschauer Abkommens, die durch weitere Protokolle,
Zusatzabkommen und privatrechtliche Vereinbarungen geheilt werden sollten. Dadurch wurde
jedoch das Abkommen immer unübersichtlicher, die angestrebte Rechtsvereinheitlichung ging
6–
verloren. Im Mai 1999 wurde daher eine Staatenkonferenz nach Montreal einberufen, deren
Ziel die Wiederherstellung der Rechtsvereinheitlichung und eine Modernisierung der
luftfahrtrechtlichen Vorschriften durch Schaffung eines neuen Abkommens war. Das
„Übereinkommen zur Vereinheitlichung gewisser Vorschriften über die Beförderung im
internationalen Luftverkehr“ (Montrealer Übereinkommen, MÜ) vom 28. Mai 1999 ist am
4. November 2003 in Kraft getreten. Für Deutschland und die damaligen übrigen 14 (Alt-)
Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft ist es zeitgleich am 28. Juni 2004 (BGBl.
2004 II 458) in Kraft getreten.
Für die jeweilige Anwendbarkeit des Warschauer Abkommens in seiner Originalfassung oder in
derjenigen des Haager Protokolls bzw. für die Anwendbarkeit des Montrealer Übereinkommens
auf einen Vertrag über die internationale Beförderung im Luftverkehr ist darauf abzustellen,
welches Abkommen der Staat des Abgangsortes und welches Abkommen der Staat des
Bestimmungsortes der Beförderung ratifiziert haben (vgl. Art. 1 WA, WA/HP bzw. Art. 1 MÜ, s.
auch BGH TranspR 2011, 220). Abgangsort und Bestimmungsort der Beförderung ergeben
sich aus den Eintragungen im Luftfrachtbrief bzw. in „jeder anderen Aufzeichnung“ gemäß Art.
4 Abs. 2 MÜ (s. dazu die Ausführungen unter Kapitel 4.1). Haben beide Staaten das
Warschauer Abkommen, ggfs. auch in der Fassung des Haager Protokolls, ratifiziert, so ist das
Warschauer Abkommen in seiner Ursprungsfassung oder ggfs. in der Fassung des Haager
Protokolls anwendbar. Entsprechendes gilt, wenn beide Staaten das Montrealer
Übereinkommen ratifiziert haben (BGH TranspR 2007, 425 = NJW 2008, 289). Grundsätzlich
ist jeweils das jüngste der gemeinsam ratifizierten Abkommen bzw. Übereinkommen
anwendbar. Hat z. B. ein Staat das Warschauer Abkommen und der andere Staat daneben
noch das Montrealer Übereinkommen ratifiziert, so gilt das Warschauer Abkommen als
“gemeinsamer Nenner“. Innerstaatliche Teilstrecken einer ansonsten internationalen
Beförderung (Hamburg-Frankfurt-New York) unterliegen gleichermaßen dem Warschauer
Abkommen bzw. Montrealer Übereinkommen und nicht nationalem Recht. Angesichts der
Tatsache, dass das Warschauer Abkommen in der Originalfassung von 1929 in 152 Staaten,
das Warschauer Abkommen in der Fassung des Haager Protokolls von 1955 in 137 Staaten
gilt, wohingegen knapp über 100 Staaten bislang (Stand August 2011) das Montrealer
Übereinkommen ratifiziert haben (der jeweilige Ratifizierungsstand ist abrufbar über die
Internetseiten der International Civil Aviation Organisation:
http://www.icao.int/icao/en/leb/mtl99.htm bzw. http://www.icao.int/icao.en/leb/wc-hp.htm),
gelten noch für einen nicht absehbaren Zeitraum beide Abkommen nebeneinander. Daher
erstrecken sich auch die nachfolgenden Erläuterungen auf beide Abkommen, allerdings mit
Schwerpunkt auf den Vorschriften des Montrealer Übereinkommens, hier wiederum mit
Schwerpunkt auf den frachtrechtlichen Vorschriften.
7–
Sofern eine internationale Luftbeförderung vorliegt, bei der Abgangs- und Bestimmungsort in
Mitgliedsstaaten des Warschauer Abkommens bzw. des Montrealer Übereinkommens liegen,
ist die Anwendung des jeweiligen Abkommens/Übereinkommens zwingend (Art. 24 WA,
WA/HP, Art. 29 MÜ). Soweit eine Haftung nach dem Abkommen/Übereinkommen gegeben ist,
ist eine Haftung nach anderen Haftungsnormen, z.B. Deliktsrecht, ausgeschlossen (BGH NJW
1969, 2008; NJW 1974, 1619). Weiterhin bestimmt Art. 55 MÜ, dass das Übereinkommen für
seine Ratifikationsstaaten Vorrang genießt gegenüber den in den jeweiligen Staaten bislang
anwendbaren Abkommen über die Beförderung im internationalen Luftverkehr. Dies sind
namentlich das Warschauer Abkommen in seiner Originalfassung, das Warschauer
Abkommen in seiner Fassung des Haager Protokolls sowie das Zusatzabkommen von
Guadalajara (s. dazu Kapitel 10, Seite 64) und das Montrealer Protokoll Nr. 4, welches
allerdings für Deutschland nicht in Kraft getreten ist (zum Montrealer Protokoll Nr. 4 s. Koller,
Transportrecht, Teil B. 5; Müller-Rostin, TranspR 1999, 81). Die Anwendung nationalen Rechts
wird durch das Warschauer Abkommen bzw. das Montrealer Übereinkommen insoweit
verdrängt, als die völkerrechtlichen Instrumente Regelungen enthalten, die auch Gegenstand
nationalen Rechts sind. Vorausgesetzt ist indes stets, dass der Schaden anlässlich einer
internationalen Luftbeförderung iSv Art. 1 Abs.2 WA, WA/HP, MÜ entstanden ist. Soweit
hingegen in den internationalen Instrumenten ein Sachverhalt keine Regelung gefunden hat,
wird mitunter auf die „lex fori“ verwiesen, so z. B. bei der Berechnung der Ausschlussfristen für
Klagen gegen den Luftfrachtführer (Art. 29 Abs. 2 WA, WA/HP bzw. Art. 35 Abs. 2 MÜ). Hat ein
Sachverhalt keine Regelung in den internationalen Abkommen gefunden und wird auch nicht
ausdrücklich auf die „lex fori“ verwiesen, so gelangt nationales Vertragsrecht zur Anwendung z.
B. bei folgenden Rechtsfragen:
- Pfandrecht des Luftfrachtführers,
- Haftung für Nicht- oder Schlechterfüllung,
- Anfechtung des Luftfrachtbeförderungsvertrages,
- Übertragbarkeit des Luftfrachtbriefes (s. Giemulla, in Giemulla/Schmid, Kommentar MÜ,
Einleitung Rdnr. 41).
Für die Frage, auf welches nationale Recht zurückzugreifen ist, ist zunächst zu
untersuchen, ob die Parteien eine Vereinbarung über das anzuwendende Recht getroffen
haben (BGH Transpr 2007, 425 = NJW-RR 2008, 347). Andernfalls ist für Verträge, die
vor dem 17.12.2009 geschlossen worden sind, das anzuwendende Recht über die
allgemeinen Kollisionsnormen der Art. 3-38 und 220 EGBGB zu bestimmen. Für ab
8–
diesem Datum geschlossene Verträge sind die Vorschriften der sog Rom-I Verordnung
maßgebend (Verordnung (EG) 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates
über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht [Rom-I VO], ABl. EU
2008, L 177, S. 6; s. dazu Drews, TranspR 2010, 327). Die Rom-I Verordnung hält für
Güterbeförderungsverträge an dem Prinzip der Rechtswahl durch die Parteien des
Beförderungsvertrages fest. Ist aber von den Parteien eine Rechtswahl nicht
vorgenommen worden, so ist das Recht des Staates anwendbar, in dem der Beförderer
seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat, sofern sich in diesem Staat auch der Ort der
Übernahme, der Ort der Ablieferung oder der gewöhnliche Aufenthaltsort des Absenders
befindet (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Rom-I VO). Liegen die Voraussetzungen für die kumulative
Anknüpfung nicht vor, unterliegt der Vertrag dem Recht desjenigen Staates, in dem der
vertraglich vereinbarte Ablieferungsort liegt (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Rom_I VO).
Nationales Recht ist auch anwendbar, wenn keines der völkerrechtlichen Übereinkommen
anwendbar ist, weil keine internationale Beförderung iSv. Art. 1 WA, WA/HP bzw. MÜ vorliegt,
weil Abgangs- und Bestimmungsort nicht in zwei Ratifikationsstaaten liegen.
1.2
Das Recht der nationalen Luftbeförderung
Die innerstaatliche Luftbeförderung unterliegt nicht den Vorschriften internationaler Abkommen,
sondern bestimmt sich allein nach nationalem Recht. Siehe dazu die Ausführungen in Kapitel
17.
1.3
Die Beförderungsbedingungen
Auch im Luftverkehr werden Allgemeine Geschäftsbedingungen, hier
„Beförderungsbedingungen“ genannt, zur inhaltlichen Gestaltung des Luftfrachtvertrages
verwandt. In der Anlage sind die Beförderungsbedingungen der Deutschen Lufthansa Cargo
Aktiengesellschaft (Stand März 2011) abgedruckt. Die Beförderungsbedingungen der
einzelnen Luftverkehrsgesellschaften sind in deren Verkaufbüros oder über ihre Internetseiten
erhältlich. Im Übrigen sind sie auszugsweise abgedruckt auf der Rückseite eines jeden der
herkömmlichen Luftfrachtbriefe, verbunden mit einem Hinweis auf die beim Luftfrachtführer
vollständig einsehbaren Bedingungen. Bedeutsamste Funktion der Beförderungsbedingungen
ist die Ergänzung der auf den Luftbeförderungsvertrag anwendbaren nationalen und
internationalen Vorschriften, Lücken des nationalen oder internationalen Luftfrachtrechts
werden durch sie ausgefüllt. Für die Wirksamkeit der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, also
auch der Beförderungsbedingungen, ist bei Zugrundelegung deutschen Rechts ihre
Einbeziehung in den Luftfrachtvertrag unabdingbare Voraussetzung. Ihre rechtswirksame
9–
Einbeziehung kann vermutet werden – der Gegenbeweis ist zulässig –, sofern die
Beförderungsbedingungen gemäß Art. 11 WA/HP, MÜ im Luftfrachtbrief oder in der
Empfangsbestätigung über die Güter (Art. 4 Abs. 2 MÜ) niedergelegt sind. Vom Abdruck der
Allgemeinen Beförderungsbedingungen im Luftfrachtbrief oder in der Empfangsbestätigung
gemäß Art. 4 Abs. 2 MÜ wird aber im Regelfall abgesehen. Allerdings finden die strengen
Einbeziehungsvorschriften des § 305 BGB, die im Wesentlichen dem Schutz des Verbrauchers
dienen, bei der Luftfrachtbeförderung zumeist keine Anwendung. Denn Vertragspartner des
Luftfrachtführers ist hier fast stets ein Spediteur oder sonstiger gewerblicher Versender, mithin
ein Unternehmer iSv. 14 BGB. In diesem Falle ist unter Beachtung der im Handelsverkehr
geltenden Gewohnheiten und Gebräuche eine rechtsgeschäftliche stillschweigende
Unterwerfung des Unternehmers unter die vom Luftfrachtführer verwandten Allgemeinen
Beförderungsbedingungen des Luftfrachtführers ausreichend. Allgemeine
Geschäftsbedingungen gelten auch dann gegenüber einem Unternehmer als in den Vertrag
einbezogen, wenn eine Vertragspartei auf ihre im Internet abrufbaren Bedingungen hinweist,
gleichgültig, ob sich die andere Unternehmenspartei tatsächlich dort informiert oder davon
Abstand nimmt (OLG Bremen, NJOZ 2004, 2854; Ruhwedel, in MünchKomm, Bd VII HGB MÜ,
Art. 1, Rdnr. 60; Grüneberg, in Palandt, § 305, Rdnr. 38; s. auch unter Kapitel 4.7).
Die Beförderungsbedingungen unterliegen, soweit deutsches Recht heranzuziehen ist, einer
Überprüfung ihres Inhalts anhand der Vorschriften des BGB über die Allgemeinen
Geschäftsbedingungen (§§ 307 ff BGB, BGH NJW 2007, 997). Durch Verwendung von
Allgemeinen Beförderungsbedingungen darf verbindliches Recht, hier insbesondere die
Vorschriften des Warschauer Abkommens oder Montrealer Übereinkommens, nicht zum
Nachteil des Vertragspartners des Verwenders der Beförderungsbedingungen abgeändert
werden; andernfalls ist die betreffende Klausel unwirksam. Eine Nichtigkeit des gesamten
Vertrages tritt nur im Ausnahmefall ein, wenn nämlich das Festhalten an dem Vertrag eine
unangemessene Härte für die andere Vertragspartei darstellen würde, so z.B. bei einer
Vielzahl von Verstößen gegen die §§ 305 ff BGB. Allerdings gilt auch bei der Inhaltskontrolle,
dass, sofern die Beförderungsbedingungen gegenüber einem Unternehmer verwendet werden,
ihr Inhalt gemäß § 310 Abs. 1 BGB nur in eingeschränktem Maße einer Kontrolle zugeführt
wird. (ausführlich zu Allgemeinen Beförderungsbedingungen s. Gran, A., Die IATA,
Dissertation, S. 112 ff).
2. Grundsätzliches zu den frachtrechtlichen Vorschriften
Die Vorschriften des Montrealer Übereinkommens haben in etlichen Bereichen, so z. B.
bei den Haftungsregelungen für Frachtschäden (Art. 18 ff), eine grundlegende Änderung
im Vergleich zu den Vorschriften des Warschauer Abkommens geschaffen, in anderen
10 –
Bereichen, so z. B. bei den Verfügungsrechten des Absenders (Art. 12), sind die
Regelungen des Warschauer Abkommens inhaltsgleich übernommen worden. Weniger
gravierend sind demgegenüber die Änderungen im Montrealer Übereinkommen im
Vergleich zu den Vorschriften des Warschauer Abkommens in der Fassung des
Montrealer Protokolls Nr. 4 (Protokoll von Montreal Nr. 4 zur Änderung des am
12.10.1929 in Warschau unterzeichneten Abkommens zur Vereinheitlichung von Regeln
über die Beförderung im internationalen Luftverkehr in der Fassung des Haager Protokolls
vom 28. September 1955 [Montrealer Protokoll Nr. 4], ICAO-Dokument 918; abgedruckt
auch bei Giemulla/Schmid, Kommentar zum WA, Anhang II-6; dazu ausführlich: Ehlers,
Montrealer Protokolle Nr. 3 und Nr. 4, Dissertation Köln [1985]). Durch dieses Protokoll
waren nämlich bereits im Jahre 1975 die frachtrechtlichen Vorschriften des Warschauer
Abkommens, die immerhin aus dem Jahre 1929 stammen, den Entwicklungen und
Erfordernissen des modernen Luftverkehrs angepasst worden. Das Montrealer Protokoll
Nr. 4 ist erst am 14. Juni 1998 in Kraft getreten (Müller-Rostin, TranspR 1999, 81), von
Deutschland – im Gegensatz zu den meisten anderen Industriestaaten – aber nicht
ratifiziert worden und somit auch nicht für Beförderungen von oder nach Deutschland
einschlägig (Saenger, NJW 2000, 169, 172). Allerdings kann sehr wohl ein deutscher
Luftfrachtführer den Regelungen des Montrealer Protokolls Nr. 4 unterliegen, wenn er
nämlich eine Luftbeförderung zwischen zwei Staaten durchführt, die beide das Protokoll
ratifiziert haben, z. B. eine Beförderung von den USA nach Portugal (BGH TranspR 2009,
479 mit Anm. Ramming, TranspR 2011, 169; OLG Frankfurt, TranspR 2004, 261; OLG
Frankfurt TranspR 2007, 367 mit Anm. Müller-Rostin). Mit dem Inkrafttreten des
Montrealer Übereinkommens am 28. Juni 2004 auch für Deutschland werden
Luftfrachttransporte nicht mehr ausschließlich nach den gesetzlichen Regeln abgewickelt,
die im Jahre 1929 Gültigkeit hatten. Indes entfällt mit dem Tage des Inkrafttretens des
Montrealer Übereinkommens auch für Deutschland nicht zugleich die Anwendung der
Vorschriften des Warschauer Abkommens gänzlich, denn, wie bereits oben in Ziffer 1.1.
ausgeführt, bleiben beide Instrumente nebeneinander bestehen, solange nicht jeder
Staat, der das Warschauer Abkommen ratifiziert hat, auch zugleich das Montrealer
Übereinkommen ratifiziert hat.
Bei den Beratungen zum Montrealer Übereinkommen ist auf der Diplomatischen Konferenz
mehrfach von Delegierten darauf hingewiesen worden, dass die frachtrechtlichen
Vorschriften des Übereinkommens möglichst inhaltsgleich mit denjenigen des Montrealer
Protokolls Nr. 4 sein sollen (Whalen, Air & Space Law 2000, 17). Diese Intention ist
weitgehend, jedoch nicht durchgängig befolgt worden, vgl. z.B. Art. 5 MP 4 mit Art. 5 MÜ
bzgl. des entfallenen Rechts, eine Beförderung abzulehnen bei Fehlen der Möglichkeiten
11 –
elektronischer Dokumentation; Haftung für vertragswidrige Luftfrachtersatzbeförderung
(Art. 18 Abs. 4 MÜ) ohne Vorbild im MP 4, eingehend Müller-Rostin, in Giemulla/Schmid,
Kommentar zum MÜ, Vorbem. vor Art. 4-16, Rdnr. 5. Regelungsbereiche des Warschauer
Abkommens und des Montrealer Übereinkommens sind im Wesentlichen:
-
die Dokumentation der Beförderung, d.h. die Beförderungsurkunden
-
die Verfügungsrechte des Absenders von Frachtgut
-
die Schadensersatzansprüche der Vertragsparteien sowie des Empfängers
formelle Vorschriften, wie z. B. Gerichtsstand oder Klagefristen
-
Versicherungsanforderungen
Daneben enthält das Montrealer Übereinkommen noch Vorschriften über die von einem
anderen als den vertraglichen Luftfrachtführer ausgeführte Beförderung. Mit den
Vorschriften der Art. 39 bis 48 MÜ werden dabei die Regelungen des Zusatzabkommens
von Guadalajara (s. dazu ausführlich Schmid, TranspR 1994, 420) ausdrücklich in das
Übereinkommen einbezogen. Diese Vorschriften haben in der Vergangenheit zunehmend
an Bedeutung gewonnen durch die Usancen im Luftverkehr. Denn immer häufiger lässt der
vertragliche Luftfrachtführer die Beförderung durch einen anderen Luftfrachtführer ganz
oder teilweise ausführen (Code Sharing).
3. Der Luftbeförderungsvertrag und die Parteien des
Luftbeförderungsvertrages
3.1
Der Luftbeförderungsvertrag als Werkvertrag
Die Anwendung des Warschauer Abkommens bzw. des Montrealer Übereinkommens setzt
unausgesprochen den Abschluss eines Beförderungsvertrages voraus. Dies ergibt sich gem.
Art. 1 WA, WA/HP bzw. Art. 1 MÜ aus dem Merkmal der Entgeltlichkeit der
Beförderungsleistung bzw. ihrer Unentgeltlichkeit allein für den Fall, dass sie von einem
Luftfahrtunternehmen durchgeführt wird sowie auf den Bezug in Art. 1 Abs. 2 „auf die
Vereinbarungen der Parteien“ und aus dem ausdrücklichen Hinweis auf den
Beförderungsvertrag in Art. 1 Abs. 3. Damit scheiden reine Gefälligkeitsbeförderungen aus
dem Regelungsbereich beider Abkommen aus. „Beförderung“ bedeutet, obwohl im Abkommen
12 –
nicht definiert, vom Beförderer ausgeführte objektive Ortsveränderung (Müller-Rostin, in
Fremuth/Thume, Art. 1 WA, Rdnr. 2). Seine inhaltliche Ausgestaltung erfährt der
Beförderungsvertrag im Warschauer Abkommen bzw. im Montrealer Übereinkommen. Lücken
werden durch das ergänzend jeweils anwendbare nationale Recht ausgefüllt (BGH TranspR
2004, 369; TranspR 2008, 412), bei ergänzend anwendbarem deutschen Recht (s. Art. 27, 28
EGBGB, Art. 5 Rom-I VO) durch das Montrealer-Übereinkommen-Durchführungsgesetz
(abgedruckt im Anhang), durch die Vorschriften der §§ 407ff HGB, sowie durch die
werkvertragrechtlichen Vorschriften des BGB.
Der Luftbeförderungsvertrag ist ein Werkvertrag. Geschuldeter werkvertraglicher Erfolg ist die
Ortsveränderung, d.h. der Transport von Gütern zu einem konkret vereinbarten
Bestimmungsort (BGH NJW 1974, 852; OLG Düsseldorf, TranspR 1995, 29; OLG Stuttgart,
TranspR 2010, 37) bzw. bei der Personenbeförderung die Beförderung von Reisenden und
ihrem Gepäck gemäß Art. 1 WA, WA/HP, MÜ. Güter sind solche Gegenstände, die vorwiegend
im Handelsverkehr auf dem Luftwege transportiert werden (OLG Hamburg, VersR 1980, 1075).
Als Güter werden auch Leichen und lebende Tiere angesehen. Nicht zu den Gütern zählt das
Reisegepäck, welches der Reisende aufgibt, es sei denn, er gibt es wegen seiner Ausmaße
oder seines großen Gewichts als Frachtgut auf. Nicht zu den Gütern zählen Postsendungen.
Für deren Beförderung finden gemäß Art. 2 WA, WA/HP, MÜ weder das Warschauer
Abkommen noch das Montrealer Übereinkommen Anwendung (BGH TranspR 2006, 468). Bei
der Beförderung von Luftpostsendungen sind die Haftungsvorschriften des Weltpostvertrages
(BGBl. 1998 II S. 2135) und des Postpaketübereinkommens (BGBl. 1998 II S. 2172)
einschlägig.
Der Luftbeförderungsvertrag ist formloser Konsensualvertrag, er kommt bereits durch
übereinstimmende Willenserklärungen der beiden an ihm beteiligten Parteien zustande, die
Übergabe des Frachtgutes ist nicht Voraussetzung für den Abschluss eines wirksamen
Beförderungsvertrages, ebenso wenig das Ausstellen oder Aushändigen eines
Luftfrachtbriefes.
3.2
Der Luftfrachtführer
Die Bestimmung der Parteien des Luftbeförderungsvertrages ist u.a. deswegen erforderlich,
um festzustellen, welche Person bei nicht ordnungsgemäßem Ablauf der Beförderung u.U.
schadensersatzberechtigt und welche Person u.U. schadensersatzverpflichtet ist.
Die Parteien des Luftfrachtbeförderungsvertrages sind der Luftfrachtführer einerseits und der
Absender von Luftfrachtgütern andererseits. Luftfrachtführer (englisch: Carrier;
13 –
französisch: le transporteur) ist diejenige Person, die sich vertraglich zu einer Luftbeförderung
verpflichtet; sie schuldet die ordnungsgemäße Beförderung von Personen (Fluggästen) oder
Sachen (Frachtgüter oder Gepäck) an den vereinbarten Bestimmungsort (BGH VersR 1983,
986; OLG Karlsruhe VersR 2005, 697). Unerheblich ist dabei, ob dieser vertragliche
Luftfrachtführer die Beförderung auch tatsächlich selbst ausführt oder ob er die vereinbarte
Luftbeförderung mit eigenen Luftfahrzeugen auszuführen überhaupt in der Lage ist. Bei der
Beförderung von Gütern gilt als Luftfrachtführer, wer sich gegenüber dem Absender
verpflichtet, die Güter zu befördern. Dies ist zumeist das Unternehmen, das den Luftfrachtbrief
ausstellt – sofern nicht der Absender Aussteller ist – und sich darin als Luftfrachtführer
bezeichnet (vertiefend Giemulla, in Giemulla/Schmid, Kommentar MÜ, Art. 1, Rdnr. 38).
Der vertragliche Luftfrachtführer kann zur Ausführung der Beförderung auf einen oder mehrere
aufeinanderfolgende Luftfrachtführer zurückgreifen. Dabei tritt nach Art. 30 WA, WA/HP bzw.
Art. 36 MÜ die Fiktion ein, dass jeder Luftfrachtführer, der Reisende, Reisegepäck oder Güter
annimmt, bei einer Beförderung, die gemäß Art. 1 Abs. 3 WA, WA/HP, MÜ durch mehrere
aufeinanderfolgende Luftfrachtführer auszuführen ist, für den von ihm durchgeführten
Beförderungsabschnitt als Partei des Luftbeförderungsvertrages gilt. Dabei haben sich die
beteiligten Lufttransportunternehmen dem Absender gegenüber bereit erklärt, als Einheit zu
fungieren, sie müsssen eine einheitliche Leistung durch Beförderung mit Luftfahrzeugen
erbringen (BGH TranspR 2007, 425 mit Anm. Thume = RIW 2007, 871 = NJW 2008, 289 mit
Anm. Ramming). Um als vertraglicher Luftfrachtführer zu gelten, braucht der Luftfrachtführer
mithin die Beförderung nicht selbst auszuführen, entscheidend ist die vertraglich übernommene
Verpflichtung zur Beförderung, sei es gegen Entgelt (wie im Regelfall) oder unentgeltlich.
Denkbar ist allerdings auch, dass der vertragliche Luftfrachtführer zur Ausführung der
Beförderung gänzlich oder auf Teilstrecken einen oder mehrere sog. ausführender
Luftfrachtführer beauftragt. Der ausführende Luftfrachtführer wird nicht Vertragspartei - von
seiner Existenz erfährt der Absender häufig erst im Fall einer Unregelmäßigkeit -, er führt
lediglich auf Grund einer Vereinbarung mit dem vertraglichen Luftfrachtführer die Beförderung
gänzlich oder teilweise durch (BGH NJW 2010, 1522). Vom sog aufeinanderfolgenden
Luftfrachtführer unterscheidet sich der ausführende Luftfrachtführer dadurch, dass ersterer mit
dem von ihm ausgeführten Beförderungsstrecken im Luftfrachtbrief aufgelistet und somit
Vertragspartner geworden ist. Im Schadensfall kann der geschädigte Absender oder
Empfänger bei aufeinanderfolgenden Luftfrachtführern denjenigen in Anspruch nehmen, auf
dessen Beförderungsstrecke der Schaden eingetreten ist. Sofern der Schadensort unbekannt
ist, kann der Absender den ersten und der Empfänger den letzten Luftfrachtführer in Anspruch
nehmen (Art. 30 WA, WA/HP, Art. 36 MÜ). Demgegenüber stehen im Fall des ausführenden
Luftfrachtführers dem Anspruchsteller vertraglicher und ausführender Luftfrachtführer als
14 –
Anspruchsgegner zur Verfügung, sofern der Schaden auf dem vom ausführenden
Luftfrachtführer ausgeführten Streckenabschnitt eingetreten ist, andernfalls nur der vertragliche
Luftfrachtführer.
3.3
Der Spediteur
Spediteur ist, wer sich verpflichtet, die Versendung des Gutes zu besorgen (§ 453 Abs. 1
HGB). Solange der Spediteur nicht eine eigene Transportleistung verspricht, sondern nur
deren Besorgung, ist er nicht als Luftfrachtführer anzusehen. Da aber jede beliebige natürliche
oder juristische Person allein durch das vertragliche Versprechen einer Luftbeförderung zum
Luftfrachtführer werden kann, kann auch der Spediteur, der zunächst nur einen
Speditionsvertrag gem. § 453 HGB abgeschlossen hatte, zum Luftfrachtführer durch
nachträglichen Selbsteintritt nach § 458 HGB werden (BGHZ 84, 101 = NJW 1983, 516).
Selbsteintrittsspediteur ist derjenige Spediteur, der die Beförderung des Gutes selbst ausführt.
Gemäß § 458 Satz 2 HGB hat er hinsichtlich der Beförderung die Rechte und Pflichten eines
Frachtführers. Auch der Spediteur, der Luftfrachtgüter als Sammelladung i.S.d. § 460 HGB
befördert, wird hiermit zum Luftfrachtführer. Sammelladungsspediteur ist, wer die Versendung
eines Gutes zusammen mit den Gütern anderer Auftraggeber in einer Sammelladung auf
Grund eines für seine Rechnung geschlossenen Frachtvertrages bewirkt. Er hat gemäß § 460
Abs. 2 HGB hinsichtlich der Beförderung in Sammelladung die Rechte und Pflichten eines
Frachtführers. (OLG Hamburg, VersR 1980, 827; Thume, in Fremuth/Thume, Transportrecht,
Vorbem, §§ 453 HGB, Rdnr. 67). Gleichermaßen kommt auch dem Spediteur, der eine
Spedition zu festen Kosten durchführt, die Qualifikation als Luftfrachtführer zu (BGHZ 96,
136 = NJW 1986, 1434; BGH TranspR 2011, 220; OLG Düsseldorf, TranspR 1996, 443).
Fixkostenspediteur ist, wer als Vergütung für die Besorgung der Versendung einen
bestimmten Betrag mit dem Versender vereinbart, der auch die Kosten für die Beförderung
miteinschließt. Er hat dann gemäß § 459 HGB hinsichtlich der Beförderung die Rechte und
Pflichten eines Frachtführers (BGH TranspR 2011, 80; OLG Stuttgart, TranspR 2010, 37;
Thume, in Fremuth /Thume, a.a.O. Rdnr. 50; Koller, TranspR 2005, 177 [179]).
Infolgedessen unterliegt der Sammelladungs-, Selbsteintritts- oder Fixkostenspediteur, der
gemäß §§ 458-460 HGB bei der Besorgung der Beförderung von Luftfrachtgütern zum
Luftfrachtführer wird, „hinsichtlich der Beförderung“ bei nationalen Luftfrachtbeförderungen
dem Luftfrachtrecht der §§ 407 ff HGB und bei internationalen Beförderungen den Vorschriften
des Montrealer Übereinkommens bzw. des Warschauer Abkommens. Eine Berufung auf die
Haftungsvergünstigungen des ADSp ist ihm in diesen Fällen verwehrt (Ruhwedel, Rdnr. 89),
15 –
jedoch können die ADSp dort gültig sein, wo sie haftungserweiternd wirken (BGH TranspR
2011, 80; TranspR 2011, 220; s. unten Ziffer 7.2).
3.4
Der Absender
Vertragspartner des Luftfrachtführers ist der Absender von Frachtgut. Der Begriff wird weder
im Warschauer Abkommen noch im Montrealer Übereinkommen definiert. Als Absender von
Frachtgut wird derjenige angesehen, der den Luftfrachtführer vertraglich mit der Beförderung
von Frachtgut auf dem Luftwege im eigenen Namen betraut. Ihm schuldet der Luftfrachtführer
die Beförderung des Gutes an den Bestimmungsort und die Ablieferung an den Empfänger. Im
Regelfall ergibt sich die Person des Absenders aus den Eintragungen in der entsprechenden
Spalte des Luftfrachtbriefes (BGH TranspR 2001, 29 = NJW-RR 2001, 396). Absender ist in
zahlreichen Fällen der Luftfrachtspediteur, der im eigenen Namen den Luftfrachtvertrag als
Auftraggeber des Luftfrachtführers abschließt.
3.5
Nicht am Vertrag Beteiligte
Vertragsfremde Parteien sind der sog. ausführende Luftfrachtführer, der Empfänger des
Frachtgutes und der sog. „Notify“.
Zum sog. ausführender Frachtführer s. die Erläuterungen in Kapitel 2.2 und Kapitel 9.
Ebensowenig wie der Begriff „Absender“ wird der Begriff „Empfänger“ im Warschauer
Abkommen bzw. im Montrealer Übereinkommen definiert. Aus analoger Anwendung von
§ 421 HGB ist Empfänger als die aus dem Frachtvertrag begünstigte Person derjenige, an den
der Luftfrachtführer nach den vertraglichen Vereinbarungen das Gut abzuliefern hat (OLG
Hamburg, VersR 1980, 1075). Der Empfänger ist nicht als Vertragspartei am
Luftfrachtvertrag beteiligt. Sinn des Beförderungsvertrages ist indes eine erfolgreiche
Transportdurchführung zugunsten des Empfängers, weshalb der Luftfrachtvertrag auch als
Vertrag zugunsten Dritter, nämlich des Empfängers, bezeichnet wird (OLG Frankfurt, ZLW
1977, 230 = BB 1977, 1071; OLG Köln, TranspR 2004, 120). Der Empfänger hat, auch ohne
Vertragspartner zu sein, nach Erfüllung seiner Verpflichtungen gegenüber dem Luftfrachtführer
einen Anspruch auf Herausgabe des Frachtgutes sowie unter bestimmten Voraussetzungen
das Recht, Schadenersatzansprüche geltend zu machen. Zu beachten ist, dass der häufig im
Luftfrachtbrief als “Notify“, d.h. als die von der Ankunft des Gutes zu benachrichtigende
Person, eingetragenen Partei keine dem Absender oder Empfänger vergleichbare
Rechtsposition zukommt. Insbesondere ist der „Notify“ nicht berechtigt, die Ablieferung des
Gutes zu verlangen oder Schadensersatzansprüche nach dem Warschauer Abkommen oder
dem Montrealer Übereinkommen gegenüber dem Luftfrachtführer geltend zu machen (OLG
16 –
Düsseldorf, TranspR 1995, 30 = VersR 1994, 1498; Mühlbauer, Haftpflichtprozeß, Kap. 29,
Rdnr. 61). Im Falle eines Dokumentenakkreditivs lässt sich regelmäßig die finanzierende Bank
selbst als „Empfänger“ eintragen, während der Käufer lediglich als „Notify“ benannt wird. Weist
der Luftfrachtbrief als Empfänger einen Spediteur aus, so ist auch dieser selbst und nicht das
als „Notify“ angegebene Unternehmen „Empfänger“ (Ruhwedel, MünchKomm, Bd VII HGB, Art
1 MÜ, Rdnr. 27).
4
Die Dokumentation der Luftfrachtbeförderung
Für die Beförderung von Personen, aufgegebenem Reisegepäck und Frachtgütern in
Luftfahrzeugen ist vom Luftfrachtführer ein entsprechendes Beförderungsdokument
(Flugschein, Fluggepäckschein bzw. Identifizierungsmarke, Luftfrachtbrief) auszustellen.
Allerdings ist in rechtlicher Hinsicht für die Wirksamkeit des Luftbeförderungsvertrages
unterbliebenes Ausstellen der Dokumente ohne Belang. Unterlassenes Ausstellen eines
Beförderungsdokuments hindert nicht das Zustandekommen eines wirksamen
Beförderungsvertrages. Nicht oder nicht ausreichend ausgestellte Dokumente (Flugschein
und Luftfrachtbrief) können allerdings unter der Geltung des Warschauer Abkommens,
auch in seiner Fassung des Haager Protokolls, zur Folge haben, dass die nach Art. 22
WA, WA/HP grundsätzlich summenmäßig beschränkte Haftung des Luftfrachtführers zur
unbeschränkten Haftung wird (vgl. Art. 3 Abs. 2, Art. 4 Abs. 2, Art. 9 WA, WA/HP). Um das
Privileg der beschränkten Haftung nicht zu verlieren, liegt es im eigenen Interesse des
Luftfrachtführers sicherzustellen, dass die Beförderungsdokumente überhaupt ausgestellt
und zudem nicht fehlerhaft ausgestellt worden sind. In das Montrealer Übereinkommen ist
diese wenig geglückte Verbindung von mangelhafter Dokumentation und Aufhebung der
Haftungsbeschränkungen nicht übernommen worden, d.h. fehlende oder fehlerhaft
ausgestellte Beförderungsdokumente haben keinen Einfluss auf die Haftung des
Luftfrachtführers.
4.1
Der Luftfrachtbrief und „jede andere Aufzeichnung“
Das bei der Beförderung von Luftfrachtgütern ausgestellte Dokument wird als
Luftfrachtbrief (englisch Air Waybill, AWB) bezeichnet. Das Montrealer Übereinkommen
gestattet in Art. 4 Abs. 2 anstelle der Ausstellung eines papiermäßigen Luftfrachtbriefes die
Dokumentation der Luftfrachtbeförderung durch „jede andere Aufzeichnung, welche die
Angaben über die auszuführende Beförderung enthält“. Der Luftfrachtbrief in seiner
papiermäßigen Form und in seiner Form als „jede andere Aufzeichnung“ dokumentiert den
Abschluss des Vertrages zwischen Luftfrachtführer und Absender über die Beförderung von
17 –
Frachtgütern in Luftfahrzeugen. In der Praxis wird für den papiermäßigen Luftfrachtbrief ein
von der International Air Transport Association (IATA) geschaffenes Einheitsdokument
verwandt, unabhängig davon, ob es sich im Einzelfall um eine innerstaatliche oder
internationale Luftfrachtbeförderung handelt (Muster eines Luftfrachtbriefes im Anhang).
Inhalt und äußere Form des IATA Standardfrachtbriefes ergeben sich aus der IATAResolution 600a. Enthält der Vordruck bereits Namen, Adresse und Luftfrachtbriefnummer
einer bestimmten Luftverkehrsgesellschaft im rechten oberen Feld eingedruckt, handelt es
sich einen sog. Airline AWB. Häufig indessen wird heutzutage ein neutrales Muster als sog.
Endlos-Formular verwandt, in dem die entsprechenden Daten sodann einzugeben sind.
Das Montrealer Übereinkommen erlaubt – wie auch das Montrealer Protokoll Nr. 4 –,
anstelle eines herkömmlichen papiermäßigen Luftfrachtbriefes “jede andere Aufzeichnung
zu verwenden, welche die Angaben über die auszuführende Beförderung enthält“
(Art. 4 Abs. 2 MÜ). Mit dieser Möglichkeit, andere Aufzeichnungen zu verwenden, in denen
die Daten über die auszuführende Beförderung festgehalten werden können, wird bei der
Frachtbeförderung, ebenso wie bei der Beförderung von Reisenden und Reisegepäck,
insbesondere der Einsatz und die Verwendung von elektronischen Datenträgern anstelle
von physischen Dokumenten ermöglicht (Ryff, ASDA/SVLR Bulletin 2000, 8). Bislang hat
der „elektronische“ Luftfrachtbrief allerdings noch keine allgemeine Verbreitung gefunden.
Dies liegt im wesentlichen daran, dass, anders als der Wortlaut von Art. 4 Abs. 2 MÜ
vermuten lässt, eben nicht „jede andere Aufzeichnung“ verwandt werden kann, denn wenn
jeder Absender ein von ihm entworfenes Dokument verwenden würde, würde Einheitlichkeit
verloren gehen. Vielmehr ist die IATA bestrebt, ein Dokument zu entwerfen, welches einen
international einheitlichen Standard gewährleistet und insbesondere auch
(ver)fälschungssicher ist. Immerhin kann ein solches elektronisches Dokument nicht
unterschrieben werden und muss somit mittels einer elektronischen Signatur die im
Rechtsverkehr erforderliche Sicherheit herstellen (vertiefend zum elektronischen
Luftfrachtbrief Ruhwedel, TranspR 2004, 421).
Wenn „jede andere Aufzeichnung“ anstelle eines herkömmlichen Luftfrachtbriefes in
Papierform verwandt wird, hat der Absender das Recht, vom Luftfrachtführer eine
„Empfangsbestätigung über die Güter“ zu verlangen. Mit diesem Dokument wird
zunächst der Empfang der Güter, d.h. ihre Übernahme vom Absender durch den
Luftfrachtführer, bewiesen (Quittung). Zugleich ermöglicht dieses Dokument aber auch dem
Absender einen Zugriff auf die gespeicherten Daten, womit er in die Lage versetzt wird, das
Frachtgut während des Transports zu identifizieren, seinen Sendungsverlauf zu verfolgen
und Weisungen über das Gut gem. Art. 12 zu erteilen.
18 –
4.2
House Air Waybill und Master Air Waybill
Von besonderer Bedeutung ist bei einer Sammelladung („Consolidation“) die
Unterscheidung zwischen „House Air Waybill“ (HAWB) und „Master Air Waybill“ (MAWB).
Beim Sammelladungsverkehr bringt der beauftragte Spediteur das vom Versender
stammende Gut gemeinsam mit anderem Gut durch einen Frachtführer auf Grund eines für
eigene Rechnung geschlossenen Frachtvertrages zur Versendung (Bydlinski, MünchKomm
Bd VII HGB, § 460 HGB, Rdnr. 1). Der Spediteur schließt mit den einzelnen Versendern
Frachtverträge, in denen er sich zu unmittelbarer Transportleistung verpflichtet. Durch die
Ausstellung eines HAWB dokumentiert der Spediteur, dass er für die jeweilige unter dem
HAWB zu befördernde Einzelsendung auf der dort bezeichneten Beförderungsstrecke vom
Abgangsflughafen zum Bestimmungsflughafen („airport to airport“) die Rechtsposition eines
Luftfrachtführers einnehmen will. Im HAWB wird der Spediteur als Luftfrachtführer und der
Versender als Absender eingetragen. Im Verhältnis zu seinem Kunden (Versender) wird der
Spediteur somit zum vertraglichen Luftfrachtführer. Seit dem Inkrafttreten des
Transportrechtsreformgesetzes am 1. Juli 1998 ergibt sich die Rechtsfolge unmittelbar aus
dem HGB:
Die Ausstellung eines Frachtbriefes als Dokumentation eines abgeschlossenen
Verkehrsvertrages gilt als „unechter“ Selbsteintritt. Selbsteintritt hat nach § 458 HGB
rechtlich zur Folge, dass der Spediteur „hinsichtlich der Beförderung“ als Frachtführer gilt.
Der den HAWB ausstellende Spediteur ist regelmäßig Sammelladungsspediteur, der gem.
§ 460 HGB „hinsichtlich der Beförderung“ gleichfalls als Frachtführer gilt. Zugleich ist er
auch Fixkostenspediteur mit der gleichen, in § 459 HGB festgeschriebenen Rechtsfolge
„hinsichtlich der Beförderung“. Mithin ergibt sich die Rechtsgrundlage dafür, dass der einen
HAWB ausstellende Spediteur als Frachtführer gilt, aus dem HGB. Gleichwohl wird die
Haftung dieses kraft Rechtsfolgenverweisung gem. §§ 458-460 HGB einem Frachtführer
gleichgestellten Spediteurs durch die Vorschriften des spezielleren Frachtrechts des
Warschauer Abkommens bzw. des Montrealer Übereinkommens geregelt, sie gehen den
Vorschriften des allgemeinen Frachtrechts nach HGB vor (Thonfeld, Fachkommentar,
§ 458, S. 14).
Im Regelfall wird der Spediteur die Luftbeförderung nicht selbst ausführen, sondern damit
den sog. ausführenden Luftfrachtführer beauftragen. Das haftungsrechtliche Verhältnis
dieser beiden Luftfrachtführer untereinander, aber auch gegenüber dem Absender bestimmt
sich bei einer Beförderung, die dem Warschauer Abkommen unterliegt, nach dem
19 –
Zusatzabkommen von Guadalajara, bei einer Beförderung, die dem Montrealer
Übereinkommen unterliegt, nach den Vorschriften dessen Kapitels V (Art. 39-48), welches
die Regelungen des Zusatzabkommens in das Übereinkommen integriert hat. „Hinsichtlich
der Beförderung“ hat folgende haftungsrechtliche Konsequenzen für den einen HAWB
ausstellenden Spediteur:
Für Verlust, Beschädigung, Zerstörung oder Verspätung des Frachtgutes, die während der
im HAWB bezeichneten Luftbeförderung eingetreten sind, haftet der Spediteur nach den
Bestimmungen der Art. 18 ff WA bzw. MÜ (zur genauen Bestimmung des
Haftungszeitraumes „während der Luftbeförderung“ s. die Erläuterungen unter Ziffer 6.5).
Für o.g. Schadensarten, die im Vor- oder Nachlauf zur Luftbeförderung eintreten, haftet der
Spediteur nach den frachtrechtlichen Bestimmungen des HGB-Frachtrechts über den
multimodalen Transport, also §§ 452-452d HGB.
Für alle Vermögensschäden, denen eine Verspätung nicht ursächlich zugrundeliegt, haftet
der Spediteur nach den speditionsrechtlichen Bestimmungen der §§ 453 ff HGB. Daraus
ergibt sich, dass der Spediteur durch die Ausstellung eines HAWB nicht vollständig seiner
Rechte als Spediteur verlustig geht, sondern dass er lediglich für Schäden während der im
HAWB bezeichneten Luftbeförderung wie ein Luftfrachtführer haftet. Für alle anderen
Schadensereignisse ist weiterhin das Speditions- und Frachtrecht des HGB einschlägig,
welches u.U. – sofern vereinbart – durch die ADSp zu Gunsten des Spediteurs teilweise
abgeändert werden kann (Thonfeld, a.a.O). Der – wirtschaftliche – Vorteil bei der
Ausstellung eines House Air Waybills liegt für den Spediteur darin begründet, dass er
Luftbeförderungen durchführen (lassen) kann, ohne seinem Auftraggeber, dem Versender
der Sendung, mitteilen zu müssen, welchen Luftfrachtführers er sich dabei bedient und
insbesondere zu welchen Raten diese Luftbeförderung durchgeführt wird. Diesen Vorteil
„erkauft“ er sich allerdings während der Luftbeförderung durch eine Aufgabe des Schutzes
der Vorschriften der ADSp und eine Unterstellung unter das Haftungsregime des
Luftverkehrsrechts mit u.U. unbeschränkter Haftung. Die in einer Sammelsendung
zusammengefassten Einzelsendungen verschiedener Kunden werden nach erfolgter
Konsolidierung im Master Air Waybill zusammengefasst. Dieser – und nicht die jeweiligen
House Air Waybills – dokumentiert das frachtvertragliche Verhältnis zwischen dem die
Konsolidierung durchführenden Spediteur, der als Absender im MAWB eingetragen wird,
und dem Luftfrachtführer.
20 –
4.3
Der Luftfrachtbrief als Sicherung eines Akkreditivgeschäftes
Bei der Abwicklung internationaler Kaufverträge gibt es zur Sicherstellung der
Kaufpreiszahlung das Akkreditiv. Beim Akkreditivgeschäft hat eine Bank im Auftrag eines
Kunden Zahlung an einen Dritten – im Regelfall an den Verkäufer der Sendung oder an
seine Bank – gegen Übergabe vorgeschriebener Dokumente zu leisten, sobald alle
sonstigen Akkreditivbedingungen erfüllt sind. Eines dieser vorgeschriebenen Dokumente ist
der Frachtbrief, der Beweis dafür erbringen soll, dass der Transport der Ware, die mit
Akkreditiv bezahlt werden soll, begonnen hat. Daher ist es erforderlich, dass der Versender
die Sendung als Stückgut einem Spediteur und dieser wiederum einem Luftfrachtführer
übergibt. Für dieses Stückgut wird dem Versender vom Spediteur ein HAWB ausgehändigt,
wodurch der Versender ein bankfähiges Dokument für den Zahlungsverkehr in den Händen
hält. Der MAWB, welcher den Abschluss eines Luftfrachtvertrages über eine nur stückzahlund gewichtsmäßig bezeichnete Sammelladung dokumentiert und den
Sammelladungsspediteur als Absender ausweist, ist für den einzelnen Versender, dessen
Stückgutsendung Teil der Sammelladung ist, nicht als akkreditivfähiges Dokument zu
verwenden (Thonfeld, Haftung und Versicherung beim Gütertransport, S. 106; MüllerRostin, in Giemulla/Schmid, Kommentar zum MÜ, Art. 4, Rdnr. 3-7).
4.4
Ausstellen des Luftfrachtbriefes
Wird anstelle der Möglichkeit „jeder anderen Aufzeichnung“ weiterhin der herkömmliche
Luftfrachtbrief in Papierform benutzt, so ist es nach Art. 5 Abs. 1WA, WA/HP bzw. Art. 7
Abs. 1 MÜ Aufgabe des Absenders, den Luftfrachtbrief auszustellen. Der Absender kann
allerdings zur Unterstützung den Luftfrachtführer ob seiner Sachkenntnis und Erfahrung
hinzuziehen, allerdings wird dadurch in rechtlicher Hinsicht der Luftfrachtführer nicht zum
Aussteller, sondern handelt bis zum Beweis des Gegenteils als Beauftragter des Absenders
(Art. 6 Abs. 5 WA, WA/HP bzw. Art. 7 Abs. 4 MÜ). Nach Art. 10 WA, WA/HP, MÜ ist der
Absender für die Richtigkeit, Genauigkeit und Vollständigkeit der im Luftfrachtbrief
gemachten Angaben verantwortlich. Dies gilt selbst dann, wenn die für den Absender bei
der Eintragung handelnde Person zugleich Beauftragter des Luftfrachtführers ist, z.B. ein
Luftfrachtspediteur. Für Schäden, die auf Grund von unrichtigen (z.B. landwirtschaftliche
Geräte anstatt Kriegswaffen), ungenauen (6 kg anstatt 16 kg) oder unvollständigen
(fehlende Angabe „radioaktiv“ oder „explosiv“) Angaben im Luftfrachtbrief bzw. in den
Urkunden gem. Art. 4 Abs. 2 MÜ dem Luftfrachtführer oder Dritten entstehen, denen
gegenüber der Luftfrachtführer verantwortlich ist, haftet der Absender.
21 –
Unterlaufen dem Luftfrachtführer im Rahmen des Auftragsverhältnisses Fehler, die z.B.
eine ordnungsgemäße Ablieferung des Gutes verhindern, sei es dass eigene Angaben
fehlerhaft eingetragen werden, sei es dass ihm vom Absender korrekt übermittelte
Angaben unrichtig, ungenau oder unvollständig in die Beförderungsdokumente
eingetragen werden, so hat der Absender gegenüber dem Luftfrachtführer mangels einer
Schadensersatzregelung im Abkommen/Übereinkommen einen Anspruch auf
Schadensersatz nach nationalem Recht (OLG Frankfurt, ZLW 1989, 381 = VersR 1990,
1031).
Entsprechend der Anzahl der am Luftbeförderungsvertrag beteiligten Parteien ist nach Art. 6
WA, WA/HP bzw. Art. 7 MÜ ist der Luftfrachtbrief in mindestens drei Ausfertigungen
auszustellen.In der Praxis werden indessen mehr Durchschriften als drei Ausfertigungen
erstellt, von denen allerdings nur die ersten drei Ausfertigungen, die im unteren Rand als
Original 1 („for issuing carrier“), Original 2 ( „for consignee“) und als Original 3 („for shipper“)
bezeichnet werden, als Originale gelten. Mit der ersten Ausfertigung ist der Frachtführer in
der Lage, den Abschluss des Beförderungsvertrages und seinen Anspruch auf die Fracht
nachzuweisen. Mit der zweiten Ausfertigung wiederum ist der Empfänger in der Lage,
Nachweis über sein Recht auf Ablieferung des Gutes zu führen. Die dritte Ausfertigung dient
dem Absender als Quittung für die Übergabe des Gutes an den Frachtführer. Den weiteren
Durchschriften kommt keine rechtliche Bedeutung zu, sie sind bestimmt für weitere
Luftfrachtführer, für Luftfrachtagenten oder für andere mit der Durchführung der
Beförderung beauftragte Personen.
Die dritte Ausfertigung des Luftfrachtbriefes, die für den Absender bestimmt ist, wird vom
Luftfrachtführer sofort nach Annahme des Gutes, also vor Verladung in das Luftfahrzeug,
unterzeichnet. Sie ist dem Absender auszuhändigen. Diese Ausfertigung, auch
Luftfrachtbriefdritt genannt, beweist zunächst einmal die Übergabe des Gutes. Darüber
hinaus ist ihre Innehabung zugleich auch notwendiges Erfordernis, um während des
Transportes über das Gut noch Verfügungen treffen zu können. Will also der Absender den
Luftfrachtführer während der Beförderung anweisen (zu den Weisungsrechten s. unten
Ziffer 5), das Gut z. B. an einen anderen Empfänger als an den im Luftfrachtbrief
eingetragenen auszuliefern oder es auf einem Unterwegsflughafen anzuhalten so braucht
der Luftfrachtführer diesen Weisungen nur dann Folge zu leisten, wenn ihm der Absender
das Luftfrachtbriefdritt – bzw. bei Verwendung „jeder anderen Aufzeichnung“ gem. Art. 4
Abs. 2 MÜ die Empfangsbestätigung über die Güter – vorlegt. Insoweit kommt dem
Luftfrachtbrief bzw. der Empfangsbestätigung eine Legitimationsfunktion für seinen Besitzer
und eine entsprechende Sperrfunktion für alle anderen Personen zu. Kommt der
22 –
Luftfrachtführer Weisungen des Absenders nach, ohne sich von ihm das Luftfrachtbriefdritt
bzw. die Empfangsbestätigung über die Güter vorlegen zu lassen, macht er sich gegenüber
dem rechtmäßigen Besitzer des Luftfrachtbriefdritts oder der Empfangsbestätigung
schadensersatzpflichtig (verschuldensunabhängige Haftung, BGHZ 76, 213 = ZLW 1977,
79).
4.5
Der Inhalt des Luftfrachtbriefes gem. Art. 8 WA bzw. Art. 8
WA/HP
Für Beförderungen, die dem Warschauer Abkommen bzw. dem Haager Protokoll
unterliegen, werden in Art. 8 WA bzw. Art. 8 WA/HP die Angaben benannt, die im
Luftfrachtbrief einzutragen sind. Art. 8 WA Buchstaben a-i und q erfordert einen Katalog von
mindestens zwölf Einzelangaben, die zwingend vom Absender in den Luftfrachtbrief
einzutragen sind. Bei der Neufassung des Warschauer Abkommens durch das Haager
Protokoll ist dieser umfängliche Katalog auf drei Mindestangaben reduziert worden. Dieses
sind
-
die Angabe des Abgangs- und Bestimmungsortes der Beförderung ([Art 8 b WA], Art.
8a WA/HP);
-
die Angabe mindestens eines Zwischenlandeortes im Ausland (z.B. Madrid–Lissabon–
Teneriffa), wenn andernfalls die Beförderung keine internationale Beförderung iSv. Art 1
WA, WA/HP wäre ([Art. 8 c WA], Art. 8 b WA/HP);
-
ein Hinweis auf die nach dem Warschauer Abkommen im Falle des Verlustes oder der
Beschädigung von Gütern grundsätzlich beschränkte Haftung des Luftfrachtführers
([Art. 8q WA], Art. 8 c WA/HP).
Hat der Luftfrachtführer bei einer Beförderung, die sich nach der Originalfassung des WA
bemisst, das Gut angenommen, ohne dass ein Luftfrachtbrief ausgestellt worden ist oder
fehlt eine der in Art. 8 Buchstaben a-i und q geforderten Angaben, kann sich der
Luftfrachtführer nach Art. 9 WA nicht auf die Vorschriften, die seine Haftung beschränken,
berufen. Die gleiche Sanktion gilt nach Art. 9 WA/HP, wenn das Gut in das Luftfahrzeug
eingeladen wird, ohne dass zuvor ein Luftfrachtbrief ausgestellt worden ist oder wenn der
Luftfrachtbrief nicht den Hinweis auf die Haftungsbeschränkung nach Art. 8c WA/HP
enthält. Diese Sanktionen greifen ein unabhängig davon, ob die fehlenden Angaben bzw.
der fehlende Hinweis auf die beschränkte Haftung überhaupt für den eingetretenen
Schaden kausal waren. Um ihr Haftungsrisiko zu minimieren, verwenden die
Luftfrachtführer gemeinhin Standardluftfrachtbriefe, in denen der entsprechende Hinweis
23 –
auf die Haftungsbeschränkung an prominenter Stelle eingedruckt ist. Für Spediteure, die im
Selbsteintritt, als Sammelladungspediteure oder zu festen Kosten befördern und kraft
Rechtsfolgenverweisung gem. §§ 458-460 HGB einem Frachtführer „hinsichtlich der
Beförderung“ gleichgestellt werden, ist zu beachten, dass die von ihnen verwandten
Beförderungsdokumente auch die o.g. Hinweisklausel aufweisen. Spediteure, die einen
Luftfrachtbrief ausstellen, in dem die o.g. Angaben nicht eingetragen sind oder der den
Hinweis auf das einschlägige Warschauer Abkommen oder Haager Protokoll mit ihren
Haftungsbeschränkungen nicht aufweist, unterliegen bei internationalen Luftbeförderungen
ebenso wie der Luftfrachtführer der Sanktion des Art. 9 WA bzw. Art 9 WA/HP und können
sich somit nicht auf die grundsätzlich beschränkte Haftung des Abkommens berufen (Gran,
TranspR 1996, 138). In diesem Zusammenhang ist noch auf ein zusätzliches, erhebliches
Haftungsrisiko des Spediteurs hinzuweisen: wenn der Spediteur den Luftfrachtbrief
ausstellt und sich darin als Luftfrachtführer bezeichnet, führt er dadurch die Vermutung
herbei, dass er selbst Partei des Luftfrachtvertrages ist. Den Gegenbeweis, der ihm zwar
nach Art. 11 WA bzw. Art. 11 WA/HP eröffnet ist, wird er kaum führen können.
Materiellrechtlich liegt dann ein Selbsteintritt iSv. § 458 HGB vor, mit der Folge, dass der
Spediteur dann stets dem für die jeweilige Beförderungsart einschlägigen Frachtrecht
unterliegt. Der Spediteur kann sich dabei unvermutet einem strengeren Haftungsregime
ausgesetzt sehen als ursprünglich vorgesehen.
4.6
Der Inhalt von Luftfrachtbrief und Empfangsbestätigung gem.
Art. 5 MÜ
Die Ausstellung des Luftfrachtbriefes und die Eintragung der geforderten Inhaltsangaben ist
grundsätzlich Sache des Absenders. Während Art. 8 WA mindestens zwölf in den
Luftfrachtbrief aufzunehmende Inhaltsangaben vorschreibt, wurde in Art. 8 WA/HP die Zahl
dieser Pflichtangaben auf drei beschränkt. Auch Art. 5 MÜ schreibt lediglich drei Angaben
vor, nämlich die Angabe von Abgangs- und Bestimmungsort, die Angabe eines
Zwischenlandeortes, sofern Abgangs- und Bestimmungsort in ein und demselben Staat
liegen (andernfalls läge eine innerstaatliche Beförderung vor) und die Angabe des
Sendungsgewichts. Die ersten beiden Angaben werden auch bereits in Art. 8 WA/HP
gefordert, anstelle der Angabe des Sendungsgewichts, welches u. a. für die Berechnung
der Haftung des Luftfrachtführers bedeutsam ist, fordert Art. 8 WA/HP den Hinweis auf die
Anwendbarkeit des Haager Protokolls und seine Haftungsbeschränkungen. Fehlender
Hinweis oder fehlender Luftfrachtbrief zum Zeitpunkt der Verladung wird in Art. 9 WA/HP mit
der Sanktion des Wegfalls der Haftungsbeschränkungen belegt. Diese Sanktionen sind
jedoch unter der Geltung des Montrealer Übereinkommens entfallen, Fehlen oder
24 –
Unvollständigkeit des Frachtbriefes oder der Empfangsbestätigung berühren weder den
Bestand noch die Wirksamkeit des Beförderungsvertrages oder die Haftung des
Luftfrachtführers. Der Vertrag bleibt vielmehr mit dem Inhalt bestehen, den die Parteien
vereinbart hatten. Mithin sind das Fehlen eines Frachtbriefes, ein nicht ordnungsgemäß
ausgestellter Frachtbrief, oder das Fehlen einer anderen Aufzeichnung bzw. der
Empfangsbestätigung oder eine nicht ordnungsgemäß ausgestellte andere Aufzeichnung
bzw. Empfangsbestätigung für den Vertragsschluss ohne jedwede rechtliche Folge.
Vielmehr bestimmt Art. 9 MÜ, dass auf den Beförderungsvertrag gleichwohl die
Übereinkommensvorschriften zur Anwendung gelangen und dass insbesondere, im
Unterschied zum Warschauer Abkommen bzw. dem Haager Protokoll, die Sanktion einer
unbeschränkten Frachtschadenhaftung nicht eingreift. Dokumentation auf der einen Seite
und Haftung auf der anderen Seite werden voneinander unabhängig.
4.7
Die Beweiskraft der Angaben im Luftfrachtbrief bzw. in der
Empfangsbestätigung
Dem Luftfrachtbrief und - bei Anwendung des Montrealer Übereinkommens - der
Empfangsbestätigung kommen im Hinblick auf drei verschiedene Teilbereiche eine
Beweisfunktion zu (Art. 11 WA, WA/HP, MÜ). Allerdings kann der mit dem Luftfrachtbrief
bzw. mit der Empfangsbestätigung geschaffene Beweis jederzeit durch den Beweis des
Gegenteils widerlegt werden. Die Angaben im Luftfrachtbrief bzw. in der
Empfangsbestätigung gelten solange als richtig, bis sie durch einen – meist schwierig zu
führenden – Gegenbeweis widerlegt worden sind. So kann z. B. der Luftfrachtführer, wenn
er eine geringere Anzahl von Frachtstücken ausliefert als in den Beförderungsdokumenten
angegeben, den Beweis führen, dass nur diese geringere Anzahl aufgeliefert wurde und
damit die Angabe in dem Luftfrachtbrief bzw. der Empfangsbestätigung unrichtig war. Nur
wenn ihm dieser Beweis gelingt, ist er von der Haftung für die fehlende Anzahl der
Frachtstücke befreit. Die verschiedenen Beweisfunktionen von Luftfrachtbrief und
Empfangsbestätigung im Einzelnen:
1.) Zunächst erbringen der Luftfrachtbrief und die Empfangsbestätigung Beweis über
den Abschluss und den Inhalt des zwischen dem Luftfrachtführer und dem Absender
abgeschlossenen Beförderungsvertrages (OLG Stuttgart, TranspR 2009, 482). Ist z.
B. eine Person als Luftfrachtführer im Luftfrachtbrief bzw. in der Empfangsbestätigung
benannt, so begründet dies den durch Gegenbeweis widerlegbaren Beweis, dass dieser
Luftfrachtführer als vertraglicher Luftfrachtführer tätig geworden ist (OLG Düsseldorf,
ZLW 1995, 347 = TranspR 1995, 30; vgl. auch BGH NJW-RR 2001, 396 = TranspR
25 –
2001, 29). Die im Luftfrachtbrief oder in der Empfangsbestätigung eingetragene
Gewichtsangabe gilt bis zum Beweis des Gegenteils als richtig (OLG Frankfurt, TranspR
2003, 471).
2.) Luftfrachtbrief und Empfangsbestätigung erbringen auch Beweis über die
Beförderungsbedingungen. Solange diese vollständig in der Urkunde selbst
abgedruckt sind oder ihr im Anhang oder als Beiblatt beigefügt sind, kann der
Beweis leicht erbracht werden. Problematisch ist es indes, wenn, wie zumeist, im
Luftfrachtbrief bzw. in der Empfangsbestätigung auf die Allgemeinen
Beförderungsbedingungen lediglich Bezug genommen wird. Doch hat das OLG
Stuttgart (VersR 1988, 909) entschieden, dass die Bestimmungen der IATA
Resolution 507 B als Teil der Allgemeinen Beförderungsbedingungen des
Luftfrachtführers allein durch de Inbezugnahme im Luftfrachtbrief (entsprechend
auch in der Empfangsbestätigung) auch ohne deren vollständigen Abdruck und
selbst in englischer Sprache Vertragsinhalt geworden sein sollen, zumindest dann,
wenn es sich um ein Luftfrachtgeschäft unter Kaufleuten (wie zumeist) handelt
(a.A. Abraham I, Art. 11 WA Anm.3). Fraglich ist, ob diese Grundsätze des OLG
Stuttgart, die zum Warschauer Abkommen festgelegt worden sind, auch noch unter
der einschränkenden Formulierung des Art. 11 MÜ („Der Luftfrachtbrief und die
Empfangsbestätigung…begründen die widerlegbare Vermutung…für die
Beförderungsbedingungen, die darin niedergelegt sind“) Gültigkeit haben. In den
Erläuterungen zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucksache 15/2285
vom 22. Dezember 2003) wird die Auffassung vertreten, dass Folge der
eingeschränkten Formulierung sei, dass Allgemeine Beförderungsbedingungen nur
noch insoweit in die Beweiskraft einbezogen seien, als sie im Luftfrachtbrief oder in
der Empfangsbestätigung abgedruckt sind. Dieser Auffassung kann indes nicht
gefolgt werden. Rein praktisch können die Allgemeinen Beförderungsbedingungen,
die sich über eine Vielzahl von Seiten erstrecken, nicht jedem Luftfrachtbrief oder
jeder Empfangsbestätigung beigefügt werden. Darüber hinaus macht aber auch eine
solche Beifügung wenig Sinn, denn Vertragspartner des Luftfrachtführers sind
zumindest im Regelfall Spediteure, denen bewusst ist, dass der Luftfrachtführer mit
Allgemeinen Beförderungsbedingungen arbeitet und dass diese Bedingungen in den
Verkaufsstellen des Luftfrachtführers eingesehen oder auf seiner Internetseite
abgerufen werden können. Insofern ist auch, sofern deutsches Recht nach den
Grundsätzen des Internationalen Privatrechts ergänzend heranzuziehen ist, die
Frage einer Einbeziehung der Beförderungsbedingungen in den Frachtvertrag nach
den Vorschriften des deutschen Rechtes über Allgemeine Geschäftsbedingungen zu
26 –
beurteilen. Nach § 310 Abs.1 BGB sind die Einbeziehungsvoraussetzungen des
§ 305 Abs. 2 BGB nicht einschlägig und eine Unterwerfung des Spediteurs unter die
Beförderungsbedingungen des Luftfrachtführers kann vermutet werden. Insofern
dürfte ein Verweis auf die Allgemeinen Beförderungsbedingungen im Luftfrachtbrief
bzw. in der Empfangsbestätigung auch bei Beförderungen, die dem Montrealer
Übereinkommen unterliegen, ausreichend und ihr vollständiger Abdruck in diesen
Urkunden entbehrlich sein (im Internet abrufbare Bedingungen sind ausreichend,
BGH NJW-RR 2007, 1282; OLG Bremen, NJOZ 2004, 2854; Ruhwedel, TranspR
2008, 89 [101]).
3.) Hat der Luftfrachtführer den Luftfrachtbrief unterschrieben (Druck der Unterschrift
oder Stempel reichen aus, Art. 6 Abs. 4 WA,,WA/HP; Art. 7 Abs. 2 MÜ), kommt ihm
auch die Funktion einer Quittung über die Übernahme der Güter vom Absender durch
den Luftfrachtführer zu (BGH NJW-RR 1989, 1270 = TranspR 1989, 327; OLG
München, VersR 2000, 1567). Entsprechendes gilt auch für die „Empfangsbestätigung
über die Güter“, hier bedarf es allerdings einer Unterschrift durch den Frachtführer nicht.
4.) Nach Art. 11 Abs. 2 Satz 1 WA, WA/HP und Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz MÜ sind
folgende Angaben im Luftfrachtbrief bzw. in der Empfangsbestätigung bis zum Beweis
des Gegenteils als richtig anzusehen:
a) das Gewicht der Güter
b) die Maße der Sendung
c) die Verpackung der Güter und
d) die Anzahl der Frachtstücke.
Die Richtigkeit dieser Angaben kann der Luftfrachtführer ohne nennenswerte
Schwierigkeiten bereits bei der Annahme der Güter überprüfen, so dass die
festgeschriebene Vermutung sachgerecht ist. Demgegenüber gelten Angaben gemäß
Satz 2 bzw. Satz 1, 2. Halbsatz, nämlich die Angaben über Menge, Rauminhalt und Zustand
der Güter nur dann gegenüber dem Luftfrachtführer als richtig, wenn er diese in Gegenwart
des Absenders nachgeprüft hat und sich darüber ein Vermerk im Beförderungsdokument
befindet. Diese Einschränkung der Beweiskraft ist deswegen gerechtfertigt, weil diese
Angaben nicht ohne weiteres bei der Annahme der Güter erkennbar bzw. überprüfbar sind.
Grundsätzlich besteht für den Luftfrachtführer keine Pflicht zur Nachprüfung (OLG
Frankfurt, RIW 1984, 69; LG Frankfurt, ZLW 1988, 85 = VersR 1988, 352), ein Recht auf
Nachprüfung wird man dem Luftfrachtführer schon aus Gründen der Sicherheit, d.h. zur
Gefahrenabwehr, nicht verwehren können, selbst wenn der Absender nicht zustimmt.
27 –
Nahezu sämtliche Luftfrachtbriefe weisen die eingedruckte Angabe „received in apparent
good order and condition“ auf. Diese nicht ganz klare Angabe kann sich auf die Verpackung
der Güter beziehen, dann gilt sie bis zum Beweis des Gegenteils als richtig. Sie kann sich
aber auch auf den Zustand der Güter selbst beziehen, sie erbringt dann aber nur Beweis,
wenn der Luftfrachtführer den Zustand in Gegenwart des Absenders nachgeprüft hat und
dies auf dem Luftfrachtbrief bzw. in der „Empfangsbestätigung über die Güter“ vermerkt hat.
Bei fehlendem Vermerk auf dem Luftfrachtbrief bzw. in der Empfangsbestätigung über eine
mögliche Prüfung des Zustands der Güter durch den Luftfrachtführer in Anwesenheit des
Absenders ist die Angabe „received in good order and condition“ bis zum Beweis des
Gegenteils nur insoweit richtig, als sie sich auf den äußeren Zustand der Güter bezieht
(BGH VersR 2005, 811).
Zusammenfassend lassen sich folgende Funktionen für beide Dokumente, Luftfrachtbrief
und „Empfangsbestätigung über die Güter“, festhalten:
1) sie dokumentieren den Abschluss des Vertrages über eine Luftfrachtbeförderung
2) sie sind Empfangsbescheinigung (Quittung) des Luftfrachtführers für die Übernahme
der Sendung vom Absender
3) sie dokumentieren das Einverständnis des Absenders mit den
Beförderungsbedingungen des Luftfrachtführers
4) sie enthalten Instruktionen des Absenders hinsichtlich u.a. der Beförderungsstrecke,
der Behandlung und der Auslieferung der Güter
5) sie dienen dem Absender als Nachweis, Verfügungsrechte über die Güter ausüben
zu dürfen
6) sie enthalten Gewichtsangaben, die letztendlich die Haftungshöhe des
Luftfrachtführers bestimmen und
7) sie können als Unterlage für die Zolldeklaration und als Versicherungszertifikat
benutzt werden, wenn der Absender den Abschluss einer Versicherung wünscht.
5
Rechte und Pflichten von Absender und Empfänger gemäß
Art. 12-15 WA, WA/HP, MÜ
Die Rechte von Absender und Empfänger haben in Art. 12-15 WA, WA/HP, MÜ eine
umfängliche Regelung gefunden. Die Pflichten des Absenders werden demgegenüber sehr
28 –
viel weniger umfänglich in Art. 6 MÜ und in Art. 16 WA, WA/HP, MÜ und diejenigen des
Empfängers noch weniger umfänglich in Art. 13 WA, WA/HP, MÜ geregelt.
5.1
Das Schadensersatzanspruchsrecht des Absenders
Sieht man von den Ausnahmeregelungen des Art. 30 Abs. 3 WA, WA/HP und Art. 36
Abs. 3 MÜ ab, die jeweils bei aufeinanderfolgenden Luftfrachtführern dem Absender
Schadensersatzansprüche zusprechen, so fehlen sowohl im Warschauer Abkommen als
auch im Montrealer Übereinkommen Vorschriften, die ausdrücklich den Absender zur
Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen berechtigen. Da indessen das
Abkommen und das Übereinkommen nur auf solche Beförderungen Anwendung finden,
denen ein Beförderungsvertrag, abgeschlossen zwischen Luftfrachtführer und Absender,
zugrunde liegt, stehen die Rechte aus dem Frachtvertrag, wozu auch die
Schadensersatzrechte zu zählen sind, jedenfalls dem Absender als Vertragspartner des
Luftfrachtführers zu (BGH TranspR 2001, 29 = NJW-RR 2001, 396; OLG München, ZLW
2000, 118; zu den Schadensersatzrechten des Empfängers s. 5.4.2).
5.2
Verfügungsrechte des Absenders
Art. 12 WA, WA/HP, MÜ regelt die Verfügungsrechte des Absenders über die zu
befördernden Güter. Dank der Verfügungsrechte kann der Absender dem Frachtführer
Weisungen erteilen, um dem im Frachtvertrag vorgesehenen Beförderungsablauf
abzuändern, beispielsweise bei Nichterreichbarkeit des Empfängers. Die Rechte des
Absenders können so lange von diesem ausgeübt werden, bis nach Ankunft des Gutes
am Bestimmungsort der Empfänger Aushändigung des Luftfrachtbriefes gemäß Art. 13
WA und WA/HP bzw. Ablieferung der Güter gegen Zahlung der geschuldeten Beträge
(Art. 13 WA, WA/HP, MÜ) verlangen kann. Der Zeitpunkt der Ankunft der Güter ist somit
Zeitpunkt des Erlöschens der Verfügungsrechte des Absenders und zugleich Zeitpunkt
der Entstehung der Verfügungsrechte des Empfängers. Allerdings lebt das
Verfügungsrecht des Absenders wieder auf, wenn der Empfänger die Annahme der
Sendung verweigert hat oder wenn der Empfänger nicht erreicht werden kann.
Die Verfügungsrechte im Einzelnen:
Der Absender kann gemäß Art. 12 WA, WA/HP, MÜ nachträglich, d. h. nach Übernahme
der Frachtgüter durch den Luftfrachtführer, Verfügungen über die Güter treffen und durch
Weisungen an den Luftfrachtführer auf die Beförderung der Güter einwirken. Grund für
eine solche Verfügung könnte für den Absender z. B. sein, dass der Käufer als Empfänger
der Sendung seine kaufvertraglichen Pflichten nicht erfüllt hat oder insolvent geworden ist
29 –
und der Absender bzw. der Verkäufer somit einen neuen Empfänger/Käufer suchen muss.
Voraussetzung für die Ausübung des Verfügungsrechts ist, dass
1) der Absender die Weisung an den Luftfrachtführer in Schriftform getroffen hat. Zwar
ergibt sich das Erfordernis nicht aus Art. 12, der insoweit keine Formerfordernisse
aufstellt, doch füllen die allgemeinen Beförderungsbedingungen der Luftfrachtführer
diese Lücke aus, siehe z. B. Art. 7 der IATA Bedingungen bzw. Art. 7 Ziffer 2 der
Allgemeinen Beförderungsbedingungen für Fracht der Lufthansa Cargo AG (im Anhang
abgedruckt);
2) der Absender alle Verpflichtungen aus dem Frachtvertrag erfüllt hat. Hierzu gehören
insbesondere die Entrichtung des Beförderungsentgelts und die Erstattung der durch
die Ausführung der Verfügung dem Luftfrachtführer entstehenden Kosten;
3) Weisungen nur insofern ausgeführt werden können, als weder der Luftfrachtführer
noch die anderen Absender geschädigt werden. Mögliche Schädigungen dieser
Personen lassen die Ausführung der Weisung für den Luftfrachtführer unzumutbar
werden. Andere Absender sind diejenigen Vertragspartner des Luftfrachtführers, deren
Güter der Luftfrachtführer in demselben Flugzeug wie die Güter des verfügenden
Absenders befördert;
4) der Luftfrachtführer überhaupt in der Lage ist, die Weisung auch tatsächlich ausführen
zu können; ihre Ausführung darf ihm nicht unmöglich sein. Unmöglich ist die
Ausführung z. B. dann, wenn die Güter bereits dem Empfänger ausgeliefert worden
sind. Unmöglichkeit liegt aber auch dann vor, wenn zwar nicht der angewiesene
Luftfrachtführer, z. B. wegen Personalmangels, wohl aber andere Luftfrachtführer die
Weisung hätten ausführen können;
5) sich die Weisung nur auf die Güter in ihrer Gesamtheit und nicht auf einzelne
Frachtstücke einer Sendung beziehen kann. Diese Schranke für die Ausübung des
Verfügungsrechts ist zwar nicht in Art. 12 erwähnt, doch ist zu berücksichtigen, dass
dem Frachtführer mit einem einheitlichen Luftfrachtbrief bzw. entsprechendem
Beförderungsdokument ein einziges Gut zur Beförderung übergeben worden ist,
sodass nicht über einzelne Teile dieser Sendung gesonderte Verfügungen getroffen
werden können. Vielmehr steht es dem Absender frei, die Sendung unterwegs
anhalten zu lassen und für die nachfolgende Beförderung mehrere neue
Frachtverträge über die einzelnen Teile der Sendung abzuschließen;
30 –
6) der Absender dem Luftfrachtführer zeitgleich mit der Erteilung der Weisung das
Luftfrachtbriefdritt bzw. die dem Absender übergebene Ausfertigung der
Empfangsbestätigung vorlegt. Auch diese Schranke ergibt sich nicht aus dem Wortlaut
des Art. 12, wohl aber aus der Rechtsfolge des Abs. 3, wonach der Luftfrachtführer
sich u. U. Schadenersatzansprüchen aussetzt, wenn er einer Weisung nachkommt,
ohne sich das Luftfrachtbriefdritt oder die entsprechende Ausfertigung der
Empfangsbestätigung vorlegen haben zu lassen.
Liegen die o. g. Voraussetzungen vor, kann der Absender vier unterschiedliche
Verfügungen über die Frachtgüter treffen. Er kann
1) sich die Güter am Abgangs- oder Bestimmungsflughafen zurückgeben lassen;
2) die Güter unterwegs während einer Zwischenlandung aufhalten lassen;
3) die Güter am Bestimmungsort oder unterwegs an eine andere Person als an den
im Frachtbrief bezeichneten Empfänger abliefern lassen;
4) die Güter vom Luftfrachtführer an den Abgangsflughafen zurückbringen lassen.
Andere als die vorgenannten Verfügungsrechte stehen dem Absender nicht zu und der
Luftfrachtführer ist nicht verpflichtet, hiervon abweichenden Weisungen nachzukommen.
Der Luftfrachtführer hat den Absender unverzüglich zu benachrichtigen – andernfalls
macht er sich schadenersatzpflichtig –, wenn die Ausführung einer Weisung objektiv oder
subjekiv unmöglich ist
Schadensersatzpflichtig macht sich der Luftfrachtführer auch dann, wenn er eine
zulässige Weisung nicht ausgeführt. Wird die Sendung infolge der unterbliebenen
Ausführung zerstört, beschädigt oder geht sie verloren, bemisst sich der
Schadenersatzanspruch nach Art. 18 WA, WA/HP, MÜ; im Fall einer Verspätung nach
Art. 19 WA, WA/HP, MÜ. Fallen z. B. Lagerkosten an, weil die Weisung nur für einen Teil
der Sendung beachtet worden ist, kommt ein Anspruch des Absenders wegen Verstoßes
gegen die erteilte Weisung nach den Grundsätzen der positiven Forderungsverletzung,
d. h. nach nationalem Recht, in Betracht (siehe im Einzelnen zu den Verfügungsrechten
des Absenders Müller-Rostin, in: Giemulla/Schmid, Kommentar zum WA, Art. 12, Rdnr. 1
– 18b; ders., in Giemulla/Schmid, Kommentar zum MÜ, Art. 12, Rdnr. 1 – 50; Ruhwedel,
Rdnr. 226 – 230).
31 –
5.3
Die Pflichten des Absenders
Art. 6 MÜ, eine Vorschrift, die im Warschauer Abkommen keine Vorgängerin hatte, gibt
dem Absender die öffentlich-rechtliche Pflicht auf, sofern von den Behörden verlangt, eine
Urkunde mit Angaben zur Art der Güter auszuhändigen. Falls Vorschriften der Zoll-,
Polizei- oder anderer Behörden solches vorsehen, können Behörden eine Bezeichnung
und ggf. hinreichende Beschreibung der zu befördernden Güter verlangen, z. B. bei
Gefahrgut oder Gütern, zu deren Beförderung es gemäß § 27 LuftVG einer behördlichen
Erlaubnis bedarf (Waffen, Munition, Giftgase). Damit soll sichergestellt werden, dass der
Durchführung des Beförderungsvertrages keine verwaltungsrechtlichen Hindernisse
entgegenstehen. Die Angaben zur Art der Güter sind vom Absender in einer Urkunde zu
machen, mithin auch im Luftfrachtbrief oder in den Urkunden gemäß Art. 4 Abs. 2 MÜ ggf.
auch in einem sonstigen elektronischen Dokument, sofern es vom Absender an die
Behörde „ausgehändigt“, d. h., übermittelt werden kann. Die Angaben des Absenders zur
Art der Güter bewirken für den Luftfrachtführer keine Verpflichtung, Verbindlichkeit oder
Haftung (Art. 6 Abs. 2 MÜ). Unrichtige Angaben zur Art der Güter, die im Luftfrachtbrief, in
der „Empfangsbestätigung über die Güter“ oder in der „anderen Aufzeichnung“ gemacht
werden, begründen eine Schadenersatzpflicht des Absenders gemäß Art. 10 MÜ.
Unrichtige Angaben zur Art der Güter, die in sonstigen Urkunden gemacht werden,
bewirken eine Schadenersatzpflicht nach ergänzend anwendbarem nationalen Recht.
Neben der gegenüber den Behörden zu erfüllenden Pflicht nach Art. 6 MÜ ist der
Absender nach Art. 16 WA, WA/HP, MÜ verpflichtet, dem Luftfrachtführer diejenigen
Auskünfte zu erteilen und Urkunden, z. B. Einfuhrgenehmigungen, Veterinärzeugnisse,
auszustellen, die dieser zur Erfüllung der mit dem Transport zusammenhängenden
öffentlich-rechtlichen Pflichten benötigt. Fehlen, Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der
Auskünfte oder Urkunden macht den Absender gegenüber dem Luftfrachtführer
schadenersatzpflichtig, Die Ersatzpflicht erstreckt sich auch auf mittelbare
Vermögensschäden, die u. U. darin liegen können, dass der Luftfrachtführer einem Dritten
zum Schadenersatz verpflichtet ist oder Zoll- oder Steuerstrafen zu zahlen hat. Diese
Kausalhaftung des Absenders tritt nur dann nicht ein, wenn den Luftfrachtführer oder
seine Leute ein eigenes Verschulden, z. B. Verlust der ihm vom Absender
ausgehändigten Urkunden, hinsichtlich des Informations- oder Dokumentenmangels trifft.
Die Haftung des Luftfrachtführers bemisst sich dann nach Art. 18 ff WA, WA/HP, MÜ.
32 –
5.4
5.4.1
Rechte und Pflichten des Empfängers
Rechte und Pflichten bei Ablieferung der Güter
Art. 13 WA, WA/HP, MÜ regelt bestimmte Rechte des Empfängers, die diesem nach
Ankunft des Gutes am Bestimmungsort zukommen. Bestimmungsort ist derjenige Ort, an
dem nach dem ursprünglichen oder nach dem nachträglich abgeänderten Frachtvertrag
die Beförderung enden soll. Bestimmungsort ist immer ein Flughafen und nicht die
betreffende Stadt; abzustellen ist also auf den Zeitpunkt der Landung des Flugzeuges auf
diesem Flughafen. Der Regelung der Dispositionsrechte des Empfängers liegt zugrunde,
dass der Güterbeförderungsvertrag ein Vertrag zugunsten Dritter i. S. v. § 328 BGB ist
(OLG Frankfurt, BB 1977, 1071 = DB 1977, 1503; OLG Köln, TranspR 2004, 120). Der
Empfänger ist nicht Partei des zwischen dem Absender und dem Luftfrachtführer
abgeschlossenen Beförderungsvertrages, sondern ein in bestimmten Situationen und in
bestimmter Hinsicht begünstigter Dritter dieses Vertrages. Er ist nicht Vertragspartei, wohl
aber ausgestattet mit bestimmten Rechten und Pflichten, die sich insbesondere aus
Art. 13 WA, WA/HP, MÜ ergeben.
Nach Ankunft der Güter am Bestimmungsort und unter der Voraussetzung, dass der
Absender nicht vor Ankunft seine Verfügungsrechte geltend gemacht hat und
beispielsweise die Rückführung der Güter an den Abgangsort verfügt hat, kann der
Empfänger zunächst einmal verlangen, dass ihm der Luftfrachtführer die Ankunft der
Güter unverzüglich anzeigt. Daneben kann er die Ablieferung der Güter verlangen. Dem
Recht des Empfängers auf Ablieferung steht gleichzeitig seine Pflicht gegenüber, dem
Luftfrachtführer die „Zahlung der geschuldeten Beträge“ zu leisten, sofern nicht bereits der
Absender diese Beträge beglichen hat. Zug um Zug gegen Ablieferung der Güter hat der
Luftfrachtführer Anspruch auf Bezahlung noch ausstehender Frachtraten, seiner
sonstigen Auslagen oder Nebenkosten. War im Luftfrachtbrief Nachnahme vereinbart
(„cash on delivery“, COD) trifft den Luftfrachtführer die Pflicht, die Nachnahmebeträge zu
vereinnahmen, andernfalls macht er sich dem Absender gegenüber
schadenersatzpflichtig. Der Empfänger ist nicht zur Bezahlung noch unbeglichener
Frachtraten verpflichtet, sofern nicht Abweichendes im Luftfrachtbrief vereinbart worden
ist. Sein Recht, Ablieferung gegen Zahlung zu verlangen, bedeutet aber, dass der
Luftfrachtführer auch nur abzuliefern braucht, wenn er noch unbeglichene Frachtraten
vom Empfänger gezahlt erhält. Ist im Luftfrachtbrief bezüglich der Fracht „prepaid“
vereinbart, kann der Empfänger die Ablieferung der Güter verlangen, ohne zur Zahlung
eventuell noch ausstehender Frachtraten verpflichtet zu sein. Daneben ist der Empfänger
33 –
nach Art. 13 Abs. 1 WA, WA/HP, MÜ zur Erfüllung der Beförderungsbedingungen
verpflichtet. Dies ist im Wesentlichen die Erfüllung von Zoll-, Steuer- oder
Polizeivorschriften, deren Erfüllung sich aus den Allgemeinen Beförderungsbedingungen
des Luftfrachtführers ergeben muss.
5.4.2
Das Recht zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen
Das dem Empfänger in Art. 13 Abs. 1 WA, WA/HP, MÜ zugesprochene Recht,
Ablieferung der Güter zu verlangen, wandelt sich in Abs. 3 in das Recht um, die Rechte
aus dem Beförderungsvertrag geltend zu machen, sofern die Güter nicht am
Bestimmungsort eingetroffen sind. Art. 13 Abs. 3 WA, WA/HP, MÜ spricht dem
Empfänger das Recht zu, anstelle seines verwirkten Anspruches auf Ablieferung
Schadensersatz nach Art. 18 Abs. 1 WA, WA/HP, MÜ zu verlangen. Das Recht,
Schadensersatzansprüche geltend zu machen, ist neben dem Recht, Ablieferung zu
verlangen, das bedeutsamste für den Empfänger. Voraussetzung für die Geltendmachung
des Schadenersatzanspruches ist entweder, dass
• der Frachtführer den Verlust der Güter anerkannt hat (OLG Köln, TranspR 2003,
111; OLG Stuttgart, TranspR 2010, 37)
oder dass
• die Güter nach Ablauf von sieben Tagen, nachdem sie am Bestimmungsort
hätten ankommen sollen, noch nicht angekommen sind.
Damit wird der Empfänger, obgleich er nicht Vertragspartei ist, aktiv legitimiert und unter
den vorgenannten Voraussetzungen zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen
berechtigt.
Art. 13 Abs. 3 WA, WA/HP, MÜ spricht dem Empfänger die Geltendmachung der Rechte
aus dem Frachtvertrag, wozu auch das Recht zur Geltendmachung von
Schadenersatzansprüchen zählt, ausdrücklich nur zu im Fall des Verlustes oder der
Verspätung, nicht hingegen im Fall der Beschädigung oder der Zerstörung der Güter. Da
aber der Luftbeförderungsvertrag ein Vertrag zugunsten Dritter, nämlich zugunsten des
Empfängers, ist (siehe Abschnitt 5.2.1), und da somit dem Empfänger bereits aus Art. 13
Abs. 1 und Art. 13 Abs. 3 WA, WA/HP, MÜ gewisse Rechte, auch Schadenersatzrechte
bei fehlender oder verspäteter Ankunft der Güter am Bestimmungsort, zugewiesen sind,
34 –
wird man ihm auch das Recht zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen
wegen Beschädigung oder Zerstörung der Güter aus seiner Position als Drittbegünstigter
zuerkennen können. Sofern ergänzend deutsches Recht auf den Beförderungsvertrag
anwendbar ist, ergibt sich eine diesbezügliche Aktivlegitimation bereits aus § 421 HGB.
Der BGH (TranspR 2004, 369 = VersR 2005, 811) hat demgegenüber das Recht auf
Schadenersatz wegen Beschädigung der Güter unmittelbar aus Art. 13 Abs. 3 WA/HP –
entgegen dem Wortlaut der Vorschrift – hergeleitet. Unabhängig davon, woher das Recht
des Empfängers zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen hergeleitet wird,
ist festzuhalten, dass der Empfänger einer Sendung insgesamt im gleichen Umfang zur
Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen legitimiert wie der Absender als
Vertragspartner des Luftfrachtführers. Nach herrschender Auffassung steht die
Aktivlegitimation des Empfängers neben derjenigen des Absenders, so dass beide als
Gesamtgläubiger anzusehen sind, wodurch wiederum der Luftfrachtführer vor der Gefahr
geschützt ist, zweimal in Anspruch genommen zu werden (OLG Stuttgart, TranspR 2010,
37; Reuschle, Montrealer Übereinkommen, Art. 18, Rn. 85). In jedem Fall bleibt aber der
Absender zumindest dann anspruchsberechtigt, wenn der Empfänger entweder die
Annahme der Sendung verweigert hat oder deutlich gemacht hat, dass er auf die
Erhebung von Ansprüchen gegen den Frachtführer verzichte.
Empfänger bei einer Sammelsendung, die noch zu verteilen ist, ist der
Empfangsspediteur (OLG Hamburg, VersR 1982, 375). Wird die Person des
ursprünglichen Empfängers aufgrund einer Weisung des Absenders nach Art. 12 WA,
WA/HP, MÜ ausgewechselt, z.B. wegen Insolvenz des Empfängers, ist allein der neu
benannte Empfänger anspruchsberechtigt. Sämtliche Dispositions- und Anspruchsrechte
des Empfängers erlöschen, wenn er die Annahme der Güter am Bestimmungsort
verweigert. In diesem Falle leben die bereits gemäß Art. 12 Abs. 4 WA, WA/HP, MÜ
erloschenen Verfügungsrechte des Absenders wieder auf.
6
Die Haftungsregelungen des WA, WA/HP, MÜ
6.1
Das Verschulden
Die Regelungen der Haftung des Luftfrachtführers für Personen-, Gepäck- und
Frachtschäden bilden den Kernbereich des Warschauer Abkommens und ebenso des
Montrealer Übereinkommens. Nachfolgend sollen lediglich die Haftungsregelungen für
Frachtschäden gemäß Art. 18 ff WA, WA/HP, MÜ näher betrachtet werden. Die
35 –
Haftungsregelungen in Art. 18 ff. MÜ weisen gravierende Änderungen auf im Vergleich
zum Warschauer Abkommen, nicht indes im Vergleich zum Montrealer Protokoll Nr. 4,
das zwar nicht für Deutschland, ansonsten aber für über 60 Staaten seit 1998 in Kraft ist.
Nach dem Warschauer Abkommen haftet der Luftfrachtführer bei Beschädigung,
Verlust, Zerstörung oder Verspätung des Frachtgutes für vermutetes Verschulden.
Haftung für vermutetes Verschulden bedeutet, dass nicht der Geschädigte (Absender
oder Empfänger) ein Verschulden seitens des Luftfrachtführers zu beweisen braucht, um
ihn in Anspruch nehmen zu können. Vielmehr wird ein Verschulden des Luftfrachtführers
am eingetretenen Schaden vermutet mit der Folge, dass der Luftfrachtführer den Beweis
seiner Schuldlosigkeit und die seiner „Leute“ zu führen hat, um seine Haftung zu
vermeiden. Nur ein erfolgreicher Entlastungsbeweis setzt ihn in die Lage, von der ihm
obliegenden Haftung frei zu werden. Als Ausgleich für diese den Luftfrachtführer
belastende Beweislastumkehr ist seine Haftung der Höhe nach beschränkt - zumindest im
Regelfall.
Eine Haftung für vermutetes Verschulden mit entsprechender Beweislastumkehr gilt im
Montrealer Übereinkommen nur noch für Verspätungsschäden. Für
Sachsubstanzschäden ist die Haftung dagegen strikt ausgestaltet. Nach Art. 18 MÜ
haftet der Luftfrachtführer bei Sachsubstanzschäden „allein aufgrund der Tatsache“, dass
das zur Beschädigung, zum Verlust oder zur Zerstörung des Frachtgutes führende
Ereignis während der Zeit, in der sich das Gut in der Obhut des Luftfrachtführers
befunden hat, eingetreten ist. Ein Verschulden des Luftfrachtführers wird nicht gefordert.
Der Luftfrachtführer hat mithin ohne Rücksicht auf die Schadensursache und auf etwaiges
Verschulden für alles einzutreten, was sich während seiner Obhut substantiell auf das
Frachtgut ausgewirkt hat (Boettge, VersR 2005, 908).
6.2
Die Schadensobjekte und Schadensformen
Als Schadensobjekte kommen nach dem Wortlaut von Art. 18 WA, WA/HP, MÜ nur Güter in
Betracht, nicht dagegen Post. Die Beförderung von Postsendungen unterliegt nach Art. 2
Abs. 3 MÜ nicht dem Regelungsbereich des Übereinkommens. Mangels einer
Begriffsbestimmung im WA oder MÜ dürften unter dem Begriff „ Güter“ sämtliche
körperlichen Gegenstände zu verstehen sein, die befördert werden können (Ausnahme
Reisegepäck, sofern es nicht ausnahmsweise als Fracht, z.B. wegen
Gewichtsüberschreitung, befördert werden soll), ein besonderer Wert braucht diesen Gütern
nicht zuzukommen. Auch ist der Begriff nicht auf Handelsware beschränkt, wie es die
französische Bezeichnung “marchandises“ nahe zu legen scheint (Reuschle, Kommentar
MÜ, Art. 18, Rdnr. 9). Das Warschauer Abkommen und das Montrealer Übereinkommen
36 –
unterscheiden vier Schadensformen, nämlich Zerstörung, Verlust, Beschädigung oder
Verspätung, für die der Luftfrachtführer einzustehen hat. Ist eine dieser Schadensformen
eingetreten, dann ist grundsätzlich der Absender oder der Empfänger berechtigt,
Schadensersatzansprüche gegenüber dem Luftfrachtführer geltend zu machen. Die
einzelnen Schadensformen, nämlich Zerstörung, Beschädigung und Verlust gemäß Art. 18
WA, WA/HP, MÜ einerseits sowie Verspätung gemäß Art.19 WA, WA/HP, MÜ andererseits
und ihre jeweiligen Rechtsfolgen sind gesondert zu betrachten.
Im Einzelnen:
6.2.1 Die Zerstörung
Eine Zerstörung liegt zunächst dann vor, wenn die Güter oder Teile davon vollständig in
ihrer Substanz vernichtet sind. Zerstörung bedeutet Substanzvernichtung, zerstörtes Gut
hat keinen wirtschaftlichen Wert mehr, abgesehen von einem möglichen Schrottwert.
Daneben kann aber auch bereits dann von einer Zerstörung gesprochen werden, wenn die
Güter so schwerwiegend beschädigt sind, dass sie nicht mehr ihrer Zweckbestimmung
gemäß genutzt werden können (LG Frankfurt, TranspR 1991, 143 = ZLW 1991, 194;
Thume, TranspR 2001, 433), z.B. leicht verderbliche Ware. Bei der Zerstörung von Gütern
sind häufig weitere Schadensfolge die Kosten einer Entsorgung. Ist der Inhalt einer
verpackten Sendung zerstört, während die Verpackung unbeschädigt ist, wird man
insgesamt eine Beschädigung der Sendung annehmen müssen. Bei einer Beschädigung,
nicht aber bei einer Zerstörung, unterliegt der Absender bzw. der Empfänger einer Pflicht
zur Abgabe einer Schadensanzeige nach Art. 26 WA, WA/HP und Art. 31 MÜ gegenüber
dem Luftfrachtführer. Grund für diese Pflicht ist u.a. die Sicherstellung der Beweise durch
den Luftfrachtführer. Dieser Aufgabe kann er indessen nicht nachkommen, wenn bei
unterbliebener Schadensanzeige für ihn der Schaden angesichts der unbeschädigten
Verpackung überhaupt nicht erkennbar ist.
6.2.2 Die Beschädigung
Beschädigung ist jede substantielle Veränderung der Güter, die ihren Wert mindert
(Fremuth, in Fremuth/Thume, Transportrecht, § 425 HGB, Rdnr. 14). Die Beschädigung
führt zu einer Veränderung der inneren oder äußeren Unversehrtheit. Die Abgrenzung
zwischen Beschädigung und Zerstörung und zwischen Beschädigung und Verlust bzw.
Teilverlust ist fließend, aber zum Teil notwendig wegen der unterschiedlichen
Anforderungen an die Rüge des eingetretenen Schadens (s. unten Ziffer 12). Beschädigung
und nicht Zerstörung ist im Allgemeinen anzunehmen, wenn die Sache noch repariert
werden kann. Ist hingegen eine Maschine derart schwer „beschädigt“, dass der
37 –
Reparaturwert den Neuwert der Maschine übersteigen würde, liegt eine Zerstörung vor.
Sind z. B. einige der zu befördernden Tiere während der Beförderung umgekommen, so
könnte streitig sein, ob ein Teilverlust oder aber eine Beschädigung vorliegt. Das LG
Frankfurt (ZLW 1973, 306) hat beim Tod von 80 % der zu befördernden Küken
Beschädigung angenommen.
6.2.3 Der Verlust
Ein Verlust der Güter liegt vor, wenn die Güter untergegangen oder unauffindbar sind oder
aus sonstigen tatsächlichen und/oder rechtlichen Gründen vom Luftfrachtführer auf
absehbare Zeit nicht an den berechtigten Empfänger ausgeliefert werden können (OLG
Frankfurt, TranspR 1999, 24; OLG Köln, TranspR 2003, 111 = VersR 2003, 269; OLG
Düsseldorf NJOZ 2006, 1071). Berechtigter Empfänger ist die in Luftfrachtbrief bzw. in der
„Empfangsbestätigung über die Güter“ als Empfänger eingetragene Person bzw. die im
Falle einer Verfügung gemäß Art. 12 vom Absender als neuer Empfänger benannte Person.
Ein Verlust ist eingetreten, wenn der Luftfrachtführer nicht mehr den aus dem
Beförderungsvertrag sich ergebenden Besitzverschaffungsanspruch des Empfängers
gemäß Art. 13 Abs. 1 WA, WA/HP, MÜ erfüllen kann. Ein Verlust liegt selbst dann vor, wenn
der Luftfrachtführer zwar weiß, wo die Güter sich befinden, er aber gleichwohl sie nicht
ausliefern kann. Ein Verlust wird daher auch dann angenommen, wenn der Luftfrachtführer
die Frachtgüter an den unrichtigen Empfänger ausgeliefert hat und er sie von diesem nicht
wiedererlangen kann (OLG Frankfurt, ZLW 1978, 53 = RIW 1978, 197). Einem Verlust steht
es nach Auffassung des OLG Nürnberg gleich (OLG Nürnberg, TranspR 2001, 262; a.A.
Thume, TranspR 2001, 433), wenn die Sendung zwar an den berechtigten Empfänger
abgeliefert worden war, allerdings entgegen den Anweisungen des Absenders nicht gegen
Übergabe eines bankbestätigten Schecks. Dem Verlust gleich zu setzen ist die dauernde
Unmöglichkeit der Erlangung der Güter, z. B. durch ihre endgültige behördliche
Beschlagnahme als Folge der Nichtbeachtung von Zollvorschriften (Koller, Transportrecht, §
425 HGB, Rdnr. 7).
Eine Abgrenzung zwischen Verlust/Teilverlust und Beschädigung kann bedeutsam werden
im Hinblick auf das Anzeigeerfordernis gem. Art. 26 WA, WA/HP bzw. Art. 31 MÜ (s. Kapitel
11). Bei einer Beschädigung ist eine Schadensanzeige erforderlich, bei einem Verlust
hingegen entbehrlich.
Bei der Abgrenzung zwischen beiden Schadensarten wird letztendlich auf den Inhalt von
Luftfrachtbrief bzw. Empfangsbestätigung abzustellen sein. Ob Verluste einzelner Teile
38 –
(Teilverlust) als Verlust oder als Beschädigung der gesamten Sendung anzusehen sind,
bemisst sich nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien, so wie diese in den
Beförderungsdokumenten ihren Niederschlag gefunden haben. Entscheidend ist, ob das
verlustige Frachtstück im den Dokumenten als selbständige Einheit aufgeführt worden war.
Sind im Luftfrachtbrief oder in der Empfangsbestätigung mehrere Frachtstücke einzeln
aufgelistet, von denen eines oder mehrere verloren gegangen sind, so ist von einem
Verlust auszugehen (BGHZ 84, 101 = NJW 1983, 516; OLG Hamburg, TranspR 1988, 201
= ZLW 1988, 362). Für jedes einzelne dieser einzeln aufgelisteten Frachtstücke hätte
nämlich ein gesonderter Luftfrachtbrief gemäß Art. 7 WA, WA/HP bzw. Art. 8 MÜ ausgestellt
werden können. Auch hätte der Absender vom Luftfrachtführer die Aushändigung einzelner
Empfangsbestätigungen verlangen können. Wäre sodann ein Frachtstück verlustig
gegangen, so hätte es sich zweifelsohne um einen Verlust gehandelt. Die Tatsache, dass
alle Frachtstücke in einem einzelnen Luftfrachtbrief bzw. in einer einzelnen
Empfangsbestätigung aufgelistet waren, kann nicht ein anderes Ergebnis rechtfertigen
(OLG Frankfurt, ZLW 1981, 312 = MDR 1981, 851).
Demgegenüber ist von einer Beschädigung auszugehen – und im Schadensfall eine
Anzeige zu erstatten -, wenn nach dem Inhalt des Beförderungsvertrages mehrere
Packstücke als eine gesamte Beförderungseinheit erscheinen und eines (oder mehrere)
dieser Packstücke nicht ausgeliefert werden kann. So hat das OLG Hamburg (TranspR
1988, 201 = ZLW 1988, 362) folgerichtig entschieden, dass dann, wenn in einem Frachtbrief
8 Packstücke nicht als jeweils selbständige Frachtstücke ausgewiesen werden, sondern
lediglich mit der Gesamtzahl 8 angegeben und unter einem Gesamtgewicht und zu einer
Beförderungseinheit zusammengefasst werden, eine Beschädigung vorliegt, wenn einzelne
dieser Packstücke oder ihr Inhalt fehlen (so auch OLG Köln, TranspR 1987, 108).
6.2.4 Die Verspätung
Neben den Sachsubstanzschäden, die in Art. 18 WA, WA/HP, MÜ geregelt sind, ist der
Schaden durch verspätete Beförderung (Art. 19 WA, WA/HP, MÜ) weiterer Teilbereich der
Regelungen der Leistungsstörungen bei der Abwicklung eines
Luftfrachtbeförderungsvertrages. Wann eine Beförderung als „verspätet“ anzusehen ist, wird
weder im Warschauer Abkommen noch im Montrealer Übereinkommen definiert.
Überwiegend wird eine „Verspätung“ als nicht rechtzeitiges Eintreffen am Bestimmungsort
verstanden (OLG Frankfurt, TranspR 1983, 21 = MDR 1984, 318; OLG Köln NJOZ 2005,
4288). Der Begriff der Rechtzeitigkeit kann anhand der vertraglichen Vereinbarungen
bestimmt werden, so wie sie im Luftfrachtbrief oder in der „jeder anderen Aufzeichnung“
39 –
gemäß Art. 4 MÜ ihren Niederschlag gefunden haben, oder unter Hinzuziehung des
Flugplanes, wenn ausdrückliche Vereinbarungen nicht getroffen wurden. Allerdings ist nicht
jede vom Flugplan oder der Vereinbarung abweichende Ankunft als verspätet zu
betrachten, sondern erst eine solche, die nicht innerhalb eines objektiv angemessenen
Zeitraums, sondern nur unter erheblicher Abweichung vom Flugplan erfolgt ist (OLG
Frankfurt, TranspR 1993, 103; OLG Frankfurt, RRa 2005, 78). Hierbei ist die vertraglich
vereinbarte Flugzeit mit einem vernünftigen Zuschlag zu versehen, der die Empfindlichkeit
des Luftverkehrs auf äußere Einflüsse (Wetter, Luftraumüberfüllung) hinreichend
berücksichtigt. Keine Verspätung, sondern Nichterfüllung des Vertrages, ist die Beförderung
von an sich gebuchter Fracht auf einem späteren Flug wegen Überbuchung des
ursprünglich gebuchten Fluges (OLG Frankfurt, ZLW 1989, 179 = RIW 1989, 226; OLG
Frankfurt, TranspR 1997, 373 = ZLW 1997, 540). Hierauf finden sodann, sofern deutsches
Recht anzuwenden ist, die Vorschriften über werkvertragliche Leistungsstörungen
Anwendung (Kronke, MünchKomm HGB, Art. 19 WA 1955, Rdnr. 44). Nach einer
Entscheidung des AG Frankfurt (NZV 1998, 332) kann von einer Verspätung solange noch
gesprochen werden, wie ihr Ausmaß nicht zu einem völlig neuen Leistungsinhalt führt. Bei
einem 12stündigen Flug, der mit 9,5 Stunden Verspätung startet, sei noch von einer
Verspätung i.S.v. Art. 19 auszugehen, nicht mehr hingegen bei einer Verspätung um einen
vollen Tag (LG Frankfurt TranspR 1991, 145). Demgegenüber hat das LG München I (NJW
1978, 2454 = RIW 1978, 473) einen um 2 Stunden „verspätet“ angekommenen Flug auf
einer Strecke, die normalerweise in 80 Minuten zurückzulegen wäre, als verspätet
betrachtet und dem Passagier Schadensersatzansprüche nach Art. 19 WA/HP zugebilligt.
Das AG Frankfurt am Main (RRa 2011, 207) hat hingegen eine Verspätung von jedenfalls
bis zu 2 Stunden als bloße im Werkvertragsrecht ersatzlos hinzunehmende
Unannehmlichkeit bezeichnet.
Im Unterschied zur neu eingeführten verschuldensunabhängigen Haftung für
Sachsubstanzschäden verbleibt es im Montrealer Übereinkommen für
Verspätungsschäden anlässlich der Beförderung von Gütern bei der Haftung für
vermutetes Verschulden, wie es im Warschauer Abkommen durchgängig war. Zu seiner
Entlastung hat der Luftfrachtführer den Nachweis der Ergreifung aller zumutbaren
Maßnahmen zur Vermeidung des Schadens zu führen. Dieser Nachweis stellt geringere
Anforderungen als der noch unter Art. 20 WA geforderte Nachweis der Ergreifung aller
notwendigen Maßnahmen (Bollweg, ZLW 2000, 439 [445]). Die Haftung ist auf 19 SZR je
Kilogramm verspäteter Fracht begrenzt, selbst wenn der Schaden leichtfertig oder mit der
Absicht, Schaden herbeizuführen, verursacht worden ist (Art. 22 Abs. 5 MÜ; s dazu
Kapitel 7.2).
40 –
6.3
Das schadenursächliche Ereignis und die Kausalität bei
Sachsubstanzschäden
Voraussetzung ist zunächst, dass der Schaden am Transportgut durch ein Ereignis
während der Luftbeförderung hervorgerufen sein muss. Jedes beliebige Ereignis, durch das
die Zerstörung, die Beschädigung oder der Verlust innerhalb des Haftungszeitraumes
eingetreten ist, ist als Ursache ausreichend (OLG Köln, ZLW 1982, 167 = TranspR 1982,
43). Im Unterschied zur Personenschadenshaftung nach Art. 17 WA, WA/HP, MÜ ist nicht
erforderlich, dass der Sachschaden durch einen Unfall verursacht worden ist. Unerheblich
ist, ob das Schadensereignis vom Luftfrachtführer oder seinen Leuten, von außenstehenden
Dritten oder durch Naturereignisse gesetzt worden ist.
Der geltend gemachte Schaden muss durch die Zerstörung, die Beschädigung oder den
Verlust des Frachtgutes entstanden sein. Die Kausalität ist durch den Gesichtspunkt der
Adäquanz einzuschränken, wonach zumindest bei Zugrundelegung deutschen Rechts
Schadensfolgen nicht zuzurechnen sind, die völlig außerhalb gewöhnlicher
Geschehensabläufe liegen. Ein kausaler Zusammenhang zwischen dem schädigenden
Ereignis und dem Betrieb des Luftfahrzeuges ist bei Frachtschäden, anders bei
Passagierschäden, nicht erforderlich (BGH NJW 1964, 2348; BGH NJW 1979, 493). Bei der
Beförderung von Gütern beschränkt sich nämlich die Sorgfaltspflicht des Luftfrachtführers
nicht auf die typischen Gefahren des Luftverkehrs (zur luftfahrttypischen Gefahr s. Thor, in
Müller-Rostin, Schmid (Hrsg.) Festgabe für E. Ruhwedel, S. 273ff), sondern umfasst die
gesamte Verpflichtung eines Frachtführers aus der Obhut der ihm übergebenen Güter.
6.4
Die Beweislast
Dem Absender bzw. Empfänger der beförderten Frachtgüter obliegt als Geschädigtem
zunächst die Beweislast dafür, dass die Güter dem Luftfrachtführer in einwandfreiem
Zustand ausgehändigt worden sind (BGH TranspR 2004, 369; OLG Frankfurt, TranspR
1984, 20 = MDR 1984, 236). Dieser Beweispflicht Genüge zu tun wird indes erleichtert,
wenn sich auf dem Luftfrachtbrief oder der „Empfangsbestätigung über die Güter“ gemäß
Art. 4 MÜ Angaben über den Zustand der Güter befinden. Diese Angaben erbringen
nämlich nach Art. 11 WA, WA/HP, MÜ gegenüber dem Luftfrachtführer immerhin insoweit
Beweis – Gegenbeweis ist möglich (OLG Frankfurt, VersR 2006, 675) - , als dieser sie in
Anwesenheit des Absenders nachgeprüft hat und diese Angaben auf dem Luftfrachtbrief
bzw. der Empfangsbestätigung vermerkt hat, oder wenn es sich um Angaben handelt, die
sich auf den äußerlich erkennbaren Zustand der Güter beziehen.
41 –
Der in der Praxis häufig auf dem Luftfrachtbrief bzw. der Empfangsbestätigung angebrachte
Vermerk „It is agreed, that the goods described herein are accepted in apparent good order
and condition (except as noted) for carriage“ beweist nach zutreffender Ansicht des
LG Frankfurt (TranspR 1987, 389 = VersR 1988, 352, ebenso auch BGH VersR 2005, 811)
nicht, dass die Güter zum Zeitpunkt der Übergabe an den Luftfrachtführer in einwandfreien
Zustand waren. Der Vermerk bezieht sich nämlich nach Auffassung des Gerichts nur auf
den äußeren Zustand (Verpackung), nicht aber auf den inneren Zustand der Güter.
Grundsätzlich unterliegt der Luftfrachtführer keiner Verpflichtung, die ihm angelieferten
Güter auf ihren Zustand zu untersuchen (Mühlbauer, in Geigel, Der Haftpflichtprozeß,
Kap.29, Rdnr. 63). Steht nicht fest, dass die Güter zu Zeitpunkt der Übergabe an den
Luftfrachtführer einwandfrei waren, kann nicht angenommen werden, dass der Zustand der
Güter nach ihrer Ankunft am Bestimmungsort für sich allein genommen für einen Verderb
aufgrund von Ereignissen spräche, die während des Zeitraumes der Luftbeförderung,
d.h. während des Zeitraumes der Haftung des Luftfrachtführers (s. dazu unten Ziffer 6.5)
eingetreten sind. Steht indes fest, dass dem Luftfrachtführer einwandfreie Güter übergeben
worden sind, kann unter Umständen geschlossen werden, die Güter müssen auf dem
Lufttransport Schaden genommen haben, wenn sie in nicht einwandfreiem Zustand am
Bestimmungsort eintreffen. Ansonsten muss nach BGH (VersR 2005, 811) und nach OLG
Frankfurt (TranspR 1984, 20 = MDR 1984, 236) der Absender bzw. Empfänger den Beweis
führen, dass der Schaden an den Gütern während der Luftbeförderung eingetreten sei
Verderben Güter, die dem Luftfrachtführer in ordnungsgemäßem Zustand übergeben
worden sind, im Verlauf einer Luftbeförderung, so soll nach OLG Frankfurt (TranspR 1983,
120 = ZLW 1983, 57) die Vermutung des Empfängers ausreichend sein, dass eine falsche
Behandlung der Güter durch den Luftfrachtführer schadensursächlich gewesen sei. Es sei
dann Sache des Luftfrachtführers, die Verschuldensvermutung zu entkräften. Ein Beweis
der Schadensfreiheit der Güter zum Zeitpunkt ihrer Annahme durch den Luftfrachtführer legt
auf Grund der zugleich begründeten Obhut des Luftfrachtführers an den Gütern diesem den
Nachweis auf, dass die Güter gerade nicht während seiner Obhutsausübung zu Schaden
gekommen seien (Ruhwedel, MünchKomm Bd VII HGB, MÜ Art. 18 Rdnr. 70). Gelingt
dagegen dem Absender/Empfänger der Beweis der Übergabe an den Frachtführer in
einwandfreiem Zustand nicht, muss er beweisen, dass der Schaden während der
Luftbeförderung eingetreten sei. Besteht zwischen den Parteien des Luftfrachtvertrages
Streit darüber, ob der beim Empfänger nicht angekommene Teil der Sendung überhaupt in
die Obhut des Luftfrachtführers gelangt sei, so kann nicht auf die Grundsätze des
Anscheinsbeweises zurückgegriffen werden. Da die Parteien über den Grund der Haftung
streiten, scheidet auch eine Anwendung des § 287 ZPO aus. Der Anspruchsteller hat daher
42 –
in diesem Fall den vollen Beweis dafür zu erbringen, dass der nicht beim Empfänger
angekommene Teil in die Obhut des Frachtführers gelangt sei (Ruhwedel, MünchKomm Bd.
VII HGB, MÜ Art. 18 Rdnr. 66 unter Hinweis auf BGH TranspR 2007, 418 = NJW-RR 2008,
119).
6.5
Der Haftungszeitraum gemäß Art. 18 WA, WA/HP, MÜ
6.5.1 Bestimmung des Haftungszeitraumes nach dem Warschauer Abkommen
Die Haftung des Luftfrachtführers ist im WA und im MÜ, gleichermaßen wie in den anderen
Sparten des Frachtrechts, als Obhutshaftung ausgestaltet (OLG Köln TranspR 2003, 111 =
ZLW 2003, 655). Der Luftfrachtführer verpflichtet sich nicht nur zur Beförderung des
Frachtgutes, er nimmt es auch zugleich in seine Obhut, um es gegen Schäden zu schützen
(s. zum Begriff „Obhut“ unten Ziffer 6.5.3). Für Schäden, die durch Zerstörung,
Beschädigung oder Verlust des Frachtgutes während der Obhutsausübung entstehen,
haftet der Luftfrachtführer, sofern das Ereignis, durch das der Schaden verursacht worden
ist, während des Haftungszeitraumes eingetreten ist. Haftungszeitraum des
Luftfrachtführers ist sowohl nach dem Warschauer Abkommen als auch nach dem
Montrealer Übereinkommen der Zeitraum der „Luftbeförderung“ (OLG Düsseldorf,
TranspR 2002, 33). Allerdings ist die Bestimmung dieses Zeitraumes sehr unterschiedlich.
Bei Beförderungen, die dem Warschauer Abkommen in seiner Ursprungsfassung oder in
jener des Haager Protokolls unterliegen, ist gemäß Art. 18 Abs. 2 WA, WA/HP unter dem
Begriff „Luftbeförderung der Zeitraum zu verstehen, während dessen …die Güter sich auf
einem Flughafen, an Bord eines Luftfahrzeuges oder bei Landung außerhalb eines
Flughafens, an einem beliebigen Ort unter der Obhut des Luftfrachtführers befinden.“ Das
Warschauer Abkommen hebt somit bei der Bestimmung des Haftungszeitraumes auf zwei
Elemente ab: einmal auf die Örtlichkeit des Frachtgutes (an Bord, auf einem Flughafen,
außerhalb eines Flughafens bei Außenlandung) und zum anderen auf die Obhut des
Luftfrachtführers an diesem Frachtgut. Beide Elemente müssen gegeben sein, so dass der
Luftfrachtführer, der z. B. Frachtgut in seinem Warenlager auf dem Flughafen einlagert, der
Haftung nach dem Warschauer Abkommen unterliegt. Demgegenüber haftet der
Luftfrachtführer, der Frachtgut in seinem Stadtbüro oder in seinem außerhalb des
Flughafens gelegenen Warenlager eingelagert hat, nicht nach den Vorschriften des
Warschauer Abkommens, weil er das Gut zwar in seiner Obhut gehabt hat, aber nicht an
einer der genannten Örtlichkeiten. Im diesem Fall bemisst sich die Haftung nach dem
ergänzend anwendbaren nationalen Recht.
43 –
6.5.2 Bestimmung des Haftungszeitraumes nach dem Montrealer Übereinkommen
Anders als das Warschauer Abkommen fordert das Montrealer Übereinkommen nicht mehr,
dass sich die Güter an bestimmten Örtlichkeiten befinden (Ruhwedel, TranspR 2001, 189
[197]). Vielmehr beschreibt Art. 18 Abs. 3 MÜ den für die Haftung maßgeblichen Zeitraum
als denjenigen „Zeitraum, während dessen sich die Güter in der Obhut des Luftfrachtführers
befinden“. Mithin ist der Haftungszeitraum – unabhängig von der Örtlichkeit der Güter - mit
der Ausübung der Obhut des Luftfrachtführers über die Güter verbunden (OLG Köln, ZLW
2003, 655; Thor, in Müller-Rostin/Schmid (Hrsg.), Festgabe für E. Ruhwedel, S. 273 [276]).
Mit dieser Ausweitung des Haftungszeitraums wird nunmehr, anders als nach dem
Warschauer Abkommen, auch jener Zeitraum erfasst, während dessen die Güter in einem
Lagerhaus außerhalb der Flughafengrenzen vom Luftfrachtführer eingelagert werden. Ein
Zurückgreifen auf nationales Recht, welches dem Gedanken der Vereinheitlichung des
Lufttransportrechts zuwiderlief, ist durch das Montrealer Übereinkommen nunmehr beseitigt.
6.5.3 Der Begriff der Obhut
Obgleich der Begriff der Obhut ein für die Haftung bestimmender Begriff ist, wird er weder
im Warschauer Abkommen noch im Montrealer Übereinkommen definiert. Doch geht die
Rechtsprechung davon aus, dass die Haftung des Luftfrachtführers sich auch auf jene
Schadensfälle erstrecken solle, die nicht nur während der eigentlichen Luftbeförderung,
sondern auch zu jenem Zeitpunkt eintreten, in dem sich die Güter derart im
Einwirkungsbereich des Luftfrachtführers befinden, dass er dem Wesen der
Obhutsausübung entsprechend in der Lage sei, sie gegen Zerstörung, Beschädigung oder
Verlust zu schützen. Nicht erforderlich sei dazu eine körperliche Inbesitznahme der Güter
durch den Luftfrachtführer, vielmehr könne auch eine Willenseinigung genügen, sofern der
Luftfrachtführer durch den Absender oder Anlieferer in der Lage sei, die tatsächliche Gewalt
über die Güter auszuüben und Schäden an ihnen zu verhindern (BGH VersR 1979, 83 =
ZLW 1980, 61; BGHNJW-RR 201, 396 = TranspR 2001, 29).
Da der BGH weder eine körperliche Inbesitznahme der Güter noch einen Ausschluss
sämtlicher Einwirkungsmöglichkeiten des Absenders fordert, setzt sich die
Obhutsausübung des Luftfrachtführers auch dann fort, wenn die Güter sich im Gewahrsam
eines Dritten, z. B. eines Abfertigungsagenten, befinden mit der Folge, dass der Grad der
erforderlichen Einwirkungsmöglichkeiten eingeschränkt ist. Ein geringerer Grad von
Einwirkungsmöglichkeiten steht der Obhutsausübung durch den Luftfrachtführer jedenfalls
dann nicht entgegen, wenn der Schaden in einem zum Kernbereich der Luftbeförderung
gehörenden Teilabschnitt eingetreten ist. Denn der Absender darf darauf vertrauen, dass
44 –
zumindest in den vertragstypischen Tätigkeitsfeldern der Luftbeförderung der
Luftfrachtführer für eine sorgfältige Vertragserfüllung einstehen will. Übergibt mithin der
Luftfrachtführer freiwillig die Güter in die Hand eines Dritten, so wird die Obhut des
Luftfrachtführers zumindest im Kernbereich der Luftbeförderung im Regelfall bereits deshalb
fortbestehen, weil der Dritte seinerseits in Erfüllung seiner dem Luftfrachtführer gegenüber
bestehenden Vertragspflichten zum sorgsamen Umgang mit den Gütern verpflichtet ist
(BGH NJW-RR 2001, 396 = TranspR 2001, 29; OLG München, ZLW 2000, 118 = VersR
2000, 1567). Da die Obhut des Luftfrachtführers auch dann fortbesteht, wenn sich die
Frachtgüter im Gewahrsam eines Erfüllungsgehilfen („Leute“) des Luftfrachtführers
befinden, haftet der Luftfrachtführer auch für Schäden, die während dieses Zeitraumes
eintreten (BGH TranspR 2009, 317; OLG Karlsruhe, TranspR 2007, 203). Diese „Leute“Haftung steht allerdings unter der Voraussetzung, dass die „Leute“ gehandelt haben in
Erfüllung einer Verbindlichkeit, die sie dem Luftfrachtführer geschuldet haben, und nicht nur
bei Gelegenheit.
Auch im Luftverkehrsrecht wird der Zeitraum der Ausübung der Obhut ebenso wie in den
meisten anderen nationalen und internationalen Haftungsregelungen durch die Begriffe
„Annahme“ (vgl. Art 7 WA, WA/HP, MÜ) bzw. gleichbedeutend „Übernahme“ (vgl. § 425
HGB) und „Ablieferung“ (vgl. Art. 13 WA, WA/HP, MÜ bzw. § 425 HGB) bestimmt. Unter
„Annahme“ wird die Übergabe der Sendung durch den Absender an den Luftfrachtführer in
dessen Besitz oder Gewahrsam zum Zwecke der Beförderung verstanden, wobei der
Luftfrachtführer in die Lage zu versetzen ist, dass er die tatsächliche Gewalt über das
Frachtgut auch ausüben und es vor Verlust oder Beschädigung schützen kann (BGH NJWRR 2001, 396 = TranspR 2001, 29; Fremuth, in Fremuth/Thume, Transportrecht, § 425
HGB, Rdnr. 17). Unter „Ablieferung“ wird derjenige Vorgang verstanden, durch den der
Frachtführer den Gewahrsam an den Gütern mit ausdrücklicher oder stillschweigender
Einwilligung des Empfängers wieder aufgibt und diesen in den Stand versetzt, die
tatsächliche Gewalt, die Sachherrschaft über das Frachtgut auszuüben (BGH NJW 1979,
493 = VersR 1979, 83; HansOLG Bremen, TranspR 1993, 141 = ZLW 1994, 240; Koller,
Transportrecht, § 425 HGB, Rdnr. 24, 25). Die Ablieferung beendet die Obhut des
Frachtführers, doch muss dieser die Güter so bereitstellen, dass der Empfänger ohne
weitere Hindernisse die unmittelbare Sachherrschaft erwerben kann (OLG Köln, VersR
1996, 523). Die bloße Übergabe des Frachtbriefes, des Ladescheins oder sonstiger Papiere
verschaffen dem Empfänger noch nicht die unmittelbare Sachherrschaft an den Gütern,
Ablieferung ist somit noch nicht erfolgt. Zu weiteren Einzelheiten der Obhutsausübung
zwischen Annahme und Ablieferung s. Müller-Rostin, in Giemulla/Schmid, Kommentar zum
MÜ, Art. 18, Rdnr. 44-57).
45 –
6.5.4 Der Haftungszeitraum bei der Verspätung gemäß Art. 19
Der Schaden auf Grund einer „Verspätung bei der Luftbeförderung“ wird nicht unmittelbar
durch ein Ereignis verursacht, sondern ist vielmehr stets nur die mögliche Folge eines
solchen und wirkt sich für den Absender von Frachtgut nicht während, sondern erst am
Ende der Beförderung aus. Somit ist für Verspätungsschäden allein entscheidend, wann die
Luftbeförderung endet. Man wird bei der Beförderung von Gütern und aufgegebenem
Reisegepäck auf den in Art. 18 Abs. 2 WA, WA/HP, Art. 18 Abs. 3 MÜ abgegrenzten
Zeitraum der Luftbeförderung und der damit einhergehenden Ausübung der Obhut über die
Güter bzw. das Reisegepäck abzustellen haben. Der Haftungszeitraum beginnt, sobald der
Luftfrachtführer die Güter zum Zwecke der Luftbeförderung auf einem Flughafen in seine
Obhut nimmt, und er endet, sobald der Luftfrachtführer den Empfänger von der Ankunft der
Güter benachrichtigt hat. Eine während dieses Zeitraums eingetretene Verspätung lässt den
Luftfrachtführer haften, eine danach erfolgte verspätete Auslieferung der Güter, deren
Gründe nicht beim Luftfrachtführer liegen, kann dagegen nicht als Verspätung iSd. Art. 19
angesehen werden. (Kronke, MünchKomm HGB, Bd VII, Art. 19 WA 1955, Rdnr. 9; MüllerRostin, Fremuth/Thume, Kommentar zum Transportrecht, Art. 19 WA, Rdnr. 3).
6.6
Der Haftungsausschluss
6.6.1 Haftungsausschluss wegen Mitverschuldens nach dem Warschauer
Abkommen
Die Haftung des Luftfrachtführers nach dem Warschauer Abkommen/Haager Protokoll für
Sachsubstanzschäden ist eine Haftung für vermutetes Verschulden (Verschuldenshaftung
mit umgekehrter Beweislast). Nach Art. 18 WA, WA/HP wird eine schuldhafte
Herbeiführung des Schadens durch den Luftfrachtführer bzw. seine Leute vermutet. Die
Haftung des Luftfrachtführers kann lediglich ganz oder teilweise entfallen durch die Führung
des Entlastungsbeweises nach Art. 20 WA, WA/HP. Danach hat der Luftfrachtführer zu
beweisen, dass er und seine Leute alle erforderlichen Maßnahmen zur Verhütung des
Schadens getroffen haben oder dass sie diese Maßnahmen nicht treffen konnten. Als
Ausgleich für diesen in der Praxis nur unter Schwierigkeiten zu führenden
Entlastungsbeweis ist die Haftung des Luftfrachtführers gemäß Art. 22 WA, WA/HP
summenmäßig beschränkt, nämlich auf (umgerechnet) Euro 27,35 je Kilogramm zu
Schaden gekommener Fracht. Diese Haftungsbeschränkung kann allerdings bei fehlender
oder unvollständiger Dokumentation des Beförderungsvertrages oder bei schwerem
Verschulden durchbrochen werden (s. dazu unten Kapitel 7.1).
46 –
Zur Entlastung gereicht auch der erfolgreiche Nachweis mitwirkenden Verschuldens des
Geschädigten gemäß Art. 21 WA, WA/HP. Der Luftfrachtführer kann sich nach den
genannten Vorschriften soweit von seiner Haftung befreien, wie ihm der Nachweis gelingt,
dass der Schaden durch den Anspruchsteller selbst bzw. durch seinen Rechtsvorgänger
verursacht worden ist. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Mitverschulden
ist in jüngster Zeit nahezu unüberschaubar geworden und soll an dieser Stelle wegen ihrer
sachlichen Nähe zu § 425ff HGB nicht weiter behandelt werden. So ist der
Mitverschuldenseinwand auch bei qualifiziertem Verschulden des Frachtführers iSv. § 435
HGB zu berücksichtigen (z.B. BGH TranspR 2007, 414), ebenso kann es für ein zu
berücksichtigendes Mitverschulden ausreichen, wenn der Versender die Abgabe einer
Wertdeklaration unterlässt, obwohl er die sorgfältigere Behandlung von Wertpaketen durch
den Frachtführer hätte erkennen können (BGH TranspR 2006, 114; BGH TranspR 2008,
113) oder wenn der Hinweis seitens des Absenders auf den ungewöhnlich hohen Wert der
Sendung unterbleibt (BGH TranspR 2006, 208; BGH NJW-RR 2008, 347)
6.6.2 Haftungsausschluss nach dem Montrealer Übereinkommen
Das Montrealer Übereinkommens statuiert in Art. 18 eine verschuldensunabhängige
Haftung des Luftfrachtführers für jedweden Schaden, der durch die Zerstörung,
Beschädigung oder den Verlust des Frachtgutes entstanden ist. Das schadenursächliche
Ereignis muss während der Luftbeförderung eingetreten sein. Damit wird die in Abs. 1
bestimmte Obhutshaftung zur Gefährdungshaftung. Diese strenge, vom Verschulden
unabhängige Haftungsregelung findet indessen dann keine Anwendung, wenn dem
Luftfrachtführer der Nachweis gelingt, dass mindestens einer der in Art. 18 Abs. 2 MÜ
aufgezählten Haftungsausschlusstatbestände schadensursächlich oder zumindest
schadensmitursächlich gewesen ist. Einen unmittelbaren Bezug zum Frachtgut haben die in
der Absendersphäre liegenden Haftungsausschlussgründe nach Art. 18 Abs. 2a und 2b,
während die Ausschlussgründe nach Art. 18 Abs. 2c und 2d weder in die Absender- noch in
die Luftfrachtführersphäre fallen (Müller-Rostin, in Giemulla/Schmid, Kommentar zum MÜ,
Art. 18, Rdnr. 58; Brinkmann, TranspR 2006, 147).
Auf einen Haftungsausschluss nach Art 18 Abs. 2a kann sich der Luftfrachtführer dann
berufen, wenn der Schaden durch die Eigenart der Güter oder einen ihnen
innewohnenden Mangel verursacht worden ist. Schäden auf Grund der Eigenart der
Güter sind solche, die durch die natürlichen Eigenschaften der Sache, wie z. B.
Rostanfälligkeit, besonders zerbrechliche Güter, bedingt sind. Ein den Gütern
innewohnender Mangel liegt dann vor, wenn die Güter von der normalen Beschaffenheit
47 –
üblicher gleichartiger Güter abweichen und wenn diese Abweichung geeignet ist, Schäden
an den Gütern während der Beförderung eintreten zu lassen. Dieser Ausschlusstatbestand
unterscheidet sich von demjenigen der Eigenart der Güter insofern, als letzterer Schäden
umfasst, die ihren Grund in der natürlichen und normalen Schadensanfälligkeit bestimmter
Güter haben. Demgegenüber sind den Gütern innewohnende Mängel solche, die die Güter
von der natürlichen und normalen Beschaffenheit gleichartiger Güter abweichen lassen, die
die Güter mithin mangelhaft werden lassen.
Sofern eine mangelhafte Verpackung der Güter durch eine andere Person als den
Luftfrachtführer oder seine Leute vorgenommen worden und schadensursächlich geworden
ist und der Luftfrachtführer in der Lage ist, entsprechenden Nachweis zu führen, haftet er
entweder gar nicht oder zumindest eingeschränkt (Art. 18 Abs. 2b). Mangelhaft ist eine
Verpackung dann, wenn sie nicht geeignet ist, den Gütern vor allen erwartbaren
Einwirkungen der Luftbeförderung Schutz zu gewähren und die Güter gegen Beschädigung
und gegen Verlust zu sichern (BGH VersR 1988, 716). Es kommt entscheidend darauf an,
ob die gewählte Verpackung geeignet und ausreichend ist,, die Ware gegen die
vorhersehbaren Gefahren und Einwirkungen während des konkreten Transportes zu
schützen. Wenn z. B. mit einer mehrfachen Umladung des Gutes zu rechnen war, dann
muss eine beförderungssichere Verpackung auch Schutz gegen Witterungseinflüsse –
insbesondere gegen Regen – umfassen. (BGH NJW-RR 2004, 1482 = VersR 2005, 811)
Nicht zu folgen ist dem BGH (aaO.) aber insoweit, als er die Auffassung vertritt, dass dem
Luftfrachtführer die abschließende Kontrolle obliege, ob die vom Versender gewählte
Verpackung für den konkreten Transport geeignet sei. Der Luftfrachtführer hat nämlich
keine Kenntnis über den Inhalt der Sendung und ist daher nicht in der Lage, über die
Geeignetheit ihrer Verpackung zu befinden. Das ist allein Sache des Absenders. Der
Luftfrachtführer ist für die ordnungsgemäße Durchführung des Fluges, der Absender für die
der Luftbeförderung und ihren Erschütterungen angepasste Verpackung verantwortlich.
Schadensverursachung durch Krieg oder einen bewaffneten Konflikt vermag ebenfalls
die Haftung des Luftfrachtführers auszuschließen.(Art. 18 Abs. 2c). Krieg ist eine mit Waffen
ausgetragene Auseinandersetzung zwischen mindestens zwei Staaten (Ehlers, in
Thume/de la Motte/Ehlers, Transportversicherung, A. DTV-Güter 2000/2008, Rdnr. 114),
bewaffneter Konflikt ist als Auffangtatbestand zu verstehen für Sachverhalte, die (noch)
nicht als Krieg zu werten sind, wie z. B. Blockaden, Repressalien.
Hoheitliches Handeln als Haftungsausschlusstatbestand gemäß Art. 18 Abs. 2d MÜ umfasst
Verfügungen von hoher Hand, d.h. Verfügungen von politischen Instanzen, wie z. B.
48 –
Beschlagnahme, Pfändung, Blockaden, Embargos. Nach dieser Vorschrift haftet der
Luftfrachtführer nicht, soweit der Schaden durch hoheitliches Handeln in Verbindung mit der
Einfuhr, Ausfuhr oder Durchführ der Güter verursacht wurde. Derartige hoheitliche
Maßnahmen können zunächst einmal Maßnahmen der Zollbehörden, Einfuhrverbote wegen
eines Embargos oder Beschlagnahmen sein. Dieses sind mithin Maßnahmen, die sich auf
das individuelle Gut beziehen, welches von einer hoheitlichen Maßnahme betroffen ist.
Allerdings ist eine Bestimmung der Begriffe der Vorschrift des Art. 18 Abs. 2 MÜ in den
Beratungen zum Montrealer Übereinkommen unterblieben. Die Vorschrift ist nahezu
inhaltsgleich aus dem Montrealer Protokoll Nr. 4 (Montrealer Zusatzprotokoll Nr. 4 vom 25.
September 1975, Abdruck u.a. bei Koller, S. 1449) in das Montrealer Übereinkommen
überführt worden, doch auch bei den Beratungen zum Montrealer Protokoll Nr. 4 war diese
Vorschrift bereits nicht erörtert worden. (ICAO Doc. 9131-LC/173, S. 117). In
Zusammenhang mit der Sperrung des europäischen Luftraums wegen Vulkanasche im April
2010 erscheint eine extensive Auslegung von Art. 18 Abs. 2 d MÜ nicht ausgeschlossen.
Die Beförderung von Gütern, mithin ihre Ausfuhr und Einfuhr, ist während der
Luftraumsperrung unterblieben, Grund hierfür war die durch die nationalen
Aufsichtsbehörden verfügte Sperrung des europäischen Luftraumes. Dem Sinn der
Vorschrift, den Luftfrachtführer nicht für völlig außerhalb seines Risiko- und
Verantwortungsbereiches liegende Schadensursachen haften zu lassen, würde eine
derartige extensive Auslegung nicht widersprechen (Müller-Rostin, TranspR 2011, 129; zu
den Haftungsausschlussgründen des Art. 18 Abs. 2 MÜ s. ausführlich Müller-Rostin, in
Giemulla/Schmid, Kommentar zum MÜ, Art. 18, Rdnr. 58-81).
Der Luftfrachtführer kann immerhin teilweise seine Haftung ausschließen, wenn neben den
Haftungsausschlusstatbeständen noch andere, von ihm zu vertretende Ursachen für den
eingetretenen Schaden verantwortlich waren (z.B. vom Absender nicht wasserfest
verpacktes Gut wird vom Luftfrachtführer im Regen stehen gelassen) In einer textlichen
Abweichung zur Fassung des Warschauer Abkommens i.d.F. des Montrealer Protokolls Nr.
4, die den Delegierten der Diplomatischen Konferenz 1999 in Montreal wahrscheinlich
verborgen geblieben war – zumindest wurde die Textabweichung nicht im Plenum diskutiert
– , ist für einen zumindest teilweisen Haftungsausschluss des Luftfrachtführers nämlich
bereits ausreichend, dass einer der in Art. 18 Abs. 2 MÜ aufgezählten Ausschlussgründe
mitursächlich („wenn und soweit“) gewesen ist. Entsprechend wird der Luftfrachtführer
anteilig von seiner Haftung befreit. Nach dem Montrealer Protokoll Nr. 4 hingegen müssen
die in Art. 18 Abs. 3 MP 4 enumerativ aufgezählten Ausschlussgründe allein
schadensursächlich sein, um haftungsausschließend zu wirken.
49 –
6.7
Die Luftfrachtersatzbeförderung und Vor- und Nachtransporte
Luftfrachtbeförderung ausschließlich in Luftfahrzeugen wird in der Praxis immer seltener.
Häufig wird zwischen den Parteien des Luftfrachtbeförderungsvertrages vereinbart, dass ein
Teil der vorgesehenen Beförderungsstrecke anstatt mit dem Luftfahrzeug mit einem
anderen Transportmittel zurückgelegt werden soll. Auch behalten sich die meisten
Luftfrachtführer in ihren Beförderungsbedingungen oder durch einen entsprechenden
Hinweis in ihren Beförderungsdokumenten das Recht vor, anstelle des Luftfahrzeuges
andere Beförderungsmittel einzusetzen. Auch die IATA Resolution 507B kann dem
Luftfrachtführer, sofern sie dem Beförderungsvertrage zugrunde gelegt worden ist, eine
Befugnis zum Einsatz eines anderen Beförderungsmittels, zumeist wird ein LKW, zuweilen
aber auch der Eisenbahn, selten ein Schiff eingesetzt, geben. Als klares Indiz für die
Vereinbarung einer Ersatzbeförderung ist die Eintragung einer besonderen „Flugnummer“
im Luftfrachtbrief anzusehen, die auf einen Ersatzverkehr hinweist. Zumeist verkehren diese
Beförderungsmittel auf Strecken, auf denen auch regelmäßiger Flugverkehr stattfindet, bei
diesen Verkehren wird das Luftfahrzeug durch ein anderes Beförderungsmittel ersetzt
(Luftfrachtersatzverkehr). Bei einem Luftfrachtersatzverkehr wird in der Regel ein
Luftfrachtbrief bzw. eine „andere Aufzeichnung“ gemäß Art. 4 Abs. 2 MÜ über die
Gesamtstrecke ausgestellt, während für die Teilstrecke, die mit einem Land- oder
gelegentlich Wassertransportmittel ausgeführt werden soll, ein gesonderter,
transportmittelspezifischer Frachtbrief, z.B. CMR-Frachtbrief, ausgestellt wird.
Abzugrenzen von der Luftfrachtersatzbeförderung sind Beförderungen mit
Oberflächenbeförderungsmitteln, bei denen die Güter zum Zwecke der Ab-, Zu- oder
Umladung bei Ausführung eines Luftbeförderungsvertrages befördert werden. Eine
derartige Beförderung ist dann vom Luftfrachtführer geschuldet, wenn er sich z. B.
verpflichtet hat, das Gut vom Flughafen dem Empfänger zuzurollen (weitere Einzelheiten s.
Ziffer 6.7.4)
6.7.1 Vertragsgemäße Luftfrachtersatzbeförderung und bekannter Schadensort
Für die Bestimmung des auf die Luftfrachtersatzbeförderung anwendbaren Rechts ist
zunächst zu unterscheiden, ob die Beförderung mit anderen Beförderungsmitteln von den
vertraglichen Vereinbarungen von Absender und Luftfrachtführer gedeckt war
(vertragsgemäße oder vertragswidrige Luftfrachtersatzbeförderung) und ob der Schadensort
bekannt oder unbekannt ist, mithin ob feststeht, auf welchem Streckenabschnitt der
Schaden eingetreten ist. Das Warschauer Abkommen bzw. das Montrealer Übereinkommen
sind bei diesen dort als „gemischte Beförderungen“ bezeichneten Beförderungen
50 –
grundsätzlich nur insoweit anwendbar, als der Schaden sich nachweislich auf dem
Lufttransport ereignete (Art. 31 WA, WA/HP und Art. 38 MÜ; s. auch BGH TranspR 2011,
220). Wenn sich der Schaden hingegen auf einem mit einem anderen Beförderungsmittel
durchgeführten Streckenabschnitt ereignete, so findet bei vertragsgemäßer
Ersatzbeförderung und bekanntem Schadensort, sofern der multimodale
Beförderungsvertrag deutschem Vertragsstatut unterliegt, gemäß § 452a HGB das für das
jeweilige Beförderungsmittel maßgebliche Recht (Recht der jeweiligen Strecke)
Anwendung (BGH TranspR 2001, 372; BGH TranspR 2007, 425 mit Anm. Ramming =
NJW 2008, 289 mit Anm Thume; OLG Köln, TranspR 2003, 116). Maßgeblich ist also
dasjenige Teilstreckenrecht, das anwendbar wäre, wenn über die Beförderung auf der
Teilstrecke zwischen dem Absender und dem Frachtführer ein gesonderter Vertrag
abgeschlossen worden wäre (Koller, Transportrecht, § 452a HGB, Rdnr. 5).
6.7.2 Vertragsgemäße Luftfrachtersatzbeförderung und unbekannter Schadensort
Ist dagegen unbekannt, auf welcher Teilstrecke sich der Schaden ereignete, kann
(zwangsläufig) nicht das Recht der jeweiligen Strecke gelten. Bis zum Inkrafttreten des
Transportrechtsreformgesetzes am 1. Juli 1998 gelangte, sofern deutsches Recht
ergänzend anwendbar war, nach den von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen
das für den Geschädigten günstigste Streckenrecht (BGHZ 101, 172 = TranspR 1987, 447;
BGH TranspR 2001, 372; zustimmend OLG Köln TranspR 2001, 464 = VersR 2002, 1126)
zur Anwendung. Dem Frachtführer oblag die Beweislast für die Anwendung eines für ihn
günstigen Teilstreckenrechtes. Diesen Beweis vermochte er indes beim unbekannten
Schadensort nicht zu führen mit der Folge, dass das für ihn schärfste und für den
Geschädigten günstigste Teilstreckenrechts zur Anwendung gelangte. Nach dem
Inkrafttreten des Transportrechtsreformgesetzes entfiel die Schwierigkeit der Ermittlung
des für den Geschädigten günstigsten Teilstreckenrechts, da nämlich gemäß der
spezialgesetzlichen Regelung des § 452 HGB das einheitlich ausgestaltete Frachtrecht des
HGB zur Anwendung gelangte (Harms/Schuler-Harms, TranspR 2003, 368). Bei
unbekanntem Schadensort ist nach dem Wortlaut des § 452 HGB der Zugang zum
Teilstreckenrecht versperrt (BGH TranspR 2006, 466). Dies hat zur Folge, dass beim
unbekannten Schadensort der Multimodalbeförderer nach § 425ff HGB haftet. Durch die in
§ 452 HGB verankerte Einheitslösung werden die Beurteilungsunsicherheiten hinsichtlich
des schärfsten/günstigsten Teilstreckenrechts vermieden; zugleich wird für die Fälle des
unbekannten Schadensortes eine verlässliche Haftungsgrundlage geboten (Fremuth, in
Fremuth/Thume, Transportrecht, § 452, HGB, Rdnr. 4). Schadensanzeige und Verjährung
bei multimodaler Beförderung sollen den Regelungen des § 452b HGB (BGH TranspR
51 –
2009, 262) unterliegen. Indessen erscheint es fraglich, ob die Verjährungsregelung des §
452b HGB tatsächlich der Regelung der Ausschlussfrist gemäß Art. 29 WA, WA/HP bzw.
Art. 35 MÜ vorgehen kann (Zweifel äußernd Müller-Rostin, TranspR 2008, 241).
6.7.3 Vertragswidrige Luftfrachtersatzbeförderung
Durch das Montrealer Übereinkommen ist in Art. 18 Abs. 4 Satz 3 eine Regelung der
Haftung bei vertragswidriger Luftfrachtersatzbeförderung eingeführt worden. Eine
Ersatzbeförderung ist nach dieser Vorschrift dann vertragswidrig, wenn sie ohne
Zustimmung des Absenders durchgeführt wird. Diese Begriffsbestimmung wird man auch
für das Warschauer Abkommen heranziehen können, wo eine Art. 18 Abs. 4 Satz 3 MÜ
entsprechende Regelung fehlt. Die meisten der von den Luftverkehrsgesellschaften
verwandten Luftfrachtbriefe enthalten auf der Vorderseite eine Klausel, wonach es dem
Luftfrachtführer gestattet sei, auch andere Beförderungsmittel als das Luftfahrzeug
einzusetzen, sofern nicht der Absender ausdrücklich widerspricht. Auch die IATA Resolution
507B, auf die auf der Rückseite des Luftfrachtbriefes verwiesen wird, gewährt dem
Luftfrachtführer das Recht der Ersatzbeförderung. Mangels einer ausdrücklichen Regelung
soll im Warschauer Abkommen nach einheitlicher Rechtsprechung unabhängig von der
Frage, ob der Schadensort bekannt oder unbekannt ist, bei vertragswidriger
Ersatzbeförderung vorrangig nach dem Recht gehaftet werden, das auf die vertraglich
vereinbarte Form der Beförderung anwendbar ist (BGH VersR 1971, 755; TranspR 1994,
16; OLG Hamburg, TranspR 1987, 142), denn immerhin hat sich der Absender auf diese
Beförderungsform eingerichtet, z. B. durch Abschluss entsprechender
Versicherungsdeckung. Daneben kann aber auch, sofern für den Anspruchsteller günstiger,
diejenige Rechtsordnung, die für den tatsächlich durchgeführten Transport Anwendung
findet, maßgeblich sein, da der Frachtführer nicht besser stehen sollte, als wenn er
vertragsgemäß befördert hätte (BGH VersR 1990, 331 = NJW 1990, 639; BGH NJW 1993,
3331; Koller, Transportrecht, § 407 HGB, Rdnr. 25). Diese Rechtsprechung ist für das
Luftrecht jedoch, wie gesagt, mangels ausdrücklicher Haftungsregelung nur noch gültig für
Fälle, die dem Warschauer Abkommen unterliegen. Hingegen für Fälle, die dem Montrealer
Übereinkommen unterliegen, sieht das Übereinkommen eine ausdrückliche
Haftungsregelung für die vertragswidrige Luftfrachtersatzbeförderung in Art. 18 Abs. 4 Satz
3 vor: danach gilt die vertragswidrige Ersatzbeförderung als Luftbeförderung und wird somit
dem Haftungsregime des Art. 18 MÜ unterworfen. Dabei ist es unerheblich, mit welchem
Beförderungsmittel tatsächlich befördert worden ist, ob es sich um eine nationale oder
internationale Teilstreckenbeförderung handelte und ob der Schadensort bekannt ist.
Dieses Ergebnis ist insofern überraschend, als die Erstreckung der
52 –
Übereinkommensvorschriften auch auf Beförderungen mit LKW, Eisenbahn, Binnenschiffen
oder sonstigen Oberflächenbeförderungsmitteln der Regelung des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 MÜ
widerspricht. Diese Vorschrift beschränkt nämlich die Anwendung des Übereinkommens auf
die Beförderung mit Luftfahrzeugen. Dieses Ergebnis ist aber auch insofern überraschend
und mit Recht von Koller (Transportrecht, Art. 18 MÜ, Rdnr. 9) als fragwürdig bezeichnet
worden, als der vertragsbrüchige Luftfrachtführer für sein Handeln keiner Sanktion
unterworfen wird und in den Genuss der Haftungsbeschränkung nach Art. 22 Abs. 3 MÜ
gelangt (s. dazu unten Kapitel 7.2). Damit steht der vertragswidrig handelnde
Luftfrachtführer haftungsmäßig besser als der vertragsgemäß handelnde Luftfrachtführer
(Harms/Schuler-Harms, TranspR 2003, 369 [373]; Ruhwedel, TranspR 2004, 137 [138]).
Letzterer würde nämlich z.B. bei einer vorsätzlichen oder dem Vorsatz gleichstehenden
Handlung anlässlich einer der CMR unterfallenden Beförderung der Höhe nach
unbeschränkt haften, wohingegen der vertragswidrig handelnde Luftfrachtführer sich auf die
Haftungsbeschränkungen des Art. 22 Abs. 3 MÜ berufen könnte (s. dazu ausführlich MüllerRostin, in Giemulla/Schmid, Kommentar zum MÜ, Art. 18 Rdnr. 113 ff).
Gelegentlich wird in der Literatur (Harms/Schuler-Harms, TranspR 2003, 369; Koller,
TranspR 2005, 177) argumentiert, dass dieses unbillige Ergebnis vermieden werden könne,
wenn der Absender die vertragswidrige Ersatzbeförderung nachträglich durch
Genehmigung zur vertragswidrigen Ersatzbeförderung mache. Dem Argument ist jedoch
entgegenzuhalten, dass die Genehmigung eine einseitige Rechtshandlung ist, ie zu keinem
Vertragsschluss führen kann. Denn sonst müsste in einer vertragswidrigen Beförderung ein
Antrag auf Abschluss eines Vertrages über eine vertragsgemäße Beförderung zu sehen
sein, welcher sodann durch eine entsprechende Genehmigung angenommen werden
würde. Ein solcher Erklärungswert kann aber der vertragswidrigen Ersatzbeförderung nicht
zugemessen werden. Auch kann – entgegen Kirchhof, (TranspR 2007, 133 [139]) – nicht
die Haftungsregelung in Art. 18 Abs. 4 Satz 3 MÜ als eine Mindesthaftung angesehen
werden, wobei daneben noch die Haftung nach der Rechtsordnung für die tatsächlich
durchgeführte Transportart maßgeblich sein solle. Die Haftungsregelung für die
vertragswidrige Ersatzbeförderung ist neu ins Montrealer Übereinkommen eingeführt
worden. Auch wenn sie unbefriedigend sein mag, so verbietet doch die
Exklusivitätsregelung in Art. 29 MÜ, dass für einen Sachverhalt, der eine Regelung im MÜ
gefunden hat, Vorschriften außerhalb des Übereinkommens herangezogen werden.
Für den Anspruchsteller ist es folglich vorteilhaft, wenn ihm der Nachweis gelingt, dass die
Luftfrachtersatzbeförderung a) vertragsgemäß war und dass b) der Schaden während der
Beförderung mit Oberflächenbeförderungsmitteln verursacht worden war. Immerhin kann er
53 –
sich dann ggfs. auf die unbeschränkte Haftung des Frachtführers berufen (s. dazu auch
Kapitel 7.2 am Ende).
6.7.4
Vor- und Nachtransporte
Von der Luftfrachtersatzbeförderung zu unterscheiden sind der eigentlichen Luftbeförderung
vorgehende oder ihr nachfolgende Vor- bzw. Nachtransporte mit
Oberflächenbeförderungsmitteln. An sich werden gemäß Art. 18 Abs. 3, Satz 1 WA, WA/HP
bzw. Art. 18 Abs. 4, Satz 1 MÜ Beförderungen mit Oberflächenbeförderungsmitteln
(„Beförderungen zu Land, zur See oder auf Binnengewässern außerhalb eines Flughafens“)
nicht vom Regelungsbereich des Abkommens/ Übereinkommens erfasst. Ein solcher Fall
der Oberflächenbeförderung ist vorstellbar, wenn der Luftfrachtführer ein Frachtlager
außerhalb des Flughafens betreibt und er dorthin Güter zur Einlagerung verbringt. Sobald
die Oberflächenbeförderung abgeschlossen ist und er die Güter dort einlagert, unterliegt er
wieder dem Haftungszeitraum „Obhut“ nach dem Montrealer Übereinkommen.
Demgegenüber ist der Haftungszeitraum nach dem Warschauer Abkommen beschränkt auf
die Örtlichkeit „Flughafen“ oder an „Bord eines Luftfahrzeuges“ mit der Konsequenz, dass
eine Einlagerung außerhalb der Flughafengrenzen ebenso wie der Transport dorthin dem
ergänzend anwendbaren nationalen Recht unterfällt.
Lediglich in dem Ausnahmefall, dass eine solche Oberflächenbeförderung in engem
Zusammenhang mit der Verladung, der Ablieferung oder der Umladung von Fracht erfolgt,
kann das Montrealer Übereinkommen nach Art 18 Abs. 4 Satz 2 MÜ bzw. das
Warschauer Abkommen / Haager Protokoll nach Art. 18 Abs. 3 Satz 2 WA/HP doch auf
derartige Beförderungen Anwendung finden. Erfolgt die Oberflächenbeförderung nämlich
bei Ausführung des Luftbeförderungsvertrages, wird bis zum Beweis des Gegenteils
vermutet, dass der Schaden durch ein während der Luftbeförderung eingetretenes
Ereignis entstanden sei (OLG Frankfurt, TranspR 2004, 471; OLG Frankfurt, TranspR
2006, 675; LG Bonn, TranspR 2003, 170). Bei derartigen Beförderungen mit
Oberflächentransportmitteln i. S. d. Art. 18 Abs. 4 Satz 2 MÜ bzw. Art. 18 Abs. 3 Satz 2
WA/HP muss zunächst ein Luftbeförderungsvertrag abgeschlossen worden sein.
Zusätzlich muss im Rahmen des Luftbeförderungsvertrages die Vereinbarung getroffen
(„bei Ausführung des Luftbeförderungsvertrages“; OLG Düsseldorf, TranspR 2010, 460;
OLG München, TranspR 2011, 147) worden sein, dass mangels eines näher gelegenen,
geeigneten Flughafens oder mangels einer geeigneten Flugverbindung auf dieser
konkreten Teilstrecke die Beförderung mittels eines Oberflächenbeförderungsmittels
ausgeführt wird (OLG Karlsruhe, TranspR 2007, 203; Kirchhof, TranspR 2007, 133). Bei
54 –
diesen Beförderungen handelt es sich um Zubringerdienste, die lediglich reine
Hilfsdienste zum Luftbeförderungsvertrag darstellen (OLG Düsseldorf, VersR 1984, 533;
Koller, TranspR 2001, 69). Kann nicht nachgewiesen werden, dass der Schaden während
dieser Zubringerdienste eingetreten ist, haftet der Luftfrachtführer nach dem Warschauer
Abkommen bzw. dem Montrealer Übereinkommen.
Hat dagegen der Luftfrachtführer oder ein Dritter den Transport mit
Oberflächenbeförderungsmitteln durchgeführt und steht nachgewiesenermaßen fest, dass
der Schaden während dieses Beförderungsabschnittes eingetreten ist, haften der
Luftfrachtführer bzw. der Dritte nach dem Recht des eingesetzten Transportmittels. Der
OGH (Beschl. vom 19. 1. 2011, 7 Ob 147/10h, TranspR 2011, 264 mit abl. Anm. MüllerRostin) und ebenso der BGH und das OLG Düsseldorf (TranspR 2011, 436; TranspR
2010, 456) vertreten hingegen zu Art. 18 Abs. 4 MÜ die Auffassung, dass auf Grund der
Obhutshaftung des Luftfrachtführers, aber entgegen des Wortlauts von Art. 18 Abs. 4 S. 1
MÜ, der Luftfrachtführer auch für Schäden anlässlich dieses Straßentransports
einzustehen habe. Dieser Auffassung kann m. E. nicht gefolgt werden, denn in Abs. 4
Satz 1 MÜ wird nämlich der bereits in Art. 1 MÜ („internationale Beförderung durch
Luftfahrzeuge“) und in bzw. in Art. 38 MÜ („bei gemischter Beförderung ….gilt dieses
Übereinkommen nur für die Luftbeförderung“) zum Ausdruck gebrachte Gedanke
bestätigt, dass das Übereinkommen grundsätzlich Beförderungen mit anderen
Fahrzeugen als Luftfahrzeuge von seinem Regelungsbereich ausschließt (s. dazu auch
Müller-Rostin, demnächst in ZLW 2012). Bei Beförderungen, die dem Warschauer
Abkommen unterliegen, kämen derartige Zweifel nicht auf, denn für diesen
Straßentransport wäre nationales Recht anwendbar, da die Obhutshaftung des
Luftfrachtführers beschränkt ist auf die Örtlichkeit des Gutes, nämlich entweder an Bord
eines Luftfahrzeuges oder auf einem Flughafen.
Beispiel 1:
Beförderung einer Gütersendung durch den
Luftfrachtführer vom Stadtbüro des Luftfrachtführers zum
Flughafen bzw. in umgekehrter Richtung.
Bei diesen Zubringerbeförderungen handelt es sich ihrem
Wesen nach nicht um Luft-, sondern um Landtransporte.
Deswegen sind zunächst einmal die für Landtransporte
einschlägigen Regelungen des nationalen Rechts (z. B.
HGB) anwendbar. Indes ist zu berücksichtigen, dass
Schäden an Luftfrachtsendungen häufig erst dann
festgestellt werden, wenn die Sendung dem Empfänger
55 –
ausgeliefert worden ist. Der tatsächliche Schadensort –
während der Luftbeförderung oder während der
Zubringerbeförderung? – bleibt häufig unbekannt. Die
daraus sich ergebenden Beweisschwierigkeiten löst
Art. 18 Abs. 3 WA, WA/HP bzw. Art. 18 Abs. 4 MÜ
dadurch, dass bis zum Beweis des Gegenteils vermutet
wird, dass der eingetretene Schaden während der
Luftbeförderung eingetreten ist (OLG Frankfurt, VersR
2006, 675).
Beispiel 2:
Beförderung einer Gütersendung durch den
Luftfrachtspediteur vom Lager des Luftfrachtspediteurs
zum Abgangsflughafen bzw. vom Bestimmungsflughafen
zum Lager des Luftfrachtspediteurs.
Bei dieser nicht vom Luftfrachtführer durchgeführten
Beförderung liegt keine Zubringerbeförderung vor. Auch
hat die Luftbeförderung noch nicht begonnen, bzw. ist sie
bereits abgeschlossen. Vielmehr liegt eine
Rollfuhrbeförderung vor, wobei der Spediteur hierbei
entstandene Schäden zu vertreten hat. Entscheidend für
die Haftungsregelung in diesem Falle ist, dass der
Luftfrachtspediteur im Auftrag des Absenders oder
Empfängers handelt. Sofern er dagegen ausnahmsweise
im Auftrag des Luftfrachtführers handelt, liegt eine
Zubringerbeförderung nach Beispiel 1 vor.
7
Die Haftungsgrenzen
7.1
Die Haftungsgrenzen des Warschauer Abkommens und ihre
Durchbrechbarkeit
Angesichts seiner Haftung (bereits) für vermutetes Verschulden unterliegt der
Luftfrachtführer im Warschauer Abkommen einer im Regelfall beschränkten Haftung. Nach
Art. 22 WA, WA/HP haftet der Luftfrachtführer für Güterschäden mit einem
Haftungshöchstbetrag von 250 Goldfranken, umgerechnet Euro 27,35 je Kilogramm
zerstörter, beschädigter, verlorener oder verspäteter Fracht. Der aus dem Gewicht des
Frachtgutes einschließlich seiner Verpackung zu errechnende Haftungsbetrag ist ein
Höchstbetrag, der nur bei konkret vom Anspruchsteller nachgewiesenem Schaden zu
zahlen ist. Das Gewicht ist aus den Beförderungsdokumenten zu entnehmen. Die darin
56 –
enthaltenen Angaben gelten gemäß Art. 11 Abs. 2 WA, WA/HP bis zum Beweis des
Gegenteils als richtig.
Das Haager Protokoll schafft in Art. 22 Abs. 2b eine zusätzliche Regelung, die noch in der
Ursprungsfassung des Abkommens ungeklärt geblieben war: die Berechnung der
Haftungsgrenzen für den Fall, dass bei einem Verlust oder einer Beschädigung eines Teils
der zur Beförderung aufgegebenen Güter oder eines darin enthaltenen Gegenstandes nur
ein Teilschaden entstanden ist. In der Fassung des Haager Protokolls ist diese Frage
nunmehr insofern geklärt, als danach nur das Gesamtgewicht der jeweils betroffenen
Stücke in Betracht kommt (LG Frankfurt, TranspR 1991, 241; Giemulla, in Giemulla/Schmid,
Kommentar zum WA, Art. 22 Rdnr. 8). Diese Regelung für Teilschäden gilt gemäß Art. 22
Abs. 4 MÜ auch für Beförderungen, die dem MÜ unterfallen.
Bei der Beschädigung nur eines Teils des Containerinhalts oder einer Paletteneinheit ist
nicht das Gesamtgewicht des Containers oder der Palette zugrunde zu legen. Eine solche
Berechnung würde den Absender von Gütern bei der Schadensberechnung dem Zufall
eines vom Spediteur oder Luftfrachtführer etwa veranlassten Containertransportes
ausliefern. Vielmehr ist hier das Gesamtgewicht der einzelnen beschädigten Stücke selbst
zugrunde zu legen, soweit diese im Luftfrachtbrief selbständig ausgewiesen sind (LG
Frankfurt, ZLW 1996, 447; Ruhwedel, Luftbeförderungsvertrag, Rdnr. 508).
Wenngleich der Schaden bei Verspätung als Vermögensschaden zu qualifizieren ist, finden
die Haftungsgrenzen des Art. 22 WA, WA/HP auch auf diese Art der Schäden Anwendung.
Selbst wenn die verspätete Ablieferung einer Maschine beim Empfänger zu einem
Produktionsausfall und infolgedessen zu entgangenem Gewinn führt, haftet der
Luftfrachtführer gleichwohl nur in Höhe der auf der Grundlage des Gewichts der Sendung
berechneten Haftungsgrenze, sofern nicht ausnahmsweise doch unbeschränkt gehaftet
wird.
Die grundsätzlich beschränkte Haftung des Luftfrachtführers für Güter- und
Verspätungsschäden kann nämlich in Ausnahmefällen durchbrochen werden. Der
Luftfrachtführer kann sich gemäß Art. 9 WA, WA/HP nicht auf die seine Haftung
beschränkenden Vorschriften des Art. 22 WA, WA/HP berufen, wenn ein Luftfrachtbrief
überhaupt nicht ausgestellt oder wenn ein Luftfrachtbrief ohne die in Art. 8 WA, WA/HP
zwingend vorgeschriebenen Angaben ausgestellt worden ist. Die Haftungsbeschränkungen
entfallen unabhängig davon, ob der Dokumentenmangel ursächlich für den eingetretenen
Schaden war oder nicht (s. ausführlich Müller-Rostin, in Giemulla/Schmid, Kommentar zum
WA, Art. 9, Rdnr. 2ff).
57 –
Die Haftungsbeschränkungen entfallen weiterhin, wenn gemäß Art. 25 WA der
Luftfrachtführer den Schaden vorsätzlich oder durch eine Fahrlässigkeit, die nach dem
Recht des angerufenen Gerichts dem Vorsatz gleichsteht, herbeigeführt hat. Vorsatz ist
Wissen und Wollen des Schadens, bedingter Vorsatz genügt (Koller, Transportrecht, Art. 25
WA 1929, Rdnr. 2). Die dem Vorsatz gleichstehende Fahrlässigkeit ist nach deutschem
Recht die grobe Fahrlässigkeit (BGH NJW 1979, 2374).
Sofern das Haager Protokoll auf eine Beförderung Anwendung findet, ist nach Art. 25
WA/HP zum Fortfall der Haftungsbeschränkungen erforderlich, dass der Schaden durch
eine Handlung oder Unterlassung verursacht wurde, die entweder in der Absicht, Schaden
herbeizuführen, oder leichtfertig und in dem Bewusstsein begangen wurde, dass ein
Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde. Absichtliche Schadensherbeiführung
bedeutet, dass der Schaden eine Folge der fraglichen Handlung oder Unterlassung ist,
verbunden mit dem Wunsch oder dem Streben, die Folge herbeizuführen. Das Merkmal der
„Leichtfertigkeit“ führt zu einer Schuldform der besonders schweren, dem bedingten Vorsatz
nahe kommenden Fahrlässigkeit. Der Luftfrachtführer oder seine Leute müssen sich
bewusst in besonders krasser Weise über die Sicherungsinteressen der ihm anvertrauten
Güter hinweggesetzt haben (BGH NJW 1979, 2374; BGH TranspR 2004, 309; OLG Köln,
ZLW 1996, 193). Daneben muss das subjektive Bewusstsein von der Wahrscheinlichkeit
des Schadenseintritts als eine sich dem Handelnden aus seinem leichtfertigen Verhalten
aufdrängende Erkenntnis, es werde wahrscheinlich ein Schaden entstehen, gegeben sein
(BGH NJW-RR 2001, 396 = TranspR 2001, 29). Die Wahrscheinlichkeit eines
Schadenseintritts muss für ihn größer gewesen sein als die Nichtwahrscheinlichkeit (allgem.
Ansicht s. z.B. OLG Frankfurt, ZLW 1981, 85, Giemulla, in Giemulla/Schmid, Kommentar
zum WA, Art. 25, Rdnr. 45 m.w.N.; Koller, Transportrecht, Art. 25 WA 1955, Rdnr. 6;
Herber, TranspR 2003, 164 in Urteilsanmerkung zu LG Hamburg, TranspR 2003, 162 mit
Bestätigung durch Hans OLG Hamburg, TranspR 2003, 164). Die Beweislast für das
Vorliegen der Schuldformen des Art. 25 WA oder des Art. 25 WA/HP sowie für das
Bewusstsein des Schädigers von der Wahrscheinlichkeit eines eintretenden Schadens
obliegt dem Geschädigten (allgemeine Ansicht, s. zuletzt OLG Karlsruhe, TranspR 2007,
203). Da dieser Beweislast oftmals nicht ohne Schwierigkeiten nachzukommen ist, hat die
Rechtsprechung in jüngster Zeit insbesondere bei Fällen des ungeklärten Verlustes, aber
auch bei Fällen der Beschädigung oder Zerstörung des Frachtgutes, das Rechtsinstitut des
so genannten groben Organisationsverschuldens herangezogen (BGH NJW-RR 2001, 396
= TranspR 2001, 29; BGH TranspR 2003, 467; BGH TranspR 2008, 117; OLG Frankfurt,
TranspR 2006, 675; OLG Köln, NJW-RR 2002, 1682). Der Geschädigte hat im Regelfall
keine oder nur sehr geringfügige Einsicht in den Transportablauf seiner Sendung,
58 –
insbesondere dahingehend, welche Sicherungsmaßnahmen der Luftfrachtführer generell
und auch speziell für die betroffene Sendung ergriffen hat. Um die Durchsetzbarkeit des
Schadensersatzanspruches auf unlimitierte Haftung nicht unmöglich zu machen, muss der
Luftfrachtführer im Rahmen einer so genannten sekundären Darlegungslast Auskunft über
Art und Weise des Sendungsablaufes und die zur Verhütung des Schadens ergriffenen
Sicherungsmaßnahmen erteilen. Der Luftfrachtführer ist zur Vermeidung prozessualer
Nachteile gehalten, nicht nur allgemein zu seiner Lager- und
Frachtbeförderungsorganisation vorzutragen. Vielmehr muss er zu seiner Organisation und
zu den ergriffenen Maßnahmen zur Vermeidung von Schäden und auch zum Ablauf des
Schadenshergangs konkret und im Einzelnen vortragen. Vor allem Kontrollen beim Ein- und
Ausgang in den jeweiligen Umschlagstellen werden gefordert (Schnittstellenkontrolle).
Gelingt es dem Luftfrachtführer nicht, die Ursache des Schadens in räumlicher und
zeitlicher Hinsicht einzugrenzen und aufzuklären, wie die Sendung gegen den eingetretenen
Schaden gesichert wurde, wird von der Rechtsprechung unterstellt, dass die Organisation
des Sendungsablaufes nicht geeignet ist, Schäden zu verhindern. Gegen den
Luftfrachtführer wird bei Lücken in der Aufklärung der Vorwurf des leichtfertigen Verhaltens
und des Bewusstseins von der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts erhoben (BGH
NJW-RR 2003, 751; BGH TranspR 2008, 117; BGH TranspR 2011, 220; OLG Karlsruhe,
TranspR 2007, 203; OLG Frankfurt, TranspR 2006, 675; OLG Köln, TranspR 2003, 111 =
ZLW 2003, 655; OLG Köln, ZLW 1997, 534 mit kritischer Anm. Giemulla; ders. in MüllerRostin/Schmid (Herausg.), Festschrift für Guldimann, S. 115.
7.2
Die Haftungsgrenzen des Montrealer Übereinkommens und ihre
Undurchbrechbarkeit
Im Montrealer Übereinkommen ist die Haftung des Luftfrachtführers für
Sachsubstanzschäden verschuldensunabhängig ausgestaltet. Als Ausgleich für die
Einführung der verschuldensunabhängigen Haftung des Luftfrachtführers ist seine Haftung
grundsätzlich beschränkt: der Luftfrachtführer haftet nach dem Montrealer Übereinkommen
mit einem Betrag von 19 SZR (ungefähr 22,00 Euro; für Beförderungsverträge, die bis zum
30.12.2009 abgeschlossen worden waren, betrug die Haftungsgrenze, wie auch nach dem
Montrealer Protokoll Nr. 4, 17 SZR; zur Anhebung der Haftungsgrenzen gemäß Art. 24 MÜ
s. Bollweg, RRa 2010, 201) je Kilogramm beschädigter, zerstörter oder verlustiger Fracht.
Für die Berechnung von Teilschäden trifft Art. 22 Abs. 4 MÜ eine Regelung
(„Gesamtgewicht des betroffenen Stückes“), die Art. 22 Abs. 2b WA/HP entspricht. Obgleich
die Haftung für Schäden durch Verspätung bei der Beförderung gemäß Art. 19 MÜ „nur“
eine Haftung für vermutetes Verschulden ist, kann sich auch bei diesen Schäden der
59 –
Luftfrachtführer auf die beschränkte Haftung gemäß Art. 22 Abs. 3 MÜ berufen. Die
Haftungsbeschränkung gilt bei Frachtschäden indessen nicht, wenn der Absender bei der
Übergabe der Sendung an den Frachtführer sein Lieferinteresse besonders deklariert hat
(Wertdeklaration gemäß Art. 22 Abs. 3 MÜ). Mit einer Haftungsgrenze von 19 SZR ist die
Haftung des Luftfrachtführers erheblich niedriger als unter der Geltung des Warschauer
Abkommens, denn für dessen Anwendungsbereich bestimmte die 4.
Umrechnungsverordnung einen Haftungsbetrag von 53,50 DM (= 27,35 EUR) je Kilogramm
zu Schaden gekommener Fracht. Gleichwohl ist die Haftungsgrenze mehr als doppelt so
hoch wie unter der Geltung der CMR und geringfügig höher als die Haftungsgrenze für die
Beförderung von Gütern im internationalen Eisenbahnverkehr gemäß Art. 30 § 2 CIM –
Anhang B zum Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF).
Die Haftungsbeschränkung von 19 SZR ist undurchbrechbar und gilt auch im Falle des
schweren Verschuldens, d.h. im Falle leichtfertigen oder vorsätzlichen Handelns oder
Unterlassens des Luftfrachtführers. Das Führen eines Rechtsstreits wegen des Vorwurfs
groben Organisationsverschuldens gehört somit bei dem Montrealer Übereinkommen
unterliegenden Beförderungen der Vergangenheit an. Die Undurchbrechbarkeit der
Haftungsgrenzen auch in Fällen schweren Verschuldens (Leichtfertigkeit und Absicht) ist
zwar nach deutschem Rechtsverständnis nicht unbedingt bedenkenfrei (Bedenken äußernd
Gran, TranspR 2004, 72; Koller, TranspR 2004, 181 [197]; ders. TranspR 2005, 177 [179]
„äußerst fragwürdig“), doch letztendlich hinnehmbar (Ruhwedel, TranspR 2004, 137;
Harms/Schuler-Harms, TranspR 2003, 369).
Zunächst bewirkt der Ausschluss der Durchbrechung der summenmäßigen
Haftungsbeschränkung eine Beschleunigung der Schadensregulierung, denn langwierige
Rechtsstreitigkeiten über den Grad des Verschuldens werden entbehrlich. Auch steht der
Regelung nicht die Vorschrift des § 276 Abs. 2 BGB entgegen. Zwar kann sich danach der
Schuldner nicht im Voraus für das eigene vorsätzliche Handeln freistellen lassen, doch gilt
dieses nicht für vorsätzliches Handeln seiner Erfüllungsgehilfen. Für deren Handeln kann
sich der Schuldner gemäß § 278 Satz 2 BGB demgegenüber durchaus freizeichnen.
Erfüllungsgehilfen des Luftfrachtführers sind die im Warschauer Abkommen und im
Montrealer Übereinkommen als „Leute“ bezeichneten Personen, derer sich der
Luftfrachtführer zur Erfüllung seiner beförderungsvertraglichen Verpflichtungen bedient (zur
„Leute“-Haftung s unten Kapitel 8).
Auch aus einem weiteren Grunde erscheint die Undurchbrechbarkeit der Haftungsbeschränkungen nicht unausgewogen: Beide Parteien des Luftfrachtbeförderungsvertrages,
Luftfrachtführer und Absender, sind im Regelfall Kaufleute und sind sich der Rechtslage,
60 –
nämlich einerseits strikte, vom Verschulden unabhängige Haftung des Luftfrachtführers und
andererseits finanzielle Beschränkung seiner Haftung, bewusst und somit in der Lage, sich
darauf einzustellen. Absicherung kann der Ladungsinteressent durch Abschluss einer
Transportversicherung oder durch Deklaration eines besonderen Interesses an der
Lieferung der Sendung (Wertdeklaration gemäß Art. 22 Abs. 3 MÜ) erreichen (s. dazu im
Einzelnen Müller-Rostin, in Gedächtnisschrift für Helm, 2001, S. 227), desgleichen kann er
auch mit dem Luftfrachtführer gemäß Art. 25 MÜ einen höheren Haftungsbetrag (s. dazu
BGH TranspR 2011, 220) oder eine gänzliche Ausschaltung der Haftungsbegrenzung
vereinbaren. Entgegen Otte (Gedächtnisschrift für Lüderitz, 2000, S. 523) ist auch kein
Verstoß gegen Normen des Grundgesetzes, insbesondere keine Verletzung der
Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG, erkennbar (Koller, TranspR 2004, 181 [193]).
Der Bundesgerichtshof (BGH TranspR 2003, 238; vgl. auch Kirsch, TranspR 2003, 295;
Harms/Schuler-Harms, TranspR 2003, 369) hat die vergleichbare Norm des Art. 34 Nr. 4.1
WPV (Weltpostvertrag vom 14. September 1994) für grundgesetzlich unbedenklich
gehalten: Er führt aus, dass durch die Begrenzung des Entschädigungsanspruchs von
vorneherein auf einen im Gesetz angegebenen Betrag eine grundgesetzliche
Eigentumsgarantie nicht entzogen werden könne, weil Art. 14 GG nur Rechtspositionen
schütze, die einer Person bereits zustehen. Darüber hinaus bleibe das Eigentum des
Geschädigten in seinem Bestand unberührt. Selbst im Falle einer Enteignung sei nicht stets
ein voller Ausgleich vonnöten, vielmehr sei eine Entschädigung unter gerechter Abwägung
der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen.
Die Gewährleistung der Eigentumsgarantie verpflichtet auch den Staat, durch einen
Kernbestand von Normen die Existenz und Funktionsfähigkeit privaten Eigentums zu
sichern und die schutzwürdigen Interessen der Beteiligten in einen gerechten Ausgleich und
in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen (BVerfGE 95, 48). Somit hat eine abwägende
Betrachtung der Haftungsregelungen einerseits die strenge, verschuldensunabhängige
Haftung des Luftfrachtführers und andererseits die Haftungsbeschränkungen und die
Undurchbrechbarkeit dieser Beschränkungen zu berücksichtigen.
Vor der Gefahr einer den Schaden nicht ausgleichenden Ersatzleistung werden dem
Ladungsinteressenten innerhalb und außerhalb des Übereinkommens
Vorsorgemöglichkeiten geboten: durch Abgabe einer Wertdeklaration (Art. 22 Abs. 3, S. 2
MÜ) oder durch Vereinbarung über Haftungshöchstbeträge (Art. 25 MÜ) oder – außerhalb
des Übereinkommens – durch Abschluss einer Transportversicherung (Dettling-Ott,
ASDA/SVLR-Bulletin 2000, 25). Bei Abgabe einer Wertdeklaration erklärt der Absender sein
finanzielles Interesse an der Ablieferung der Sendung am Bestimmungsort. Für dieses
Interesse hat er einen Zuschlag zu zahlen, allerdings haftet der Luftfrachtführer bis zum
61 –
deklarierten Wert bei Beförderungsunregelmäßigkeiten. Vereinbart der Absender mit dem
Luftfrachtführer höhere Haftungsgrenzen als die in Art. 22 Abs. 3 MÜ vorgesehenen
Haftungsgrenzen von 19 SZR – die Vereinbarung niedrigerer Haftungsgrenzen ist
unwirksam wegen Art. 26 MÜ – so beschränken die vereinbarten Grenzen die Haftung des
Luftfrachtführers. Da zudem noch dem Absender die Möglichkeit des Abschlusses einer
Transportversicherung offen steht, wird sich der Absender also kaum darüber beklagen
können, unzureichend entschädigt worden zu sein, denn er hat es selbst in der Hand, zu
entscheiden, wie hoch die maximale Entschädigungsleistung des Luftfrachtführers bzw. des
Transportversicherers im Schadensfall sein solle (Schiller, Schweizer Juristenzeitung 2000,
184).
Eine weitere Möglichkeit eines vollständigen Ausgleiches eines Schadens kann sich nach
der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH TranspR 2011, 80; BGH TranspR
2011, 220) für den Geschädigten dann ergeben, wenn ein Spediteur als Selbsteintritts-,
Sammelladungs- oder Fixkostenspediteur gemäß §§ 458-460 HGB wie ein
Luftfrachtführer haftet und wenn dieser Spediteur in seinen Allgemeinen
Geschäftsbedingungen hervorhebt, dass er seine Dienstleistungen allein auf der
Grundlage der ADSp erbringe. Die ADSp enthalten in Ziffer 27.2 eine Erweiterung der
Haftung für Fälle qualifizierten Verschuldens. Sofern der Spediteur/Luftfrachtführer Ziffer
27.2 ADSp nicht ausgeschlossen hat, verzichtet er damit auf die Begrenzung der Haftung
gemäß Art. 22 Abs. 3 MÜ, die an sich auch in Fällen qualifizierten Verschuldens gilt. Eine
solche Haftungsvereinbarung, in der der Spediteur/Luftfrachtführer sich einer höheren als
der im Montrealer Übereinkommen vorgesehenen Haftung unterwirft, ist nach der
Öffnungsklausel des Art. 25 MÜ statthaft, die Vereinbarung einer niedrigeren Haftung ist
indes durch Art. 26 MÜ verwehrt. Für den Spediteur/Luftfrachtführer hat die
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht unerhebliche Konsequenzen: Er haftet für
Vorsatz und Leichtfertigkeit unbegrenzt, bei Regressnahme kann er aber in dem Falle, in
dem der Schaden beim ausführenden Luftfrachtführer eingetreten ist, nur den
Haftungsbetrag von 19 SZR geltend machen, sofern er mit diesem keine entsprechende
Haftungserweiterung vereinbart. hat. Ein Spediteur sollte daher, wenn er diese
Konsequenzen ausschließen will, bei vertragsbegründenden Schriftstücken eine Klausel
aufnehmen, dass bei Beförderungen, die dem Montrealer Übereinkommen unterliegen,
Ziffer 27.2 ADSp ausgeschlossen ist.
Zusätzliche Möglichkeiten der Durchbrechung der Haftungsgrenzen eröffnen sich u.U.
dann, wenn an Stelle des Luftfahrzeuges andere Transportmittel zum Einsatz gelangen (s.
Kapitel 6.7). So findet z. B. bei vertragsgemäßer Ersatzbeförderung und bekanntem
62 –
Schadensort das Recht der jeweiligen Strecke mit der Folge Anwendung, dass z.B. nach
Art. 29 CMR vollumfänglich gehaftet wird, wenn der Schaden auf dem der CMR
unterfallenden Streckenabschnitt vorsätzlich oder mit dem Vorsatz gleichstehenden
Verschulden verursacht worden ist. Analog kann bei unbekanntem Schadensort – sofern
deutsches Recht ergänzend anwendbar ist – über die Verweisungsvorschrift des § 452
HGB der Luftfrachtführer zur vollen Haftung nach § 435 HGB herangezogen werden. Da
zudem nach Art. 18 Abs. 4 Satz 1 MÜ Beförderungen zu Land usw. vom luftfahrtrechtlichen
Haftungszeitraum ausgeschlossen sind, ist beispielsweise bei einer Beförderung vom
Flughafen zum außerhalb des Flughafens gelegenen Frachtlager des Luftfrachtführers
einschließlich der dazu notwendigen Ein- und Ausladetätigkeiten nicht das Montrealer
Übereinkommen, sondern das entsprechende Teilstreckenrecht anwendbar – auch hier
wieder mit der Möglichkeit der Durchbrechung der Haftungsgrenzen (Koller, TranspR 2005,
177; a.A. OGH Beschluss vom 19. 1. 2011, 7 Ob 147/10h, TranspR 2011, 264 mit abl. Anm.
Müller-Rostin).
7.3
Die Bemessung des Umfangs des Schadensersatzes
Art. 18 WA, WA/HP, MÜ enthalten keine Regelungen zum Umfang des zu ersetzenden
Schadens. Somit ist ergänzend nationales Recht heranzuziehen. Bei ergänzender
Anwendung deutschen Rechts ist unter der Geltung des Warschauer Abkommens
umstritten, ob bei Schäden an Frachtgütern der Umfang des Schadensersatzes nach
§ 249 ff. BGB oder entsprechend § 429 HGB zu bemessen sei. Die herrschende Meinung
hat zur Bemessung des Umfangs des Schadensersatzes in Fällen des Art. 18 WA, WA/HP
die §§ 249 BGB angewandt (BGH TranspR 2004, 369 = VersR 2005, 811; OLG Frankfurt,
NJW 1978, 502 = TranspR 1979, 72; OLG Hamburg, ZLW 1988, 362 = TranspR 1988, 201;
Ruhwedel, Rdnr. 471; a.A. Koller, Transportrecht, Art. 18 WA 1955, Rdnr. 22, der darauf
hinweist, dass Lücken des Abkommens primär nach den Vorschriften der §§ 407 ff HGB zu
schließen seien).
Um für das Montrealer Übereinkommen derartige Zweifel über die Bemessung des zu
ersetzenden Schadens auszuschließen, hat der deutsche Gesetzgeber in § 2 MontÜG
klargestellt, dass für die Bemessung eines Schadens wegen Verlustes, Zerstörung oder
Beschädigung eines Gutes bei ergänzender Anwendung deutschen Rechts die
transportrechtlichen Sondervorschriften des HGB zur Anwendung gelangen. § 429 HGB ist
somit einschlägig. Danach ist bei Verlust der Wert des Gutes am Ort und zur Zeit der
Übernahme der Beförderung zu ersetzen (§ 429 Abs. 1 HGB). Bei Beschädigung ist der
Unterschied zwischen dem Wert des Gutes in unbeschädigtem und jenem in beschädigtem
Zustand zu ersetzen (§ 429 Abs. 2 HGB). Zur Wiederherstellung notwendige
63 –
Reparaturkosten (§ 249 S. 2 BGB) sind im Rahmen des § 429 Abs. 2 HGB nicht
erstattungsfähig. Neben der Ersetzung des Sachsubstanzschadens nach § 429 HGB hat
der Luftfrachtführer die Kosten der Schadensfeststellung gemäß § 430 HGB zu ersetzen.
§ 431 HGB bestimmt, dass Wertersatz und Schadensfeststellungskosten dem
Haftungshöchstbetrag unterliegen. Diese Vorschrift gilt entsprechend auch für den
Haftungshöchstbetrag gemäß Art. 22 Abs. 2MÜ.
8
Die Haftung des Luftfrachtführers für seine „Leute“
Nach Art. 20 WA, WA/HP und Art. 30 MÜ haftet der Luftfrachtführer für das Handeln oder
Unterlassen seiner „Leute“ wie für eigenes Handeln oder Unterlassen. Der Begriff der
„Leute“ deckt sich weit gehend mit jenem des Erfüllungsgehilfen (BGH TranspR 2009, 262).
„Leute“ im Sinne des Warschauer Abkommens bzw. des Montrealer Übereinkommens sind
alle Personen, derer sich der Luftfrachtführer zur Ausführung seiner Beförderung bedient,
gleichgültig, ob sie Angestellte oder Selbstständige sind. Allerdings wird der Begriff „Leute“
und die Zurechenbarkeit ihres Handelns oder Unterlassens zwar im Warschauer Abkommen
auch für die Frachtbeförderung verwandt, im Montrealer Übereinkommen hingegen nur für
die Beförderung von Personen und ihrem Gepäck und für die Haftung für
Verspätungsschäden bei der Beförderung von Frachtsendungen. Entscheidend für die
Zurechenbarkeit ihres Handelns oder Unterlassens ist, ist, ob die „Leute“ dem
Luftfrachtführer gegenüber zum Schutz des Gutes und zur Herausgabe verpflichtet sind. Es
reicht hierbei bereits ein geringer Grad von Einwirkungsmöglichkeit des Luftfrachtführers auf
die „Leute“, wenn der Schaden in einem zu den Kernbereichen der Luftbeförderung
gehörenden Teilabschnitt eingetreten ist (BGH NJW-RR 2001, 396 = TranspR 2001, 29;
OLG Karlsruhe, TranspR 2007, 203). Das Handeln der „Leute“ kann jedoch nur dann dem
Luftfrachtführer zugerechnet werden, wenn sie in Ausführung einer ihnen vom
Luftfrachtführer übertragenen Verrichtung handeln (BGH NJW-RR 1989, 723 = TranspR
1989, 275; OLG Frankfurt, TranspR 1999, 24; Schmid, in: Giemulla/Schmid, Kommentar
zum WA, Art. 20, Rdnr. 26; ders. in: Dissertation, Frankfurt a. M. 1983, ibidem). Handeln in
Ausführung einer den Leuten vom Luftfrachtführer übertragenen Verrichtung setzt voraus,
dass ein innerer sachlicher Zusammenhang zwischen der übertragenen Verrichtung nach
ihrer Art und ihrem Zweck und der schädigenden Handlung besteht. Die Handlung muss
noch zum allgemeinen Umkreis des zugewiesenen Aufgabenbereichs gehören und darf
nicht nur „bei Gelegenheit“ begangen werden (BGH VersR 1985, 1060 zu Art. 3 CMR). Ein
solch innerer Zusammenhang ist z. B. bei einem Diebstahl durch einen der „Leute“
regelmäßig zu bejahen, weil die „Leute“ des Luftfrachtführers erst durch ihre Aufgaben im
Rahmen der Transportabwicklung die Möglichkeit zum Diebstahl erhalten. Eine Haftung des
64 –
Luftfrachtführers für einen durch seine „Leute“ ausgeführten Diebstahl wird auch dann
bejaht, wenn ein solcher Diebstahl von einem Bediensteten außerhalb seiner Arbeitszeit
begangen wird, weil in einem solchen Fall ein innerer Zusammenhang besteht zwischen
dem Diebstahl und den Kenntnissen von der Möglichkeit des Diebstahls, die der Bedienstete
im Rahmen seiner Tätigkeit für den Luftfrachtführer gewonnen hat (BGH TranspR 2008,
412; BGH TranspR 2009, 262; OLG Karlsruhe, TranspR 2007, 203 [207]).
Auffälligerweise taucht, wie gesagt, bei den frachtrechtlichen Haftungsregelungen des
Montrealer Übereinkommens (ausgenommen Verspätungsschäden gemäß Art. 19) der
Begriff der „Leute“ nicht mehr auf. Es bedarf dieses Begriffes nicht mehr, denn auf Grund
der strengen Obhutshaftung des Luftfrachtführers haftet er nicht mehr für das Handeln oder
Unterlassen bestimmter „Leute“ bei der Frachtbeförderung, sondern für alles, was sich
während seiner Obhutsausübung über das Frachtgut negativ auf dieses auswirkt. Sofern der
Luftfrachtführer das Frachtgut während der Luftbeförderung einem Dritten übergibt, z. B.
einem Abfertigungsagenten, besteht die Obhutsausübung weiter, weil der Dritte seinerseits
in Erfüllung seiner dem Luftfrachtführer gegenüber bestehenden Vertragsverpflichtungen
zum sorgsamen Umgang mit dem Frachtgut verpflichtet ist (BGH NJW-RR 2001, 396 =
TranspR 2001, 29; BGH TranspR 2009, 262).
Aus dieser Rechtsprechung ist zu folgern, dass nicht nur die „Leute“ für den
Luftfrachtführer Obhut ausüben, sondern jedweder Dritte zum Obhutsträger wird, der dem
Luftfrachtführer gegenüber zum Schutze und zur Herausgabe des Gutes verpflichtet ist.
Es bedeutet zugleich, dass der Luftfrachtführer gemäß § 278 Satz 2 BGB seine Haftung
selbst für Fälle gravierenden Verschuldens undurchbrechbar beschränken kann, wenn ein
Dritter für ihn Obhut ausgeübt hat.
Zu den „Leuten“ hat die Rechtsprechung gezählt z. B. die eigenen Mitarbeiter des
Luftfrachtführers, soweit sie Zutritt zum Lager hatten oder in anderer Weise mit der
Organisation der Beförderung oder ihrer Durchführung befasst waren (OLG Karlsruhe,
TranspR 2007, 203). Ferner zählen zu den „Leuten“ z. B. die die Abfertigung von Luftfracht
betreibende örtliche Flughafengesellschaft (OLG Nürnberg, TranspR 1992, 276), Mitarbeiter
von Reinigungsfirmen und Zollbedienstete, jedenfalls während des Zeitraums ihres
Aufenthaltes im Umschlaglager des Luftfrachtführers (BGH TranspR 2009, 317) und selbst
ein Monopolunternehmen, dessen sich der Luftfrachtführer arbeitsteilig zur Ausführung eines
Beförderungsvertrages über Luftfracht hat bedienen müssen (BGH NJW-RR 2001, 396 =
65 –
TranspR 2001, 29). Nicht zu den „Leuten“ zählen hingegen das hoheitlich handelnde
Personal der Flugsicherungsbehörde oder des Flugwetterdienstes, der Hersteller des
Luftfahrzeuges oder ein Reparatur- oder Wartungsbetrieb (Schmid, in Giemulla /Schmid,
Kommentar zum Warschauer Abkommen, Art. 20, Rdnr. 26).
.
Die eigene Haftung der „Leute“ hat weder im Warschauer Abkommen noch im Montrealer
Übereinkommen eine Regelung erfahren. Infolgedessen ist für eine eigene Haftung der
„Leute“ auf das ergänzend anwendbare nationale Recht zurückzugreifen. Mangels einer
vertraglichen Beziehung der „Leute“ zum ansprucherhebenden Absender oder Empfänger
sind deliktische Anspruchsgrundlagen heranzuziehen. Bei einer ergänzenden Anwendung
deutschen Rechts bemisst sich die Anspruchsgrundlage nach § 823ff BGB. Um nicht mit
Hilfe der nach nationalem Recht unter Umständen bestehenden unbeschränkten Haftung
der „Leute“ die zu Gunsten des Luftfrachtführers bestehenden Haftungsbeschränkungen
zu unterlaufen, bestimmen Art. 25a WA/HP und Art. 30 MÜ, dass die „Leute“-Haftung
tatbestandsmäßig und im Hinblick auf ihre Höhe der Haftung des Luftfrachtführers
angepasst wird. Damit kann eine eigene Haftung der „Leute“ nur unter den
Voraussetzungen des Abkommens bzw. Übereinkommens begründet werden und die
„Leute“ haften gleichermaßen wie der Luftfrachtführer beschränkt und nicht strenger als
jener selbst (OLG Karlsruhe, VersR 2005, 697). Lediglich bei einem durch die „Leute“
leichtfertig oder absichtlich herbeigeführtem Schaden haften diese unbeschränkt –
allerdings nur nach dem Warschauer Abkommen bzw. dem Haager Protokoll gemäß Art.
25 WA; WA/HP. Bei einer dem Montrealer Übereinkommen unterliegenden
Güterbeförderung gilt diese unbeschränkte Haftung nach Art. 30 Abs. 3 MÜ nicht, da hier
der Luftfrachtführer selbst nur beschränkt in den Haftungsgrenzen des Art. 22 MÜ haftet.
Voraussetzung ist stets, dass die „Leute“ in Erfüllung ihre Verrichtungen und nicht nur bei
Gelegenheit gehandelt haben, Handeln bei Gelegenheit bemisst sich allein nach
nationalem Recht. Durch diese Angleichung der Haftung kommen den „Leuten“ z. B. auch
die Haftungsausschlussgründe nach Art. 18 Abs. 2 MÜ oder die Fristen für die Erhebung
einer Schadensersatzklage zugute.
9
Von einem anderen als dem vertraglichen Luftfrachtführer ausgeführte
Beförderung
Kapitel V des Montrealer Übereinkommens regelt den Fall, dass die Beförderung von einem
anderen Luftfrachtführer als dem vertraglichen Luftfrachtführer ausgeführt wird (Art. 39 ff
MÜ). Die Regelungen dieses Kapitels entsprechen denjenigen des Zusatzabkommens von
66 –
Guadalajara, welches noch für Beförderungen anwendbar ist, die dem Warschauer
Abkommen in seiner Originalfassung oder in derjenigen des Haager Protokolls unterliegen.
Art. 39 unterscheidet zwischen dem vertraglichen und dem ausführenden Luftfrachtführer.
Das Verhältnis zwischen vertraglichem und ausführendem Luftfrachtführer kann
beispielsweise dann zum Tragen kommen, wenn der Absender mit dem Spediteur die
Beförderung einer großen Frachtsendung vereinbart hat. Der Spediteur erchartert dafür bei
einem Dritten die Kapazität eines Flugzeuges und der Dritte führt die Beförderung sodann
aus. Analoges gilt bei sogenannten code-share-Beförderungen, die zwar im
Personenverkehr häufiger vorkommen, gleichwohl aber auch im Frachtverkehr denkbar
sind. Hier gestattet der ausführende Luftfrachtführer dem vertraglichen Luftfrachtführer,
seine Flugnummer dem Flug „beizugeben“, so dass der vertragliche Luftfrachtführer diesen
Flug unter seiner Flugnummer verkaufen kann, ohne ihn jedoch selbst auszuführen. Zum
vertraglichen Luftfrachtführer wird gemäß Art. 39 MÜ, wer als Luftfrachtführer einen
Beförderungsvertrag eingeht, aber die Beförderung gänzlich oder teilweise durch einen
anderen Luftfrachtführer durchführen lässt. Zum ausführenden Luftfrachtführer wird, wer die
Beförderung im Auftrage des vertraglichen Luftfrachtführers ausführt (BGH NJW 2010,
1522; Ruhwedel, TranspR 2001, 189 [200]). Der ausführende Luftfrachtführer wird dabei
nicht zur Partei des Beförderungsvertrages, von seiner Existenz erfährt der Absender als
Vertragspartei des vertraglichen Luftfrachtführers häufig erst im Falle von
Beförderungsunregelmäßigkeiten. Der ausführende Luftfrachtführer tritt in vertragliche
Beziehungen lediglich zum vertraglichen Luftfrachtführer. Bedeutsam ist seine Abgrenzung
zum nachfolgenden, sog. aufeinanderfolgenden Luftfrachtführer gemäß Art. 1 Abs. 3 WA,
WA/HP, MÜ und Art. 30 WA, WA/HP bzw. Art. 36 MÜ. Dieser nachfolgende Luftfrachtführer
befördert, weil dies von den Parteien des Beförderungsvertrages (vertraglicher
Luftfrachtführer und Absender) als einheitliche Leistung vereinbart und die einzelnen
Beförderungsleistungen als Teile einer Gesamtbeförderung in den
Beförderungsdokumenten niedergelegt (OLG Hamburg, VersR 1983, 484) worden sind (z.
B. weil der vertragliche Luftfrachtführer auf einem Streckenabschnitt keine Verkehrsrechte
hat). Der nachfolgende Luftfrachtführer schuldet dem Absender die Beförderung auf
seinem Streckenabschnitt und gilt insoweit als Vertragspartner des Absenders.
Demgegenüber wird der ausführende Luftfrachtführer nur in haftungsrechtlicher Hinsicht zu
einem Quasi-Vertragspartner des Absenders (Reuschle, Kommentar MÜ, Art. 39, Rdnr. 21).
Entscheidend für die Abgrenzung zwischen ausführendem und nachfolgendem
Luftfrachtführer ist die Frage, ob der Ladungsinteressent (bzw. der Reisende) es
beeinflussen kann, wer die Beförderung über eine bestimmte Strecke ausführt und ob diese
Wahl aus den Beförderungsdokumenten ersichtlich ist (dann nachfolgender Luftfrachtführer;
Reuschle, aaO., Rdnr. 21).
67 –
Bezüglich ihrer Haftung unterliegen vertraglicher und ausführender Luftfrachtführer
folgenden Regelungen:
-
Der vertragliche Luftfrachtführer unterliegt während der Dauer der gesamten
Beförderung den Regeln des Übereinkommens. Auch der ausführende Luftfrachtführer,
obwohl er nicht Vertragspartei ist, unterliegt ihnen, aber nur insoweit, als er die
Beförderung auch tatsächlich ausführt.
-
Die Handlungen und Unterlassungen des ausführenden Luftfrachtführers können auch
dem vertraglichen Luftfrachtführer zugerechnet werden. Umgekehrt können auch die
Handlungen und Unterlassungen des vertraglichen Luftfrachtführers dem ausführenden
Luftfrachtführer zugerechnet werden; der ausführende Luftfrachtführer haftet aber nur
für seinen Beförderungsabschnitt und nur im Rahmen der Haftungsgrenzen gemäß Art.
21-23 MÜ.
-
Beanstandungen oder Instruktionen können wahlweise an die Adresse eines der beiden
Luftfrachtführer erfolgen. Einzig im Falle der Weisung gemäß Art. 12 MÜ ist diese an
den vertraglichen Luftfrachtführer zu richten.
-
Schadensersatzansprüche gegen den ausführenden Luftfrachtführer können sowohl
gegenüber diesem unmittelbar oder gegenüber dem vertraglichen Luftfrachtführer oder
gegenüber beiden geltend gemacht werden. Ist eine Klage nur gegen einen der
Luftfrachtführer gerichtet, so hat dieser das Recht, den anderen Luftfrachtführer
aufzufordern, sich am Rechtsstreit zu beteiligen. Dadurch wird folgerichtig ein neuer
Gerichtsstand eingeführt: Klage kann zusätzlich zu den Gerichtsständen des Art. 33 MÜ
noch am Wohnsitz oder am Sitz der Hauptniederlassung des ausführenden
Luftfrachtführers (Art. 46) eingelegt werden (Ryff, ASDA/SVLR-Bulletin 2000, 8 [20];
Ruhwedel, TranspR 2001, 189 [201]).
10
Die Gerichtsstände des Art. 28 WA, WA/HP bzw. Art. 33 MÜ
Nach dem Warschauer Abkommen und dem Montrealer Übereinkommen stehen für Klagen
gemäß Art. 18, 19 insgesamt vier Gerichtsstände zur Verfügung. Es handelt sich hierbei im
einzelnen um die örtliche Zuständigkeit von Gerichten am Wohnsitz des Luftfrachtführers,
an dessen Hauptniederlassung oder Geschäftsstelle, durch die der Vertrag geschlossen
worden ist oder des Gerichts des Bestimmungsortes. Lediglich für Klagen wegen
Personenschäden gemäß Art. 17 MÜ hat das Übereinkommen einen neuen Gerichtsstand
am Heimatort des Reisenden geschaffen (s. dazu im einzelnen Ruhwedel, TranspR 2001,
189 [201]). Voraussetzung ist jeweils, dass das angerufene Gericht im Hoheitsgebiet eines
68 –
der Vertragsstaaten des Abkommens bzw. Übereinkommens liegt. Zusätzlich kann noch
nach Art. 33 MÜ entsprechend dem Zusatzabkommen von Guadalajara (ZAG) bei dem
ausführenden Luftfrachtführer das an seinem Wohnsitz bzw. am Sitz seiner
Hauptniederlassung gelegene Gericht angerufen werden.
11
Die Frist zur Schadensanzeige
Kommen die Güter beschädigt oder verspätet am Bestimmungsort an, muss der
Empfänger bei der Annahme einen Vorbehalt machen. Dies gilt selbst bei offensichtlicher
Beschädigung. Vorbehalt ist eine Beanstandung, an deren Inhalt nur geringe
Anforderungen zu stellen sind, die aber den Luftfrachtführer darüber ins Bild setzt, dass
eine Unregelmäßigkeit eingetreten ist. Zum Zwecke des Nachweises sollte er in
Schriftform erhoben werden Bei fehlendem Vorbehalt oder bei verdecktem Schaden dreht
sich die Beweislast um: der Empfänger ist nunmehr gehalten, den Nachweis zu führen,
dass der Schaden nicht erst nach der Annahme, sondern (bereits) in der Obhut des
Luftfrachtführers eingetreten ist. Der Vorbehalt kann aber auch sogleich die Form einer
Schadensanzeige gemäß Art. 26 Abs. 2 WA, WA/HP und Art. 31 Abs. 2 MÜ haben. Eine
Schadensanzeige ist zu substantiieren und hat eine hinreichende Beschreibung der
betroffenen Frachtsendung, die Art der Beschädigung und die Einzelheiten des
Anspruches zu enthalten. Eine Schadensanzeige „nur ins Blaue hinein“ (OLG München,
TranspR 2011, 199) ist unzulässig. Die Schadensanzeige ist bei Güterschäden innerhalb
folgender Fristen zu erstellen:
WA: unverzüglich, aber jedenfalls bei Beschädigung binnen 7 Tagen nach der Annahme,
bei Verspätung unverzüglich, aber jedenfalls binnen 14 Tage nach Verfügungstellung des
Gutes
HP: unverzüglich, aber jedenfalls binnen 14/21 Tagen
MÜ: wie HP
Zur Frist bei Schadensanzeigen und insbesondere zum Begriff „unverzüglich“ s. OLG
Stuttgart, NJW-RR 2007, 566; Pokrant, in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn,
Handelsgesetzbuch Art. 31 MÜ, Rdnr. 13).
Versäumung der Anzeigefrist führt zum Anspruchsverlust, es sei denn, der
Luftfrachtführer hat arglistig den Anzeigenerstatter von der Anzeige abgehalten. Der
Schaden laut Anzeige muss mit dem später geltend gemachten Schaden übereinstimmen
(OLG Celle, TranspR 2003, 314). Wird z.B. zunächst nur Verspätung angezeigt, kommt
die Sendung aber verspätet und beschädigt an, ist auch noch die Beschädigung
anzuzeigen.
69 –
Eine Anzeige ist nur dann verzichtbar, wenn der Luftfrachtführer oder der für ihn tätige
Abfertigungsagent bereits auf anderem Wege von der Beschädigung oder der Verspätung
Kenntnis erlangt hat (BGH VersR 1985, 686; OLG München, NJW-RR 1995, 672 =
TranspR 1995, 118; OLG München, TranspR 2011, 199). Der Nachweis obliegt dem
Anspruchsteller. Eine Anzeige wird auch dann nicht gefordert, wenn eine Zerstörung
oder ein Verlust des Frachtgutes gegeben ist, da hier unterstellt wird, dass der
Luftfrachtführer ohnedies bereits im Bilde sei und entsprechende Maßnahmen zur
Schadensfeststellung bereits in die Wege habe leiten können. Anderslautende
Bedingungen in Allgemeinen Beförderungsbedingungen sind wegen Verstoßes gegen Art.
23 WA, WA/HP bzw. Art. 26 MÜ unwirksam. Von einer Beschädigung – und nicht einem
Verlust - ist entgegen OLG Frankfurt (VersR 2006, 675) dann auszugehen, wenn die
Verpackung, wenngleich in leerem Zustand, abgeliefert wird. Dies muss zumindest dann
gelten, wenn das verpackte Gut ein Gewicht von lediglich 0,5 Kilogramm hatte und sein
Fehlen aus der Verpackung nicht bemerkt werden konnte. Bei Teilverlust ist eine
Anzeige dann notwendig, wenn dieser sich als Beschädigung darstellt. Von einem
Teilverlust im Sinne einer Beschädigung ist dann auszugehen, wenn nach dem Inhalt des
Beförderungsvertrages mehrere Packstücke als eine gesamte Beförderungseinheit
erscheinen (z. B. eine Palette mit 33 Packstücken) und eines oder mehrere dieser
Packstücke nicht ausgeliefert werden können (OLG Hamburg, TranspR 1988, 201, 312).
Die Schadensanzeige ist schriftlich und innerhalb der vorgenannten Fristen zu erstatten.
Sie hat den Schaden detailliert zu beschreiben, so dass der Luftfrachtführer sich ein Bild
über den eingetretenen Schaden machen und eine Ermittlung der Schadenursachen
einleiten kann. Wird allein die Beschädigung der Verpackung angezeigt, so erstreckt sich
diese Schadensanzeige nicht auch zugleich auf die Beschädigung des Inhalts der
Verpackung (LG Hamburg, Urt. vom 7. November 2003, Az. 420 O 140/03, bislang
unveröffentlicht). Wird eine Inhaltsbeschädigung nach Auslieferung entdeckt, wäre hierfür
eine gesonderte Schadensanzeige erforderlich (AG Frankfurt, RRa 2011, 190 zu einem
Gepäckschaden).
12
Die Ausschlussfrist
Gemäß Art. 29 WA, WA/HP bzw. Art. 35 MÜ ist eine Klage auf Schadensersatz binnen
einer Frist von 2 Jahren zu erheben. Die Frist beginnt an dem Tage, an dem das
Luftfahrzeug am Bestimmungsort angekommen ist oder hätte ankommen sollen, bzw an
dem die Beförderung abgebrochen worden ist. Die Vorschrift des Art. 29 WA, WA/HP bzw.
Art. 35 MÜ verdrängt als lex specialis die nationalen Vorschriften des allgemeinen
70 –
Frachtrechts über die Verjährung (BGH TranspR 2005, 317). Die Frist ist als
Ausschlussfrist konzipiert, gleichwohl toleriert die Rechtsprechung in Deutschland
vertragliche Verlängerungen der Frist (BGH NJW 1963, 1405 = VersR 1963, 640; OLG
Köln, ZLW 1982, 167 [172]). Nach deutschem Recht unterliegt die Ausschlussfrist nicht der
Hemmung und dem Neubeginn der Verjährung, die Frist kann nur durch rechtzeitige
Klageerhebung gewahrt werden. Die lange Zeit strittige Frage, ob die Streitverkündung die
Ausschlussfrist zu wahren vermag, ist nunmehr vom BGH verneinend entschieden worden
(BGH NJW-RR 2006, 219 = TranspR 2006, 33; Pokrant, in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn,
Handelsgesetzbuch Art. 35 MÜ, Rdnr. 11; Mühlbauer, in Geigel, Der Haftpflichtprozeß,
Kap. 29, Rdnr. 98; a.A. Gran, TranspR 1996, 262 im Anschluß an LG Frankfurt, TranspR
1996, 117).
Hat der Anspruchsteller die Frist des Art. 29 WA, WA/HP bzw. des Art. 35 MÜ nicht
beachtet, bzw. ist auch eine vereinbarte Verlängerung der Frist abgelaufen, so kann sich
der Luftfrachtführer allein durch Hinweis auf den inzwischen verstrichenen Zeitraum seiner
Haftung entziehen (BGH TranspR 2001, 372).
Zur Frage, ob die Sonderregelung des § 452b HGB hinsichtlich des auf die Verjährung
anwendbaren Rechts bei Frachtverträgen über eine Beförderung mit verschiedenartigen
Beförderungsmitteln auch auf den Lufttransport anwendbar ist, s. einerseits BGH TranspR
2009, 262; andererseits Müller-Rostin, TranspR 2008, 241.
13
Schiedsverfahren
Nach Art. 32 WA, WA/HP bzw. Art. 34 MÜ können die Parteien eines
Luftfrachtbeförderungsvertrages zur Beilegung von Streitigkeiten über die Haftung des
Luftfrachtführers ein Schiedsverfahren anstrengen. Das Schiedsverfahren ist im
Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates durchzuführen. Aber auch im Schiedsverfahren sind
die Vorschriften des Warschauer Abkommens bzw. des Montrealer Übereinkommens
heranzuziehen, um zu vermeiden, dass andernfalls die Übereinkommensvorschriften
abbedungen werden, was im Widerspruch zu Art. 32 Abs. 1 WA, WA/HP bzw. Art. 49 MÜ
stünde (vertiefend Müller-Rostin, demnächst in TranspR 2012).
14
Die Umrechnung der abstrakten Haftungsbeträge
Die Umrechnung des Sonderziehungsrechtes in die jeweilige nationale Währung erfolgt
gemäß Art. 23 Abs. 2 MÜ im Fall eines gerichtlichen Verfahrens analog der Regelung in Art.
71 –
27 Abs. 7, S. 2 CMR zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (OLG München,
TranspR 2011, 199).
Der Fall der außergerichtlichen Regulierung ist in Art. 23 MÜ nicht geregelt. In Deutschland
ist durch das „Gesetz zur Harmonisierung des Haftungsrechts im Luftverkehr“ in dessen
Art. 1 das „Gesetz zur Durchführung des Übereinkommens vom 28. Mai 1999 zur
Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen
Luftverkehr (Montrealer-Übereinkommen-Durchführungsgesetz – MontÜG)“ in Kraft gesetzt.
Nach § 3 MontÜG soll sich die Umrechnung der im Montrealer Übereinkommen in
Sonderziehungsrechten ausgedrückten Haftungshöchstbeträge für Schäden wegen
Personen- und Gepäckschäden nach § 49b LuftVG, wegen Zerstörung, Verlust,
Beschädigung oder verspäteter Ablieferung von Frachtgütern nach § 431 Abs. 4 HGB
bestimmen. § 49b S. 2 LuftVG bestimmt, dass die in Sonderziehungsrechten des
Internationalen Währungsfonds ausgedrückten Beträge nach dem Wert des Euro
gegenüber dem Sonderziehungsrecht zum Zeitpunkt der Zahlung umgerechnet werden
müssen. Ist der Anspruch gerichtlich geltend gemacht worden, ist der Zeitpunkt der die
Tatsacheninstanz abschließenden Entscheidung maßgeblich.
Nach § 431 Abs. 4 HGB wird der Wert des Euro gegenüber dem Sonderziehungsrecht nach
der Berechnungsmethode ermittelt, die der Internationale Währungsfonds (IWF) an dem
Tag der Übernahme des Gutes zur Beförderung oder an einem von den Parteien
vereinbarten Tag für seine Operationen und Transaktionen anwendet.
Damit ist die genaue Bezifferung der Haftungssummen und -grenzen schwieriger geworden.
Im Rahmen des Warschauer Abkommens wurden die Poincaré-Franken in einer
Umrechnungsverordnung in feste Beträge umgerechnet. Da aber die Umrechnungskurse
zwischen Sonderziehungsrecht und Euro laufend schwanken, ändern sich die
Haftungsbeträge des Montrealer Übereinkommens nahezu täglich, wenngleich nur
marginal.
15
Die Versicherungspflicht
Art. 50 MÜ sieht eine Verpflichtung der Vertragsstaaten vor, eine Deckungsvorsorge durch
Versicherung der in dem Übereinkommen festgeschriebenen Haftung des Luftfrachtführers
für Güterschäden bei Beförderungen im internationalen Luftverkehr vorzuschreiben. In
Ausführung dieser Vorschrift bestimmt § 4 Abs. 2 MontÜG, dass der Luftfrachtführer
unbeschadet der Vorschriften der Verordnung (EG) 2407/92 (seit 1. November 2008
72 –
aufgehoben durch die Verordnung (EG) 1008/2008, ABl. v. 31.10.2008, L 293,3) und der
Verordnung (EG) 785/2004 (geändert durch Verordnung (EU) 285/2010, ABl. v.7.4.2010, L
87,19, welche die Mindestversicherungssummen an die angehobenen
Haftungshöchstgrenzen des Montrealer Übereinkommens angepasst hat) verpflichtet ist,
zur Deckung seiner Haftung nach dem Montrealer Übereinkommen für die Zerstörung, die
Beschädigung, den Verlust und die verspätete Ablieferung von Gütern während der von ihm
geschuldeten oder der von ihm für den vertraglichen Luftfrachtführer ausgeführten
Beförderung eine Haftpflichtversicherung zu unterhalten. Versicherungspflicht besteht mithin
für den vertraglichen und für den ausführenden Luftfrachtführer. Die Vorschrift gilt nur
subsidiär, d.h. sie ordnet eine Versicherungspflicht nur an, soweit nicht durch andere
Vorschriften Versicherungspflicht bereits angeordnet worden ist. Die vorgenannten EUVerordnungen haben indes für Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft, d.h. für solche
Luftfahrtunternehmen, die u.a. gewerblich befördern und deren Hauptbetätigung
Luftbeförderung ist (vgl. Art. 4 Verordnung (EG) 1008/2008) bereits eine
Versicherungspflicht auch für Güterschäden weitgehend angeordnet. Danach ist der
Luftfrachtführer verpflichtet, seine Haftung nach Art. 18 WA, WA/HP, MÜ mit einer
Mindestversicherungssumme von 19 SZR pro Kilogramm zerstörter, verlustiger oder
beschädigter Fracht zu versichern (s. Art. 1 Verordnung (EU) 285/2010). Da die Verordnung
(EG) 785/2004 keine Versicherungspflicht für die verspätete Ablieferung von Gütern
vorsieht, muss diese Lücke durch nationales Recht ebenso geschlossen werden wie die
Lücke einer Versicherungspflicht für Luftfrachtführer, die nicht Luftfahrtunternehmen der
Gemeinschaft sind. § 104 LuftVZO bestimmt, dass soweit nicht gemeinschaftsrechtliche
Vorschriften vorrangig sind, der Luftfrachtführer eine Haftpflichtversicherung über
mindestens 19 SZR pro Kilogramm abgeschlossen haben muss. Diese Versicherungspflicht
bezieht sich aber, wie gesagt, nur auf Schäden auf Grund verspäteter Ablieferung
(Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft und alle sonstigen Luftfrachtführer) und auf
Schäden wegen Zerstörung, Verlust oder Beschädigung der Fracht – allerdings nur für
solche Luftfrachtführer, die nicht Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft sind.
Der Spediteur, der nicht zugleich als Luftfrachtführer im Sinne des Montrealer
Übereinkommens anzusehen ist, sondern der lediglich auf Grund der
Rechtsfolgenverweisung der §§ 458 – 460 HGB dem Luftfrachtführer haftungsrechtlich
gleichgestellt ist, soll von der LuftVZO nicht erfasst werden und damit auch nicht
versicherungspflichtig werden (vgl. 9. Verordnung zur Änderung der LuftverkehrsZulassungs-Ordnung vom 20.04.2005, BR-Drucksache 412/05 vom 27.5.2005, S. 22).
Indessen soll der Luftfrachtführer, der ein Luftfahrzeug weder betreibt noch führt,
73 –
versicherungspflichtig werden im Umfang des § 7a GüKG (s. zur Versicherungspflicht im
gewerblichen Luftverkehr ausführlich Müller-Rostin, TranspR 2006, 49).
16
Nationales Lufttransportrecht der §§ 407–475h HGB
16.1. Besonderheiten des Lufttransports
Bis zum Inkrafttreten des Transportrechtsreformgesetzes (TRG) am 1. Juli 1998 fanden
sich die Vorschriften, die die Haftung des Luftfrachtführers für Güterschäden anlässlich
einer innerstaatlichen Luftfrachtbeförderung bestimmten, im Luftverkehrsgesetz (LuftVG).
Demgegenüber unterlag der Luftfrachtführer bei Güterschäden anlässlich einer
internationalen Luftfrachtbeförderung den Haftungsvorschriften des Warschauer
Abkommens; hinzugetreten sind nunmehr seit dem 4. November 2003 die
Haftungsvorschriften des Montrealer Übereinkommens. Durch das
Transportrechtsreformgesetz wurden jedoch die nationalen Vorschriften für das
Frachtgeschäft mit Luftfahrzeugen aus dem Luftverkehrsgesetz herausgelöst und mit den
Vorschriften über das Frachtgeschäft auf der Straße, mit der Eisenbahn und mit dem
Binnenschiff in das Handelsgesetzbuch in den §§ 407–452d HGB übernommen. Damit ist
zwar erreicht, dass das HGB die Vorschriften für den Abschluss von Frachtverträgen mit
sämtlichen Beförderungsmitteln mit Ausnahme der Seeschiffe vereinheitlicht, allerdings ist
die Überführung der luftfahrtrechtlichen Vorschriften aus dem Luftverkehrsgesetz in das
Handelsgesetzbuch aus luftfahrtrechtlicher Sicht wenig befriedigend. Immerhin hatte
während der Beratungen zum Transportrechtsreformgesetz stets die Vereinheitlichung
des Landtransportrechts im Vordergrund gestanden und das Recht der Seeschifffahrt und
das Recht der Luftfahrt sollten wegen ihrer vorwiegend internationalen Prägung und
Bezüge nicht miteinbezogen werden (Herber, NJW 1998, 3297). Dies erschien
insbesondere wegen der „Verwandtschaft“ der nationalen Luftrechtsvorschriften mit den
internationalen Luftrechtsabkommen, seinerzeit vorrangig Warschauer Abkommen und
Haager Protokoll, sinnvoll, während Inhalt und Aufbau der §§ 407–452d HGB an die
Vorschriften der CMR angelehnt sind. Indes veranlasste eine Empfehlung des
Rechtsausschusses den Bundestag, die Vorschriften über Schäden an Frachtgütern dem
Luftverkehrsgesetz zu entziehen und auch das Luftrecht dem HGB zu unterstellen.
Allerdings ist zu betonen, dass die wenig befriedigende Situation insofern erträglich ist, als
das nationale Lufttransportrecht in der Praxis wenig Bedeutung hat. Luftfrachtbeförderung
ist nicht zuletzt wegen der geringen räumlichen Ausdehnung Deutschlands ganz
74 –
überwiegend grenzüberschreitend, so dass auf internationales Einheitsrecht (Warschauer
Abkommen, Haager Protokoll, Montrealer Protokoll Nr. 4, Montrealer Übereinkommen)
zurückzugreifen ist. Anwendung finden die §§ 407–452d HGB insbesondere dann, wenn
doch eine rein innerstaatliche Luftbeförderung zu beurteilen ist oder aber wenn die
internationalen Luftrechtsabkommen nicht anwendbar sind, weil die Beförderung nicht
zwischen zwei Vertragsstaaten stattfindet und wenn nach den Grundsätzen des
Internationalen Privatrechts auf deutsches Recht zurückgegriffen werden kann.
Anwendung finden die Vorschriften auch dann, wenn Lücken der internationalen
Abkommen zu schließen sind. Ausdrücklich weist z.B. § 2 des Gesetzes zur Durchführung
des Übereinkommens vom 28. Mai 1999 zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften
über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (Montrealer-ÜbereinkommenDurchführungsgesetz [MontÜG] vom 6. April 2004, geändert durch Gesetz vom 19. April
2005, BGBl. I 1070) darauf hin, dass für die Bemessung eines Schadens gemäß Art. 18
MÜ wegen Verlustes, Zerstörung oder Beschädigung eines Gutes die transportrechtlichen
Sondervorschriften des Handelsgesetzbuches, nämlich § 429 HGB, zur Anwendung
gelangen.
Nachfolgend sollen lediglich die wesentlichen Regelungen über den nationalen
Lufttransport angesprochen werden.
16.2
Der Luftbeförderungsvertrag
Bei einem Schaden an Frachtgütern, die mit Luftfahrzeugen befördert werden sollen
(§ 407 Abs. 3 Nr. 1 HGB), unterliegt die Haftung des Frachtführers den Vorschriften der
§§ 425 ff HGB. Der Begriff „Luftfahrzeug“ bestimmt sich nach § 1 LuftVG, er umfasst
insbesondere auch die zur Beförderung von Fracht dienenden Flugzeuge, Luftschiffe
(Cargolifter) und Drehflügler (u.a. Hubschrauber).
.
Der Luftfrachtbeförderung muss ein (Luft-)Frachtvertrag zugrunde liegen. Er ist ein auf die
unversehrte Beförderung des Gutes an den Bestimmungsort gerichteter Werkvertrag;
Formvorschriften für sein Zustandekommen bestehen nicht (formfreier
Konsensualvertrag) (Kirsch, in Kölner Kompendium Luftrecht, Bd 3, Teil I A, Rdnr. 198).
Es besteht insbesondere kein Frachtbriefzwang, jedoch kann der Absender die
Ausstellung eines (Luft-)Frachtbriefes verlangen. Dies könnte dann vorteilhaft sein, wenn
zB über den Abschluss und den Inhalt des Vertrages, über die Übernahme des Gutes
durch den Luftfrachtführer oder über die äußerliche Unversehrtheit des Gutes gestritten
wird, denn ein abgeschlossener und unterzeichneter Frachtbrief vermag über all diese
75 –
Fragen Beweis zu erbringen. Fehler oder Unrichtigkeiten bei der Ausstellung des
Frachtbriefes können haftungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen: Der Absender
haftet nach § 414 Abs. 1 Ziff. 2 HGB gewichtsabhängig, beschränkt und, sofern er kein
Verbraucher ist, unabhängig von Verschulden für Ersatz solcher Schäden und
Aufwendungen, die verursacht worden sind durch gewisse von ihm unrichtig oder
unvollständig in den Frachtbrief aufgenommene Angaben. Diese Haftungsregel gilt auch
bei Fehlen, Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der Begleitpapiere gemäß § 413 Abs. 1
HGB. Nimmt der Frachtführer Angaben unrichtig oder unvollständig im Luftfrachtbrief
auf, so bestimmt sich seine Haftung nach § 433 HGB. Für Schäden aufgrund Verlustes,
Beschädigung oder unrichtiger Verwendung der Begleitpapiere durch den Luftfrachtführer
haftet dieser, sofern der Verlust, die Beschädigung oder unrichtige Verwendung nicht
unvermeidbar waren, bis zur Grenze des Güterwertes (§ 413 Abs. 2 HGB). Die Haftung ist
verschuldensunabhängig, sie hatte zuvor im Luftverkehrsgesetz für den Luftfrachtführer
kein Vorbild.
Nach § 407 Abs. 3 Nr. 2 HGB ist Voraussetzung für die Anwendung der §§ 407 ff HGB,
dass die Beförderung zum Betrieb eines gewerblichen Unternehmens gehört. Mit dieser
Formulierung wird an den Begriff des Gewerbebetriebs in §§ 1 und 2 HGB angeknüpft.
Frachtführer kann aber nach § 407 Abs. 2 Satz 2 HGB auch ein Gewerbetreibender sein,
der über keinen nach Art oder Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteten
Gewerbebetrieb verfügt. Damit dürfte auch ein Unternehmen des Bedarfsluftverkehrs,
unabhängig davon, ob es einen nach Art und Umfang in kaufmännischer Weise
eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, und ein Gelegenheitsfrachtführer, der
außerhalb seines sonstigen Gewerbes ausnahmsweise eine Luftfrachtbeförderung
vornimmt, von §§ 407 ff HGB erfasst sein.
Durch die Anknüpfung an den Betrieb eines gewerblichen Unternehmens unterscheidet
sich das Haftungssubjekt des HGB von demjenigen des LuftVG. Im LuftVG war Haftender
der Luftfrachtführer, dh. diejenige Person, die vertraglich die Beförderung von Personen
oder Sachen auf dem Luftwege als eigene Leistung verspricht, wobei unerheblich war, ob
er den vereinbarten Lufttransport überhaupt mit eigenen Luftfahrzeugen auszuführen in
der Lage war (BGHZ 80, 280/284 = NJW 1981, 1664; BGHZ 88, 70 = NJW 1983, 2445;
OLG Karlsruhe, TranspR 2005, 367). Eine gewerbliche Qualifizierung seiner Tätigkeit war
mithin nicht gefordert. Während Beförderungen, die privaten Charakter haben, durch die
weite Bestimmung des Begriffes „Luftfrachtführer“ dem LuftVG unterlagen, findet auf
solche Beförderungen nunmehr, soweit sie nicht die Beförderung von Personen zum
Gegenstand haben, Werkvertragsrecht Anwendung bei entgeltlichen Beförderungen bzw.
76 –
Auftragsrecht bei unentgeltlichen Beförderungen (Ruhwedel, MünchKomm HGB
Ergänzungsband 7a, § 44 LuftVG Rdnr 7).
16.3
Die Haftung des Luftfrachtführers
Während unter der Geltung des Luftverkehrsgesetzes der Luftfrachtführer einer Haftung
für vermutetes Verschulden unterlag, haftet er unter der Geltung des
Handelsgesetzbuches, angelehnt an die Haftungsregelung nach Art. 17 CMR, nach § 425
HGB unabhängig von seinem Verschulden für Güterschäden, die sich während seiner
Obhutsausübung ereignen. Güterschaden ist der Schaden, der durch Verlust oder
Beschädigung1 des Gutes in der Zeit von der Übernahme der Beförderung bis zur
Ablieferung entsteht. Hierbei handelt es sich, wie schon bei § 44 LuftVG a.F., um eine
Obhutshaftung des Luftfrachtführers. Allerdings unterscheidet sich die Begrenzung des
Haftungszeitraumes nach § 425 HGB, bestimmt durch die Zeitpunkte „Übernahme“ und
„Ablieferung“ von dem Haftungszeitraum „während der Luftbeförderung“ gemäß § 44
LuftVG a.F. Nach § 44 Abs. 2 LuftVG a.F. war dieses der Zeitraum, während dessen die
Güter sich auf einem Flughafen, an Bord eines Luftfahrzeuges oder – bei Landung
außerhalb eines Flughafens – sonst in der Obhut des Luftfrachtführers befanden. Dieser
Haftungszeitraum war demzufolge bestimmt durch die Örtlichkeit der Güter, wohingegen
der Haftungszeitraum des § 425 HGB den gesamten Zeitraum der Obhutsausübung der
Güter durch den Luftfrachtführer umfasst, unabhängig davon, an welchem Ort sich die
Güter zwischen Übernahme und Ablieferung befinden.
Neben der Haftung des Luftfrachtführers für Sachsubstanzschäden bestimmt § 425 Abs. 1
HGB auch eine Haftung für Schäden auf Grund einer Überschreitung der Lieferfrist.
Lieferfrist ist entweder die fest vereinbarte oder die angemessene Lieferfrist (§ 423 HGB).
Die Lieferfrist ist überschritten, wenn das Gut dem Empfänger erst nach Ablauf der Frist
abgeliefert wird. Entsprechend der Haftung für Sachsubstanzschäden ist auch die Haftung
für Lieferfristschäden verschuldensunabhängig. Eine Haftung des Luftfrachtführers für
Lieferfristüberschreitung war im LuftVG nicht normiert, wohl aber im Warschauer
Abkommen (Art. 19 WA) oder im Montrealer Übereinkommen (Art. 19 MÜ). Bei einer rein
innerstaatlichen Beförderung war bis zum Inkrafttreten des TRG zur Bestimmung der
Rechtsfolgen eines Verspätungsschadens auf die allgemeinen Vorschriften des BGB
zurückzugreifen.
77 –
Wie für eigenes Handeln oder Unterlassen haftet der Luftfrachtführer auch für Handeln
oder Unterlassen seiner Leute (§ 428 Satz 1 HGB). Dem Kreis der “Leute“ zählt Koller
(Koller, Transportrecht, § 428 HGB Rdnr. 4; so auch Fremuth, in Fremuth/Thume, § 428
HGB Rdnr. 10) nur die Betriebsangehörigen (Arbeitnehmer, Aushilfskräfte,
Familienangehörige des Frachtführers) des Luftfrachtführers zu. Allein auf die
Betriebszugehörigkeit kam es demgegenüber im Luftverkehrsgesetz und kommt es im
Warschauer Abkommen oder im Montrealer Übereinkommen nicht an. Hier wurde/wird
entscheidend darauf abgestellt, ob sich der Luftfrachtführer der Leute zur Ausführung der
Beförderung bedient, gleichgültig, ob sie Angestellte oder Selbständige sind, sofern sie in
Ausführung einer ihnen vom Luftfrachtführer übertragenen Verrichtung handeln (BGH
NJW-RR 1989, 723 = VersR 1989, 522). Dementsprechend werden in § 428 Satz 2 HGB
haftungsrechtlich erfasst auch „andere Personen“ (als diejenigen des Satz 1). Diese
„anderen“ Personen sind mit einzelnen Beförderungs- und Hilfstätigkeiten betraut, ohne
indes im Gewerbe des Luftfrachtführers angestellt zu sein (Lagerhausbetreiber,
Abfertigungsunternehmen). Ihr Handeln oder Unterlassen wird dem Luftfrachtführer
allerdings nur dann zugerechnet, wenn sie in Ausübung ihrer Verrichtungen gehandelt
haben, dh der schadenskausale Pflichtenverstoß muss noch im allgemeinen Umkreis der
zugewiesenen Aufgaben geschehen sein und darf nicht nur bei Gelegenheit begangen
worden sein. Insgesamt dürfte der Begriff der „Leute“ in § 428 Satz 1 HGB und der Begriff
„andere Personen“ in § 428 Satz 2 HGB vergleichbar sein mit dem Begriff „Leute“ in § 45
LuftVG a.F., in Art. 20 WA und in Art. 30 MÜ.
16.4
Haftungsausschlussgründe
Vergleichbar Art. 17 Abs. 2 CMR kann sich der Luftfrachtführer durch den Nachweis eines
unabwendbaren Ereignisses entlasten, mithin durch den Nachweis eines Umstandes, den
der Luftfrachtführer bei Anwendung größter Sorgfalt nicht vermeiden und dessen Folgen
er nicht abwenden konnte (§ 426 HGB). Ein besonders gewissenhafter Frachtführer muss
auch bei Anwendung der äußersten ihm zumutbaren Sorgfalt außerstande gewesen sein,
den Schaden zu vermeiden. Unvermeidbarkeit und Unabwendbarkeit des Schadens sind
am Maßstab eines „idealen“ Frachtführers zu messen (BGHZ 113, 164; Koller,
Transportrecht, § 426 HGB Rdnr. 4). Die Wahrnehmung allein der Sorgfalt eines
„ordentlichen Kaufmanns“ iSd § 475 HGB ist insoweit nicht ausreichend. Damit stünde die
Haftung bei Güterschäden unmittelbar an der Grenze einer verschuldensunabhängigen
Erfolgshaftung, wenn nicht durch die Beschlussempfehlung des Bundestages (BTDrucksache 13/10014, S. 13, 58) in § 426 HGB noch die Worte „bei größter Sorgfalt“
eingefügt worden wären. Durch diese Einfügung konnte das im Luftrecht vorherrschende
78 –
Prinzip der Haftung für vermutetes Verschulden aufrecht erhalten bleiben. Die Möglichkeit
der Haftungsentlastung unter § 426 HGB ist erheblich restriktiver als die unter § 45
LuftVG a.F. anwendbare Entlastungsmöglichkeit durch den Nachweis, alle erforderlichen
Maßnahmen zur Verhütung des Schadens getroffen zu haben oder diese Maßnahmen
nicht getroffen zu haben können. Analog § 45 LuftVG a.F. hat der Luftfrachtführer
zunächst den Entlastungsbeweis für eigenes Verhalten und dasjenige seiner Leute zu
führen. Darüber hinaus ist er jedoch noch für das Verhalten der „anderen Personen“
gemäß § 426 Satz 2 HGB, derer er sich zur Ausführung der Beförderung bedient,
beweispflichtig.
Der Luftfrachtführer kann sich ferner dann ganz oder teilweise von seiner Haftung
befreien, wenn ihm der Nachweis des Vorliegens eines oder mehrerer der
Haftungsausschlussgründe des § 427 HGB gelingt. Vorrangig zu denken ist hier an
Schäden auf Grund ungenügender Verpackung des Gutes durch den Absender oder auf
Grund der natürlichen Beschaffenheit des Gutes. Eine vergleichbare Regelung findet sich
auch für internationale Luftbeförderungen im Montrealer Übereinkommen (Art. 18 Abs. 2;
zum Inhalt dieser Haftungsausschlussgründe s. Müller-Rostin,.in Giemulla/Schmid MÜ
Art. 18, Rdnr. 58 ff.), während Eigenarts- und Beschaffenheitsschäden in § 49 LuftVG a.F.
nur dann haftungsausschließend wirkten, wenn eine besondere Vereinbarung zwischen
Luftfrachtführer und Absender über die Haftungsvereinbarung getroffen worden war. Einer
solchen Vereinbarung bedarf es nach § 427 HGB nicht mehr (Ruhwedel, MünchKomm
HGB Ergänzungsband 7a, § 44 LuftVG Rdnr. 18).
16.5
Ersatz für Güterschäden
Bei Güterschäden, die durch Verlust oder Beschädigung verursacht worden sind, bemisst
sich die Ersatzleistung nach den Vorschriften der §§ 429–432 HGB. Nach dem
Wertersatzprinzip in § 429 HGB ist abzustellen auf den Wert des Gutes am Ort und zum
Zeitpunkt seiner Übernahme. Mittelbare Schäden, etwa Güterfolgeschäden, sind nach
§ 432 Satz 2 HGB nicht ersatzfähig Der Ausschluss mittelbarer Schäden umfasst
allerdings nur Folgeschäden, die die vertragliche Obhutshaftung des Luftfrachtführers
betreffen, nicht indes die außervertragliche Haftung für Schäden an Drittgütern (Abele, in
Geigel, Der Haftpflichtprozess, Kap. 28, Rdnr. 192). Demgegenüber sind im Rahmen des
Haftungshöchstbetrages gemäß § 430 HGB etwaige Kosten der Schadensfeststellung
ersatzfähig.
Die Haftung des Luftfrachtführers für Güterschäden ist auf die in § 431 HGB
vorgesehenen Haftungshöchstbeträge begrenzt. Die Regelhaftung von 8,33
79 –
Rechnungseinheiten (= Sonderziehungsrechte des Internationalen Währungsfonds, vgl
§ 431 Abs. 4 HGB) je Kilogramm stellt eine erhebliche Verringerung im Vergleich zu § 46
LuftVG a.F. (53,50 DM = 27,35 EUR) und eine Halbierung im Vergleich zu Art. 22 MÜ
(19 SZR) dar. Bei nicht-verbraucherbezogenen Luftfrachtverträgen kann im Rahmen des
sog. Haftungskorridors gemäß § 449 Abs. 2 HGB durch vorformulierte Bedingungen die
Haftung für Güterschäden zwischen 2 und 40 SZR festgelegt werden. Hier unterscheiden
sich die Vorschriften des nationalen von denen des internationalen Rechts, da dort die
Haftungssummen nicht zulasten des Vertragspartners des Luftfrachtführers verringert
werden dürfen (Art. 23 WA/HP bzw. Art. 26 MÜ). In Fällen schweren Verschuldens, dh bei
Vorsatz und bewusst leichtfertigem Handeln oder Unterlassen – auch seiner Leute –
haftet der Luftfrachtführer unbeschränkt (§ 435 HGB). Diese Haftungsregel ist trotz der
gewollten Anlehnung des TRG an die CMR Art. 25 WA/HP nachgebildet. Anders als bei
innerstaatlichen Beförderungen oder als noch im Warschauer Abkommen und im Haager
Protokoll entfällt bei internationalen Beförderungen, die dem Montrealer Übereinkommen
unterliegen, die Möglichkeit der Haftungsdurchbrechung im Falle schweren Verschuldens,
die Frachtführerhaftung ist dort selbst bei schwerem Verschulden unverbrüchlich.
Die Haftung des Luftfrachtführers für Verspätungsschäden ist auf den dreifachen Betrag
der Fracht begrenzt. Im Unterschied zur Regelung bei internationalen Beförderungen ist
diese Haftungsbegrenzung mithin nicht abhängig vom Gewicht des Frachtgutes.
Reine Vermögensschäden, also unabhängig von einem Güter- oder auch
Verspätungsschaden entstandene Schäden aus Schlechtleistung im Sinne von § 280
BGB und anderen Pflichtverletzungen mit Transportbezug (z.B. falsche Auskunft,
Nichteinhaltung von Absprachen) sind nach § 433 HGB bis zum Dreifachen der
Entschädigung für Verlust des Gutes zu entschädigen.. Eine vergleichbare Regelung für
internationale Beförderungen fehlt.
Wie bereits unter Art. 28 CMR wird durch § 434 HGB eine Anspruchskonkurrenz mit
außervertraglichen Ansprüchen ausgeschlossen. Auch für Ansprüche Dritter, dh nicht am
Beförderungsvertrag beteiligter Parteien, z.B. Eigentümer des beförderten Gutes, gelten
grundsätzlich die frachtvertraglichen Haftungsbegrenzungen, jedenfalls dann, wenn der
Dritte der Luftbeförderung zugestimmt hat oder zumindest mit ihr gerechnet hat. Fehlen
indes diese Voraussetzungen, so entfallen die Haftungsbeschränkungen nur dann, wenn
der Luftfrachtführer die fehlende Befugnis des Absenders kannte oder fahrlässig nicht
kannte, es sei denn, dem Absender ist das Gut vor der Beförderung abhanden gekommen
(§ 434 Abs. 2 HGB).
80 –
16.6
Die Schadensanzeige
Solange der Luftbeförderungsvertrag dem Luftverkehrsgesetz unterlegen hatte, galt
hinsichtlich einer Schadensanzeige für den Ersatzberechtigten die in §§ 47 iVm 40 LuftVG
a.F. normierte Verpflichtung, zur Wahrung seines Anspruches spätestens drei Monate,
nachdem er von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt
hatte, diesem den Schaden anzuzeigen. Anders als nach internationalem Recht bestand
eine Anzeigeverpflichtung nicht nur für Beschädigung, sondern auch für Zerstörung und
Verlust.
Im Handelsgesetzbuch erfolgt nunmehr die Regelung der Schadensanzeige für Verlust
und Beschädigung analog Art. 30 CMR in § 438 HGB. Eine vorbehaltslose Annahme der
Sendung bedeutet nicht Verlust des Anspruches, sondern lediglich Vermutung ihrer
vertragsgemäßen Ablieferung (Beweislastumkehr analog Art. 26 WA/HP und Art. 31 MÜ,
wobei einheitsrechtlich allerdings eine Anzeige nur für Fälle der Beschädigung gefordert
wird). § 438 HGB fordert bei erkennbaren Schäden eine – formlose – Anzeige zum
Zeitpunkt der Ablieferung, bei nicht erkennbaren Schäden eine solche binnen 7 Tagen
nach Ablieferung. Demgegenüber fordern Art. 26 WA/HP und Art. 31 MÜ eine Erstattung
der Schadensanzeige bei Beschädigung innerhalb von 14 Tagen nach Ablieferung,
unterschiedslos, ob der Schaden erkennbar war oder nicht. Eine Lieferfristüberschreitung
ist nach § 438 HGB zur Aufrechterhaltung des Anspruches binnen 21 Tagen nach
Ablieferung anzuzeigen (entsprechende Regelung auch in Art. 26 WA/HP und Art. 31
MÜ). In der Schadensanzeige ist der Schaden „hinreichend deutlich zu kennzeichnen“,
mithin sind allgemeine Angaben zur Schadensbeschreibung nicht ausreichend.
16.7
Verjährungsregelung
Analog Art. 32 CMR ist in § 439 HGB die Regelung der Verjährung ausgestaltet. Die Frist
beträgt ein Jahr, im Falle des Vorsatzes und der bewussten Leichtfertigkeit des
Schädigers drei Jahre, jeweils beginnend mit dem Tage der Ablieferung. Einheitsrechtlich
ist die Frist des Art. 28 WA/HP bzw Art. 35 MÜ dagegen als Ausschlussfrist bestimmt. Sie
beträgt unabhängig vom Verschuldensgrad des Ersatzpflichtigen zwei Jahre.
16.8
Die Beförderungsdokumente
Vergleichbar mit den einheitsrechtlichen Regelungen ist auch nach nationalem Recht der
Luftbeförderungsvertrag Konsensualvertrag. Nach §§ 408, 409 HGB besteht kein
Frachtbriefzwang (anders unter Warschauer Abkommen/Haager Protokoll: dort ist die
Nichtausstellung sanktionsbewehrt [Art. 9 WA/HP]; demgegenüber Montrealer
81 –
Übereinkommen: keine Sanktion [Art. 9 MÜ], jedoch kann der Luftfrachtführer die
Ausstellung eines Frachtbriefes vom Absender verlangen, zudem ist seine Ausstellung
üblich (Kirsch, in Kölner Kompendium Luftrecht, Bd 3, Teil I A, Rdnr. 200). Ein
ausgestellter und unterschriebener Frachtbrief beweist den Abschluss und den Inhalt des
Vertrages sowie die Übernahme des Gutes durch den Frachtführer; fehlt ein
entsprechender Eintrag des Luftfrachtführers, wird der äußerlich gute Zustand des Gutes
und die Übereinstimmung von Zahl und Bezeichnung mit den Angaben im Luftfrachtbrief
vermutet.
17
Schlussbemerkung
Das Inkrafttreten des Montrealer Übereinkommens schafft Transparenz im Hinblick auf das
Regelwerk, dem der internationale Luftverkehr unterliegt. Die bisherige Vielzahl von
völkerrechtlichen Abkommen und Protokollen, europarechtlichen Bestimmungen und
privatrechtlichen Vereinbarungen werden – wenn hinreichend viele der großen Luftverkehr
betreibenden Staaten das Übereinkommen ratifizieren – wieder zu einem einzigen
Instrument zusammengeführt.
Damit relativiert sich aber auch zugleich die Bedeutung der neuen Regelungen im
Montrealer Übereinkommen. Denn die Haftungsregelungen für Passagierschäden, die zu
einer gleichsam unbeschränkten Haftung des Luftfrachtführers führen, finden sich heute
bereits in der Verordnung (EG) 2027/97 und im IATA Intercarrier Agreement.
Die Haftungsregelungen für Frachtschäden, insbesondere auch die Regelung der
Unverbrüchlichkeit der Haftungsgrenzen selbst in Fällen groben Verschuldens, ebenso wie
die Einräumung der Möglichkeit, auf elektronische Dokumentation zurückzugreifen, sind
bereits Bestandteil des seit Juni 1998 – wenngleich nicht in Deutschland – gültigen
Montrealer Protokolls Nr. 4. Und auch die Regelungen über die Haftungsverteilung
zwischen vertraglichem und ausführendem Luftfrachtführer beim Code-Sharing sind aus
dem seit rund 40 Jahren bestehenden Zusatzabkommen von Guadalajara übernommen.
Somit liegt die große Bedeutung des Montrealer Übereinkommens in der Vereinheitlichung
all dieser Regelungen in einem einzigen Übereinkommen, wodurch für alle am
Luftbeförderungsvertrag beteiligten Parteien Rechtsklarheit und Rechtssicherheit
geschaffen wird.
Die Vorschriften der §§ 407ff HGB finden vorrangig nur auf innerdeutsche
Luftfrachttransporte Anwendung. Diese wiederum haben wegen der geringen Ausdehnung
82 –
der Bundesrepublik Deutschland lediglich eingeschränkte Bedeutung. Dort, wo das
Einheitsrecht Lücken lässt, können indes die §§ 407ff HGB herangezogen werden, sofern
die Vorschriften des Internationalen Privatrechts auf die ergänzende Anwendung deutschen
Rechts verweisen.
83 –
Übersicht
Prüfungsschema für den Schadensfall
Bestimmung des anwendbaren Rechts:
- WA in der Originalfassung von 1929
- WA in der Fassung des Haager Protokolls von 1955
- Montrealer Übereinkommen von 1999
- Nationales Recht, wenn internationale Übereinkommen nicht anwendbar, z. B.
Deutschland-Thailand, da Thailand kein Ratifikationsstaat,
jeweils abhängig von Abgangs- und Bestimmungsort
Bestimmung der Person des Anspruchstellers:
Absender stets als Vertragspartei des Luftfrachtführers
Empfänger bei Verlust oder bei Verspätung nach Ankunft des Gutes am
Bestimmungsort (Art. 13 Abs. 3 WA, WA/HP, MÜ)
Empfänger bei Beschädigung als Begünstigter aus dem Beförderungsvertrag
vorausgesetzt:
- Empfänger hat Annahme des Frachtbriefes oder des Gutes nicht verweigert
- Empfänger ist erreichbar
- Empfänger hat nicht auf Ausübung seiner Rechte verzichtet
- Zahlung der geforderten Beträge,
- Erfüllung sonstiger Verpflichtungen aus dem Beförderungsvertrag
- Luftfrachtführer hat den Verlust anerkannt oder
- nach Ablauf des 7. Tages nach dem vorgesehenen Ankunftstermin
Keine Anspruchsberechtigung sonstiger Dritter (Notify, Eigentümer der Sendung),
sofern Ansprüche nicht abgetreten. Anspruch des Versicherers aus
übergegangenem Recht nach § 67 VVG (alt) bzw. § 86 VVG (neu)
Bestimmung der Person des Anspruchsgegners:
Vertraglicher Luftfrachtführer
Ausführender Luftfrachtführer, aber beschränkt auf seinen Beförderungsabschnitt
Nachfolgender Luftfrachtführer bei Sukzessivbeförderung:
- Absender gegen den 1. und den tatsächlich verantwortlichen L.
- Empfänger gegen den letzten und den tatsächlich verantwortlichen L.
Schadensanzeige:
(Substantiierte) Schadensanzeige erforderlich (nur) bei Beschädigung einschl.
Teilverlust und Verspätung
Vorbehalt bei Annahme der Sendung?
wenn nein – Umkehr der Beweislast
Schadensanzeige bei Beschädigung einschl. Teilverlust unverzüglich, aber jedenfalls
84 –
binnen 7 Tage WA 1929, 14 Tage WA/HP, MÜ nach Annahme des Gutes, bei
Verspätung unverzüglich, aber jedenfalls binnen 14 Tage WA 1929, 21 Tage
WA/HP, MÜ nach Verfügungstellung des Gutes
Fehlende oder nicht rechtzeitige oder nicht substantiierte Schadensanzeig e – kein
Anspruch wegen Beschädigung oder Verspätung! (es sei denn, Luftfrachtführer
ist aus anderer Quelle, z.B. eigene Mitarbeiter, Zollpapiere, über Schaden
informiert)
Geltendmachung und Nachweis der Höhe des Schadens:
Berechnung der Haftungsgrenzen:
Gewicht der Sendung x 27,35€ (WA, WA/HP) bzw. x 19 SZR (MÜ)
bei Teilschaden: Gesamtgewicht der jeweils betroffenen Stücke x 27,35€ bzw. 1 9 SZR
Haftung nach WA, WA/HP wegen vermuteten Verschuldens des Luftfrachtführers oder
seiner Leute, es sei denn, Entlastungsbeweis nach Art. 20 (Nachweis aller
erforderlichen Maßnahmen….) oder Art. 21 (Mitverschulden des Geschädigten
Durchbrechung der Haftungsgrenze: Grundsätzlich begrenzte Haftung, es sei denn,
Dokumentenfehler gem. Art. 9 oder grobes Verschulden des Luftfrachtführers
oder seiner Leute gem. Art. 25 WA (Vorsatz oder dem Vorsatz gleichstehendes
Fahrlässigkeit) bzw. Art. 25 WA/HP (Absicht oder Leichtfertigkeit)
Haftung nach MÜ verschuldensunabhängig für Beschädigung, Zerstörung oder Verlust,
Haftung für Verspätung nur, wenn Luftfrachtführer nicht nachweisen kann, dass
er und seine Leute alle zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung des
Schadens…, (Art. 19 MÜ)
Haftungsausschlussgründe (vier) gemäß Art. 18 Abs. 2 MÜ bzw. mitwirkendes
Verschulden des Absenders/Empfängers (Art. 20 MÜ)
Haftung begrenzt auf 19 SZR, keine Durchbrechung möglich, Anhebung allenfalls
durch Vereinbarung oder Wertdeklaration
Gemischte Beförderung gem Art. 31 WA/HP bzw. Art. 38 MÜ
Anspruch nach WA/HP bzw. MÜ nur, wenn Schaden nachweislich während
Luftbeförderung verursacht
Anspruch nach Recht des Oberflächenbeförderungsmittels nur, wenn Schaden
nachweislich während Oberflächenbeförderung verursacht
bei unbekanntem Schadensort: §§ 407, 425ff HGB
bei Vor- und Nachtransporten Anspruch nach WA/HP bzw. MÜ, sofern Schaden nicht
nachgewiesenermaßen auf Vor- bzw. Nachtransport verursacht
Möglichkeit der Einleitung eines Schiedsverfahrens gem Art. 32 Satz 2 WA/HP
bzw. Art. 34 MÜ
Gerichtsstand
Vier Gerichtsstände gemäß Art. 28 WA/HP bzw. Art. 33 MÜ
zusätzlich bei MÜ Gerichtsstand am Ort des Wohnsitzes oder der Hauptniederlassung
des ausführenden Luftfrachtführers nach Art. 46 MÜ
85 –
Klagefrist
Ausschlussfrist 2 Jahre beginnend am Tage, an dem das Luftfahrzeug angekommen ist
bzw. hätte ankommen sollen bzw. die Beförderung abgebrochen worden ist (Art.
29 WA/HP bzw. Art. 33 MÜ)
86 –
Literaturverzeichnis
1) Fremuth/Thume, Kommentar zum Transportrecht, 1. Aufl. 2000
2) Giemulla/Schmid, Frankfurter Kommentar zum Warschauer Abkommen,
Loseblattsammlung
3) Giemulla/Schmid, Frankfurter Kommentar zum Montrealer Übereinkommen,
Loseblattsammlung
4) Hobe/von Ruckteschell, Kölner Kompendium Luftrecht, Band 3, 2010
5) Koller, Transportrecht, 7. Aufl. 2010
6) Kronke, in Münchener Kommentar, Handelsgesetzbuch Band 7, Warschauer
Abkommen, 1997
7) Mühlbauer, in Geigel, Haftpflichtprozeß, Kap. 29, 26. Aufl. 2010
8) Reuschle, Kommentar zum Montrealer Übereinkommen, 1. Aufl. 2005
9) Ruhwedel, in Münchener Kommentar, Handelsgesetzbuch Band 7, Montrealer
Übereinkommen, 2010
10) Ruhwedel, in Münchener Kommentar, Handelsgesetzbuch Ergänzungsband 7a,
Luftverkehrsgesetz, 1998
11) Ruhwedel, Der Luftbeförderungsvertrag, 3. Aufl., 1997 (zitiert Ruhwedel, Rdnr.)
12) Thonfeld, Fachkommentar Transportrecht
87 –
Anhang (Dokumente)
1)
Luftfrachtbrief Vorderseite
2)
IATA Resolution 600b (=Rückseite des Luftfrachtbriefes)
3)
Allgemeine Beförderungsbedingungen für Fracht der Lufthansa Cargo
Aktiengesellschaft (Stand März 2011)
Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Lufthansa Cargo AG
4)
Gesetz zur Durchführung des Übereinkommens vom 28. Mai 1999 zur
Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen
Luftverkehr und zur Durchführung der Versicherungspflicht zur Deckung der Haftung
für Güterschäden nach der Verordnung (EG) Nr. 785/2004 (MontÜG)
5)
Neunte Verordnung zur Änderung der Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung
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92 –
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