SRA für DÄB

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SRA für DÄB
VHF und seine Risikofaktoren, VHF als Risikofaktor,
therapeutische Chancen durch Screening, wirtschaftliche
Chancen durch IV-Vertrag.
Wenn die Bevölkerung durchschnittlich immer älter werden darf, werden notwendigerweise
auch die altersadäquaten Krankheiten zunehmen müssen. Dies gilt in dem hier diskutierten
Rahmen für alle cardiovaskulären Risikofaktoren – insbesondere für Vorhofflimmern (VHF)1
und die damit zusammenhängenden Folgeerscheinungen apoplektischer Insult (wozu auch die
TIA zählen muss) und Demenz. Der Apoplexie-Risikofaktor Vorhofflimmern (erstmals 1978
beschrieben2) verfünffacht das Auftreten thromboembolischer Schlaganfälle, die mit 88% der
Apoplexieursachen den eindrucksvollsten Part einnehmen. Von 4 Menschen, die derzeit älter
sind als 40 Lebensjahre, wird einer an Vorhofflimmern erkranken3. Auch gilt, dass bis zu 20
% aller Schlaganfälle durch Vorhofflimmern bedingt sind – mit dem erschwerenden Moment,
dass diese Insulte auch die desolateren Folgezustände zeitigen.4,5
Die AHA führt das nicht-klappenbedingte Vorhofflimmern unter der Rubrik „gut
dokumentierte, beeinflussbare Risikofaktoren“ des Schlaganfalls mit einem relativen Risiko
(RR altersabhängig) zwischen 2,6 bis 4,5 auf, die Risiken des unbehandelten Hochdrucks
(RR je nach Alter 1,0 bis 4,0) oder des Rauchens (RR 1,8) übertreffend6.
VHF tritt auch in scheinbar gesunden Populationen auf, wie bei sportlich Aktiven
(unabhängig ob Freizeit-Sportler oder Athleten der Spitzenklasse)7. Laut Mont et al. ist für
den Sportler (in den vorliegenden Studien meistens männlich, Alter zwischen 40 und 50
Jahren) die Wahrscheinlichkeit VHF zu entwickeln bis zu 10 fach höher als bei der
Normalbevölkerung8. Weniger aktive Zeitgenossen können durch moderate Aktivität das
Risiko einer Vorhofflimmer-Erkrankung mindern, offenbar findet sich eine J-förmige
Abhängigkeit zwischen körperlicher Bewegung und VHF, mit einem maximalen Risiko bei
Couch-Potatoes und Leistungssportlern, und einer gesünderen Alternative im mäßigen
Bewegungsbereich9.
Gibt es Unterschiede zwischen den differenten Kategorien des Vorhofflimmerns
(persistierendes, permanentes oder paroxysmales Vorhofflimmern)? Die Euro Heart Survey
weist bezüglich der Folgeschäden – Schlaganfall und andere thromboembolische
1
Hohnloser,St.,Grönefeld,G.,Israel,C.,Prophylaxe und Therapie von Vorhofflimmern.Bremen 2005
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3
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4
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7
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8
Mont,L. et al. Endurance sport practice as a risk factor for atrial fibrillation and atrial flutter. Europace 2009
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9
Mozaffarian, D. et al. Physical Activity and Incidence of Atrial Fibrillation in Older Adults. Circ 2008; 118:
800-807
2
Komplikationen - keine Unterschiede zwischen den Patientengruppen auf10, und diskutiert
den Risikoanstieg durch hochfrequentes An- und Ausschalten des Vorhofflimmerns, wie es
bei paroxysmalem VHF (PAF) eher vorkommen müßte11.
Historisch gesehen hat sich die Epidemiologie auf cardiovaskuläre Erkrankungen focusieren
lassen – mit Betonung des „Cardio“-Anteils – die OXVASC-Studie zeigte die Präponderanz
der apoplektischen Form vaskulärer Ereignisse vor der cardialen Erscheinungsform auf 12.
Eine spezielle Risikokonstellationen: Frauen werden älter als Männer, tendieren im Alter zu
häufigerem VHF, gefolgt von apoplektischen Insulten, die schwerere Beschädigungen
hinterlassen.13
Apoplexien fördern über die körperliche Behinderung hinaus Demenz14,15,16 davon
unabhängig ist Vorhofflimmern allein Ursache vaskulärer Demenz 17, auch morphologischer
Hirnveränderungen18. Auch wenn durch MRT- Untersuchungen Schlaganfälle ausgeschlossen
werden, haben Flimmerpatienten bereits nachweisbare Minderungen ihrer mentalen
Leistungsbreite (Lernen, Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Exekution)19. Dringend notwendig ist
es unter diesen Umständen, jeglichen therapeutischen Nihilismus bezüglich beginnender
Demenz zu vermeiden, da gerade der Mischzustand aus M.Alzheimer und vaskulärer Demenz
(mixed dementia20) die Möglichkeit bietet, wenigstens in einem Teilbereich erfolgreich
Vorsorge zu betreiben und terminale Zustände aufzuschieben21. Dies ist sowohl medizinisch
eine befriedigende Aussicht, als auch volkswirtschaftlich ein Gewinn, wie an dieser Stelle von
Knecht et al. dargelegt22
Thromboembolische Gefässverschlüsse treten nicht nur zentral (Hirn, Auge, Herz und Lunge)
sondern auch peripher auf. Vor allem jüngere Patienten (<45 Jahre) zeigen die, internistisch
nicht zu diagnostizierende, Symptomatik retinaler Gefäßverschlüsse durch cardiogene
Embolie23. In zeitlich engem Bezug wird auch über das relative Risiko einer Herzinsuffizienz
berichtet (6,4 faches relatives Risiko über einen Beobachtungszeitraum von 6 Jahren24).
10
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24
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Vorhofflimmern, vor allem in der paroxysmalen Form, zu diagnostizieren ist alles andere als
einfach, das Royal College of Physicians spricht von einer „verborgenen“ Krankheit 25.
Auch die epidemiologischen Studien, die mit einer weiteren Zunahme der VHF-Inzidenz
rechnen, sehen sich bisher außerstande das Dilemma des stummen („silent“) VHF so zu lösen,
dass sich daraus konkrete Zahlen ergeben26, zumal die Symptome des VHF „vielfältig und
häufig auftretend27“, also unspezifisch und nicht richtungweisend sind. Auch die
Untersuchung von provozierenden Situationen und Auslösern des PAF hat die Diagnostik
nicht erleichtern können28. Anhand implantierter Messsysteme (Schrittmacher mit VHFDetektion und EKG-Speicher) kann die Symptomfreiheit auch mehr als 48 Stunden dauernder
VHF-serien bewiesen werden29. Es ist nicht beruhigend zu erfahren, dass die Diagnose eines
bereits vorliegenden Vorhofflimmerns in einer synchron verfertigten EKG-Ableitung weder
von Ärzten noch von Auswertesystemen (Biolog-Software) – auch kombiniert – mehr als
92% Genauigkeit erreicht30
Jede therapeutische Intervention verlangt zuerst eine klare Diagnose, und gerade bezüglich
der paroxysmalen Form des Vorhofflimmerns fehlten bisher präzisere diagnostische
Instrumente31, und es ist nur eine Schätzung, symptomloses PAF träte 12 mal häufiger auf als
PAF mit Symptomen32. Nicht nur die Erstdiagnose VHF, oder weitere Diagnoseschritte zur
Kategorisierung des jeweiligen VHF, auch Erfolgskontrollen nach Rhythmisierung33
erfordern die bestmögliche Diagnostik. Nieuwlaat et al. beklagen den ungenauen Datenerwerb
bezüglich symptomatischer und asymptomatischer VHF-Attacken, dieses nicht-invasiv zu
optimieren sei eine „ziemliche Herausforderung“.34
Sich dieser Herausforderung zu stellen bedeutet, dass sich die Chancen für Schlaganfall
gefährdete Patienten enorm verbessern lassen. Einer Modellrechnung für Deutschland35
zufolge schätzt man jährlich etwa 12000 Schlaganfallpatienten, deren Schlaganfallursache in
nicht detektiertem paroxysmalen VHF zu vermuten ist. Deren Aussichten sind umso
schlechter, als auch die effektive Sekundärprophylaxe mit Vitamin-K-Antagonisten
unterbleibt!
Das neue SRA-Verfahren (Schlaganfall-Risiko-Analysator) kann Patienten mit paroxysmalem
VHF auch zwischen den Flimmerepisoden identifizieren. Dies geschieht durch die
Anwendung nicht-linearer mathematischer Verfahren zur Mustererkennung. Hierzu werden
Zeitwerte aus einem einstündigen EKG-Mitschnitt aufgezeichnet, in einem 6-dimensionalen
Royal College of Physicians, New guidelines to identify and treat „hidden disease“.
www.nice.org.uk/niceMedia/pdf/2006-June-atrial-fibrillation-launch.pdf (Stand v. 29.12.2008)
26
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27
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34
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35
Duning,T.,Kirchhof,P.,Knecht,S. Vorhofflimmern in der Neurologie. Nervenheilkunde 2008; 3: 157-186
25
Koordinatensystem verrechnet und als 2-dimensionaler Lorenz-Plot dargestellt. Atriales
Remodelling mindert die effektive Refraktärzeit und erhöht die Dynamik der RR-Intervalle,
durch die Mustererkennung wird auch jenseits aktueller Flimmerepisoden deren
Wahrscheinlichkeit mathematisch definierbar.
Die Anwendung ist unkompliziert: auf den üblichen thorakalen Holter-Abnahmepunkten
aufgeklebte Elektroden verbinden sich mit einem sehr leichten Rekorder (von dem es mehrere
Modelle gibt), die eingelegte SD-Karte wird nach einer Stunde über einen kommerziellen
Kartenleser dem SRA-Server per Internetanbindung (mit vorher installierter Software)
angeboten, und wenige Minuten später erhält der Anwender die Analyse, bestehend aus
Lorenz (oder Poincaré) -Plot und gradueller Risikostaffelung. Jeglicher Punkt des Plots ist per
Internetviewer interaktiv anzusteuern und im Rahmen eines kleinen Zeitfensters als EKGStreifen am Bildschirm einzeln nachkontrollierbar.
Folgende Risikogruppen werden definiert:





Sinusrhythmus
Atriale Herzrhythmusstörungen – Überprüfung auf paroxysmales Vorhofflimmern
erforderlich
Andere Herzrhythmusstörungen
Signifikante Anzeichen für paroxysmales Vorhofflimmern
Signifikante Anzeichen für akutes Vorhofflimmern
- diesen folgend lassen sich Entscheidungspfade festlegen. Unproblematisch sind dabei die
Einteilungen „Sinusrhythmus“ und „Andere Herzrhythmusstörungen“, beide lassen sich
durch Ruhe-EKG, Ergometrie oder 24-Stunden-EKG verifizieren. In der letzten Gruppe ist –
sofern nicht gerade während der gesamten Aufzeichnungszeit PAF vorherrscht – ein RoutineEKG beweisführend. Die beiden übrigen Rubriken „atriale Rhythmusstörungen“ und
„Anzeichen für PAF“ verlangen nach Meinung der Anwender die Betroffenen zu Holterserien
von 3 bis 7 Tagen zu motivieren und bei Nachweis von VHF-Episoden mit der
Antikoagulation zu beginnen.
Wie stellen sich die Krankenkassen zu diesem neuen Verfahren? Die erste Krankenkasse, die
vollständig die Kosten extrabudgetär im Rahmen eines IV-Vertrages übernimmt, ist die KKH;
Versicherte ab dem 50.Lebensjahr mit wenigstens einem zu Vorhofflimmern führenden
Risikofaktor (Hypertonie, KHK, Herzinsuffizienz, Diabetes mellitus, Zustand nach Apoplexie
oder Schlafapnoe-Syndrom) haben die Berechtigung zu dieser Untersuchung.
Diese extrabudgetäre Vergütungsmöglichkeit ist also auch für den Anwender vorteillhaft :
Die Kostenrechnung :
Einiges an Fragen ist noch abzuarbeiten:
 Könnte man gleich genaue Ergebnisse auch mit schmälerem Zeitfenster erzielen, oder
je nach errechneter Risikoklasse mit erweitertem Zeitaufwand die Sicherheit der
Aussage erweitern?
 Welche therapeutische und diagnostische Konsequenz ist bei Fällen mit
paroxysmalem VHF plus Lone-Atrial-Fibrillation36,37 zu ziehen, die in der SRAAuswertung ein bad risk darstellen?
36
Frost,L.Lone Atrial Fibrillation: Good, Bad, or Ugly? Circ 2007;115:3040-3041
Jahangir,A. et al. Long-Term Progression and Outcomes With Aging in Patients With Lone Atrial Fibrillation.
Circ 2007;115:3050-3056
37



Wie entwickeln sich klassifizierte Risikoträger im Laufe der Zeit? Welche Patienten
haben die beste/schlechteste Prognose?
In welchen Intervallen müssen grenzwertige Risiken nachuntersucht werden?
Wie definieren sich PAF-Attacken zeitlich: ab 5 Sekunden, ab 30 Sekunden – mit
SRA identifizierte Risikoträger könnten genauerer Analyse zugeführt werden
Lohnend wird es für die Therapieentscheidung frühzeitiges VHF-Wissen verfügbar zu haben,
wenn eine Verbesserung der Interventionen ansteht: eine neue Therapieperspektive wird
derzeit von Dronedaron erwartet, zur akuten Konversion scheint Vernakalant aussichtsreich.
Bei der Thromboembolieprophylaxe könnte Dabigatran wesentliche Erleichterungen bringen.
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