Fall 11 - bei Gutachterskandal

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Fall 11
Monatelang nicht diagnostizierte Knocheneiterung im Schienbeinkopf
orthopädischer Operation verursacht Beinamputation bei junger Frau.
nach
Bei einer 27 Jahre alten Frau wird wegen wiederholter Kniescheibenluxation im März
2000 die Operation nach Elmslie (Versetzung der Kniescheibensehne mit dem
Knochenansatz und Schraubensicherung am Schienbeinkopf) vorgenommen. Zur
Sicherung des Operationsergebnisses wurde für 6 Wochen ein zirkulärer
geschlossener Gipsverband angelegt. Eine Selbstbeschädigung, wie später von
den Gerichtsgutachtern behauptet wird, scheidet in diesem Zeitraum damit aus. Bei
ungestörtem Heilverlauf verheilen sowohl Knochen- und Operationszugangswunde
innerhalb von 6 Wochen. Anders bei der Patientin. Nach Gipsabnahme platzte die
Weichteilwunde auf als Folge einer Wundinfektion. In monatelangen stationären
Behandlungen in verschiedenen Kliniken (2,5 Monate in einer chirurgischen
Abteilung im Herbst 2000) mit mehrfach wiederholten oberflächigen Wundrevisionen
konnte keine Wundheilung erzielt werden. Deutliche Beinschwellung (gefäßbedingte
Ursachen
wurden
phlebografisch
ausgeschlossen),
Schmerzen
und
Funktionsbeeinträchtigung des Beines waren therapeutisch nicht zu beeinflussen.
Als einzige diagnostische Untersuchung erfolgte im Juli 2000 eine
Ganzkörperszintigrafie mit Technetium99. Die deutliche Anreicherung des Tech.99
im Schienbeinkopf sprach bereits für einen entzündlichen Prozess, wurde aber als
wahrscheinliche Operationsfolge gedeutet. Im Dezember 2000 wurde die Patientin in
die orthopädische Universitätsklinik Münster (Direktor: Prof. Winkelmann)
eingewiesen wegen Verdacht auf chronische Knocheneiterung (lat. chronische
Osteomyelitis) im linken Schienbeinkopf (lat. Tibiakopf). Obwohl laut Protokoll des
aufnehmenden Arztes die notwendigen diagnostischen Untersuchungen (Kernspinn;
Kontrolle der 5 Monate zurückliegenden Technetium99- und Leukozytenszintigrafie
mit Gallium64citrat) vorgesehen waren, wurde, offenbar von den leitenden Ärzten der
Klinik, die grotesk falsche Diagnose: Münchhausensyndrom (unbegründeter
Operationswunsch) gestellt, ohne dass die bereits geplanten Untersuchungen
erfolgten. Statt der notwendigen chirurgischen Behandlung wurde eine
psychotherapeutische Gesprächstherapie angeordnet, nur weil die Pat. den Wunsch
äußerte, dass sie wegen der monatelangen erfolglosen Behandlung mit einer
Beinamputation einverstanden wäre. Verständlicherweise kam sich die Pat. verhöhnt
vor und verließ die Klinik. Im März 2001 wurde dann doch die Beinamputation nötig,
wegen fortschreitender Weichteilinfekion und inzwischen bereits freiliegendem
Knochen. Die pathohistologische Untersuchung des amputierten Beines ergab als
Ursache des ungewöhnlichen Krankheitsverlaufes eine floride chronische
Knocheneiterung (lat. chronische Osteomyelitis) im gesamten großen
Unterschenkelknochen ausgehend vom Tibiakopfbereich.
Die unterlassene Diagnostik und die groteske Fehldiagnose in der orthopädischen
Universitätsklinik, ein Tatbestand unterlassener Hilfeleistung (ein Fall für den
Staatsanwalt!), waren grobe Behandlungsfehler, weil dadurch die chirurgische
Ausräumung des Infektionsherdes im Schienbeinknochen unterblieb, wodurch die
Beinamputation zu verhindern war. Die Klage war damit gerechtfertigt.
Die universitären Gerichtsgutachter vertraten die absurde Ansicht, ohne dafür
objektive Beweise zu liefern, dass die Pat. an einem Autoaggressionssyndrom leide:
d.h. sie habe sich ständig selbst beschädigt und dadurch die Wundheilungsstörung
und die chronische Osteomyelitis verursacht, um eine Beinamputation zu erreichen.
Außerdem sei die chronische Osteomyelitis während des 2,5 monatelangen
stationären Aufenthaltes auch mit nuclearmedizinischer Methodik nicht zu
diagnostizieren gewesen; eine eklatante Falschaussage, wie aus den Leitlinien der
Deutschen Gesellschaft für Nuclearmedizin und aus den geplanten, dann aber nicht
erfolgten diagnostischen Standarduntersuchungen in der Universitätsklinik (s.oben),
hervorgeht. Außerdem verschweigen die GG, dass eine chronische Osteomyelitis
eine Fistelung nach außen verursacht, sodass einfache Wundrevisionen, ohne den
Infektionsherd im Knochen auszuräumen, vergeblich sind, wie bei der Klägerin.
In der mündlichen Verhandlung, machte der Gerichtsgutachter Dr. Özokay folgende
Falschaussagen:
Erstens: Er wiederholte den absurden Vorwurf der Selbstbeschädigung als Ursache
des gesamten Krankheitsverlaufes, ohne dass in den Arztbriefen nach den
stationären Behandlungen hierfür Hinweise genannt wurden.
Zweitens: Eine Kernspinnuntersuchung im Herbst 2000 wäre nicht möglich gewesen,
weil Metallschrauben im Schienbeinkopf vorhanden waren. Er verschweigt dem
Gericht, dass diese Schrauben bereits im Juli 2000 entfernt wurden.
Drittens: Er vertrat die Ansicht, dass eine chronische Osteomyelitis im Herbst 2000
nicht vorhanden war, weil die Entzündungsparameter (CRP–Wert und
Leukozytenzahl) im Blut nicht erhöht waren. Er verschweigt aber, dass gerade bei
der chronischen Osteomyelitis, im Gegensatz zur akuten Osteomyelitis, diese Werte
eben nicht erhöht sind, wie auch bei der Klägerin bis zur Amputation, obwohl im
amputierten Bein eine chronische Osteomyelitis des großen Schienbeinknochens
(lat. Tibia) vorhanden war.
Viertens: Er behauptete, dass es während der stationären Behandlung
immer
wieder zu einer Ausheilung der Weichteilwunde gekommen ist. Auch die
Reverdinplastik, die im Herbst 2000 gemacht wurde, sei angeheilt. Dass dies nicht
zutrifft, geht aus dem Entlassungsbrief der Klinik hervor, in dem zwar von reizlosen
Wundverhältnissen aber nicht von einer Wundheilung berichtet wird. Beweis für die
nicht erfolgte Wundheilung ist, dass der ambulant behandelnde Orthopäde, zwei
Tage später eine große Wundbehandlung mit Kompressionsverband machen musste
und mit der Kasse abrechnete.
Fünftens: Er behauptete laut Protokoll in der mündlichen Verhandlung: „Die GalliumSzintigraphie hat keine vermehrte Aussagekraft bei durchgeführten Eingriffen am
Knochen, weil das Gallium sich an die weißen Blutkörperchen anlagert, die im
Rahmen des Heilungsprozesses der Knochenheilung involviert sind“. Dies ist
wissenschaftlich falsch, weil die normale Knochenheilung durch die Osteozyten des
Knochens, die den Bindegewebszellen zuzurechnen sind und kein Gallium
speichern, erfolgt. Die weißen Blutkörperchen (auch als Eiterzellen bezeichnet),
zeigen immer einen Infektionsherd mit Eiterbildung an und sind an der normalen
Knochenheilung nicht beteiligt.
Die ausführliche wissenschaftlich Begründung durch den Privatgutachter, dass die
grob fehlerhafte Unterlassung anerkannter diagnostischer Maßnahmen die spätere
Beinamputation bedingte, wurde vom Gericht weder diskutiert noch berücksichtigt,
obwohl der Bundesgerichtshof mehrfach gefordert hat, dass die Gerichte sich auch
mit den Argumenten des Privatgutachters auseinandersetzen müssen.
Infolge der Falschaussagen der Gerichtsgutachter und der vom Gericht (Vorzitzender
Richter Herr Schaller) abgelehnten Zusatzbegutachtung durch einen Facharzt für
Nuklearmedizin, was den Vorwurf der Beweisbehinderung rechtfertigt, wurde die
Klage abgewiesen. Wegen verweigerter Prozesskostenhilfe konnte, trotz der
mehrfachen Falschaussagen der Gerichtsgutachter und der Beweisbehinderung
durch das Gericht, der Prozess in der 2. Instanz nicht weitergeführt werden.
Wiederum eine Bestätigung, warum Medizingeschädigten, auch bei grobfehlerhafter
Behandlung, häufig die ihnen zustehende Entschädigung von den Gerichten
versagt wird.
Gerichtsgutachter: Prof. Muhr, Dr. Özokay (Universitätsklinik, Bergmannsheil –
Bochum)
Copyright Prof. Dr. med. Arno Krug 2010
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