den bebilderten Bericht gibt es hier

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Ruski im August 2007
Samstag, 18. August 2007
Aufgestanden war ich um 0600, um die Crew der letzten zwei Wochen zu verabschieden. Punkt 8 machte der Vercharterer Asta Yachting sein Büro auf und der
Check-Out war 10 Minuten später erledigt. Fünfeinhalb Stunden brauchte ich nach
Dubrovnik, wo eine schöne Lagoon 410S2 auf mich und meine Gäste wartete. DORA
hieß das gute Stück. Im Konzum der Marina Dubrovnis kaufte ich wie ausgemacht,
den Anfangsproviant ein und parkte mein Auto im prallen Sonnenschein. Der Stützpunktleiter von Baotic fand sich nicht im Büro, das in einem uralten Castle untergebracht war, sondern am sonnengebeutelten Steg D. Als ich zum Auto ging, um die
Kühltasche zum Schiff zu tragen, kam gerade meine russische Familie per Taxi an.
Mikhail und Tanja, beide in meinem Alter und die Jungen, Anna und Andrej, 20 und
17 Jahre alt. Die Gitarre war dabei, ich freute mich schon. Ach so, letztes Jahr war
ich ihr Charterskipper und wir hatten kurz darauf per mail vereinbart, diese Jahr wieder miteinander durch die kroatische Inselwelt zu bummeln. Kurze Zeit später trafen
die beiden Freunde der Familie, Svetlana und Grigory ein. Herzliche Begrüßung mit
Küsschen und allem Drumunddran! Check-In: „You are familiar with the sails?“. Gut,
dass ich den gleichen Kat schon im Oktober letzten Jahres in der Türkei hatte, das
vereinfacht doch einiges.
Wir teilten die Kabinen des Katamarans auf:
Lubimovs auf der Backbordseite und die beiden
Freunde und ich steuerbords. Nach den beiden letzten Wochen auf einem Einrumpfer ein wahres Luxusappartement. Jede Kabine hatte ein eigenes
Bad, riesige Fenster und überhaupt ist so ein Kat
einfach ein Raumwunder. Ich bezog die Steuerbordbugkabine. Aaah!
Lubimovs hatten ein russisch-deutsches Wörterbuch
mitgebracht, um unsere Verständigung abwechslungsreicher zu machen. Doll! Mikhail hielt eine Rede und überreichte mir als Begrüßungsgeschenk ein
geschnitztes und bemaltes Moskauwappen und eine
große Flasche Wodka.
Es war schon 1700, als sich meine Leute nach
Dubrovnik Altstadt verabschiedeten. Ein Abend für
mich! Zuerst räumte ich alles so ein, wie es mir praktisch erschien, knüpfte meine Bändsel an den Steuersitz und suchte einen Platz für mein Gemüsenetz. Gar nicht so einfach, wenn es
keine Griffstange oder Haken gibt. Nicht einmal Schrauben waren im Salonhimmel.
Mensch, wohin mit den Zucchinis? Ich ließ die Aufgabe ruhen und fuhr erst einmal
mein Auto aus der Marina. 70 Kuna pro Tag wollten die! Nö, da bin ich geizig. Nach
einem längeren Spaziergang durch den ruhigen Ort fand ich eine Seitengasse mit
grellen Laternen. Dorthin fuhr ich meinen Karren in der Hoffnung auf dessen Unversehrtheit bei meinem Wiederkommen. Mal sehen.
Am Schiff bruzzelte ich mir ein schönes Pfännchen mit Reis, Zwiebeln, Zucchini und
Tomaten und überfraß mich schier, so mundete es mir. Als meine Crew zurückkam,
tranken wir noch ein Glas Wein zusammen, suchten erfolglos den Schaltwer für das
Cockpitlicht und legten uns schlafen in Erwartung der Ereignisse der nächsten Wo-
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che. Das Gemüsenetz übrigens lässt sich in der Lagoon 410 gut an den Vorhangösen aufhängen.
Sonntag, 19. August 2007
Neben uns lag eine Sun Odyssee 52. Wie sollten wir denn da bloß durch die Hafengasse kommen? Unmöglich, bei unseren 7,90 Breite. Ich fragte die Österreicher, ob
sie denn beabsichtigten, heute Morgen abzulegen. Ja, und sie wollten auf See frühstücken, damit sie für uns den Platz freigäben. Nett, die Grazer Eigner.
Svetlana spülte das Frühstücksgeschirr unter laufendem Wasser und ich überlegte,
wie ich meiner Mannschaft beibringen konnte, mit dem Wasser sparsam umzugehen.
Ich versuchte es so: „Heute ist das Pritscheln
noch in Ordnung, weil wir die Tanks vor dem
Ablegen noch einmal füllen können, aber
dann sollten wir haushalten mit dem Wasser.“
Alle Köpfe nickten.
Unser Vercharterer kam an den Steg, während ich noch im Internetshop war und meinte, wir müssten diese Nacht in der Marina bezahlen. Was? Das hatte ich noch nie. Nein,
das war nicht in meinem Vertrag und außerdem nicht üblich in der Heimatmarina, auch
wenn das Schiff in Biograd stationiert war.
Das kann doch nicht unsere Sache sein. Wir
fuhren, ohne zu zahlen. Das konnten wir bei
unserer Rückkehr immer noch klären. Andrej
hatte wie jetztes Jahr, die Flagge der russischen Seefahrt in die Backbordsaling gezogen.
Ein kleiner Dreier-Wind blies uns auf die Nase, aber als wir die Brücke passiert hatten,
setzten wir Segel und versuchten eine kleine Kreuz. „Rasmus, altes Rübenschwein,
lass immer gute Winde sein“, war mein Ablegerspruch mit einem Glas Bier in der
Hand und einem Spritzer Bier ins Meer. Ich übersetzte in Englisch, unsere Bordsprache. Vor dem Törn hatte ich mir alle meine Vokabeln,
die ich letztes Jahr aufgeschrieben hatte, durch gelesen und mir wieder eingeprägt, aber eigentlich kommt
man mit ziemlich wenigen Schiffswörtern aus. Die
Russen kennen die offiziellen Ausdrücke ja auch nicht
und so müssen sie eben meine Wörter nehmen. Ein
Palstek ist ein Palstek und nichts anderes. Die Knoten
hatten wir heute morgen noch geübt. Andrej meinte:
„Ah, this is the story with the frog!“ Genau, meine
Schule!
Die Damen machten es sich im Netz gemütlich und
juchzten bei jeder Welle, die so ein Motorboot stehen
ließ. Ich grübelte in der Zwischenzeit, wie die Reffringe
am Cunningham eingehakt werden könnten, weil derselbe der Haken entbehrte. Stattdessen war dort eine starke Leine verknotet mit einem gespleißten Auge drin. Endlich fand ich im Lazyjack einen einsamen, herumfliegenden Schäkel, der offensichtlich dazu gedient hatte, die Löcher im Segel mit dieser
Leine zu verbinden. Das wird beim Reffen lustig!
-2-
Mikhail segelte und sang: „I am sailing, I am sailing, ….“ Statt wie im letzten Jahr immer zu ermahnen :“away“, wenn die Genua am Vorliek einfallen wollte, sagte ich
nun: „no busa please“. Busa heißt „Bauch“ auf russisch.
Als der Puster nach einer halben Stunde ganz einschlief, badeten wir eben. War eh Zeit! So ersparten
wir uns den Mittagsstopp auf Kolocep, einer der elephatischen Inseln vor Dubrovnik. Weil sich überhaupt
kein Wind einstellen wollte, ankerten wir an der Südwestspitze von Miljet. Ein kleines Gemüserisotto wurde
gewünscht. Zack, hatten wir Frauen es gezaubert,
während die Mannsbilder ein 14,23 cm langes Fischlein ins Jenseits beförderten. Drei oder vier Angelruten
waren an Bord mit dem ausgeklügeltsten Zubehör.
Ganz von selber kamen die Leute auf die Idee, die Teller gleich schwimmenderweise
im Meer zu spülen.
Mein gelber Wasserball fand bei den Badenden begeisterten Zuspruch. Svetlana
bemerkte leichtsinnigerweise, dass sie seit Jahren schon Deutsch lerne. „Ha, dann
rede ich mit Dir nur noch deutsch“, meinte ich. „Ja, aber nur, wenn Du langsam
sprichst“ antwortete sie.
Weiter ging es die ganze Nordküste von Miljet
entlang – motorenderweise, weil uns der NWWind gar nicht passte. Die 20-jährige Anna
holte die Familiengitarre und dann begann ein
langes Singen. Von Beatles-Songs über russische Folklore bis hin zu „My Bonnie is over
the ocean“ war alles dabei. Wir erfanden diverse Ober- und Unterstimmen und umsponnen die Melodie. Nach ein paar Liedern reichten sie das Instrument einfach weiter. Dazwischen gab Anna ein Instrumentalstück zum
Besten, das sich ihr Vater Mikhail gewünscht
hatte.
Um 1845 gelangten wir nach Polace am Westende der Insel. Von hier aus kam man am
besten zum Nationalpark, von dem meine
Crew gelesen hatte und den sie nun besuchen
wollten. Etliche Restaurants hatten Murings
vor ihren Terrassen gelegt und zogen diese
einladend aus dem Wasser. Wir entschlossen uns für „chez Joseph“ und Mikhail
sprang freiwillig vom Steuer weg. Für mich ist das das Allereinfachste, wenn ich alle
Manöver eigenhändig fahren kann. Die zwei Maschinen unterstützten jeweils die Ruderwirkung, sodass es sehr wenig Anlauf bedurfte, den Doppelkahn auf den Punkt
an die Mauer zu setzen. Das Komische dabei war nur, dass die Leerlaufstellung der
beiden Gashebel versetzt waren, sodass die Hebel nicht mit einer Hand gleichzeitig
zu bedienen waren. Aber egal, daran gewöhnte ich mich schnell. Kurz vorher hatte
ich allen noch die Handhabung bzw. Handwerfung der Festmacher gezeigt.
Schwupps, waren die Leinen drüben und nachdem Joseph sie um die Säulen seiner
Terrasse gelegt hatte, schwupps wieder herüben. Zwei Murings hielten unsere Büge.
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Josef begrüßte mich mit Handschlag, als ob wir uns seit Jahren kennen und lud die
Mannschaft auf einen Willkommensschluck ein. Der von seiner Frau gemachte Likör
war ausgezeichnet. Natürlich reservierten wir für 2030 einen Tisch und durften sogar
unser Stromkabel anschließen.
Neben uns legten zwei Cyclades 43 an mit lauter Italienern drauf. Mikhail sagte: „Bei
jedem Anleger mehr, den ich von anderen sehe, weiß ich, welch guter Skipper du
bist.“ Oh, danke! Eigentlich peinlich, so etwas zu schreiben, oder? Im blitzsauberen
Wasser gebadet und per Heckdusche gebraust, fühlten wir uns wieder frisch. Mikhail
sang
um mich zu ins Restaurant zu rufen und mich von meinem Laptop loszueisen. Wir
bestellten Hühnchen, Muscheln und Tintenfische vom Grill. Der Salat kam in einem
Schüsselchen mit Goldrand an, der mich an das Geschirr meiner Eltern erinnerte.
Aber warum ranzelt das Öl in kroatischen Restaurants immer so, kann mir das mal
einer erklären. Tanja meinte, ich könne mir ja unseres vom Schiff holen. Genau, da
denk i mir fei nix! Mein feines Olivenöl aus Milna (Brac) wertete den Salat um 300%
auf. Der Hauptspeisenteller war zwar etwas lieblos angerichtet mit vier gebratenen
Calamares, einem Schnitz Zitrone und sonst nix, aber geschmeckt haben sie zusammen mit Extra-Pommes ausgezeichnet. Mikhail beglich die Rechnung. Für alle
sieben Esser zusammen machte es 617 Kuna, 90 Euro. Und der Liegeplatz war ja
auch noch gratis. Danke Joseph!
An Bord unterhielten Svetlana, Grigory und ich uns übers Tauchen in Ägypten. Trotz
unserer babylonischen Sprachverwirrung verstanden wir uns. Englisch, russisch,
deutsch, Hände und Füße waren unsere Hilfsmittel. Er lernte tauchen in Sharm-elSheik und wollte mir weismachen, er wäre auf 50 Meter Tiefe gewesen. Natürlich
glaubte ich kein Wort, bis wir darauf kamen, dass er fifteeeen gemeint hatte und nicht
fifty. Ja, dann!
Montag, 20. August 2007
Herrlich ruhig lag unser Kat nachts in dieser abgeschiedenen Bucht. Kein Discogewummer oder Mofas auf der Hafenpromenade störten unsere Nachtruhe.
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Grigory war früh auf, bemühte sich aber wirklich, keinen unnötigen Krach zu machen.
Dicke Blätterteiggebäcke standen auf dem Frühstückstisch. Wir hatten ja nur 30 Meter zur Pekara (Bäckerei).
90 Kuna kostete der Eintritt in den Nationalpark von Miljet. Dafür konnte man
mit einem Minivan 3 Kilometer zu einer
Bootsanlegestelle fahren und dann mit
einem Schifflein zur kleinen Insel inmitten eines Salzwassersees übersetzen,
auf dem ein Kloster aus dem 12 Jh.
stand. Sveti Maria hieß es Ein bisschen dreckig und unaufgeräumt war es
da, aber das nahm der heiligen Maria
nichts weg. „Dschu-dschu“ heißt auf
russisch „ein bisschen“. Als wir wieder
zurück geschippert wurden, fiel mir die
Geschichte von den Patres und den
Kannibalen ein, die alle über einen See
müssen. Da gibt es ein Spiel, bei dem die Missioniare verschluckt werden, wenn die
Kannibalen auf einer Seite des Sees in der Überzahl sind. Herunter zu laden hier
Mittags legten wir dann von unserem Steg chez Joseph ab und gondelten auf Vorwindkurs Richtung Korcula. Die Genuaschoten sind auf einem Kat so eng mittschiffs
geführt, dass ich eine Leine mit Stopperstek an dieselben knüpfte und wo weiter
nach außen brachte. Trotzdem war es ein komisches Geschaukel bei guten drei Knoten Fahrt. Kurs zu halten war wirklich nicht einfach. Ich saß am Navitisch, um diesen
Bericht zu schreiben und konnte jede
Kursänderung nicht nur spüren, sondern (Vorteil eines Deckssalons) auch
sehen. Mikhail zuckte die Schultern
und meinte: „Der Wind ändert sich
ständig!“ Ich antwortete, dass ich das
schon sähe und sagte: „I trust in you.“
Er: „The same to you.“ und grinste.
Grigory und Andrej fischten in der
Zwischenzeit. Morgens schon hatte
Grigory ein paar winzige Goldstriemchen aus dem Wasser gezogen und
gesalzen. Nun kochten die Damen
daraus zusammen mit Zwiebeln, Kartoffeln und Möhrchen eine Juhe. „Suppe“ heißt auf kroatisch das gleiche wie auf russisch. Praktisch eigentlich.
Ob wir denn zum Essen nicht den Motor anmachen sollten, damit das Geschaukel
nicht so schlimm sei, fragte Mikhail. Ich zuckte die Schultern und stimmte zu, die Genua zu bergen. Doch bei diesen Wellen von hinten half auch das Motoren nichts. Die
Juhe schwappte munter über die Teller und löste spitze Schreie aus. Na ja, es ging
dann so mit unserem leichten Lunch um 1530.
Hinter einer Insel vor Korcula Stadt warfen wir Anker, um noch einmal zu schwimmen und nach einer halben Stunde ging es unter Segeln den Rest der Strecke zu
unserem Abendziel. Die Marina reagierte auf wiederholte Funkrufe nicht. Als wir auf
die Außenmole zuhielten, winkte schon wieder so ein doofer Marinero, dass wir hier
nicht anlegen durften und zeigte Richtung Bucht. Ich fuhr rückwärts nahe an den
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Steg und fragte, warum wir nicht anlegen durften, wo doch der ganze Steg leer sei.
„Where ist the problem?“ Er fragte zurück, wo our problem sei. Arsch! Tatjana schlug
vor, ihm unseren Müll auf den Steg zu werfen.
Ich versuchte, meiner Mannschaft die Bucht schmackhaft zu machen, es sei doch
viel ruhiger und koste nichts. Mikhail meinte, dass das Geld nun überhaupt kein
Problem sei. Na ja, egal, die Marina Korcula mochte uns halt nicht.
Gut geankert in der Bucht brachte ich noch den Hahnepot an der Kette an und Grigory schaute mir interessiert zu. Wir feixten eine Weile über dieses und jenes, wobei
jeder von uns jeweils nur die Hälfte verstand und wollten zu guter Letzt zusammen
mit einem Hechtsprung vom Bug aus das Schifflein verlassen. Er nahm meine Brille,
steckte sie durch das Küchenfenster, nahm dann mich bei der Hand, wir beide nahmen Anlauf und – waren in der Tiefe der süddalmatischen Adria verschwunden.
Alle tuckerten mit dem Beiboot nach Korcula City, nur ich armer Skipper blieb an
Bord. Nein, nein, ich genoss den Abend mit mir selber bei KokosmilchGemüsepfanne und hörte Harry Potter als Hörbuch aus dem Laptop, allerdings ziemlich gestört durch die
lautschallende Animation des gegenüberliegenden Hotels. Als es
dunkel geworden war,
bemerkte
ich,
dass
manche meiner Nachbarankerlieger das Anker- mit dem Dampferlicht verwechselt hatten.
Was es nicht alles gibt!
Ich zählte 38 Ankerlieger und sieben Ausflugsgulets in Zweierpäckchen am Steg.
Dienstag, 21. August 2007
Ich wachte auf, weil Grigory mir auf dem Kopf herum trampelte und mit seiner Angel
hantierte. So ein Petrus, er sollte besser Pjotr heißen. Der Blinker zischte nur so
durch die Luft. Nachdem ich aber gestern schon um 2100 ins Bette gegangen war,
hatte ich ausgeschlafen und stand freiwillig auf, bevor mich der Angelhaken aus den
Kissen holte.
Andrej und Grigory waren eifrig dabei, das gesamte Deck zu schrubben, ich traute
meinen Augen nicht. Es ist wirklich komisch, manche Crews rühren freiwillig keinen
Finger und andere überschlagen sich, ohne dass eine Einteilung gemacht ist oder ich
ein Wort sagen muss. Dass benutzte Gläser und Teller immer sofort gespült wurden,
schob ich allerdings darauf, dass sich die Küche eines Katamarans im Erdgeschoß
und nicht im Keller befindet. Es arbeitet sich eben leichter, wenn man nicht in die
schaukelnde Unterwelt abtauchen muss. Außerdem wird man im Salon eines Einrumpfers dabei nicht gesehen und entsprechend gelobt. Psychologie an Bord!
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Während ich dann meinen Milchkaffee schlürfte, probierte ich aus, ob der USB-Stick,
den ich gestern beim Schwimmen um den Hals gehabt gebadet hatte, noch zu gebrauchen war. Siehe da, das Salzwasser hatte ihm nichts ausgemacht. Teufelszeug!
Meine Wetter-SMS, das ich von Master-Yachting zweimal täglich bekomme, hatte
den Durchgang der Kaltfront von nachmittags in die Nacht verschoben, also war
tagsüber wieder kein Wind zu erwarten. Das gab mir Gelegenheit, auch noch kurz
nach Korcula zu laufen – immer wieder schön! Im Dinghi fanden wir einen Schäkel
ohne Stift. Woher stammt der jetzt bloß?
Andrej und Grigory
fischten vom Beiboot
aus, als ich wieder
zur
Anlegestelle
kam. Sie holten mich
am Ufer ab und
dann fuhr Andrej die
Leine eines anderen
Bojenliegers in die
Schraube unseres
Außenborders.
Zack, aus war der
Motor und sprang
zwar dann wieder
an, aber das Schräublein drehte sich
halt
leider
nicht
mehr, weil offensichtlich der Splint
ab war. Wir ruderten
zum Schiff zurück.
Grigory, der im wirklichen Leben Computerprogramme schrieb, nahm den Nagel aus
einem gefundenen Stück Holz und funktionierte ihn zu einem Splint um. Nach zehn
Minuten lief der AB wieder, er drehte eine Proberunde um unseren Kat und war mit
seiner Arbeit zufrieden.
Wir starteten nach Hvar. Wieder kein Wind und der kam von hinten. Zwei Stunden
motorten wir, setzten dann die Genua, was einen dreiviertel Knoten Speed brachte
und nachdem wir die Leuchtfeuerinsel Plocica passiert hatten, auch das Groß. Unser
Riesensegel zu setzen, kostet schon Kraft.
Mikhail saß am Steuer und summte glücklich vor sich hin: „I am sailing“. Seine Tochter Anna kam mit Musikstöpseln in den Ohren und wollte fahren. Er instruierte sie am
Windanzeiger, wie sie steuern sollte, ohne in eine Halse zu fahren. Mein Gott und
dabei war die Familie Lubimov nur ein einziges Mal auf einem Segelboot und das
war letztes Jahr mit mir. Unglaublich! Zu meiner eigenen Sicherheit zeigte ich Anna,
was zu tun sei, wenn die Genua einfällt. Sie nickte und fuhr ziemlich souverän alle
Winddrehungen und Fast-Halsen, wofür ich ihr anerkennend auf die Schulter klopfte.
Derweilen Grigory wieder vor Freude in die Luft sprang und in die Hände klatschte.
Er holte Pfirsiche aus einer Schale in der Küche und brachte sie aufs Vorschiff oder
besser ins Netz zu den Damen. Ein russisches Volkslied erklang – dreistimmig und, wie die slawischen Gesänge halt so sind, in Moll. So entspannte Tage hatte ich
selten auf einem Schiff. Grigory setzte Wasser auf. Er und Svetlana waren ein wirklich nettes Paar.
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Scedro in Sicht fragte Mikhail, wo wir denn baden könnten. Ich antwortete: „gleich
hier!“ und er meinte, dass er diese Antwort schon vorausgesehen hätte. Nein, er wollte ein kleines Buchtel haben. Dazu war eine mittlere Halse notwendig. Ohne viele
Erklärungen gab ich
Anweisungen wie
„pull the blue line“
und „release this
blue line“, zur Steuerfrau Anna „turn to
he left aaaaand
stoppp“. Die Großschot bediente ich
selbst. Die Navigation verlagert sich
im Laufe eines Katamarantörns gerne
auf den Salontisch.
Meine liebe Güte,
ist das wieder ein
Luxustörn.
Kein
Keller, nix Dunkles,
keine Seekranken,
keine Platzprobleme, keine Batterienöte, keine Wasserengpässe. Wasser – alle benutzen für alles
Seewasser aus unserer Fußpumpe, wann immer es geht. Am vierten Tag war unser
erster Tank noch halb voll. Geht doch! Nein, das ist ein blöder Kommentar, ich finde
diese Crew einfach optimal. Mal sehen, was passiert, wenn das vorher gesagte Wetter heute Abend eintrifft.
An der Nordseite der Insel Scedro vor Hvar ankerten wir im erstbesten Zipferl über
einem türkisen Fleck. Der doofe Pfluganker hielt zwar nix, aber das war mir für Baden mit Hühnersuppe egal. Rein ins kühle Nass! Sowas! Heute sprangen sogar alle
Männer einschließlich Andrej nackt ins Wasser. Wahrscheinlich sind ihnen trockene
Badehosen auch lieber als salzwassernasse. Svetlana fing während des Kochens
wieder zu summen an. Zusammen suchten wir nach dem russischen Wort für
„nackt“. „Nagaia“ für feminine Wesen und „nagoi“ sagt man bei Männern. Wieder was
gelernt. Sag mir noch mal jemand was gegen Russen;)
Nachmittags kam dann der angekündigte Wind. Um 1500 blies es noch mit
drei Beaufort um dann bis 1800 auf
Stärke 5 – 6 zuzunehmen. Ich setzte
einen Bullenstander, um nicht unfreiwillig in eine Halse zu fahren und dachte
mit Schrecken, dass es eigentlich
längst Zeit zum Reffen sei. Mikhail
grinste wieder übers ganze Gesicht
und Grigory hüpfte vor Vergnügen,
wenn die Logge die 8-Knoten-Marke
übersprang. Svetlana ging es bei dem
Geschaukel allerdings nicht so gut: Die
Hühnersuppe verließ sie wieder. Das
erlebte ich zum ersten Mal, dass jemand auf einem Katamaran spuckt.
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Als ich auf dem Salontisch einen Logbucheintrag machen wollte, zitterte meine
Schrift, wie wenn ich an Parkinson leiden würde und glaubte, liefe vielleicht noch ein
Motor, weil das Abstellen missglückt sei. Das ganze Schiff bebte. Nein, es waren einfach die beiden Wellen, die noch mitliefen, weil ich vergessen hatte, den Rückwärtsgang für beide Schrauben einzulegen.
Mir grauste vor dem Großsegelbergen. Vor den Pakleniinseln (Hvar) war es dann
soweit. Bei dem vollen Zeug, das wir immer noch drauf hatten, traute ich mich nicht,
an den Wind zu gehen und so zogen Grigory und ich das Mainsail mit Kraft in die
Tiefe. Segeln ist doch Sport! Als der große Lappen endlich im Lazyjack lag, gings mir
besser. Einen kleinen Dämpfer bekam ich, als ich in meine Kabine ging: bei der Segelbergeaktion war ein mittlerer Schwall Adriawasser durch meine offene Luke aufs
Bett geschwappt. Ich brachte alle Laken mit nach oben, spülte sie mit Süßwasser
durch und knallte sie auf einen Haufen, um sie dann später aufzuhängen. So ein
Scheiß! Salzwasser trocknet ja nicht vollständig. Ich hatte meine Luke einfach vergessen, weil wir die Deckfenster unseres Katamarans alle Tage vorher einfach offen
gelassen hatten.
Im Stadthafen von Hvar ging
es ganz schön rund. Der Südwind blies noch mit Stärke 4
und die Ankerlieger schaukelten wie wild. Nach einem erfolglosen
Ankerversuch
(Scheiß Pfluganker!) meinte
Mikhail, ob es für unsere Sicherheit und mein Gefühl nicht
doch besser wäre, in die Marina zu gehen. Auf den Pakleniinseln liegt ja die Marina Palmizana, die ich als Alternative
schon genannt hatte. Wir steuerten also auf die Marina zu,
die auf wiederholte Funkrufe
nicht antwortete. Dafür hatte
ich eine Frauenstimme im
Äther, die mich wiederum für
die Marina hielt und fragte, ob
für ihren Katamaran Platz sei. Wir lachten herzlich über das Missverständnis und
stellten selber fest, dass der Hafen proppenvoll war. Dafür hatten an der Südseite der
Bucht schon mindestens 15 Schiffe mit Landleinen festgemacht. Der Jugo pfiff auch
in der Bucht kräftig weiter und drückte unsere DORA. Andrej und Grigory schwammen mit zusammen gesteckten Leinen zur Felsenküste, um sie dort um Felsnasen
zu legen. Unser Manöver dauerte eine gute Stunde, bis der Mistanker einigermaßen
halten wollte und die beiden Landleinen per Winschen stramm gezogen waren. Mit
beiden Motoren versuchte ich, den Kat von Zudringlichkeiten zum Leeschiff abzuhalten. Letztendlich lagen wir 8 Meter von den Felsen entfernt und zerrten schräg an
den beiden Landleinen. Andrej fragte (auf englisch): „Wie heißt denn dieser schöne
Hafen?“. 2000 Uhr: wir nahmen einen Anlegerschluck.
Meine Crew dachte bis zu diesem Moment, abends noch mit dem Taxiboot nach
Hvar fahren zu können, bis ich ihnen den Zahn zog. Erstens fuhren die Schiffe nur
bis 2200 und zweitens blies es unvermindert. Wir kochten also Gemüsenudeln und
für die fleischfressende Unterart der Menschheit (Männer) schnitt Tatjana Salami auf.
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Das müsse bei einem fleischlosen Essen immer sein, meinte sie. Zuhause in Russland mache sie das immer so.
An diesem Abend war ich erledigt und hoffte nur, dass der Wind in der Nacht nicht
noch zunahm.
Mittwoch, 22. August 2007
Die Nacht war verhältnismäßig ruhig und ich schlief wie ein Stein bis morgens um
0700 Grigory wieder auf meinem Kopf herumlief. Kaum war ich aus dem feuchten
Bett
gekrochen,
wollte
Mikhail wissen, wie es heute
weiterginge. Zuerst musste
ich meine Nachbarschiffe
fotografieren, die fast alle an
Bäumen ihre Landleinen befestigt hatten, was man ja
eigentlich nicht tun soll. Es
waren doch Steine genug da.
Wir verlegten in den Stadthafen von Hvar. Dort wollte der
windige Anker natürlich wieder nicht ordentlich halten,
aber für die zwei Stunden
Stadtbesichtigung war mir
das egal, zumal ich sowieso an Bord blieb. Die Bavaria 50, die neben uns lag, war
gestern angesichts des Starkwindes gar nicht ausgelaufen, erfuhr ich bei einem
Plausch über den Gartenzaun, nein, natürlich über die Reling. Und – ich fand rein
zufällig neben den Gashebeln den lang vermissten Schalter für das Cockpitlicht.
Ein Hafenamtsschlauchboot scheuchte mich aus der Mitte des Beckens, weil irgend
so ein Riesentiefgangsschiff genau an meiner Stelle passieren und anlegen wollte.
Dann machte ich halt ein Solo-Ankermanöver. Auf dem Kat lässt es sich ja gut herumspringen, ohne sich die Zehen in Klampen und Ösen zu brechen, aber alleine zu
ankern in einer zugeparkten
Bucht ist schon nicht ohne.
Ständig drehte ich den Kopf um
360 Grad, um keinem zu nahe
zu kommen, während ich knapp
50 Meter Kette auf immerhin 12
Meter Tiefe fallen ließ. Eigentlich
war das viel zu wenig Gewicht,
aber wir hatten ja nicht mehr Ankerkette. Währenddessen drehte
der Wind den Katamaran in alle,
aber wirklich alle Richtungen.
Wann musste ich zum Gashebel
springen und größere Kollisionen verhindern? Dann hatte sich das Schiff endlich
ausgezwirbelt und kam in Böen unserem Hinterlieger bedenklich nahe. Beobachtend
stand ich auf dem Deck und wagte nicht, in meinen Roman zu schauen. Gott sei
Dank, tuckerte ein Viertelstündchen später unser Beiboot mit den Stadtbesuchern
wieder an und wir konnten los. Ei, ei ei!
Mein Wetter-SMS sprach heute noch von SE der Stärke 4, Donnerstag abnehmend
und rückdrehend auf NW. Ich beschloss, das Groß heute von Anfang an gerefft zu
- 10 -
setzen, um nicht wieder in die gestrige Bredouille zu kommen. Nein, drei Reffs waren
übertrieben, aber das zweite sollte es schon sein. Endlich begriff ich die Vorlieksreffmethode. Ein Schäkel an einer Leine wurde in die jeweilige Refföse geschlagen. Gut
vorbereitet zogen wir das Groß hoch, um dann festzustellen, dass der Block des
neuen Unterliekspanners lose an der Leine herumhing. Dahin hatte also der gefundene Schäkel im Beiboot vor zwei Tagen gehört. Na ja, das Groß war schon oben.
Ich wies Mikhail einen Kurs an, der den Baum zuverlässig auf eine Seite gedrückt
hielt und schon war Grigory unaufgefordert auf dem Bimini und hing im Segel um zu
reparieren. Er fragte mich auf russisch, ob er dieses und jenes tun solle und antwortete auf deutsch-englisch. Es funktionierte immer, wenn jeder seine Sprache sprach
und mit Händen und Mimik zeigte, was er meinte – erstaunlich! Wir ersetzten also
den Schäkel des zweiten Reffs mit dem vom ersten. Bis wir einen neuen gekauft haben würden, fuhren wir halt doppelt gerefft oder voll.
Nach einer lumpigen halben Stunde stand dann unsere Segelgarderobe. Kurs Vela
Luka auf Korcula bzw. der Amwindkurs, der dahin möglich war. Ganz schön anstrengend, das Handling so eines großen Schiffes bei viel Wind. Man turnt auf dem Niro
herum, wackelt mit dem Baum durch die Gegend und trainiert seinen Gleichgewichtssinn. Nach getaner Arbeit genehmigte ich mir ein Bier. Die Kirche war, glaub
ich, schon aus (siehe Törnbericht aus dem Jahre 2004).
Grigory fragte mich irgendwas über Seemeilen, Zentimeter auf der Karte und den
Maßstab.
Wir
brauchten fünf Minuten, bis wir beide,
unsere eigene Sprache sprechend uns
verstanden hatten.
Der Rest meiner
Crew saß lesend
oder Trauben vertilgend im Cockpit oder im Netz, und das
bei 5er Wind gegenan – auf einem Einrumpfer nicht denkbar. Allerdings versegelten uns alle
normalen Yachten,
weil wir nur mit 6
Knoten
vorwärts
kamen 
Der Wind nahm wieder zu auf 6, die Genua musste auch gerefft werden. Der Leuchtturm vor der Bucht von Vela Luka auf Korcula kam in Sicht. Wir kreuzten darauf zu,
kamen gegen 1830 in den Hafen und ein Typ an Land wies uns einen Längsanlegerplatz neben der Tankstelle zu. „Andrej, your line is prepared?“, fragte ich und er bejahte. Mikhails Leine war schon drüben und als Andrej dann werfen sollte, hatte er
Geknödel in der Hand. Der Wind drückte mein schweres Schiffle so zur Seite und auf
ein kleines Fischerbötchen, dass ich aufgeben musste. Zweiter Anlauf. Ich erklärte
nochmal die Handhabung der Festmacher und startete einen neuen Versuch. Jetzt
gelang der Anleger. „Wie heißt denn dieser schöne Hafen?“ – Rotwein!
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Das Wasser war hier sogar im Hafen so klar wie ein Gebirgsbach. Meine Haare hatten es bitter nötig und ich sprang in voller Montur (ohne Brille) in die Flut unter allgemeiner Anteilnahme der vorbei flanierenden Touristen mit Kindern an der Hand.
Wiederholte Anfragen meiner Crew, ob ich denn nicht zum Abendspaziergang mit
eingeschlossenem Dinner mitkommen wollte, lehnte ich aber ab. Ein bisschen Alleinsein schadet ja nix und außerdem wollte ich dieses Mal wenigstens einen Roman
auslesen. Einen kleinen Spaziergang durch den Ort machte auch ich nach dem Essen, fand einen Internetpoint und löschte wieder eine Million17 mails.
Danach lümmelte ich skrupellos bei Bordlicht in meiner Luxuskabine und las. Die
Batterien schienen wie 2 Fische und 5 Brote zu sein. Bei nur 2 Stunden Motorzeit
täglich waren sie immer bei über 12 Volt und das bei zwei ständig laufende Kühlschränken. Allerdings verkniffen wir uns beim Segeln den Autopilot.
Donnerstag, 23. August 2007
Grigory fischte schon ab 0700, auf meinem Kopfe herum trampelnd und Andrej war
wieder dabei, das schmutzige Deck zu schrubben. Wir verholten die drei Meter an
die Tankstelle und füllten unsere Vorräte an Wasser auf. 20 Kuna kosteten die 300
Liter, die in unseren Steuerbordtank passten. Wir waren echt sparsam gewesen und
hätten eigentlich für die restlichen zwei Tage auch nicht
mehr tanken müssen. In einem Topf lagen die Leichen
von mindestens 15 Fischleins, als Svetlana sich ein
Sonderfrühstück mit Cognac
machte.
Kaum hatten wir abgelegt
und die Genua gesetzt, fragte
Mikhail, ob wir nicht gleich
baden könnten. Jo kloar! In
der nächsten Bucht, die
backbords herging, fiel der Haken, der wiedermal nix hielt. Glump!
Wind kam auf. Angesichts der ersten und zweiten Bö mit 6 Bft, die uns am Kap erwischte, setzten wir das Groß gleich doppelt gerefft. Der Superwind kam halt bloß
leider nicht aus der Richtung, aus der wir ihn hätten gebrauchen können. Beim
schönsten Segeln knallte auf einmal etwas Metallenes auf das Deck und flog ins
Wasser. Hei, wo kam das denn her? Es war der Radarreflektor an der Steuerbordsaling, dessen Leine sich losgedingselt hatte. Binnen zwei Minuten flog das ganze Innenleben dieses guten Stücks in die Adria und das Gehäuse baumelte und schlug
heftig gegen das Rigg. Zehn Minuten war ich dann beschäftigt, die Leine in der Höhe
aus zu zwirbeln und das Ding zu sichern. Auf den Bootsmannsstuhl hatte ich nämlich
keine Lust.
Eine gute Stunde kreuzten wir, um dann wieder fast an der gleichen Stelle an der
Westspitze Korculas zu stehen. Motor an und nachhelfen, wies ich wegen den 30
Seemeilen, die heute zu schaffen waren, an. Wer so richtig segeln will, sollte sich
vielleicht doch keinen Kat chartern, kam mir nicht zum ersten mal in den Sinn. Über
dieses Thema unterhielt ich mich mit Mikhail. Er meinte, dass das Insgesamtgefühl
des Urlaubs schon wesentlich angenehmer sei als auf einem Monohull und Svetlana
wäre sonst sowieso nicht mit gekommen.
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Ich las meinen Roman zu Ende und schlief unter Begleitung russischer Gitarrengesänge, die alle so schön „mollig“ waren, eine Runde in meiner Kemenate, als ich zur
ribe juhe, zur Fischsuppe gerufen wurde. Ui, wo waren wir denn gelandet? Der angesagte Kurs hatte sich nicht halten lassen wollen, sondern sich magnetartig der nächst
gelegenen Insel angenähert und das war Lastovo. Da wollten wir eigentlich gar nicht
hin, gell. Na, egal! Der Himmel gab sich diesig, es war warm und erst 1300. Ein Badestopp nach der Fischsuppe zwischen kleinen
Eilanddreckerln an der Ostseite Lastovos tat allen
gut, nur meinem Vertrauen in unseren doofen
Anker nicht. Wieder kein Erfolg mit diesem Pflugscharmistteil. Svetlana und Grigory schnorchelten
wieder und brachten einen feuerroten Seestern
mit. Nach einem allgemeinen Photoshooting durfte dieser natürlich wieder ins Nass.
SE 3-4 auf die Nase. Wir motorten eben. Auf dem
Backbordschwimmer sitzend unterhielten sich
Svetlana, Grigory und ich über den Moskauer
Winter. Die beiden waren letztes Jahr in den
Salzburger Bergen beim Skifahren und erzählten
und erzählten. Das meist gebrauchte Wort, das
ich verstand, war „kak“, was „wie“ bedeutet. Sie fragten sich ständig, wie man eben
dieses und jenes auf englisch oder gar deutsch ausdrücken konnte. Komisch, wir
verstanden uns trotzdem. Zwischendurch entdeckte Svetlana in der Ferne ein paar
Delfine. Miljet kam indessen immer näher oder wir Miljet, wie Sie wollen. Wie wollen
Sie? O-Ton Valentin - Münchner Volkskünstler.
Nachdem mir Mikhail erklärt hatte, sie wären nicht gerne zweimal am selben Ort,
suchte ich für diesen Abend einen anderen Hafen aus. Pomena sollte es sein, wo es
laut Hafenhandbuch auch Restaurants mit Murings vor der Haustür geben sollte. Ein
Platz war noch frei für unseren breiten Kat. Diese blöden Gashebel! Ich wusste nie,
wann die Motoren die gleiche Drehzahl hatten, weil die Hebel so unterschiedlich justiert waren. Nochmal weg von den feindlichen Murings! Dann nahm ich einen längeren Anlauf, um das Schiff gerade in Fahrt zu bringen und den Kurs „filigran“, wie Grigory gesagt hätte, korrigieren zu können und erntete für den Anleger von den Nachbarschiffen ein „perfekt gemacht“. Es waren Salzburger.
Meine Crew war ja schon von Anfang an ein Knaller, aber jetzt war das Zusammenspiel echt nahezu optimal. Kaum, dass ich mit den Augen zweimal gezwinkert hatte,
waren beide Murings fest, die Achterleinen auf richtige Länge gebracht und die Fender korrigiert. Sogar Strom gab es bei dem Restaurant „Barba Ive“.
Unser Nachbarschiff fragte, wo ich denn mein Wetter her hätte und ich erzählte vom
Wetter-SMS, das Masteryachting gratis spendierte, wenn man bei ihnen charterte.
Ja, weil es auf Kanal 67 kein Vorhersageband mehr gäbe und weil die Zuhause gebliebenen vor einer Troglage gewarnt hätten. Nö, meinte ich, das sei wohl eher ein
Tröglein, von auch wetteronline nicht warnte.
Barfuß erkundete ich das Örtchen. Ich hatte bestimmt zwei Tage lang schon keinen
Schuh mehr am Fuß gehabt – herrlich.
Im Restaurant vor unserer Haustüre war ein Tisch zum Abendessen für uns gedeckt.
Das Tintenfischgulasch, das sich Andrej bestellt hatte, entsprach nicht so ganz seiner
Vorstellung, er nannte es „Suppe“ und stahl seiner Schwester Unmengen Pommes
frites von ihrem Teller. Grigorys Spaghetti bolognese war eine recht trockene Angelegenheit und ziemlich ungesalzen. Mein biftek ging so, aber war recht teuer. Alles in
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allem hätten wir bei Josef um die Ecke in Polace besser und billiger gespeist, aber
das weiß man ja vorher nicht.
Zurück im eigenen Garten, äh Cockpit, sagen wir noch ein paar russische Volkslieder, auf der Gitarre begleitet von Mikhail.
Freitag, 24. August 2007
Mein Wecker Grigory funktionierte auch heute. Ein weiterer diesiger Tag erwachte
und lockte morgens mit 4er Nordwind, der aber schleunigst nachließ, als er uns eine
halbe Stunde mit 7 Knoten halbwinds sausen sah. Angesichts der langen Strecke
nach Dubrovnik entschloss ich mich bei 2
Knoten Speed zum Dieseln. Die Segel ließen wir stehen. „Delfin, delfin“, riefen die
Ladies.
Eine Woche ist sooo schnell vorbei: ich fing
an, das Gemüsenetz ab zu bauen, meine
Schnürl zusammen zu suchen und öffnete
mit Brachialgewalt unter Zuhilfenahme eines
Messers den Navitisch, um zu sehen, ob sich noch etwas von mir darin befände.
Schon beim Check-In ging der Deckel nur höchst widerwillig auf und deswegen hatte
ich es die ganze Woche über gar nicht mehr probiert. Nun fand sich im Schiffsmanual
doch die Refftabelle, die ich schon vermisst hatte. Was weiß denn ich, wann so ein
Plastikbomber umfällt oder wann der Mast bricht. Ohne Krängung und Ruderdruck
fehlt einfach das Gefühl, wann wie viel gerefft werden muss. Und unsere DORA hatte
einfach nicht mit mir gesprochen! So hatte ich eben nach Gutdünken und vorsorglich
lieber zu viel als zu wenig gerefft. 7er Wind beeindruckt mich normalerweise nicht all
zu sehr, aber bei einem Katamaran, der nicht mir mit spricht….
Während der Fahrt an der Nordküste Miljes entlang, saß Svetlana ganz entspannt
auf einer Decke, nippte an ihrem Bier und sang dazwischen immer wieder:
„Harascho“ heißt „gut“. Die ganze Woche über sang sie diese Melodie, so dass ich
sie zu guter Letzt aufschreiben musste.
Hinter einer felsigen Insel vor Prozura an Miljets Nordküste schlugen wir unser Mittagslager auf. Mittlerweile
machte ich nicht einmal mehr den kleinsten Versuch,
diesen nichtsnutzigen Anker einzufahren. Es ging ja
sowieso nicht. Also ließen wir einfach die ganze Kette
auf 12 Meter fallen in der Hoffnung, dass er die
Schwimmpause
lang
halten
würde.
Die Vorräte, die jetzt noch da waren, mussten weiter!
Am besten, ich verkochte alles, was schwer war. Zwiebeln, Zucchini, Tomaten, ein Packl Tomatenpüree und
Thunfisch mussten in die Pfanne. Oliven und Gurken
aus dem Kühlschrank und Röstbrot als Vorspeise standen schon auf dem Tisch. Als
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dann die Spaghetti zur Soßenkreation noch fertig waren, schmatzten alle voller Freude. „Heute bin ich eure Hostess“, sagte ich und konnte mir schon wieder anhören:
Dann zogen wir mit Genua und dschu dschu Motor mit 7,5 Knoten vor dem NW 5
dahin Richtung Heimathafen Dubrovnik. Grigory lag im Netz und war sozusagen unser Ausguck.
Jockel aus, lange konnte man das Getöse ja nicht hören. Na also, ohne Dieselverbrauch brachte es unsere Lagoon 410 doch auch auf 5,5 Knoten. Andrej sang russische Popmusik, sich selbst begleitend auf der Familiengitarre. Vor Lopud auf der
gleichnamigen Insel wollten wir ankern, aber der Wellengang hielt uns doch davon
ab. Während wir auf der Südseite von Kolocep ein Badeplätzchen suchten, schmiedeten wir Pläne für nächstes Jahr. Svetlana bestand auf einem Katamaran, Tatjana
auf der letzten Augustwoche und Mikhail auf dem Norden Kroatiens. Mir soll‘s recht
sein! Veruda winkt.
Schöner NW5 schob uns mit voller Genua gen Dubrovnik. Nachdem ich rush-hour an
der Tankstelle der Marina vermutete, gingen wir nach Gruz, dem Stadthafen dieser
wundervollen Stadt. Zack, getankt. Ich hatte 86 Liter geschätzt, doch es gingen genau 78 in beide Tanks.
Das allerletzte Stück zum Heimathafen wollten wir noch segelnd zurücklegen. Ehrgeiz! Am Eingang der Marina tummelten sich schon vier Schiffe, weil der Hafen innen
so eng ist, dass immer nur einer raus oder einer rein kann. Am Steg D waren genau
die beiden Kopfplätze frei, die wir brauchten. Pero, der Stützpunktleiter empfing uns
mit der Muring in der Hand. Mikhail zog uns nach vorne und die Achterleinen flogen
im richtigen Zeitpunkt. Plötzlich starb einer meiner Motoren, was ein schrilles Pfeifen
zur Folge hatte. Hä? Ich kapierte nicht gleich, dass die Muring in unserer Schraube
gelandet war, weil ich damit nun wirklich nicht gerechnet hatte. Na also, die ganze
Woche mit mords Wind war nichts und nun bei null Wind sowas!
Egal, wir waren ja schon fest und der Taucher wegen eines anderen Schiffes schon
im Wasser. Er schnitt mit einem Küchenmesser auch unsere Muring von der Schraube und alles war wieder
Während die Segel, Motoren und die Klos durch gecheckt wurden, tranken wir erst
einmal einen Anlegerschluck.
Ich berichtete sämtliche wenigen Mängel. Pero wollte doch tatsächlich mich für den
Verlust des Radarreflektors verantwortlich machen! Was kann ich denn dafür, dass
sich das Ding so mir nix dir nix auflöst und in der Adria verschwindet? Ja, und den
Schäkel des ersten Reffs hätten wir auch verloren. Zum Schluss stellte sich heraus,
dass das alles nicht so ernst gemeint war – ich bekam meine Kaution zurück.
Meine lieb gewonnene Crew machte sich zum Essen auf in ein Restaurant und ich
konnte den Abend alleine bei einem leckeren Pfännchen und einfach mit mir genießen. Mein Auto war auch noch da. Pero hatte auf meine Bemerkung hin, dass ich
gespannt sei, ob mein car still on his place sei, geantwortet: „we are here in Croatia!“
und er würde bei sich zuhause immer alles unverschlossen lassen.
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Ein Sommertörn, wie er
schöner nicht sein könnte:
Wind
Sonne
Keine Sonnenbrände
Kleine Buchten
Nette Restaurants mit
Murings vor der Terrasse
Eine vergnügte und pflegeleichte Crew
Einfach schön!
Noch ein paar Vokabeln:
Russisch
Barsin
Bolschoi
Busa
Chleb
dak
dawei
Dobrai utra
Dobre den
Dobrodoschli
dschu dschu
Elisabjeth
harascho
Juhe
kak
mala
Murka
opriamo
paschalsta
Piva
priatnava apezita
Ribe
spassiba
vela
Deutsch
Kater
Groß
Bauch
Brot
so!
Los
guten Morgen
guten Tag
auf wiedersehen
ein bisschen
Elisabeth
Gut
Suppe
Wie
Klein
Katze
Dickköpfig
Bitte
Bier
guten Appetit
Fisch
Danke
Groß
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