Die Große Koalition – Risiko für die Konkurrenzdemokratie oder

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Sozialkunde, GK 12, arbeitsteilige Gruppenarbeit
Die Große Koalition – Risiko für die Konkurrenzdemokratie oder
chancenreiches Reformbündnis?
Gruppe 1:
Stimmen von FDP, Bündnis ´90/Die Grünen und Linkspartei zur Großen Koalition
Guido Westerwelle, Bundesvorsitzender der FDP:
Ich rechne mit der Großen Koalition. Ich fürchte sie auch für Deutschland, weil das eine
Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners ist und nicht der mutige Neuanfang, den unser
Land dringend bräuchte.
Ich bin mir aber nicht sicher, ob dann eine Große Koalition auch tatsächlich die gesamte
Legislaturperiode hält, weil ich auch sehe, wie sehr die Sozialdemokraten immer noch unter
der Hand mit der Option einer linken Mehrheit im Deutschen Bundestag liebäugeln.
[Guido Westerwelle, Vorsitzender der FDP, in einem Interview mit DeutschlandRadio Kultur am 08.10.2005 http://www.dradio.de/dkultur/ sendungen/tacheles/426843/]
Reinhard Büttikhofer, Bundesvorsitzender von Bündnis ´90/Die Grünen:
Auf Länderebene haben wir derzeit vier Große Koalitionen. Keine davon steht für den
politischen Aufbruch, eher für großen Stillstand und diesen kann das Land nicht gebrauchen.
Es stimmt schon verwunderlich, dass sich nun zwei Partner zu finden scheinen, die im
Wahlkampf kein gutes Haar am anderen gelassen haben. Die Große Koalition trägt den
Spaltpilz von Beginn an in sich.
[Pressemitteilung von Bündnis ´90/Die Grünen v. 12.10.2005; www.gruene.de]
Gregor Gysi und Oskar Lafontaine, Vorsitzende der neuen Linksfraktion im Bundestag:
Die große Koalition verhindert den dringend notwendigen Politikwechsel in Deutschland hin
zu einer Politik für soziale Gerechtigkeit, friedliche Außenpolitik, Chancengleichheit in
Bildung und die Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West.
Die SPD hat es abgelehnt, Konsequenzen aus ihrer Wahlniederlage zu ziehen und sich von
der abgewählten Politik von Agenda 2010, Hartz IV, von Sozial-, Renten- und
Lohnkürzungen zu verabschieden. Eine solche Veränderung von Politik wäre die
Voraussetzung dafür gewesen, den Wählerwillen einer Mehrheit jenseits von Union und FDP
in politisches Handeln umzusetzen und dafür auch mit der Linken zusammenzuarbeiten.
[Pressemitteilung v. 10.10.2005 zu finden unter: www.linksfraktion.de]
Gruppe 2
Stimmen aus SPD und CDU zur möglichen Großen Koalition:
SPD-Pressemitteilung:
Unser Präsidium hat beschlossen, Koalitionsverhandlungen mit der Union aufzunehmen. Wir
nehmen damit das Ergebnis der Bundestagswahl an und nutzen es, um eine Koalition
zustande zu bringen, die die Probleme des Landes lösen will. Reformbaustellen gibt es
zahlreiche: die Reform des Föderalismus, die finanzielle Absicherung der Pflege- und
Rentenversicherung, die Unternehmenssteuerreform.
Wenn beide Partner auf Augenhöhe verhandeln und arbeiten, können wir mit dieser Koalition
die dringenden Probleme unseres Landes in den Griff bekommen. Eine Reformpause können
wir uns nicht leisten.
[www.spd.de, Pressemitteilung vom 10.10.2005]
Henning Scherf (SPD), Bremer Bürgermeister und selbst Chef einer Großen Koalition:
Im Bund bleibt nach meiner Einschätzung gar nichts anderes übrig als eine Große Koalition.
Die Bundespolitiker müssen das Mandat der Wähler annehmen, denn das einzig Belastbare,
was als Ergebnis bei Koalitionsverhandlungen heraus kommen kann, ist die Große Koalition.
Programmatisch liegen Union und SPD nicht so weit auseinander. Sie haben die meisten
Schnittstellen, die man sich bei allen Koalitionskonstellationen vorstellen kann. Die
wichtigste Aufgabe einer neuen Bundesregierung ist die Sanierung des Haushalts. Das kriegt
man nach meiner Einschätzung nur mit einer Großen Koalition hin.
[Bericht v. 27.09.2005 zu finden unter: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,376005,00.html]
Angela Merkel, CDU-Partei- und Fraktionsvorsitzende, designierte Kanzlerin:
Ich habe von der Koalition der neuen Möglichkeiten gesprochen und das hat etwas mit
Aufbruch zu tun. Ich will, dass wir die Chancen einer solchen Koalition - wenn sie denn
zustande kommt, aber das wollen wir ja - nutzen.
Und diese Chancen nutzen heißt, dass wir Dinge tun, die vielleicht sonst nicht in der Weise
zustande gekommen wären. Ich nenne das Thema: Föderalismusreform. Aber ich sage vor
allen Dingen, wir müssen Erfolge haben bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, bei der
Schaffung neuer Arbeitsplätze.
Und beide große Volksparteien sind jetzt vom Wähler dazu aufgefordert, diese neuen
Möglichkeiten auszuloten. Ich glaube, wir sind dem Wähler auch verpflichtet.
[Interview mit Thomas Roth von der ARD-Sendung Brennpunkt, ausgestrahlt am 10.10.2005; Text unter www.cdu/csu.de]
Gruppe 3
Politikwissenschaftler zu den möglichen Nachteilen einer Großen Koalition
Eckard Jesse, Politikwissenschaftler an der Universität Chemnitz am 11.10.2005:
Für das Parteiengefüge in Deutschland könnte eine Große Koalition bedeuten, dass die
politischen Ränder gestärkt werden. Der Linkspartei und der NPD konnte nichts Besseres
passieren als ein Bündnis von Union und SPD. Die große Koalition wird den Kurs von
Schröders Agenda 2010 beibehalten, aber die gravierenden Probleme auf dem Arbeitsmarkt
nicht lösen können. Die Linkspartei dürfte da der große Nutznießer sein. Aber auch die NPD
wird wohl profitieren. In einer großen Koalition können CDU und CSU kaum eine Politik
machen, die auch das Wählerpotenzial am rechten Rand des politischen Spektrums erreicht.
Ulrich von Alemann, Politikwissenschaftler an der Universität Düsseldorf am 12.10.2005:
Ich aber halte sehr viel von Wettbewerb in der Politik, vom Gegeneinander von Regierung
und Opposition. Die Harmoniesucht der Deutschen, die Parteiendebatten immer gleich als
Streit herabwürdigen, gilt es aufzuheben. Alle wichtigen Reformen, die nun anstehen, lassen
sich mit einfachen Mehrheiten einer kleinen Koalition durchsetzen. Nur für die
Föderalismusreform brauchen wir eine verfassungsändernde Mehrheit aber keine Große
Koalition.
Außerdem ist Deutschland ein Land, das sich nahezu permanent im Wahlkampf befindet. Im
nächsten Jahr kommen verschiedene Landtagswahlen auf die Parteien zu. Die grossen
Parteien würden wohl keine Gelegenheit auslassen, sich zu profilieren, aber sicherlich viele
Gelegenheiten vorbeiziehen lassen, um die parteipolitischen Interessen zurück zu stellen und
dem Wohl des Landes zu dienen.
[Quellen: www.waz.de; www.netzeitung.de]
Gruppe 4
Der Politikwissenschaftler Klaus Detterbeck zu den Chancen einer Großen Koalition
Ich bin eher optimistisch, dass die Große Koalition eine Chance für die deutsche Politik ist...
Bei den Inhalten kann, bei all den Differenzen in den konkreten Details, durchaus davon
gesprochen werden, dass sich Union und SPD in der Einschätzung der Probleme des Landes
und der generellen Richtung von Reformen einig sind. Die beiden Partner haben somit eine
gute Basis, sich auf Kompromisse zu einigen, die mehr als nur den kleinsten gemeinsamen
Nenner darstellen. Ich denke etwa an die wichtige Frage der Föderalismus-Reform, an die
Steuerpolitik, an die Arbeitsmarktpolitik oder an eine Rentenreform. (...)
Union und SPD verfügen über ein hohes Machtpotenzial auf beiden Ebenen des politischen
Systems. Sie werden in der Lage sein, verfassungsändernde Zwei-Drittel-Mehrheiten in
Bundestag und Bundesrat zu organisieren. Wir werden sicherlich weniger von den
Blockademöglichkeiten des Bundesrates hören, als dies in den letzten Jahren der Fall war; aus
der informellen großen Koalition, die für Reformen notwendig war, wird eine formelle große
Koalition. (...)
Der dritte Grund, warum die große Koalition eine Chance darstellt, ist der hohe
Erwartungsdruck, der auf ihr lastet. Die Bürger fordern eine Politik, die es schafft, die
Probleme, vor allem die Arbeitslosigkeit und die Sicherung der Sozialsysteme, anzugehen.
Union und SPD wissen, dass ein Scheitern vor diesen Aufgaben, ihrem ohnehin schon
beschädigten Ansehen weiteren Schaden zufügen würde, der nicht nur ihre bisherige
Dominanz, sondern die Parteiendemokratie insgesamt ernsthaft gefährdet. Die große
Koalition ist sozusagen verdammt zum Erfolg. Schlimm wären verfehlte Reformen, die ihre
Ziele nicht erreichen; schlimmer noch für die beiden Parteien wäre die Unfähigkeit, Reformen
überhaupt erst auf den Weg zu bringen.
Klaus Detterbeck (Jahrgang 1966) lehrt und arbeitet am Institut für Politikwissenschaft der Universität Magdeburg.
[Interview mit der Deutschen Welle v. 14.10.2005; http://www.dw-world.de/dw/article/ 0,5830,1740365,00.html]
Aufgaben:
1. Arbeiten Sie Gründe heraus, die nach Ansicht der Parteien/Politiker für bzw. gegen die
Bildung einer Großen Koalition sprechen.
2. Welche Absichten liegen der jeweiligen Argumentation zugrunde?
3. Notieren Sie zwei der wichtigsten Nachteile bzw. Vorteile mit je einem Stichwort auf die
beigefügten Papierstreifen.
4. Im Anschluss müssen Sie den Standpunkt der o. a. Parteien / Personen im Plenum
vertreten. Fertigen Sie zu diesem Zweck einen Merkzettel an.
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