Protokoll vom 3.11.04

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Körper und Habitus
Oldenburg, November 2004
Prof. Dr. Thomas Alkemeyer
WS 04/05
Protokollantinnen: Esther-Marie Habedank, Martina Wösten, Claudia Sibum, Charlotte
Lohmann
Protokoll vom 3.11.04
Thema: Pierre Bourdieu-Entwurf einer Theorie der Praxis, 1979: Die Einverleibung der
Strukturen
 Begrüßung durch T. Alkemeyer

1. Zitat (aus P. Bourdieu: Die Einverleibung der Strukturen): Nicht „Modelle“, sondern die Handlungen
der anderen werden nachgeahmt. Dabei wird die Motorik unmittelbar von der körperlichen Hexis
angesprochen, einem Haltungsschema, das für ein ganzes System von Körpertechniken und
Werkzeugen verantwortlich ist und mit einer Vielzahl sozialer Bedeutungen und Werte befrachtet,
zugleich singulär und systematisch ist: In allen Gesellschaften zeigen die Kinder für die Gesten und
Posituren, die in ihren Augen den richtigen Erwachsenen ausmachen, außerordentliche
Aufmerksamkeit: also für ein bestimmtes Gehen, eine spezifische Kopfhaltung, ein Verziehen des
Gesichts, für die jeweiligen Arten, sich zu setzen, mit Instrumenten umzugehen, dies alles in
Verbindung mit einem jeweiligen Ton der Stimme, einer Redeweise und – wie könnte es anders sein? –
mit einem spezifischen Bewusstseinsinhalt. (S. 189 Zeile 8 – Seite 190 Zeile 11)
 Habitus entsteht durch Nachahmung (nicht nur bloße Imitation, sondern
bewusstes Nachvollziehen)
 Mimesis = Nachgestalten (nicht bloße Nachahmung), geht mit
Umgestaltungsprozessen einher (d.h. man übernimmt etwas und fügt eigenes
hinzu)
 Behauptung: Die Handlung der anderen vollziehen sich in Haltungsschemata,
keine zufällige Aneinanderreihung, es besteht ein Zusammenhang
 Schema: nicht nur verantwortlich für Art und Weise sich seines Körpers zu
bedienen, sondern es enthält auch eine Vielzahl von Bedeutungen und Werten
 Aufgrund dieses Schemas klassifiziert jeder Mensch einen anderen sofort; eine
reine Wahrnehmung gibt es nicht (Bourdieu)
 Der Begriff „Geschmack“ ist sozial konstituiert, er dient dazu
Wahrgenommenes sofort in Zeichen und Werte umzuwandeln (Bourdieu)
 Die Beharrungskraft des körpergewordenen Habitus = Hysteresis („die Haut in
die man hineingeschlüpft ist, kann man nicht mehr verlassen“), führt zu
sozialer Veralterung
„Trägheit des Habitus“, einige Völker beharren auf ihren Habitus und
können sich demnach nicht der modernen Entwicklung anpassen
 Bewusstseinsinhalte der Hexis: der Geist kann nicht ohne Körper existieren
und umgekehrt
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2. Zitat: Gegenüber einer inkohärenten Folge von Zahlen [...] lässt sich eine Serie deshalb sehr viel
einfacher aneignen, weil sie eine Struktur aufweist, die davon befreit, mechanisch die Gesamtheit der
einzeln genommenen Zahlen im Gedächtnis zu speichern: [...] stets ist das Material, das sich dem
kabylischen Kind zum Lernen anbietet das Produkt der systematischen Applikation einer kleinen
Anzahl zusammenhängender praktischer Prinzipien - womit ausgesprochen ist, dass in diesem
unbegrenzt redundanten Material das Kind niemals Mühe hat, den Grund aller dieser sinnlichen Serien
zu erfassen, und ihn sich [...] in Form eines generativen Prinzips von Praktiken, die auf der gleichen
Grundlage organisiert sind, mühelos aneignen kann. (Seite 190 Zeile 15 – Seite 190 Zeile 34)
 Eine Situation ist immer ähnlich zu einer, für die ich schon Reaktionsschemata
habe
D.h. der Habitus mit seinen Handlungen ist durch Erfahrungen
entstanden. Durch die Erfahrungen weiß man, wie man in bestimmten
Situationen Handeln soll.
 Strukturelle Ähnlichkeit muss erkannt werden
 Bsp: Teppichkauf: Bezug von Probe zum gesamten Teppich sollte hergestellt
werden können
 Kinder erwerben Handlungsprinzipien unbewusst im Spiel und können dies auf
den Alltag übertragen
 Woher kommt Struktur?
Einerseits von außen: Nachahmung (von Handlungen anderer), andererseits
von innen durch Praxis (eigene Handlungen)
 Nach Bourdieu werden Strukturen von Menschen erzeugt (aus der
Notwendigkeit heraus), sie verfestigen sich z.B. in Institutionen
 Strukturalismus: Man geht von einer bereits bestehenden Struktur aus, in die
die Handelnden hineingeboren sind und nach deren Prinzipien sie leben. Es
besteht also nur ein Einfluss der Struktur auf den Menschen, nicht aber
umgekehrt.
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3. Zitat: Die Experimentalanalysen des Lernens, die davon ausgehen, dass die Bildung oder
Anwendung eines Begriffs nicht das bewusste Begreifen der gemeinsamen Elemente oder Beziehungen
erfordert, die in die einzelnen Beispiele eingehen, gestatten, den Prozess zu verstehen, durch den die
systematischen Produkte systematischer Dispositionen, also die praktischen Handlungen und Werke
dahin tendieren, ihrerseits systematische Dispositionen hervorzubringen. (Seite 191 Zeile 18 – Seite 191
Zeile 25)
 Man verinnerlicht ein Prinzip, dass man nicht verbalisieren kann (Beispiel: wie
handle ich am Computer? Kaum einer kann ohne Blick auf den Monitor sagen,
welche Schritte er nacheinander ausführt, um zum Beispiel eine E-Mail
abzuschicken)
 Systematische Praktiken bringen systematische Regeln hervor
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4. Zitat: Die „Kunst“ des Barden, die praktische Beherrschung dessen, was „Formelmethode“ genannt
wurde, d.h. die Fähigkeit zu improvisieren, indem, „um eine bestimmte Vorstellung auszudrücken“,
„regelmäßig unter gleichen metrischen Umständen verwendete“ Wortsequenzen: Formeln (z.B. das
homerische Adjektiv) mit Themen, Gemeinplätzen der epischen Erzählung, kombiniert werden, lässt
sich durch schlichtes Vertrautwerden, „durch vieles Hören von Gedichten“ aneignen und ohne dass die
Lernenden sich des Aneignungsprozesses und in der Folge der Handhabung dieser oder jener Formel
bewusst wären; ohne jemals als solche wahrgenommen zu werden, werden gleichzeitig mit der Melodie
und der Bedeutung auch die Zwänge des Rhythmus und der Metrik verinnerlicht. (Seite 192 Zeile 5 –
Seite 192 Zeile 17)
 Durch den Erwerb von Regelmäßigkeiten kann improvisiert werden, d.h. wenn
sich jemand durch wiederholtes Handeln eine Struktur (Regelmäßigkeit)
angeeignet hat, dann ist er durch diese Routine fähig, in veränderten
Situationen zu improvisieren. Er muss sich z.B. nicht an Aufzeichnungen lang
hangeln, sondern ist fähig frei zu improvisieren, da er die Struktur verinnerlicht
(inkorporiert) hat.
 Bsp: Prüfungssituation: sobald man eigenes Handeln im gleichen Augenblick
reflektiert, bricht man aus der Selbstverständlichkeit der Logik der Praxis aus
 Habitus und Habitat fallen auseinander (Bourdieu); mein Handeln ist mit der
Situation nicht adäquat
 Kinder kennen die Melodie und den Rhythmus der Sprache, bevor sie die
Sprache können. Dies setzt der Erwerb der Sprache voraus.
 2 Pole des Lernens: 1. Vertraut werden mit… (implizit)
2. Lernen in speziellen Lerninstitutionen… (explizit)
3. Bourdieu: es existiert etwas Drittes: durch
Rituale/Spiele werden Fähigkeiten erworben.
Frage aus dem Plenum: Was versteht Bourdieu unter Mythos: Ideologie, bestimmte
Weltanschauung; ein Mythos ist geschichtslos
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