famaspi - Katholische Sozialakademie Österreichs

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FAMASPI
Ergebnisse der Befragung von Führungskräften
in christlichen Institutionen in Österreich
erstellt durch:
ksoe (Katholische Sozialakademie Österreichs)
Schottenring 35/Dachgeschoss
A-1010 Wien
Tel: +43-1-310 51 59
Fax: +43-1-310 68 28
[email protected]
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Inhaltsverzeichnis
0. Zusammenfassende Thesen und Einsichten .......................................................................... 3
1. Hintergrund und Ziel .............................................................................................................. 4
1.1. Methode und Stichprobe................................................................................................. 4
1.2. Auswertung...................................................................................................................... 5
2. Spezifische Herausforderungen an Führungskräfte in christlichen Organisationen ............. 5
4. Zu den Begriffen „Spiritualität“ und „christliches Weltbild“ ................................................. 6
4. 1. Grundeinstellungen/-annahmen .................................................................................... 6
4.2. „Christlich führen“ ........................................................................................................... 8
4.3. Spirituelle Praxis/ Konkretisierung des Christlichen........................................................ 9
4.4. Spiritualität und Sprachfähigkeit ..................................................................................... 9
5. Fachkompetenz .................................................................................................................... 10
6. Management ........................................................................................................................ 10
7. Verbindung FA-MA-SPI ......................................................................................................... 11
8. Ausbildung für christliche Führungskräfte ........................................................................... 11
8.1. Eigene Erfahrungen ....................................................................................................... 11
8.2. Anregungen ................................................................................................................... 11
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0. Zusammenfassende Thesen und Einsichten
 Führungskräfte in christlichen Einrichtungen sehen sich seitens ihrer
MitarbeiterInnen konfrontiert mit Erwartungen nach einem im Vergleich zu anderen
Arbeitgebern besonders „menschlichen“ Umgang. Neben den wirtschaftlichen
Kriterien müssten noch andere Wertmaßstäbe eine Rolle spielen.
 An ihr eigenes Führungsverhalten haben Führungskräfte den Anspruch einer
besonderen Fürsorgeverantwortung gegenüber den MitarbeiterInnen.
 Besonders wenn Kündigungen ausgesprochen werden müssen, wird deutlich, dass
neben der eindeutigen Rechtslage noch einmal andere mitarbeiterorientierte
Gesichtspunkte hinzukommen.
 „Spiritualität“ äußert sich in der Art und Weise des persönlichen Engagements und ist
immer mit einer Handlungsorientierung verbunden.
 „Spiritualität“ hat eine entlastende Funktion, da das eigene Handeln in einen
größeren Sinnzusammenhang gestellt und von einem Grundvertrauen getragen wird.
 „Spiritualität“ wird spürbar in einer offenen Gesprächs- und Besprechungskultur.
 Eine spirituelle Praxis und spirituelle Angebote werden als eine „Unterbrechung des
Arbeitsalltags“ wertgeschätzt und unterstützend für die Entscheidungsfindung
erlebt.
 Fachkompetenz ist eine unabdingbare Voraussetzung, die nicht durch spirituelle
Kompetenz ersetzt werden kann.
 Der eigene Führungsstil wird als partizipativ verstanden. Die Managementaufgaben
bestehen in der Zielsetzung, in der Planung und in der Koordination.
 Die drei Bereiche „Fachkompetenz – Management – Spiritualität“ werden nicht als
gegensätzlich beurteilt. Die spezifische Herausforderung einer christlichen
Führungskraft ist es, diese Bereiche in der eigenen Persönlichkeit zu integrieren.
 Ein besonderer Bedarf wird gesehen an Weiterbildungsangeboten zu den
Schwerpunkten „Persönlichkeitsentwicklung“, „Spiritualität und Management“ sowie
zur Auseinandersetzung mit Gottes- und Menschenbildern.
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1. Hintergrund und Ziel
Im Rahmen einer Studie, die in den Ländern Deutschland, Österreich und Ungarn
durchgeführt wird, soll die spezifische Situation von Führungskräften in christlichen
Organisationen erhoben und dargestellt werden.
Als Arbeitshypothese wurde formuliert, dass von Führungskräften ein „Mehr“ oder eine
andere Qualität des Handelns erwartet wird, z.B. ein konsequentes Leben christlicher Werte
in allen Belangen. Zudem wurde angenommen, dass solche Führungskräfte besondere
Ansprüche an sich selbst stellen, die als Herausforderung erlebt werden.
Zentrale Fragestellungen waren:
 Wie sehen und erleben sich Führungskräfte in christlichen Institutionen, und wie ist
ihr derzeitiger Umgang mit der Herausforderung, die sich aus der Verbindung der
Bereiche „Fachkompetenz – Management – Spiritualität“ ergeben?
 Gibt es konkrete Wünsche nach Unterstützung bei der balancierten Entwicklung
dieser drei Bereiche? Und welche sind dies?
Ziel der Studie ist die Entwicklung eines Lehrgangs bzw. von Modulen, die auf die besondere
Situation von Führungskräften in christlichen Organisationen eingehen und ihren
Bedürfnisse nach Unterstützung und weiteren Entwicklungsmöglichkeiten
entgegenkommen.
1.1. Methode und Stichprobe
Es wurden 9 Interviews (5 männlich /4 weiblich) mit Führungskräften vorwiegend aus der
oberen sowie der mittleren Führungsebene von christlichen Einrichtungen durchgeführt. Aus
Datenschutzgründen wird die genaue Funktionsbeschreibung neutralisiert.
 7 Befragte: Oberes Management - Geschäftsführung, Direktion, Einrichtungsleitung
(5 weiblich / 2 männlich)
 2 Befragte: Mittleres Management - Stabsstelle, Bereichsleitung (2 männlich)
Die Interviews fanden statt im Januar und Februar 2013 statt.
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1.2. Auswertung
Die Auswertung erfolgt nach den Kriterien der qualitativen Inhaltsanalyse hinsichtlich
Tendenzen und Trends. Dies erklärt die geringe Fallzahl. Die Interviews wurden großteils
transkribiert. Die Interviewinhalte wurden dann zunächst vereinfacht und allgemein
formuliert sowie schließlich zu Kernaussagen zusammengefasst.
2. Spezifische Herausforderungen an Führungskräfte in
christlichen Organisationen
Die befragten Personen sehen sich in ihrer Aufgabe als Führungskraft mit z.T. hohen
Erwartungen konfrontiert, die ihre MitarbeiterInnen an sie als Vertreter eines christlichen
Dienstgebers stellen. So werde bereits bei der Personalauswahl die Erwartung an sie
herangetragen, dass das Kriterium der jeweiligen Kirchenzugehörigkeit ein höheres Gewicht
habe als das der Fachkompetenz des/der betreffenden Bewerbers/Bewerberin. Ferner
beziehen sich die Erwartungen der MitarbeiterInnen auf die Berücksichtigung individueller
Bedürfnisse hinsichtlich Gehalt, Dienstplan und Arbeitsplatzausstattung. Auch im Falle einer
auftretenden verminderten Leistungsfähigkeit wird eine Rücksichtnahme durch die
Geschäftsführung bzw. Einrichtungsleitung als selbstverständlich angesehen.
Allgemein sehen sich Führungskräfte in christlichen Organisationen mit dem Dilemma
konfrontiert, dass sie angesichts der knappen finanziellen Ressourcen auf eine hohe
Leistungsbereitschaft und die Eigenverantwortung ihrer MitarbeiterInnen setzen müssen,
andererseits aber auch ihre Fürsorgeverantwortung gegenüber den MitarbeiterInnen
wahrnehmen und dem Leistungsdruck Grenzen setzen wollen.
Eine besondere Herausforderung des Arbeitsalltages stellen Konfliktsituationen am
Arbeitsplatz dar. Unter Hinweis auf vermeintlich christliche Ideale wie Harmonie oder
Widerspruchslosigkeit würden Konflikte oft nicht direkt angegangen oder offen ausgetragen.
Im Gegensatz dazu sehen die befragten Führungskräfte „urchristliche“ Erfahrungen als
konfrontativer an („Jesus war kein angepasster Feigling“). „Früher meinte ich, wir müssen für
alles Kompromisse finden, doch das ist nicht christlich. Mir entspricht jetzt mehr die Haltung
von Jesus: ganz klar zu sagen, was es hat und nicht herumzureden. Klar zu sagen, was ich
verlange und Rückmeldungen zugeben.“
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3. Umgang mit schwierigen Entscheidungen
Die besondere Ausrichtung christlicher Führungskräfte wird vor allem in solchen Situationen
konkret, in denen sie schwierige Entscheidungen zu treffen haben.
Dabei stellt die Frage der Beendigung eines Dienstverhältnisses eine extreme Belastung für
die verantwortliche Führungskraft dar. So sei es zwar in der Sache klar, wie auf
Gesetzesverstöße, Alltagskorruption oder Intrigen reagiert werden müsse, es werde aber ein
„menschlicher“ Umgang gesucht.
Als herausfordernd wird der Umgang mit verminderter Leistungsfähigkeit von
Mitarbeitenden (lange Krankenstände / Alter) angesehen. In diesem Fall werden trotz eines
finanziellen Korsetts andere Wertmaßstäbe mit einbezogen und menschliche Lösungen im
Team gesucht würden.
In Zeiten knapper Ressourcen stellen betriebswirtschaftliche Entscheidungen eine besondere
Herausforderung für Führungskräfte in christlichen Einrichtungen dar, wie z.B.:
 strukturelle Veränderungen wie die Zusammenlegung von Betriebseinheiten
 die Sanierung eines defizitären Betriebes durch Preiserhöhung trotz sozialer
Erwartungen
4. Zu den Begriffen „Spiritualität“ und „christliches Weltbild“
Der Begriff „Spiritualität“ wird von den Befragten unterschiedlich verwendet. Einerseits wird
auf den Begriff ganz verzichtet, da er als zu allgemein empfunden wird, und stattdessen die
Begriffe „Katholizität“ und „Kirchlichkeit“ verwandt. Andererseits wird mit dem Begriff die
Art und Weise bezeichnet, wie ich mich in die Welt begebe, wie ich mich auf sie einlasse und
für die Welt da bin. „Spiritualität“ vermittle ein Vertrauen, ohne etwas zu wissen, und gebe
einen breiteren Sinnrahmen als ein Fachstudium. Man könne sie als eine Art
„Koordinatensystem für wichtige Entscheidungen“ verwenden. „Spiritualität“ äußere sich
vor allem im Tun („Spiritualität des Engagements“).
4. 1. Grundeinstellungen/-annahmen
Eine Grundeinstellung der befragten Führungskräfte ist, dass jemand, wenn er an einem
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bestimmten Ort arbeitet, nicht zufällig da ist, sondern dass das einen Sinn hat. „Ich arbeite
mit den MitarbeiterInnen, die ich habe und denke nicht darüber nach, wie es wäre, wenn es
doch andere wären.“
Ganz grundsätzlich haben sie die Überzeugung, gerufen zu sein, die Welt mitgestalten zu
dürfen: „Ich diene einer Sache und hoffe, dass die Welt dadurch ein bisschen besser wird.“
Das eigene Dasein wird als ein Leben aus einer inneren Verbindung mit Gott gesehen: „Ich
laufe nicht nur meinen eigenen Ideen nach, sondern darf mit Gott, der Konzepte für eine
bessere Welt hat, mitwirken.“ Diese Grundeinstellung wird zudem im Arbeitsalltag als
entlastend erfahren: „Das Wesentliche im Leben mache nicht ich, und ich bin nicht der
Erlöser der Welt, sondern Gott bewegt durch mich etwas in der Welt.“
Christliche Führungskräfte verstehen aber, dass an sie als „Werkzeug“ auch bestimmte
Anforderungen gestellt werden: „Ich darf als Säge nicht stumpf sein, d.h. ich muss selbst für
meine Kompetenz sorgen.“
Als „fröhliche Gelassenheit“ wird die eigene christliche Grundeinstellung definiert. Die
Gelassenheit resultiere aus einer Erfahrung des Vertrauens und dem Gefühl des GetragenWerdens durch ein höheres Wesen. „Ich muss nicht alles selber machen, ich kann mich da
auch ein Stück weit fallen lassen und das Vertrauen haben, dass da einfach Vieles in mir
drinnen ist und ich einfach oft nur hinhören muss, was jetzt so dran ist.“ Für die eigene
Führungspraxis hat eine solche Grunderfahrung unmittelbare Auswirkungen: „Je mehr ich
darauf vertraue, meiner Aufgabe gewachsen zu sein, umso klarer treffe ich Entscheidungen.“
Bei der Begründung dieser Grundeinstellung wird auf die Erfahrung christlicher Mystik Bezug
genommen: „Ich bin gnadenhaft geliebt“, „Ich bin als Mensch ein von Gott gewolltes
Geschöpf; ich bin wertvoll und habe Vieles in mir, was mich trägt“ und „So wie ich bin, so bin
ich von Gott geliebt und gewollt, und das, was ich tue, da bekomme ich auch die Kraft dazu.“
Christliche Spiritualität wird dabei notwendigerweise als „inkarnatorisch“, also auf den
Anderen bezogen verstanden: „Gott hat sich auf das Menschliche eingelassen; wenn ich Gott
ernst nehme, kann ich nicht an den Menschen vorbeigehen.“ Im Unterschied dazu wird eine
Spiritualität, in der derjenige umso frommer wäre, je weniger er sich auf die Wirklichkeit des
Lebens einließe, als „unchristlich“ bezeichnet.
Das christliche Menschenbild stehe dafür, die Werthaftigkeit und Würde eines jeden
Menschen ernst zu nehmen und die Menschen nach ihrem Sein und nicht nach ihrer
Leistung zu beurteilen.
Die eigene Tätigkeit wird darüber hinaus als „Verkündigung“ und als gelebtes Christ-sein
verstanden. Die christliche Nächstenliebe habe dabei einen zentralen Stellenwert.
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4.2. „Christlich führen“
Eine Leitungsaufgabe in kirchlichen Einrichtungen hat nach dem Selbstverständnis von
christlichen Führungskräften „Dienstleistungsfunktion“ und ist keine „Herrschaftsfunktion“:
Eine Führungskraft zeichne grundsätzlich aus, dass sie die eigenen ethischen Prinzipien im
Alltag vorlebe und dadurch den eigenen MitarbeiterInnen gegenüber ein gutes Beispiel gebe
(Wertschätzung, Respekt, Achtsamkeit, Würde, Egalität, Gerechtigkeit, Hoffnung geben,
Mitarbeiter fördern).
Christliche Führungskräfte gestalten ihre Leitungsaufgabe aus der Erfahrung des eigenen
Verwurzelt-sein in Gott und in der Beziehung zwischen dem persönlichen Gott und der
Gemeinschaft. Zu dieser Leitungsaufgabe gehört daher immer das eigene Sich-in-Fragestellen und Reflektieren: „Warum tue ich das? Warum tun wir das so? - Weil ich ChristIn
bin!“
Eine Grundannahme ist, dass die Spiritualität und christliche Werthaltung am Arbeitsplatz
spürbar sein und sich z.B. in der Gestaltung des Hauses, im persönlichen wertschätzenden
Kontakt oder in Besprechungskultur ausdrücken müssen. Aufgabe einer Führungskraft sei es,
durch direkten persönlichen Kontakt eine offene Kommunikation zu ermöglichen, Hilfen bei
der Sinndeutung zu geben und Besprechungen bewusst zu gestalten.
Christliche Nächstenliebe sei mehr als bloße Empathie und vermittle eine besondere
Achtsamkeit und Tiefe. Sie ermögliche es, Sensibilität und viel Verständnis für das
Eine wichtige Anforderung an eine christliche Führungskraft sei die Fokussierung auf die
Zukunft bzw. auf eine Vision und nicht auf das Negative, das Problem. Daher solle ein/e
Vorgesetzte/r den Mitarbeitenden gegenüber Mut machen, eine Vision zu haben, ohne
sofort zu fragen, ob andere Führungsverantwortliche genauso denken.
Für das Selbstverständnis einer Führungskraft an einer Ordenseinrichtung sei die
Ausrichtung am Charisma der Gründungsfiguren wichtiger als der Blick auf die derzeitigen
Mitglieder der Institution.
Eine gute Selbsteinschätzung sei Voraussetzung für eine erfolgreiche Führungstätigkeit.
Daher sei es für das christliche Führungsverständnis zentral, dass eine Führungsperson um
die eigenen Schwächen wissen und nicht alles selber können muss, sondern sich helfen
lassen kann.
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4.3. Spirituelle Praxis/ Konkretisierung des Christlichen
Von einer „Spiritualität“ bzw. von der christlichen Grundhaltung wird erwartet, dass sie sich
immer mehr in jeder Handlung niederschlagen muss. Eine spirituelle Praxis mache Menschen
grundsätzlich authentischer und ihr Tun menschlicher.
„Spiritualität“ unterstütze die eigene Wahrnehmungsfähigkeit für die Umwelt sowie die
Unterscheidungsfähigkeit der durch sie ausgelösten Gefühle. „Spiritualität“ mache den
Horizont weit, gebe Perspektive und habe Zukunft. Sie fördere das Nach-innen-Schauen, das
Zur-Besinnung-Kommen, speziell wenn Ärger oder unangenehme Entscheidungen im Raum
stehen.
Gerade auch bei strategischen Fragen brauche es ein Innehalten, Nachdenken und In-sichHineinhorchen als Grundlage für gute Entscheidungen. „Es gibt keine
Grundsatzentscheidung, ohne dass ich die Argumente abwäge und darüber bete.“ Das wird
als wichtige Vorbereitung gesehen, um in den Dialog mit anderen einzutreten zu können, um
die Perspektive der Anderen einnehmen zu können und die eigenen Überzeugungen
durchrütteln zu lassen.
Dabei werden spezielle spirituelle Angebote wie z.B. einer Ordensgemeinschaft (Messfeiern,
Besinnungszeiten…) als unterstützend erfahren, die ein Heraustreten aus beruflichem Alltag
ermöglichen und als Kraftquelle, Auszeit und für ein in-sich-Gehen genutzt werden können.
Allgemein werden Rituale (Kerzen entzünden, Blumen aufstellen, persönlich gestaltete
Einstiege in Besprechungen, spirituelle Texte lesen schenken…) als wichtige
Unterbrechungen der Alltagsroutine und als Ermöglichung der Besinnung angesehen.
4.4. Spiritualität und Sprachfähigkeit
Als Führungskraft „spirituell“ zu sein heiße nicht bibelfest sein zu müssen, sondern die
eigene religiöse Sprachfähigkeit zu entdecken als eine wichtige Grundlage für den Dialog.
Die meisten befragten Führungskräfte sind davon überzeugt, dass ihre Organisation
bestimmte definierte Werte brauche, und dass es hilfreich sei, wenn diese „humanistisch“
formuliert seien, damit sich auch Nicht-Christen mit ihnen identifizieren können: Anstelle der
Formulierung „Ehrfurcht vor dem Göttlichen in jedem Menschen“ könne es z.B. heißen:
„Jeden Menschen als wertvolle Person behandeln“. Solche Wertmaßstäbe müssten
operationalisiert werden in konkreten Verhaltensweisen sowohl im Umgang miteinander als
auch bezogen auf die jeweiligen KlientInnen.
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5. Fachkompetenz
Fachkompetenz sei die unabdingbare Voraussetzung, wenn die eigene Führungsaufgabe
ernst genommen werde („Nicht nur gut gemeint, sondern auch gut gemacht“), und werde
nicht durch Beten kompensiert. Die spirituelle Kompetenz sei kein Ersatz für die eigene
Fachkompetenz. Um eine Organisation und MitarbeiterInnen wirkungsvoll führen zu können,
brauche es eine solide Ausbildung an Wissen und Fähigkeiten und das Wahrnehmen von
Themen und Veränderungen in der Gesellschaft, die Bedeutung und Auswirkungen auf die
jeweilige Organisation haben könnten.
Bestimmte Kernbereiche wie z.B. Budget- und Personalverantwortung seien nicht
delegierbar und brauchen Fachkompetenz. Eine Führungskraft könne nicht überall
SpezialistIn sein, sondern habe hierfür die fachkompetenten MitarbeiterInnen.
6. Management
Grundlegend für ihr eigenes Führungsverständnis ist für die befragten Führungskräfte das
bewusste Hinschauen auf die Fähigkeiten ihrer MitarbeiterInnen, mit ihnen zu reden und zu
erfahren, was sie belastet und was verbessert werden könnte.
Die Rolle der Führungskraft entspricht dabei mehr der eines Koordinators, der das
Mitdenken seiner MitarbeiterInnen und die Diskussion untereinander fördert, um einen
Konsens für eine Lösung zu finden. Er/sie ist nicht der/die Lösungsbringer/in, sondern ist
vorranging dafür verantwortlich, dass eine Kommunikation auf Augenhöhe miteinander
möglich ist. Das eigene Führungsverständnis ist daher wesentlich vom Vertrauen in die
kollektive Intelligenz der MitarbeiterInnen getragen.
Ein wichtiges Führungsinstrument ist die Zielvereinbarung. Wirkungsvolles Arbeiten ist nur
dann möglich ist, wenn sich die MitarbeiterInnen an klaren Zielen orientieren können.
Planung spielt im eigenen Führungsverhalten eine wichtige Rolle: Planung ermöglicht es,
Probleme rechtzeitig zu erkennen, Lösungsalternativen vorzubereiten und auf diese Weise
Stress möglichst zu vermeiden.
Grundsätzlich sind die befragten Führungskräfte davon überzeugt, dass „Management“
lernbar ist, da es grundsätzlich den Regeln der Professionalität folgt.
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7. Verbindung FA-MA-SPI
Führungskräfte in christlichen Organisationen erfahren die Verbindung der Bereiche
„Fachkompetenz-Management-Spiritualität“ als in ihrer Persönlichkeit integriert. Die
Relevanz des christlichen Glaubens wird mitten im Alltagsgeschäft erfahren, und der
christliche Entscheidungscodex stellt kein extra Bedenken dar. Die Führungskräfte erleben
sich als Menschen, die in einer Gottesbeziehung stehen, und als solche agieren sie in ihrem
Führungsverhalten. Ein solches Führungsverständnis erfordert, dass die Führungskraft ihr
eigenes Handeln immer wieder selbst hinterfragt, Einseitigkeiten reflektiert und Impulse
sucht, um in die Balance zu kommen.
8. Ausbildung für christliche Führungskräfte
8.1. Eigene Erfahrungen
Nur eine befragte Führungskraft hat eine systematische Ausbildung (Lehrgang 5 Module) für
ihre spezielle Tätigkeit in einer christlichen Organisation absolviert. Teilweise wurde
zunächst ein Universitätslehrgang ohne Wertebasis absolviert und ethische Aspekte kamen
erst anschließend hinzu. Die Anwendung des erlernten Wissens im Alltag wird in der Regel
als ein eigenständiger „Transformationsprozess“ erlebt. Außerdem gibt es die Überzeugung,
dass ein gewisses Charisma gegeben sein müsse, da nicht jede/r die „Lust zu leiten“ habe.
8.2. Anregungen
 Persönlichkeitsentwicklung ist ein Stichwort, das oft genannt wird. Ein konkreter
Vorschlag zielt auf eine Managementausbildung mit einem Schwerpunkt auf der
Persönlichkeitsentwicklung inkl. Spiritualität (1-2 Jahre, Coachinggruppen, ein
Trainerteam, das auf Persönlichkeitsentwicklung schaut).
 Bedarf wird gesehen für ein Modul „Persönlichkeitsbildung und Spiritualität“, bei
dem für Reflexion und Meditation viel Raum gegeben wird. Es wird als notwendig
angesehen, die eigene Spiritualität kennenzulernen und einen Zugang für den
Umgang mit den Grenzen der Belastbarkeit („Burn-out“-Spirale) zu bekommen.
 Spiritualität und Management: Für erfahrene Führungskräfte wünscht man sich einen
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Workshop „Spiritualität und Management“ mit Austausch, Reflexion und der
Fallanalysen mit der Fragestellung: Was bedeutet es als spiritueller Mensch, in diesen
Situationen Entscheidungen zu treffen?
 Auseinandersetzung mit Menschenbildern: Führungskräfte müssen sich mit dem
eigenem Weltbild und Menschenbild auseinandersetzen, mit dem, an was sie selbst
glauben. Wie geht es mir in konkreten Situationen mit den „Abbildern Gottes“? Wie
begegne ich den Menschen? Hierzu könnten anhand von biblischen Texte Beispiele
für gelungene Begegnungen aufgezeigt werden; auch Weisheitstexten und Mystik
sollte Raum gegeben werden. Bei der Auseinandersetzung mit Menschenbildern
sollte das eigene Menschenbild hinterfragt werden und eine gute theoretische
Grundlage gegeben werden. Dies initiiere einen Nachdenkprozess, um
Wertehaltungen reflektieren zu können. Philosophie sei dabei wichtig, auch ein
breites Spektrum anzuschauen. Es müsse eine Auseinandersetzung mit zentralen
christlichen Begriffen wie Barmherzigkeit, Nächstenliebe, Gottesbegegnung
ermöglicht werden.
 Bei der Methodik sollte auf einen Wechsel aus Inputs von Leitungspersonen mit
christlichem Hintergrund und ein offenes Reflektieren über die eigene Meinung und
Erfahrung (zu Themen wie: Konflikt, Zeitmanagement, Entscheiden, Zielarbeit,
Personalführung, Umgang mit Ehrenamtlichen) geachtet werden.
 Bei Weiterbildungsangeboten sollte auf das Element von Selbstwahrnehmung und reflexion Wert gelegt werden. Speziell für Führungskräfte sei es wichtig, die eigene
Wahrnehmungsfähigkeit zu schulen, was ist und dazu immer wieder neue Impulse zu
bekommen. Wichtig erscheint es außerdem, die eigene Rolle noch von einer anderen
Ebene her zu reflektieren bzw. die eigene Aufgabe in einer Gruppe zusammen mit
anderen Menschen mit christlichem Hintergrund zu reflektieren.
 Ein spezielles Thema könnte die „Nachfolge“ sein, d.h. wenn die Leitung einer
Einrichtung von Ordensleuten an weltliche Führungskräfte übertragen wird. Hier
stellt sich die Frage: Wie jemand finden mit breitem Sinnhorizont und christlicher
Basis, der die Kultur weiterträgt? Um jemanden dafür aufzubauen, bräuchte es einen
„Grundkurs Christlichkeit“.
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