Ausdrucken - Goethe

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WINTERLOGIK
2016-17
André Fuhrmann
Goethe-Universität Frankfurt am Main
Frankfurt am Main im März 2017
© A. Fuhrmann
2
Goethe-Universität
Frankfurt am Main
Institut für Philosophie
Auch sehr gerne per Email:
fuhrmann(at)em.uni-frankfurt.de
oder über das OLAT-Forum.
Fragen zur Vorlesung
Sprechstunde
Vorlesung
:LQWHUORJLNIRO
4
AF
im Winter 2016-17
:LQWHUORJLNIRO
Schließlich sei auch sehr herzlich Erna Mamane † und Maria Nicolosi für die organisatorische Betreuung der Winterlogik gedankt.
Danken möchte ich auch meinen Kollegen Manfred Kupffer und Ede Zimmermann,
die an der Frankfurter Konzeption einer Logik für Philosophen und Kognitive Linguisten einen wichtigen Anteil haben.
Dank
Dank
:LQWHUORJLNIRO
Prof. Dr. André Fuhrmann
I.G. Farben, Zimmer 2.557
nach Voranmeldung
3
Di 12–14 und Mi 10–12, HZ 6
:LQWHUORJLNIRO
Kurt Gödel (1906-1978)
“Die Philosophie ist heute bestenfalls dort wo die Mathematik bei
den Babyloniern war.”
Studenten und Tutoren, die seit 2006 diese Vorlesung in Frankfurt begleitet haben,
bin ich sehr zu Dank verpflichtet. Von den Tutoren möchte ich insbesondere nennen: Katayun Bahremand, Maria Bätzing, Serkan Gören, Dominik Kauß, Tim König,
Matthias Hoch, Melvin Keilbar, Katrin Öchsner, Clemens Rosenbaum, Sophie Siebenlist und Alexander Umstadt.
00einfuehrung 161018.1136
André Fuhrmann
Einführung
Logik im Winter 20016-17
8
• Shoenfield, Mathematical Logic
6
• Mendelson, Introduction to Mathematical Logic
• Kleene, Introduction to Metamathematics
Vier Klassiker (der Mathematischen Logik)
• Strobach, Einführung in die Logik
• von Kutschera und Breitkopf Einführung in die moderne Logik
• Beckermann, Einführung in die Logik
Gute leichte Kost (Deutsch)
• Smullyan, First-Order Logic
:LQWHUORJLNIRO
Literatur
Literatur
:LQWHUORJLNIRO
... wird im Prinzip nicht benötigt, da ein Skript zur Verfügung steht (s.u.). Spezielle
Literatur wird gelegentlich in der VL angegeben.
• Diese Vorlesung führt beispielhaft vor, welchen Ansprüchen strenges Argumentieren
– auch in der Philosophie! – genügen muß. Was diesen Ansprüchen nicht genügt,
dürfen Sie kritisieren. Wer hinter diesen Ansprüchen zurückbleiben möchte, sollte
besser nicht Philosophie studieren.
• In dieser Vorlesung lernen Sie auch “nur” Beschreibungsmittel und Theorien kennen. Um deren folgerichtige Anwendung müssen Sie sich dann in jedem Fall erneut
bemühen.
· Vgl: Ein Ästhetik-Seminar macht aus keinem Banausen einen geschmackvollen
Kenner. Auch dort lernen sie nur Theorien kennen. Ob sie diese dann richtig
anwenden können, und ob sie sich zu den theoretisch ausgezeichneten Werken
tatsächlich hingezogen fühlen, das bleibt offen.
· Vgl: Eine Ethik-Vorlesung macht aus niemandem einen besseren Menschen,
oder? Sie lernen dort Theorien kennen. Ob sie danach handeln können oder
wollen, steht auf einem anderen Blatt
• Ein (verbreitetes) Mißverständnis: Eine Einführung in die Logik dient nicht dazu
“logisch denken” zu lernen. Wenn Sie hier sitzen, dann können Sie das schon (mehr
oder weniger). Wenn Sie hier fertig sind, dann werden Sie es nicht besser können
als zuvor.
??
:LQWHUORJLNIRO
7
5
:LQWHUORJLNIRO
• Logik ist schließlich auch selbst als gemeinsamer Kern aller vernünftigen Theoriebildung ein spannendes philosophisches Thema.
• Die logische Aufbereitung philosophischer Probleme erzeugt spannende Querverbindungen zu anderen Fächern. (Logik ist so etwas wie eine lingua franca vieler Disziplinen.)
• Wenn Sie sich als Philosoph mit Logik beschäftigen, erschließen Sie sich einen
wichtigen und rasant sich entwickelnden Zugang zu philosophischen Problemen.
• Wir werden Logik hier als ein universelles Beschreibungsmittel kennenlernen, in
dem sich Folgerungsverhältnisse sicher und relativ schnell feststellen lassen.
· Andererseits enthielt der klassische Kanon vieles, was m.E. entbehrlich ist (z.B.
die Einübung in bestimmte Kalkülarten).
· Diese, für uns relevanten Teile der Logik gehen einerseits oft über den früher
gelehrten Kanon deutlich hinaus.
• In dieser Vorlesung geht es um die Teile der Logik, die Philosophen (aber auch Linguisten) kennen müssen, um sich mit modernen philosophischen (und auch linguistischen) Theorien kompetent zu befassen.
??
• Wer sich ein wenig mit Logik vertraut macht, der wird nicht nur die Theorien anderer besser verstehen, sondern auch an seinen eigenen mit mehr Phantasie und
Erfolg basteln.
• Wer ganz ohne logische Mittel dasteht, dem bleibt ein großer Teil der modernen
Philosophie dauerhaft verschlossen.
• In den meisten philosophischen Gebieten werden heute logische Mittel (“formale
Methoden”) verwendet. Das kann ggf. mehr (Theoretische Philosophie) oder
weniger (Praktische Philosophie, Ästhetik, Philosophiegeschichte) der Fall sein.
• Wie in den meisten anderen philosophischen Gebieten, setzen gültige
Forschungsleistungen in der Logik heute einen hohen Grad an Spezialisierung voraus. — Um solches Spezialwissen geht es in dieser Einführung nicht.
• Wie die meisten anderen philosophischen Gebiete, steht es in Beziehungen zu bestimmten Nachbardisziplinen: Linguistik, Informatik, Mathematik u.a.
• Logik ist (wie Ethik, oder Metaphysik, oder Sprachphilosophie, oder Politische Philosophie, oder Ästhetik, oder ...) ein eigenständiges Gebiet in der Philosophie.
??
??
Literatur
:LQWHUORJLNIRO
10
:LQWHUORJLNIRO
Dover Publications. Ca. 10 Euro (neu / gebraucht ab 7,06 Euro)
bei einem bekannten Anbieter im Internet.
Viele dieser Bücher sind teuer oder vergriffen oder beides. Wenn Sie sich nur eines
leisten können oder möchten, empfehle ich:
9
• Hamilton, Numbers, Sets and Axioms
• Halmos, Naive Set Theory (auch dt. als Naive Mengenlehre)
Mengentheoretischer Hintergrund
• Schöning, Logik für Informatiker
• Makinson, Sets, Logic and Maths for Computing
• Fitting, First-Order Logic and Automated Theorem Proving
• Dowty, Wall & Peters Introduction to Montague Semantics
Speziell für Linguisten bzw. Informatiker
• Friedrichsdorf, Einführung in die klassische und intensionale Logik
• Ebbinghaus, Flum & Thomas, Einführung in die mathematische Logik
• Andrews, An Introduction to Mathematical Logic and Type Theory
Auch gut
Literatur
Goethe-Universität
Frankfurt am Main
Institut für Philosophie
11
01sprachen 161025.0905
André Fuhrmann
Sprachen
:LQWHUORJLNIRO
:LQWHUORJLNIRO
Logik im Winter 2016-17
• Graham Priest, Logic: A Very Short Introduction,
Oxford University Press 2000. EUR 9,49 (gebraucht ab 2,51 Euro).
Ferner empfehle ich als Einführungs- und Begleitlektüre:
Literatur
Logik als Theorie des Folgerns
3
• Den Übergang prüfen ...
Prüfen, ob die Konklusion aus den Prämissen zwingend folgt.
• Die Prämissen prüfen ... – oft nur empirisch möglich.
:LQWHUORJLNIRO
(D.h., es wäre unvernünftig, die Prämissen zu akzeptieren und die Konklusion
abzulehnen.)
5
:LQWHUORJLNIRO
Der Schluß ist zwingend weil wir wissen, was die Sätze bedeuten und uns diese Bedeutungen etwa so vorstellen müssen:
• die Prämissen wahr sind und
• der Übergang zur Konklusion zwingend ist.
Semantisch
:LQWHUORJLNIRO
Zwei (?) Theorien des Folgerns
Zwei (?) Theorien des Folgerns
Aus Auf dem Ei ist grüne Soße
und Grüne Soße enthält Öl
folgt Auf dem Ei ist Öl
Beispiel 1 :
4
Denn, wie könnte eine Situation, in der das Ei in grüner Soße liegt nicht zugleich eine
Situation sein, in der es in Öl liegt – gegeben, daß grüne Soße nun einmal Öl enthält?
Zur Einführung
:LQWHUORJLNIRO
PRÄMISSEN ⇒ KONKLUSION
Folgerungen: Zwingende (“logische”) Übergänge von Aussagen (Prämissen) zu weiteren Aussagen (Konklusionen). (Worin besteht der Zwang? – Später.)
Zur Einführung
Gute Argumente überzeugen, weil
Zum Beispiel so:
An Freitagen mit primen Daten fällt der Markt
Heute ist Freitag, der 11.
11 ist prim
Also Heute fällt der Markt
Argumentieren: Von Prämissen zu Konklusionen übergehen.
2
“THE BEST WAY TO DISCOVER WHAT LOGIC IS ABOUT”
IS SIMPLY BY DOING LOGIC.”
Arthur Prior (Formal Logic, 1955)
· das zentrale Problem um das alles kreist?
· Was ist das zentrale Thema,
Worum geht es in der Logik?
Zur Einführung
Zur Einführung
Syntaktisch
:LQWHUORJLNIRO
Zwei (?) Theorien des Folgerns
7
und ...
Beispiel 3 :
Aus Jeder Abgeordneter ist gewählt
und Jeder Gewählte ist demokratisch legitimiert
folgt Jeder Abgeordnete ist demokratisch legitimiert
• folgendes beobachten: Wenn Bsp. 2 gültig ist, dann auch
:LQWHUORJLNIRO
• Wir könnten uns die Inklusionsverhältnisse (Fechenheimer/Frankfurter/EintrachtFreund) vorstellen ... oder
• Offenbar wieder ein gültiger Schluß (wenn auch kein gutes Argument).
Beispiel 2 :
Aus Jeder Fechenheimer ist Frankfurter
und Jeder Frankfurter ist ein Eintracht-Freund
folgt Jeder Fechenheimer ist ein Eintracht-Freund
6
Es sieht so aus, als folgerten wir aufgrund semantischen Wissens (Wissen über Bedeutungen). Danach müßte eine Theorie des Folgerns eine semantische Theorie sein.
Schwarz: Die Situationen, in denen da ein Ei liegt.
Grün: Die Situationen, in denen etwas in grüner Soße liegt.
Rot: Die Situationen, in denen etwas (u.a.) in Öl liegt.
Zwei (?) Theorien des Folgerns
9
— Hoffentlich stimmen die beiden Theorien letztlich überein!
• Folgern aufgrund syntaktischer Form.
• Folgern aufgrund semantischen Gehalts ;
:LQWHUORJLNIRO
:LQWHUORJLNIRO
Zwei (?) Theorien des Folgerns
Es scheint mindestens zwei Theorien des logischen Folgerns zu geben:
Verdacht :
8
◦ Siehe zB Aristoteles’ Versuch einen Katalog aller gültigen Formen aufzustellen
( Syllogistik).
• Also können wir aufgrund rein syntaktischer Information gültige Argumente erkennen. Jetzt sieht es so aus, als ob eine Theorie des Folgerns keine semantische Perspektive bräuchte; sie kann rein syntaktisch verfahren.
• Die Form eines Argumentes ist ein rein syntaktischer Aspekt. (Jede Maschine
–die keine Bedeutungen kennt– kann Formen erkennen.)
ist zwingend. (Und da Bsp. 2 von dieser allgemein gültigen Form ist, ist auch 2
gültig.)
Aus Jedes A ist ein B
und jedes B ist ein C
folgt jedes A ist ein C
Denn jeder Schluß der Form
Beispiel 4 :
Aus Jeder Luchs ist ein Hund
und Jeder Hund ist ein Säugetier
folgt Jeder Luchs ist ein Säugetier
Zwei (?) Theorien des Folgerns
11
* Lehre von dem, was es gibt.
:LQWHUORJLNIRO
Bemerkung. Semantik ist also eine auf-eine-Sprache-bezogene Ontologie* – eine reduktive Theorie eines Universums solcher Gegenstände, auf die sich die betrachtete
Sprache überhaupt beziehen kann.
Resultat Das Universum möglicher Objekte (auf die man sich in der betrachteten
Sprache beziehen kann).
13
:LQWHUORJLNIRO
• Die syntaktische und die semantische Theorie logischen Folgerns zeichnet die gleichen Schlüsse als logisch “gelungene” aus.
Dann werden wir zeigen, wie diese beiden Theorietypen manchmal (d.h. im Erfolgsfall) verblüffend exakt zusammenpassen, d.h. im Grunde dasselbe beschreiben:
– Folgern aufgrund von Bedeutungszusammenhängen.
– Folgern aufgrund syntaktischer Muster;
Wir werden sowohl syntaktische als auch semantische Theorien des logischen Folgerns
betrachten:
Basis Einfachste “Objekte” (Bedeutungen), auf die sich Zeichen der betrachteten Sprache beziehen können.
Zwei (?) Theorien des Folgerns
:LQWHUORJLNIRO
Ausblick
12
“1+1=2.”
• Formalisierte Teile natürlicher Sprachen (symbolische Sprache der Arithmetik)
“Eins um eins vermehrt, ergibt zwei.”
• Teile natürlicher Sprachen (zB gesprochene Sprache der Arithmetik)
• Natürliche Sprachen
• Schachnotation
• Programmiersprachen (Lochkarten, ..., Pascal, Prolog, C, etc.)
• Ziffernsysteme (arabisch, römisch)
• Morse-Alphabet
• Sprache der Autofahrer (Handzeichen, Blinken, Hupen)
• Rauch- oder Klopfzeichen
Einige Beispiele
Zwei (?) Theorien des Folgerns
Der semantische Aspekt
Zwei (?) Theorien des Folgerns
:LQWHUORJLNIRO
Schritt Operationen und Regeln zur Konstruktion neuer Objekte aus gegebenen
Objekten.
(Z.B. Bed. von “gehen” + Bed. von “schnell” > Bed. von “schnell
gehen”;
oder Bed. von “gehen” + Bed. von “-der” > Bed. von “Gehender”.)
10
Resultat Das Universum möglicher Zeichen (der betrachteten Sprache).
Schritt Regeln zur Konstruktion neuer Zeichen aus gegebenen Zeichen.
Basis Einfachste Zeichen (Grundzeichen), möglicherweise verschiedener Arten
(syntaktischer Kategorien).
Der syntaktische Aspekt
• “Interpretieren” : Bedeutung, Inhalt, Semantik.
• “Konstruieren” : Form, Grammatik, Syntax.
Zwei Aspekte jeder Sprache:
Sprache als Medium des Folgerns
Zwei (?) Theorien des Folgerns
Zwei (?) Theorien des Folgerns
:LQWHUORJLNIRO
15
:LQWHUORJLNIRO
– Sie mit dieser Art von Sprache eigentlich schon von kindesauf vertraut sind:
Logische Notation hebt einfach nur einige Strukturen hervor, die vermutlich zum
Kernbestand jeder natürlichen Sprache gehören.
– obwohl logische Notation auf dem Papier zunächst fremdartig aussieht,
Insbesondere sollten Sie sich immer klar und deutlich vor Augen führen, daß
d.h. einigen wenigen Bedingungen gehorchend. Diese Bedingungen werden wir in der
Regel recht abstrakt formulieren — weshalb es wichtig ist, sich stets einfache Beispiele
vor Augen zu halten.
einfach (-:,
sondern auch
abstrakt )-:,
Achtung: “Allgemein” heißt hier nicht nur
Die Antworten auf diese Fragen werden notwendigerweise so allgemein ausfallen, wie
es der Allgemeinheitsanspruch der Logik erfordert. (Logisches Folgern soll ja immer
funktionieren, gleichgültig worüber Sie gerade sprechen.)
14
• Wie läßt sich die Semantik einer Sprache exakt angeben?
• Was ist die Semantik einer Sprache?
Und natürlich
• Wie läßt sich die Syntax einer Sprache exakt angeben?
• Was ist die Syntax einer Sprache?
Bevor wir dies tun, sollten wir uns aber vergewissern, wovon wir sprechen (Folgern in
einer Sprache). Wir müssen fragen:
Zwei (?) Theorien des Folgerns
17
16
:LQWHUORJLNIRO
:LQWHUORJLNIRO
Beispiel: Syntax der Schachnotation
Beispiel: Syntax der Schachnotation
Beispiel: Syntax der Schachnotation
Beispiel: Syntax der Schachnotation
:LQWHUORJLNIRO
19
• das Zeichen −.
• Linienzeichen (Lin): a, b, c, d, e, f, g, h.
• Reihenzeichen (Rei): 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8.
• Figurenzeichen (F ig): (B), S, L, T, D, K.
:LQWHUORJLNIRO
Wenn wir uns den Fortgang der Partie ansehen, dann stellen wir fest, daß es offenbar
vier Arten von Grundzeichen (Basis) gibt:
• Jedes Pi ist von der Form Kleinbuchstabe Zahl.
• Jedes Bi ist von der Form F P1 −P2 .
21
:LQWHUORJLNIRO
(Übrigens wird durch die Notation allein auch nicht ausgeschlossen, daß notierte
Züge mehrdeutig sein können. Wenn zB mehrere Damen auf d1 stehen –warum
nicht?–, dann würde mit “Dd1” gar kein bestimmter Agent bezeichnet sein.)
2. Damit haben wir natürlich noch nicht zwischen im engeren Sinne möglichen
(regelgemäßen) und unmöglichen (regelwidrigen und unsinnigen) Zügen bzw.
Partien unterschieden. Dazu müßten wir erst die Regeln des Spiels beschreiben.
Aber für eine solche Beschreibung ist eine Notation für Figurenpositionen und
-bewegungen eine notwendige Voraussetzung.
1. Auf der Basis des Lexikons von Grundzeichen generiert diese Grammatik alle
Zeilen (Züge) unseres Beispiels – und viele weitere.
Drei Beobachtungen.
• Jede Zeile ist von der Form n. B1 , B2 .
• Fortlaufend nummerierte Zeilen: Es kommt offenbar auf die Reihenfolge an.
• Was ist ein Zugpaar? — Ein Zugpaar ist ein Paar von aufeinanderfolgenden
Zügen.
Jetzt können wir die syntaktischen Kategorien definieren, auf die es uns letztlich
ankommt (Resultat):
20
• Was ist eine Partie? — Eine Partie ist eine (endliche) Folge von Zugpaaren.
Bd2–d4 Sg1–f3
Bc2–c4 Be7–e6
Lc1–g5 Lf1–e7
Sb1–c3 usw.
Beispiel: Syntax der Schachnotation
:LQWHUORJLNIRO
(Konvention: Wir können vereinbaren, das Figurenzeichen B (für Bauer) nicht hinzuschreiben.)
(Jetzt nicht weiter wichtiger Zusatz: Jede der vier Kategorien soll jeweils nur aus der
kleinsten Menge bestehen, die die jeweilige Bedingung erfüllt.)
• Zug (Zg): wenn x ∈ Ag und y ∈ Akt, dann xy ∈ Zg (zB Dd1-d3).
• Agenten (Ag): wenn F ∈ F ig und p ∈ P os, dann F p ∈ Ag (zB Dd1).
• Aktionen (Akt): wenn p ∈ P os, dann −p ∈ Akt (zB −d3).
• Positionen (P os): wenn m ∈ Lin und n ∈ Rei, dann mn ∈ P os (zB d1).
Das können Sie so lesen: Wenn m ein Linienzeichen und n ein Reihenzeichen ist,
dann ist deren Verknüpfung mn (in dieser Reihenfolge!) ein Positionszeichen.
Angeleitet durch unser Vorverständnis (oder nachdem wir den Spielern genügend
lange zugeschaut, gelegentlich auch befragt haben) definieren wir vier weitere wichtige
syntaktische Kategorien (Schritt):
Beispiel: Syntax der Schachnotation
Beobachtungen:
1.
2.
3.
4.
18
(Auf der vorhergehenden Seite sehen Sie einen “Dialekt” der hier betrachteten Notation.) 14
Wir wollen
die Aufgabe
herangehen,
eine Grammatik
für diese
Wir wollen
einmaleinmal
“naiv”“naiv”
an dieanAufgabe
herangehen,
eine Grammatik
für diese
Art Art
von
Notation
aufzustellen.
von Notation aufzustellen.
1.1.Bd2–d4
Sg1–f6
Bd2–d4
Sg1–f3
2.2.Bc2–c4
Be7–e6
Bc2–c4
Be7–e6
3.3.Lc1–g5
Lf1–e7
Lc1–g5
Lf1–e7
4.4.Sb1–c3
usw.
Sb1–c3
usw.
Beispiel: Syntax der Schachnotation
Beispiel: Syntax der Schachnotation
S
Linie
f
−
3
−
4
d4
d
Reihe
23
“LOGIC IS AT ROOTS ALL ABOUT TREES.”
(Raymond Smullyan)
Syntax ist im Kern Baumkonstruktion.
Manche sagen, daß das auch für die Logik gilt:
ein Beweis dafür, daß der Ausdruck “gut” ist!
· alle Blätter aus dem Lexikon stammen
· alle Knoten regelgerecht erzeugt sind und
:LQWHUORJLNIRO
:LQWHUORJLNIRO
Beispiel: Syntax der Schachnotation
Linie
P os Aktion
−d4
Sf 3−d4
f3
Sf 3
Reihe
P os Agent
Zug
Tatsächlich ist die Darstellung eines Ausdrucks als Baum in dem
Also z.B.:
22
F ig
Die syntaktische Analyse eines Zugs können wir als einen Baum darstellen:
3. Die syntaktische Analyse lehnt sich hier an die umgangssprachliche Paraphrase
an. Sg1−f 3 ist eben kurz für
Springer auf g1 zieht nach f3.
N ADJ V ADV
NP
VP
(=Ag)
(=Akt)
Beispiel: Syntax der Schachnotation
Reihe
−
Linie
Reihe
P os Aktion
:LQWHUORJLNIRO
Beispiel: Syntax und Semantik des Zehnersystems
Zug
Syntax
Beispiel: Syntax und Semantik des Zehnersystems
Linie
P os Agent
25
Über Mengen und das Zeichen ∈ (lies: ist in) erfahren Sie bald mehr.
:LQWHUORJLNIRO
(Konvention: Zahlzeichen der Form 0x schreiben wir so hin: x. Diese Konvention
dürfen Sie beliebig oft anwenden! Also: 0020 → 020 → 20, oder auch 000 → 00 → 0.)
3. Z ist die kleinste Menge, welche die Bedingungen 1–2 erfüllt.
2. wenn x ∈ Z und y ∈ Z, dann xy ∈ Z;
1. wenn x ∈ Z0 , dann x ∈ Z;
Definition 1. Es sei Z0 = {1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 0} die Menge der Grundzahlzeichen.
Dann soll die Menge Z der Zahlzeichen die folgenden Bedingungen erfüllen:
Für alle Zeichen x und y,
• Idee: Jede Verknüpfung von Ziffern ist ein Zahlzeichen.
• Grundzeichen (Ziffern): 0, 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9.
24
F ig
Hier noch einmal die Vorlage:
Zeichnen Sie den Konstruktionsbaum für Lc1–g5 !
DENKPAUSE:
Beispiel: Syntax der Schachnotation
Beispiel: Syntax und Semantik des Zehnersystems
:LQWHUORJLNIRO
x+y =y+x
27
:LQWHUORJLNIRO
in einem Arithmetik-Lehrbuch. Hier denken wir uns immer gleich diejenige VariablenBindung hinzu, welche die Allgemeinheit ausdrückt: für alle x und y ... (Dieser Konvention werden wir uns im folgenden oft bedienen.) Wie auch immer, ob explizit oder
durch Konvention, die Verwendung von Variablen ohne Angabe ihrer Bindung (durch
einen “Quantor”) ergibt keine sinnvolle Aussage.
Man vergleiche
· über ein bestimmtes x, das wir zuvor schon erwähnt haben??
· über die meisten x, oder
· über höchstens oder mindestens ein x,
· über alles, wofür x stehen könnte, d.h. über alle x,
ist das nicht so ohne weiteres klar. Was für ein x ?? Sprechen wir hier
Ad (b) (Variablenbindung).
... daß immer deutlich ist, wie der Gebrauch von Variablen zu verstehen sei. Für
einen Ausdruck wie
wenn x ∈ Z0 , dann x ∈ Z
26
Idee: Konstanten bezeichnen fest bestimmte Gegenstände; Variablen bezeichnen
unbestimmt beliebige Gegenstände (meist einer bestimmten Art). Eine Konstante ist
wie ein reservierter Sitz; auf eine Variable kann sich jeder setzen. Wichtig ist jedoch,
...
Ad (a) (Konstanten und Variablen).
Den Unterschied zwischen Konstanten und (verschiedenen Arten von) Variablen exakt
zu erklären ist nicht so ganz einfach. Wir eignen uns hier den Unterschied durch intuitiven Gebrauch an. (Augustinus: “Was ist Zeit? Solange niemand danach fragt, weiß
ich es.”)
(c) die abschließende Bedingung 3: “... die kleinste Menge, welche ...”
(b) die Bindung der Variablen durch die Wendung “für alle x ...”
(“Quantor” genannt);
(a) den Unterschied zwischen Konstanten, 0, 1, 2, ..., und Variablen, x und y;
Man beachte ...
Beispiel: Syntax und Semantik des Zehnersystems
Beispiel: Syntax und Semantik des Zehnersystems
:LQWHUORJLNIRO
29
Hier gilt es Überzeugungsarbeit zu leisten, d.h. einen Beweis zu liefern ...
:LQWHUORJLNIRO
genau eine Menge bestimmt wird? Könnte es nicht sein, daß wir ein Phantom
definiert haben, daß die Definition witzlos, weil leer oder gar widersprüchlich ist?
(Vgl. “Sei Max die größte natürliche Zahl ...”)
3. Z ist die kleinste Menge, welche die Bedingungen 1–2 erfüllt,
Aber woher wissen wir denn, daß durch die weitere Bedingung,
wird also keine bestimmte Menge definiert.
(Wir können die Menge der Zahlzeichen beliebig mit “Fremdlingen” anreichern, ohne
1 oder 2 zu verletzen.)
2. wenn x ∈ Z und y ∈ Z, dann xy ∈ Z,
1. wenn x ∈ Z0 , dann x ∈ Z, und
Allein durch
28
· Überlegen Sie sich sodann, warum es unendlich viele Mengen gibt, welche die
Bedingungen erfüllen!
· Finden Sie zunächst zwei Mengen, die 1–2 erfüllen!
Warum nicht?
DENKPAUSE:
wird keine bestimmte Menge definiert.
2. wenn x ∈ Z und y ∈ Z, dann xy ∈ Z,
1. wenn x ∈ Z0 , dann x ∈ Z, und
Ad (c). (“die kleinste Menge, welche ...”)
Die Abschlußklausel 3 ist wichtig, denn allein durch
Beispiel: Syntax und Semantik des Zehnersystems
(1) Sei F die Familie aller Mengen, die die Bedingungen
31
In Bildern ...
:LQWHUORJLNIRO
(5) Dann gäbe es also ein x ∈ M , welches nicht in N ist. Aber x wäre dann in allen
Mengen in F enthalten, also auch in N – Widerspruch.
(6) Also kann die Hypothese nicht falsch sein. M = F ist tatsächlich die kleinste
Menge, welche die Bedingungen 1–2 erfüllt. QED — quod erat demonstrandum.
(4) Angenommen, die Hypothese ist falsch. Dann gäbe es eine Menge N ∈ F , welche
in M echt enthalten ist (N ⊂ M ).
Hypothese: M ist die kleinste Menge, welche die Bedingungen erfüllt.
(3) Beobachtung: M selbst erfüllt die Bedingungen 1–2. (Übung!)
erfüllen (also auch solche mit Fremdlingen neben den Zahlzeichen.)
(2) Sei M = F , der Schnitt von F (= der gemeinsame Kern aller Mengen in F .)
2. wenn x ∈ Z und y ∈ Z, dann xy ∈ Z,
1. wenn x ∈ Z0 , dann x ∈ Z, und
:LQWHUORJLNIRO
Beispiel: Syntax und Semantik des Zehnersystems
Um (b) (... höchsten ...) zu beweisen, wagen wir einmal eine Hypothese:
30
(a) (... mindestens ...) ist trivial: Wir bauen einfach aus den Ziffern durch
Verknüpfung eine Menge auf. (Da können wir dann auch noch Fremdlinge hineinstecken – Hauptsache Bedingungen 1 und 2 sind erfüllt.)
Das sieht schrecklich subtil aus, ist aber eigentlich ganz einfach.
(b) Es gibt höchstens eine kleinste Menge, welche die Bedingungen erfüllt.
(a) Es gibt mindestens eine Menge, welche die Bedingungen erfüllt; und
Damit hier überhaupt etwas definiert wird, setzen wir offenbar zweierlei voraus:
• Die Menge der Zahlen, Z, sei die kleinste Menge, welche die Bedingungen 1–2
erfüllt.
Bedingung 3 der Definition fordert:
Beispiel: Syntax und Semantik des Zehnersystems
33
32
:LQWHUORJLNIRO
:LQWHUORJLNIRO
Beispiel: Syntax und Semantik des Zehnersystems
Beispiel: Syntax und Semantik des Zehnersystems
35
34
:LQWHUORJLNIRO
:LQWHUORJLNIRO
Beispiel: Syntax und Semantik des Zehnersystems
Beispiel: Syntax und Semantik des Zehnersystems
“Es sei M der Schnitt aller Mengen in F ”
Beispiel: Syntax und Semantik des Zehnersystems
:LQWHUORJLNIRO
37
:LQWHUORJLNIRO
Allgemein gilt: Wenn immer wir etwas untersuchen, dann bedienen wir uns theoretischer Mittel, die damit selbst nicht automatisch zum Untersuchungsgegenstand
werden müssen (und es im selben Atemzug auch gar nicht werden können). In der
Logik ist die sogenannte naive Mengenlehre normalerweise ein solches Mittel, nicht
Gegenstand der Untersuchung.
Offenbar setzen wir hier die Existenz und Einzigkeit des Schnittes einer (nichtleeren)
Mengenfamilie voraus. Alle Argumente beruhen eben immer auf gewissen Voraussetzungen. Die hier bemühten Voraussetzungen sind Teil der Mengenlehre. Diese
könnten wir hinterfragen. Dann wäre unser Gegenstand nicht länger Logik (bisher
eigentlich: abstrakte Syntax), sondern Mengenlehre. Auch interessant ...
2. Wir sagten
36
Ziel (!)
Wir nehmen das Gegenteil von dem an, was wir beweisen wollen (Ziel), und zeigen,
daß uns dann sichere Zusatzannahmen in einen Widerspruch verstricken. Schematisch:
Ziel falsch (?)
(sichere) Zusatzannahmen
·
·
·
Widerspruch
1. Das ist ein Beweis durch reductio ad absurdum (= Rückführung auf etwas
Unmögliches):
Drei Bemerkungen
Beispiel: Syntax und Semantik des Zehnersystems
Goethe-Universität
Frankfurt am Main
Institut für Philosophie
38
02mengen 161101.1052
André Fuhrmann
Mengen
:LQWHUORJLNIRO
Logik im Winter 2016-17
:LQWHUORJLNIRO
3. Ein wenig Mengenlehre braucht man offenbar, um schon sehr einfache Fragen bezüglich der Syntax sehr einfacher Sprachen klar und deutlich beantworten zu
können. Mengenlehre ist ein echtes Elementarhandwerkszeug — auch für Philosophen!
Das müssen wir uns also einmal etwas genauer ansehen ...
Beispiel: Syntax und Semantik des Zehnersystems
1
(2)
(1)
:LQWHUORJLNIRO
Hier ist die Menge A, die nur aus dem Objekt ♠ besteht:
Dann sind M und N Objekte, die wir ebenfalls zu einer Menge zusammenfassen
können:
L = {M, N }, d.h. L = {{♣, ♦}, {♥, ♠}}.
M = {♣, ♦} und N = {♥, ♠},
3
:LQWHUORJLNIRO
Oder, wie ein Kommilitone einmal treffend bemerkte: Ein Sack ist keine Banane, und
also ist ein Sack, in dem eine Banane ist, auch kein Sack, in dem ein Sack mit einer
Banane ist ...
♠ = {♠} = {{♠}} !
Das Objekt ♠ ist nicht dasselbe Objekt wie die Menge A. Daher sind auch A und B
verschiedene Objekte (Mengen):
B = {A} = {{♠}}
Und hier ist die Menge B, die nur aus der Menge A besteht:
A = {♠}
(3)
Elementares zu elementaren Grundbegriffen
Mengen fassen Objekte zu einem neuen Objekt zusammen. Wenn
2
Keine Entität ohne Identität!
Zwei Menge sind gleich, wenn sie dieselben Objekte enthalten.1
{x : x ist eine Spielkartenfarbe}
Wir haben hier die Elemente einfach explizit angegeben. Aber dieselbe Menge können
wir auch durch eine Beschreibung angeben; z.B. so:
{♣, ♦, ♥, ♠}
Diese Objekte können wir zu einem neuen Objekt zusammenfassen. Eine Art der
Zusammenfassung, nennen wir Menge:
♣♦♥♠
Hier sind einige Objekte (“Elemente”):
Mengen
Elementares zu elementaren Grundbegriffen
Elementares zu elementaren Grundbegriffen
Elementares zu elementaren Grundbegriffen
:LQWHUORJLNIRO
♦, ♥, ♠, ♣
(5)
(6)
5
:LQWHUORJLNIRO
(6) könnte zB die Reihenfolge der Karten auf Ihrer Hand sein: Sie haben zwei Karos.
Das wäre dann eine andere Hand als die in (4) dargestellte.
♣, ♦, ♦, ♥, ♠
(4) ist auch nicht dieselbe Folge wie
Mit (5) können Sie zB die Reihenfolge der Wertigkeit der Karten richtig angeben; mit
(4) nicht.
(4) ist nicht dieselbe Folge wie z.B.
Beachten Sie die spitzen Klammern! (Manchmal benutzen wir aber auch runde Klammern für Folgen. Je nach Lust und Laune – niemals jedoch geschweifte Klammern:
die sind für Mengen reserviert.)
Wir können die vier Objekte auch anders zu einem neuen Objekt zusammenfassen;
z.B. zu einer Folge:
♣, ♦, ♥, ♠
(4)
4
{{B}} = {B}
{B} = B
Elementares zu elementaren Grundbegriffen
Elementbeziehung, Enthaltensein
♣ ∈ {♣, ♦, ♥}
♦ ∈ {♣, ♦, ♥}
x ist in M .
♥ ∈ {♣, ♦, ♥}
7
:LQWHUORJLNIRO
Wir sagen auch manchmal x sei in M “enthalten”. Aber eigentlich wollen wir die
Rede vom Enthaltensein für ein Verhältnis zwischen zwei Mengen und nicht für eines
zwischen Mengen und ihren Elementen reservieren.
Also zB:
und lesen:
x∈M
:LQWHUORJLNIRO
Elementares zu elementaren Grundbegriffen
Wenn x ein Element der Menge M ist, dann schreiben wir
6
Mengen sind im Gegensatz zu Folgen kommutativ (linke Gleichung) und idempotent
(rechte Gleichung).
♣, ♦ = ♦, ♣ = ♦, ♦, ♣
{♣, ♦} = {♦, ♣} = {♦, ♦, ♣}
Mengen unterscheiden also gröber als Folgen:
(Natürlich können auch Mengen Elemente von Folgen sein.)
s1 = t1 , s2 = t2 , . . . , sn = sm .
gleich sind, wenn sie dieselben Objekte auf dieselbe Weise anordnen, also
S = (s1 , s2 , ..., sn ) und T = (t1 , t2 , ..., tm )
Allgemein sagen wir, daß zwei Folgen
Elementares zu elementaren Grundbegriffen
{♦, ♠, ♥} ⊃ {♥, ♠}
{♠, ♥} ⊂ {♦, ♠, ♥}
9
(Antwort) Warum?
a = {♦}
b = {♣, ♦}
Welche der drei Mengen ist die kleinste?
DENKPAUSE:
8
c = {♦, ♠}?
:LQWHUORJLNIRO
Elementares zu elementaren Grundbegriffen
:LQWHUORJLNIRO
Die ersten zwei Beispiele zeigen, daß Sie das Symbol auch einfach umdrehen können.
Sie behaupten dann die Inklusion in umgedrehter Richtung – ist ja klar.
♠ ∈ {♦,♠, ♥}
{♠} ⊆ {♦,♠, ♥}
{♦, ♠, ♥} ⊆ {♦,♠, ♥}
{♦, ♠, ♥} ⊇ {♥, ♠}
{♥, ♠} ⊆ {♦, ♠, ♥}
Hier sind einige Beispiele:
M ⊂ N gdw M ⊆ N und M = N
Daß alles, was in M ist, auch in N ist, schließt natürlich auch den Grenzfall ein, daß
M und N gleich sind. Diesen Fall schließen wir aus, wenn wir sagen, daß M in N
echt enthalten ist. Das schreiben und definieren wir so:
Wenn jedes Element in M zugleich auch in N ist, dann sagen wir, daß M in N enthalten ist oder daß M ein Teil oder eine Teilmenge von N ist. Das schreiben wir
so:
M ⊆ N.
Elementares zu elementaren Grundbegriffen
b = {♣, ♦}
c = {♦, ♠}?
Elementares zu elementaren Grundbegriffen
:LQWHUORJLNIRO
0 1 2 3 4
5
6
7 ...
0 2 4 6 8 10 12 14 . . .
2 3 5 7 11 13 17 19 . . .
11
• Die drei Mengen sind also abzählbar unendlich.
:LQWHUORJLNIRO
• Die Elemente können Sie abzählen: “Das ist die erste natürliche / gerade / prime
Zahl; das ist die zweite ... ; das ist die dritte ... .”
• Alle drei Mengen haben unendlich viele Elemente.
n:
g:
p:
Die erste Antwort wäre jetzt falsch! – Alle drei Mengen sind, was die Anzahl der Elemente betrifft, gleich groß!
• Weil g und p in n echt enthalten sind.
• Weil n mehr Elemente hat als g und p.
— Zwei mögliche Antworten:
10
Natürlich (?) n. Warum?
p = {x : x ist eine Primzahl}?
g = {x : x ist eine gerade natürliche Zahl}
n = {x : x ist eine natürliche Zahl}
Zweite Frage: Welche der drei Mengen ist die größte?
• Weil a in b und in c echt enthalten ist.
• Weil a weniger Elemente hat als b und c.
Natürlich a. Warum? — Zwei mögliche Antworten:
a = {♦}
Erste Frage: Welche der drei Mengen ist die kleinste?
Die “Größe” von Mengen
Elementares zu elementaren Grundbegriffen
Elementares zu elementaren Grundbegriffen
:LQWHUORJLNIRO
13
• “M ist kleiner als N ”: (seltener) M enthält weniger Elemente als N .
• “M ist kleiner als N ”: (meist) M ist in N enthalten.
:LQWHUORJLNIRO
immer an einen Vergleich der relevanten Mengen im Sinne der Inklusionsverhältnisse,
nicht der Mächtigkeit (= Anzahl der Elemente) gedacht.
“M ist die kleinste/größte Menge so, daß ...”
Merke: Wenn nicht anders angegeben, dann ist bei Wendungen wie
• Eine Menge ist unendlich gdw
sie gleich große (im 1:1-Sinn) echte Teilmengen enthält.
Daß unendliche Mengen gleich große echte Teilmengen haben, kann man geradezu als
die wesentliche Eigenschaft unendlicher Mengen ansehen (Dedekind):
12
Mengen sind genau dann gleich groß, wenn zwischen ihnen eine 1:1-Paarung
möglich ist.
• Genau das wollen wir unter “gleich groß” verstehen:
• Eine unendliche Menge N kann durchaus eine echte Teilmenge M haben, die
genügend viele Elemente enthält, um jedem Element in der Obermenge N eines aus
M an die Seite zu stellen. Wenn diese Art vollständiger und eindeutiger Paarung
möglich ist, dann sind die beiden Mengen gleich groß.
Antwort: Na ja, wenn wir über endliche Mengen sprächen, dann hätten Sie recht.
Aber mit unendlichen Mengen verhält es sich anders.
Frage: Gleich viele natürliche, gerade und prime Zahlen? Wie kann das sein? Nur
die Hälfte der natürlichen Zahlen sind doch gerade, und noch weniger sind prim! Wie
können da die drei Mengen gleich groß sein?
Elementares zu elementaren Grundbegriffen
0, 1, 2, 3,
0, 2, 4, 6,
2, 3, 5, 7,
4,
5,
6,
7, . . .
8, 10, 12, 14, . . .
11, 13, 17, 19, . . .
:LQWHUORJLNIRO
Elementares zu elementaren Grundbegriffen
15
haben wir
0, 1, 2, 3,
0, 2, 4, 6,
2, 3, 5, 7,
4,
5,
6,
7, . . .
8, 10, 12, 14, . . .
11, 13, 17, 19, . . .
:LQWHUORJLNIRO
S = {0, 0, 2, 1, 2, 3, 2, 4, 5, 3, 6, 7, 4, 8, 11, 5, 10, 13, . . .}
n:
g:
p:
Also in unserem Beispiel
S = {x, y, z : x steht (unmittelbar) über y, und y steht (unmittelbar) über z}
Hier ist ein Beispiel für eine dreistellige Relation:
Das war nun eine zweistellige Relation; Rxy. Natürlich gibt es auch dreistellige, vierstellige, usw. Relationen.
(Bitte stören Sie sich nicht daran, daß wir den Buchstaben R sowohl verwenden, um
anzudeuten, daß zwei Elemente in der Relation zueinander stehen — 0R2 oder R02
— als auch, um die Menge aller solchen Paare zu bezeichnen — R = {. . .}.)
R = {x, y : x steht (unmittelbar) über y}
Diese Menge R von Paaren könnten wir auch so beschreiben:
14
R = {0, 0, 0, 2, 1, 2, 2, 3, 2, 4, 4, 5, . . .}
MaW eine Relation ist eigentlich nichts anderes als eine Menge von Paaren. Und
Paare sind natürlich Folgen, die aus nur zwei Gliedern bestehen. Also
0 mit 0, 0 mit 2 (nicht 2 mit 0!), 1 mit 2 (nicht 2 mit 1!), 2 mit 3 (...!) usw.
fest. Diese Relation paart Zahlen in einer bestimmten Reihenfolge. Also
x steht (unmittelbar) über y, kürzer xRy (oder Rxy)
Wenn wir diese “Matrix” senkrecht lesen, dann können wir zB beobachten, daß 0
über 0 und auch über 2 steht, so wie 5 über 10 und auch über 13 steht. Wir stellen
hier eine immer wiederkehrende Beziehung, die Relation
n:
g:
p:
Betrachten wir noch einmal die natürlichen, die geraden und die primen Zahlen:
Relationen
Elementares zu elementaren Grundbegriffen
17
wenn Rxy und Rxz, dann y = z
Die Bedingung schließt folgendes Bild aus:
(Fun)
:LQWHUORJLNIRO
Bestimmte (zweistellige) Relationen verdienen besondere Beachtung. Das sind solche
Relationen, die ihre linke Koordinate immer mit genau einer rechten Koordinaten
paaren. Eine so “eindeutige” Relation R erfüllt die Bedingung
Funktionen
:LQWHUORJLNIRO
Elementares zu elementaren Grundbegriffen
Sxyz gdw . . . ; oder S = {xyz : . . . }
[Antwort: Sxyz gdw U zy und U yx, bzw. S = {xyz : U zy und U yx}.]
16
Also
U = {x, y : x steht unmittelbar unter y}.
mit Hilfe der zweistelligen Relation
S = {x, y, z : x steht unmittelbar über y, und y steht unmittelbar über z}
Definieren Sie die dreistellige Relation
DENKPAUSE:
{−, −, . . . , −, −}.
Ganz allgemein betrachtet, sind Relationen also nichts als Mengen von Folgen:
Elementares zu elementaren Grundbegriffen
wenn Rxy und Rxz, dann y = z
Elementares zu elementaren Grundbegriffen
:LQWHUORJLNIRO
u : Menge der Ankommenden −→ {EU, nEU }.
v : Menge der Medaillen −→ Menge der Teilnehmer am Wettbewerb.
w : Menge der Kleinbuchstaben −→ Menge der Großbuchstaben.
19
:LQWHUORJLNIRO
Diese Beispiele illustrieren (unter normalen Annahmen) drei Typen von Funktionen
...
D.h., w(a) = A, w(b) = B, w(c) = C, u.s.w. (ohne ‘ß’).
(3)
Oder
Für jede Medaille m besagt v(m) = N.N., daß m von N.N. gewonnen wurde.
(2)
Oder
Bildet jeden Ankommenden x auf die Eigenschaft EU-Bürger oder nicht EU-Bürger
zu sein ab (zB bei der Paßkontrolle am Flughafen).
(1)
Weitere Beispiele von Funktionen:
f : A −→ B.
Eine Funktion f bildet Argumente aus einer Menge A (zB die geraden Z.) in Werte
aus einer möglicherweise anderen Menge B (zB die nat. Z.) ab. Das deuten wir so an:
18
• Eine Funktion ist immer darstellbar als eine Menge von Paaren, welche die o.g. Bedingung (Fun) erfüllt.
• Solche eindeutig abbildenden Relationen nennt man Funktionen oder einfach
Abbildungen.
Wenn wir zB mit der Relation U , “x steht unmittelbar unter y”, die geraden (x) und
die natürlichen (y) in Beziehung setzen, dann stellen wir fest, daß U die Bedingung
(Fun) erfüllt. Die Relation U bildet die geraden Zahlen auf die natürlichen Zahlen ab;
d.h. sie gibt jeder geraden Zahl x genau eine natürliche y an die Hand. (In diesem
Sinne zählt U die geraden Zahlen ab, sie indiziert sie mit den natürlichen Zahlen –
beginnend mit 0.)
(Fun)
Elementares zu elementaren Grundbegriffen
21
20
:LQWHUORJLNIRO
Elementares zu elementaren Grundbegriffen
:LQWHUORJLNIRO
(Funktionen solcher Art nennen wir auch Surjektionen, Injektionen bzw. Bijektionen.)
• f ist bijektiv gdw:
f ist surjektiv und injektiv.
(Jedes Element in B ist Wert unter f genau eines Argumentes in A; die Zuordnung
ist in beide Richtungen eindeutig (“ein-eindeutig”).)
• f ist injektiv gdw:
Für alle a und a in A: Wenn a = a , dann f (a) = f (a ).
(Distinkte Argumente erhalten unter f distinkte Werte; falls b = f (a), dann läßt
sich b eindeutig unter f nach A zurückverfolgen.)
• f is surjektiv gdw:
Für alle b in B gibt es ein a in A so, daß f (a) = b.
(Jedes Element in B ist Wert eines Elementes in A unter f ; B kann aus A unter f
erzeugt werden.)
Es sei f : A −→ B eine Funktion (mit Argumentbereich A und Wertebereich B).
Elementares zu elementaren Grundbegriffen
Elementares zu elementaren Grundbegriffen
:LQWHUORJLNIRO
usw.
23
:LQWHUORJLNIRO
Offensichtlich ist f injektiv und surjektiv, also bijektiv (ein-eindeutig). Die
Umkehrung von f (hier: von oben nach unten) gibt zu jeder Position in der
Abzählung die dazugehörige gerade Zahl an.
f (6) = 3 f (8) = 4
Im Bild (f von unten nach oben):
f (0) = 0 f (2) = 1 f (4) = 2
Schreiben wir f für die Funktion, welche die geraden Zahlen auf die natürlichen abbildet (die geraden Zahlen “abzählt”), dann sieht das so aus:
22
(und umgekehrt). D.h. g kehrt f um, weshalb g auch die Umkehrfunktion von f
genannt und mit f −1 notiert wird.
g(b) = a gdw f (a) = b
Wenn eine Funktion f : A −→ B bijektiv ist, dann gibt es eine Funktion g : B −→ A
derart, daß (für alle a ∈ A, b ∈ B)
Elementares zu elementaren Grundbegriffen
{ 0, 1, 2,
{ 2, 4, 6,
{ 3, 5, 7,
3,
4,
5,
6,
7, . . . }
8, 10, 12, 14, 16, . . . }
11, 13, 17, 19, 23, . . . }
25
:LQWHUORJLNIRO
Finden Sie je ein Beispiel für eine surjektive, eine injektive und eine bijektive Abbildung! (Legen Sie erst A und B fest und beschreiben Sie dann, was f tut!)
:LQWHUORJLNIRO
Elementares zu elementaren Grundbegriffen
DENKPAUSE:
24
Eine Menge ist unendlich gdw
sie sich bijektiv auf eine echte Teilmenge abbilden läßt.
Offensichtlich gibt es zwischen N und bestimmten Teilmengen von N (wie g oder p)
eine Bijektion. Deshalb ist N nach der Dedekind’schen Definition eine unendlich große
Menge:
• Zwei Mengen sind genau dann gleich mächtig, wenn es eine bijektive (= injektive
und surjektive) Abbildung) zwischen ihnen gibt.
Wann zwei Mengen die gleiche Anzahl von Elementen enthalten, d.h. gleich groß
(“mächtig”) sind, können wir jetzt auch so beschreiben:
n=
g=
p=
... und um noch einmal darauf zurückzukommen:
Elementares zu elementaren Grundbegriffen
Mengenoperationen
:LQWHUORJLNIRO
Def. ∪
M ∩ N = {x : x ∈ M und x ∈ N }
Def. ∩
27
F = {x : x ist in mindestens einer der Mengen in F }
:LQWHUORJLNIRO
• Diese zwei Definitionen decken nur den endlichen (n !) Fall ab. Aber sie lassen
sich leicht zum unendlichen Fall erweitern. Sei F eine beliebige Menge von Mengen.
Dann
• Das alles geht auch in großem Stil (Vereinigung und Schnitt einer Mengenfamilie):
{M1 , M2 , . . . , Mn } = M1 ∪ M2 ∪ · · · ∪ Mn
{M1 , M2 , . . . , Mn } = M1 ∩ M2 ∩ · · · ∩ Mn
Allgemeiner:
{♦, ♣} ∩ {♠, ♦} = {♦}
• Sie können diejenigen Elemente aus Mengen herausfischen, die den Mengen gemeinsam sind. Das nennt man schneiden:
26
M ∪ N = {x : x ∈ M oder x ∈ N }
(Auf die Reihenfolge kommt es bei Mengen, wie wir wissen, nicht an.) Allgemeiner:
{♣, ♦} ∪ {♥, ♠} = {♣, ♠, ♦, ♥}
• Sie können Mengen vereinigen (“addieren”):
• Mit Mengen können Sie das auch. Nur haben diese Operationen hier natürlich eine
ganz eigene Bedeutung.
• Mit Zahlen können Sie operieren: Sie können addieren, subtrahieren, multiplizieren,
potenzieren und vieles mehr.
Mengenoperationen
Mengenoperationen
M − N = {x : x ∈ M und x ∈
/ N}
Def. −
Mengenoperationen
:LQWHUORJLNIRO
M × N = {x, y : x ∈ M und y ∈ N }
Def. ×
29
:LQWHUORJLNIRO
Übrigens: Wenn m und n die Anzahl der Elemente in M bzw. N sind, dann enthält
M × N genau m · n Elemente. (Es hat also doch ein wenig mit Multiplikation zu tun.)
Allgemeiner:
{♣, ♠} × {♦, ♥} = {♣, ♦, ♣, ♥, ♠, ♦, ♠, ♥}
• Sie können Produkte von Mengen bilden, d.h. “multiplizieren”. Dazu bilden sie
einfach die Menge aller Paare, wobei der eine Partner immer aus der einen Menge,
der andere aus der anderen Menge kommt. Aber, Achtung!, wie Sie jetzt wissen,
kommt es bei Paaren (2er-Folgen!) auf die Reihenfolge an – anders als beim Multiplizieren zweier Zahlen.
28
und nennen N die Komplementärmenge von N (in U ).
(N ergänzt (“komplementiert”) N zum Universum U , d.h. N ∪ N = U .)
◦ Im Kontext legen wir meist eine Menge U als das Universum (Grundmenge, Bereich) der jeweils in Betracht kommenden Objekte fest. So schreiben wir dann einfacher
N für U − N
Allgemeiner:
{♣, ♦, ♥} − {♦} = {♣, ♥}
• Sie können Mengen subtrahieren:
[Aufgabe: (a) Definieren sie den Schnitt F von F . (b) Überzeugen Sie sich davon,
daß aus Ihrer Definition die richtige Definition von M ∩ N folgt.]
Mengenoperationen
M × N = {x, y : x ∈ M und y ∈ N }
{♠, ♣} × {♦, ♥} ”,
M × N = {x, y : x ∈ M und y ∈ N }
=
{♠, ♣} × {♦, ♥} ” (??)
Mengenoperationen
:LQWHUORJLNIRO
=
{♦, ♥} × {♣, ♠} !
31
(Die Mengenproduktoperation ist nicht kommutativ.)
{♣, ♠} × {♦, ♥}
Was der Mann in der U-Bahn meinte war dies:
:LQWHUORJLNIRO
Langsamer Weg: Bilden Sie die jeweiligen Produktmengen und überzeugen Sie sich,
daß sie dieselben Elemente enthalten.
Schneller Weg: {♣, ♠} = {♠, ♣} und {♦, ♥} = {♦, ♥}. Der Definition von M × N
(blättern Sie zurück!) ist es gleichgültig, wie wir die Mengen M und N hinschreiben.
{♣, ♠} × {♦, ♥}
“Klar, bei Folgen kommt es auf die Reihenfolge an ...
DENKPAUSE:
30
(Zwei Wege zu einer Antwort: ein schneller Weg und ein langsamer Weg. Suchen Sie
erst den schnellen!)
sagte neulich jemand in der U-Bahn.—Stimmt das?
nicht gleich
{♣, ♠} × {♦, ♥}
“Klar, bei Folgen kommt es auf die Reihenfolge an. Deshalb ist natürlich
DENKPAUSE:
Mengenoperationen
{♣, ♥} ⊆ {♣, ♦, ♥}
{♦} ⊆ {♣, ♦, ♥}
{♥} ⊆ {♣, ♦, ♥}
{♣, ♦} ⊆ {♣, ♦, ♥}
∅ ⊆ {♣, ♦, ♥}
{♣} ⊆ {♣, ♦, ♥}
℘(M ) = {N : N ⊆ M }
Def. ℘
Mengenoperationen
:LQWHUORJLNIRO
33
Bilden Sie die Potenzmenge von {0, 1, 2}!
DENKPAUSE:
:LQWHUORJLNIRO
Übrigens: Wenn m die Anzahl der Elemente in M ist, dann gibt 2m immer die Anzahl der Elemente von ℘(M ) an — weshalb manche statt ℘(M ) auch 2M schreiben.
Allgemeiner :
32
℘({♣, ♦, ♥}) = {∅, {♣}, {♦}, {♥}, {♣, ♦}, {♣, ♥}, {♦, ♥}, {♣, ♦, ♥}}
Zweiter Schritt: Teilmengen einsammeln
{♦, ♥} ⊆ {♣, ♦, ♥}
{♣, ♦, ♥} ⊆ {♣, ♦, ♥}
Erster Schritt: Teilmengen bilden
• Schließlich können Sie Mengen auch potenzieren. In diesem Fall sammeln Sie einfach alle Teilmengen, die in der betrachteten Menge enthalten sind und stecken sie
zwischen Mengenklammern. Also ...
Mengenoperationen
Exkurs: Der Satz von Cantor
Exkurs: Der Satz von Cantor
:LQWHUORJLNIRO
35
:LQWHUORJLNIRO
Die Anzahl unendlicher Mengen läßt sich nicht durch eine natürliche Zahl angeben.
Was passiert also in diesem Fall?
• Für jede endliche Menge gibt es eine natürliche Zahl n so, daß die Menge n Elemente enthält. Also:
• Für jede endliche Menge M gilt: |M | < | ℘(M )|.
• Für jede natürliche Zahl n ist n < 2n .
• Wenn M eine Menge ist, dann sei |M | die Anzahl der Elemente in M .
• Erinnerung: | ℘(M )| = 2|M | .
ZB: | ℘(∅)| = 20 = 1 (Festlegung im Grenzfall), | ℘({a})| = 21 = 2 usw.
Mit dem, was wir bisher über Abzählbarkeit, Funktionen und Potenzmengen gelernt
haben, können wir schon zu einem interessanten Resultat, dem Satz von Cantor, kommen.
34
Frage: Kann diese Bedingung eintreffen?? — Falls nicht, dann kann ∅ ⊆ M nie falsch
sein, für beliebiges M . Und was nicht falsch sein kann, muß ja dann wohl wahr sein,
oder?
d.h. es gibt ein x : x ∈ ∅ aber x ∈
/ M.
Es ist nicht der Fall, daß: (für alle x) wenn x ∈ ∅, dann x ∈ M,
Jetzt ist klar: ∅ ⊆ M kann nur unter einer Bedingung falsch werden:
∅ ⊆ M gdw (für alle x) wenn x ∈ ∅, dann x ∈ M.
Um hier weiterzukommen, fragen wir uns, was die rechte Seite eigentlich bedeutet:
∅ ∈ ℘(M ) gdw ∅ ⊆ M .
Schauen wir uns diese Definition ( ℘(M ) = {N : N ⊆ M } ) also noch einmal an (mit
∅ nun schon für N eingesetzt):
Offensichtliche Antwort: Das muß wohl an der Definition einer Potenzmenge liegen.
Offensichtliche Frage: Warum ist denn die leere Menge in der Potenzmenge jeder
Menge mit drin?
Mengenoperationen
Exkurs: Der Satz von Cantor
:LQWHUORJLNIRO
/...
37
:LQWHUORJLNIRO
Entweder ist aber y ∈ N oder y ∈
/ N – eine dritte Möglichkeit besteht nicht. In jedem
Fall erhalten wir einen Widerspruch. Also ist (1) falsch. QED
/ N.
Wenn ja (y ∈ N ), dann (nach 3⇒) y ∈
Wenn nein (y ∈
/ N ), dann (nach 3⇐ und y ∈ M ) y ∈ N .
Ist y ∈ N [= g(y)] ?
(5) daß es ein y ∈ M gibt, so daß g(y) = N .
Aus (2, d.h. der Surjektivität von g) und (4) folgt,
(4) N ⊆ M und also N ∈ ℘(M ).
Offensichtlich ist
(3) x ∈ N gdw x ∈ M und x ∈
/ g(x).
Man betrachte nun die Menge N = {x ∈ M : x ∈
/ g(x)}, d.h.
Dann gibt es für jedes Element in ℘(M ) eines in M . D.h.
(2) es gibt eine Funktion g : M −→ ℘(M ), die surjektiv ist.
Nehmen wir an – reductio ad absurdum! –, daß
(1) |M | = | ℘(M )|.
36
Es bleibt zu zeigen: |M | = | ℘(M )|.
|M | ≤ | ℘(M )|.
Beobachtung: Für jedes x in M gibt es das Element
{x} in ℘(M ). (Etwas anspruchsvoller formuliert: Die
Abbildung f : M −→ ℘(M ) mit f (x) = {x} ist injektiv.) Also wissen wir:
Beweis
|M | < | ℘(M )|.
CANTORS SATZ. Für beliebige (!) Mengen M gilt:
Georg Cantor (1845-1918),
deutscher Mathematiker und Philosoph
Exkurs: Der Satz von Cantor
Zusammenfassung: Einige Grundbegriffe der naiven Mengenlehre
:LQWHUORJLNIRO
39
:LQWHUORJLNIRO
F — alle Elemente, die in A oder in
A ∪ B := {x : x ∈ A oder x ∈ B}.
F — alle Elemente, die allen Mengen in F gemeinVereinigung (oder “Summe”): A ∪ B oder auch
B (bzw in mind. einer der Mengen in F ) sind:
Schnitt einer Mengenfamilie F :
sam sind.
A ∩ B := {x : x ∈ A und x ∈ B}.
Schnitt: A ∩ B — alle Elemente, die A und B gemeinsam sind:
Eine Menge A ist in der Menge B enthalten: A ⊆ B, d.h. A ist Teil(menge) von B.
Wenn A ⊆ B aber A = B, dann ist A in B echt enthalten, A ⊂ B.
Ein Element x ist in der Menge A: x ∈ A.
Mengen: “Ansammlungen” von Objekten (Elementen). Auch Mengen selbst können
Elemente von Mengen sein.
Zusammenfassung: Einige Grundbegriffe der naiven Mengenlehre
38
Offenbar gibt es nicht zu jeder Eigenschaft (zB eine Menge zu sein) eine
entsprechende Menge (die Menge der Elemente, welche die Eigenschaft haben). Wir
werden gleich eine weitere Paradoxie kennenlernen, die das gleiche Ergebnis nahelegt
(die Russellsche Paradoxie).
Das widerspricht Cantors Satz. Also kann es keine Menge aller Mengen geben.
für alle M : |M | ≤ |U |.
Wenn wir aber für M die Menge ℘(U ) einsetzen, dann erhalten wir
| ℘(U )| ≤ |U |.
Kann es eine Menge U aller Mengen geben? Wenn ja, dann kann es jedenfalls keine
Menge M geben, die größer (mächtiger) ist als U ; d.h.
Cantors Paradoxie
Aus Cantors Satz ergibt sich die historisch erste Paradoxien des intuitiven Mengenbegriffs:
Für die Menge N der natürlichen Zahlen ist nach Cantors Satz die Menge ℘(N) ein
einfaches Beispiel einer überabzählbar unendlichen Menge.
Exkurs: Der Satz von Cantor
Zusammenfassung: Einige Grundbegriffe der naiven Mengenlehre
:LQWHUORJLNIRO
41
:LQWHUORJLNIRO
Beweisen Sie, daß für jede Menge M , die Potenzmenge ℘(M ) genau ein kleinstes
und ein größtes Element (im Sinne des Inklusionsvergleichs) hat. (Das Muster für
einen solchen Beweis kennen Sie schon aus der Diskussion über die Rolle der Abschlußklausel in der Definition der Menge der Zahlzeichen.)
Übung
Mengenbildung ist also idempotent und kommutativ. Für Folgen gilt das nicht; deshalb:
a, b, a = a, b = b, a
{a, b, a} = {a, b} = {b, a}
Bei Folgen kommt es, im Ggs. zu Mengen, auf die Reihenfolge an, in der die Elemente gesammelt werden sowie auf Wiederholungen. Folgen schreibt man mit spitzen
(oder auch runden) Klammern: a, b. — Achtung:
40
A × B × C = {(a, b, c) : a ∈ A und b ∈ B und c ∈ C}.
Natürlich lassen sich auch Produkte aus mehr als zwei Mengen bilden. Diese ergeben
dann Mengen aus Tripeln, Quadrupeln, Quintupeln usw. Z.B.:
A × B = {(a, b) : a ∈ A und b ∈ B}.
(Kartesisches) Produkt A × B: Menge aller Paare (a, b), wobei die erste Koordinate, a,
aus der Menge A und die zweite Koordinate, b, aus der Menge B stammt:
℘(A) = {X : X ⊆ A}.
Bzw. B — alle Elemente (des “Universums”), die nicht in B sind.
Potenzmenge von A: ℘(A) — Die Menge (Familie) aller Mengen, die Teil von A sind,
“angefangen” mit ∅, der leeren Menge:
Subtraktion bzw. Komplementärbildung: A − B (auch A \ B) — alle Elemente in A,
die nicht in B sind:
A − B := {x : x ∈ A und x ∈
/ B}.
Zusammenfassung: Einige Grundbegriffe der naiven Mengenlehre
:LQWHUORJLNIRO
Zusammenfassung: Einige Grundbegriffe der naiven Mengenlehre
t = {x : Teller (x)}.
43
:LQWHUORJLNIRO
Das ist eine Menge, die sich selbst nicht als Element enthält: Denn die Menge t ist
ja kein Teller; also t ∈
/ t.
• Oder die Menge t aller Teller,
Die Menge n der Nichtzahlen ist übrigens eine Menge, die sich selbst als Element
enthält: Denn die Menge n ist ja keine Zahl; also n ∈ n.
n = {x : nicht Zahl (x)}.
• Oder die Menge n aller Nicht-Zahlen,
42
g = {x : x ∈ N und gerade(x)}
Oder die Menge der geraden Zahlen:
u = {x : Menge(x)}
• Z.B. die Menge aller Mengen (Cantors Paradoxie!):
• Wenn immer Sie eine Bedingung φ (lies: ”phi”) haben, dann können Sie die Menge
derjenigen Objekte bilden, welche die Bedingung erfüllen, d.h. es gilt das uneingeschränkte Komprehensionsprinzip: Für jede Bedingung φ gibt es eine
Menge M so, daß
M = {x : φx}, d.h. x ∈ M gdw φx
Weil sie halt ein wenig “naiv” verfährt: Es gibt hier keine Beschränkung für die Mengenbildung.
Warum “naive” Mengenlehre?
Zusammenfassung: Einige Grundbegriffe der naiven Mengenlehre
r ∈ r und r ∈
/r!
Zusammenfassung: Einige Grundbegriffe der naiven Mengenlehre
:LQWHUORJLNIRO
45
:LQWHUORJLNIRO
Mehr darüber zB in der Wikipedia unter Russellsche Antinomie (klick!).
• Für “normale” Zwecke erlauben wir uns naiv zu bleiben. Aber für eine konsistente
Mengenlehre müssen wir irgendwie die Mengenbildung einschränken.
Die naive Mengenlehre erlaubt es, merkwürdige Mengen wie die Russell-Menge (oder
die Menge aller Mengen) zu bilden: Sie ist eine inkonsistente Theorie!
Bertrand Russell (1872-1970)
44
(Man nennt r die Russell-Menge; Russell ca. 1901.)
• Also
· Falls nicht (r ∈
/ r), dann erfüllt r die Bedingung nicht, d.h. r ∈ r.
· Falls es so ist (r ∈ r), dann erfüllt r die Bedingung, d.h. r ∈
/ r.
Frage: Ist r ∈ r? Entweder ist es so oder es ist nicht so.
(Anders gesagt: Für alle x, x ∈ r gdw nicht x ∈ x.)
r = {x : x ∈
/ x}
• Wir wollen Mengen dieser letzten Art einmal “einsammeln”: Sei r die Menge genau
derjenigen Mengen, die sich nicht selbst als Element enthalten:
Zusammenfassung: Einige Grundbegriffe der naiven Mengenlehre
Zusammenfassung: Einige Grundbegriffe der naiven Mengenlehre
:LQWHUORJLNIRO
47
:LQWHUORJLNIRO
Das geht soweit in Ordnung. (Obgleich die Menge s zwar “merkwürdig” sein mag,
gibt es zunächst keinen Grund, sie abzulehnen – was nicht heißt, das s uns nicht
vielleicht auf andere Weise in Schwierigkeiten bringt.)
· wenn s ∈
/ s, dann s ∈
/ s.
· wenn s ∈ s, dann s ∈ s; und
Setzen wir s selbst für x ein, dann ...
Für alle x : x ∈ s gdw x ∈ x.
Hier ist noch einmal—etwas anders aufgeschrieben—die Definition von s:
Ist das auch inkonsistent?
s = {x : x ∈ x} ?
Was passiert eigentlich, wenn Sie die Menge aller Mengen, die sich selbst enthalten
(wie die Menge der Nichtzahlen) bilden, also
DENKPAUSE:
46
Ist das auch inkonsistent?
Was passiert eigentlich, wenn Sie die Menge aller Mengen, die sich selbst enthalten
bilden, also
s = {x : x ∈ x} ?
DENKPAUSE:
Zusammenfassung: Einige Grundbegriffe der naiven Mengenlehre
Ableitung eines Zahlzeichens
03ableitungen 161115.1144
André Fuhrmann
:LQWHUORJLNIRO
Logik im Winter 2016-17
2
:LQWHUORJLNIRO
(Vergleiche: Eine Grammatik erlaubt, richtige Ausdrücke zu bilden, und sie erlaubt,
Ausdrücke als richtige zu erkennen.)
• Sie gibt an, wie man nachprüfen kann, ob etwas ein Zahlzeichen ist.
• Sie beschreibt, wie Zahlzeichen zu konstruieren sind.
Die Definition ist zugleich eine Konstruktions- und eine Verifikationsanweisung:
3. Z ist die kleinste Menge, welche die Bedingungen 1–2 erfüllt.
2. wenn x ∈ Z und y ∈ Z, dann xy ∈ Z;
1. wenn x ∈ Z0 , dann x ∈ Z;
Definition 1. Es sei Z0 = {1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 0} die Menge der Grundzahlzeichen.
Dann soll die Menge Z der Zahlzeichen die folgenden Bedingungen erfüllen:
Für alle Zeichen x und y,
Ableitung eines Zahlzeichens
Zehnersystem:
Ableitungen und Semantik
Betrachten wir erneut die folgende
Goethe-Universität
Frankfurt am Main
Institut für Philosophie
Ableitung eines Zahlzeichens
:LQWHUORJLNIRO
4
Schritt 1, Schritt 2, ... , Schritt n :LQWHUORJLNIRO
Letztlich ist eine Ableitung also nichts anderes als eine unter bestimmten Regeln stehende Abfolge von Schritten:
· “Gut” heißt: Folgt den vereinbarten Regeln / gehorcht zuvor bestimmten Bedingungen. (ZB: Das Resultat des letzten Schrittes ist ein Zahlzeichen, wenn die
Konstruktion mit Zahlzeichen begonnen wurde und in jedem weiteren Schritt ein
Zahlzeichen resultierte.)
• Der letzte Schritt ist “gut”, wenn alle ersten Schritte “gut” und jeder weitere
Schritt ebenfalls “gut” ist.
• Im letzten Schritt wird das Ziel der Konstruktion erreicht.
• Jeder Schritt baut auf etwas auf, was in vorhergehenden Schritten erreicht wurde.
• Ableiten ist etwas, was in Schritten geschieht.
Betrachten wir Ableitungen zunächst unter dem Aspekt der Konstruktion.
3
(Die Abschlußbedingung 3 der Def. 1 ist erfüllt, wenn als Anfangsmaterial für
Ableitungen auschließlich Grundzeichen verwendet werden.)
2. Das Resultat des Zusammenfügens zweier bereits abgeleiteter Zahlzeichen ist
ein Zahlzeichen (und also ableitbar).
1. Alle Grundzeichen (Ziffern) sind Zahlzeichen (und i.d.S. ableitbar).
• Zusammengefaßt: Etwas ist ein Zahlzeichen, wenn es sich nach den Bedingungen
1–2 ableiten läßt:
• Ableitungen rechtfertigen die Behauptung, daß etwas ein richtiger Ausdruck sei.
• Ableitungen konstruieren richtige Ausdrücke aus dem Anfangsmaterial mit Hilfe
der Regeln.
Diese beiden Aspekte lassen sich im Begriff einer Ableitung zusammenfassen:
Ableitung eines Zahlzeichens
Ableitung eines Zahlzeichens
:LQWHUORJLNIRO
Zif
784
3
Ket
Zif
78434
Ket
Zif
Ket
4
7843
84
Zif
4
Ket
Zif
6
:LQWHUORJLNIRO
• Von unten nach oben gelesen, zeigt der Baum, wie sich diese komplexe Zahl
aus immer weniger komplexen Zahlen aufbaut (“Analyse”). (Die SynthesePerspektive ist sozusagen für den “Zahlensprecher”; die Analyse-Perspektive für
den “Zahlenhörer”.)
• Von oben nach unten (zur Wurzel 78434 hin) gelesen, zeigt der Baum, wie sich die
Zahl aus Grundzeichen (den Blättern) zusammensetzen läßt (“Synthese”).
[Wir sagen jetzt häufiger einfach “Zahl” statt (richtiger) “Zahlzeichen”.]
Erkennen Sie die Baumstruktur?
7
8
Manchmal ist es gut, die Nachprüfung zu erleichtern, indem man den Konstruktionsprozeß als Baum aufzeichnet. Neben den Knoten können wir noch die jeweils
angewendete Regel angeben (Zif für die Ziffernregel, Ket für die Verkettungsregel):
5
Regel 2 Was schon hingeschrieben ist, dürfen wir zusammengefügt hinschreiben
(Verkettungsregel ).
Regel 1 Grundzahlzeichen dürfen wir ohne weiteres hinschreiben
(Ziffernregel ).
Nachprüfung zeigt, daß jedes Element der Folge aufgrund einer der Regeln 1 und 2
aufgeschrieben wurde:
8, 4, 84, 7, 784, 3, 7843, 4, 78434
Diese Folge gibt wieder, wie wir die Zahlen von links nach rechts aufschreiben. Aber
auch dies wäre eine Ableitung von 78434:
7, 8, 78, 4, 784, 3, 7843, 4, 78434
Eine Ableitung des Zahlzeichens 78434 kann man so als Folge notieren:
Ableitung eines Zahlzeichens
784
3
Ket
Zif
78434
Ket
Zif
Ket
4
7843
84
Zif
4
Ket
Zif
4
Zif
434
3
34
Zif
Ket
Zif
78434
Ket
4
7
78
Zif
Ket
Ket
8
x 0 , . . . , xn
Eine Ableitung eines Zahlzeichens x ist eine Folge von Zahlzeichen
Ableitung eines Zahlzeichens
:LQWHUORJLNIRO
8
x 0 , . . . , x3
:LQWHUORJLNIRO
eine Ableitung (von x3 ), falls jedes Zeichen xk (k ∈ {0, 1, 2, 3}) entweder ein
Grundzahlzeichen ist oder aus vorhergehenden Zahlzeichen xi , xj (i, j < k)
nach Regel 2 zusammengesetzt ist. — In der Definition ist das ganz allgemein
formuliert, wiederum mit Hilfe von (Meta-)Variabeln, i, j, k, die für natürlichen
Zahlen stehen.
· Also ist z.B. die Folge
So bestimmt die Definition, daß ein Zeichen, das variabel mit, sagen wir, x3 benannt ist, entweder ein Grundzeichen ist oder aus vorhergehenden Zeichen konstruiert
wurde, wobei das Vorhergehen durch Indizes kleiner als 3 angezeigt ist.
In der Definition bedienen wir uns einer häufig angewandten Methode Variablen zu
unterscheiden und zu vermehren. Buchstaben wie x werden einfach mit natürlichen
Zahlen, 0, 1, 2, ..., indiziert. Das ist besonders dann hilfreich, wenn es auf die Anordnung der Variablen ankommt.
Erste Bemerkung
7
wobei xn = x, und jedes Zeichen xk (0 ≤ k ≤ n; k, n ∈ N) ist entweder
ein Grundzahlzeichen oder nach Regel 2 (Def. 1) aus vorhergehenden Zahlzeichen
xi , xj (i, j < k) zusammengesetzt.
Definition 2.
Es gibt also viele verschiedene Ableitungen der Zahl (des Zahlzeichens!) 78434 i.S.
der folgenden
7
Zif
8
Die verschiedenen Möglichkeiten, die Zahl zu konstruieren, können durch jeweils verschiedene Bäume dargestellt werden — zB:
Ableitung eines Zahlzeichens
(1, 2, 12)
(1, 2, 3, 12)
x y
xy
:LQWHUORJLNIRO
12
10
:LQWHUORJLNIRO
Axiome und Regeln “generieren” zusammen eine Menge von Theoremen (auch Thesen
genannt.
· Wir werden hier weiter zwischen Axiomen und Regeln unterscheiden. (Das ist
nur eine Frage der Darstellung, an der nichts hängt.)
x
für x ∈ Z0
· So haben wir zB die Ziffernregel aufgefaßt: Ziffern dürfen ohne weiteres
hingeschrieben werden (“null Prämissen”). Dagegen muß die Verkettungsregel
immer auf zwei zuvor aufgeschriebene Zeichen (“Prämissen”) zurückgreifen:
y
keine Ableitung der Zahl 12 darstellen. (Prüfen Sie auch das anhand der Definition 2
nach!)
(1, 2, 78434, 12)
Wenn eine Ableitung einer Zahl vorliegt, dann können Sie also die Ableitung zu weiteren (unendlich vielen!) Ableitungen derselben Zahl erweitern (Monotonie!). Aber
Vorsicht! Sie können Ableitungen nicht beliebig erweitern. ZB würde die Folge
ist eine Ableitung von 12! (Prüfen Sie das anhand der Definition 2 nach!) Es ist
vielleicht nicht elegant, in der Absicht eine bestimmte Zahl zu konstruieren, Zahlen
abzuleiten, die am Ende gar nicht gebraucht werden. Aber es gibt eben viele Wege zu
einer Zahl – darunter auch Umwege.
eine Ableitung von 12. Aber auch
Wenn wir als Grenzfall Regeln mit der leeren Prämissenmenge in die Betrachtung einschließen, dann können wir auch die Axiome unter die Regeln subsumieren. Wir betrachten Axiome dann als Anfangsregeln, d.h. als Regeln ohne Prämissen:
Axiomatische Systeme
:LQWHUORJLNIRO
Ableitungen sind “monoton”.
ZB ist
11
Bemerkung.
Ableitung eines Zahlzeichens
:LQWHUORJLNIRO
x 1 , . . . , xn
mit x1 , . . . , xn , y ∈ B (n ≥ 1).
y
· eine Menge von Regeln, R:
· eine Menge von Axiomen, A [⊆ B],
· einen Bereich, B,
Damit enthält es alle Elemente eines axiomatischen Systems (B, A, R):
◦ eine Teilmenge T ⊆ B “bevorzugter” Objekte aus [die Zahlzeichen].
◦ durch Anwendung einiger Regeln R [der Verkettungsregel]
◦ auf der Basis einiger Grundobjekte A (aus B) [den Ziffern]
◦ in einem bestimmten Bereich B von Objekten [zB den Ausdrücken der deutschen
Sprache]
Das Zehnersystem zeichnet
Wir haben soeben ein sehr einfaches Beispiel eines axiomatischen Systems kennengelernt.
Axiomatische Systeme
Axiomatische Systeme
Dritte Bemerkung
9
· Wie in den natürlichen Sprachen, so ist auch in allen hier betrachteten Kunstsprachen, ein Zeichen immer ein endliches Gebilde.
wobei n variabel für eine natürliche Zahl steht. Zwar gibt es unendlich viele
natürliche Zahlen; aber welche Zahl auch immer wir für n einsetzen, das Resultat ist
eine Folge von endlich vielen Variablen, die sich auf Zahlzeichen beziehen. Mit anderen Worten: Es gibt zwar (abzählbar) unendlich viele Zahlzeichen, aber jedes dieser
Zeichen ist endlich konstruierbar.
Aus der Definition folgt, daß Ableitungen immer endlich sind. Denn Ableitungen sind
Folgen von Zeichen
x0 , . . . , xn ,
Zweite Bemerkung
Ableitung eines Zahlzeichens
14
A
A→B
Modus Ponens (MP)
B
“Einsetzen” (solange die Struktur der Formel gewahrt bleibt) sowie
Regeln
A3 (¬A → ¬B) → ((¬A → B) → A)
A2 (A → (B → C)) → ((A → B) → (A → C))
A1 A → (B → A)
Axiome
Bereich: Formeln der Sprache
:LQWHUORJLNIRO
· Alle Grundzeichen sind Formeln, und wenn A und B Formeln sind, dann sind
¬A und A → B Formeln. Schluß.
· Zwei Operationen: ¬ und →
:LQWHUORJLNIRO
Axiomatische Systeme
Ein etwas “anspruchsvolleres” axiomatisches System
· Grundzeichen: A, B, C, D, ...
Sprache
13
2. Ableitungen von Sätzen oder Aussagen nennen wir auch Beweise. Überhaupt
denken viele bei axiomatischen Systemen unwillkürlich immer an Aussagen. Das
dürfen Sie weiterhin tun—solange Sie im Hinterkopf behalten, daß die Art der
Objekte eigentlich nicht wesentlich für den Begriff eines axiomatischen Systems
ist.
1. Die letzte Bedingung ist so allgemein formuliert, daß sie sich auf Regeln mit beliebig (endlich) vielen Prämissen beziehen kann. In der Praxis werden wir es aber
immer nur mit einer oder zwei Prämissen zu tun haben.
Bemerkungen.
(alle aus B) wobei xn = x, und jedes Objekt xk (0 ≤ k ≤ n; k, n ∈ N) ist entweder
ein Axiom (aus A) oder nach einer der Regeln (aus R) aus vorhergehenden Objekten
xi , ..., xj (i, ..., j < k) geschlossen.
x0 , . . . , xn
Definition 3. Eine Ableitung eines Objektes x in einem axiomatischen System
(B, A, R) ist eine Folge von Objekten
“Generieren”: x ist gd ein Theorem in einem axiomatischen System (B, A, R), wenn
x in dem System abgeleitet werden kann.
Axiomatische Systeme
A → ((C → C) → A)
und
A → (B → A)
B → (B → B)
16
15
:LQWHUORJLNIRO
Axiomatische Systeme
:LQWHUORJLNIRO
Auf den folgenden Folien sehen Sie zwei Beispiele für das Einsetzen. Wir tauschen die
Blätter in einem Baum gleichförmig aus und wahren so die Struktur des Baumes.
durch Einsetzen von (C → C) für B bzw. B für A.
u.a. die Formeln
Zum Beispiel enstehen aus
Beim Einsetzen wahren Sie genau dann die Struktur, wenn Sie für gleiche
Blätter (Variablen) gleiche Formeln einsetzen.
“...die Struktur der Formel wahren...”:
Einsetzen
Axiomatische Systeme
18
17
:LQWHUORJLNIRO
Axiomatische Systeme
:LQWHUORJLNIRO
Axiomatische Systeme
Axiomatische Systeme
:LQWHUORJLNIRO
20
:LQWHUORJLNIRO
• Wenn S logisch gut ist, und S aus S durch Einsetzen entsteht, dann kann S nicht
logisch schlecht sein.
Also:
◦ S und S haben die gleiche Form, wenn der eine aus dem anderen durch Einsetzen
von Gleichem für Gleiches entsteht. (Definition “gleiche Form”.)
◦ Wenn ein Schluß S logisch gut ist, dann kann ein Schluß S gleicher Form nicht
schlecht sein. (Logik ist formal.)
ZB sind offenbar alle Schlüsse der Form
Wenn A, dann B / Wenn B, dann C / Also: Wenn A, dann C
logisch gut.
... als wir über die syntaktische Konzeption des logischen Schließens gesprochen
haben, haben wir gesehen, daß logisches Schließen etwas mit der Form (Struktur )
eines Argumentes zu tun hat.
In der Theorie des logischen Schließens ist so etwas wie eine Einsetzungsregel zu erwarten. Denn ...
19
Axiomatische Systeme
22
Beweisen Sie
(A → B) → (A → A) !
24
:LQWHUORJLNIRO
Die Brücke zwischen Zahlzeichen und Zahlen kommt erst durch eine Interpretation
zustande. Wir interpretieren die Zeichen — weisen ihnen eine Bedeutung zu — indem
wir eine Funktion, i(•), definieren, die ein Zeichen n ∈ Z in eine natürliche Zahl n ∈
N abbildet.
Idee: Wir möchten diese Sprache so verwenden/verstehen, daß sich die Zeichen in Z
auf Zahlen beziehen. (Also zB das Zeichen 119 auf die Zahl 119.)
Wenn x und y Zahlzeichen sind, dann ist auch xy ein Zahlzeichen.
• Nur eine syntaktische Operation: Verkettung (Zusammenschreiben).
Dazugehörige Regel:
• Grundzahlzeichen (Ziffern), Z0 : 0,1,2,3,4,5,6,7,8,9.
A→B
Modus Ponens (MP)
B
A3 ...
Semantik der Sprache des Zehnersystems
• Nur eine Kategorie von Zeichen: Zahlzeichen, Z.
A
:LQWHUORJLNIRO
Semantik der Sprache des Zehnersystems
A2 (A → (B → C)) → ((A → B) → (A → C))
23
Syntax (Erinnerung)
:LQWHUORJLNIRO
Axiomatische Systeme
:LQWHUORJLNIRO
Rechtfertigung
Formel der Form A2
Formel der Form A1
aus 1 und 2 durch MP
Formel der Form A1
aus 3 und 4 durch MP.
Axiomatische Systeme
Wie das im Prinzip funktioniert, betrachten wir wieder an einem sehr einfachen
Beispiel.
sind Abbildungen von Zeichen (Ausdrücken) auf Bedeutungen.
Interpretationen
Nun zum wichtigsten semantischen Begriff der Logik:
Axiomatisches System — Ableitung/Beweis
Soviel zu den wichtigsten syntaktischen Begriffe der Logik:
A1 A → (B → A)
DENKPAUSE:
21
[Tafel: Als Baum – von unten nach oben.]
Formel
1. (A → ((A → A) → A)) → ((A → (A → A)) → (A → A))
2. A → ((A → A) → A)
3. (A → (A → A)) → (A → A)
4.
A → (A → A)
5. A → A
Ableitung (Beweis) von A → A:
Hier nun eine Ableitung in dem soeben definierten axiomatischen System.
(Wir benutzen jetzt eine alternative Form, die Nachprüfung einer Ableitung zu erleichtern: Dazu schreiben wir die Elemente der Folge untereinander und numerieren
sie, damit wir uns in den Rechtfertigungen auf die Elemente der Folge beziehen
können.)
A2 (A → (B → C)) → ((A → B) → (A → C))
A1 A → (B → A)
Axiomatische Systeme
Semantik der Sprache des Zehnersystems
:LQWHUORJLNIRO
26
= 10 × (770 + 5)
= 7750
i(7750) = 10 × i(775) + i(0)
= 10 × (10 × i(77) + 5)
= 10 × (10 × (10 × i(7) + 7) + 5)
= 10 × (10 × (10 × 7 + 7) + 5)
:LQWHUORJLNIRO
Beispiel für die Anwendung der Bedeutungsregeln: Wir “berechnen” die Bedeutung
des Zahlzeichens 7750 (einige offensichtliche Schritte überspringend):
25
2. Die Abbildung von Zeichen auf Zahlen ist surjektiv: Jede Zahl wird bezeichnet.
Aber die Abbildung ist nicht injektiv. Für jede Zahl n gibt es unendlich viele Zeichen: 0n, 00n, 000n, usw. D.h. es gibt unendlich viele Synonyme! (Unsere Konvention — Präfix-0 schreiben wir nicht hin — besagt, daß wir von diesen jeweils
nur eines benutzen wollen.)
1. Die semantischen Regeln für die Abbildung von arabischen Zahlzeichen in Zahlen
erscheinen uns geradezu unsinnig trivial. Aber das beruht auf unserer schlafwandlerischen Vertrautheit mit dem Zehnersystem. (Versuchen Sie sich einmal am
Binärsystem oder — viel schwieriger — an den römische Zahlzeichen! Oder
denken Sie sich eine Interpretation aus, mit der Sie Zahlen verschlüsseln können!)
Bemerkungen.
Das ist im Kern die Semantik für die Sprache der Zahlzeichen im Zehnersystem.
(Wie immer: Multiplikation vor Addition!)
i(0) = 0
i(1) = 1
i(2) = 2
i(3) = 3
i(4) = 4
i(5) = 5
i(6) = 6
i(7) = 7
i(8) = 8
i(9) = 9
Und: Für alle x ∈ Z und y ∈ Z0 : i(xy) = 10 × i(x) + i(y)
Nach dieser Interpretation ist
Semantik der Sprache des Zehnersystems
:LQWHUORJLNIRO
Semantik der Sprache des Zehnersystems
Einige Fragen an die Semantik von Z
28
:LQWHUORJLNIRO
⇒ Wenn die Bedeutung von z bestimmt wird von den Bedeutungen der Bestandteile von z und der Art ihrer Zusammensetzungen (Kompositionalität),
sind dann Bestandteile von z gegen solche mit gleicher Bedeutung immer austauschbar, ohne daß sich an der Bedeutung von z etwas ändert (Extensionalität)?
• Folgt aus der Kompositionalität einer Semantik, daß diese auch extensional ist?
⇒ Bestimmt sie die Bedeutung jedes komplexen Zahlzeichens aufgrund der Bedeutungen seiner Bestandteile und der Art ihrer Zusammensetzung?
• Ist die Semantik kompositional?
⇒ Läßt sich die Bedeutung jedes Zahlzeichens in endlich vielen Schritten bestimmen?
⇒ Gibt sie auf endliche Weise die Bedeutungen von allen, d.h. unendlich vielen
Zahlzeichen an?
• Ist die Semantik endlich?
27
Was bedeutet 2015?
i(0) = 0
i(1) = 1
i(2) = 2
i(3) = 3
i(4) = 4
i(5) = 5
i(6) = 6
i(7) = 7
i(8) = 8
i(9) = 9
für alle x ∈ Z und y ∈ Z0 : i(xy) = 10 × i(x) + i(y)
DENKPAUSE:
Semantik der Sprache des Zehnersystems
Semantik der Sprache des Zehnersystems
:LQWHUORJLNIRO
30
Versuchen Sie einmal die Bedeutung von 8 zu bestimmen! ...
:LQWHUORJLNIRO
2. Ausdrücke, deren Bedeutungen nicht nach endlich vielen Schritten feststehen.
(Z.B. zirkuläre Regeln.)
ZB sei die Funktion i wie oben beschrieben, jedoch mit diesen Klauseln für 8 und
9:
i(8) = i(9) − 1
i(9) = i(8) + 1.
Eine solche Sprache könnte niemand (in endlicher Zeit) lernen.
i(0) = 0, i(1) = 2, ... , i(10) = 10, ... , i(217) = 217, ...
1. Unendlich viele Lexikoneinträge oder Regeln.
Z.B. eine Semantik, welche jedes Zahlzeichen wie einen strukturlosen Eigennamen
betrachtet:
Die Bedingung der Endlichkeit einer Semantik kann auf zweierlei Weise verletzt werden:
29
Die Bedeutungsfunktion i rekapituliert nun die Definition ihres Bereichs: Sie legt Bedeutungen für die Grundzeichen fest (zehn Klauseln) und wird unter eine Bedingung
gestellt, die es erlaubt die Bedeutung komplexerer Zeichen unter Rekurs (Rückgriff)
auf die Bedeutung weniger komplexer Zeichen zu bestimmen (die “Rechenregel”). Da
die Komplexität jedes Zeichens endlich ist, ist garantiert, daß der Rekurs effektiv ist,
d.h. nach endlich vielen Schritten die Bedeutung feststeht.
Der Argumentbereich der Funktion i – die Menge der Zahlzeichen – ist schon in
endlicher Weise bestimmt: Endlich viele (zehn) Grundzeichen; endlich viele Regeln
(nur eine, die Verkettungsregel) um alle weiteren Zeichen aus diesen Grundzeichen zu
konstruieren. (Die Funktion operiert auf einem rekursiv definiertem Bereich.)
Wie die Funktion i(•) unendlich vielen Ausdrücken eine Bedeutung zuweist, ist
in endlicher Weise beschrieben (elf Bedingungen). (Die Funktion i ist rekursiv
definiert. Über diesen wichtigen Begriff später mehr.)
Die Semantik ist endlich.
Semantik der Sprache des Zehnersystems
Die Semantik ist nicht extensional.
Semantik der Sprache des Zehnersystems
:LQWHUORJLNIRO
(Ext)
i(215) = i(2015).
32
:LQWHUORJLNIRO
Kompositionalität impliziert also nicht so ohne weiteres Extensionalität! (Wir werden später, in der Behandlung der Prädikatenlogik, auf die Frage der Extensionalität
zurückkommen und zeigen, wie sich arabische Zahlausdrücke in eine extensionale
Sprache einfügen lassen.)
Aber zB
Unsere Semantik ist in diesem Sinne nicht extensional. Sei zB x = 1 und y = 01.
Dann
i(1) = i(01).
wenn i(x) = i(y), dann i(. . . x . . .) = i(. . . y . . .)
Wenn das so wäre, dann wäre unsere Semantik auch durchgehend extensional. Denn
eine Semantik heißt extensional, wenn für jeden Kontext . . . • . . . gilt:
Wenn die Bedeutungen eines komplexen Ausdrucks sich immer aus den Bedeutungen
der Teilausdrücke zusammensetzt, heißt das dann, daß bedeutungsgleiche Teile austauschbar sind, ohne an der Bedeutung des komplexen Ausdrucks etwas zu ändern?
31
· Die Bedeutung von “schräger Vogel” ...
· Die Bedeutung von “schräge Wand” errechnen Sie aus den Bedeutungen von
“schräg” und “Wand”.
In natürlichen Sprachen gibt es typischerweise Kompositionalitätslücken. ZB:
Da eine Semantik im wesentlichen aus einer Bedeutungsfunktion i über dem Bereich
der betrachteten Ausdrücke besteht, nennt man eine Semantik, deren Bedeutungsfunktion die Kompositionalitätsbedingung (Komp) erfüllt, eine kompositionale Semantik.
Diese Funktion f ist in der letzten, elften Bedingung der Semantik beschrieben, der
“Rechenregel”. (Dabei kommt es natürlich auf die Anordnung der Teilausdrücke an:
8 gefolgt von 1 steht für eine andere Zahl als 1 gefolgt von 8.)
Die Bedeutung eines jeden Zeichens setzt sich zusammen aus den Bedeutungen der in
ihm vorkommenden Zeichen. Genauer: Die Bedeutung eines komplexen Ausdruckes,
i(x0 · · · xn ), ist eine Funktion, f , der Bedeutungen seiner (weniger komplexen) Teilausdrücke:
(Komp)
i(x0 · · · xn ) = f (i(x0 ), . . . , i(xn ))
Die Semantik ist kompositional.
Semantik der Sprache des Zehnersystems
04PLeinfuehrung 161122.1121
André Fuhrmann
:LQWHUORJLNIRO
:LQWHUORJLNIRO
Logik im Winter 2016-17
Prädikatenlogische Sprachen (1):
Einführung
Goethe-Universität
Frankfurt am Main
Institut für Philosophie
33
(4) Es ist notwendig, daß 681 = die Anzahl der Abgeordneten im 18. Bundestag.
— Falsch.
(3) Es ist notwendig, daß 681 = 681. — Wahr.
· So sind im 18. Deutschen Bundestag 681 Abgeordnete vertreten. D.h. “681” und
“die Anzahl der Abgeordneten im 18. Bundestag” bezeichnen dieselbe Zahl.
Auch philosophisch wichtige Begriffe wie Notwendigkeit generieren intensionale Kontexte.
Unter Umständen kann Satz (1) wahr sein, während Satz (2) falsch ist. “Glaubt, daß
... ” ist ein Ausdruck, der einen nichtextensionalen (intensionalen) Kontext anzeigt.
Zum Beispiel : Mau Mau-Kiebitzen.
Eine prädikatenlogische Sprache (Einführung)
:LQWHUORJLNIRO
3
:LQWHUORJLNIRO
Voraussetzung: eine Sprache, mit der sich eine konkrete Sitation im Spiel beschreiben
läßt: die Verteilung von Karten über die Spieler, deren Wertigkeit etc.
2
Um zu sehen, was wir von einer richtigen Sprache erwarten, verlassen wir vorläufig
die Welt der Zahlen und schauen Thomas und Ulla in die Karten ...
(ZB würden wir sagen wollen, daß 5 und 05 gleich sind. Aber in der bisher betrachteten Sprache gibt es kein Zeichen, um die Gleichheitsbeziehung auszudrücken.)
• Wir können nichts über sie aussagen.
(1) Maria glaubt, eine Reise nach Myanmar gebucht zu haben.
(2) Maria glaubt, eine Reise nach Burma gebucht zu haben.
• In dem Bezeichnungssystem können wir nur Objekte benennen
Wir haben zwar das Bezeichnungssystem für Zahlen eine “Sprache” genannt, aber es
fehlt doch noch vieles, was eine Sprache im eigentlichen Sinne ausmacht.
Eine prädikatenlogische Sprache (Einführung)
Eine prädikatenlogische Sprache (Einführung)
· So bezeichnen “Burma” und “Myanmar” dasselbe Land (in SO-Asien) — die beiden Ausdrücke haben dieselbe Bedeutung. Bleibt jeder wahre Satz mit “Burma”
wahr, wenn wir “Burma” gegen “Myanmar” vertauschen?
In der alltäglichen Sprache (aber nicht nur in dieser) ist Nichtextensionaliät ein verbreitetes Phänomen.
Semantik der Sprache des Zehnersystems
:LQWHUORJLNIRO
Beschreibungsmittel
Eine prädikatenlogische Sprache (Einführung)
5
:LQWHUORJLNIRO
– Variablen (x, y, ...), deren Verwendung Quantoren (alle, einige) regeln
(für alle x: wenn x ein König ist, dann ist x noch im Stock).
• ... manchmal recht allgemeine Sachverhalte beschreiben, wie “Alle Könige sind
noch im Stock” oder “Weder Ulla noch Thomas haben ein Herz”. Am einfachsten
und flexibelsten paraphrasieren wir das mit
– Beziehungswörter (Relationen), wie “ist mehr wert als” oder auch einfach “ist
identisch mit” (=).
– Eigenschaftswörter (Prädikate), wie “ist ein As”, “ist ein Kreuz”, “ist in Ullas
Hand”, “ist im Stock”, oder
• ... Karten beschreiben, typischerweise durch
– ... eindeutige Beschreibungen wie “Ullas As” (jedoch Vorsicht! s.u.).
– Eigennamen (für Karten) wie “Karte Nummer 5” (Individuenkonstanten)
oder durch
• ... uns auf bestimmte Spielkarten beziehen, zB durch
Wir möchten ...
4
· Thomas hat die höhere Hand.
· Ulla hat nur ein Karo oder
sondern
· Thomas muß passen,
· Ulla trumpft mit Herz-As oder
Wir wollen hier nur die statischen Verhältnisse im Spiel beschreiben. Also nicht
Handlungen wie
Eine prädikatenlogische Sprache (Einführung)
Eine prädikatenlogische Sprache (Einführung)
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Alle Karten sind verteilt
Wenn etwas eine Karte ist, dann ist es verteilt.
7
(3)
Wenn x eine Karte ist, dann ist x [dasselbe x!] verteilt.
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Hier nimmt das Pronomen etwas unbestimmt auf etwas Bezug, und das Pronomen
es greift diesen Bezug wieder auf. Genau diese unbestimmte Bezugnahme geben wir
durch Variablen wieder:
(2)
keine Spur einer Variablen zu geben. (Schulgrammatisch haben wir hier ein Subjekt,
“alle Karten”, das durch das Hilfsverb mit dem Adjektiv “verteilt” verbunden ist.)
Jedoch besagt (1) dasselbe wie
(1)
In der Umgangssprache sind Variablen selten unmittelbar zu beobachten. ZB scheint
es in
Anmerkung zu Quantoren und Variablen
6
Jede natürliche Sprache ist (vermutlich) eine PL-Sprache!
(und Interpunktion) nennen wir eine prädikatenlogische (PL-) Sprache.
– Quantoren und Junktoren
– Prädikate und Relationen
– Konstanten und Variablen (für Individuen)
Jede Sprache, die über mindestens diese syntaktischen Kategorien verfügt,
• Schließlich werden wir Interpunktionszeichen brauchen (hier: Klammern) um unsere Rede so zu gliedern, wie es unserer Absicht entspricht.
– Junktoren, die Sätze zu neuen Sätzen verknüpfen.
• Aussagen verneinen oder mit den typischen (grammatischen) Konjunktionen “und”,
“oder”, “wenn-dann” usw. verknüpfen. In der Logik sprechen wir von
Wir möchten ferner
Eine prädikatenlogische Sprache (Einführung)
Wenn etwas eine Karte ist, dann ist es verteilt.
Wenn x eine Karte ist, dann ist x [dasselbe x!] verteilt.
(2)
(3)
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Die Sprache K
Eine prädikatenlogische Sprache (Einführung)
x, y, z, ...
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PRD1 , Prädikate
♦, ♥, ♠, ♣
7, 8, 9, 10, B, D, K, A
S, T, U
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IND und VAR fassen wir in der Menge TRM der Terme zusammen (t0 , t1 , t2 , ...)
VAR, Variablen (für Karten)
· Wir können uns vorstellen, daß wir auf die Rückseite einiger Karten einen
“Namen” geschrieben haben. (Das nennt man auch “Zinken”.)
k, k1 , k2 , k3 , . . .
IND, Individuenkonstanten (Eigennamen für Karten)
8
genau das wieder, was in (1) und (2) gemeint ist. Pronomina sind also auf bestimmte
Weise gebundene Variablen.
Für alle x, wenn x eine Karte ist, dann ist x verteilt.
Aber im Gegensatz zu (2), ist in (3) nicht klar, in welchem Sinne wir die Variable verwenden wollen (manche, alle, die meisten x?). Also können wir Pronomina nicht einfach als Variablen auffassen. Vielmehr sind Pronomina in einem bestimmten Sinne
gemeinte Variablen. Um den beabsichtigten Sinn wiederzugeben, binden wir die Variablen an Quantoren. So gibt
Alle Karten sind verteilt
(1)
Eine prädikatenlogische Sprache (Einführung)
Eine prädikatenlogische Sprache (Einführung)
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11
schreiben können (und sollten).
einfacher
¬A(k) ∧ ♥(k) → U (k)
((¬A(k)) ∧ ♥(k)) → U (k)
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Konventionen: ¬ bindet am stärksten, ∧ und ∨ binden stärker als →. D.h. zB, daß
wir statt
KLAMMERN setzen wir (sparsam) “nach Gefühl”, d.h. genügend viele, um Mehrdeutigkeiten auszuschließen. (Eindeutige Baumstruktur!)
· Wenn x eine Variable ist, dann besagt ∃x(blah), daß mindestens ein x die Bedingung blah erfüllt.
· Wenn x eine Variable ist, dann besagt ∀x(blah), daß alle x die Bedingung blah
erfüllen.
∀, ∃
QUA, Quantoren (alle, mindestens eines)
10
· S(k) → ♥(k): Wenn k im Stock ist, dann ist k ein Herz.
· A(x) ∨ ♥(x): x ist ein As oder ein Herz.
· A(x) ∧ ♥(x): x ist ein As und ein Herz.
· ¬♥(x): x ist kein Herz. (Es ist nicht der Fall, daß x ein Herz ist.)
¬, ∧, ∨, →
JUN, Junktoren (nicht, und, oder, wenn-dann)
· t = t : t und t sind identisch, d.h. dieselbe Karte.
· t < t : t wertet höher als t.
PRD2 , 2-stellige Relationen: < und = (zwischen beliebigen Termen t, t für Karten.)
· U (k): Ulla hat k.
· S(k): Karte k ist im Stock
· ♥(x): x ist ein Herz.
· 7(x): x ist eine 7.
Zum Beispiel:
Eine prädikatenlogische Sprache (Einführung)
∃x(U x ∧ ♥x)
♥(k) ∧ A(k)
Wir basteln Sätze in K
∃x(U x ∧ Dx) ∧ ∃y(T y ∧ Dy)
∃x( U Dx ∧ ∀y(U Dy → x = y) )
13
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[Die Bereiche der Variablenbindung durch die Quantoren sind farbig markiert.]
(7)
Ulla hat genau eine Dame. (U Dx := U x ∧ Dx)
∀x( T Dx → ∀y(T Dy → x = y) )
· Zuvor definieren wir T Dx := T x ∧ Dx.
Thomas hat höchstens eine Dame.
(6)
Jede Partei hat mindestens eine Dame.
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Eine prädikatenlogische Sprache (Einführung)
Intuitiv, wie erläutert.
Semantik der Sprache K
Wie in den Beispielen erläutert. Später mehr ...
· Ab jetzt lassen wir meist die Klammern bei Prädikaten weg.
(5)
Ulla hat Herz.
(4)
<, =
Grammatik der Sprache K
k, k1 , k2 , ...
x, y, z, ...
7, 8, 9, 10, B, D, K, A, ♦, ♥, ♠, ♣, S, T, U ;
¬; ∧, ∨, →
∀, ∃
Klammern
Karte k ist ein Herz-As
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IND:
VAR:
PRD1;2 :
JUN1;2 :
QUA:
Das Lexikon der Sprache K zusammengefaßt
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Eine prädikatenlogische Sprache (Einführung)
∀x(T Dx → ∀y(T Dy → x = y))
(*)
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∀x(T Dx → ∀y(T Dy → x = y)).
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Also dürfen Sie Ihre gerade gewonnene Einsicht in den Zusammenhang von ¬B → ¬A
und A → B benutzen und sehen nun, daß (*) nichts anderes sagt als
· ¬A für ¬T Dy.
· ¬B für ¬(x = y) (wofür wir auch x = y schreiben wollen),
Dritter Schritt: Sie sehen, daß in ∀y(¬(x = y) → ¬T Dy) so etwas wie ¬B → ¬A
vorkommt:
= ∀x(T Dx → ∀y(¬(x = y) → ¬T Dy))
= Wenn Thomas eine Dame x hat dann ist jede von x verschiedene Karte (y) nicht
eine Dame in Thomas’ Hand.
= Wenn Thomas überhaupt eine Dame hat, dann hat er jedenfalls nicht mehr als
eine.
Thomas hat höchstens eine Dame.
Zweiter Schritt:
14
(Daß das so ist, können Sie sich jetzt schon einigermaßen plausibel machen. In Kürze
werden Sie es — sehr schnell — beweisen können.)
Wenn A → B, dann ¬B → ¬A, und umgekehrt (“gdw”).
(2) ist von der Form ¬B → ¬A, und überhaupt gilt für beliebige Aussagen A und B:
(2) Wenn Ulla keine rote Karte hat, dann hat sie kein Herz.
(1) ist von der Form A → B und “sagt das gleiche” wie:
(1) Wenn Ulla Herz hat, dann hat sie eine rote Karte.
Erster Schritt (Kontraposition):
Noch einmal: “Höchstens eine”
∀x(T Dx → ∀y(T Dy → x = y))
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∃xy((T ♠x ∧ T ♠y) ∧ x = y ∧ ∀z(T ♠z → (z = x ∨ z = y)))
∃x(U x ∧ ∀y(T y → y < x))
∀x((Ax ∧ ¬U x ∧ ¬T x) → Sx)
∀x(♥x → ∀y(♦y → y < x))
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Eine prädikatenlogische Sprache (Einführung)
∀x(♦x → ∃y(♥y ∧ x < y))
∀x(♥Ax → ∀y(¬♥Ay → y < x))
∀x∀y(♥Ax ∧ ¬♥Ay → y < x))
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(15)
∀x(♥Ax → ¬∃y(¬♥Ay ∧ x < y))
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Oder, äquivalent unter der Annahme daß von zwei Karten immer die eine die andere
schlägt:
(14)
Oder, äquivalent (wie sich herausstellen wird):
(13)
Keine Karte schlägt Herz-As.
Nach dieser Übung werden Sie auch mit dem folgenden Satz keine Schwierigkeiten
haben:
Übung: Was ist der (inhaltliche) Unterschied zwischen (11) und (12)? (Tipp: (11)
macht eine stärkere Aussage als (12).)
16
(12)
Jede Karo-Karte wird von einer Herz-Karte übertrumpft.
(11)
Herz zählt immer mehr als Karo.
(10)
Ulla hat die höhere Karte.
(9)
Wenn weder Ulla noch Thomas ein As haben, dann sind alle Asse noch im Stock.
(8)
Thomas hat genau zwei Piks. (T ♠x := ♠x ∧ T x)
Weiter ...
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heißen Kennzeichnungen.
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18
Bitte setzen Sie sich auf den anderen Stuhl !
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Eine prädikatenlogische Sprache (Einführung)
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• Der Schein trügt: Kennzeichnungen behandelt man besser nicht wie Eigennamen.
Dazu gibt es eine Theorie, die in der modernen Sprachphilosophie eine wichtige
Rolle spielt; siehe gleich den Exkurs über Bertrand Russells “On Denoting”(1905).
“der/die/das So-und-so”
• “das As von Ulla” ist keine Eigenschaft, die auf mehrere Karten zutreffen könnte,
sondern scheint eher wie ein Eigenname zu funktionieren: Der Ausdruck will genau
einen Gegenstand bezeichnen. Wendungen der Form
Achtung:
Ullas As sticht alle Karten von Thomas aus.
Eine prädikatenlogische Sprache (Einführung)
· daß Ulla überhaupt ein As hat (Existenz) und
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∀z(T z → z < x))
∧
∃x(U Ax ∧ ∀y(U Ay → x = y)
Thomas’ As sticht Ullas König. (Tip: Variablen x, y, z, u.)
DENKPAUSE:
dieses sticht alle Karten von Thomas.
und
Es gibt genau ein As in Ullas Hand
Nach Russell sollten wir den Satz deshalb so paraphrasieren:
Ist eine der Annahmen falsch, dann ist der Satz gewissermaßen “verunglückt”.
(Erinnern Sie sich an “die kleinste Menge, welche ...” in der ersten Definition der
VL!)
· daß Ulla höchstens ein As hat (Einzigkeit).
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Eine prädikatenlogische Sprache (Einführung)
das As von Ulla sticht alle Karten von Thomas
stecken zwei Annahmen:
In einem Satz wie
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Bitte setzen Sie sich auf den anderen Stuhl !
Eine prädikatenlogische Sprache (Einführung)
Exkurs: Russell über Bezeichnen
Exkurs: Russell über Bezeichnen
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:LQWHUORJLNIRO
Die Theorie der Kennzeichnungen habe ich 1905 in dem Artikel ‘On Denoting’ in
Mind dargelegt. Die Theorie schien dem damaligen Herausgeber so widersinnig zu
sein, daß er mich inständig bat, sie zu überdenken und nicht auf ihrer
Veröffentlichung in dieser Form zu bestehen. Ich war jedoch von ihrer Richtigkeit
überzeugt und lehnte es ab, nachzugeben. Später wurde sie allgemein anerkannt und
zu meinem bedeutendsten Beitrag zur Logik erklärt.
My Philosophical Development (1959), p. 83.
22
Gebundene Variablen sind wie Pronomina (hier: dieser, jenes); Pronomina sind wie
gebundene Variablen.
Erinnerung:
∧
z < x))
∧
∃z(U Kz ∧ ∀u(U Ku → z = u)
∃x(T Ax ∧ ∀y(T Ay → x = y)
· dieser (z) wertet niedriger als jenes (x) (“jenes sticht diesen”).
· Es gibt genau einen König in Ullas Hand (z), und
· Es gibt genau ein As in Thomas’ Hand (x), und
Thomas’ As sticht Ullas König.
Eine prädikatenlogische Sprache (Einführung)
Frege
Exkurs: Russell über Bezeichnen
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• Wenn eine Kennzeichnung nichts bezeichnet, dann überträgt sich der Bezeichnungsfehler auf jeden Kontext, in dem die Kennzeichnung eingebettet ist: Der Kontext
ist dann ebenfalls ohne Bezeichnung/Bedeutung.
• Wenn eine Kennzeichnung überhaupt etwas bezeichnet, dann bezeichnet sie ein Individuum.
Frege glaubte, daß Nominalphrasen (NPn) sich im allgemeinen (nicht immer: siehe
die Quantorenphrasen in (1) und (2)) auf Individuen (“Gegenstände”) beziehen.
Kennzeichnungen sind natürlich NPn. Das Paradigma einer NP ist ein Eigenname
(N). Kennzeichnungen funktionieren also letztlich nicht anders als Nn.
24
• Antwort (Russell): Die Alternative (Frege) ist inkohärent.
• Offensichtliche Frage: Warum so komplizert?
(3) ∃x(Kx ∧ ∀y(Ky → x = y) ∧ bärtig(x)
(Existenz ∧ Einzigkeit ∧ Eigenschaft)
Russell argumentiert, daß Gleiches auch für (3) gilt. Zwar tritt Der König in (3) als
grammatisches Subjekt (Individuum) eines Satzes auf. Richtig (“logisch”) analysiert,
verschwindet dieses Subjekt jedoch zugunsten einer komplexen Quantifikation in die
Eigenschaft K:
(2) ∃x(Kx ∧ bärtig(x))
(1) ∀x(Kx → bärtig(x))
Logiker sind heute (nach Frege) der Auffassung, daß die Analyse X ε Y für (1) und
(2) am Wesen der Sache (Quantifikation) vorbeigeht. Eine bessere Analyse ist:
(3) Der König ist bärtig
(2) Einige Könige sind bärtig
(1) Alle Könige sind bärtig
Drei Sätze, die scheinbar von der Form “X ε Y ” (Subjekt-Prädikat) sind:
Exkurs: Russell über Bezeichnen
Exkurs: Russell über Bezeichnen
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:LQWHUORJLNIRO
Ich weiß, was die Bedeutung eines Ausdrucks ist. Aber was ist denn der “Sinn”??
Russells kritische Nachfrage:
• So können wir fortfahren, der syntaktische Gleichförmigkeit von Kennzeichnungen
und Eigennamen auch semantisch zu folgen.
• Dasselbe gilt dann für jeden Ausdruck, in den die bedeutungslose aber sinnvolle
Kennzeichnung eingebettet ist.
— Jetzt ist aus der Prämisse (5) (“Aber der Satz hat Bedeutung!”) die Luft heraus: Was wir verstehen, ist der Sinn des Satzes.
• ... aber sie können durchaus einen Sinn/Inhalt haben.
• Manche Kennzeichnungen mögen zwar nichts bedeuten/bezeichnen — in diesem
Sinne ist (4) (“der Satz hat keine Bedeutung”) richtig — ...
• Semantischer Gehalt hat einen Doppelaspekt: Bedeutung (Bezeichnung) und
Sinn. Frege, Über Sinn und Bedeutung (1892).
Freges (vermutliche) Antwort:
26
(6) Wenn Freges zweite These richtig ist, dann muß die erste falsch sein.
(Aus (4-5)(Widerspruch!) und (3) folgt nicht-(1), gegeben (2).)
(5) Aber der Satz hat eine Bedeutung!
(Wir verstehen etwas, wenn wir ihn hören und viele — auch Russell —
würden sagen daß er falsch sei.)
(4) Der Satz in (1) hat keine Bedeutung.
(Aus (1-3).)
(3) Wenn ein Eigenname in einem Satz keine Bedeutung hat, dann hat der gesamte
Satz keine Bedeutung.
(Freges zweite These.)
(2) Es gibt gar kein As in Ullas Hand.
(Annahme.)
(1) In dem Satz Das As in Ullas Hand wird zum Problem funktioniert die NP
das As in Ullas Hand wie ein Eigenname.
(Freges erste These.)
Erste Schwierigkeit: Leere Kennzeichnungen (nach Russell):
Exkurs: Russell über Bezeichnen
Exkurs: Russell über Bezeichnen
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:LQWHUORJLNIRO
Formalisieren Sie den Satz (1) à la Russell. Ist der Satz unter der Bedingung (2)
wahr oder falsch?
Übung
(Daß (1) gleichwohl verständlich ist, liegt daran, daß der Satz sinnvoll ist.)
Der Satz (1) ist unter der Annahme (2) also tatsächlich ohne Bedeutung. Kein
Widerspruch entsteht.
• Freges verallgemeinerte zweite These: Jeder Ausdruck mit einem bedeutungslosem
Bestandteil ist selbst ohne Bedeutung.
(falsch → “ohne”) = “ohne”.
Vielmehr ist Bedeutungslosigkeit maximal ansteckend, so daß
Das lehne ich ab (während ich natürlich (falsch → wahr) = wahr akzeptiere).
(falsch → X) = wahr.
Freges (vermutliche) Antwort: In (5) wird angenommen, daß es für die Wahrheit
eines Wenn-dann-Satzes reicht, wenn das Antezedens falsch ist:
28
(6) Die zwei Annahmen Freges können nicht beide wahr sein.
(D.h., die erste, daß “das-u” wie ein Eigenname funktioniert, muß falsch sein,
wenn wir der zweiten Annahme folgen wollen.)
(5) Aber aus (2) folgt (aufgrund der Bedeutung von →), daß die Aussage (1) wahr
ist und also Bedeutung hat — Widerspruch!
(4) Also muß in diesem Fall die Aussage (1) ohne Bedeutung sein.
(Freges zweite These.)
(3) Dann hat der Ausdruck (∼ Eigenname) das-u keine Bedeutung.
(Aus Freges erster These.)
(2) Angenommen, das Antezedens ist falsch.
∃x(x ∈ u ∧ ∀y(y ∈ u → x = y)) → das-u ∈ u
(1) (Für alle u:) Wenn u eine Einermenge ist, dann ist das-u (Kennzeichnung) in u:
Zweite Schwierigkeit: Nicht zutreffende Bedingungen (nach Russell):
Exkurs: Russell über Bezeichnen
Was ist eigentlich ein Satz in K?
Was ist eigentlich ein Satz in
K?
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31
• Die Definition verfährt in drei, aufeinander aufbauenden Schritten:
Terme, Formeln, Sätze.
:LQWHUORJLNIRO
• Jetzt wollen wir die Frage genauer und direkter (d.h. ohne riskante Umwege)
beantworten.
(Nachdem wir das Lexikon von K schon angegeben haben, reichen wir nun die
Grammatik nach.)
• D.h. wir haben im Grunde ins Deutsche übersetzt und dann unser syntaktisches
Verständnis des Deutschen auf K projiziert.
• Bisher haben wir die Antwort unserem “Gefühl” bzw unserem Vorverständnis der
Bedeutungen der Ausdrücke überlassen.
30
• Wohnte Sherlock Holmes in Baker Street oder in Glentworth Street? Was macht
die Antwort Ja auf die erste Alternative richtig und dieselbe Antwort auf die zweite
Alternative falsch (obwohl doch “SH” nichts bezeichnet)?
( Semantik fiktionaler Ausrücke.)
• Wie wirkt sich die Bedeutungslosigkeit eines Teilausdrucks (z.B. Teilsatz) auf die
Bedeutung des Ganzen aus? Wird das Ganze dann immer auch bedeutungslos?
(Frege: Ja. — Russell: Nein)
• Müssen wir neben der Bedeutung (Referenz, “Extension”) eines Ausdrucks auch
noch so etwas wie seinen Sinn (Gehalt, “Intension”) annehmen?
(Frege: Ja — Russell: Nein).
Wenn ja, was ist der Sinn eines Ausdrucks? ( Intensionale Semantik)
• Müssen Audrücke, die syntaktisch in einer Nominalposition stehen immer
Gegenstände (im weitesten Sinne) bezeichnen?
(Nein: Quantoren! Kennzeichnungen?)
Die Auseinandersetzung über das richtige Verständnis von Kennzeichnungen hat
Anlaß gegeben zu einigen wichtigen Fragen:
Wir halten fest:
Exkurs: Russell über Bezeichnen
K?
K?
Was ist eigentlich ein Satz in
K?
:LQWHUORJLNIRO
33
:LQWHUORJLNIRO
• Kommt in einer Formel eine Variable vor, die nicht durch einen Quantor gebunden ist, also frei ist, dann ist der Gebrauch der Variablen noch offen und die ganze
Formel wird offen genannt. (“Ungesättigt”, hätte Frege gesagt.)
• Quantoren binden Variablen: Sie zeigen an, wie die Variable im Bereich des Quantors zu verstehen ist. Der Bereich eines Quantors wird mit Klammern angezeigt.
(3) ∀x(♠k)
(2) ∀x∃y(♦x → x < y)
(1) ∀x(♦x → x < y)
Gut, jetzt wissen wir, was Terme und Formeln sind. Und was ist ein Satz (etwas, das
etwas aussagt und also wahr oder falsch sein kann) ?? — Betrachten wir drei Formeln
(k bezeichne eine bestimmte Karte):
32
05PLformalisierung 161129.1125
André Fuhrmann
:LQWHUORJLNIRO
Logik im Winter 2016-17
Prädikatenlogische Sprachen (2):
Formalisierung
Goethe-Universität
Frankfurt am Main
Institut für Philosophie
34
:LQWHUORJLNIRO
(Übungen zu Termen, Formeln, Variablenbindung und Sätzen)
Um Klammern zu sparen, folgen wir Konventionen: Äußere Klammern werden nie
geschrieben; ¬ bindet am stärksten, ∧ und ∨ binden stärker als →. (Später werden
wir sehen, wie wir im Prinzip ganz ohne Klammern auskommen können.)
... in den Tutorien.
• In Bsp (3) ist der Quantor redundant: x ist nicht frei, wird aber nicht benutzt.
Wir wollen Formeln wie (3) als harmlos verunglückte Sätze behandeln.
(Etwas so: “Welche Karte Sie auch betrachten (∀x), diese Karte (k) ist ein Pik.”)
• Nur geschlossene Formeln, d.h. solche in denen es keine ungebundenen Variablen gibt, “sagen etwas aus” – weshalb wir sie auch Aussagen oder Sätze nennen.
• Sind in einer Formel alle darin vorkommenden Variablen gebunden, dann ist die
Formel geschlossen – dann wissen wir von allen Variablen, wie sie zu verstehen
sind.
(3) ∀x(♠k)
(2) ∀x∃y(♦x → x < y)
(1) ∀x(♦x → x < y)
Was ist eigentlich ein Satz in
4. Das ist alles: Nichts ist ein Term, was nicht durch (1) als Term bestimmt ist;
nichts ist eine Formel was nicht durch (2–3) als Formel bestimmt ist.
b. und wenn v eine Variable ist, dann sind (∀vA) und (∃vA) Formeln.
a. dann sind (¬A), (A ∧ B), (A ∨ B) und (A → B) Formeln;
3. Wenn A und B Formeln sind,
2. Wenn t1 und t2 Terme sind, und P • und Q • • Prädikate sind, dann sind P (t1 )
und Q(t1 , t2 ) Formeln.
Formeln
1. Alle Individuenkonstanten und Individuenvariablen sind Terme.
Terme
Definition: Satz in K
Was ist eigentlich ein Satz in
Vorbetrachtungen
:LQWHUORJLNIRO
3
:LQWHUORJLNIRO
• Oder wir richten unsere Augenmerk auf den Gegenstand eines umgangssprachlichen
Satzes. Diesen Gegenstand versuchen wir dann prädikatenlogisch zu beschreiben.
Indem wir das tun, haben wir den umgangssprachlichen Ausgangssatz formalisiert.
(So kommen wir über eine prädikatenlogische Beschreibung des Gegenstands der
Rede (indirekt) zur Formalisierung eines umgangssprachlichen Satzes.)
• So beschreiben wir oft die wesentlichen Aspekte einer bestimmten Struktur zunächst
umgangssprachlich, um dann diese Beschreibungen zu formalisieren.
(So kommen wir über die Formalisierung einer umgangssprachlichen Beschreibung
(indirekt) zu einer prädikatenlogischen Beschreibung.)
In der Praxis sind diese beiden Aspekte nicht deutlich voneinander geschieden.
2
· Hier versuchen wir, den deutschen Satz in die Sprache der Prädikatenlogik zu
übertragen.
• Formalisierung: Ein deutscher Satz ist vorgegeben. (ZB “Ulla hat Pik 7.”) Diesen
übersetzen wir in die Sprache der Prädikatenlogik.
· Hier richten wir unsere Aufmerksamkeit auf den Gegenstand der Rede (das “Modell”) und versuchen diesen prädikatenlogisch zu beschreiben.
• Beschreibung: Ein irgendwie strukturierter Bereich ist vorgegeben. (ZB Spielkarten
verschiedener Art.) Diesen beschreiben wir in der Sprache der Prädikatenlogik.
Wir wollen uns nun ein wenig in den Gebrauch prädikatenlogischer (PL-) Sprachen
einüben. Solcher Gebrauch ist grundsätzlich von zweierlei Art.
Vorbetrachtungen
Vorbetrachtungen
5
4
Gegenstand
(Modell)
Gegenstand
(M d ll)
Natürliche
Sprache
Gegenstand
(Modell)
Gegenstand
Natürliche
Sprache
Beschreibung
es
ch
re
ib
u
n
Beschreibung
Formalisierung
B
g
Formalisierung
Beschreibung
PL-Sprache
indirekt
Beschreibung
indirekt
:LQWHUORJLNIRO
:LQWHUORJLNIRO
Vorbetrachtungen
PL-Sprache
PL-Sprache
Vorbetrachtungen
F
i
n
g
:LQWHUORJLNIRO
Vorbetrachtungen
indirekte
Formalisierung
PL-Sprache
:LQWHUORJLNIRO
9
7
:LQWHUORJLNIRO
∗
Wichtige Anmerkung: Das gilt nur bis auf weiteres. Später (viel später) werden wir
Junktoren kennenlernen, die nicht als Funktionen von Wahrheitswerten, sondern komplexerer semantischer Werte zu verstehen sind.
Bsp Negation: Wahr → Falsch
Wahrheitsfunktion : (Wahrheitswert, Wahrheitswert, ... ) → Wahrheitswert
Semantisch gesehen bilden Junktoren Wahrheitswerte auf Wahrheitswerte ab (d.h.
sie sind Wahrheitsfunktionen):∗
• Quine (2): Durch Formalisierung unserer besten Theorien in einer PL-Sprache
finden wir heraus, was es in unserer Welt gibt (= wozu wir uns ontologisch
verpflichten, wenn wir diese Theorien für wahr halten).
/...
• Quine (1): Der Versuch, mit der ersten Stufe auszukommen, ist sogar
philosophisch geboten! Denn was sich klar sagen läßt, läßt sich nur auf dieser Basis sagen. – Ähnlich Wittgenstein im Tractatus.
Diese Voraussetzung ist philosophisch kaum umstritten. Der Versuch, mit dieser
Voraussetzung auszukommen, ist daher immer der Mühe wert.
Bsp Negation: Blabla → Nicht: Blabla
Junktor : (Formel, Formel, ... ) → Formel
Syntaktisch gesehen fügen Junktoren Formeln zu neuen Formeln zusammen:
Kurze Erläuterungen zu den Junktoren einer PL-Sprache
Kurze Erläuterungen zu den Junktoren einer PL-Sprache
:LQWHUORJLNIRO
• Ontologische Sparsamkeit: Wer den Existenzquantor gebraucht, behauptet
daß es etwas gibt. In den Sprachen erster Stufe wird nur über Individuen
(Gegenstände) quantifiziert. Wer also nur in der ersten Stufe redet, setzt nur die
Existenz von Gegenständen voraus (und nicht etwa auch die von Eigenschaften).
8
To be is to be the value of a variable.
(Quine, “On what there is”, 1948)
Quine: Sätze der Form ∃x ...
Frage: Was sind das für Behauptungen?
Quine: Dasjenige, von dem unsere besten Theorien
(irreduzibel) behaupten, daß es das gibt.
Frage: Was gibt es?
Willard Van Orman Quine (1908–2000)
Willard Van Orman Quine (1908–2000)
Wir geben hier einige intuitive Erläuterungen zu den typischen Junktoren einer PLSrache.
Was ist eigentlich so gut an der Prädikatenlogik Erster Stufe?
Natürliche
Sprache
m
or
al
e
si
ru
Beschreibung
Vorbetrachtungen
• Universalität: Jede natürliche Sprache ist (zumindest) eine PL-Sprache!
(Warum?)
6
Gegenstand
(Modell)
Beschreibung
Kurze Erläuterungen zu den Junktoren einer PL-Sprache
:LQWHUORJLNIRO
11
:LQWHUORJLNIRO
· Alternativ (aber ein wenig länger): Wenn zwei lateinische Sätze durch “et”
miteinander verbunden werden, dann ist das Resultat auch ein lateinischer Satz.
• Beispiel : Wenn A und B lateinische Sätze sind, dann ist A et B auch ein lateinischer Satz. (Objektsprache: Latein; Metasprache: Deutsch, erweitert um Variablen
für lateinische Sätze.)
• Diese Variablen A, B, C, ... (manchmal schematische Variablen genannt) gehören
also zur Metasprache — hier: eine in dieser Vorlesung benutzten Erweiterung der
deutschen Sprache.
verwenden, um uns in der Sprache, in der wir reden (der Metasprache) auf beliebige Formeln der Sprache über die wir reden (der Objektsprache), variabel zu
beziehen.
• Wir wollen Großbuchstaben vom Beginn des Alphabets (manchmal auch mit Indizes “dekoriert”),
A, B, C, ..., A0 , A1 , A2 , ...,
10
• Wir sprechen in einer Sprache (hier: Deutsch) über eine Sprache (hier: eine beliebige prädikatenlogische Sprache).
Die erste nennt man manchmal Metasprache (oder Theoriesprache, Sprache der
Theorie), die zweite Objektsprache (Objekt der Theorie).
• Wir wollen ab jetzt
den Wahrheitswert Wahr mit 1 und
den Wahrheitswert Falsch mit 0 abkürzen.
Vereinbarungen
Kurze Erläuterungen zu den Junktoren einer PL-Sprache
Konjunktion: ∧
Kurze Erläuterungen zu den Junktoren einer PL-Sprache
:LQWHUORJLNIRO
13
0
0
1
1
0
1
0
1
A B
A∧B
0
0
0
1
:LQWHUORJLNIRO
A ∧ B : Sowohl A als auch B ist wahr. A ∧ B ist also falsch, wenn A falsch ist oder B
falsch ist (drei Möglichkeiten!).
12
¬¬A und A sind äquivalent, denn
¬¬0 = ¬1 = 0 und ¬¬1 = ¬0 = 1.
Sie sehen an der Wahrheitstafel, daß wenn Sie zweimal A verneinen, wieder da sind,
wo Sie angefangen haben: bei A.
¬A : Es ist nicht der Fall (falsch), daß A. ¬A ist also gd wahr, wenn A falsch ist.
A ¬A
0 1
1 0
Negation: ¬
Kurze Erläuterungen zu den Junktoren einer PL-Sprache
(Materiale) Implikation: →
A ↔ B kurz sein für (A → B) ∧ (B → A)
15
Schreiben Sie die Wahrheitstafel für die Äquivalenz ↔ auf!
DENKPAUSE:
Übrigens soll
A → B gdw ¬A ∨ B
A → B gd wahr ist, wenn A falsch oder B wahr ist, also
Aus der Tafel geht hervor, daß
:LQWHUORJLNIRO
:LQWHUORJLNIRO
Kurze Erläuterungen zu den Junktoren einer PL-Sprache
A → B : Wenn A, dann B. Wird nur falsch, wenn A aber nicht B.
A B A→B
0 0 1
0 1 1
1 0 0
1 1 1
14
A ∨ B : Mindestens eines, A oder B ist wahr. A ∨ B wird also nur falsch, wenn beide
Disjunkte falsch sind. Achtung: Es handelt sich also nicht um den gegenseitig ausschließenden Sinn von “oder”, wie in “Entweder ist das Herz oder Pik”!
A B A∨B
0 0 0
0 1 1
1 0 1
1 1 1
Disjunktion: ∨
Kurze Erläuterungen zu den Junktoren einer PL-Sprache
17
Kurz:
0
1
A
Lang:
16
0
1
¬
¬A
1
0
0
1
0
1
1
1
0
1
A→B
B→A 1
0
1
1
1
0
0
1
A↔B
1
0
0
0
1
1
0
1
0
1
A B
0
1
∧
0 1
0 0
0 1
0
0
0
1
A∧B
:LQWHUORJLNIRO
0
0
1
1
0
1
∨
0
1
0
1
0
1
1
1
A∨B
0 1
0 1
1 1
A B
0
1
→
0
1
0
1
0 1
1 1
0 1
0
0
1
1
A B
:LQWHUORJLNIRO
1
1
0
1
A→B
Kurze Erläuterungen zu den Junktoren einer PL-Sprache
Zwei Arten Wahrheitstafeln aufzuschreiben
0
0
1
1
A B
A ↔ B := (A → B) ∧ (B → A)
Kurze Erläuterungen zu den Junktoren einer PL-Sprache
0
1
0
0
0
0
1
1
1
0
1
1
:LQWHUORJLNIRO
0 1
1 1
0 1
1
0
A → B ist wahr gdw A falsch oder B wahr ist.
“Paradoxien” der materialen Implikation
Kurze Erläuterungen zu den Junktoren einer PL-Sprache
0
1
→
0
1
∨
0
1
∧
0
1
¬
19
:LQWHUORJLNIRO
• B wahr:
Wenn (A) es morgen in Moskau schneit, dann (B) findet jetzt in Frankfurt eine
Vorlesung statt ??
• A falsch:
Wenn (A) 2 + 2 = 5, dann (B) steigt der Meerespegel im nächsten Jahr um 5cm ??
Merkwürdig!
Reicht es für die Wahrheit von A → B wirklich aus, daß A falsch bzw. B wahr ist??
Wir sagten
18
Charles Sanders Peirce (1839–1914),
amerikanischer Philosoph und Logiker,
Begründer des Pragmatismus.
Die Wahrheitstafeln für die klassische Aussagenlogik gehen
zurück auf (1902):
Kurze Erläuterungen zu den Junktoren einer PL-Sprache
Warum wir das dennoch merkwürdig finden
Kurze Erläuterungen zu den Junktoren einer PL-Sprache
:LQWHUORJLNIRO
21
• Wenn Hans weiß, daß B wahr ist.
Dann sollte er einfach sagen: Peter hat überlebt.
• Wenn Hans weiß, daß A falsch ist.
Dann sollte er einfach sagen: Der Fallschirm hat versagt.
:LQWHUORJLNIRO
Es gibt mindesten zwei Bedingungen unter denen Hans das nicht sagen sollte:
• Wenn (A) Peters Fallschirm sich geöffnet hat,
dann (B) hat er den Sprung überlebt.
Beispiel: Hans sagt zu Peters Mutter:
Das liegt daran, daß es manchmal nicht reicht, wahre Sätze zu äußern, um sich erfolgreich an einem Gespräch zu beteiligen. Manchmal ist es nicht falsch, A → B zu
sagen — aber es mag witzlos, oder irreführend oder sogar geschmacklos sein.
20
wenn Af oder Bw, dann (A → B)w
wenn Bw , dann (A → B)w
Bf
wenn Af , dann (A → B)w
Bw
(A → B)f ⊥
Aw
(A → B)f wenn (A → B)w , dann Af oder Bw
Af oder Bw
( nicht: Aw) oder ( nicht: Bf )
nicht: (Aw und Bf )
(A → B)w
⊥
Af Von rechts nach links:
Von links nach rechts:
(A → B)w gdw Af oder Bw
Ein Argument für die Äquivalenz
Kurze Erläuterungen zu den Junktoren einer PL-Sprache
Gice’sches Kooperationsprinzip
Kurze Erläuterungen zu den Junktoren einer PL-Sprache
:LQWHUORJLNIRO
23
Frank Jackson, Conditionals, Oxford (Univ. Press), 1991.
:LQWHUORJLNIRO
Paul Grice, Studies in the Way of Words, Cambridge Mass. (Harvard Univ.
Press), 1989.
Dieses Prinzip sagt etwas über den richtigen Gebrauch von Sätzen (Pragmatik).
Wahre Sätze können falsch gebraucht werden. Der falsche Gebrauch eines wahren
Satzes macht ihn aber nicht weniger wahr.
Paul Grice, Logic and conversation, 1975
“Trage zum Gespräch so bei, wie es zum Zeitpunkt Deines Beitrags der anerkannte
Zweck oder der Stand des Austauschs an dem Du teilnimmst, erfordern.”
22
Hans verwendet (3) also in irreführender Weise. Das sollte er nicht tun. Gespräche
dienen ihrem normalen Zweck nur, wenn die Gesprächspartner kooperieren.
In beiden Fällen sagt Hans nichts Falsche. Aber er gibt mit (3) weniger Information
preis als er es könnte. Peters Mutter wird glauben, daß Hans nicht mehr weiß als (3).
Hans sollte jedoch nicht (3) sagen, sondern (1) bzw. (2). Warum? (Wie können wir
das Sollen begründen?)
(3) wenn Peters Fallschirm sich geöffnet hat, dann hat er den Sprung überlebt.
In beiden Fällen ist es wahr, daß
Hans weiß: (2) Peter hat den Sprung überlebt.
Oder
Hans weiß: (1) Peters Fallschirm hat sich nicht geöffnet.
Kurze Erläuterungen zu den Junktoren einer PL-Sprache
Verschiedene Konditionale
Kurze Erläuterungen zu den Junktoren einer PL-Sprache
:LQWHUORJLNIRO
25
:LQWHUORJLNIRO
• Also können wir kontrafaktische Konditionale nicht im materialen Sinne interpretieren.
• Einige (echt) kontrafaktische Konditionale sind jedoch falsch; z.B. (2).
• Alle echt kontrafaktischen Konditionale, d.h. solche mit falschem Antezedens, sind
wahr, wenn sie als materiale Implikationen interpretiert werden.
ist aus demselben Grunde wahr, wenn wir das Konditional material lesen.
(2) Wenn es jetzt 29 Grad warm wäre, würden die Straßen vereist sein
Es ist jetzt nicht 29 Grad warm. Also ist das Antezedens falsch und somit das ganze
Konditional wahr, wenn wir es als m.I. interpretieren. So weit, so gut. Aber
(1) Wenn es jetzt 29 Grad warm wäre, würden viele im Freibad sein.
Die materiale Implikation (m.I.) kann keine kontrafaktischen (konjunktivischen)
Konditionale wiedergeben.
Manche Konditionale mit falschen Antezedens sind jedoch einfach nicht wahr. Das
können dann keine materialen Konditionale sein.
24
· Verwechslung von Wahrheitsbedingungen mit Gebrauchsbedingungen.
• Aus der Erklärung der Intuition wird deutlich, warum wir (irrtümlich) dazu neigen,
die Theorie abzulehnen.
· Kooperationsprinzip für Gespräche.
• Wir erklären diese Intuitionen in einer Weise, die kompatibel mit T ist.
· Konditionale, die wir nicht äußern würden, bloß weil das Antezedens falsch bzw.
das Konsequens wahr ist.
• Wir treffen auf intuitiven Widerstand gegen die Theorie. (Oft von sprachlichen Intuitionen herrührende Gegenbeispiele.) Die Theorie ist so nicht glaubhaft.
· Wahrheitsbedingungen für bestimmte Konditionalsätze.
• Wir geben eine Theorie T an.
Wahrheitstafel für → + Kooperationsprinzip
ist ein Beispiel für eine typische Vorgehensweise in der philosophischen Theorienbildung:
Kerntheorie + Irrtumstheorie.
Die Kombination
Kurze Erläuterungen zu den Junktoren einer PL-Sprache
(6) Wenn das Lineal länger als 30 cm ist, dann ist 30 eine gerade Zahl.
Das erste Konditional könnte interessant und wahr sein. Das zweite ist sicher wahr
aber uninteressant. Hier greift die Kooperationsmaxime von Grice.
(3) Wenn 2 + 2 = 5 ist, dann steigt der Meerespegel im nächsten Jahr um 5 cm.
(4) Wenn es morgen in Moskau schneit, dann findet jetzt in Frankfurt eine Vorlesung
statt.
Kurze Erläuterungen zu den Junktoren einer PL-Sprache
:LQWHUORJLNIRO
27
:LQWHUORJLNIRO
Die Semantik kontrafaktischer Konditionale (nicht Gegenstand dieser VL) erklärt,
warum (4 ), und also (4*), falsch ist.
(4*) Wenn es morgen in Moskau nicht schneite, dann würde heute diese VL in Ffm
nicht stattfinden.
Nach der kontrafaktischen Theorie der Kausalität ist (4 ) gleichbedeutend mit
(4 ) Daß es morgen in Moskau schneit, ist der kausale Grund für / verursacht die
heutige Vorlesung in Frankfurt.
Beispiel :
Nach einer einflußreichen Theorie kausaler Verknüpfungen (David Lewis) werden
Kausalverhältnisse durch kontrafaktische Konditionale wiedergegeben.
26
(4’) In Frankfurt findet jetzt eine VL statt, weil es morgen in Moskau schneien wird.
(3’) Wenn 2 + 2 = 5 ist, dann steigt aufgrund dieser Tatsache der Meerespegel ...
Wenn wir die Sätze als falsch ablehnen, dann mag das daran liegen, daß wir sie im
Kontext ihres Gebrauchs über den materialen Sinne hinaus kausal aufladen – etwa so:
Der Allquantor: ∀
Kurze Erläuterungen zu den Junktoren einer PL-Sprache
:LQWHUORJLNIRO
29
:LQWHUORJLNIRO
• Oder Sie haben nicht jedem Gegenstand einen Namen gegeben; dann fehlen Ihnen
die Worte.
• Aber manchmal gibt es halt unendlich viele Gegenstände – und Formeln sind
eben nur endliche Zeichenketten.
— der Allquantor als “große Konjunktion”.)
(Manche Logiker schreiben deshalb den Allquantor auch so:
xAx
Ab1 ∧ Ab2 ∧ Ab3 .
• Wenn es im gewählten Bereich nur endlich viele Gegenstände gibt, z.B. β1 , β2 und
β3 , und wenn Sie für jeden Gegenstand einen Namen zur Verfügung haben, z.B.
b1 , b2 , b3 , dann bedeutet ∀xAx natürlich nichts anderes als
∀xAx : Wenn x in der Formel A irgendwie umschrieben wird (in der Formel A (frei)
vorkommt), dann sagt ∀xAx aus, daß das, was A sagt, für alle Gegenstände des Bereichs wahr ist. (Damit ist x dann in A gebunden.)
28
(10) Wenn Sokrates Römer war, dann ist 31 eine gerade Zahl.
(10) Wenn Sokrates recht hat, dann ist 30 eine gerade Zahl.
(9) Wo (Wenn) Sokrates recht hat, da (dann) hat er recht.
Ebenso:
(8) Wenn wir ein kontrafaktisches Konditional als m.I. lesen, dann ist es wahr.
(7) Wenn es keine ethischen Tatsachen gibt, dann sind ethische Theorien weder wahr
noch falsch.
Auch philosophische Thesen sind oft von dieser Art:
(5) Wenn das Lineal länger als 30 cm ist, dann paßt es nicht in die Tasche.
Beispiele:
Material gelesen, sind das wahre Wenn-dann-Sätze.
Die materiale Interpretation des Konditionals ist plausibel für indikativische, nichtkausale Konditionale wie die folgenden:
Kurze Erläuterungen zu den Junktoren einer PL-Sprache
Das materiale Konditional ist auch nicht geeignet, kausale Verknüpfungen wiederzugeben.
Kurze Erläuterungen zu den Junktoren einer PL-Sprache
32
30
:LQWHUORJLNIRO
T ♠As
U ♠9
gäbe es
T ♠As
U ···
beschreibt also gleich eine ganze Menge von Modellen;
33
:LQWHUORJLNIRO
in allen besteht Thomas’ Hand aus nur einer Karte (♠As) und in allen ist ∃x(♠x)
wahr.
S ···
• Manchmal kommt es gar nicht darauf an, wie die Karten im einzelnen verteilt sind.
Dann lassen wir bestimmte Aspekte vage und deuten das mit · · · an. Der Kasten
S ♠7
nicht immmer alle 32 sein!). In dem Modell
also nur drei Karten (♠7, ♠As und ♠9) und die Aussage ∀x(♠x) wäre wahr.
• Wir wollen vereinbaren, daß die Quantoren Alle Karten und Es gibt Karten sich
nur auf die im Modell gezeigten, d.h. die verteilten Karten bezieht. (Das müssen
A ∧ B := ¬(¬A ∨ ¬B)
Das sind wichtige Zusammenhänge, die Sie sich kristallklar machen sollten!
31
∀x(Ax ∧ T x)
∃x(Ax → T x)
Wir verdeutlichen uns den Unterschied anhand kleiner Beispiele (“Modelle”), die
eine oder mehrere Kartenverteilungen über den Stock (S), Thomas (T) und Ute (U)
beschreiben.
∀x(Ax → T x)
∃x(Ax ∧ T x)
Neben (A) und (E) gibt es zwei “ähnliche” Formeln (hier in der rechten Spalte), die
etwas anderes ausdrücken:
Kurze Erläuterungen zu den Junktoren einer PL-Sprache
A ∨ B := ¬(¬A ∧ ¬B)
Und da man sich die beiden ja im Grunde als große Konjunktionen bzw. Disjunktionen denken kann, vermuten Sie richtig, daß die kleine Konjunktion und die kleine
Disjunktion im gleichen Verhältnis zueinander stehen:
Sie haben wohl schon gemerkt, daß die beiden Quantoren sich ziemlich ähnlich sind.
Tatsächlich sind sie sich so ähnlich, daß, wenn man einen von ihnen hat, den anderen
gratis dazu bekommt:
∃xAx := ¬∀x¬Ax oder
∀xAx := ¬∃x¬Ax
Vom All- zum Existenzquantor, und zurück
Kurze Erläuterungen zu den Junktoren einer PL-Sprache
:LQWHUORJLNIRO
1 In der Urteilslehre des Aristoteles wird (A) anders verstanden. Danach schließt (A) die Aussage (E)
ein. Wir kommen im Exkurs über Syllogistik darauf zurück.
• Oder Sie haben nicht jedem Gegenstand einen Namen gegeben; dann fehlen Ihnen
die Worte.
:LQWHUORJLNIRO
(E) Es gibt As, die auch Bs sind: Es gibt etwas, das ein A und ein B ist
— kurz: ∃x(Ax ∧ Bx).
(A) Alle As sind auch Bs: Wenn etwas ein A ist, dann ist es ein B
— kurz: ∀x(Ax → Bx).
Wir geben das so wieder:
• (E) behauptet, daß es As gibt. Und es behauptet darüberhinaus noch etwas.
• (A) behauptet nicht, daß es As gibt. Es sagt nur: Falls es As gibt, dann sind sie
auch Bs.1
Im Gegensatz zu (A), steckt in (E) eine Existenzbehauptung.
(E) Es gibt As, die auch Bs sind. (Mindestens ein Herz ist in Ullas Hand)
(A) Alle As sind auch Bs. (Alle Asse sind im Stock.)
Mit Hilfe der beiden Quantoren werden Sie vor allem zwei Arten von Sachverhalten
audrücken wollen:
“All mit Pfeil, Ex mit Keil”
Kurze Erläuterungen zu den Junktoren einer PL-Sprache
• Aber manchmal gibt es halt unendlich viele Gegenstände – und Formeln sind
eben nur endliche Zeichenketten.
— der Existenzquantor als “große Disjunktion”.)
(Manche Logiker schreiben deshalb den Existenzquantor auch so:
xAx
Ab1 ∨ Ab2 x ∨ Ab3 .
• Wenn es im gewählten Bereich nur endlich viele Gegenstände gibt, z.B. β1 , β2 und
β3 , und wenn Sie für jeden Gegenstand einen Namen zur Verfügung haben, z.B.
b1 , b2 , b3 , dann bedeutet ∃xAx natürlich nichts anderes als
∃xAx : Wenn x in der Formel A irgendwie umschrieben wird (in der Formel A (frei)
vorkommt), dann sagt ∃xAx aus, daß das, was A sagt, für mindestens einen Gegenstand des Bereichs wahr ist. (Damit ist x dann in A gebunden.)
Der Existenzquantor: ∃
Kurze Erläuterungen zu den Junktoren einer PL-Sprache
S ···
U ♥D
(1) ∀x(Ax ∧ T x)
(2) ∃x(Ax → T x)
T ♦A ♥A ♠A ♣A
(A) ∀x(Ax → T x)
(E) ∃x(Ax ∧ T x)
ist (A) wahr. Aber (1)
T ♥D
U ···
. Hier ist (2) wahr, denn Thomas’ hat etwas in der Hand
:LQWHUORJLNIRO
Kurze Erläuterungen zu den Junktoren einer PL-Sprache
Einiges ist B, wenn es A ist
9x(Ax!Bx)
Einiges ist A und B
9x(Ax^Bx)
35
:LQWHUORJLNIRO
• Und da wir häufiger sagen wollen, daß es etwas gibt, das zugleich ein A und ein B
ist (statt daß es etwas gibt, daß nur dann ein A ist, wenn es ein B ist), gilt:
Ex mit Keil!
• Da wir häufiger sagen wollen, daß etwas ein B ist, unter der Bedingung, daß es ein
A ist (statt daß alles A und B ist) gilt:
All mit Pfeil!
Faustregeln:
Keiner der Pfeile gilt auch in der umgekehrten Richtung.
Alle As sind Bs
8x(Ax!Bx)
Alles ist A und B
8x(Ax^Bx)
Wir merken uns: ∀ ist stärker als ∃; ∧ ist stärker als →. Daraus folgt:
34
(übrigens kein As). Für eine →-Formel reicht ja die Wahrheit des Konsequens
(bzw. die Falschheit des Antezedens.) Aber er hat kein As in der Hand. Also ist
(E) falsch.
S ···
• Umgekehrt folgt (E) aber nicht aus (2). Dazu betrachten wir diese Modelle:
• (E) impliziert auch (2). (Aus dem gleichen Grund.)
• (1) impliziert jedoch (A). — Denn wenn für jede Karte x, Ax ∧ T x wahr ist, dann
ist auch für jede Karte Ax → T x wahr.
(Allgemein: Wenn A ∧ B, dann A → B – Wahrheitstafel!)
ist falsch; denn nicht alle Karten sind Asse (und es sind auch nicht alle Karten in
Thomas’ Hand). Also impliziert (A) nicht (1).
• In jeder Verteilung
Zurück zu
Kurze Erläuterungen zu den Junktoren einer PL-Sprache
:LQWHUORJLNIRO
T ♥7 ♦8
U ♥9 ♦10
37
:LQWHUORJLNIRO
(2) ∃y∀x(T x → U y ∧ x ∼ y)
FALSCH
Es gibt eine Karte in Ullas Hand, die gleichfarbig zu jeder Karte in Thomas’
Hand ist. (Weder ♥9 (∼ ♦8) noch ♦10 (∼ ♥7) hat die geforderte Eigenschaft.)
(1) ∀x∃y(T x → U y ∧ x ∼ y)
WAHR
Zu jeder Karte in Thomas’ Hand gibt es eine gleichfarbige in Ullas Hand.
DENKPAUSE:
S ♠7
Jetzt betrachten wir das Modell
Um das einzusehen, definieren wie eine Relation ∼ so, daß x ∼ y bedeutet: x und y
sind gleichfarbig (sind beide ♦, ♥, ♠ oder ♣.)
Hier ist eine weitere wichtige Beobachtung: Sie können die Quantoren nicht einfach
umstellen:
∀x∃yA ist nicht äquivalent zu ∃y∀xA !
36
U ♥9 ♦10
Kurze Erläuterungen zu den Junktoren einer PL-Sprache
T ♥7 ♦8
(2) ∃y∀x(T x → (U y ∧ x ∼ y)) sagen?
(1) ∀x∃y(T x → (U y ∧ x ∼ y)) und
Was können wir über
DENKPAUSE:
S ♠7
Jetzt betrachten wir das Modell
x ∼ y := . . . Übung! )
(Die Definition können wir auch in unserer formalen Sprache angeben:
Um das einzusehen, definieren wir eine Relation ∼ so, daß x ∼ y bedeutet: x und y
sind gleichfarbig (sind beide ♦, ♥, ♠ oder ♣.)
∀x∃yA ist nicht allgemein (d.h. nicht für beliebiges A) äquivalent zu ∃y∀xA !
Hier ist eine weitere wichtige Beobachtung: Sie können die Quantoren nicht einfach
umstellen:
Kurze Erläuterungen zu den Junktoren einer PL-Sprache
39
:LQWHUORJLNIRO
:LQWHUORJLNIRO
Kurze Erläuterungen zu den Junktoren einer PL-Sprache
Das Bild zeigt, daß (4) aus (3) nicht folgt.
Wie sieht es umgekehrt aus: Folgt (3) aus (4)?
38
• Was besagen dann (3) und (4) und warum folgt (4) nicht aus (3)?
Ist ein Gegenbeispiel erst einmal gefunden, dann kommen weitere schnell nach. Zum
Beispiel stehe Rxy für x liebt y.
Mit R so wie gerade definiert, haben wir ein Gegenbeispiel angegeben zu der Behauptung, daß (4) aus (3) folgt.
(4) ∃y∀x(Rxy).
(3) ∀x∃y(Rxy)
und dann die Formeln (1) und (2) in dieser, einfacheren Form betrachten:
Rxy := T x → U y ∧ x ∼ y,
drückt eigentlich nur eine komplexe Beziehung R zwischen x und y aus. Wir können
diese komplexe Beziehung auch durch eine Definition kürzer hinschreiben,
Tx → Uy ∧ x ∼ y
Die den Quantoren folgende Formel
Kurze Erläuterungen zu den Junktoren einer PL-Sprache
Grammatik
∈ FML.
41
Wenn A, B ∈ FML, dann ¬A, A ∧ B, A ∨ B, A → B ∈ FML.
⊥,
Wenn A ∈ FML und x ∈ VAR, dann ∀xA, ∃xA ∈ FML.
:LQWHUORJLNIRO
(P n deutet die Stelligkeit des Prädikats an)
Wenn P n ∈ PRD, und t1 , . . . tn ∈ TRM, dann P (t1 , . . . tn ) ∈ FML.
VAR ∪ IND ⊆ TRM.
Junktoren: ⊥, , ¬, ∧, ∨, →
Quantoren: ∀, ∃
Prädikate (PRD): P, Q, R, ...
Individuenkonstanten (IND): a, b, c, ...
Alphabet
:LQWHUORJLNIRO
Spickzettel zur Syntax beliebiger PL-Sprachen
Spickzettel zur Syntax beliebiger PL-Sprachen
Individuenvariablen (VAR): x, y, z, ...
40
· Finden Sie ein (möglichst kleines) Modell, das die Formel falsch macht.
• Vorgegeben sei eine Formel.
· Finden Sie ein (möglichst kleines) Modell, das alle Formeln wahr macht.
• Vorgegeben seien einige Formeln.
· Finden Sie Formeln, die etwas wahres über das Modell sagen (es beschreiben).
· Prüfen Sie bestimmte Formeln daraufhin, ob sie in dem Modell wahr oder falsch
sind.
• Vorgegeben sei eine Kartenverteilung (Modell).
Üben Sie für sich und in den Tutorien Aufgaben der folgenden Arten:
Übungen
Übungen
2
Überleitung zur Semantik von PL-Sprachen
• Kleines Beispiel
3. Präfix- und Infixnotation
Eine Anmerkung zur Syntax:
• Syntaktische Regeln (Grammatik)
2. Nullstelligkeit
1. Termbildende Funktionen
Zwei Anmerkungen zum Alphabet:
• Alphabet (sortiertes Lexikon)
In diesem Abschnitt:
Allgemeine Definition einer PL-Sprache (erster Stufe)
06PLsyntax 161129.1008
André Fuhrmann
:LQWHUORJLNIRO
:LQWHUORJLNIRO
Logik im Winter 2016-17
Prädikatenlogische Sprachen (3):
Weiteres zur Syntax
Goethe-Universität
Frankfurt am Main
Institut für Philosophie
Das Alphabet
:LQWHUORJLNIRO
4
:LQWHUORJLNIRO
Die letzten zwei Bedingungen sind für die meisten unserer Zwecke unnötig allgemein
formuliert. Sie sollen bis auf weiteres durch spezifischere Bedingungen vertreten werden, nämlich
wobei s(J) ≥ 0 für jeden Junktor J die Anzahl der Formeln angibt, die er
verknüpft.
JUN = {J1 , J2 , . . .},
5.∗ einer Menge von Verknüpfungen (Junktoren):
wobei die s(Q) ≥ 1 für jeden Quantor Q die Anzahl der Variablen angibt, die er
bindet.
QUA = {Q1 , Q2 , . . .};
wobei die die Funktion s(P ) ≥ 0 für jeden Prädikatausdruck P die Anzahl seiner
Argumentstellen bestimmt (über 0-Stelligkeit siehe gleich die zweite Anmerkung);
PRD = {P1 , P2 , . . .},
3. einer nichtleeren Menge von Prädikatausdrücken:
4.∗ einer Menge von Quantoren:
3
zusammen mit einer Stelligkeitsfunktion s, welche jedem Funktionszeichen f eine
natürliche Zahl s(f ) ≥ 0 zuordnet (die Anzahl seiner Argumentstellen);
FUN = {f1 , f2 , . . .},
2. einer Menge von Funktionszeichen (darüber gleich die erste Anmerkung):
VAR = {x1 , x2 , . . .};
1. einer Menge von Individuenvariablen:
Definition 1. Das Alphabet einer PL-Sprache besteht aus . . .
Alphabet
· Sodann erklären wir die Regeln, nach denen diese Bausteine zu Termen,
Formeln und Sätzen zusammengefügt werden.
· Erst definieren wir die Grundbausteine der Sprache, das Alphabet.
Wir verfahren in zwei Schritten:
Das Alphabet
Das Alphabet
Erste Anmerkung: Termbildende Funktionen
A ↔ B := (A → B) ∧ (B → A).
Das Alphabet
:LQWHUORJLNIRO
+ : (5, 4) → 9
· : (3, 3) → 9
6
• In natürlichen Sprachen sind sie allgegenwärtig:
:LQWHUORJLNIRO
• Funktionen sind nützliche, manchmal unverzichtbare Mittel zur Konstruktion von
Individuenbezeichnern (Termen).
MaW, die arithmetischen Operationen nehmen eine bzw. zwei Zahlen und bilden
diese auf eine neue Zahl ab: Typische Beispiele von Funktionen!
( )2 : 3 → 9
Sie tun dies aber nicht direkt, sondern als Resultat von Abbildungen anderer Zahlen:
Richtig: Auf eine Zahl (die Zahl 9).
32 oder 5 + 4 oder 3 · 3 ?
Worauf beziehen sich Ausdrücke wie
5
:= ¬⊥
und ↔, definieren:
mit s(⊥) = 0, s(¬) = 1, s(∧) = s(∨) = s(→) = 2.
JUN = {⊥, ¬, ∧, ∨, →},
(Mehrstellige Quantoren betrachten wir hier nicht. Aber es gibt natürliche
Beispiele, wie: mehr x als y.
Mehr x als y (U x ∧ T y) – Ulla hat mehr Karten als Thomas.)
mit s(∀) = s(∃) = 1;
QUA = {∀, ∃},
Ferner wollen wir zwei weitere Junktoren,
5.
4.
Das Alphabet
8
Weitere Beispiele von Funktionen (ein- oder mehrstellig)
DENKPAUSE:
7
Gottlob Frege: Funktion und Begriff (1891)
· Die beobachtbaren Folgerungen aus (Theorie)
· Die Bedeutung von (Ausdruck)
· Der Wahrheitswert von (Aussage)
· Die Rechte von (Person)
· Die Menge der wesentlichen Eigenschaften von (Gegenstand)
· Der erste, der am (Tag) um (Uhrzeit) die (Telefonnummer) wählt
· Der Tag nach (Ullas Geburtstag)
· Der Geschmack von (Getränk) mit (Getränk)
· Der Gewinner des (Turniers)
· Die Zutaten der (Suppe)
· Die Mutter von (Person)
Beispiele von Funktionen:
:LQWHUORJLNIRO
Das Alphabet
:LQWHUORJLNIRO
Das Alphabet
:LQWHUORJLNIRO
:LQWHUORJLNIRO
12
5. Wenn J n ∈ JUN und A1 , . . . , An ∈ FML, dann ist JA1 . . . An ∈ FML
(dazu gleich die dritte Anmerkung);
falls s(J) = 0, dann nennen wir J ∈ FML eine Satzkonstante.
4. Wenn Q ∈ QUA, x ∈ VAR und A ∈ FML, dann ist QxA ∈ FML;
3. Wenn P n ∈ PRD und t1 , . . . , tn ∈ TRM, dann ist P t1 . . . tn ∈ FML eine Primformel; falls s(P ) = 0, dann ist P ∈ FML ein Atom.
2. Wenn f n ∈ FUN und t1 , . . . , tn ∈ TRM, dann ist f t1 . . . tn ∈ TRM;
falls s(f ) = 0, dann nennen wir f ∈ TRM eine Individuenkonstante.
1. VAR ⊆ TRM;
10
Die syntaktischen Regeln
Die syntaktischen Regeln
:LQWHUORJLNIRO
Definition 2. Die Mengen TRM der Terme und FML der Formeln einer PLSprache sind jeweils die kleinsten Mengen, welche die folgenden Bedingungen erfüllen:
11
Die einfachst Art von Formeln sind von der in (3) beschriebenen Art. Eine Formel, in
der Variablen nicht frei vorkommen, heißt geschlossene Formel oder einfach Satz.
Das Alphabet
:LQWHUORJLNIRO
, die immer
• Offiziell gibt es keine Interpunktionszeichen, wie Klammern oder ähnliches. Wie
wir gleich sehen werden, werden keine gebraucht. (Inoffiziell, werden wir uns ihrer
aber weiterhin bedienen.)
· Wenn die Stelligkeit im Kontext bekannt ist, zeigen wir sie nicht explizit an.
· D.h. statt zB “P mit s(P ) = 2”, schreiben wir kürzer “P 2 ”.
• Wir werden die Stelligkeit s einer Funktion (Prädikat oder Junktor) auch einfacher mit einer hochgestellten Zahl andeuten. f 2 (bzw P 2 ) soll also zB für eine
zweistellige Funktion (bzw. für ein zweistelliges Prädikat) stehen.
Das Alphabet
Unter dem Gegenstandsbereich dürfen Sie sich Beliebiges vorstellen. Das φ (sprich:
phi) deutet hier nicht nur Funktionen, sondern auch Prädikate und Junktoren an: In
allen Fällen wird die Vereinbarung für den Fall der Nullstelligkeit illustriert.
9
– 0-stellige Junktoren sind die Wahrheitswertkonstanten ⊥ und
die Wahrheitswerte Wahr (1) bzw. Falsch (0) bezeichnen.
• Auch Junktoren können von beliebiger endlicher Stelligkeit sein. Wir werden
uns hier hauptsächlich mit solchen Junktoren beschäftigen, die für Funktionen
der Wahrheitswerte Wahr und Falsch stehen sollen. In diesem Fall sind mehr als
2-stellige Junktoren prinzipiell überflüssig (wie wir sehen werden).
– Alleinstehende (0-stellige) Prädikate drücken ohne weitere Argumente eine Aussage aus: diese bezeichnen wir als atomare Sätze (“Atome”).
– Alleinstehende (0-stellige) Funktionen bezeichnen ohne weitere Argumente
Gegenstände: die Individuenkonstanten lassen sich also als 0-stellige Funktionen auffassen.
• Funktionen und Prädikate können von beliebiger endlicher Stelligkeit sein —
angefangen bei 0! (Mehr als 2-stellige Funktionen oder Prädikate werden wir jedoch
kaum betrachten.)
Zweite Anmerkung: 0-Stellige Funktionen, Prädikate und Junktoren
Das Alphabet
sowie
⊥, ¬, ∧, →
etc.
14
13
:LQWHUORJLNIRO
Jan L
ukasiewicz (1878-1956), polnischer Philosoph und Logiker
Dritte Anmerkung: Polnisch und Klammernesisch
Die syntaktischen Regeln
:LQWHUORJLNIRO
• Erwartungsgemäß kürzen sich dann die gerade gegebenen Definition auf einige
wenige Zeilen zusammen.
P0 , P1 , P2 , ...
• PL-Sprachen, die nur aus Atomen (0-stelligen Prädikaten) und Junktoren aufgebaut sind, also aus
Wir werden später einen besonders einfachen Fall von PL-Sprachen eingehend betrachten: aussagenlogische (AL-) Sprachen. Diese sind
Wichtiger Spezialfall: Aussagenlogische Sprachen
Die syntaktischen Regeln
Präfix
(Polnisch)
→ AB
→ A → BC
→→ ABC
¬A
¬ ∨ AB
∨¬AB
Die syntaktischen Regeln
:LQWHUORJLNIRO
B
A
B
C
→
AB
→
BC
C
→→
ABC
C
?
16
:LQWHUORJLNIRO
Sie betrachten immer nur den vordersten Junktor und suchen dann nach rechts bis
Sie die dazugehörige Anzahl der Argumente isoliert haben. Diese schreiben Sie dann
als unmittelbar nachfolgende und als nächste aufzulösende Knoten auf.
A
→
A →BC
B
A
B
C
A→B
A→
B → C
B →C
oder
“Polnisch” kommt dagegen ohne Klammern aus:
A
A → B → C
Wenn wir in Klammernesisch die Klammern fortlassen, ist die Struktur nicht immer
eindeutig bestimmt:
15
Die Beispiele zeigen wieder einmal, wie wichtig es ist, durch die syntaktische
Oberfläche hindurch die zugrundeliegende Baumstruktur zu sehen.
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
(6)
Infix
(Klammernesisch)
A→B
A → (B → C)
(A → B) → C
¬A
¬(A ∨ B)
¬A ∨ B
Beispiele:
Diese Konstruktionsweise (Präfixnotation, “Polnisch”) erlaubt es ganz ohne Klammern oder ähnliches auszukommen.
Wenn J n ∈ JUN und A1 , . . . , An ∈ FML, dann ist JA1 . . . An ∈ FML
Nach Definition 2 werden Terme und Formeln immer durch Voranstellen
(“Präfigieren”) der Funktionen, Prädikatausdrücke oder Junktoren gebildet. Hier ist
noch einmal die Anweisung für Junktoren:
Die syntaktischen Regeln
Die syntaktischen Regeln
:LQWHUORJLNIRO
18
→→ A → BC →→ AB → AC
:LQWHUORJLNIRO
2. Zeichnen Sie den Baum dieser Formel und übersetzen Sie ins Klammernesische:
((A ∧ ¬B) ∨ C) → ((C ∧ ¬B) → ¬A)
1. Übersetzen Sie diese Formel ins Polnische:
DENKPAUSE:
17
• Siehe jedoch zB die Bücher von A.N. Prior (zB Formal Logic), oder viele Programmiersprachen.
Wohl deshalb hat sich auch in der Logik Infixnotation durchgesetzt.
• Wir sagen: “Konstanz und Köln liegen am Rhein”, nicht: “Liegen am und Konstanz Köln Rhein”.)
Polnisch ist zwar elegant aber anstrengend. Natürliche Sprachen – insbesondere
solche aus der indogermanischen Sprachfamilie – neigen zu infigierendem (“dazwischenstellendem”) Satzbau
Die syntaktischen Regeln
A B
A B
B C
(A → (B → C)) → ((A → B) → (A → C))
Hochsprache und Dialekt: Das Beste aus beiden Welten
Die syntaktischen Regeln
:LQWHUORJLNIRO
20
:LQWHUORJLNIRO
• Im Zweifelsfall verwende man eher zu viele als vielleicht zu wenige Klammern.
Wenn das Setzen eigentlich redundanter Klammern das Lesen erleichtert, dann
bitte schön! (Also vielleicht doch besser (¬A ∧ B) ∨ C → D statt ¬A ∧ B ∨ C → D.)
• Einige Junktoren binden ihre Argumente stärker an sich als andere. Die Bindungskraft der Junktoren soll in folgender Reihenfolge abnehmen: ¬, ∧, ∨, →. Statt
(((¬A) ∧ B) ∨ C) → D können wir daher auch schreiben ¬A ∧ B ∨ C → D.
• Die Quantoren binden ihre Argumente stärker an sich als die Junktoren. Statt
(∀xA) ∧ B schreiben wir kürzer ∀xA ∧ B.
• Äußerste Klammern brauchen nicht geschrieben zu werden. Statt (A) schreiben wir
einfacher A.
Bei festlichen Anlässen, wie Definitionen, benutzen wir Polnisch. Im täglichen Gebrauch verwenden wir einen “Infixdialekt”. Dabei benutzen wir Klammern soweit
nötig, um Mehrdeutigkeit auszuschließen. — Hier ein paar natürliche Vereinbarungen:
19
(Für zuhause.) Wie verfahren wir mit den Quantoren in der Polnischen Notation?
DENKPAUSE:
→
AC
→
AB
→
BC
A
→→
AB → AC
→ A →BC
2. Baum und ins Klammernesische:
→→ A → BC →→ AB
→ AC
→ [(A ∧ ¬B) ∨ C][(C ∧ ¬B) → ¬A]
→ ∨[A ∧ ¬B]C → [C ∧ ¬B]¬A
→ ∨ ∧ A¬BC → ∧C¬B¬A
1. ((A ∧ ¬B) ∨ C) → ((C ∧ ¬B) → ¬A) ins Polnische. Wir gehen schrittweise vor:
DENKPAUSE:
Die syntaktischen Regeln
Die syntaktischen Regeln
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22
:LQWHUORJLNIRO
• Es lohnt sich auch gar nicht diese verschiedenen Sprachebenen explizit zu definieren
und immer anzugeben, auf welcher Ebene wir gerade sprechen. Das Ganze geht
rein intuitiv und soll uns nur die Arbeit erleichtern.
• Stattdessen schreiben wir Namen für diese Formeln hin. Dabei müssen wir nur darauf achten, daß die Namen eindeutig sind. Die Konventionen dienen allein diesem
Zweck.
• Wir schreiben Formeln der Sprache, um die es gehen soll nie hin. Wenn wir das
täten, dann würden wir ja Polnisches auf dem Papier sehen.
Wenn wir diese Konventionen verwenden, dann machen wir eigentlich folgendes.
21
• Gleichartige Variablenbindungen dürfen zusammengezogen werden. Z.B. ∀xyA
statt ∀x∀yA oder ∀x∃yzA statt ∀x∃y∃zA.
• Wenn wir uns nicht auf den Kontext verlassen können oder wollen, dann schreiben
wir (im einfachsten Fall) A[t/x] für das Resultat der gleichförmigen Ersetzung von
x durch t (“t für x”) in A.
Im einfachsten Fall: Aus Ax entsteht durch (gleichförmige) Ersetzung At.
• Wenn wir in einem bestimmten Kontext mit Ax1 , . . . , xn eine Formel A mit freien
Variablen x1 , . . . , xn bezeichnet haben, dann soll At1 , . . . , tn im selben Kontext diejenige Formel bezeichnen, die aus Ax1 , . . . , xn entsteht, wenn alle Vorkommen von
x1 , . . . , xn durch t1 , . . . , tn ersetzt sind (gleichförmige Ersetung).
Im einfachsten Fall: Ax — in A kommt x frei vor.
• Um anzuzeigen, daß in einer Formel A Variablen x1 , . . . , xn frei vorkommen,
schreiben wir A(x1 , . . . , xn ) oder noch einfacher Ax1 , . . . , xn .
Die syntaktischen Regeln
Das Alphabet der Beispielsprache besteht aus . . .
QUA = {∀};
Die syntaktischen Regeln
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24
:LQWHUORJLNIRO
5. ⊥ ist eine Formel (Satzkonstante), und
wenn A und B Formeln sind, dann ist auch → AB eine Formel.
(Für → AB wollen wir (A → B) schreiben und Klammern sparsam nach den
üblichen Konventionen verwenden.)
4. Wenn t ein Variable und A eine Formel ist, dann ist ∀tA eine Formel;
3. Wenn s und t Terme sind, dann sind Rt, St sowie s = t Formeln.
2. die Individuenkonstanten a und b sind Terme, und
wenn t ein Term ist, dann ist f t ein Term.
1. Alle Variablen sind Terme;
Definition. Die Mengen TRM der Terme und FML der Formeln der Beispielsprache sind jeweils die kleinsten Mengen, welche die folgenden Bedingungen erfüllen:
JUN = {⊥0 , →2 }.
5. der Menge von Verknüpfungen (Junktoren):
4. dem Quantor :
23
PRD = {R1 , S 1 , =2 };
3. der Menge von Prädikatausdrücken:
wobei die hochgestellte Zahl hier (wie im folgenden) die Stelligkeit anzeigt;
FUN = {a0 , b0 , f 1 },
2. der Menge von Funktionszeichen
VAR = {x, y};
1. der Menge von (nur zwei) Individuenvariablen:
Definition.
(An Sprachen des folgenden einfachen Typs werden wir gleich illustrieren, wie die Interpretation einer PL-Sprache vor sich geht.)
Ein Beispiel
Die syntaktischen Regeln
Die syntaktischen Regeln
:LQWHUORJLNIRO
26
• Und wann folgt die Wahrheit eines Satzes aus der Wahrheit anderer?
• Und wie muß diese Beziehung aussehen, damit der Satz wahr ist?
:LQWHUORJLNIRO
• Soweit, so gut. Aber wie gelingt es einer bestimmten Zusammensetzung sprachlicher Bausteine, sich auf das zu beziehen, was ist?
Es ist eine falsche Aussage, von dem was ist, zu sagen, daß es nicht sei oder von dem
was nicht ist, zu sagen, daß es sei; dagegen ist es wahr zu sagen, daß das was ist, sei
und das was nicht ist, nicht sei.
(Metaphysik Γ, 1011b 25)
Darauf gibt es eine Antwort, die schon Aristoteles gewußt hat:
Wenn die logischen Sätze diejenigen sind, die “auf besondere” Weise wahr sind,
dann sollten wir jetzt zunächst nach den Bedingungen fragen, die ein Satz erfüllen
muß, damit er wahr ist. (Erst danach können wir “besondere” Arten von Wahrheit
definieren.)
Insbesondere wissen wir, welche Bedingungen eine Zeichenkette erfüllen muß, damit
sie ein Satz ist. (Sätze sind auf bestimme Weise zusammengesetzte Zeichenketten.)
Wir wissen nun, wie wir die verschiedenen syntaktischen Kategorien genau definieren
können.
25
Übung: ⊥ bezeichne konstant den Wert 0 und → sei die, durch die Wahrheitstafel
( Folienpaket 5) für die materiale Implikation beschriebene Wahrheitsfunktion.
Verifizieren Sie, daß durch die Definitionen die Zeichen ¬, ∨ und ∧ genau die durch
die Wahrheitstafeln für die Negation, Disjunktion und Konjunktion festgelegten Bedeutungen erhalten! (Führen Sie die Verifikation in genau dieser Reihenfolge durch:
¬, ∨, ∧ !)
∃xA := ¬∀x¬A
¬A := A → ⊥
A ∨ B := ¬A → B
A ∧ B := ¬(¬A ∨ ¬B)
:= ¬⊥
Weitere Symbole seien wie folgt definiert.
Ende des Beispiels.
Definition.
Die syntaktischen Regeln
28
27
Geschichte
Geografie
Demografie
Weblinks
Einzelnachweise und Anmerkungen
I d
S d
h
h
i 3450 H
h l
d 1859
Webpräsenz:
GNIS-ID:
Laut United States Census Bureau bedeckt die Stadt 33,1 km². Sie liegt
am Rio Grande.
7289 Ei
FIPS:
Demografie
Sierra County
Basisdaten
Vereinigte Staaten
New Mexico
Lage in New Mexico
Truth or Consequences
Koordinaten: 33° 8ƍ N, 107° 15ƍ W
Die syntaktischen Regeln
http://de.wikipedia.org/wiki/Truth_or_Consequences
0897496 (http://geonames.usgs.gov
/pls/gnispublic
/f?p=gnispq:3:::NO::P3_FID:0897496)
www.ci.truth-or-consequences.nm.us
:LQWHUORJLNIRO
(http://www.ci.truthor-consequences nm us)
35-79840 (http://censtats.census.gov
/data/NM/1603579840.pdf)
Koordinaten:
33° 8ƍ N, 107° 15ƍ W
Zeitzone:
Mountain Standard Time (UTCí7)
Einwohner:
7289 (Stand: 2000)
Bevölkerungsdichte: 222,2 Einwohner je km²
33,1 km² (ca. 13 mi²)
Fläche:
davon 32,8 km² (ca. 13 mi²) Land
Höhe:
1294 m
Postleitzahl:
87901
Vorwahl:
+1 505
County:
Staat:
Bundesstaat:
Geografie
Die Stadt ist beliebter Touristenort und Alterssitz, was auch an den
geringen Baukosten liegt. Golf, Wandern und Angeln sind die
beliebtesten Freizeitaktivitäten in und um die Stadt. Der bekannte
britische Fotograf Nick Waplington hat Ende der 1990er Jahre den Ort,
die Menschen und ihr Alltagsleben und die Landschaft um T or C in
einem Bildband dokumentiert.[2]
Ursprünglich hieß die Stadt Hot Springs. Am 31. März 1950 beschlossen
die Bürger der Stadt mit 1294 zu 1295 Stimmen, sie nach der Quizshow
Truth or Consequences von Ralph Edwards umzubenennen[1]. Edwards
hatte versprochen, die Rundfunksendung in der Stadt zu produzieren, die
als erste den Namen der Show annimmt. Heute wird ihr Name von der
Bevölkerung New Mexicos meist zu T or C abgekürzt.
Geschichte
1
2
3
4
5
Inhaltsverzeichnis
Truth or Consequences ist eine Kleinstadt in New Mexico, Vereinigte
Staaten. Sie ist County Seat des Sierra Countys. Im Jahr 2000 hatte sie
insgesamt 7289 Einwohner.
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Truth or Consequences – Wikipedia
:LQWHUORJLNIRO
Die syntaktischen Regeln
2
Beispiel: A und nicht A.
:LQWHUORJLNIRO
Manches was wir sagen, hat keine Chance wahr zu werden, gleichgültig worüber wir
reden. Solche bereichsunabhängigen Falschheiten sind offenbar strukturell falsch, d.h.
in sich widersprüchliche Aussagen. (Logische Falschheit.)
Beispiel: A oder nicht A.
Manches was wir sagen, ist wahr, gleichgültig auf welchen Bereich wir uns beziehen.
Solche bereichsunabhängigen Wahrheiten sind offenbar in der inneren Struktur dessen,
was wir sagen, angelegt. (Logische Wahrheit.)
Beispiel A: Im Hörsaal sind 184 Studenten.
4
:LQWHUORJLNIRO
– A ist wahr in allen Modellen mit dem Bereich U — könnte aber falsch sein in
anderen Bereichen U .
⎧
⎨ I1
.
A ist wahr im Bereich U, ..
⎩
Im .
– Wir halten den Bereich U fix und variieren die Interpretationen:
◦ ... in einem bestimmten Bereich U , gleichgültig, wie wir A interpretieren.
– A ist wahr im Modell (U, I) — könnte aber falsch sein unter anderen Interpretationen I in diesem Bereich.
– Wir halten Bereich U und Interpretation I fix:
• ... in einem bestimmten Bereich U unter einer bestimmten Interpretation I.
A ist wahr ...
Betrachten wir eine Aussage A. Folgende Möglichkeiten bestehen:
Vorbetrachtungen
Vorbetrachtungen
3
:LQWHUORJLNIRO
Die Wahrheit oder Falschheit dessen was wir sagen, hängt in der Regel davon ab, ob
die Dinge in dem Bereich, auf den wir uns beziehen, so sind, wie wir sagen, daß sie es
sind. (Kontingente Wahrheit.)
Kontingente und logische Wahrheit
Vorbetrachtungen
07PLsemantik1 161212.1406
André Fuhrmann
• Modellfamilie: Eine Menge von Modellen.
• Modell: Eine bestimmte Interpretation (der Ausdrücke der betrachteten Sprache)
in einem bestimmten Bereich
• Interpretation: Stellt eine Verbindung zwischen Sprache und Welt (Bereich) her.
Eine Interpretation ist eine Abbildung (Funktion), welche den Ausdrücken der betrachteten Sprache eine Bedeutung im gewählten Bereich zuweist (grob gesagt).
• Bereich: Eine Menge von Gegenständen über die gesprochen wird.
Wir sprechen über etwas: Bereiche und Interpretationen
:LQWHUORJLNIRO
Logik im Winter 2016-17
Prädikatenlogische Sprachen (4):
Semantik monadischer PL
Goethe-Universität
Frankfurt am Main
Institut für Philosophie
Vorbetrachtungen
Semantik von PL-Sprachen ohne Variablen
Semantik von PL-Sprachen ohne Variablen
:LQWHUORJLNIRO
6
:LQWHUORJLNIRO
· Interpretationen sollen derart sein, daß sie jeden Ausdruck der Sprache, der eine
Bedeutung haben kann, mit einer Bedeutung versehen.
Da jeder Ausdruck Bestandteil eines Satzes sein kann, folgt aus 1 und 2:
2. Kompositionalität: Die Bedeutung eines Satzes (seine Wahrheitsbedingung) soll
bestimmt sein durch die Bedeutungen der darin vorkommenden Ausdrücke und
die Art ihrer Zusammensetzung.
1. Vollständigkeit: Interpretationen einer Sprache in einem Bereich sollen derart
sein, daß sie jeden Satz der Sprache mit einer Wahrheitsbedingung versehen.
• Zwei Bedingungen:
• Aufgabe: Sage, wann ein Satz in einem Modell M wahr ist. Dann können wir
schließlich auch sagen, wann ein Satz in allen Modellen, d.h. logisch wahr ist.
5
Logische Wahrheit:
Wahrheit völlig unabhängig vom Gegenstand der Rede.
Letztere, rein strukturelle Wahrheit ist offenbar ein guter Kandidat für logische
Wahrheit (oder Gültigkeit):
⎧ ⎧
⎨ I1
⎪
⎪
.
⎪
⎪
U1 ..
⎪
⎪
⎩
⎪
⎪
⎪
Im
⎨
A ist wahr in allen Modellen ..
. ⎧
⎪
⎪
⎪
⎪
⎨ I1
⎪
⎪
..
⎪
U
⎪
k
⎪
⎩
⎩.
In
– A ist wahr in allen Modellen — und kann daher überhaupt nicht falsch sein!
– Wir variieren die Bereiche, und für jeden Bereich die Interpretationen.
• ... in einem beliebigen Bereich, gleichgültig, wie wir A interpretieren.
Vorbetrachtungen
A. Mit Junktoren zusammengesetzte Formeln
8
B → C soll gd wahr sein, wenn B falsch oder C wahr ist.
B ∨ C soll gd wahr sein, wenn B oder C wahr ist; und
B ∧ C soll gd wahr sein, wenn B und C wahr sind;
¬B soll gd wahr sein, wenn B falsch ist;
soll immer wahr sein;
⊥ soll immer falsch sein;
:LQWHUORJLNIRO
:LQWHUORJLNIRO
A. Mit Junktoren zusammengesetzte Formeln
Die Fälle unter A sind einfach (Wahrheitstafeln!):
7
• Präzisierung der Aufgabe: Definiere Wahrheit in einem Modell M für jeden dieser
Fälle. Dann haben wir Wahrheit für alle Sätze definiert.
– (Erst später nehmen wir C. Variablen und Quantoren hinzu.)
B. P (t1 . . . tn )
(einfachste Sätze)
A. ⊥ | | ¬B | B ∧ C | B ∨ C | B → C
(mit Junktoren zusammengesetzte Sätze)
Wir beginnen mit einer (vollständigen) Fallunterscheidung. Ein Satz A kann von
folgender Gestalt sein:
In einer variablenfreien Sprache sind natürlich alle Formeln Sätze. Deshalb dürfen wir
unter dieser Einschränkung “Formel” und “Satz” austauschbar gebrauchen.
· Quantoren finden keine Verwendung.
· alle Terme Konstanten oder Funktionen von Konstanten, und
Wir beginnen damit, nur das variablenfreie Fragment einer PL-Sprache zu betrachten.
Demnach sind
Semantik von PL-Sprachen ohne Variablen
Exkurs: Satzbedeutung
:LQWHUORJLNIRO
10
:LQWHUORJLNIRO
Danach haben einerseits alle wahren und andererseits alle falschen Sätze — also auch
“2+2=4” und “2+3=5” — dieselbe logische Bedeutung!
• Die (logische) Bedeutung eines Satzes ist sein Wahrheitswert (Frege).
Wir werden hier (bis auf weiteres) Bedeutung in folgendem Sinne verwenden:
Sicher sind (1-3) wahr. Aber gibt (3) die Bedeutung von “2+2=4” an? Wenn das
in einem bestimmten Sinne von Bedeutung nicht so ist, dann kann auch (1) nicht die
Bedeutung von “2+2=4” in diesem Sinne angeben.
(3) “2+2=4” ist wahr gdw 2+3 = 5.
(2) 2+2=4 gdw 2+3 = 5. — Also (aus 1 und 2):
(1) “2+2=4” ist wahr gdw 2+2 = 4.
ist vielleicht nicht so unproblematisch wie es zunächst scheint. Man betrachte:
Wenn Sie wissen, unter welchen Bedingungen A wahr ist, dann wissen Sie, was A
bedeutet.
Jedoch: Die Prämisse
9
· Also erschöpft sich die Kenntnis von Satzbedeutungen in der Kenntnis der jeweiligen Wahrheitsbedingungen.
Und wenn Sie wissen, unter welchen Bedingungen A wahr ist, dann wissen Sie,
was A bedeutet.
· Wenn Sie wissen, was ein Satz A bedeutet, dann wissen Sie unter welchen Bedingungen A wahr ist.
Hier ist ein Argument, daß das so ist:
• Geben wir mit den Wahrheitsbedingungen für einen Satz zugleich seine Bedeutung an?
Für die Zwecke der Logik genügt es daher, für jeden Satz anzugeben, unter welchen
Bedingungen er in einem Modell wahr wird.
Logische Wahrheit, so die Idee, ist Wahrheit in allen Modellen.
In der Logik wollen wir eine Klasse logisch wahrer Sätze bestimmen.
Exkurs: Satzbedeutung
Exkurs: Satzbedeutung
Exkurs: Satzbedeutung
:LQWHUORJLNIRO
12
:LQWHUORJLNIRO
• “Grob” ist nicht der Bedeutungsbegriff, sondern eine rein wahrheitsfunktionale
Sprache, die zwischen “2+2=4” und “Schnee ist weiß” nicht differenziert—besser:
nicht differenzieren muß. (PL-Sprachen “grob” zu nennen ist eine unfreundliche
Weise, auf ihre Einfachheit hinzuweisen. Für bestimmte Zwecke kann gerade diese
Einfachheit gut sein.)
· Beispiel: “Schnee ist weiß” und “2+2=4” sind nicht austauschbar salva veritate,
wenn wir einen Junktor wie “Es ist notwendig, daß ... ” voranstellen.
• In Sprachen, die Zusammensetzungen (Junktoren) kennen, die nicht wahrheitsfunktional sind, funktioniert das nicht.
• Unter der Annahme des Austauschprinzips, ist es für wahrheitsfunktionale Sprachen
völlig richtig, die Bedeutung von Sätzen mit deren Wahrheitswerten zu identifizieren.
Was zeigt dieses Argument?
Austauschprinzip (Prämisse 1):
Zwei Sätze A und A sind bedeutungsgleich (in einer Sprache), wenn A und A in allen
Satzkontexten B (in dieser Sprache) gegeneinander ausgetauscht werden können, ohne
daß sich am Wahrheitswert von B etwas ändert.
11
(5) Also (aus 1 und 3): Wenn A und A denselben Wahrheitswert haben, dann sind
sie bedeutungsgleich — jedenfalls in wahrheitsfunktionalen Sprachen.
(4) Daher (aus 2 und 3): Wenn A und A denselben Wahrheitswert haben, dann
können Sie in beliebigen Satzkontexten B gegeneinander ausgetauscht werden,
ohne daß sich am Wahrheitswert von B etwas ändert (“salva veritate”).
(3) Die Junktoren sind Wahrheitswertfunktionen: Es kommt nur auf die Wahrheitswerte an (Wahrheitstafeln!).
(2) In PL-Sprachen werden Sätze nur durch die Junktoren zu komplexeren Sätzen
zusammengesetzt.
(1) Zwei Sätze A und A sind bedeutungsgleich (in einer Sprache), wenn A und A
in allen Satzkontexten B (in dieser Sprache) gegeneinander ausgetauscht werden
können, ohne daß sich am Wahrheitswert von B etwas ändert.
Wie auch immer wir zu Freges Erläuterung stehen mögen, eines dürfen wir festhalten:
”2+2=4”, ”2+3=5” und ”Schnee ist weiß” haben alle dieselbe (logische) Bedeutung,
nämlich den Wahrheitswert Wahr. Die Sätze stellen diesen Wahrheitswert aber auf
verschiedene Weise dar; sie haben einen jeweils eigenen Sinn.
Frege würde hinzufügen:
Exkurs: Satzbedeutung
A. (Fortsetzung Junktoren)
:LQWHUORJLNIRO
[ ]=1
[A ∧ B] = 1 gdw [A] = 1 = [B]
[A ∨ B] = 1 gdw [A] = 1 oder [B] = 1
[A → B] = 1 gdw [A] = 0 oder [B] = 1
[¬A] = 1 gdw [A] = 0
[⊥] = 0
14
[¬A] =
[A ∧ B] =
[A ∨ B] =
[A → B] =
1 − [A]
das Kleinere von [A] und [B]
das Größere von [A] und [B]
das Größere von 1 − [A] und [B]
Das können Sie auch so aufschreiben (Übung: Warum?):
Zweistellige Junktoren:
Einstelliger Junktor:
Nullstellige Junktoren:
:LQWHUORJLNIRO
Wie bestimmt sich die Bedeutung [A]M eines Satzes A, wenn dieser mit Junktoren
zusammengesetzt sind? (Wir lassen das tiefgestellte M jetzt weg.)
13
[A]M ∈ {0, 1}.
Nach dem gerade Gesagten, dürfen wir für jeden Satz A erwarten, daß
[φ]M .
Bedeutung in welchem Bereich und unter welcher Interpretation, d.h. in welchem
Modell M = (U, I)? — Wenn es darauf ankommt, die Abhängigkeit der Bedeutung
eines Ausdrucks φ von dem gewählten Modell M anzuzeigen (etwa weil mehr als ein
Modell im Spiel ist), dann schreiben wir
Ab jetzt schreiben wir [φ] für die Bedeutung eines Ausdrucks φ.
(Ende des Exkurses über Satzbedeutung.)
A. (Fortsetzung Junktoren)
(Fixe) Terme
B. Einfachste Formeln
:LQWHUORJLNIRO
∈U
16
:LQWHUORJLNIRO
Beispiele: [“Peter”] = Peter; [“Vater von”]: bildet eine Person auf eine Person ab;
[“Erstgeborene von”]: bildet ein Paar von Personen auf eine Person ab.
1
[f 0 ] ∈ U
[f ] : U −→ U
2
[f ] : U × U −→ U
...
n
[f (t1 ...tn )] [ = [f n ]([t1 ]...[tn ]) ]
Nun können Terme auf verschieden komplexe Art ein Individuum bezeichnen. Sie
können es direkt tun, als Namen, d.h. nullstellige Funktionen (Individuenkonstanten); oder sie können es indirekt tun, als Resultat der Anwendung einer mehrstelligen
Funktion auf die entsprechene Anzahl von Objekten im Bereich:
Die Aufgabe von Termen ist es, Objekte im Bereich zu bezeichnen. Für alle Terme t
gilt daher, daß
[t] ∈ U.
Was ist die Bedeutung [t] eines Terms t?
15
Primformeln bestehen nur aus Prädikatausdrücken P und Termen. Unter unserer vereinfachenden Annahme, daß die Sprache keine Variablen enthält, bezeichnen alle Terme auf fixe Weise Individuen. Wir fragen jetzt also weiter, wie wir
Prädikatausdrücke P und fix bezeichnende Terme t interpretieren wollen.
wahr bzw. falsch ist.
Wenn wir die Wahrheitsregeln unter A anwenden, dann kommen wir schließlich zur
Frage, wann eine Primformel
P (t1 . . . tn )
B. Einfachste Formeln
B. Einfachste Formeln
B. Einfachste Formeln
:LQWHUORJLNIRO
18
[P n ] : U n −→ {0, 1}.
:LQWHUORJLNIRO
Allgemein: Prädikatausdrücke von Stelligkeit n werden als Funktionen von nTupeln nach der Menge der Wahrheitswerte interpretiert:
[P 0 ] ∈ {0, 1}.
Nullstellige Prädikatausdrücke erhalten “ohne Umweg” über Gegenstände einen
Wert aus {0, 1}. MaW, nullstellige Prädikatausdrücke werden wie Sätze behandelt:
Beispiel : Den Ausdruck “... ist Sohn von ...” interpretieren wir als eine Funktion, die
einem Paar (X, Y ) gd den Wert 1 zuordnet, wenn Y Mutter oder Vater von X ist.
Prädikate mit zwei Stellen (2-stellige Relationen) können wir dann als Funktionen
interpretieren, die Paaren von Objekten genau einen der zwei Werte 0 oder 1 zuordnet. Also:
[P 2 ] : U × U −→ {0, 1}.
17
Das macht intuitiv guten Sinn: Prädikate bedeuten Eigenschaften, die auf ein Objekt
im Bereich (U ) zutreffen (1) oder nicht zutreffen (0).
[P 1 ] : U −→ {0, 1}.
Also sollte die Bedeutung eines Prädikats eine Abbildung von U nach {0, 1} sein:
Nun bedeutet ein Term einen Gegenstand im Bereich und ein Satz bedeutet einen
Wahrheitswert.
[Prädikatausdruck]: [Term] → [Satz].
Semantisch gesehen, sollte deshalb die Bedeutung eines Prädikats darin bestehen, das,
was ein Term bedeutet, abzubilden in das, was ein Satz bedeutet,
Prädikatausdruck: Term → Satz.
... haben syntaktisch die Aufgabe, zusammen mit einem Term einen Satz zu bilden:
Sie bilden also einen Term in einen Satz ab,
Prädikatausdrücke mit einer Stelle
B. Einfachste Formeln
∀x ∈ U : fF (x) = 1 :gdw x ∈ F.
Ff := {x ∈ U : f (x) = 1}.
B. Einfachste Formeln
:LQWHUORJLNIRO
20
(Ende der Anmerkung)
:LQWHUORJLNIRO
• Manchmal wird in der Logik so verfahren (Prädikate als Mengen interpretiert).
Aber dann entzieht sich der Fall P 0 der Behandlung durch natürliche Verallgemeinerung. Das wollen wir hier jedoch, damit die Aussagenlogik durch eine einfache Abstraktion aus der Prädikatenlogik entstehen kann.
• Wir können die Bedeutung [P 1 ] eines Prädikats P 1 als charakteristische Funktion
einer Teilmenge von U oder gleich als Teilmenge von U auffassen. In letzterem Fall
fassen wir Eigenschaften unmittelbar als Mengen auf. (Allgemeiner für n-stellige
Prädikate P n (n ≥ 1): [P n ] ⊆ U n .)
So verhält es sich auch mit der Interpretation von Prädikatausdrücken.
Wir können offenbar beliebig zwischen fF und Ff hin- und hergehen. Der Unterschied zwischen x ∈ Ff und fF (x) = 1 ist letztlich nur einer in der Darstellung, nicht
in der Sache.
19
· fF die charakteristische Funktion der Menge F .
· Ff das Bild von U unter f und
Man nennt
∀x ∈ U : fF (x) = 1 :gdw x ∈ F.
Umgekehrt, gegeben eine beliebige Teilmenge F von U , können wir eine Funktion f
so definieren, daß sie genau den Elementen von F den Wert 1 zuweist:
Wenn wir in einem Bereich U eine Funktion f haben, die jedem Gegenstand entweder den Wert 0 oder 1 zuordnet, dann definiert f indirekt eine Teilmenge F von
U : nämlich die Menge genau der Gegenstände in U , für welche f den Wert 1 annimmt:
Ff := {x ∈ U : f (x) = 1}.
Anmerkung:
B. Einfachste Formeln
Wo ist I ?
B. Einfachste Formeln
:LQWHUORJLNIRO
• Wenn P
ein Prädikatausdruck ist, dann ist I(P ) : U −→ {0, 1}.
n
22
:LQWHUORJLNIRO
• Und auch für die Quantoren liefert I, wie wir gleich sehen werden, eine Interpretation.
• Wenn J n ein Junktor ist, dann ist I(f ) eine n-stellige Funktion von
Wahrheitswerten, also {0, 1}n −→ {0, 1}.
n
• f n ein Funktionszeichen ist, dann ist I(f ) : U n −→ U .
• Wenn a eine Individuenkonstante ist, dann ist I(a) ∈ U .
I interpretiert die einfachsten Zeichen der verschiedenen syntaktischen Sorten, die fixe
Bedeutungen im Modell M haben. Also:
Tatsächlich haben wir den Gebrauch von [ ] im Interesse der Einfachheit ein wenig
überdehnt. Am Anfang der Interpretationsarbeit steht I und dann setzt [ ] diese Arbeit fort. Die Funktion I grundiert nämlich [ ] im folgenden Sinne:
Ein Modell, so haben wir gesagt, besteht aus einem Bereich U und einer Interpretation I. Von dem Bereich war oben oft die Rede, auch von einer Interpretationsfunktion [ ]. Wo und wie kommt aber I zum Einsatz?
21
P (t1 ...tn ) ist gd wahr, wenn [P ] auf das n-Tupel ([t1 ], ..., [tn ]) von Termbedeutungen
zutrifft.
Allgemeiner :
die Anwendung der Bedeutung [P ] des Prädikats,
(= eine Abbildung aller Objekte in U auf einen der Wahrheitswerte)
auf die Bedeutung [t] des Terms t,
(= Element in U )
den Wahrheitswert 1 ergibt.
P (t) ist gd wahr, wenn “P auf t zutrifft” — genauer: wenn
Im einfachsten Fall n = 1:
[P (t1 ...tn )] = 1 gdw [P ]([t1 ]...[tn ]) = 1.
Nun, da wir wissen, was Prädikate P und (fixe) Terme t bedeuten, können wir zur
Frage zurückkehren, unter welcher Bedingung eine Primformel P (t1 ...tn ) wahr ist.
Primformeln
B. Einfachste Formeln
Zusammenfassung von A und B
B. Einfachste Formeln
:LQWHUORJLNIRO
24
...
:LQWHUORJLNIRO
Die Teilsätze könnten wiederum durch Junktoren zusammengesetzt sein. — Wir
wenden die Bedeutungsregeln für Junktoren an, bis wir nur noch auf Primsätze
stoßen.
• A könnte durch Junktoren zusammengesetzt sein. — Wir wissen, was die Junktoren bedeuten (Funktionen von Wahrheitswerten). Also wissen wir, was der
zusammengesetzte Satz bedeutet (= unter welchen Bedingungen er wahr ist), vorausgesetzt, wir wissen was die Teilsätze bedeuten (= unter welchen Bedingungen
diese wahr sind).
? Wenn [ ] die genannten Bedingungen erfüllt, können wir dann sicher sein, daß A
eine Bedeutung erhält, gleichgültig welche Art von Satz A ist?
Wir wollen einen Satz A (hier noch ohne Variablen!) in einem Bereich U interpretieren. D.h. eine Abbildung (Interpretation) [ ] (basierend auf I) soll dem Satz
A eine Bedeutung [A] auf der Grundlage des Bereichs U zuweisen.
23
Im Grunde tun I und [ ] also das Gleiche: Sie interpretieren die Ausdrücke der
Sprache (abgesehen von den Variablen). Da die Regeln für [ ] bestimmen, daß [ ] den
Anfang I in eindeutiger Weise fortsetzt, ist es harmlos, auch die Interpretation eines
elementaren Zeichens φ so zu notieren: [φ]. (Wir wissen, daß in diesem Fall ist I(φ)
gemeint ist.)
[P (t1 , ..., tn )] = 1 gdw I(P )([t1 ], ..., [tn ]) = 1.
Weiter geht es mit den Primsätzen:
[f (t1 , ..., tn )] = I(f )([t1 ], ..., [tn ]).
Die Klammerfunktion [ ] weitet die Interpretation I elementarer Zeichen auf eine Interpretation aller Zeichen in eindeutiger Weise aus. D.h. [ ] wird erst auf der Basis
von I definiert. Das beginnt bei den komplexen Termen:
B. Einfachste Formeln
Logische Wahrheit und Folgerung
B. Einfachste Formeln
:LQWHUORJLNIRO
26
Und was machen wir mit Variablen und Quantoren? ...
:LQWHUORJLNIRO
Γ |= A gdw für alle M : Wenn |=M B (für jedes B ∈ Γ), dann |=M A.
• A folgt genau dann aus einer Formelmenge Γ (Γ |= A), wenn jedes Modell, welches
alle Formeln in Γ wahr macht, auch die Formel A wahr macht; also
|= A gdw für alle M : |=M A.
• A ist genau dann logisch wahr (gültig) (|= A), wenn A in allen Modellen wahr ist,
d.h. in beliebigen (nichtleeren) Bereichen und unter beliebigen Interpretationen in
diesen Bereichen; also
• A ist genau dann wahr in einem (bestimmten) Bereich U unter einer (bestimmten)
Interpretation I (d.h. im Modell M = (U, I)) (|=M A), wenn [A]M = 1.
25
· Die Bedeutung einer Konstanten ist ein Gegenstand im Bereich.
· Sei t zusammengesetzt, zB von der Form f (t1 , t2 ). Wir wissen, was der Funktionsausdruck f bedeutet, nämlich eine Abbildung der Bedeutungen zweier
Terme auf einen Gegenstand des Bereichs. Also wissen wir, was f (t1 , t2 ) bedeutet, sofern wir wissen, was t1 und t2 bedeuten. — Wir wenden die Bedeutungsregeln für Terme auf t und t an, bis wir nur noch auf einfache Terme (Konstanten) stoßen.
• Ein Term t kann zusammengesetzt oder einfach (hier: eine Konstante) sein.
· Wir wissen, was ein Prädikatausdruck P n bedeutet, nämlich eine Abbildung
der Bedeutungen von n Termen (in bestimmter Reihenfolge) auf das Wahre oder
das Falsche. Also wissen wir, was P n (t1 ...tn ) bedeutet, vorausgesetzt, wir wissen
von jedem Term ti , was er bedeutet.
• Primsätze sind einfache, nicht durch Junktoren zusammengesetzte Sätze:
P n (t1 ...tn ).
B. Einfachste Formeln
Variablen und Quantoren (in monadischer PL)
:LQWHUORJLNIRO
28
[¬A]M
[A ∧ B]M
[A ∨ B]M
[A → B]M
=1
=1
=1
=1
gdw
gdw
gdw
gdw
[A]M
[A]M
[A]M
[A]M
=0
= 1 = [B]M
= 1 oder [B]M = 1
= 0 oder [B]M = 1
:LQWHUORJLNIRO
[P t]M = 1 gdw [P ]M ([t]M ) = 1, d.h.
I(P )(I(a)) = 1, falls t = a eine Konstante ist;
gdw
I(P )(I(x)) = 1, falls t = x eine Variable ist
Vereinfachend wollen von (komplexen) Funktionsaudrücken absehen, so daß in einer
Primformel P (t) der Buchstabe t entweder für eine Kontante a oder eine Variable x
steht; in beiden Fällen ist I(t) ∈ U . Im Prinzip bleiben unsere Interpretationsklauseln
also unverändert:
I : Menge der Variablen −→ Bereich U
Bisher haben wir nur variablenfreie Sprachen betrachtet. Nun erweitern wir die Definition von I in einem Modell (U, I) so, daß I auch Variablen interpretiert:
27
• Primformeln in einer MPL-Sprache können also von der Form P 1 t (oder auch P 0 ),
nicht aber z.B. von der Form P 2 t1 t2 sein (wobei t jetzt eine Konstante oder eine
Variable sein kann).
Als Hinführung zur Angabe einer Wahrheitsbedingung für beliebige Sätze einer PLSprache betrachten wir zunächst nur solche Sätze, in denen höchstens einstellige
Prädikate vorkommen. Eine so eingeschränkte PL-Sprache nennt man eine Sprache
der monadische Prädikatenlogik (MPL).
Monadische Prädikensprachen
Variablen und Quantoren (in monadischer PL)
Variablen und Quantoren (in monadischer PL)
C. Quantoren und Variablen
Variablen und Quantoren (in monadischer PL)
:LQWHUORJLNIRO
30
:LQWHUORJLNIRO
• ... wenn Ax wahr ist unter jeder Interpretation I im Bereich U , die von I allenfalls
in der Interpretation von x abweicht (was wir kurz so schreiben wollen: I ∼x I).
◦ ... wenn Ax wahr ist unter jeder Interpretation von x. Etwas genauer:
Den letzten Teil ,“gleichgültig ...”, präzisieren wir so:
◦ ∀xAx ist gd wahr (in M = (U, I)), wenn Ax wahr ist, “gleichgültig wofür x steht”.
Intuitiv ist der Allsatz ∀xAx genau dann wahr, wenn A auf alles zutrifft, d.h.
· Semnatisch gesehen, regeln Quantoren die Interpretationen von Variablen, nicht
die von Konstanten.
· Syntaktisch gesehen, binden Quantoren Variablen, nicht Konstanten.
Der Unterschied zwischen Variablen und Konstanten wird erst deutlich, wenn Quantoren ins Spiel kommen.
29
Antwort (vorläufig): Nein, im Gegensatz zum Satz Klein(Frankfurt) hat die Formel
Klein(x) tatsächlich keinen Wahrheitswert – solange wir nicht angeben, wofür x stehen soll. Wenn wir das aber tun, dann dürfen wir sagen, daß Klein(x) relativ zur Bedeutungsfestlegung I(x) wahr oder falsch ist.
Jetzt ist jedoch die offene Formel [Klein(x)](U,I) = 1 (wahr!), falls I(x) ein Objekt
ist, auf das die Eigenschaft I(Klein) zutrifft. Also alles wieder zurück?
2. Aber haben wir nicht gesagt, daß eine Formel, in der eine Variable frei vorkommt
gar keine bestimmte Aussage macht, also kein Satz mit einem bestimmten
Wahrheitswert ist?
[Klein(x)] = ?
· Semantisch betrachtet, bezeichenen Variablen wie Konstanten Objekte im Bereich.
· Syntaktisch betrachtet, haben beide Audruckssorten die Aufgabe,
Prädikatausdrücke zu Formeln zu ergänzen.
1. Soweit unterscheiden sich Variablen von Konstanten weder syntaktisch noch semantisch.
Man beachte:
Variablen und Quantoren (in monadischer PL)
[∀xA]M = 1 gdw [Ax]M = 1, für alle M ∈ Mx .
Konsistenz einer Satzmenge (Entscheidbarkeit)
Variablen und Quantoren (in monadischer PL)
:LQWHUORJLNIRO
[∀xA]M = 1 gdw [A]M = 1 und [∃xA]M = 1 gdw [A]M = 1.
Übung:
Man überzeuge sich davon, daß (∀) und (∃) für den Fall, daß x in A gar nicht
vorkommt, folgendes vorsehen:
[∃xA]M = 1 gdw [Ax]M = 1, für mindestens ein M ∈ Mx .
32
:LQWHUORJLNIRO
Dieser Zusammenhang erklärt, warum Logiker, deren zentrales Thema ja logische
Wahrheit und Folgern ist, sich ebenso für Konsistenz interessieren.
• Γ |= A gdw es kein Modell M gibt so, daß |=M Γ ∪ {¬A}.
(Der letzte Ausdruck ist kurz für: |=M ¬A und für alle B ∈ Γ, |=M B.)
• |= A gdw es kein Modell M gibt so, daß |=M ¬A.
◦ Wenn A aus B folgt, dann ist die Wahrheit von B mit der Verneinung von A, d.h.
die Menge {B, ¬A} inkonsistent. Also allgemein:
◦ Wenn A logisch wahr ist, dann ist die Verneinung von A, also ¬A inkonsistent.
Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen Konsistenz, logischer Wahrheit und Folgerung:
Eine Formelmenge Γ ist gd konsistent, wenn es ein Modell (eine “Möglichkeit”) gibt,
in dem jede Formel in Γ wahr ist.
Die Definitionen von logischer Wahrheit und Folgerung für MPL-Sprachen
bleiben unverändert wie auf p. 26.
31
(∃)
Analog verfahren wir mit Existenzsätzen:
(∀)
Es sei nun Mx = {(U, I ) : I ∼x I}, also die Klasse der Modelle, die aus M höchstens
durch Variation von I über x entstehen. (Man beachte, daß M ∈ Mx .) Dann haben
wir soeben die folgende Wahrheitsbedingung für Allsätze festgelegt:
Variablen und Quantoren (in monadischer PL)
A ist konsistent gdw es ein Modell M = (U, I) gibt so, daß |=M A.
Variablen und Quantoren (in monadischer PL)
:LQWHUORJLNIRO
34
...
Schritt 3 : Modelle mit drei Elementen ...
:LQWHUORJLNIRO
· Prüfe (Wahrheitstafel!) ob es eine Interpretation I gibt unter der A∗ wahr sein
kann. Ja? Fertig! Nein? Gehe zu Schritt 3!
· Forme die Quantor-Formeln in A entsprechend um. Also z.B. (∀xP x)∗ = P n1 ∧
Pn 2 und (∃xP x)∗ = P n1 ∨ P n2 .
· Benenne 1 und 2 mit n1 bzw. n2 .
Schritt 2: Teste A in U2 = {1, 2}, d.h. in Bereichen mit zwei Elementen.
· Prüfe (Wahrheitstafel!) ob es eine Interpretation I gibt unter der A∗ wahr sein
kann. Ja? Fertig! Nein? Gehe zu Schritt 2!
· Forme die Quantor-Formeln in A entsprechend um. Also z.B. (∀xP x)∗ = P n1
und ebenso (∃xP x)∗ = P n1 . Resultat: Eine Formel, die höchstens mit Junktoren
zusammengesetzt (hier: einfach) ist.
· Benenne 1 mit einem Namen n1 (d.h. betrachte Interpretationen mit I(n1 ) = 1).
Schritt 1: Teste A in U1 = {1}, d.h. in Bereichen mit nur einem Element.
33
Wir betrachten im folgenden den Fall, daß Γ aus nur einer Formel A besteht. (Die
Verallgemeinerung liegt dann auf der Hand.)
• Unter der genannten Bedingung kann jede Formel A in eine quantorfreie Formel A∗
umgeformt werden. (Die Anzahl der Konjunkte bzw. Disjunkte, die die Quantoren
ersetzen, ist jeweils gleich der Anzahl der Elemente des Bereichs.)
Das Verfahren beruht darauf, daß wir ∀-Formeln als große Konjunktionen und ∃Formeln als große Disjunktionen wiedergeben können, falls der Bereich, auf den sie
sich beziehen endlich ist und es für jedes Objekt im Bereich einen Namen gibt.
Antwort: Ja!
Frage: Gibt es ein sicheres Verfahren für eine beliebige Satzmenge einer MPL-Sprache
zu entscheiden, ob diese konsistent ist? (Wir fragen hier danach, ob Konsistenz und
also auch logische Wahrheit und Folgerung in MPL entscheidbar ist.)
Variablen und Quantoren (in monadischer PL)
:LQWHUORJLNIRO
Variablen und Quantoren (in monadischer PL)
36
:LQWHUORJLNIRO
“Auf zweierlei Weise” bedeutet, daß es zwei Modelle mit Bereich {1, 2} gibt, in denen
die Formel wahr ist. In dem einen ist I(P n1 ) = 0 und I(P n2 ) = 1, in dem anderen
ist es umgekehrt, I(P n1 ) = 1 und I(P n2 ) = 0. Die folgenden Matrizen geben diese
Modelle wieder:
1 2
1 2
P + −
P − +
Die Formel wird in zwei Zeilen wahr, kann also auf zweierlei Weise im Bereich {1, 2}
wahr sein. Fertig! (Die Formel ist konsistent)
Weiter zu U2 = {1, 2} und umformen: (P n1 ∨ P n2 ) ∧ (¬P n1 ∨ ¬P n2 ).
Wahrheitstafel:
P n1 P n2 (P n1 ∨ P n2 ) ∧ (¬P n1 ∨ ¬P n2 )
0
0
0
0
1
0
1
1
1
1
1
0
1
1
1
1
1
1
0
0
35
Die Formel ist in jeder Zeile falsch, d.h. es gibt keine Interpretation in U1 unter der
sie wahr ist.
Benamsen in U1 = {1} und umformen: P n1 ∧ ¬P n1 . Wahrheitstafel:
P n1 P n1 ∧ ¬P n1
0
0
0
1
1
1
0
0
Beispiel : (∃xP x) ∧ (∃x¬P x).
Variablen und Quantoren (in monadischer PL)
Zusammenfassung A-C
Variablen und Quantoren (in monadischer PL)
:LQWHUORJLNIRO
38
EXKURS ZUR SYLLOGISTIK ...
:LQWHUORJLNIRO
Bevor wir die Beschränkung auf monadische Formeln aufheben, leisten wir uns einen
kleinen Exkurs in die Geschichte der Logik.
• Wir haben ein Entscheidungsverfahren für Konsistenz, logische Wahrheit und Folgerung für monadische Formeln vorgestellt.
• Wir haben von Quantoren gebundene Variablen in die Betrachtung einbezogen (C)
und die Wahrheitsbedingungen für Sätze mit Quantoren angegeben – unter einer
vereinfachenden Annahme, daß wir es mit einer monadischen Prädikatensprache zu
tun haben.
• Von (A) werden wir auf die Wahrheitsbedingungen immer weniger komplexe Sätze
verwiesen, bis wir schließlich die Wahrheitsbedingungen von Primsätzen angeben
müssen (B).
• Wir haben gesehen (A), wie wir die Wahrheitsbedingungen von Sätzen angeben,
die mit Junktoren zusammengesetzt sind.
37
in maximal 23 (drei Prädikate), d.h. in acht Schritten entscheiden.
{∀x(P x → M x), ∃x(Sx ∧ ¬M x)} |= ∃x(Sx ∧ ¬P x),
konsistent ist, d.h. ob
{ ∀x(P x → M x), ∃x(Sx ∧ ¬M x), ¬∃x(Sx ∧ ¬P x) }
· Für eine Formelmenge suchen wir nach einem Modell, welches alle Formeln der
Menge wahr macht. So läßt sich z.B. die Frage, ob
· Für eine Formel mit zwei Prädikatausdrücken müssen wir also mit maximal vier,
für eine mit drei mit maximal acht Schritten rechnen, um die Frage der Konsistenz zu entscheiden.
(Beweis z.B. in Boolos, Burgess & Jeffrey, Computability and Logic, Kap. 21.)
Satz 1. Wenn Γ = {A0 , ..., An } eine konsistente Formelmenge einer MPL-Sprache
ist, welche n Prädikatausdrücke enthält, dann gibt es ein Modell M = (U, I) mit 2n
Elementen in U so, daß |=M Ai , für alle Ai ∈ Γ.
Das ging nach zwei Schritten gut! Aber hört das immer nach endlich vielen Schritten
auf? Und wenn ja, mit wievielen Schritten müssen wir maximal rechnen?
Variablen und Quantoren (in monadischer PL)
2
· Bertrand Russell (1872-1970) und Alfred N. Whitehead (1861-1947)
· Gottlob Frege (1848-1825)
· Ernst Schröder (1841-1902)
· Charles S. Peirce (1839-1914)
· George Boole (1815-1864)
:LQWHUORJLNIRO
Die moderne Logik, so wie wir sie in dieser VL kennenlernen, entwickelte sich in der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, vor allem in den Arbeiten von
08PLsyllogistik 161207.0955
André Fuhrmann
:LQWHUORJLNIRO
Logik im Winter 2016-17
Prädikatenlogische Sprachen (5):
Exkurs zur Syllogistik
Goethe-Universität
Frankfurt am Main
Institut für Philosophie
1
4
Aristoteles (384-322)
nach einer Porträtbüste des Lysipp
:LQWHUORJLNIRO
6
A
E
I
O
(Universal affirmativ):
(Universal negativ):
(Partikulär affirmativ):
(Partikulär negativ):
Alle S sind P
Kein S ist P
Einige S sind P
Einige S sind nicht P
—
—
—
—
:LQWHUORJLNIRO
kurz: SaP .
SeP .
SiP .
SoP .
Aristoteles unterscheidet vier Formen der Zusammensetzung von Subjekt und
Prädikat. Diese unterscheiden sich (“qualitativ”) danach ob sie das Prädikat bejahen
oder verneinen und (“quantitiv”) ob sie sich auf alle oder einige Subjekte beziehen.
Syllogistische Terminologie
:LQWHUORJLNIRO
5
3
:LQWHUORJLNIRO
2 Eine engere Verwendung hat der Begiff im Zusammenhang mit der Haufenparadoxie, die wir später
behandeln werden.
· ZB sind die Terme Mensch und Säugetier Subjekt bzw. Prädikat der Aussage
Menschen (S) sind Säugetiere (P).
• Prämissen und Konklusionen setzen Terme als Subjekte (S) und Prädikate (P )
miteinander in Beziehung. (Achtung: ‘Term’ hat im Rahmen der Syllogistik eine
andere Bedeutung als in der Prädikatenlogik!)
• Folgerungen aus nur einer Prämisse sind nicht vorgesehen. Folgerungen aus mehr
als zwei Prämissen lassen sich als Ketten (“Sorites”)2 von Syllogismen darstellen.
Erste Prämisse Zweite Prämisse
Konklusion
• Zwei Prämissen, eine Konklusion:
Syllogistische Terminologie
Diese Sicht unterschlägt bedeutende Entwicklungen z.B. in der antiken Stoa aber auch was eine genauere
Lektüre von Aristoteles’ eigenen Schriften zur Logik hergibt.
Was ist die aristotelische Theorie der Syllogismen?
Diese Sicht der Dinge dauerte bis zu den Arbeiten der gerade erwähnten ersten modernen Logiker beinahe unangefochten an — mit Nachgefechten zum Teil noch bis in
die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts.
Daß die Logik diesen sicheren Gang [einer Wissenschaft] schon von den ältesten
Zeiten her gegangen sei, läßt sich daraus ersehen, daß sie seit dem Aristoteles keinen
Schritt rückwärts hat tun dürfen [...]. [...] Merkwürdig ist noch an ihr, daß sie auch
bis jetzt keinen Schritt vorwärts hat tun können, und also allem Ansehen nach
geschlossen und vollendet zu sein scheint.
Zuvor wurde Logik im wesentlichen gleichbedeutend mit aristotelischer Logik,
und letztere meist gleichbedeutend mit (einer bestimmten Art von) Syllogistik
genommen. Die Lehre von den Syllogismen galt als abgeschlossener Kanon logischen
Schließens (oder zumindest als dessen Kern).1 So schreib Kant in der Vorrede zur
KdrV (2. Aufl., 1787):
Syllogistische Terminologie
8
7
(EO) aus Kein S ist P folgt Einige S sind nicht P.
· Kontradiktorische Paaren schließen einander aus: Ist die eine Form wahr, ist die
andere falsch und umgekehrt.
Aus: Whateley, Elements of Logic (1826)
:LQWHUORJLNIRO
Syllogistische Terminologie
:LQWHUORJLNIRO
Diese Verhältnisse werden traditionell in einem Rechteck der Oppositionen
dargestellt ...
bzw.
∃x(Sx ∧ P x)
bzw.
∃x(Sx ∧ ¬P x).
Kein S ist P (SeP ) und Einige S sind P (SiP )
Alle S sind P (SaP ) und Einige S sind nicht P (SoP )
Syllogistische Terminologie
:LQWHUORJLNIRO
10
:LQWHUORJLNIRO
Es folgt für jede der Formen •, daß ¯
• = •: Doppelte Verneinung ist Bejahung.
ā = o, ē = i, ī = e und ō = a.
Wenn wir die Verneinung einer Form durch einen Überstrich andeuten, dann können
wie das auch so ausdrücken: SāP ist gleich SoP . Noch kürzer, und die anderen Formen einbeziehend, notieren wir:
verhalten sich kontradiktorisch zueinander: Die eine Form ist die Verneinung der
anderen, und umgekehrt. (Z.B sagt die Verneinung von SaP das gleiche wie SoP ,
und umgekehrt).
und ebenso
Das Paar
9
in einer Weise verstanden, welche jedenfalls die Existenz des Subjekts S voraussetzt.
Wir nehmen das jetzt einfach nur zur Kenntnis und kommen später darauf zurück.
Alle S sind ... und Kein S ist ...
Offenbar haben die Syllogistiker die Aussageformen
Die linke Seite beschreibt, was es nicht gibt. Daraus kann nichts darüber folgen, was
es gibt.
¬∃x(Sx ∧ P x)
Und E und O stellen wir uns formalisiert so vor:
Die linke Seite schließt aber sicher nicht die rechte Seite ein.
∀x(Sx → P x)
Nun liegt es heute nahe, die Formen A und I so verstehen, d.h. in PL übersetzen:
(AI) Aus Alle S sind P folgt Einige S sind P, und
· Folgt die eine Form aus der anderen, dann ist jene dieser unergeordnet (subaltern).
Syllogistische Terminologie
In dieser Darstellung fällt auf, daß aus A die Form I und aus E die Form O folgt (die
eine subalterniert die andere); also:
· Subkonträre Paare können nicht zugleich falsch sein.
· Konträre Paare können nicht zugleich wahr sein.
Die vier Formen stehen jeweils paarweise in logischen Beziehungen zueinander.
Syllogistische Terminologie
Alle Menschen sind Tiere Tiere sind sterblich
Alle Menschen sind sterblich
Syllogistische Terminologie
:LQWHUORJLNIRO
P •M S•M
S•P
M •S P •M
IV.
S•P
II.
12
:LQWHUORJLNIRO
• Welche der 256 Modi stellen gültige Folgerungen dar? Das (traditionelle) Corpus
von Theorien, welche diese Frage zu beantworten suchen, nennt man Syllogistik.
• Da jede der drei Aussagen in einer Figur von viererlei Form sein kann (• steht für
a, e, i, oder o), gibt es 43 = 64 syllogistische Modi in jeder der Figuren, also 256
Modi insgesamt.
(Figur IV ist eine nacharistotelische Erweiterung der Theorie. Für Aristoteles ist IV
in I als einfache Spiegelung der Terme enthalten.)
I.
M •P S•M
S•P
M •P M •S
III.
S•P
• Es gibt vier Möglichkeiten S und P aus der Konklusion mit einem Mittelterm M in
den Prämissen zu kombinieren. Das sind die Figuren der Syllogismen:
11
Es ist somit klar, daß eine Theorie der syllogistischen Schlüsse keine allgemeine
Theorie logischen Schließens sein kann. Syllogismen bilden allenfalls so etwas wie
eine natürliche Familie von Schlüssen, relativ zu der Privilegierung von Aussagen
der Form A, E, I und O.
SaM M aP
SaP
• Die Prämissen müssen drei Terme so miteinander verknüpfen, daß einer von ihnen
(der Mittelterm M , das Eliminandum) in der Konklusion nicht mehr vorhanden
ist; z.B. so:
• Prämissen und Konklusion müssen jeweils von einer der vier Formen sein.
• Es müssen zwei Prämissen gesetzt sein.
Ein Syllogismus ist eine besondere Art von Schluß:
Ein Schluß ist eine Rede, in der, wenn etwas gesetzt wird, etwas von dem Gesetzen
Verschiedenes notwendig dadurch folgt, daß dieses ist.
Erste Analytik(en), 24b
Aristoteles:
Syllogistische Terminologie
3
Syllogistische Terminologie
:LQWHUORJLNIRO
14
Manche Übersetzer ziehen den Plural Erste Analytiken vor.
:LQWHUORJLNIRO
Den ältesten Ansatz, die Methode der Reduktion, führte Aristoteles selbst (in der Ersten Analytik ) aus.3 Dieser Ansatz war bis ins 19. Jahrhundert zentrales Lehrstück
jeden Logik-Unterrichts. Schon aus antiquarischer Neugier – und zur Entspannung –
wollen wir uns das einmal näher anschauen.
· L
ukasiewicz’ Versuch einer Axiomatisierung in einer reduzierten PL (1951)
· Lewis Carrolls Game of Logic (1886)
· Venn-Diagramme (ca. 1880)
· Leibniz’ Kalkül charakteristischer Zahlen (1679)
· Distributionslehre der mittelalterlichen Scholastik
Es hat sicher zur Faszination der Syllogistik über die Jahrhunderte und bis in unsere
Tage beigetragen, daß man die Frage nach den gültigen Modi auf sehr verschiedene
Weise beantworten kann. Hier sind nur einige Ansätze:
13
2. Was meinen Sie: In welcher der Figuren gibt aoo einen guten Schluß ab?
1. Was ist (die Form) aaa in (Figur) II, in III, und in IV?
Übungen:
• Die Form eines Modus (Schlusses) ergibt sich aus den Formen der Prämissen und
der Konklusion. Sind z.B. alle drei von der Form A, dann notieren wir die Form
des Schlusses mit aaa. Die Form aaa in Figur I (kurz: aaa in I) ist also der
Schluß
M aP SaM
.
SaP
• Eine Aussage (Prämisse oder Konklusion) der Form SaP , SeP , SiP oder SoP
notieren wir manchmal einfach auch so: a, e, i bzw. o. (Im Kontext wird immer
deutlich, was gemeint ist.)
• Ein (syllogistischer) Modus ist ein Schluß der gerade beschriebenen Art. Ein Syllogismus ist ein guter, d.h. gültiger Modus.
Terminologie:
Syllogistische Terminologie
P •M M •S
S•P
i : Einige X sind Y
o : Einige X sind nicht Y
16
:LQWHUORJLNIRO
Aristoteles beginnt mit einer Basis unmittelbar einsichtiger, d.h. vollkommener
Schlüsse. Um die unvollkommenen Schlüsse einzusehen, brauchen wir allgemeine
Prinzipien (“weitere Bestimmungen”), die es erlauben, jene auf die vollkommenen
zurückzuführen (zu reduzieren). Solche Prinzipien werden als Reduktionsregeln
zur Verfügung gestellt.
Vollkommen nenne ich einen Schluß, der, damit seine Notwendigkeit einleuchtet,
außer den Voraussetzungen keiner weiteren Bestimmung bedarf, unvollkommen einen
solche, der noch einer oder mehrerer weiteren Bestimmungen bedarf, die zwar wegen
der zugrundeliegenden Begriffe notwendig gelten, aber nicht in den Vordersätzen
enthalten sind.
Erste Analytik, 24b
IV.
M •P M •S
S•P
III.
P •M S•M
II.
S•P
a : Alle A sind B
e : Kein A ist B
Aristotelische Syllogistik: Reduktion
M •P S•M
I.
S•P
:LQWHUORJLNIRO
Aristotelische Syllogistik: Reduktion
Hier noch einmal die Schlußfiguren und die Aussageformen:
15
Was nun folgt, ist nur sehr eingeschränkt eine AristotelesInterpretation. Syllogistik ist im Laufe der Jahrhunderte philosophisches Allgemeingut geworden. Die Lehre bleibt im Kern gleich; aber
sie kann verschieden dargestellt und erläutert werden.
Syllogistische Terminologie
M eP SaM / SeP
M aP SiM / SiP
M eP SiM / SoP
Celarent:
Darii :
Ferio:
Die Reduktionsregeln
Aristotelische Syllogistik: Reduktion
:LQWHUORJLNIRO
18
xy/z ⇔ yx/z
Die Reihenfolge der Prämissen ist unwichtig:
(m) Prämissenvertauschung (mutatio)
AiB ≡ BiA und AeB ≡ BeA
:LQWHUORJLNIRO
Einige A sind B bedeutet dasselbe wie Einige B sind A, und Kein A ist B
bedeutet dasselbe wie Kein B ist A. Solche Aussagen dürfen also jederzeit
gegeneinander ausgetauscht werden, was wir kurz so notieren:
(s) Einfache Konversion (conversio simplex )
Im folgenden sollen A, B für beliebige Terme und x, y für beliebige Aussagen stehen.
Wie schon angekündigt, schreiben wir auch einfach a, e, i, o um Aussagen der Form A
(AaB), E (AeB), U (AiB) und O (AoB) abzukürzen.
17
• Und wenn S vollkommen ist, dann ist durch die Reduktion von S* auf S die Güte
von S* “vollkommen” gesichert.
• Wenn so gezeigt wird, daß der Schluß S* gut ist unter der Voraussetzung, daß S gut
ist, dann ist S* auf S zurückgeführt; S* also gut relativ zu S.
Die Idee der Aristotelischen Reduktion ist es nun, genügend (einsichtige) Regeln
anzugeben, mit deren Hilfe die “unvollkommenen” Schlüsse auf die vollkommenen
zurückgeführt werden können:
(Auf die im wörtlichen Sinne merkwürdigen Namen kommen wir gleich zurück.)
M aP SaM / SaP
Barbara:
Für Aristoteles sind alle gültigen Schlüsse der Figur I vollkommen. (Ihre Gültigkeit
ist unmittelbar einsichtig aufgrund dessen, was von allem und nichts gesagt werden
kann, “dictum de omni et nullo”. Wir überspringen diese Begründung hier.) Also
Die vollkommenen Schlüsse
Aristotelische Syllogistik: Reduktion
Aristotelische Syllogistik: Reduktion
(A und B vertauscht)
20
xy /i⇐xy /a
xy /o⇐xy /e
iy /z⇐ay /z
oy /z⇐ey /z
:LQWHUORJLNIRO
Nun sind offensichtlich die folgenden Übergänge von einem Schluß (und einer
Subalternationsannahme) zu einem anderen Schluß gut:
x∗ → x x y / z
x y / z z → z∗
∗
xy/z
x∗ y / z
Daraus ergeben sich die folgenden vier Reduktionsregeln:
a → i und e → o.
Nach dem Rechteck haben wir diese zwei Subalternationsverhältnisse:
(p) Akzidentelle Konversion (conversio per accidens)
Alle bisherigen Regeln waren Äquivalenzumformungen, angezeigt durch den Doppelpfeil ⇔. Die letzte Regel hat nur eine Richtung.
AaB BiC / AoC ⇔ BaA AiC / BoC
22
(Ableitungen sind Umkehrungen von Reduktionen!)
:LQWHUORJLNIRO
“Aristoteles”: Solche Schlüsse, die sich im folgenden axiomatischen System ableiten
lassen ...
Frage: Welche Schlüsse sind gut (Syllogismen?)
Ein Schluß ist ein Tripel (x, y, z) (kurz: xyz) von Sätzen.
Wenn A und B Terme sind und • eine Copula ist, dann ist A • B ein Satz. (Variablen: x, y, z, ...)
Wenn • eine Copula ist, dann ist auch ¯
• eine Copula.
Strich: −.
(Elementare) Copulæ: a, e, i, o.
:LQWHUORJLNIRO
Aristotelische Syllogistik: Reduktion
Einschub: Syllogistik als axiomatisches System
Terme: A, B, C, ...; auch M, P, und S.
21
in der Absicht, mit der zweiten Zeile einem vollkommenen Syllogismus näher gekommen zu sein.
folgen 42 = 16 Instanzen der allgemeinen (c)-Regel, die wir jederzeit verwenden
dürfen, z.B.
x a / e ⇔ x ē / ā [= x i / o].
:LQWHUORJLNIRO
xy/i
(p),
xy/a
Unter Verwendung der bekannten Gleichungen (siehe p. 10)
ā = o, ē = i, ī = e und ō = a
iy /z⇐ay /z
oy /z⇐ey /z
ein guter Schluß, und umgekehrt. (Für nicht-x schreiben wir, wie zuvor, kurz x̄.)
Also kurzum:
x y / z ⇔ x z̄ / ȳ.
xy /i⇐xy /a
xy /o⇐xy /e
Aristotelische Syllogistik: Reduktion
Der Doppelpfeil gibt die Folgerungsrichtung an. Wir haben ihn hier von rechts nach
links deuten lassen, denn in der Rückführung einer unvollkommenen auf einen vollkommenen Schluß beginnen wir “links” mit dem unvollkommenen und zeigen – “nach
rechts” – wie er aus einem vollkommenen folgt. Tatsächlich werden wir gleich nicht
von links nach rechts, sondern von oben nach unten verfahren. D.h. (p) erlaubt uns
zB (Regel oben links) so zu reduzieren
(r) Umbuchstabierung ist jederzeit erlaubt, denn es kommt nicht darauf an, wie
die Terme benannt sind. Z.B.
19
xy/z
x nicht-z / nicht-y
ein guter Schluß ist, dann ist auch
Wenn
(c) Kontraposition (conversio per contrapositionem)
Aristotelische Syllogistik: Reduktion
oyz
eyz
Beispiele für Reduktionen
Aristotelische Syllogistik: Reduktion
:LQWHUORJLNIRO
24
IV.
I.
II.
III.
Barbara, Celarent, Darii, Ferioque prioris;
Cesare, Camestres, Festino, Baroco secundae;
Tertia Darapti, Disamis, Datisi, Felapton,
Bocardo, Feriso habet; quarta insuper addit
Bramantip, Camenes, Dimaris, Fesapo, Fresison.
:LQWHUORJLNIRO
Für die 19 interessanten Syllogismen gibt es eine Folge von Versen, die man sich gut
merken kann, weil sie Hexameter sind ;-) — Namen der Modi kursiv:
Von den 256 möglichen Modi sind nur wenige gültig, d.h. Syllogismen, nämlich 24.
Von diesen sind einige uninteressant. Generell ist ein Schluß uninteressant (“subaltern”), wenn aus den gleichen Prämissen legitim auf eine stärkere, also interessantere
Konklusion geschlossen werden kann. Z.B. ist aai in Figur I gültig, jedoch ist auch
aaa in I mit der stärkeren Konklusion a statt i gültig. Ebenso uninteressant sind
Modi mit Konklusion o für die es einen gültigen Modus mit der stärkeren Konklusion e gibt. Von den Syllogismen sind fünf in diesem Sinne uninteressant. Von den
verbleibenden 19 sind vier vollkommen. Es bleibt also die Aufgabe, Reduktionen für
15 Syllogismen zu finden.
23
Gleiche (=) Ausdrücke dürfen ausgetauscht werden.
iyz
ayz
Gleichförmige alphabetische Ersetzung (Umbuchstabierung).
xyo
xye
(=)
xya
xyi
xyz = xz̄ ȳ
AiB = BiA
AeB = BeA
xyz = yxz
ā = o
ē = i
ī = e
ō = a
(M aP, SaM, SaP )
(M eP, SaM, SeP )
(M aP, SiM, SiP )
(M eP, SiM, SoP )
(r)
(p1-4)
Regeln
(c)
(s1-2)
(m)
(n1-4)
Barbara
Celarent
Darii
Ferio
Axiome
Aristotelische Syllogistik: Reduktion
Aristotelische Syllogistik: Reduktion
:LQWHUORJLNIRO
26
M aP SaM / SaP
M aP S ōM / S ōP
M aP SoP / SoM
P aM SoM / SoP
Baroco (II) auf Barbara:
=
(c)
(r : MP)
oder auch so:
M aP SaM / SaP
P aM SaP / SaM
P aM S ōP / S ōM
P aM SoM / SoP
:LQWHUORJLNIRO
(r : MP)
=
(c)
Es folgen Beispiele für Reduktionen unvollkommener auf vollkommene Syllogismen.
Wenn man sich zum Namen die Figur merkt, dann geht daraus eindeutig der Modus
hervor.
Die Merknamen geben jedenfalls immer die Form des Schlusses und das Reduktionsziel sowie die wichtigsten Umformungen an.
Reduktion nach (c) und (p) wird in den Merknamen immer registriert, die anderen
Regeln oft nicht; ‘t’ deutet meist (s) an.
25
Ad 3. Für die Reduktion von Darapti wenden wir zuerst (r) und dann (p) an; für
Disamis erst (s), dann (m); in der Reduktion von Felapton kommt (p) zum
Zuge. Ferner beziehen sich die Regelkonsonanten immer auf die vorangehenden
Prämissenvokale.
Ad 2. Darapti, Disamis und Datisi werden auf Darii, Felapton und Feriso auf Ferio,
und Bocardo auf Barbara reduziert.
Ad 1. Darapti weist auf einen Schluß der Form aai, Felapton auf einen der Form eao
hin, usw.
Ja, Sie vermuten richtig:
3. Unter der Konsonanten unmittelbar nach Vokalen sind besonders oft s, m, c, r
und p zu finden.
2. Jeder unvollkommene Modus beginnt mit dem Anfangsbuchstaben eines vollkommenen Modus (Barbara, Celarent, Darii oder Ferio).
1. Es kommen nur die Vokale a, e, i und o vor.
Es fällt etwas auf:
... , Darapti, Disamis, Datisi, Felapton, Bocardo, Feriso, ...
Aristotelische Syllogistik: Reduktion
28
Darapti (III) auf Darii :
Camestres (II) auf Celarent:
27
M aP SiM / SiP
M aP M iS / SiP
M iS M aP / SiP
M iS M aP / P iS
M aS M aP / P iS
M aP M aS / SiP
M eP SaM / SeP
M eS P aM / P eS
M eS P aM / SeP
SeM P aM / SeP
P aM SeM / SeP
M aP SaM / SaP
SaM M aP / SaP
M aS SaP / M aP
M aS S ōP / M ōP
M aS M oP / SoP
M oP M aS / SoP
(s)
(m)
(s)
(p)
(r : SP)
(r : PS)
(s)
(s)
(m)
(m)
:LQWHUORJLNIRO
:LQWHUORJLNIRO
Aristotelische Syllogistik: Reduktion
(r : SM)
=
(c)
(m)
Ähnlich verläuft die Reduktion von Bocardo (III) auf Barbara:
Aristotelische Syllogistik: Reduktion
M aP SaM / SaP
M aP SaM / SiP
M aP SaM / P iS
SaM M aP / P iS
P aM M aS / SiP
(p)
(s)
(m)
(r : PS)
Syllogismen in der Prädikatenlogik
Syllogismen in der Prädikatenlogik
:LQWHUORJLNIRO
Alle S sind P
Kein S ist P
Einige S sind P
Einige S sind nicht P
∀x(Sx → P x)
¬∃(Sx ∧ P x)
∃x(Sx ∧ P x)
∃x(Sx ∧ ¬P x)
30
:LQWHUORJLNIRO
(|=) C folgt aus den Prämissen A und B genau dann, wenn in jedem Modell, in
dem A und B wahr sind, auch C wahr ist. (Notation: A, B |= C.)
Für die Sprache der MPL haben wir auch eine Definition der Folgerung mit der wir
die Gültigkeit der meisten der Modi nachweisen können. (Hier für den Fall zweier
Prämissen:)
A
E
I
O
Schon die Sprache der monadischen Prädikatenlogik (MPL) ist ausdrucksstark genug,
um alle aristotelischen Formen auf naheliegende Weise wiedergeben zu können –
mit einer Einschränkung, die wir schon genannt haben und auf die wir sogleich
zurückkommen werden.
29
Sehen Sie sich den Merkvers auf p. 24 an und versuchen Sie an Hand der Hinweise in
den Namen Reduktionen durchzuführen.
Übungen:
Natürlicher ist es eigentlich, solche Reduktionen von unten nach oben im Sinne von
Ableitungen zu lesen: Wir beginnen mit vollkommenen Modi (Axiome) und leiten aus
diesen durch die Anwendung von Regeln unvollkommene Modi ab.
Bramantip (IV) auf Barbara:
Aristotelische Syllogistik: Reduktion
A |= I und E |= O
32
:LQWHUORJLNIRO
Man kann sich leicht davon überzeugen, daß nun die Sub-Modi gültig sind. Die
Nichtsub-Modi bleiben weiterhin gültig, denn was in einer größeren Klasse von Modellen gültig ist, kann in einer Teilklasse davon nicht ungültig sein.
(|= ) C folgt aus den Prämissen A und B genau dann, wenn in jedem Modell, in
dem alle in A, B, und C vorkommenden Terme nichtleere Eigenschaften bezeichnen und in dem A und B wahr sind, auch C wahr ist.
• Die Syllogistik erweist sich als richtig bezüglich |=, wenn wir nur Modelle betrachten, in denen die in den Syllogismen vorkommenden Terme nichtleere Eigenschaften bezeichnen. Also:
4
34
:LQWHUORJLNIRO
Warum das keine gute Idee sein kann, erklärt Frege in “Sinn und Bedeutung” (1892), pp. 39f.
D.h. (1) bedeutet soviel wie (2) und (3).4
(3) Es gibt Philosophen.
nämlich auch dies:
(2) Wenn jemand ein Philosoph ist, dann ist er weise;
etwas mehr sagen wollen als bloß
(1) Alle Philosophen sind weise
Die Idee hinter SaP ist es also (im Beispiel), daß wir mit
Es spricht einiges dafür, daß das Prädikationswort ist (Plural sind) von den “Alten”
mit einer existenziellen Nebenbedeutung benutzt wurde. Sokrates ist weise soll nicht
nur ausdrücken, daß Sokrates eine bestimmte Eigenschaft hat, sondern auch, daß
Sokrates ist, d.h. existiert. Ähnliches gilt für Alle Philosophen sind weise: Sie haben
die Eigenschaft der Weisheit — und sie sind.
Syllogismen in der Prädikatenlogik
:LQWHUORJLNIRO
∀x(Sx → P x) (SaP ) schließt ∃x(Sx ∧ P x) (SiP ) ein und ebenso folgt ∃x(Sx ∧
¬P x) (SoP ) aus ¬∃x(Sx ∧ P x) (SeP ), wenn S und P für instantiierte Eigenschaften
stehen.
33
Zweite Strategie: Veränderte Übersetzung
Syllogismen in der Prädikatenlogik
:LQWHUORJLNIRO
◦ Die nächste Strategie tut im Grunde genau das. Aber sie tut es nicht durch eine
direkte Einschränkung der Klasse der Modelle, von denen in (|=) die Rede ist.
Vielmehr führt sie die Einschränkung indirekt herbei, indem sie diese in der Formalisierung beschreibt.
• Lösung: Wir können die Definition (|= ) weiter verfeinern, indem wir auf die
Subjekt-Prädikat-Struktur syllogistischer Prämissen Bezug nehmen, und nur für
die Subjekte Instantiierung fordern.
(...)
Man beachte insbesondere, wie unplausibel die Annahme ist, daß Kein S ist P (zB
Kein Lebewesen ist ein Einhorn) die Existenz von P -Dingen voraussetzt!
· Kein S ist ... setzt ebenfalls S-Dinge voraus. Daher folgt Einige S sind nicht ...
· Alle S sind ... setzt S-Dinge voraus. Daher folgt Es gibt S, die ...
Für die aristotelischen Subalternationen sind Existenzvoraussetzungen nur für die
Subjekte, nicht für alle Terme nötig.
• Problem: Technisch funktioniert diese Lösung aber sie geht einen Schritt zu weit.
Syllogismen in der Prädikatenlogik
Erste Strategie: Einschränkung der Modelle
31
Es gibt zwei Strategien, um auch die Sub-Modi als gültig auszuzeichnen. / ...
Darapti, Felapton, Bramantip und Fesapo.
• Ungültig sind jene vier Modi, die (Sub) voraussetzen, die Sub-Modi, wie wir sie
nennen wollen. In den Namen werden diese durch die Gegenwart des Konsonanten ‘p’ angezeigt, denn es ist allein die Konversion per accidens (p) welcher von den
Subalternationen Gebrauch macht; also:
• Alle vollkommenen und die meisten der unvollkommenen Modi sind nach der naheliegenden Formalisierung und der Def. (|=) gültig. Die Nachweise sind — im
Gegensatz zu manchen syllogistischen Reduktionen — trivial.
nicht gültig sind — jedenfalls nicht so, wie wir die Formen gerade formalisiert haben.
Wenn (Sub) gültig sein soll, dann müssen wir also entweder in die Definition von |=
eingreifen (Strategie 1, unten) oder die Formen anders formalisieren (Strategie 2).
(Sub)
Es ist klar — wir haben schon darauf hingewiesen —, daß nach der Def. (|=) die beiden Folgerungen
Syllogismen in der Prädikatenlogik
Syllogismen in der Prädikatenlogik
:LQWHUORJLNIRO
36
:LQWHUORJLNIRO
Mit der Idee, daß die Prädikation in der Syllogistik immer die Existenz des Subjektes der Prädikation einschließt, läßt sich die vorgeschlagene Formalisierung also nicht
begründen.
· Ebensowenig folgt aus dem rechten Satz in (6) (von der Form SeP, also
¬∃x(Sx ∧ P x) ), daß es Philosophen gibt.
(Aus SeP , so formalisiert, folgt nicht, daß es S gibt.)
· Aber wenn wir den linken Satz in (6) (von der Form SoP ) mit
¬∀x(Sx → P x) ∨ ¬∃xSx wiedergeben, dann folgt nicht, daß es Philosophen gibt.
(Aus SoP , so formalisiert, folgt nicht, daß es das Subjekt S gibt.)
(6) Einige Philosophen sind nicht ... und für Kein Philosoph ist ...
Wir haben unsere Neuformalisierung von A so begründet: In der Syllogistik folgt
aus der Prädikation von einem Subjekt, daß es das Subjekt gibt. (Existenzielle
Nebenbedeutung der Copulæ ist/sind.) So folgt aus Alle Philosophen sind ... , daß
es Philosophen gibt. Das gleiche sollte auch für
• Problem: Technisch funktioniert auch diese Lösung aber sie scheint in der Sache
ungenügend begründet zu sein.
35
(Übung: Überprüfen Sie das!) Damit gelten nun beide Teile von (Sub). Alle Syllogismen in der geänderten Formalisierung stellen sich als gültige Folgerungen im Sinne
der Definition (|=) heraus.
E [¬∃x(Sx ∧ P x)] |= O.
Diese Formalisierung hat den zweiten gewünschten Effekt:
(5) SoP (O) = ¬SaP = ¬(∀x(Sx → P x) ∧ ∃xSx) = ¬∀x(Sx → P x) ∨ ¬∃xSx.
Wie steht es mit der anderen Hälfte, E |= O ? Das Rechteck verlangt, daß A und
O einander widersprechen, daß also A die Negation von O ist, und umgekehrt. Das
bedeutet, daß wir O so formalisieren müssen:
hat sogleich den ersten gewünschten Effekt für A |= I [= ∃x(Sx ∧ P x)] — |= hier im
Sinne der Def. (|=), d.h. ohne Einschränkung! Das ist die eine Hälfte von (Sub).
(4) SaP (A) = ∀x(Sx → P x) ∧ ∃x(Sx),
Der Vorschlag, SaP so wiederzugeben:
Syllogismen in der Prädikatenlogik
|=M ¬A
|=M A ∧ B
|=M A → B
|=M ∀xA
|=M ∃xA
gdw
gdw
gdw
gdw
gdw
|=M A
|=M A und |=M B
|=M A oder |=M B
für alle M ∈ Mx : |=M A(x)
für mindestens ein M ∈ Mx : |=M A(x)
:LQWHUORJLNIRO
Syllogismen in der Prädikatenlogik
38
QED
:LQWHUORJLNIRO
(4) gibt uns unmittelbar (a). Aus |=N M x und (3) folgt |=N P x, d.h. (b).
(3) Für alle M ∈ Mx : |=M P x oder |=M M x; und
(4) es gibt ein N ∈ Mx : |=N Sx und |=N M x.
Wenn wir (1) und (2) auspacken (nach (∀) und (→), bzw. nach (∃), (∧) und (¬)),
dann erhalten wir:
(Zu zeigen ist, daß |=M ∃x(Sx ∧ ¬P x), d.h. nach (∃), daß es ein N ∈ Mx gibt mit
|=N Sx ∧ ¬P x, was nach (∧) und (¬) bedeutet, daß (a) |=N Sx und (b) |=N P x.)
(1) |=M ∀x(P x → M x) und (2) |=M ∃x(Sx ∧ ¬M x)
Verifikation: Wir betrachten ein beliebiges Modell M und nehmen an, daß
(Einfache) Formalisierung: ∀x(P x → M x), ∃x(Sx ∧ ¬M x) |= ∃x(Sx ∧ ¬P x).
Jeder wahre Patriot ist ein Freund der Religion
Einige große Staatsmänner sind keine Freunde der Religion
Einige große Staatsmänner sind keine wahren Patrioten
Instanz (Whateley):
Beispiel: Baroco P aM SoM / SoP .
37
(|=) C folgt aus den Prämissen A und B (A, B |= C) genau dann, wenn für beliebige M gilt: Unter den Annahmen |=M A und |=M B ist |=M C.
Die Erfüllungsbedingungen für Primformeln und für Disjunktionen werden jetzt nicht
gebraucht. Und ebenfalls noch einmal zur Erinnerung:
(¬)
(∧)
(→)
(∀)
(∃)
Es sei M = (U, I) ein Modell für die MPL. Zur Erinnerung:
Verifikation von Syllogismen in monadischer PL
Syllogismen in der Prädikatenlogik
Einige große Staatsmänner sind keine Freunde der Religion
Jeder wahre Patriot ist ein Freund der Religion
Kein wahrer Patriot ist ein großer Staatsmann
Syllogismen in der Prädikatenlogik
:LQWHUORJLNIRO
−
−
+
+
S
+
⎜
P ⎝−
M +
⎟
⎠
⎞
40
:LQWHUORJLNIRO
(Die Lücken in der P -Zeile deuten an, daß es gleichgültig ist ob P auf 2 oder 3
zutrifft (+) oder nicht (−). Die Matrix bescheibt also vier Modelle für Γ.)
3
2
⎛
1
Wir testen die Konsistenz von Γ = {∃x(P x ∧ ¬M x), ∀x(Sx → M x), ∃x(Sx ∧ ¬P x)}.
(Falls Γ konsistent ist, kann der Schluß nicht gültig sein.) Wir kürzen ab: Im dritten
Schritt stoßen wir gleich auf mehrere Modelle für Γ mit U = {1, 2, 3}. Darin verteilen
die Interpretationen I die Elemente über S, P und M so:
(Einfache) Formalisierung: ∃x(P x ∧ ¬M x), ∀x(Sx → M x) |= ¬∃x(Sx ∧ ¬P x).
Instanz:
Beispiel: P oM SaM/SeP . (Das ist oae in II)
39
Übung: Wir beschreiben hier nur in kurzer Form das Resultat des Verfahrens. Verifizieren Sie das Resultat, indem Sie das Verfahren Schritt für Schritt, d.h. wie zuvor
ausführlich beschrieben, durchführen.
• Ähnliches gilt für Gegenbeispiele zu Modi, die keine Syllogismen sind. Diese
lassen sich recht einfach gescheiterten Verifikationsversuchen entnehmen. Wir
können uns jedoch auch des Entscheidungsverfahrens für Folgerung in monadischen
Prädikatensprachen bedienen. /...
· Schließlich zwingt ein elementares Verständnis der deutschen Wörter “nicht”,
“oder”, “und”, “alle” und “es gibt” den Blick auf das richtige Ergebnis.
· Die Komplexität der Formeln wird durch die Erfüllungsbedingungen für die
Junktoren und Quantoren bis zu den Primformeln in eindeutiger Weise heruntergebrochen.
· Die Übertragung in die Formelsprache folgt vier einfachen Mustern.
• Die Nachweise haben etwas Mechanisches an sich (wie alle guten Methoden zur
“Ausrechnung” syllogistischer Modi):
• Das Beispiel ist typisch: Jeder Nachweis, daß ein Syllogismus ein gültiger Schluß im
Sinne von |= ist, folgt diesem Muster.
Syllogismen in der Prädikatenlogik
09PLsemantik1 161226.1401
André Fuhrmann
:LQWHUORJLNIRO
:LQWHUORJLNIRO
Logik im Winter 2016-17
Prädikatenlogische Sprachen (6):
Semantik der allgemeinen PL
Goethe-Universität
Frankfurt am Main
Institut für Philosophie
41
• Reines Vergnügen an einfallsreicher Abstraktion und Systematisierung.
• Graphische Darstellungen logischer Schlüsse.
• Als Nebenprodukte: Auch heute noch interessante Theorien zur Struktur und Semantik von Aussagen. In mancher Hinsicht ist die Syllogistik die Keimzelle der
modernen Sprachphilosophie.
• Über mehr als 2000 Jahre wichtiger Teil der Philosophiegeschichte (nicht nur des
Abendlandes).
Warum es dennoch lohnt, sich mit Syllogistik zu beschäftigen:
• Die Semantik der Prädikatenlogik ist eine einfache Theorie für eine viel umfassendere Familie von Folgerungen.
• Die traditionelle Syllogistik ist eine komplizierte Theorie für eine eng umschriebene
Familie von Folgerungen.
Zusammenfassung
Zusammenfassung
:LQWHUORJLNIRO
[P n (t0 ...tn )] = 1 gdw I(P n )([t0 ], ..., [tn ]) = 1.
[t] = I(t), falls t in VAR oder in IND.
[f (t0 , ...tm )] = I(f )([t0 ], ..., [tm ]).
3
:LQWHUORJLNIRO
An einfachen Beispielen wird der Sinn dieser Gleichung schnell deutlich. /...
(T.b)
Wenn t ein komplexer Term ist, also t = f (t0 , ...tm ), denn ist
(T.a)
Wenn ein Term t eine Variable oder eine Konstante ist, dann ist [t] = I(t); also zB
[x] = I(x) = 2, [1] = I(1) = 1. Das ist der erste Teil unserer Festlegung für die
Interpretation von Termen:
(P )
2
Erste Theorie: Variablen interpretieren
[P n (t0 ...tn )] = 1 gdw I(P n )([t0 ], ..., [tn ]) = 1.
(Die spitzen Folgeklammern lassen wir jetzt weg.)
(P )
so verallgemeinern:
Diese beiden Einschränkungen sind einfach aufzuheben, indem wir die Klausel für
Primformeln
[P t] = 1 gdw I(P )(I(t)) = 1
· Terme sind nur Individuenkonstanten und Variablen (keine Termbildung durch
Funktionen).
· Prädikatausdrücke sind höchstens einstellig (MPL), und
Am Ende der letzten VL haben wir eine Bedeutungstheorie für prädikatenlogische
Sprachen mit zwei Einschränkungen angegeben:
Erste Theorie: Variablen interpretieren
Erste Theorie: Variablen interpretieren
Erste Theorie: Variablen interpretieren
:LQWHUORJLNIRO
... = Plus(Plus(1, 1), Minus(2, 1)) nach (T.a) und dem, was wir für I
im Modell vereinbart haben; d.h. [+(+(1, x) − (2, x))] = 3.
[+(+(1, x) − (2, x))] = I(+)(I(+)([1], [x]), I(−)([2], [x])) nach (T.b).
2. Nehmen wir an, daß im gerade betrachten Modell außerdem I(x) = 1 und I(−) =
Minus. Dann gilt für (1 + x) + (2 − x), d.h. (Präfix!) +(+(1, x), −(2, x)) :
... = Plus(1, 2) im betrachteten Modell; d.h. [+(1, 2)] = 3.
... = I(+)(I(1), I(2)) nach (T.a);
[+(1, 2)] = I(+)([1], [2]) nach (T.b);
5
(∀)
(∃)
[∀xA]M = 1 gdw [A]M = 1, für alle M ∈ Mx .
[∃xA]M = 1 gdw [A]M = 1, für mindestens ein M ∈ Mx .
:LQWHUORJLNIRO
• Sodann sei Mx die Menge aller x-Varianten von M = (U, I), d.h. die Menge aller
Modelle M = (U, I ) mit I ∼x I.
• I ∼x I gdw für alle von x verschiedenen (elementaren) Ausdrücke φ der Sprache:
I (φ) = I(φ). (Man beachte: I ∼x I !)
Wir definieren zunächst die Relation ∼x der x-Varianz zwischen Interpretationen in
einem Bereich U :
Schließlich seien hier noch einmal die Klauseln für die Quantoren wiederholt.
4
[t] = I(t), falls t in VAR oder in IND;
[f (t0 , ...tm )] = I(f )([t0 ], ..., [tm ]).
1. Der Term +(1, 2) (oder 1+2, wie wir gewöhnlich schreiben) bezeichnet die Zahl 3
in einem Modell mit I(1) = 1, I(2) = 2 und I(+) = Plus. Warum? Nun,
Beispiele:
(T.a)
(T.b)
Erste Theorie: Variablen interpretieren
:LQWHUORJLNIRO
Zweite Theorie: Variablen belegen
7
:LQWHUORJLNIRO
Im Gegensatz zu Qa kann die gesuchte Eigenschaft von P x jedoch nicht ihr
Wahrheitswert sein, denn offene Formeln sind ja weder wahr noch falsch. Wir
brauchen also eine Eigenschaft, die auf offene wie auf geschlossene Formeln zutreffen
und die gewünschte Rolle in der Bestimmung des Wahrheitswertes von ∀x(P x ∧ Qa)
spielen kann.
der offenen Formel P x und der geschlossenen Formel Qa.
und diese wiederum von Eigenschaften
P x ∧ Qa
ab von bestimmten Eigenschaften der Formel
∀x(P x ∧ Qa)
Nun hängt aber der Wahrheitswert eines Satzes wie
6
• Viele Logiker möchten sagen: Offene Formeln unterscheiden sich von geschlossenen
Formeln (Sätzen) nicht nur syntaktisch. Semantisch unterscheiden sie sich darin,
daß Sätze, nicht aber offene Formeln (in einem Modell) wahr oder falsch sind.
• Wir könnten sagen, daß die Wahrheit von 2 + x = 4 nur eine relative ist: relativ
zum Wert von x unter I. — Aber das gilt ebenso für 2 + 2 = 4. Auch die Wahrheit
dieses Satzes ist u.a. relativ zur Bedeutung von 2 im betrachteten Modell.
• In jedem Modell ist eine offene Formel wie 2 + x = 4 ebenso wahr (1) oder falsch
(0) wie ein Satz 2 + 2 = 4. Denn in jedem Modell erhält die Variable x durch die
Interpretation I ebenso eine Bedeutung wie die Konstante 2.
Die erste Theorie ist einfach, hat aber (vielleicht) einen kleinen Schönheitsfehler.
Zweite Theorie: Variablen belegen
Zweite Theorie: Variablen belegen
Zweite Theorie: Variablen belegen
:LQWHUORJLNIRO
I(a) ∈ U
I(f n ) : U n −→ U
I(P n ) ...
9
(v)
h(x) ∈ U
:LQWHUORJLNIRO
• Sodann nehmen wir zu jedem Modell M eine Belegung h hinzu, welche jede Variable x der Sprache mit einem Wert in U belegt:
(Für Prädikatausdrücke müssen wir uns gleich etwas neues einfallen lassen.)
(n)
(f)
(P)
• In einem Modell (U, I) ist I zuständig für die Interpretation aller elementaren
Audrücke, ausgenommen der Variablen! D.h., wie zuvor, gilt für Individuenkonstanten a, Funktionsausdrücke f und Prädikatausdrücke P :
Die Idee ist sehr einfach:
8
Die jetzt zu besprechende Theorie geht im Grunde so vor. Um das gerade skizzierte
Problem zu lösen, hat Alfred Tarski die Eigenschaft der Erfüllung einer (geschlossenen oder offenen) Formel in einem Modell unter einer Belegung der Variablen
eingeführt. Diese Behandlung darf als klassisch gelten und findet sich in vielen
Lehrbüchern der Logik. Unter Philosophen ist sie als Tarskis semantische Definition der Wahrheit bekannt.
• Im Rahmen der Interpretationstheorie könnten wir sagen, daß die semantischen
Werte 1 und 0 — entgegen dem Eindruck, den wir bisher erweckt haben — nicht
für die Wahrheitswerte Wahr und Falsch, sondern für etwas Allgemeineres stehen,
das auch Wert offener Formeln wie 2 + x = 4 sein kann. (Vieleicht sollten wir nicht
“1” und “0”, sondern “#” und “$” schreiben.) Am Ende könnten wir dann sagen,
daß eine Formel A in einem Modell wahr im eigentlichen Sinne ist, wenn A in dem
Modell den Wert 1 (#) hat und geschlossen, also ein Satz ist.
Zweite Theorie: Variablen belegen
Zweite Theorie: Variablen belegen
:LQWHUORJLNIRO
11
:LQWHUORJLNIRO
Erfüllung ist also der allgemeinere Begriff, der auf beliebige Formeln angewandt wird;
Wahrheit ist der speziellere Begriff, der nur auf geschlossene Formeln zutreffen kann.
• A ist gd ein wahrer Satz (in M ), wenn A eine geschlossene Formel ist, die unter
jeder Belegungen (in M ) erfüllt ist.
Tarskis Idee: In einem Modell zusammen mit einer Belegung der Variablen ist für
jede Formel bestimmt, ob diese erfüllt ist oder nicht. Wenn in einer Formel keine
freien Variablen vorkommen, kommt es auf die gewählte Belegung offenbar nicht an
— solche Formeln werden unter keiner oder jeder Belegung erfüllt.
· Die Formel 1 + 2 = 3 ist erfüllt unabhängig von Variablenbelegungen: Sie ist
unter jeder Belegung erfüllt.
· Die Formel 1 + x = 3 wird unter einer bestimmten Belegung der Variablen x
erfüllt, unter einer anderen nicht.
10
· M h erfüllt die Formel 1 + 2 = 3 gdw wenn I(+) =Plus, I(=)=Identität, I(1) =
1, I(2)=2, I(3) = 3 — gleichgültig wie h die Variablen der Sprache belegt.
· M h erfüllt die Formel 1 + x = 3 gdw wenn I(+) =Plus, I(=)=Identität, I(1) =
1, I(3) = 3 — und h(x) = 2.
· Oder etwas anders: Wenn wir die Variable x mit der Zahl 2 belegen, dann hat
die Formel die Eigenschaft, unter dieser Belegung erfüllt zu werden (vorausgesetzt wir interpretieren die anderen Zeichen in der Formel wie gewöhnlich).
· Aber wir können sagen, daß die Zahl 2 die in der Formel ausgedrückte Eigenschaft hat.
· Von der Formel 1 + x = 3 können wir nicht sagen, daß sie wahr oder falsch ist.
Betrachten wir ein Modell M = (U, I) zusammen mit eine Belegung h der Variablen
in U . (Das wollen wir künftig so andeuten: M h.)
Zweite Theorie: Variablen belegen
1
[t]M h =
I(a), falls t = a eine Konstante ist,
h(x), falls t = x eine Variable ist.
M h |= P (t0 ...zn ) gdw ([t0 ]M h , ..., [tn ]M h ) ∈ I(P ),
Zweite Theorie: Variablen belegen
gdw
gdw
gdw
gdw
M h |= A
M h |= A und M h |= B
M h |= A] oder M h |= B
M h |= A oder M h |= B
M h |= ∀xA gdw M h |= A, für alle h ∼x h.
M h |= ∃xA gdw ... Übung ...
13
:LQWHUORJLNIRO
Damit ist Erfüllung in einem Modell unter einer Belegung für alle Formeln
definiert.
(∀)
(∃)
Wir sagen, daß die Belegung h eine x-Variante von h im Bereich U ist (h ∼x h),
falls h und h höchstens im Wert für x voneinander abweichen.
Dann definieren wir schließlich Erfüllung für Quantorenformeln:
M h |= ¬A
M h |= A ∧ B
M h |= A ∨ B
M h |= A → B]
Ferner soll für die Zusammensetzung durch Junktoren folgendes gelten.
12
Vgl. den Exkurs über charakteristische Funktionen in der letzten VL.
wobei
:LQWHUORJLNIRO
Zweistelliges P drückt eine Menge von Paaren aus U aus (intuitiv: die Menge der
Paare, die in der Relation zueinander stehen). Usw.
Einstelliges P drückt eine Menge in U aus (intuitiv: die Menge der Gegenstände,
auf die das Prädikat zutrifft).
I(P n ) ⊆ U n
Dann definieren wir Erfüllung für einfachste Formeln so:
(P )
Prädikatausdrücke interpretieren wir jetzt als Mengen:1
Wir schreiben M h |= A für: Modell M = (U, I) mit Belegung h erfüllt die Formel A.
Wir lassen wieder die Komplikationen, die durch komplexe Terme entstehen beiseite;
die Details sind unschwer zu ergänzen.
Tarskis Definition der Wahrheit
Zweite Theorie: Variablen belegen
Übungen
15
3.e) ∃xP x ist gd wahr in M = (U, I), wenn I(P ) auf etwas in U zutrifft.
:LQWHUORJLNIRO
3.d) A → B ist gd wahr in M , wenn B wahr ist in M , falls A wahr ist in M .
3.c) A ∨ B ist gd wahr in M , wenn A oder B in M wahr ist.
3.b) A ∧ B ist gd wahr in M , wenn A und B in M wahr sind.
3.a) ¬A ist gd wahr in M , wenn A nicht wahr ist in M .
2. Wenn A ein Satz ist, dann wird A gd von einer Belegung (in einem Modell M )
erfüllt, wenn A von allen Belegungen (in M ) erfüllt wird.
1. M h |= ∀xA gdw für alle g: M g |= ∀xA.
:LQWHUORJLNIRO
Zweite Theorie: Variablen belegen
Überzeugen Sie sich von der Richtigkeit der folgenden Behauptungen:
14
Eine Formel A ist gd gültig (logisch wahr) (|= A), wenn A in allen Modellen wahr
ist.
• Eine Formel A ist gd wahr in einem Modell M (M |= A oder |=M A), wenn A
geschlossen und in M unter beliebigen Belegungen erfüllt ist.
Deshalb fordert Tarski für die Eigenschaft der Wahrheit einer Formel, daß diese unter
allen Belegungen erfüllt und geschlossen ist.
· In keinem Modell gibt es eine Belegung h derart, daß h(x) = h(x), oder h(x) ∈
I(P ) und h(x) ∈
/ I(P ). Also werden diese Formeln in allen Modellen unter allen
Belegungen erfüllt.
Nun können wir nicht einfach sagen, eine Formel sei wahr, wenn sie von allen Belegungen erfüllt wird. Viele offene Formeln wären dann wahr in in diesem Sinne, z.B
x = x oder P x → P x.
Zweite Theorie: Variablen belegen
x=x
und
Ax → Ax
∀x(x = x)
und
:LQWHUORJLNIRO
Dritte Theorie: Variablen ersetzen
∀x(Ax → Ax)
17
:LQWHUORJLNIRO
Das ist die Grundidee der Ersetzungsinterpretation (Substitutionsinterpretation)
der Quantoren.
• Zweite (gute) Idee: ∀xAx bedeutet nichts anderes als: Ab für jede Interpretation
eines beliebig gewählten Namens b.
Wenn es nur einen Namen a aber zwei Objekte in U gibt, dann könnte P a wahr
sein obwohl nicht alles in U ein P ist. ∀xP x kann in dem Fall nicht dasselbe bedeuten wie P n für alle verfügbaren Namen n. — Aber könnten wir nicht einfach
die Interpretation von a in U variieren?
Wir wissen, daß die Erste Idee sehr oft nicht funktionieren kann, nämlich wenn es in
dem Bereich, den wir beschreiben möchten, mehr Objekte als Namen gibt.
• Erste (schlechte) Idee: Ganz allgemein bedeutet ∀xAx nichts anderes als: Ab für
jeden Namen b.
16
ausdrücken wollen?
(∀∗)
Im Falle von (*) erzeugt jede solche Einsetzung einen wahren Satz. Ist es nicht genau
dieser Umstand, den wir durch die Quantorenformeln
Wie benutzen wir die Muster in (*) um wahrheitsfähige Sätze zu erzeugen? Indem
wir Namen (Individuenkonstanten) für x einsetzen: a = a, b = b, ...
sind wie Muster für das Hervorbringen wahrer Sätze.
(∗)
Hier ist eine nicht unplausible Sicht der Dinge:
Dritte Theorie: Variablen ersetzen
Dritte Theorie: Variablen ersetzen
I(a) ∈ U
I(P n ) : U n −→ {0, 1}
:LQWHUORJLNIRO
Dritte Theorie: Variablen ersetzen
19
[A ∨ B] = 1 gdw [A] = 1 oder [B] = 1
[A → B] = 1 gdw [A] = 0 oder [B] = 1
:LQWHUORJLNIRO
Die Interpretation der Junktoren bietet keine Überraschungen gegenüber der ersten
Theorie:
[¬A] = 1 gdw [A] = 0
[A ∧ B] = 1 gdw [A] = 1 = [B]
[P n (a0 , ..., an )] = 1 gdw I(P n )(I(a0 ), ..., I(an )) = 1.
Wie beginnen mit den Primsätzen:
18
Nun erweitern wir die Interpretation I elementarer Ausdrücke zu einer Interpretation
[ ]M beliebiger Sätze — offene Formeln haben keine Interpretation! (Das tiefgestellte
M lassen wir jetzt wieder weg.)
(n)
(P)
Für alle Individuenkonstanten a und Prädikate P n ist I wie in der ersten Theorie
bestimmt:
• Variablen haben keine Bedeutungen. (Sie deuten nur Stellen für Einsetzungen in
Formeln an.) Deshalb weist I den Variablen keine Elemente in U zu.
Wieder wollen wir hier von termbildenden Ausdrücken absehen. (Die nötigen Komplikation möge man als Übung nachtragen.) Terme sind also entweder Variablen oder
Individuenkonstanten. Modelle sind wie zuvor vom Typ (U, I).
Die Ersetzungsinterpretation
Dritte Theorie: Variablen ersetzen
[∀xA]M = 1 gdw [A(b/x)]M = 1, für alle M ∈ Mb .
[∃xA]M = 1 gdw [A(b/x)]M = 1, für mindestens ein M ∈ Mb .
Dritte Theorie: Variablen ersetzen
:LQWHUORJLNIRO
21
:LQWHUORJLNIRO
· Wir betrachten ∃x(P a ∧ ¬P x). Für bestimmte Interpretationen von a und P
kann dieser Satz durchaus wahr sein. Angenommen, wir ersetzen x durch a. Das
Resultat, P a ∧ ¬P a kann für keine Interpretation wahr sein. Wir sollten also
besser prüfen, ob es eine Interpretation gibt unter der P a ∧ ¬P b wahr ist.
Die beiden Klauseln (∀) und (∃) stehen unter einer wichtigen Bedingung: Der Name b
muß beliebig gewählt sein, d.h. er darf in A nicht schon vorkommen — er muß für die
Einsetzung an der Variablenstelle frei sein. Warum das wichtig ist, zeigt ein Beispiel.
(∀)
(∃)
Hier ist die Interpretation von Quantorensätzen:
20
I ∼a I für: I weicht von I höchstens in der Interpretation von I in U ab.
Ferner sei Ma = {(U, I ) : I ∼a I} die Klasse der Modelle, die aus M allein
durch Variation von I über a entstehen. (Man beachte wie zuvor, daß M ∈ Ma .)
Dazu variieren wir nicht, wie in der ersten Theorie, die Interpretation von Variablen
— Variablen haben in dieser Theorie ja gar keine Bedeutung! —, sondern die Interpretation von Namen. Wir schreiben (im Kontext eines Modells (U, I))
• Die Idee ist es, in einem Allsatz ∀xAx mögliche Vorkommen von x durch einen Namen b zu ersetzen und dann zu prüfen, ob Ab unter beliebigen Interpretation von b
wahr ist.
Schließlich versehen wir Quantorsätze mit Wahrheitsbedingungen.
Dritte Theorie: Variablen ersetzen
23
:LQWHUORJLNIRO
· Alle drei Theorien interpretieren Allsätze indem sie durch eine jeweils geeignete
Variation alle Objekte des Bereichs im Hinblick auf die jeweils durch eine offene
Formel gegebene Beschreibung prüfen. (Der Existenzquantor kann definiert werden: ∃ = ¬∀¬.)
· Der Interpretation der Junktoren liegen in allen drei Theorien die Wahrheitstafeln zugrunde.
· Primsätze (nicht Primformeln!) behandeln die drei Theorien im wesentlichen auf
gleiche Weise.
Ein Beweis (im eigentlichen Sinne) der Beobachtung würde hier zu weit gehen. Aber
der Beweisgrund ist schnell einzusehen:
Beobachtung 1. Für jedes Modell M = (U, I) in der einen Theorie, gibt es ein
Modell M = (U, I ) in jeder der anderen Theorien so, daß ein Satz A in M gd wahr
ist, wenn A in M wahr ist.
Im Hinblick auf die Frage, welche Sätze logisch wahr sind, stimmen alle drei Theorien überein. Das folgt unmittelbar aus der folgenden
Vergleich der Theorien
Vergleich der Theorien
25
:LQWHUORJLNIRO
• Wenn A in PL eine gültige Formel (oder Γ |= A eine gültige Folgerung, oder Γ eine
inkonsistente Menge) ist, dann gibt es ein mechanisches und endliches Verfahren,
um dies festszustellen.
Für gültige Formeln etc. sieht die Situation besser aus. Deshalb sagt man, daß PL in
folgendem Sinne halb-entscheidbar sei:
Unentscheidbarkeit
:LQWHUORJLNIRO
24
22
:LQWHUORJLNIRO
Die Unentscheidbarkeit der PL liegt natürlich an dem, was sie von der MPL unterscheidet, d.h. an der Präsenz von Relationen in der Sprache. Mehr darüber zu sagen,
würde an dieser Stelle zu weit führen.
• Wenn A in PL eine ungültige Formel (oder Γ |= A eine ungültige Folgerung, oder
Γ eine konsistente Menge) ist, dann gibt es im allgemeinen kein mechanisches und
endliches (= “effektives”) Verfahren, um dies festszustellen.
Die volle Prädikatenlogik, PL, ist dagegen nicht allgemein entscheidbar :
• MPL ist entscheidbar.
Kurz faßt man das so zusammen:
· eine Formelmenge konsistent ist.
· eine Formel aus anderen logisch folgt, bzw.
· eine Formel logisch wahr ist,
Für die monadische Prädikatenlogik (MPL) haben wir ein Verfahren kennengelernt,
daß uns in die Lage versetzt quasi mechanisch und in endlich vielen Schritten zu
entscheiden, ob
Unentscheidbarkeit
Unentscheidbarkeit
• Für jede quantifizierte Formel brauchen wir einen Namen, der für die erforderliche Einsetzung frei ist. Unter bestimmten Bedingungen — die man sich leicht
überlegen kann — kann das ein Problem sein. In diesen Fällen muß man die betrachtete Sprache um bisher nicht gebundene Namen erweitern. Das haben wir in
der Formulierung (∀) bzw. (∃) nicht berücksichtigt. Wenn wir das tun, dann ist die
Theorie nicht mehr ganz so einfach wie auf den ersten Blick.
Die Ersetzungsinterpretation ist der Interpretationstheorie sehr ähnlich, begrifflich
jedoch sauberer, indem sie offenen Formeln keine Wahrheitswerte zuerkennt. Bei
genauerem Hinsehen erkauft sie sich diesen Vorteil jedoch durch eine wesentliche
Komplikation:
Damit ist unser Ziel erreicht.
A ist wahr in M gdw ...
Wenn wir Wahrheit im Modell M als [A]M = 1 definieren, dann liefert unsere Theorie
somit für jeden Satz A eine Wahrheitsbedingung der Form
[A]M = 1 gdw ...
Wir haben jetzt für jeden Satz A der Sprache ein Bikonditional
Dritte Theorie: Variablen ersetzen
:LQWHUORJLNIRO
(2)
27
Bismarck ist der Eiserne Kanzler.
Bismarck ist Bismarck.
(1)
Aufgabe: Schreiben Sie die nötige syntaktische Regel für die Bildung von Zahltermen
(ohne anfängliche Null) auf!
29
:LQWHUORJLNIRO
Satzkontexte wie Ulla weiß, daß ... sind offenbar in einem starken Sinne nichtextensional.
falsch, obwohl doch (1) und (2) denselben Wahrheitswert haben.
(4) Ulla weiß, daß (1)
Weiß Ulla auch, daß (1)? Möglicherweise weiß sie das nicht. Dann ist der Satz
(3) Ulla weiß, daß (2).
Es gibt jedoch auch Satzkontexte, in denen Extensionalität weder durch grammatische Regeln noch durch (endlich viele) Lexikoneinträge gerettet werden kann. Dazu
gehören vor allem die sog. propositionalen Einstellungen. Z.B. sind die folgenden
Sätze (1-3) wahr:
:LQWHUORJLNIRO
◦ In diesem Fall ist das Problem leicht beheben: Durch eine Verschärfung der syntaktischen Regeln lassen wir Zahlterme mit anfänglicher Null systematisch nicht mehr
zu. Dann ist auch die Verkettung von Ziffern im folgenden Sinne extensional:
Wenn [s] = [t] und [u] = [v], dann [su] = [tv].
28
Nachbemerkung: Die Extensionalität von PL-Sprachen
:LQWHUORJLNIRO
◦ Hier helfen separate Einträge ins Lexikon, um Extensionalität zu wahren.
Innerhalb der Einheiten lassen sich bedeutungsgleiche syntaktische Einheiten nicht
gegeneinander austauschen, ohne die Bedeutung des Ganzen zu (zer-)stören.
· ?? der aus dem Element mit der Ordnungszahl 26 beschaffene Kanzler
· der (Eiserne Kanzler)
oder
· ?? Thomas gerät auf eine geneigte Bahn
· Thomas gerät auf eine (schiefe Bahn)
In natürlichen Sprachen gibt es viele wohlgebildete Ausdrücke, die, obwohl syntaktisch komplex, semantische, oft metaphorische (Einheiten) bilden:
In anderen Fällen kann ein solcher Eingriff in die Grammatik nicht zum Ziel führen.
Nachbemerkung: Die Extensionalität von PL-Sprachen
Nachbemerkung: Die Extensionalität von PL-Sprachen
26
Eine Sprache kann nicht durchgehend extensional sein, wenn nicht alle Grundbausteine der Sprache extensional sind. Unser Beispiel zeigt, daß die Operation der
Verkettung arabischen Zahlterme nicht extensional ist.
(Zur Darstellung und philosophischen Bedeutung des Prinzips siehe z.B. Quine, From
Stimulus to Science (1995), pp. 90ff.)
Extensionalität
Für alle Sätze A der Sprache gilt: Wenn (für beliebige Ausdrücke X und X )
[X] = [X ], dann [A] = [A ], wobei A das Resultat der Ersetzung beliebig vieler
Vorkommen von X durch X in A ist.
Wenn wir also Zahlenterme dieser Art in eine PL-Sprache aufnehmen, dann gilt für
eine solche Sprache das folgende Prinzip nicht:
[1] = [01], jedoch [213] = [2013]!
Im arabischen Ziffernsystem ist z.B.
Nachbemerkung: Die Extensionalität von PL-Sprachen
Nachbemerkung: Die Extensionalität von PL-Sprachen
1
Etwas über Definitionen
A ist gd ein Palindrom, wenn ...
2
Es soll hier nur um das Beipiel der Wort-, nicht der Satzpalindrome gehen.
:LQWHUORJLNIRO
• In diesem Sinne ist die Gesamtheit der P-Aussagen (die Gesamtheit der Instanzen
des P-Schemas) eine Definition des Prädikats ist ein Palindrom.
• Die Theorie bestimmt also für jedes Wort A, ob A ein Palindrom ist oder nicht.
Die Gesamtheit dieser P-Aussagen bestimmt den Umfang des Prädikats ist ein Palindrom (für die Sprache L).
(P)
Manche Wörter sind Palindrome, andere nicht.1 Die Frage, welche Wörter (in einer
Sprache L) Palindrome sind, können wir beantworten, wenn wir eine Theorie zur
Verfügung haben, die es erlaubt, für jedes Wort A von L eine (nichtzirkuläre) Aussage der folgenden Art anzugeben:
Was ist ein Palindrom?
Etwas über Definitionen
10PLsemantik2 161220.1054
André Fuhrmann
:LQWHUORJLNIRO
Logik im Winter 2016-17
Prädikatenlogische Sprachen:
Exkurs zu Tarskis Wahrheitstheorie
Übergang zur Aussagenlogik
Goethe-Universität
Frankfurt am Main
Institut für Philosophie
Etwas über Definitionen
:LQWHUORJLNIRO
4
:LQWHUORJLNIRO
sind alles Begriffe, die recht einfach sind und zu deren Verständnis man nicht wissen
muß, was ein Palindrom ist.
vorn, hinten, lesen, gleich
Auf die Definition (Q) trifft das sicher zu:
◦ Ob die Bedingung (b) erfüllt werden kann, hängt davon ab, ob einfachere Begriffe
zur Verfügung stehen.
“Einfacher” bedeutet hier insbesondere, daß die in der Analyse verwendeten
Begriffe verstanden werden können, ohne auf den zu analysierenden Begriff
zurückzugreifen—alles andere wäre zirkulär.
(Beispiele von deutschen Palindromen: Egge, Anna, Hannah, Retter, Rentner, Reittier, Reliefpfeiler, Retsinakanister.)
(Q) Ein Palindrom ist ein Wort, das von vorn und von hinten gelesen gleich bleibt.
(b) Die Definition soll eine Analyse des Begriffs Palindrom mithilfe einfacherer Begriffe angeben, etwa so:
Hier ist eine weitere mögliche Wunschbedingung:
3
Das liegt meist daran, daß der Definition keine durchgehend systematische Idee zugrunde liegt. Dennoch sind solche Begriffe wohldefiniert.
(Beispiel : Der Begriff eines deutschen Autokennzeichens. Eine Abfolge von Zeichen ist gd ein deutsches Autokennz., wenn ... )
◦ Viele Definitionen sind zwar endlich aber sehr lang und wenige lernen den so
definierten Begriff jemals in seiner Gänze.
Die Bedingung (a) ist offenbar wichtig, damit der definierte Begriff überhaupt in endlicher Zeit in Gänze verstanden werden kann.
(a) Die Definition soll keine unendliche Liste, sondern überschaubar, d.h. endlich
darstellbar sein.
Abgesehen von einer Ja/Nein-Antwort auf die Frage ob A ein Palindrom sei (für jeden Ausdruck A), können wir uns wünschen, daß die Definition weitere Eigenschaften
haben möge, z.B.
Etwas über Definitionen
(a1 · · · an ) gd ein Palindrom, wenn (a1 · · · an ) = (an · · · a1 ).
Etwas über Definitionen
:LQWHUORJLNIRO
6
:LQWHUORJLNIRO
· Oder: “Gleichheit ist diejenige Beziehung R, die jeder Gegenstand zu sich selbst
und zu keinem anderen unterhält”.
∀x(Rxx ∧ ∀y(x = y → ¬Rxy))??
· x = y gdw ... — Was könnte für ... stehen, das nicht schon den Begriff der
Gleichheit voraussetzt?
• Darüberhinaus sind einige Begriffe (z.B. Gleichheit) schon so einfach, daß weitere
Analysen wenig sinnvoll und vielleicht (ohne Zirkularität) gar nicht möglich sind.
• Es ist nicht Aufgabe einer Definition des Begriffs Palindrom eine Analyse der
Gleichheitsbeziehung vorzulegen.
An diesem Punkte sollten wir so antworten:
· “Die Definitionen (Q) und (PQ) sind keine befriedigenden Analysen des Begriffs
Palindrom.”
Solange wir keine befriedigende Antwort auf diese Frage haben, könnten wir sagen:
· Was macht zwei Buchstabenfolgen gleich?
Vielleicht befriedigen uns die Definitionen (Q) und (PQ) nicht, weil in ihnen zB der
Begriff der Gleichheit unanalysiert vorkommt.
5
Das sind im Falle von (PQ) wieder der Begriff der Gleichheit sowie der Begriff
einer Folge und der Umkehrung einer Folge (was vorne war, ist nun hinten).
Auch um diese Definition zu verstehen, müssen die Termini auf der rechten Seite einfacher und unabhängig von dem sein, was analysiert (definiert) wird.
(PQ)
auch so in die Form von (P) (... gdw ...) bringen: Es sei (a1 · · · an ) eine Folge von
Buchstaben, die ein Wort bildet. Dann ist
(Q) Ein Palindrom ist ein Wort, das von vorn und von hinten gelesen gleich bleibt.
Übrigens können wir die Definition
Etwas über Definitionen
A ist gd wahr, wenn ...
Etwas über Definitionen
:LQWHUORJLNIRO
8
:LQWHUORJLNIRO
• wir haben Wahrheitsteorien für beliebige prädikatenlogische Sprachen vorgelegt!
Die zweite dieser Theorien (die Theorie, die mit Variablenbelegungen und einer
Erfüllungsrelation arbeitete) ist im wesentlichen Alfred Tarskis (1901–1983) semantische Theorie der Wahrheit.
In den letzten Vorlesungen haben wir für prädikatenlogische Sprachen (bzw. für die
PL-Fragmente beliebiger Sprachen) Theorien vorgelegt, die systematisch T-Aussagen
generiert. Mit anderen Worten,
7
• In diesem Sinne ist die Gesamtheit der T-Aussagen (die Gesamtheit der Instanzen
des T-Schemas) eine Definition des Prädikats ist wahr.
• Die Theorie bestimmt also für jeden Satz A, ob A wahr ist oder nicht.
Die Gesamtheit dieser T-Aussagen bestimmt den Umfang des Prädikats ist wahr (für
die Sprache L).
(T)
Manche Sätze sind wahr, andere nicht. Die Frage, welche Sätze (in einer Sprache L)
wahr sind, können wir beantworten, wenn wir eine Theorie zur Verfügung haben, die
es erlaubt, für jeden Satz A von L eine (nichtzirkuläre) Aussage der folgenden Art
anzugeben:
Was ist Wahrheit?
Etwas über Definitionen
Tarskis semantische Theorie der Wahrheit
:LQWHUORJLNIRO
10
:LQWHUORJLNIRO
(Sätze sind vermutlich bedeutungsgleich, wenn sie “notwendig” —in einem besonders
starken, noch zu erläuterndem Sinn— unter denselben Bedingungen wahr (Zirkel!)
sind.)
“Neve e bianco” ist gd wahr, wenn es (in der Theorieprache) einen bedeutungsgleichen Satz p gibt, so daß p.
• “Methodologisch korrekt”: Die Definition von Wahrheit darf nicht Begriffe benutzen, die selbst (vermutlich) nur unter Rückgriff auf den Wahrheitsbegriff
definiert werden können. Also zB
· ObjS und MetaS können zusammenfallen: zB eine Wahrheitstheorie in deutscher
Sprache (MetaS) für deutsche Sätze (ObjS). Das ist der sogenannte homophone
Fall einer Wahrheitstheorie: “Schnee ist weiß” ist gd wahr, wenn Schnee weiß ist.
(T) “Neve e bianco” ist gd wahr, wenn Schnee weiß ist.
• “Inhaltlich adäquat”: Für jede Aussage x der Objektsprache (ObjS) wird eine
Wahrheitsbedingung (in unserer Theoriesprache/Metasprache, MetaS) angegeben:
x ist wahr gdw p, wobei p zur Theoriesprache gehört. Also zB:
9
Das Grundproblem ist die Konstruktion einer methodologisch korrekten und inhaltlich
adäquaten Definition der wahren Aussagen. In dieser Definition sollen diejenigen
Intuitionen realisiert werden, die in der sogenannten klassischen Auffassung des
Wahrheitsbegriffs enthalten sind, also in derjenigen Auffassung, derzufolge “wahr”
soviel als “mit der Wirklichkeit übereinstimmend” bedeutet. Genauer gesagt, als
adäquat in bezug auf eine gegebene Sprache betrachte ich eine solche Wahrheitsdefinition aus der sich alle Thesen von der folgenden Gestalt ergeben: “x ist wahr dann
und nur dann, wenn p”, wo anstatt p eine beliebige Aussage der untersuchten
Sprache und anstatt x ein beliebiger Individualname dieser Aussage zu setzen ist [der
homophone Fall, s.u.]. Beim Konstruieren der Definition vermeide ich von den Begriffen semantischen Inhalts Gebrauch zu machen, deren Präzisierung zumindest dieselben Schwierigkeiten bietet wie diejenige des Wahrheitsbegriffs. (23)
Aus Der Wahrheitsbegriff in den Sprachen der deduktiven Disziplinen (1932):
Alfred Tarski, insbes. “Der Wahrheitsbegriff in den formalisierten Sprachen” (1935)
und “The semantic conception of truth” (1944), beide häufig wiederabgedruckt.
Tarskis semantische Theorie der Wahrheit
Tarskis semantische Theorie der Wahrheit
Ist das alles?
Ist das alles?
:LQWHUORJLNIRO
Der Satz “A” ist wahr gdw A.
12
:LQWHUORJLNIRO
· Man beachte, daß der homophone Fall (T) nur scheinbar trivial ist. Die Trivialität verschwindet sogleich, wenn wir ihn mit heterophonen Fälle vergleichen.
Links wird der Satz genannt (zitert), rechts wird er gebraucht.
(T)
Im Fall, daß Theorie- und Objektsprache identisch sind (der sogenannte homophone
Fall: zB Theorie der Wahrheit in deutscher Sprache für deutsche Sätze) können wir
kürzer so formulieren:
Der Satz A ist wahr gdw der Fall ist, was A besagt.
Tarskis Theorie erzeugt die Gesamtheit aller Schemata der Form
Ist Tarskis Definition der Wahrheit eine Definition der Wahrheit, die Philosophen befriedigen kann?
11
“Sokrates ist Grieche” ist gd wahr, wenn Sokrates Grieche ist.
Wenn nun in M = (U, I) die Menge U den Bereich unserer Welt und I die
gewöhnliche Interpretation des Deutschen darstellt, M also unser “natürliches” Modell ist, dann besagt (*) nichts anderes als:
(*) “Sokrates ist Grieche” ist gd wahr in M , wenn [“Sokrates”]M ∈ [“Grieche”]M .
zu erzeugen. Was tritt an die Stelle der Ellipse? Betrachten wir einen konkreten Satz:
A ist gd wahr im Modell M = (U, I), wenn ... in M .
Am Ende erlaubt es die Theorie, für jeden Satz A der Sprache ein Bikonditional der
Form
Wie löst Tarski das “Grundproblem” (Konstruktion einer korrekten und adäquaten
Definition)? Im wesentlichen genauso wie in der bereits vorgestellten zweiten semantischen Theorie der PL.
Tarskis semantische Theorie der Wahrheit
14
:LQWHUORJLNIRO
Alles, was wir über das “Wesen” der Wahrheit wissen, wäre dann in (T) zusammengefaßt.
· Wahrheit ist vielleicht ein so einfacher, grundlegender Begriff, daß er nicht weiter
analysiert werden kann.
• Für das Fehlen einer Analyse könnte es eine Erklärung geben: Vielleich ist im Falle
der Wahrheit —wie im Falle der Identität— die Voraussetzung für eine Analyse
nicht gegeben:
Von (T) kann nicht wirklich gesagt werden, daß es Wahrheit unter Rückgriff auf
einfachere Begriffen analysiert.
(Der Begriff dient dazu, Erfüllungsbedingungen von offenen Formeln unter Belegungen und daraufhin Wahrheitsbedingungen von quantifizierten Sätze angeben
zu können.)
16
:LQWHUORJLNIRO
Einführende Literatur : Paul Horwich, Truth, Oxford (Blackwell) 1998 (2. Aufl.).
· Sie verwechseln Wahrheit mit verschiedenen epistemischen Eigenschaften oder
schlagen ohne unabhängige Gründe eine Reform des Wahrheitsbegriffs vor.
· Sie generieren nicht alle Instanzen des T-Schemas, sind also material inadäquat.
· Sie erklären Aussagen zugleich für wahr und falsch oder relativieren Wahrheit in
unplausibler Weise.
Ist das alles?
:LQWHUORJLNIRO
◦ In (T) steckt allenfalls eine Analyse des Begriffs Wahrheit mithilfe des Begriffs der
Erfüllung. Aber letzterer Begriff hat eigentlich nur eine technische Bewandnis, wie
wir gesehen haben.
Alle diese Theorien haben eine oder mehrere der folgenden Fehler :
15
· Sie können ihre Schlüsselbegriffe nicht hinreichend oder nur zirkulär erklären.
3. Analyse
Ist das alles?
:LQWHUORJLNIRO
· Esoterische Theorien: Wahr ist, was sich einem Eingeweihten enthüllt.
· Epistemische Theorien: Wahrheit steht unter bestimmten epistemischen Bedingungen; insbesondere ...
– Verifikationismus: wahr ist, was nachprüfbar/verifizierbar ist (auf lange Sicht
oder auch nur im Prinzip).
– Pragmatistische Theorien: Wahr ist, was sich im Handeln bewährt.
– Diskurstheorien: wahr ist, worauf man sich am Ende eines idealen Gesprächs
einigen würde.
· Kohärenztheorien: Eine Aussage ist wahr, wenn sie in ein besonders
kohärentes Überzeugungssystem paßt.
· Korrespondenztheorien: Eine Aussage ist wahr, wenn sie mit der Wirklicheit
übereinstimmt/korrespondiert — wobei “Korrespondenz” in einem Sinne bestimmt werden soll, der über das T-Schema hinausgeht.
Antwort: Die Allgegenwart von Wahrheit und die damit zusammenhängenden die
Mißerfolge von Versuchen einer reduktiven Analyse (vgl. Identität).
Frage: Was würde die These, daß Wahrheit ein einfacher, unreduzierbarer Begriff ist,
plausibel machen?
Ist das alles?
◦ (P) bietet eine Analyse des Begriffs Palindrom in einfacheren Begriffen an.
13
◦ (T) erklärt die Eigenschaft eines Satzes (oder einer Aussage) wahr zu sein, im
Rückgriff auf die Bestandteile des Satzes (bzw. der Aussage).
◦ (P) erklärt die Eigenschaft eines Wortes ein Palindrom zu sein, im Rückgriff auf die
Bestandteile (die Buchstaben) eines Wortes.
◦ Die Definitionen sind endlich darstellbar.
Beide Definitionen sind auch übersichtlich und erklärend.
Für jeden Satz der Sprache (für jedes Wort der Sprache) legt die Definition fest, ob
er wahr ist (ob es ein Palindrom ist). Beide Definitionen sind—in Tarskis Worten—
material adäquat.
2. Übersichtlichkeit und Erklärungskraft
(P) Das Wort W ist ein Palindrom gdw W von vorne und von hinten gelesen gleich
ist.
Zunächst ist festzuhalten, daß Tarskis Definition der Wahrheit genauso erfolgreich ist
wie die Definition eines Palindroms,
1. Materiale Adäquatheit
Ist das alles?
Tarski und der Lügner
Tarski und der Lügner
:LQWHUORJLNIRO
18
:LQWHUORJLNIRO
... insbesondere legt die Analyse der bekannten Antinomie vom Lügner den Schluß
nahe, daß auf dem Boden der Umgangssprache (und in Bezug auf sie) nicht nur eine
exakte Definition, sondern auch die konsequente Anwendung des Wahrheitsbegriffes
schlechthin unmöglich sind. ¶ Im folgenden beschränke ich mich auf die Betrachtung
von Kunstsprachen ... (23)
So scheint selbst die Möglichkeit eines konsequenten und dabei mit den Grundsätzen
der Logik und dem Geiste der Umgangssprache übereinstimmenden Gebrauchs des
Ausdrucks “wahre Aussage” und, was daraus folgt, die Möglichkeit des Aufbaus
irgend welcher korrekten Definitionen dieses Ausdrucks sehr in Frage gestellt. (19)
Tarski selbst war skeptisch, ob sich seine Definition der Wahrheit auf natürliche
Sprachen anwenden ließe. So schreibt er in Der Wahrheitsbegriff in den Sprachen der
deduktiven Disziplinen (1932):
17
Aber damit sagen wir nichts über das Wesen der Wahrheit, sondern etwas über (das
Wesen von?) Überzeugungen, Erklärungen, vernünftige Methoden, moralische Urteile,
Romane etc. Gerade einfache Begriffe zeichnen sich dadurch aus, daß sie in den verschiedensten Zusammenhängen allgegenwärtig sind!
· Ein guter Roman drückt auf seine ganz eigene Weise eine Wahrheit aus.
· Manchmal ist es besser, die Unwahrheit zu sagen.
· Ethische Theorien können weder wahr noch falsch sein.
· Wissenschaftliche Methoden sind dem Auffinden der Wahrheit förderlich.
· Der Erfolg einer Theorie wird am besten durch die Annahme ihrer Wahrheit
erklärt.
· Manchmal ist es besser, die Wahrheit nicht zu kennen.
· Wir streben im allgemeinen nach wahren Überzeugungen.
Daß der Kern des Wahrheitsbegriffs im T-Schema liegt, schließt nicht aus, daß wir
vieles weitere über Wahrheit sagen — manches davon wahr, anderes falsch. ZB:
4. Epitheorie
Ist das alles?
20
19
Tarski und Gödel in Wien, 1935
:LQWHUORJLNIRO
:LQWHUORJLNIRO
Tarski und der Lügner
• Tarski: Unser alltäglicher Begriff von Wahrheit ist widersprüchlich.
◦ Tarski behauptet daher, daß es gar keine konsistente Theorie von Wahrheit als
Eigenschaft von natürlichsprachigen Sätzen geben kann.
◦ Jede Definition, Analyse oder auch nur flüchtige Skizze von Wahrheit in natürlichen
Sprachen wird zwei sehr schwache und unvermeidliche Bedingungen erfüllen und
dadurch allein widersprüchlich werden.
Tarskis Skepsis und seine Beschränkung auf Sprachfragmente, die sich in die Form
einer Kunstsprache bringen lassen, ist sicher nicht so zu deuten, daß er empfiehlt für
natürliche Sprachen eine ganz andere Definition der Wahrheit zu suchen.
Tarski und der Lügner
Wahrheit
Tarski und der Lügner
:LQWHUORJLNIRO
22
:LQWHUORJLNIRO
(1) Man kann sich in der deutschen Sprache auf deutsche Ausdrücke beziehen.
Nach diesem Schema sagt (5) nichts anderes als (1) — und (1) ist, wie wir wissen,
wahr:
(Die Anführungszeichen deuten hier irgendeine Methode an, sich auf einen Satz zu
beziehen; zB auch durch Anhängen eines “Nummernschilds”.)
T. “P ” ist wahr gdw P .
Satz (5) ist natürlich ein deutscher Satz. Übrigens ist (5) wahr. Um die Wahrheit
eines Satzes wie (5) nachzuprüfen, geht man nämlich auch im Deutschen immer von
der Binsenwahrheit des T-Schemas aus:
(5) (1) [s.u.] ist wahr.
Das Wahrheitsprädikat ist einer der semantischen Termini, unter dem die deutsche
Sprache abgeschlossen ist. Sie können zB sagen
21
Und natürlich sind Sätze die Subjekte von (3) und (4) und die Bezüge oder Bedeutungen von Sätzen stehen dort in der Objekt-Position usw. — So weit, so gut.
(4) der Satz (2) sagt etwas über die Bedeutungen solcher Ausdrücke, nämlich, daß
man über sie etwas sagen kann.
(3) Der Satz (1) nimmt auf deutsche Ausdrücke Bezug —inklusive auf sich selbst—
und sagt etwas über sie; und
(2) man kann auf Deutsch über die Bedeutungen deutscher Ausdrücke etwas sagen.
(1) Man kann sich in der deutschen Sprache auf deutsche Ausdrücke beziehen, und
Natürliche Sprachen enthalten ihre eigenen semantischen Termini — sie sind semantisch abgeschlossen:
Was ist das Problem?
Tarski und der Lügner
Wahrheit + Selbstbezüglichkeit
24
:LQWHUORJLNIRO
• Vielleicht sollten wir daher sagen, daß (7) weder wahr noch falsch ist. Dann
würde hier so etwas wie eine Wahrheitswertlücke im Deutschen entstehen. Auch
das ist noch kein Problem für eine Bedeutungstheorie: Dann gibt es halt grammatisch richtige Sätze, die keine Bedeutung haben.
• Sie haben weder einen guten Grund (7) wahr zu nennen, noch einen guten Grund
ihn falsch zu nennen.
Ist (7) wahr oder falsch?
— nichts, was wir nicht schon gewußt hätten.
(7) ist wahr ↔ (7) ist wahr
:LQWHUORJLNIRO
Tarski und der Lügner
Wenn wir jetzt rechts in T7 den Satz (7) einsetzen, dann erhalten wir
T7. (7) ist wahr ↔ (7).
Nach dem T-Schema gilt
(7) (7) ist wahr.
Ebenso steht es um den folgenden Satz:
23
sind auch wahre selbstbezügliche Sätze. Noch immer kein Problem.
Dieser Satz ist selbstbezüglich.
Dieser Satz besteht aus sechs Wörtern.
Nomen, Verb, Adjektiv: Alles, wie es die Regeln des deutschen Satzbaus verlangen.
Der Satz ist selbstbezüglich. Na und?
(6) (6) ist ein deutscher Satz.
Auch (6) ist ein deutscher Satz:
Selbstbezüglichkeit
Tarski und der Lügner
Inkonsistenz impliziert Trivialität
Tarski und der Lügner
:LQWHUORJLNIRO
A ∧ ¬A → B(lahblah)
26
ist daher trivial und also wertlos.
· unter klassischer logischer Konsequenz abgeschlossen ist,
· die Bildung von Lügnersätzen wie (8) erlaubt, und
· jede Instanz des T-Schemas “P” ist wahr gdw P enthält, und
• Eine Bedeutungstheorie, die
• Ein Widerspruch reicht also, um die Theorie zur Explosion zu bringen!
EFQ.
:LQWHUORJLNIRO
• Eine gute Bedeutungstheorie steht, wie alle guten Theorien, zu allem, was aus ihr
folgt. Logisch (jedenfalls nach klassischer Auffassung) folgt aber aus einem Widerspruch alles Mögliche (und Unmögliche) — ex falso quodlibet:
• Können wir den Widerspruch nicht “isolieren”? Die Theorie würde dann nur für
merkwürdige Sätze wie (8) widersprüchlich sein, d.h. (8) ∧ ¬(8) enthalten.
25
• Die Bedeutungstheorie des Deutschen wird also widersprüchlich, sobald der Satz
(8) an die Reihe kommt.
• jeder Satz ist entweder wahr oder er ist es nicht (in welchem Fall er falsch oder irgendetwas anderes, vielleicht ohne Bedeutung sein kann). In beiden Fällen müssen
wir schließen, daß (8) sowohl wahr ist, als auch nicht wahr ist.
Das sieht nicht gut aus! Denn
(8) ist wahr ↔ (8) ist nicht wahr.
Setzen wir rechts in T8 den Satz (8) ein, dann erhalten wir jedoch
T8. (8) ist wahr ↔ (8)
Jetzt haben wir ein Problem! Denn wenn wir T auf (8) anwenden, dann gilt
(8) (8) ist nicht wahr.
Betrachten wir nun
“Ich lüge”
Tarski und der Lügner
A ∧ ¬A → B
A ∧ ¬A → B
28
:LQWHUORJLNIRO
Web-Suche: Parakonsistenz [paraconsistency], Relevanzlogik [relevant/ relevance
logic]; Alan Anderson, Nuel Belnap, Richard Routley, Graham Priest (letzterer
mit Blick insbes. auf philosophische Anwendungen).
• Es gab und gibt immer wieder Versuche, Logiken —manchmal nur für bestimmte
Zwecke— zu entwerfen, die inkonsistente Theorien nicht trivialisieren.
In solchen (parakonsistenten) Logiken gilt EFQ nicht.
• Diese Eigenschaft der klassischen Logik hat ihr nicht nur Freunde gewonnen.
- Also kann EFQ nie falsch sein. Also ist EFQ logisch wahr.
:LQWHUORJLNIRO
Tarski und der Lügner
- Aber keine Aussage der Form A ∧ ¬A kann den Wert 1 haben.
- In diesem Fall müßte das Antezedens A ∧ ¬A den Wert 1
und das Konsequens B den Wert 0 haben.
- Dann könnte EFQ falsch (0) sein.
ist logisch wahr. Denn angenommen, es wäre nicht so.
EFQ.
Der Satz (besser: das Schema)
DENKPAUSE:
27
ein logisch wahrer Satz?
EFQ
Warum ist
DENKPAUSE:
Tarski und der Lügner
Beobachtung — und Ansatz zu einer Lösung?
Tarski und der Lügner
:LQWHUORJLNIRO
30
:LQWHUORJLNIRO
· In einem erweiterten Sinn von “grammatisch” wäre das schlicht ungrammatisch.
(D.h. (8) erfüllt zwar die Regeln der deutschen Grammatik, verstößt aber gegen
die “logische Grammatik”.)
32
· Die Hierarchie ist kumulativ: S0 ⊆ S1 ⊆ S2 ⊆ · · · .
· Wahrn (A) gehört zu Ebene Sn+1
Aufbau einer Tarski’schen Sprachhierarchie
Ein Ausweg (?): Wir müssen von einem Fundament ausgehen und darauf aufbauen. “Wahr” dürfen wir immer nur auf eine Ebene von Sätzen anwenden, die wir
schon aufgebaut (“fundamentiert”) haben.
31
:LQWHUORJLNIRO
Tarski und der Lügner
:LQWHUORJLNIRO
Jede Instanz von Tn und jeder Satz der Form wn (A) gehört zur Sprache Sn+1 .
Tn . für jeden Satz A ∈ Sn : wn (“A”) gdw A.
n. Ganz allgemein, bauen wir, ausgehend von S0 , eine Sprachhierarchie S0 ⊆ S1 ⊆
S2 ⊆ ... auf, jeweils mit dazugehöriger Wahrheitsdefinition:
T1 . für jeden Satz A ∈ S1 : w1 (“A”) gdw A.
2. Nun definieren wir Wahrheit für Sätze in S1 : Wir erweitern S1 zu S2 um ein Wahrheitsprädikat, w1 , für Sätze in S1 . Alle Instanzen des neuen Schemas und alle Sätze
der Form w1 (A) gehören zu S2 :
Alle Instanzen des Schemas T0 und alle Sätze der Form w0 (A) sind Sätze in S1 .
T0 . für jeden Satz A ∈ S0 : w0 (“A”) gdw A.
1. Dann erweitern wir die Sprache S0 zu einer Sprache S1 (d.h. S0 ⊆ S1 ) um ein
Wahrheitsprädikat, w0 , für Sätze aus S0 . Das T-Schema in der Theoriesprache S1
für die Objektsprache S0 lautet nun
· Wahrn wird nur auf Sätze der Sprachebene Sn angewandt.
· Ein Satz wie (8) wäre demnach ein Versuch, “wahr” auf einen Satz anzuwenden,
den dafür noch gar nicht zur Verfügung haben.
Tarski und der Lügner
0. Wir beginnen mit einer Sprache S0 , dem Fundament, in dem es noch gar kein
Wahrheitsprädikat gibt.
Tarskis Version dieses Auswegs
Das ganze scheint ohne Fundament zu sein!
· Wenn wir nachschauen, wofür Satz (8) steht, werden wir an den Anknüpfungspunkt unserer Frage zurückverwiesen.
· Wir wollen antworten: Satz (8)
bleibt die Frage: Was ist wahr? merkwürdig unbeantwortet.
(8) (8) ist wahr
Schon in einem Satz wie
29
• Dieses Resultat gilt für alle Sprachen, die sinngemäß die Bedingungen A und B
erfüllen!
• Daher läßt sich für die deutsche Sprache keine konsistente Bedeutungstheorie
angeben. (Manche kürzen diese Aussage ab zu: Die deutsche Sprache ist inkonsistent.)
• Das T-Schema (B), auf Lügnersätze angewandt, bringt Widersprüche hervor.
• Im Deutschen lassen sich Lügnersätze bilden (aufgrund von A).
• Eine Bedeutungstheorie für Deutsch muß alle wahren Instanzen von T hervorbringen.
Dieses Prädikat φ ist der Ausdruck ist wahr .
T. für jeden deutschen Satz A: φ(“A”) gdw A.
B. Im Deutschen gibt es ein Prädikat, φ, mit der Eigenschaft
A. Im Deutschen haben wir die Mittel, uns auf deutsche Sätze zu beziehen (zB —
aber nicht nur — durch Anführungszeichen); und
Problematisch ist offenbar die semantische Abgeschlossenheit des Deutschen; genauer:
Ein möglicher Ausweg?
Tarski und der Lügner
Mehr oder weniger gute Einwände
Tarski und der Lügner
:LQWHUORJLNIRO
34
:LQWHUORJLNIRO
?Antwort: Das mag daran liegen, daß wir selten Lügnersätze gebrauchen und
daher selten in die Verlegenheit geraten, die Sprachschichten explizit zu machen.
• Daß natürliche Sprachen auf “versteckte” (d.h. für die meisten Sprecher unbemerkte) Weise aus Sprachschichten bestehen, klingt recht unplausibel.
?Antwort: Semantische Theorien wirken auf unbedarfte Sprecher immer “künstlich”.
• Der Aufbau einer Sprachhierarchie ist sehr künstlich, weshalb Tarski selbst jede
Sprache dieser Art eine Kunstsprache nennt. (“The concept of truth in formalized
languages”, so der Titel einer seiner Aufsätze.)
33
• Lügnersätze verstoßen daher gegen die syntaktischen Regeln des logischen
Sprachaufbaus.
In diesem (erweiterten) Sinne sind sie ungrammatisch.
Sätze der Form L gibt es also gar nicht: Sie lassen sich keiner Sprachebene konsistent
zuordnen.
· So gesehen, muß L zu S3 gehören.
Andererseits läßt sich das Prädikat wahr3 nur auf Sätze aus S3 anwenden.
· So gesehen, kann L nicht zu S3 gehören.
Einerseits ergibt die Anwendung des Prädikats “wahr3 ” einen Satz, der zu S4 und
nicht zu S3 gehört.
L: L ist nicht wahr3 .
Lügnersätze können in einer solchen Hierarchie nur in folgender Form auftauchen
(ohne Einschränkung der Allgemeinheit nehmen wir w3 als Beispiel):
Tarski und der Lügner
2
36
35
Saul Kripke
:LQWHUORJLNIRO
– Wenn (9) wahr ist, dann ist (10) wahr,
d.h. (9) ist nicht wahr;
– und wenn (9) nicht wahr ist, dann ist also auch (10) nicht
wahr und
somit muß (9) wahr sein.
– (9) ist also wahr und nicht wahr.
Merkwürdig: (9) sieht ziemlich harmlos aus. Jedoch wird am
Tag darauf ein Lügnersatz daraus! Denn
(10) Was immer Frau Mustermann Ihnen gestern gesagt haben
mag, gehen Sie davon aus, daß es nicht wahr ist.
Am Verhandlungstag sagt Mustermeier den Reportern:
(9) Morgen werden Sie von Herrn Mustermeier endlich die
Wahrheit erfahren.
Am Vorabend der Verhandlung sagt Frau Mustermann nur dies:
Tarski und der Lügner
:LQWHUORJLNIRO
Das ist wirklich eine schöne Theorie. Sie leidet nur an einer Schwäche, die, so glaube ich, wahrscheinlich
alle philosophischen Theorien teilen: Sie ist falsch.
• Es ist nicht klar, in welchem Sinne eine natürliche Sprache überhaupt geschichtet
sein könnte.
”It really is a nice theory. The only defect I think it has is probably common to all
philosophical theories. It’s wrong.”2
Ein starker Einwand (Kripke)
Tarski und der Lügner
AD (a) L ist wahr oder (b) L ist nicht wahr.
Dann geht es so weiter (s.o.):
◦ Das erfordert eine Theorie, die deutlich komplexer ist als die Tarski’sche.
Die Lügner-Paradoxie—Woran liegt’s?
Die Lügner-Paradoxie—Woran liegt’s?
:LQWHUORJLNIRO
38
TL . wahr(L) gdw nicht wahr(L).
und so (L = nicht wahr(L)) erhalten wir
TL. wahr(L) gdw L
Dann können wir L in das T-Schema einsetzen:
T. wahr(A) gdw A.
:LQWHUORJLNIRO
Die zweite Voraussetzung: In der Sprache gibt es ein Wahrheitsprädikat wahr( ).
D.h. für jeden Satz A der Sprache gilt
L: L ist nicht wahr.
• Lügnersätze lassen sich nur bilden, wenn wir in der betrachteten Sprache uns auf
Sätze dieser Sprache beziehen können.
Die erste Voraussetzung: Die Sprache muß genügend ausdrucksreich sein.
Wir werfen noch einmal einen Blick auf das Argument, welches die Lügner-Paradoxie
erzeugt.
37
Die Lügner-Paradoxie—Woran liegt’s?
:LQWHUORJLNIRO
40
:LQWHUORJLNIRO
• Ausgehend von plausiblen Annahmen, sind wir auf eine Konklusion gestoßen, (X),
von der wir nicht plausibel annehmen können (AW!), daß sie wahr ist.
Erst jetzt haben wir eine Paradoxie:
AW Kein Satz ist wahr und nicht wahr.
Aber dagegen spricht der Satz vom Ausgeschlossenen Widerspruch:
Wir könnten das akzeptieren: Es gibt die Eigenschaft wahr zu sein und die Eigenschaft nicht wahr zu sein; manche Sätze haben beide.
(X) L ist wahr und nicht wahr.
39
(X) L ist wahr und nicht wahr.
◦ Also ist L in jedem Falle wahr und nicht wahr, d.h.
· Im Falle (b) folgt ebenfalls aus TL (li nach re), daß L wahr und nicht wahr ist.
· Im Falle (a) folgt aus TL (re nach li), daß L wahr und nicht wahr ist.
Noch haben wir keine Paradoxie. Dazu brauchen wir zunächst eine Instanz des Satzes
vom Ausgeschlossenen Dritten,
◦ Insbesondere läßt sich die Frage, ob ein Satz paradox ist, nur im Kontext der
Gesamtheit aller geäußerten Sätze beurteilen. Im Kontext einer Satzmenge eingebettet, mag ein Satz paradox sein, im Kontext einer anderen Menge nicht.
Kripke, Outline of a theory of truth, The Journal of Philosophy 72 (1975), pp.
690-716.
TL . wahr(L) gdw nicht wahr(L).
Die Lügner-Paradoxie—Woran liegt’s?
◦ Die Zuordnung einer Sprachebene zu (9) hängt also nicht von (9) allein ab, sondern
von dem, was sonst noch gesagt wird.
Tarski und der Lügner
....
(X) L ist wahr und nicht wahr.
Currys Paradoxie
Die Lügner-Paradoxie—Woran liegt’s?
:LQWHUORJLNIRO
C→C
C→A
C → (C → A).
(C → (C → A)) → (C → A)
C,
C → A.
wahr(C) → A.
42
C :
C → A.
:LQWHUORJLNIRO
Da nach dem T-Schema wahr(C) ↔ C, können und wollen wir C äquivalent in
dieser Form betrachten:
Wir zeigen (mit ein wenig Logik), daß in Sprachen, in denen ein Satz wie C gebildet
werden kann, alles wahr ist.
C :
Oder, etwas formaler:
44
:LQWHUORJLNIRO
Haskell B. Curry, The inconsistency of certain formal logics, Journal of Symbolic
Logic 7 (1942), 115–117.
• Wollte man der Paradoxie durch eine Einschränkung der logischen Mittel beikommen, müßte es sich um eine beträchtliche Einschränkung handeln. (Vielleicht wäre
Kontraktion das schwächste Glied in der Argumentation.)
· und Modus Ponens.
· das Kontraktionsschema A → (A → B) → (A → B),
· das Identitätsschema A → A,
• Wesentlich für Currys Paradox sind lediglich
Tatsächlich lauern weitere Gefahren. Man betrachte den folgenden Satz:
Wenn dieser Satz wahr ist, dann ist alles wahr.
Die Lügner-Paradoxie—Woran liegt’s?
:LQWHUORJLNIRO
• Currys Paradoxie scheint zu zeigen, daß Selbstbezüglichkeit gefährliche
Möglichkeiten eröffnet – auch ohne daß Negation im Spiel sein muß. (Deshalb hilft
es in diesem Fall nicht, den Satz vom AD oder AW bzw. EFQ abzulehnen.)
43
woraus mit (†) durch Modus Ponens folgt, daß A, d.h. Alles (da A beliebig gewählt
war).
Das ist aber nichts anderes als
(†)
Aus (*) und W erhalten wir durch Modus Ponens
W.
· Selbstbezug (C : C → A bzw. C ↔ (C → A)),
C :
Die Lügner-Paradoxie—Woran liegt’s?
Ebenfalls eine Tautologie ist dieses Schema (“Kontraktion” genannt):
(∗)
ersetzen wir C im Konsequens durch das, was C sagt:
ID.
In der Tautologie
C:
◦ Können wir durch eine solche Abschwächung der Logik Paradoxien, die durch
Selbstbezug erzeugt werden, ausschließen?
Wie effektiv wäre es, die Logik so zu reformieren, daß der Satz vom Ausgeschlossenen
Dritten oder EFQ nicht mehr gültig ist?
41
All diese Lösungsvorschläge für die Lügner-Paradoxie gibt es.
• Schließlich könnten wir auch (X) noch akzeptieren, jedoch den Satz vom Ausgeschlossenen Widerspruch zurückweisen. Wir müßten dann erklären, in welchem
Sinne man von einem Satz (wie L) verständlich sagen kann, daß er wahr und auch
nicht wahr ist.
• Wir könnten TL akzeptieren aber den Satz vom Ausgeschlossenen Dritten ablehnen. So könnten wir den Weg zu (X) versperren. Dann müßten wir erklären, in
welchem Sinne der Lügnersatz weder wahr noch nicht wahr ist.
So kann es erst gar nicht zum Bikonditional TL kommen.
Wenn A ∈ Sn , dann: wahrn (A) gdw A.
• Tarski dreht an der zweiten Voraussetzung: Wir haben nicht ein Wahrheitsprädikat, sondern viele; eines für jede Ebene der Sprache. Als Resultat ist das TSchema entsprechend eingeschränkt (und in doppeltem Sinne schematisch):
Erst nachdem wir die paradoxe Argumentation in diesem Detail dargestellt haben,
sehen wir, daß es genau drei Stellen gibt, an denen wir im Prinzip eingreifen können.
TL . wahr(L) gdw nicht wahr(L)
Die Lügner-Paradoxie—Woran liegt’s?
... als Abstraktion aus der Prädikatenlogik
Übergang zur Aussagenlogik
Übergang zur Aussagenlogik
:LQWHUORJLNIRO
46
:LQWHUORJLNIRO
• Die Aussagenlogik – als Abstraktion aus der Prädikatenlogik – behandelt daher
wichtiger Teile der Alltagssprache, insbesondere solche, die für die Formulierung
von Weltwissen unverzichtbar ist.
• Es spricht noch mehr dafür, daß Theorien (im weitesten Sinne) über die Welt im
Prinzip prädikatenlogisch formuliert werden sollten. (Quines Programm.)
• Es spricht einiges für die teils philosophische teils linguistische Hypothese, daß
die Prädikatenlogik im Prinzip für die logische Analyse zumindest großer Teile
natürlicher Sprachen ausreicht. (Davidsons Programm.)
• Dies bedeutet, daß wenn wir uns mit Aussagenlogik beschäftigen, dann
beschäftigen wir uns tatsächlich auf abstrakte Weise mit Prädikatenlogik.
Wir zeigen hier, wie die Syntax und Semantik der Aussagenlogik sich einfach durch
das Absehen (“Abstraktion”) von bestimmten Aspekten der Prädikatenlogik ergibt.
45
http://plato.stanford.edu/entries/curry-paradox/
http://plato.stanford.edu/search/searcher.py?query=truth
http://plato.stanford.edu/search/searcher.py?query=liar oder
Oder klicken Sie einfach auf
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Mehr über die Paradoxien und moderne Wahrheitstheorien
Die Lügner-Paradoxie—Woran liegt’s?
Übergang zur Aussagenlogik
:LQWHUORJLNIRO
48
5. Wenn J n ∈ JUN und A1 , . . . , An ∈ FML, dann JA1 . . . An ∈ FML;
falls s(J) = 0, dann nennen wir J ∈ FML eine Satzkonstante.
4. Wenn Q ∈ QUA, x ∈ VAR und A ∈ FML, dann QxA ∈ FML;
3. Wenn P 0 ∈ ATM dann P ∈ FML.
:LQWHUORJLNIRO
2. Wenn f ∈ FUN mit s(f ) = n (n ≥ 0) und t1 , . . . , tn ∈ TRM,
dann f t1 . . . tn ∈ TRM; falls s(f ) = 0, dann nennen wir f ∈ TRM eine Individuenkonstante.
1. VAR ⊆ TRM;
Definition 2. Die Mengen TRM der Terme und FML der Formeln einer PL ALSprache sind jeweils [ist] die kleinsten Mengen, welche die folgenden Bedingungen
erfüllen[t]:
47
5. einer Menge von Verknüpfungen (Junktoren): JUN = {J1 , J2 , . . .}, wobei s(J) ≥
0 für jeden Junktor J die Anzahl der Formeln angibt, die er verknüpft.
4. einer Menge von Quantoren ...
3. einer nichtleeren Menge von Prädikatausdrücken: PRD = {P1 , P2 , . . .}, allesamt
0-stellig (atomare Formeln);
0-stellige Prädikate nennen wir jetzt Atome (atomare Formel) (Menge: ATM);
2. einer Menge von Funktionszeichen ...
1. einer Menge von Individuenvariablen ...
Definition 1. Das Alphabet einer AL-Sprache besteht aus . . .
Übergang zur Aussagenlogik
a) Wenn f ∈ FUN, dann ist I(f ): U −→ U (eine n-stellige Funktion);
Übergang zur Aussagenlogik
:LQWHUORJLNIRO
50
7. A ist existenzial quantifiziert, A = ∃xB:
[∃xB]M gdw [B]M für mindestens ein M ∈ Mx .
6. A ist universal quantifiziert, A = ∀xB:
[∀xB]M = 1 gdw [B]M für alle M ∈ Mx .
5. A ist eine Implikation, A = B → C:
[B → C] = 1 gdw [B] = 0 oder [C] = 1;
4. A ist eine Disjunktion, A = B ∨ C:
[B ∨ C] = 1 gdw [B] = 1 oder [C] = 1;
3. A ist eine Konjunktion, A = B ∧ C:
[B ∧ C] = 1 gdw [B] = [C] = 1;
2. A ist eine Negation, A = ¬B:
[¬B] = 1 gdw [B] = 0;
1. A ist ein Atom, P 0 :
[P ] = 1 gdw I(P ) = 1;
:LQWHUORJLNIRO
Definition 4. Es sei M = (U , V, I) ein Modell. Wir definieren eine Interpretation
[ ] : FML −→ {0, 1} in M für beliebige Formeln.
49
3 Diese bisher stillschweigend angenommene Zutat zu einem Modell machen wir jetzt explizit.
Später betrachten wir auch Aussagenlogiken mit mehr als zwei Wahrheitswerten.
d) Wenn J n ∈ JUN, dann ist I(J) eine n-stellige Wahrheitswertfunkion
V n −→ V .
c) wenn P 0 ∈ ATM, dann ist I(P ) ∈ V
b) Wenn x ∈ VAR, dann ist I(x) ∈ U .
Übergang zur Aussagenlogik
:LQWHUORJLNIRO
52
:LQWHUORJLNIRO
A folgt aus Γ (Γ |= A) gdw für alle M : wenn Γ wahr ist in M , dann ist A wahr in M .
A ist logisch wahr (gültig, |= A) gdw A in allen Modellen wahr ist.
A ist wahr in M = ({0, 1}, I) (auch: A ist wahr unter I) gdw [A]M = 1.
[A → B] = 1 gdw [A] = 0 oder [B] = 1.
[A ∨ B] = 1 gdw [A] = 1 oder [B] = 1.
[A ∧ B] = 1 gdw [A] = 1 = [B].
[¬A] = 1 gdw [A] = 0.
[⊥] = 0, [ ] = 1.
[P ] = 1 gdw I(P ) = 1.
Erweiterung zu einer Interpretation [ ]M : FML −→ {0, 1} aller Formeln wie folgt:
I : ATM −→ {0, 1}
Modell M = ({0, 1}, I),
Semantik
51
Spickzettel AL
Übergang zur Aussagenlogik
Wenn A, B ∈ FML, dann ¬A, A ∧ B, A ∨ B, A → B ∈ FML.
∈ FML.
⊥,
n
3. einer Funktion I (Interpretation), welche wie folgt definiert ist.
n
ATM ⊆ FML.
Grammatik
Junktoren: ⊥, , ¬, ∧, ∨, →
Atome (ATM): P, Q, R, ...
Alphabet
2. einer Menge V = {0, 1} von Wahrheitswerten;3
1. einer nichtleeren Menge UM (Grundmenge, Träger, Bereich oder Universum von
M genannt);
Definition 3. Ein Modell für eine PL-Sprache L ist ein Tripel M = (UM , VM , IM )
bestehend aus
Als Vorlage für die semantische Theorie einer PL-Sprache nehmen wir hier die erste,
Interpretationstheorie.
Übergang zur Aussagenlogik
2
Goethe-Universität
Frankfurt am Main
Institut für Philosophie
George Boole (1815–1864)
11wfunktionen1 170117.1125
André Fuhrmann
Theorie der
Wahrheitsfunktionen (Teil 1)
:LQWHUORJLNIRO
:LQWHUORJLNIRO
Logik im Winter 2016-17
∈ FML;
M = ({0, 1}, I),
I(∨) = d
I(→) = i, wobei:
k(v1 , v2 ) = min(v1 , v2 )
d(v1 , v2 ) = max(v1 , v2 )
i(v1 , v2 ) = max(1 − v1 , v2 )
Aussagenlogik
:LQWHUORJLNIRO
4
:LQWHUORJLNIRO
Die Darstellung dieser Funktionen mithife von Wahrheitstafeln folgt gleich!
I(∧) = k
Für alle P ∈ ATM : I(P ) ∈ {0, 1}
I(⊥) = 0
I(¬) = n mit n(v) = 1 − v
wobei die Interpretation I Atome auf Wahrheitswerte und Junktoren auf
Wahrheitswertfunktionen wie folgt abbildet:
(Es seien v, v1 , v2 Variablen für Wahrheitswerte.)
Semantik
3
wenn A, B ∈ FML, dann ¬A, A ∧ B, A ∨ B, A → B ∈ FML.
⊥,
ATM ⊆ FML;
Grammatik (Definition der Formelmenge)
Junktoren: ⊥, , ¬, ∧, ∨, →
Atome (ATM): P, Q, R, ...
Alphabet
Aussagenlogik
Aussagenlogik
[[ ]]M : FML −→ {0, 1}
[[P ]] = I(P )
[[⊥]] = 0, [[ ]] = 1
[[¬A]] = 1 − [[A]]
[[A ∧ B]] = min([[A]], [[B]])
[[A ∨ B]] = max([[A]], [[B]])
[[A → B]] = max(1 − [[A]], [[B]])
Aussagenlogik
:LQWHUORJLNIRO
6
:LQWHUORJLNIRO
Syntaktisch könnten wir daher ↔ einfach als Abkürzung im Sinne einer der folgenden
e([[A]], [[B]]) = k(i([[A]], [[B]]), i([[B]], [[A]])).
Ein wenig Nachrechnen zeigt, daß sich die Funktion e auch als die Funktion i in beide
Richtungen beschreiben läßt, also so:
[[↔ AB]] = 1 gdw [[A]] = [[B]]
Ganz rechts haben wir noch die nicht ganz unwichtige Funktion e([[A]], [[B]]) bzw.
↔ AB der Äquivalenz hinzugenommen, welche so definiert ist:
Die “Funktionsweise” der Wahrheitsfunktionen fassen wir in einer Tafel zusammen:
A B ¬A A ∧ B A ∨ B A → B A ↔ B
0 0 1 0
0
1
1
0 1 1 0
1
1
0
1 0 0 0
1
0
0
1 1 0 1
1
1
1
5
• A folgt gd aus einer Formelmenge Γ, wenn A in allen Modellen wahr ist, denen Γ
wahr ist.
• A ist gd logisch wahr wenn A in allen Modellen wahr ist.
• A ist gd wahr in M wenn |=M A bzw [[A]]M = 1.
(In allen Zeilen denken wir uns den Bezug auf ein Modell M dazu.)
|=M ⊆ FML
|= P gdw I(P ) = 1
Nie |= ⊥, immer |=
|= ¬A gdw |= A
|= A ∧ B gdw |= A und |= B
|= A ∨ B gdw |= A oder |= B
|= A → B gdw |= A oder |= B
Definition des Erfüllungsprädikats (im Modell M ) |=M (links)
bzw. der erweiterten Interpretation [[ ]]M (rechts):
Aussagenlogik
Aussagenlogik
:LQWHUORJLNIRO
8
:LQWHUORJLNIRO
• Da es vermutlich viele gibt, läßt sich die Vielfalt auf einige wenige durch Definitionen reduzieren?
• Wieviele Wahrheitsfunktionen (zweier Wahrheitswerte) gibt es eigentlich?
Fragen:
Diese und ähnliche Beobachtungen über die Definierbarkeit von Wahrheitsfunktionen
bringen uns zu zwei interessanten
7
· Übung: Überzeugen Sie sich davon, daß in allen drei Zeilen (auf der rechten
Seite) dieselbe Wahrheitsfunktion beschrieben wird und finden Sie eine weitere,
äquivalente Beschreibung.
· Die dritte Gleichung geht von der zweiten aus und rekapituliert darin die Definition der Implikation.
· Die zweite Gleichung behandelt Äquivalenz als Implikation in beide Richtungen.
· Die erste Gleichung entspricht unserer ersten Definition von e als Gleichheit der
Wahrheitswerte von A und B.
:= (¬A ∨ B) ∧ (¬B ∨ A)
A ↔ B := (A ∧ B) ∨ (¬A ∧ ¬B)
:= (A → B) ∧ (B → A)
definitorischen Gleichungen (Gleichsetzungen, :=) behandeln:
Aussagenlogik
Zweistellige Wahrheitsfunktionen
Die Vielfalt der Wahrheitsfunktionen
:LQWHUORJLNIRO
10
:LQWHUORJLNIRO
vier Zeilen für die Wahrheitstafel einer zwei-stelligen Wahrheitsfunktion vorgesehen.
(Gäbe es statt zweier Wahrheitswerte drei (zB 0, 1 und “Unsinn”), dann hätten wir
32 = 9 Zeilen auszufüllen.)
Die Funktion hat zwei Stellen (Exponent), A und B, und an jeder dieser Stellen
kann einer von zwei möglichen Werten (Basis) vergeben werden. Also haben wir hier
richtig
22 = 4
Wieviele zweistellige (binäre) Wahrheitsfunktionen gibt es? Dazu sehen wir uns das
folgende Schema einer Wahrheitstafel für eine zweistellige Verknüpfung an:
A B A◦B
0 0 ?
0 1 ?
1 0 ?
1 1 ?
9
Könnte man unsere Konstanten Verum ( ) und Falsum (⊥) nicht mit Hilfe der einen
oder anderen U-Funktion definieren?
DENKPAUSE:
Damit ist der Bereich möglicher einstelliger Wahrheitsfunktionen offensichtlich
erschöpft.
(U1 die Falschmacherfunktion, U2 die Wahrmacherfunktion, U3 die Leerlauf- oder Identitätsfunktion.)
Neben der Negation gibt es drei weitere einstellige (“unäre”) Wahrheitsfunktionen,
die uns nicht weiter beschäftigen werden:
A U1 A U2 A U3 A ¬A
1
0 0
1
0
0
1 0
1
1
Einstellige Wahrheitsfunktionen
Die Vielfalt der Wahrheitsfunktionen
Die Vielfalt der Wahrheitsfunktionen
0
1
0
1
A◦B
?
?
?
?
12
11
B1
∧
B3
B4
B5
B6
B7
∨
B9
↔
B11
B12
B13
→
B15
B16
00 0 0 0 0 0 0 0 0 1 1 1 1 1 1 1 1 01 10
0 0
0 0
0 1
0 1
1 0
1 0
1 1
1 1
0 0
0 0
0 1
0 1
1 0
1 0
1 1
1 1
11
0
1
0
1
0
1
0
1
0
1
0
1
0
1
0
1
:LQWHUORJLNIRO
Die Vielfalt der Wahrheitsfunktionen
:LQWHUORJLNIRO
Wir stellen die binären Verknüpfungen zweier Werte in der nächsten Tafel (etwas
gedrängter als bisher) dar:
(Frage: Wieviele verschiedene binäre Wahrheitsfunktionen gibt es, wenn wir von
drei Wahrheitswerten ausgehen?)
Möglichkeiten die Tafel auszufüllen, d.h. es gibt 16 verschiedene Wahrheitsfunktionen zweier Argumente.
24 = 16
In jeder der vier Zeilen (Exponent) der Tafel kann wiederum einer von zwei möglichen
Werten (Basis) vergeben werden (der Funktionswert). Also gibt es
0
0
1
1
A B
Die Vielfalt der Wahrheitsfunktionen
14
:LQWHUORJLNIRO
• Einen solchen Schlüssel zum Universum der Wahrheitsfunktionen, einen
“universalen” Junktor, werden wir kennenlernen. (Er versteckt sich zZt noch unter
den B1 − B16 .)
• Eine der einfachsten dieser Theorien besteht im Grunde aus nicht mehr als der
Tafel für einen einzigen zweistelligen Junktor.
Die Antwort lautet: Ja — und es gibt sehr viele solcher Theorien.
Die Vielfalt der Wahrheitsfunktionen
0
1
0
1
A→B
1
1
0
1
¬A ∨ B
1
1
0
1
16
:LQWHUORJLNIRO
NB : Das Zeichen “≡” ist kein Zeichen der Formelsprache, sondern eine Abkürzung
in unserer deutschen Metasprache für logische Äquivalenz zwischen Formeln, im
gerade beschriebenen Sinne. (A ≡ B gdw ∀M, [[A]]M = [[B]]M .)
Für jede Verteilung der Werte über A und B (d.h. in allen Modellen)
nehmen die beiden Formeln denselben Wert an. Wir drücken diesen Sachverhalt kurz so aus:
A → B ≡ ¬A ∨ B.
0
0
1
1
A B
Funktionale Äquivalenz und Vollständigkeit, 1
:LQWHUORJLNIRO
15
:LQWHUORJLNIRO
13
(2) ¬A ∨ B
eigentlich dasselbe beschrieben, nämlich dieselbe Wahrheitsfunktion, sehen wir sofort,
wenn wir die Wahrheitstafeln vergleichen:
und
(2)
• Kann es so etwas wie eine vollständige Theorie aller möglichen Wahrheitsfunktionen überhaupt geben?
(1) A → B
¬A ∨ B.
welche durch die folgende Formel beschrieben wird
d(n([[A]]), [[B]]),
gibt für die Argumente [[A]] und [[B]] dasselbe Resultat wie die (komplexe) Funktion
(1)
Daß
4
2(2 ) = 216 = 65 536 vierstellige Funktionen usw.
n=4:
A→B
i([[A]], [[B]]) = max(1 − [[A]], [[B]])
beschriebene Implikationsfunktion i,
Die mit der Formel
Funktionale Äquivalenz und Vollständigkeit, 1
Funktionale Äquivalenz und Vollständigkeit, 1
Die Zahl möglicher Wahrheitsfunktionen wächst also sehr schnell mit zunehmender
Stelligkeit! Spätestens hier stellt sich die Frage:
3
2(2 ) = 28 = 256 dreistellige Funktionen,
n=3:
• In jeder Zeile der Tafel kann die Funktion einen von zwei Werten annehmen: Wahr
(1) oder Falsch (0).
n
• Also gibt es 2(2 ) verschiedenen Wahrheitsfunktionen mit n Argumenten:
• Jedes der Argumente kann einen von zwei Werten haben: wahr (1) oder falsch (0).
• Also besteht die Wahrheitstafel für eine n-stellige Wahrheitsfunktion aus 2n Zeilen.
f (v1 , ..., vn ).
• Eine n-stellige Wahrheitsfunktion hat n Argumente:
Drei- und mehrstellige Wahrheitsfunktionen
Die Vielfalt der Wahrheitsfunktionen
Funktionale Äquivalenz und Vollständigkeit, 1
:LQWHUORJLNIRO
18
:LQWHUORJLNIRO
• Eine Menge von Junktoren, die genügt, um schlichtweg alle (beliebigstelligen!)
Junktoren auszudrücken, die also funktional äquivalent ist zur Menge aller Junktoren, heißt funktional vollständig.
Diese und andere Äquivalenzbeobachtungen geben Anlaß zu der Vermutung, daß die
Theorie der Wahrheitsfunktionen reduziert werden kann auf die Betrachtung einiger
ganz weniger Funktionen, aus denen dann alle weiteren bei Bedarf definiert werden
können.
funktional äquivalent.
• Die falsum-Konstante ⊥ definieren wir einfach so: P ∧ ¬P (für irgendein Atom P ).
Und die verum-Konstante ist natürlich nichts anderes als ¬⊥. Also sind auch die
Mengen
{¬, ∧} und {⊥, , ¬, ∧, ∨, →, ↔}
• Wir wissen bereits, daß sich ↔ mit → und ∧ ausdrücken läßt:
A ↔ B ≡ (A → B) ∧ (B → A). Also ist ↔ “implizit” in {∧, →} und also auch in
{¬, ∨} und in {¬, ∧} enthalten.
17
Weiter ...
So kann mittels der ersten Äquivalenz die Disjunktion durch ¬ und ∧ und mittels der
zweiten Äquivalenz die Konjunktion durch ¬ und ∨ ausgedrückt werden. Die beiden
Junktoren-Mengen sind also gleich ausdrucksstark. (Machen Sie sich das unbedingt
klar — am besten anhand von Wahrheitstafeln!)
einerseits A ∨ B ≡ ¬(¬A ∧ ¬B), und
andererseits A ∧ B ≡ ¬(¬A ∨ ¬B).
Die beiden Mengen sind funktional äquivalent weil
{¬, ∧} und {¬, ∨}.
Hier sind zwei weitere funktional äquivalente Mengen von Junktoren:
• Eigentlich ist die eine Sprache gar nicht kleiner als die andere. Denn die beiden
Junktorenmengen {¬, ∨, →} und {¬, ∨} sind funktional äquivalent: Sie erlauben, genau dieselben Wahrheitsfunktionen zu beschreiben.
• Aus der Äquivalenz von A → B und ¬A ∨ B folgt unmittelbar, daß alles, was sich
in einer Sprache mit {¬, ∨, →} sagen läßt, auch in einer “kleineren” Sprache mit
{¬, ∨} sagen läßt — nur, vielleicht, etwas umständlicher.
Funktionale Äquivalenz und Vollständigkeit, 1
Funktionale Äquivalenz und Vollständigkeit, 1
:LQWHUORJLNIRO
20
:LQWHUORJLNIRO
Der Satz folgt unmittelbar aus der Definition der Folgerung (|=) bzw. der logischen
Äquivalenz (≡) sowie den Wahrheitsbedingungen für → bzw. ↔. Übung!
2. A ≡ B gdw |= A ↔ B: Die Formeln A und B werden in beliebigen Modellen
immer nur zusammen wahr gdw die Formel A ↔ B eine logische Wahrheit ist.
1. A |= B gdw |= A → B.
Satz 2.
Aber natürlich gibt es da einen engen Zusammenhang:
• A ≡ B ist ein Satz der Theoriesprache, in der wir die Untersuchung ausführen.
Das Zeichen ≡ kürzt eine bestimmte Beziehung zwischen Wahrheitstafeln (besser:
Modellen/Interpretationen) ab.
• A ↔ B ist ein Satz der Formelsprache, die wir untersuchen.
Das Zeichen ↔ interpretieren wir als eine bestimmte Wahrheitsfunktion.
Die Zeichen ↔ und ≡ drücken so etwas wie “Gleichwertigkeit” (Äquivalenz) aus —
aber mit einem kleinen Unterschied:
19
Für den Beweis brauchen wir ein weiteres Instrument, “Induktion” genannt. Um
dieses Instrument und seine Anwendungen zu verstehen, beginnen wir wir mit einer
kleinen Beobachtung über das Verhältnis von ↔ und ≡.
Der Beweis des Satzes wird der Zielpunkt unseres Streifzugs durch die Welt der
Wahrheitsfunktionen sein.
Satz 1. Die Menge {¬, ∧} ist funktional vollständig.
Im Jahr 1920 hat Emil Post die Vermutung für die folgende Menge bewiesen.
Funktionale Äquivalenz und Vollständigkeit, 1
Exkurs: Induktion
Exkurs: Induktion
:LQWHUORJLNIRO
22
:LQWHUORJLNIRO
Manchmal spricht man von “vollständiger” Induktion, um dieses Beweisprinzip, welches Irrtumsmöglichkeiten vollständig ausschließt, zu unterscheiden von induktiven Argumentationen, die
widrige Fälle nur mit mehr oder minder hoher Wahrscheinlichkeit ausschließen können. Beispiel für
eine “unvollständige” Induktion ist das unten folgende Dominoprinzip.
1
• ein Beweisprinzip, welches auf der besonderen Weise der Definition solcher Mengen
aufbaut. Das ist das Prinzip der Induktion.1
• ein wenig Mengenlehre (haben wir schon) und, zweitens,
Um etwas interessantes über solche Menge aussagen zu können, brauchen wir gewisse
Werkzeuge, nämlich erstens,
• die Menge aller in einem Kalkül ableitbaren Formeln, etc.
• die Menge aller Terme (in der Prädikatenlogik),
• die Menge aller in einem Modell erfüllbaren Formeln,
• die Menge aller Tautologien,
Logische Untersuchungen richten sich in der Regel auf unendliche Mengen:
21
Der Satz sagt etwas über Ersetzbarkeit in allen möglichen Formeln: Alle Formeln
sollen die genannte Eigenschaft haben. Wie prüfen wir so etwas nach? — Sicher nicht
Formel für Formel. Wie können wir den Satz dann beweisen? — Fall für Fall ! Das
nennt man “Induktion über den Formelaufbau” ...
• Wenn Sie in einer solchen Funktion äquivalente (≡) Teile austauschen, d.h. solche,
die immer denselben Wert erhalten, gleichgültig welche Werte letztlich die Atome
haben, dann wird sich am Wert des Ganzen (in dem Sie etwas ausgetauscht habe)
nichts ändern.
• Formeln beschreiben mehr oder weniger komplexe Wahrheitsfunktionen.
Was der Satz sagt, ist eigentlich ganz einfach:
Satz 3. (Ersetzbarkeit) Es sei B ≡ B und A[B /B] sei das Resultat der Ersetzung
beliebig vieler Vorkommen von B durch B in einer Formel A (“A mit B für B”).
Dann ist A ≡ A[B /B].
· Äquivalente Formeln tauschen wir beliebig gegeneinander aus!
Von dem nächsten Satz werden wir so häufig Gebrauch machen, daß wir seinen Gebrauch im einzelnen gar nicht mehr erwähnen werden:
Funktionale Äquivalenz und Vollständigkeit, 1
Beschreibung einer Dominokette
Exkurs: Induktion
:LQWHUORJLNIRO
24
(3) fallen alle Steine.
dann
(2) für alle Steine n gilt: wenn Stein n fällt,
dann fällt der unmittelbare Nachfolgestein n + 1;
(1) Stein 1 fällt; und
Wenn
Die Kettenreaktion
:LQWHUORJLNIRO
(2) Jeder Stein d wird so aufgestellt, daß der Nachfolger d in einem Abstand von d
steht, der kleiner als die Länge von d ist. (Schritt)
(1) Ein Stein d1 wird senkrecht aufgestellt; dieser steht am Anfang der Reihe (ist
also kein Nachfolger eines Steins). (Anfang)
23
Exkurs: Induktion
Exkurs: Induktion
:LQWHUORJLNIRO
Jede Ziffernverkettung ist ein Zahlzeichen.
Exkurs: Induktion
:LQWHUORJLNIRO
:LQWHUORJLNIRO
28
26
:LQWHUORJLNIRO
Schluß: Jede Art Ziffernverkettungen nach der Def. (Zv) zu generieren, resultiert in
einem Zahlzeichen nach der Def. (Zz).
QED
I.S. (= Induktionsschritt, nach Teil (2) der Def. (Zv)): Zu zeigen ist, daß wenn z eine
Ziffer ist, dann ist die Ziffernverkettung yz ein Zahlzeichen. Nun ist y ein Zahlzeichen
nach I.A. und z ist ein Zahlzeichen nach I.B. Es folgt dann unmittelbar aus (Zz), daß
yz ein Zahlzeichen ist.
I.A. (= Induktionsannahme): Die Beobachtung gelte für eine Ziffernverkettung y, d.h.
y sei ein Zahlzeichen.
I.B. (= Induktionsbasis, nach Teil (1) der Def. (Zv)): y ist eine Ziffer. Dann ist y ein
Zahlzeichen nach (Zz).
Es sei y eine Ziffernverkettung.
Erster Beweis. (Dieser Beweis ist ein Beispiel für etwas, was wir später strukturelle
Induktion nennen werden.)
Beobachtung.
27
(Nichts sonst ist eine Ziffernverkettung.)
(2*) Wenn x und y Zahlzeichen sind, dann ist xy ein Zahlzeichen.
(1*) Jede Ziffer ist ein Zahlzeichen.
Erinnerung an die etwas andere Definition (Zz) eines Zahlzeichens:
Die Induktion im folgenden Beweis folgt einfach der Induktion in der Definition.
(Nichts sonst ist eine Ziffernverkettung.)
Hier betrachten wir nur diejenigen Eigenschaften, die ihnen per Definition zukommen.
Alle weiteren Eigenschaften können nur logisch aus diesen Definitionen entwickelt
werden. (Abstrakte Gegenstände haben keine Eigenschaften, die wir mit logischen
Mitteln allein nicht vorhersehen können.) Deshalb sind induktive Beweise zB über
Zahlen (soweit sie nur auf deren definierte Eigenschaften zurückgreifen) zwingend,
während sie im Falle von Dominosteinen nur mehr oder weniger plausibel sind.
Mit abstrakten Gegenständen, wie Zahlen oder Formeln, ist das ganz anders.
Der Umstand, daß je zwei konkrete Steine im beschriebenen Abstand zueinander stehen und der erste Stein fällt, macht es nicht logisch zwingend, daß alle Steine fallen.
(Vieles könnte das verhindern, auch wenn es nicht sehr wahrscheinlich sein mag: Ein
Stein könnte angeschraubt oder besonders schwer sein, oder jemand hält die Kette
einfach auf.)
Ob die Steine fallen, ist eine empirische Frage.
Natürlich können Sie nicht strikt beweisen, daß in einer konkreten Dominokette immer alle Steine fallen werden.
Anmerkung.
25
• Allgemein gilt: Beweise durch Induktion rekapitulieren die induktive (rekursive)
Definition der Objekte über die etwas ausgesagt werden soll.
◦ Das Dominoprinzip rekapituliert in seinen Schritten die jeweiligen Schritte der
“induktiven” Beschreibung einer Dominokette: Anfang, Stellung eines Steins zu
seinem Nachfolger.
Wichtige Beobachtung:
(2) Wenn y eine Ziffernverkettung ist und z eine Ziffer ist, dann ist yz eine Ziffernverkettung. (Schritt)
(1) Jede Ziffer ist eine Ziffernverkettung (nämlich der einfachsten Art). (Anfang)
· Argumentiere für den Schritt: Dann fällt Stein d .
· Schließe: Alle Steine fallen.
Jeder weiß, was mit einer (endlichen) Ziffernverkettung gemeint ist. Wir schreiben
das einmal als eine induktive Definition (Zv) auf:
1, 12, 124, 1241, ...
Beispiel: Induktion über Zahlzeichen
Exkurs: Induktion
· Gehe aus von der Annahme: Ein beliebig herausgegriffener Stein d fällt.
· Verifiziere den Anfang: Stein d1 fällt.
Das legt ein Argumentationsmuster nahe, um zu begründen, warum es zur Kettenreaktion kommt, d.h. alle Steine fallen:
Das Dominoprinzip
Exkurs: Induktion
N = 0, 1, 2, 3, 4, 5, ...
Exkurs: Induktion
:LQWHUORJLNIRO
Exkurs: Induktion
:LQWHUORJLNIRO
21 + 22 = 2 + 4 = 6 = 8 − 2 = 23 − 2.
30
(3) hat jede natürliche Zahl die Eigenschaft (Schluß).
dann
:LQWHUORJLNIRO
32
:LQWHUORJLNIRO
Um Sicherheit zu haben, brauchen wir einen ...
und wenn ferner
(2) unter der Annahme, daß eine Zahl n die Eigenschaft hat (Induktionsannahme)
auch der Nachfolger n die Eigenschaft hat (Induktionsschritt),
Die Behaupung scheint zu stimmen. Sicher sein, daß sie stimmt, können wir uns jedoch nicht, solange wir uns nur auf Stichproben stützen.
21 + 22 + 23 + 24 + 25 = 2 + 4 + 8 + 16 + 32 = 62 = 64 − 2 = 26 − 2.
Oder x = 5:
Z.B. x = 2:
Wir könnten uns die Behauptung plausibel machen, indem wir einige Zahlen ausprobieren.
Beispiel. Jede positive ganze Zahl x hat die Eigenschaft 21 + · · · + 2x = 2x+1 − 2.
31
Manchmal ist es sinnvoll mit der Zahl 1 statt mit der 0 anzufangen. In diesem Fall
führt man einen Induktionsbeweis über die Menge N∗ = N \ {0} der positiven ganzen
Zahlen — formal macht das nicht den geringsten Unterschied, denn N und N∗ lassen
sich ja — wie Sie bereits wissen — eins zu eins aufeinander abbilden.
Anmerkung
Exkurs: Induktion
(1) die Zahl 0 eine bestimmte Eigenschaft hat (Induktionsanfang),
Wenn
Prinzip der einfachen (oder schwachen) Induktion über N
Das folgende Beweisprinzip rekapituliert diese Art der induktiven Erzeugung des
Bereichs der natürlichen Zahlen:
· durch fortgesetzte Anwendung der Nachfolgerfunktion ( ) .
· Anfangsobjekt, der Zahl 0
Induktion über die natürlichen Zahlen
Die natürlichen Zahlen werden induktiv generiert aus einem
29
• Im Prinzip lassen sich alle Induktionsbeweise letztlich auf Induktion über die
natürlichen Zahlen zurückführen.
Übung: Beweisen Sie die Umkehrung (jedes Zz ist eine Zv) durch Ind. über die Länge
eines Zahlzeichens!
I.S. (= Induktionsschritt) Fall (z) = n + 1: Dann ist z = xy, wobei x eine Ziffernverkettung mit (x) = n und y eine Ziffer ist. Also ist x ein Zahlzeichen nach I.A. und y
ist ein Zahlzeichen nach I.B.; somit ist xy ein Zahlzeichen nach (Zv).
QED
I.A. (= Induktionsannahme): Die Beobachtung gelte für (z) = n.
I.B. (= Induktionsbasis) Fall (z) = 1: Dann ist z ist eine Ziffer und also ist z ein
Zahlzeichen nach (Zz).
Es sei z eine Ziffernverkettung und (z) die Länge von z.
Zweiter Beweis. (Jetzt führen wir die Induktion über die natürlichen Zahlen durch,
welche die Länge einer Ziffernverkettung angeben.)
Jede Verkettung von Ziffern ist ein Zahlzeichen.
Exkurs: Induktion
n+1
= 2n+2 − 2
)−2
+2
n+1
= 2(2
= (2
n+1
)−2
21 + · · · + 2n + 2n+1 = (2n+1 − 2) + 2n+1
IA
Kumulative Induktion über N
Exkurs: Induktion
:LQWHUORJLNIRO
x(x + 1)
.
2
34
:LQWHUORJLNIRO
(Das ist die Gauß’sche Summenformel, 1786 vom kleinen C.F. gefunden.) Zeigen Sie,
daß die Hypothese richtig ist durch Induktion über die natürlichen Zahlen x ≥ 2.
1 + ··· + x =
zu berechnen. Nach einigem Probieren kommen Sie auf folgende Idee:
36
(3) hat jede natürliche Zahl die Eigenschaft (Schluß).
dann
(2) unter der Annahme, daß jede Zahl m < n die Eigenschaft hat
(d.h. der gesamte Verlauf bis einschließlich n) (Induktionsannahme)
auch n die Eigenschaft hat (Induktionsschritt),
und wenn ferner
(1) die Zahl 0 eine bestimmte Eigenschaft hat (Induktionsanfang),
Wenn
:LQWHUORJLNIRO
Prinzip der kumulativen (oder starken) Induktion über N
35
Für jede natürliche Zahl x ≥ 2:
Exkurs: Induktion
:LQWHUORJLNIRO
=
=
=
n(n + 1)
+ (n + 1)
IA
2
n(n + 1) 2(n + 1)
+
Umformen
2
2
n(n + 1) + 2(n + 1)
Summieren
2
(n + 2)(n + 1)
(n + 1) ausklammern
2
(n + 1)((n + 1) + 1)
Umformen
2
IA
Neben dem Prinzip der einfachen (“schwachen”) Induktion gibt es noch andere Versionen des Induktionsprinzips. In manchen Fällen erfordert die Definition des Bereichs oder die Eigenschaft, um die des geht, das Prinzip der starken Induktion (oder
kumulativen bzw. Wertverlaufsinduktion). Es steht der gleich zu besprechenden
strukturellen Induktion nahe.
IA
=
1 + · · · + n + (n + 1) =
(n+1)((n+1)+1)
2
für beliebig gewähltes n.
Schritt: x = n + 1. D.h. zz: 1 + · · · + n + (n + 1) =
n(n+1)
,
2
x(x+1)
.
2
Exkurs: Induktion
Sie möchten einen Formel finden, die es Ihnen erlaubt, schnell beliebige Summen der
Art
1 + 2, 1 + 2 + 3, 1 + 2 + 3 + 4, 1 + 2 + 3 + 4 + 5, ...
DENKPAUSE:
33
Das beendet den Induktionsschritt und damit den Beweis.
Wir rechnen:
21 + · · · + 2n + 2n+1 = 2(n+1)+1 − 2.
Schritt: x = n + 1. Wir müssen zeigen, daß
21 + · · · + 2n = 2n+1 − 2.
Annahme: Eine beliebig gewählte Zahl n habe die Eigenschaft, d.h.
Annahme: 1 + · · · + n =
Anfang: x = 2. (...)
Anfang: x = 1. Dann
21 = 2 = 4 − 2 = 21+1 − 2.
Zz : Für alle x ≥ 2, 1 + · · · + x =
DENKPAUSE:
Beweis. (Induktion über die positiven ganzen Zahlen, x.)
Jede positive ganze Zahl x hat die Eigenschaft 21 + · · · + 2x = 2x+1 − 2.
Exkurs: Induktion
Exkurs: Induktion
:LQWHUORJLNIRO
Strukturelle Induktion
Exkurs: Induktion
:LQWHUORJLNIRO
38
:LQWHUORJLNIRO
Der Schein trügt jedoch: Tatsächlich sind einfache (schwache) und kumulative
(starke) Induktion äquivalent — was wir aber hier nicht beweisen wollen.
40
:LQWHUORJLNIRO
Antwort: Ein Bereich B ist strukturell rekursiv, wenn B der Abschluß einer Menge A
unter einer Menge R von Relationen ist.
• Ein Prinzip, daß Ihnen zu einer Konklusion aus schwächeren Prämissen verhilft, ist
stärker als ein solches, daß stärkere Prämissen benötigt.
• Deshalb scheint starke Induktion ein stärkeres Prinzip als einfache schwache Induktion zu sein.
Frage: Was ist ein strukturell rekursiv definierter Bereich?
In der Logik haben wir es beinahe immer mit Bereichen zu tun (Formeln, Theoremen,
Bewertungen und Interpretationen), die durch strukturelle Rekursion definiert
sind.
• Noch einmal: Induktive Beweise funktionieren nur in Bereichen, die dafür passend
dargestellt werden können, nämlich induktiv (rekursiv)!
Wir haben zwei Beispiele von Bereichen gesehen, die derart aufgebaut sind, daß Beweise durch Induktion geführt werden können (Ziffernverkettungen und N).
39
Fall n ist nicht prim. Dann n = a · b mit a, b ≥ 2. Daher a < n und b < n. Nach
I.A. folgt, daß a und b pz. sind. Also ist a · b (= n) pz.
Fall n ist prim. Fertig.
I.S.: Zwei Fälle:
I.A.: Wir betrachten ein beliebig gewähltes n ≥ 2 und nehmen an, daß jede Zahl
m ∈ N mit 2 ≤ m < n pz. ist. (Das ist die starke Induktionsannahme!)
Beweis. Basis n = 2: 2 ist prim!
(n ∈ N ist gd prim zerlegbar (pz.), wenn n = p0 · ... · pm mit pi (0 ≤ i ≤ m) prim.)
(Hauptsatz der elementaren Zahlentheorie)
Jede natürliche Zahl n ≥ 2 läßt sich prim zerlegen.
Einfaches arithmetisches Beispiel für die kumulative Induktion:
Exkurs: Induktion
• Damit ist die zweite Prämisse der Induktion (der Schritt) schwächer, als in der
schwachen Induktion.
• in der starken Induktion ist der Fall n unter einer stärkeren Annahme zu zeigen.
Wenn Sie den Induktionschritt in einer schwachen Induktion hinkriegen, dann kriegen
Sie ihn natürlich auch in der starken Induktion hin. Denn
• starke I.: Nimm an, alle Zahlen kleiner als n haben die Eigenschaft.
• schwache I.: Nimm an, n − 1 habe die Eigenschaft.
Der Unterschied zwischen einfacher (schwacher) und kumulativer (starker) Induktion
liegt in der Induktionsannahme für den Schritt zur Konklusion, daß n die Eigenschaft
hat:
37
φ = nachzuweisende Eigenschaft
I.B. = Induktionsbasis
I.A. = Induktionsannahme
I.S. = Induktionsschritt
Exkurs: Induktion
:LQWHUORJLNIRO
44
42
:LQWHUORJLNIRO
NB Die Abschlußklausel in induktiven Definitionen (“nichts sonst ist ein B”)
garantiert, daß B die kleinste Menge ist, welche die Bedingungen erfüllt. (Denken Sie
an die Definition der Formelmenge einer AL-Sprache!) M.a.W., die Abschlußklausel
stellt sicher, daß über den so definierten Bereich induktive Beweise geführt werden
können!
Nun ist B = R(A) definiert als die kleinste Menge, welche (1) und (2) erfüllt. Also
B ⊆ Φ, d.h. alles in B hat die Eigenschaft φ.
Nach (2) ist Φ unter R (d.h. unter allen Regeln) abgeschlossen.
Nach (1) haben wir A ⊆ Φ.
Es sei φ die Eigenschaft, die nachgewiesen werden soll und Φ sei die Menge aller φs.
Wir nehmen an, daß (1) der Anfangsschritt und (2) der Induktonsschritt wahr sind.
(Zz: (3) ∀x ∈ B : φx.)
Exkurs: Induktion
:LQWHUORJLNIRO
• Die Menge N der natürlichen Zahlen, wenn wir diese durch Mengen darstellen!
Dazu gibt es mehrere Möglichkeiten. Hier ist eine (Zermelo): Die leere Menge ∅
ist die Basis. Regeln sind alle Paare (M, M ∪ {M }). Man betrachte nun die kleinste Menge N , welche ∅ enthält und unter dem Regelschema abgeschlossen ist, d.h.
N = {∅, ∅ ∪ {∅}, ∅ ∪ {∅} ∪ {∅ ∪ {0}}, ...}. Die Elemente von N können wir auch
so benennen: 0, 1, 2, ... und statt ∅ ⊂ ∅ ∪ {∅} ⊂ ... können wir auch 0 < 1 < ...
schreiben. (Das ist die Basis für die Reduktion der Arithmetik auf Mengenlehre.)
• Die Menge der Theoreme eines axiomatischen Systems. Basis ist die Menge der
Axiome, die Regeln sind die im System vorgegebenen (z.B. in einem ax. System
der AL typischerweise alle Fälle von Modus Ponens, (A, A → B, B)).
• Die Menge FML der Formeln einer AL-Sprache (z.B. in {¬, ∧}). Basis ist die
Menge ATM aller Atome. Regeln sind alle Paare (A, ¬A) und Tripel (A, B, ∧AB)
mit A, B ∈ FML. — Ebenso die Menge der Formeln einer AL-Sprache mit anderer Wahl primitiver Junktoren, oder die Mengen der Terme und Formeln einer
PL-Sprache (etwas kompliziertere Definition).
Beweis.
• Die Menge der Z der Zahlzeichen. Basis ist die Menge Z0 der Ziffern. Regeln sind
alle Tripel (a, b, ab) mit a, b ∈ B.
43
Strukturelle Induktion in B = R(A) funktioniert.
Exkurs: Induktion
:LQWHUORJLNIRO
Antwort: Das liegt an der Definition von B. /...
Beispiele strukturell rekursiver Mengen:
41
NB Jede Relation r in R ist eine Menge von Folgen. In der Definition des Abschlusses können wir jedes Element (a0 , ..., an , x) ∈ r im Sinne einer Regel auffassen
(mit “Prämissen” a0 , ..., an und “Konklusion” x). Im weiteren wollen wir deshalb die
Elemente von Relationen in R (also bestimmte Paare, Tripel, etc.) einfach Regeln
nennen.
Frage: Warum ist strukturelle Induktion in B ein sicheres Beweismittel? (Wenn die
Basis (1) und der Induktionssschritt (2) wahr sind, dann muß auch die allgemeine
Konklusion (3) wahr sein.)
(3) hat jedes Objekt in B die Eigenschaft. (Schluß)
B ist gd strukturell rekursiv, wenn B = R(A) (für eine Basis A und Regelmenge R).
dann
(b) B unter allen Relationen r ∈ R abgeschlossen ist.
(2) unter der Annahme, daß a0 , ..., an die Eigenschaft haben, (Induktionsannahme)
auch x die Eigenschaft hat, (Induktionsschritt)
und wenn ferner für jede Regel (a0 , ..., an , x) gilt, daß
(a) A ⊆ B, und
R sei eine Menge von Relationen. B ist der Abschluß von A unter R (R(A)) gdw B
die kleinste Menge ist so, daß
(1) Jedes Objekt in A eine bestimmte Eigenschaft hat, (Induktionsanfang)
Wenn
Wenn (a0 , ..., an , x) ∈ r und a0 , ..., an ∈ B, dann x ∈ B.
Es sei B = R(A) wie in der Definition einer strukturell rekursiven Menge.
Die Menge A nennt man die Basis (“Anfang”) der Rekursion.
Prinzip der strukturellen Induktion
Exkurs: Induktion
Es sei r eine Relation (= eine Menge von Folgen). Die Menge B ist unter r
abgeschlossen, wenn folgendes der Fall ist:
Strukturelle Rekursion:
Exkurs: Induktion
2
46
Anwendung: Ersetzbarkeit /...
:LQWHUORJLNIRO
(Ende des Exkurses über Induktion)
David Makinson, Sets, Logic and Maths for Computing, London (Springer) 2008;
Kap. 4: “Recycling outputs as inputs: Induction and Recursion”.
48
*) Wenn B in C nicht vorkommt, dann ist C = C[B /B] = C!
:LQWHUORJLNIRO
Fall A ist eine Konjunktion, also von der Form C ∧ D.
Angenommen B ≡ B . Sei C = C[B/B ] und D = D[B/B ]. *)
(Zu zeigen: C ∧ D ≡ C ∧ D .)
Nach IA gilt [[C]] = [[C ]] und [[D]] = [[D ]] (in jedem Modell).
Aber dann ist min([[C]], [[D]]) = min([[C ]], [[D ]]), d.h. C ∧ D ≡ C ∧ D , wie gewünscht.
Fall A ist eine Negation, also von der Form ¬D.
Angenommen B ≡ B . Sei D = D[B /B].
(Zu zeigen: ¬D ≡ ¬D .)
Dann gilt nach IA daß D ≡ D , d.h. in jedem Modell ist [[D]] = [[D ]].
Aber dann gilt ebenfalls 1 − [[D]] = 1 − [[D ]], d.h. [[¬D]] = [[¬D ]] in jedem Modell,
d.h. ¬D ≡ ¬D , wie gewünscht.
Schritt:
... (Kumulative Induktion über die Anzahl der Regelanwendungen) ...
Wenn B ≡ B , dann A ≡ A[B /B].
Exkurs: Induktion
:LQWHUORJLNIRO
Induktionsannahme (IA): Der Satz soll für alle Teilformeln der im Schritt zu betrachtenden Formel A gelten.
Exkurs: Induktion
:LQWHUORJLNIRO
Strukturelle und kumulative Induktion
...
Bedingung: Eindeutige Lesbarkeit
45
Also z.B. die Regel (A, B, ∧AB): Wenn A und B Formeln sind, dann ist auch ∧AB eine Formel.
(3) hat jede Formeln in FML die Eigenschaft. (Schluß)
dann
47
Anfang: A ist ein Atom, P .
Dann ist P (= A) selbst die einzige ersetzbare Teilformel von A. Wenn wir P durch
eine äquivalente Formel B ersetzen, dann sind A und das Resultat der Ersetzung
trivialerweise äquivalent.
und wenn ferner gilt, daß
(2) unter der Annahme, daß beliebig gewählte Formeln A und B die Eigenschaft
haben (Induktionsannahme), auch jede Junktorenzusammensetzung von A und
B die Eigenschaft hat (Induktionsschritt),
Beweis. Strukturelle Induktion über den Aufbau der Formel A.
Satz 3. Es sei B ≡ B und A[B /B] sei das Resultat der Ersetzung beliebig vieler
(einschl. keiner) Vorkommen von B durch B in einer Formel A. Dann ist
A ≡ A[B /B]. D.h. für alle Formeln A (in {¬, ∧}) gilt:
Wenn B ≡ B , dann A ≡ A[B /B].
Beweis von Satz 3 (Ersetzbarkeit)
Exkurs: Induktion
(1) Jedes Atom in ATM eine bestimmte Eigenschaft hat, (Induktionsanfang)
Wenn
Es sei FML = J(ATM), die Menge der Formeln einer AL-Sprache mit einer Menge
ATM von atomaren Formeln als Anfangsobjekten und einer Menge ausgewählter
Junktoren. (J(ATM) stehe für den Abschluß von ATM unter den bekannten grammatischen Regeln2 für diese Junktoren.)
Fall: Induktion über die Struktur von Formeln (Formelaufbau)
Exkurs: Induktion
Tautologie-Tests
12wfunktionen2 170118.1244
André Fuhrmann
Theorie der
Wahrheitsfunktionen (Teil 2)
0
1
0
1
((A → B)
1
1
0
1
0
1
1
1
0
1
0
1
→ B)
1
0
1
1
0
0
1
1
→ A
:LQWHUORJLNIRO
◦ Eine vollständige Wahrheitstafel für eine Formel faßt alle Verteilungen von
Wahrheitswerten, d.h. alle Modelle zusammen, die für die Bewertung dieser Formel
relevant sind. (Im Beispiel sind das 23 Zeilen.)
besagt: Für alle I mit [[A]]I = 0, [[B]]I = [[C]]I = 1 ist [[(A ∧ B) ∨ C]]I = 1.
Eine Zeile in einer Wahrheitstafel faßt gleich mehrere Verteilungen I von
Wahrheitswerten über ATM zusammen. ZB
A B C (A ∧ B) ∨ C
0 1 1 1
4
· also ist die Formel in allen Modellen wahr, d.h. eine Tautologie.
:LQWHUORJLNIRO
· Wenn das zu einem Widerspruch führt, dann wissen wir: Ein Modell, das die
Formel falsch macht, kann es nicht geben;
· Es wird versucht, ein Modell zu finden, das die gegebene Formel falsch macht.
Beide Verfahren beruhen auf einer reductio ad absurdum:
Tautologie-Tests
Tautologie-Tests
3
[Baum]
:LQWHUORJLNIRO
◦ Ein Modell ist eine mögliche Verteilung (I) von Wahrheitswerten (0 oder 1) über
alle Atome und dann (per |=I bzw. [[ ]]I ) über alle Formeln der Sprache.
2
0
0
1
1
A B
Vollständige Wahrheitstafeln aufzuschreiben, kann recht umständlich sein. Deshalb wollen wir jetzt zwei Verfahren vorstellen, mit denen man wesentlich schneller
nachprüfen kann, ob eine gegebene Formel eine Tautologie ist.
Keine Tautologie!
Beispiel :
• Wenn wir die vollständige Wahrheitstafel einer Formel aufschreiben und feststellen,
daß die Formel in jeder Zeile den Wert 1 erhält, dann ist die Formel eine Tautologie.
Die Methode der Wahrheitstafeln ist daher ein Verfahren, mit dem man sicher
nachprüfen kann, ob eine gegebene Formel eine Tautologie ist:
:LQWHUORJLNIRO
Logik im Winter 2015-16
◦ A ist genau dann eine Tautologie wenn A in allen Modellen wahr ist.
Goethe-Universität
Frankfurt am Main
Institut für Philosophie
Tautologie-Tests
abb
⏐
⏐
abba
ab aba
a
Signierte Bäume (Tableaux, 1)
A:0
B:0
A
∧ B :0
A:1
B:1
A
∨ B :1
A ∨⏐B : 0
⏐
A:0
B:0
6
Vgl. [Unsignierte Bäume]
A→ B : 1
:LQWHUORJLNIRO
¬A⏐: 1 ¬A⏐: 0
A →⏐B : 0
⏐
⏐
⏐
A
:
0
A
:1
A
:
1
A:0 B:1
B:0
Einen Pfad in dem ähnliche Knoten verschieden signiert sind, nennen wir
abgeschlossen und ziehen einen Strich darunter ( ). Nicht abgeschlossene Pfade
sind offen. Sind alle Pfade in einem Baum mit der Wurzel A : 0 abgeschlossen, dann
ist A eine Tautologie. Pfade, die nicht abgeschlossen sind, zeigen Gegenbeispiele zur
Behauptung an, die getestete Formel sei eine Tautologie.
A ∧ ⏐B : 1
⏐
A:1
B:1
(¬A → ¬B) → ((¬A → B) → A) : 0
⏐
⏐
¬A → ¬B : 1
(¬A → B)
⏐ →A:0
⏐
¬A → B : 1
A:0 8
¬A⏐: 0
⏐
A:1
¬A⏐: 0
⏐
A:1
¬B⏐: 1
⏐
B:0
B:1 :LQWHUORJLNIRO
Tautologie-Tests
Tautologie-Tests
Erstes Beispiel:
:LQWHUORJLNIRO
7
Schreiben Sie Ihre Antwort auf (maximal 2 Seiten) und geben Sie diese Ihrem Tutor!
· Welche Information können Sie einem offenen Pfad entnehmen? (Illustrieren Sie
Ihre Antwort anhand eines Beispiels.)
· Warum müssen alle Pfade abgeschlossen sein, damit eine Formel eine Tautologie
ist?
· Was repräsentiert ein Pfad in einem Baum?
Fragen:
Das war die schlichte Beschreibung, eines Verfahrens zur Konstruktion signierter
Bäume. Gleich sehen wir uns Beispiele des Verfahrens an. Wenn Sie so gelernt haben,
die Regeln anzuwenden, dann beantworten Sie bitte die folgenden
Aufgabe
Tautologie-Tests
:LQWHUORJLNIRO
Zunächst schreiben wir die Formel hin und versehen (signieren) sie mit 0 (für
“falsch”). Dann konstruieren wir einen Baum nach den folgenden Regeln:
5
nennen wir jeden der beschrifteten Punkte Knoten. Der Knoten a ist die Wurzel
des Baums. Die Endknoten aa, aba und abba nennen wir Blätter. Knoten, die mit
derselben Formel beschriftet sind, nennen wir (einander) ähnlich. Ein Pfad durch
einen Baum besteht aus genau den Knoten, durch die eine Linie von der Wurzel immer nur abwärts bis zu einem Blatt führt. In dem Beipiel gibt es genau drei Pfade:
(a − aa), (a − ab − aba) und (a − ab − abb − abba).
aa
Um die Verfahren vorzustellen, müssen wir uns kurz wieder über die Beschreibung
von Baumstrukturen verständigen. In einem Baum wie dem folgenden,
Bäume
Tautologie-Tests
10
Was schließen Sie aus diesen zwei Bäumen?
DENKPAUSE:
A →⏐B : 0
⏐
A:1
B:0
A →⏐B : 0
⏐
A:1
B:0
B:1
((A → B) → B) → A : 0
⏐
⏐
(A → B) → B : 1
A:0 ((A → B) → A) → A : 0
⏐
⏐
(A → B) → A : 1
A:0 A:1
Abel
Peirce
Zwei weitere Beispiele:
9
B:1
:LQWHUORJLNIRO
B
A
¬A
¬B
A
∨ B
¬(A ∧ B)
¬(A ∨ B)
⏐
⏐
¬A
¬B
12
Vgl. [Signierte Bäume]
A→ B
¬(A → B)
¬¬A
⏐
⏐
⏐
⏐
A
A
¬A B
¬B
Ein Pfad schließt, wenn er Knoten der Form A und ¬A enthält.
A∧
⏐B
⏐
A
B
Die Regeln sehen dann so aus:
• einen Knoten A : 0 notieren wir als ¬A.
• einen Knoten A : 1 notieren wir dann einfach als A, und
Auf die Signaturen mit 0 oder 1 können wir auch verzichten:
:LQWHUORJLNIRO
Tautologie-Tests
Tautologie-Tests
Unsignierte Bäume (Tableaux, 2)
:LQWHUORJLNIRO
11
Siehe [Wahrheitstafel]
Wenn [[A]]=0 und [[B]] = 1, dann wird ((A → B) → B) → A falsch: Das ist ein
Gegenbeispiel (ein Gegenmodell) für die Behauptung, daß Abel tautologisch sei.
A →⏐B : 0
⏐
A:1
B:0
((A → B) → B) → A : 0
⏐
⏐
(A → B) → B : 1
A:0 • Abel: ((A → B) → B) → A : 0 ist keine Tautologie—ein offener Pfad (rechts):
• Peirce: ((A → B) → A) → A ist eine Tautologie—alle Pfade geschlossen.
DENKPAUSE:
Tautologie-Tests
:LQWHUORJLNIRO
· Sie haben alle Formeln aufgelöst und dennoch ist ein Pfad offen geblieben. Sie
sind fertig: Die Wurzel ist keine Tautologie.
· Sie haben unter allen Pfaden einen Strich gezogen. Sie sind fertig: Die Wurzel ist
eine Tautologie.
• Zwei mögliche Resultate:
• Sobald in einem Pfad ähnliche aber verschieden signierte Knoten auftauchen,
brauchen Sie diesen Pfad nicht mehr weiter zu treiben: Es würde sich nichts daran
ändern, daß Sie am Ende einen Strich unter den Pfad ziehen können.
• Merken Sie sich, welche Formeln (Knoten) Sie schon mithilfe einer der Regeln weiterverarbeitet haben. (Setzen Sie zum Beispiel ein Häkchen.)
• Einige Regeln führen zu Verzweigungen, andere nicht. Es ist besser bei der Konstruktion eines Baumes Verzweigungen so weit wie möglich aufzuschieben.
Praktische Hinweise
Tautologie-Tests
14
13
h) (A ∨ (B ∧ C)) → ((A ∨ B) ∧ (A ∨ C))
g) (¬A ∨ ¬B) → ¬(A ∧ B)
f) ¬(A ∨ B) → (¬A ∧ ¬B)
:LQWHUORJLNIRO
16
¬A
⏐
⏐
A
B
A
¬A
→B
¬A
⏐
⏐
A
¬B
⏐
⏐
B
(¬A → B) → A
¬A
→ ¬B
(¬A → ¬B) → ((¬A → B) → A) : 0
:LQWHUORJLNIRO
Tautologie-Tests
Tautologie-Tests
Beispiel : Erster Schritt: Baum zeichnen mit Wurzel : 0
:LQWHUORJLNIRO
:LQWHUORJLNIRO
15
5. Achtung: Manchmal gibt es mehr als eine Möglichkeit (Verzweigung!). Im
schlimmsten Fall müssen Sie beide Möglichkeiten ausprobieren. Die “Kunst”
besteht darin, Verzweigungen möglichst zu vermeiden.
· Wenn nein, dann ist die Formel eine Tautologie: Es gelingt nicht, sie falsch zu
machen.
· Wenn ja, dann ist die Formel keine Tautologie: Sie haben eine mögliche Bewertung gefunden, die die Formel falsch macht.
4. Geht das?
3. Versuchen Sie nun alle Knoten in Übereinstimmung mit den Wahrheitstafeln zu
signieren. Ähnliche Knoten sollen überall denselben Wert erhalten.
d) ((A → C) ∧ (B → C) ∧ (A ∨ B)) → C
e) ¬(A ∧ B) → (¬A ∨ ¬B)
2. Signieren Sie die Formel (d.h. die Baumwurzel) mit 0.
1. Schreiben Sie die Formel und seine syntaktische Baumstruktur auf. (Achtung:
Der Baum der jetzt entsteht hat (beinahe) nichts mit Tableaux zu tun!)
Wenn Sie das Baumverfahren sicher beherrschen, dann können Sie dazu übergehen,
einen sehr praktischen, weil schnell zum Ziel führenden Tautologie-Test anzuwenden.
Quines Verfahren
Tautologie-Tests
c) ((A → B) ∧ (A → C)) → (A → (B ∧ C))
b) ((A → B) ∧ (B → C)) → (A → C)
a) A → (B → A)
Überprüfen Sie anhand der Baummethode (signiert oder unsigniert) die folgenden
Formeln:
Übungen
Tautologie-Tests
¬B
⏐
⏐
B
¬A
⏐
⏐
A
B
A
¬A⏐: 1
⏐
A:0
¬B⏐: 1
⏐
B:0
:LQWHUORJLNIRO
20
B
A:0
18
¬A
⏐
⏐
A
¬A→ B : 1
¬A
→ ¬B: 1
Widerspruch: B : 0 und B : 1 !
¬B
⏐
⏐
B
(¬A → B) → A : 0
¬A⏐: 1
⏐
A:0
B:1
¬A
:1
→B
A:0
(¬A → B) → A : 0
(¬A → ¬B) → ((¬A → B) → A) : 0
Beispiel : Fünfter Schritt: Überlegen
:LQWHUORJLNIRO
Tautologie-Tests
B
A:0
Tautologie-Tests
¬A⏐: 1
⏐
A:0
¬A→ B :1
:LQWHUORJLNIRO
19
¬B
⏐
⏐
B
Tautologie-Tests
:LQWHUORJLNIRO
¬A⏐: 1
⏐
A:0
(Wir haben rechts weitergemacht, da wir links mehr als eine Möglichkeit betrachten
müßten.)
¬A
⏐
⏐
A
¬A→ ¬B
:1
(¬A → ¬B) → ((¬A → B) → A) : 0
Beispiel : Dritter Schritt: Überlegen
17
¬A
⏐
⏐
A
¬A
→B
(¬A → B) → A : 0
¬A→ ¬B: 1
(¬A → B) → A : 0
¬A→ ¬B
:1
(¬A → ¬B) → ((¬A → B) → A) : 0
Beispiel : Vierter Schritt: Wert für A übertragen
(¬A → ¬B) → ((¬A → B) → A) : 0
Beispiel : Zweiter Schritt: Überlegen
Tautologie-Tests
¬A→¬B → ¬A→B →A
) ((
)
)
1 0 1 1 0 0 1 0 1 1 0 0
¬A→¬ → ¬A→B →A
)
)
B) ((
0 1 0 1 1 0 0
1 0 1 1
¬A→
→ ¬A→ →A
¬B) ((
B)
)
1 0 1
0 1 0 1
0 0
→
→
→ →A
¬B) ((¬A B)
)
1
0
1
0 0
22
(A ∨ B) ∧ ¬A → B
A → (B → ¬A ∨ C)
(A → (B → C)) → (A ∧ B → C)
A → (B → A ∧ B)
(¬A → ¬B) → ((¬A → B) → A)
(Demonstrationsfolie: Tautologie?)
21
(
(
(
(¬A
(¬A → ¬B)
→
((¬A → B) → A)
0
→
→
→
(¬A ¬B) ((¬A → B) A)
1
0
0
A ∧ (B ∧ C) ≡ (A ∧ B) ∧ C
A ∨ (B ∨ C) ≡ (A ∨ B) ∨ C
:LQWHUORJLNIRO
24
Beweis. Übung — bitte bei Ihrem Tutor abgeben!
¬(A ∨ B) ≡ ¬A ∧ ¬B
¬(A ∧ B) ≡ ¬A ∨ ¬B
¬¬A ≡ A
A ∨ (A ∧ B) ≡ A
A ∧ (B ∨ C) ≡ (A ∧ B) ∨ (A ∧ C)
A ∨ (B ∧ C) ≡ (A ∨ B) ∧ (A ∨ C)
A∧B ≡B∧A
A∨B ≡B∨A
A∧A≡A
A∨A≡A
A ∧ (A ∨ B) ≡ A
:LQWHUORJLNIRO
DeMorgan
Doppelnegation
Distributivität
Absorption
Idempotenz
Kommutativität
Assoziativität
Tautologie-Tests
Tautologie-Tests
Lemma 1.
:LQWHUORJLNIRO
23
Hinweis zur Prüfung von A ≡ B: Wenden Sie Satz 2 an aus der letzten VL (A ≡ B
gdw |= A ↔ B) oder — im Effekt dasselbe — prüfen Sie, ob A und B verschiedene
Wahrheitswerte haben können!
Obwohl Tableaux schlafwandlerisch zum Ziel führen, verwenden praktizierende
Logiker beinahe ausschließlich das abgekürzte Quine’sche Verfahren. Sie sollten
sich nun in beide Verfahren so lange einüben, bis Sie sie völlig sicher beherrschen.
Die nächste Aufgabe bietet dafür Gelegenheit. (Prüfen Sie aber bitte auch weitere
Formeln, die Ihnen interessant erscheinen.) Einige Formeln sollten Sie nach beiden
Verfahren testen. Auf diese Weise wird Ihnen klar werden, daß es sich im Grunde um
Varianten ein- und desselben Verfahrens handelt. Sobald – und sicher nicht bevor –
sich diese Einsicht eingestellt hat, haben Sie die Verfahren verstanden; Sie werden sie
dann immer richtig anwenden.
Tautologie-Tests
:LQWHUORJLNIRO
Sie schieben den Baum einfach in zwei Zeilen zusammen: In der ersten Zeile steht
die Formel; darunter stehen jeweils die Signaturen der Teilformeln (Knoten). — Am
besten sehen wir uns das wieder schrittweise am Beispiel an.
Abgekürzt (d.i. das eigentliche Quine’sche Verfahren):
Tautologie-Tests
(A ∧ B) ∧ C ≡ A ∧ (B ∧ C)
(A ∨ B) ∨ C ≡ A ∨ (B ∨ C)
Vereinfachung der Notation
:LQWHUORJLNIRO
26
A1 ∨ · · · ∨ An , wobei jedes Ai die Eigenschaft φ hat.
:LQWHUORJLNIRO
• Manchmal wollen wir sagen, daß jedes Glied in A1 ∨ · · · ∨ An eine Eigenschaft φ
erfüllt. Dann schreiben wir “jedes Ai (1 ≤ i ≤ n) ist ein φ”; manchmal lassen wir
den Zusatz “(1 ≤ i ≤ n)” einfach weg; also zB:
• Im Grenzfall n = 1 bezeichne A1 ∧ · · · ∧ An einfach A1 .
25
soll eine beliebig geklammerte Konjunktion bzw. Disjunktion mit n Gliedern bezeichnen.
zwar mehrdeutig. Aber im Hinblick auf die Wahrheit der Formel, macht es keinen
Unterschied, wie wir die Mehrdeutigkeit beseitigen. Das rechtfertigt die folgende Notation:
A1 ∧ · · · ∧ An bzw. A1 ∨ · · · ∨ An
A ∧ B ∧ C oder A ∨ B ∨ C
ist es eigentlich gleich, wie wir die Klammern in solchen konjunktiven oder disjunktiven Formeln setzen. Syntaktisch ist eine Formel wie
Da
Vereinfachung der Notation
Vereinfachung der Notation
0
1
0
1
A
Q so zusammengesetzt ist, daß
(1)
(P wahr oder q wahr ist) und (P falsch oder q wahr ist).
28
(P ∨ Q) ∧ (¬P ∨ Q)
(2)
:LQWHUORJLNIRO
Auch das können wir in einer Formel beschreiben, die zu A äquivalent ist:
d.h. wenn
weder (P und Q beide falsch sind) noch (P wahr und Q falsch ist),
Also wird A gd wahr, wenn beides nicht der Fall ist, also wenn
:LQWHUORJLNIRO
Eine Beobachtung
(P und Q beide falsch sind) oder (P wahr und Q falsch ist).
A wird gd falsch, wenn
Betrachten wir nun die Zeilen, in denen A falsch wird:
P Q A
0 0 0
0 1 1
1 0 0
1 1 1
27
Die Formel A und (1) sind also äquivalent: die eine Formel ist genau dann wahr,
wenn die andere wahr ist — beide Formeln drücken dieselbe Wahrheitsfunktion aus.
(¬P ∧ Q) ∨ (P ∧ Q)
Das läßt sich auch als Formel wiedergeben:
(P falsch und Q wahr ist) oder (P wahr und Q wahr ist).
In der Tafel werden die Atome gewissermaßen mit Werten signiert. Die Formel A ist
also gd wahr, wenn
Sei A eine Formel, die aus den Atomen P und
P Q 0 0 0 1 1 0 1 1 Eine Beobachtung
Eine Beobachtung
0
1
0
1
0
0
1
1
A
0
1
0
1
=⇒
¬P
¬P
P
P
P
A
¬Q 0
Q 1
¬Q 0
Q 1
Q
=⇒
(P ∨ Q) ∧ (¬P ∨ Q) bzw.
(¬P ∧ Q) ∨ (P ∧ Q)
Eine Beobachtung
:LQWHUORJLNIRO
:LQWHUORJLNIRO
30
Wir werden im folgenden die Vermutung beweisen.
D.h. die Menge {¬, ∨, ∧} wäre funktional vollständig.
:LQWHUORJLNIRO
◦ kann jede Wahrheitsfunktion durch eine Formel mit Junktoren aus {¬, ∨, ∧}
dargestellt werden.
dann
|P |k =
P, falls I(P ) = 1 in Zeile k
¬P, falls I(P ) = 0 in Zeile k
|: ATM −→ LIT
32
:LQWHUORJLNIRO
Eine Formel der Art P oder ¬P , d.h. ein Atom oder dessen Negation, nennt man
übrigens ein Literal.
(|P |k ist also der als Formel wiedergegebene Wahrheitswert von P in Zeile k.)
definiert:
|
Wenn daher
• (Vermutung) jede Wahrheitstafel durch eine Formel mit Junktoren aus {¬, ∨, ∧}
dargestellt werden kann,
Fall 2 : Für den Fortgang des Beweises sei eine Abbildung
◦ jede Wahrheitsfunktion (beliebiger Stelligkeit) vollständig durch eine Wahrheitstafel
definiert.
Funktionale Vollständigkeit: Der Beweis
A
2. A erhält in mindestens einer Zeile den Wert 1.
1. A erhält in keiner Zeile den Wert 1;
Zwei Fälle sind zu unterscheiden:
31
Z 2n
Z1
..
.
P1 · · · P n
Beweis. Wir begnügen uns mit einer Beweisskizze. Es sei A eine Formel mit Atomen
P1 , . . . , Pn und T ihre vollständig ausgefüllte Wahrheitstafel. (Wir verallgemeinern
jetzt das auf Seite 27 an einem Beispiel beschriebene Verfahren zur Charakterisierung
von Wahrheitstafeln durch Formeln in Normalform.) Dann besteht T aus 2n Zeilen:
Lemma 2. Zu jeder Formel A (in einer beliebigen aussagenlogischen Sprache) gibt es
eine äquivalente einfache Formel (d.h. eine Formel nur mit ¬, ∧ oder ∨).
Funktionale Vollständigkeit: Der Beweis
Funktionale Vollständigkeit: Der Beweis
Fall 1 : In diesem Fall wird A bei jeder möglichen Interpretation der in A vorkommenden Atome falsch. Wir wählen ein beliebiges dieser Atome aus. Es sei P das
ausgewählte Atom. Dann ist P ∧ ¬P einfach und zu A äquivalent.
Nun ist
Einfache Formel bedeutet hier: In der Formel kommen nur die Junktoren ¬, ∨ oder
∧ vor. (NB: “Einfach”, in diesem Sinne, ist kein stehender Begriff der Logik. Wir
führen den Begriff für unsere Zwecke nur vorübergehend ein.)
29
• daß es zu jeder, für eine Wahrheitsfunktion stehende Formel solche “einfachen”
Formeln gibt, die deren Wahrheitstafel “beschreiben”.
Die Sache ist so einfach, daß sich die Vermutung aufdrängt
Q
P
Was wir hier tun, ist sehr einfach: Wir schauen uns eine Wahrheitstafel an und geben
in der Formelsprache selbst und in sehr einfacher Weise wieder, unter welchen Bedingungen die Formel wahr wird. Wir ersetzen — wie beim Übergang von signierten zu
unsignierten Bäume — die Werte durch Formeln:
Eine Beobachtung
|Pn |1
|Pn |2n
···
Pn
···
···
A
(Ki )
Funktionale Vollständigkeit: Der Beweis
:LQWHUORJLNIRO
34
:LQWHUORJLNIRO
Es folgt aus (1) und (2), daß jede S-Formel äquivalent ist zu einer Formel in {¬, ∧}.
Aber dann ist die Menge aller Junktoren von S, d.h. die Menge aller Junktoren,
funktional äquivalent zu {¬, ∧}, d.h. {¬, ∧} ist funktional vollständig.
(2) {¬, ∧, ∨} ist funktional äquivalent zu {¬, ∧}. (Denn A ∨ B ≡ ¬(¬A ∧ ¬B).)
(1) Jede Formel in S ist äquivalent zu einer einfachen Formel (Lemma 2), d.h. einer
Formel in {¬, ∧, ∨}.
Beweis. Es sei S eine maximal ausdrucksstarke Sprache, d.h eine in der es für jede
Wahrheitsfunktion eine sie repräsentierende Verknüfung gibt.
Satz. (Post 1920) Die Menge OPR = {¬, ∧} ist funktional vollständig.
Erinnerung: Eine Menge von Junktoren, die genügt, um schlichtweg alle (beliebigstelligen!) Junktoren auszudrücken, die also funktional äquivalent ist zur Menge aller
Junktoren, heißt funktional vollständig.
33
• Schauen Sie sich noch einmal die Seiten 27f. an, um sich an einem kleinen Beispiel
vor Augen zu führen, wie wir den Satz in der nun gebotenen Allgemeinheit bewiesen haben.
Dann ist die Disjunktion aller Ki eine zu A äquivalente und einfache Formel.
Ki = |P1 |i ∧ · · · ∧ |Pn |i
Man suche nun diejenigen Zeilen Zi auf, in denen A den Wert 1 erhält. Für jede
dieser Zeilen Zi bilde man die Konjunktion
Z1 |P1 |1
..
.
Z2n |P1 |2n
P1
Jetzt schreiben wir T so um, daß unter den Atomen P die Werte, 0 oder 1, jeweils
durch ihre Formelbeschreibungen, |P |, ersetzt werden:
Funktionale Vollständigkeit: Der Beweis
1
Normalformen
Funktionale Vollständigkeit: Der Beweis
:LQWHUORJLNIRO
36
:LQWHUORJLNIRO
Li ∈ LIT (1 ≤ i ≤ n)
Das Stichwort lautet Resolution. Siehe zB Schöning, Logik für Informatiker, Kap. 1.5.
ist eine DL-Formel.
L1 ∨ · · · ∨ Ln
2. Jede Disjunktion von Literalen, d.h., jede Formel der Gestalt
LIT = ATM ∪ {¬P : P ∈ ATM}
1. Ein Literal ist ein Atom oder die Negation eines Atoms:
Definition 3.
Hier sind die schrittweisen Definitionen:
In bestimmten Anwendungen der Logik, vor allem in der Informatik,1 spielen einfache
Formeln einer bestimmten Art eine besondere Rolle. Solche Formen nennt man Normalformen. Zwei Normalformen werden unterschieden: disjunktive und konjunktive Normalformen (abgekürzt: DNF und KNF).
35
Emil Post (1897–1954)
Funktionale Vollständigkeit: Der Beweis
Li ∈ LIT (1 ≤ i ≤ n)
(A1 ∧ · · · ∧ Ak ) ∨ (B1 ∧ · · · ∧ Bm ) ∨ · · · ∨ (C1 ∧ · · · ∧ Cn )
(A1 ∨ · · · ∨ Ak ) ∧ (B1 ∨ · · · ∨ Bm ) ∧ · · · ∧ (C1 ∨ · · · ∨ Cn )
Ai , Bi , Ci ∈ LIT
Funktionale Vollständigkeit: Der Beweis
:LQWHUORJLNIRO
Ai , Bi , Ci ∈ LIT
Ai , Bi , Ci ∈ LIT
38
• KNF: Konjunktion von Disjunktionen von Literalen (“KDL”)
• DNF: Disjunktion von Konkunktionen von Literalen (“DKL”)
Merken:
:LQWHUORJLNIRO
• Auch A ∧ B und A ∨ B (A, B ∈ LIT) sind Grenzfälle beider Normalformen, d.h.
beide sind sowohl in DNF als auch in KNF.
• Die Definitionen bestimmen für den Grenzfall n = 1, daß ein alleinstehendes Literal
L1 (trivialerweise) sowohl eine DL-Formel als auch eine KL-Formel und sowohl in
DNF als auch in KNF ist.
DNF:
KNF:
37
(A1 ∨ · · · ∨ Ak ) ∧ (B1 ∨ · · · ∨ Bm ) ∧ · · · ∧ (C1 ∨ · · · ∨ Cn )
und eine Formel in KNF ist von der Form
(A1 ∧ · · · ∧ Ak ) ∨ (B1 ∧ · · · ∧ Bm ) ∨ · · · ∨ (C1 ∧ · · · ∧ Cn )
Eine Formel in DNF hat also die Form
5. Eine Formel ist in disjunktiver Normalform (DNF), wenn sie eine Disjunktion
von KL-Formeln ist:
K1 ∨ · · · ∨ Kn
4. Eine Formel ist in konjunktiver Normalform (KNF), wenn sie eine Konjunktion
von DL-Formeln ist:
D 1 ∧ · · · ∧ Dn
ist eine KL-Formel.
L 1 ∧ · · · ∧ Ln
3. Jede Konjunktion von Literalen, d.h., jede Formel der Form
Funktionale Vollständigkeit: Der Beweis
···
···
Z2n |P1 |2n
···
|P1 |1
Z1
..
.
P1
|Pn |2n
|Pn |1
Pn
:LQWHUORJLNIRO
A
Funktionale Vollständigkeit: Der Beweis
40
:LQWHUORJLNIRO
Lemma 5. Zu jeder Formel A (in einer beliebigen aussagenlogischen Sprache) gibt es
eine äquivalente Formel in KNF.
So haben wir auch bewiesen:
· Schließlich bilden wir die Konjunktion aller dieser Zeilendisjunktionen. Das Resultat ist eine KDL-Formel, d.h. eine KNF ≡ A.
· Dann formen wir jede dieser Zeilennegationen ¬Ki = ¬(L1 ∧ · · · Ln ) nach DeMorgan in eine Disjunktion (¬L1 ∨ · · · ∨ ¬Ln ) von Literalen um.
· Für jede Zeile i mit [[A]] = 0 bilden wir die Negation ¬Ki .
· Wir bilden wieder die Zeilenkonjunktionen Ki von Literalen.
Wir hätten auch so vorgehen können:
39
Lemma 4. Zu jeder Formel A (in einer beliebigen aussagenlogischen Sprache) gibt es
eine äquivalente Formel in DNF.
Tatsächlich haben wir also folgendes bewiesen:
• D.h. die zu A äquivalente Formel ist eine Disjunktion von Konjunktionen von Literalen (DKL), d.h. eine DNF!
· Schließlich haben wir die Tafel wiedergegeben als Disjunktion aller Konjunktionen von Zeilen, denen A den Wert 1 hat.
· Jede Zeile habe wir durch die Konjunktion solcher Literale wiedergegeben.
· Jeden Wert (0 oder 1) unter Pi haben wir durch ein Literal |Pi | wiedergegeben.
haben wir eine zu A äquivalente einfache Formel so gebildet:
Sehen wir uns jetzt noch einmal den entscheidenden Schritt im Beweis von Lemma 2
an! Aus der Tafel für die Formel A
A
P1
···
Pn
Z1 |P1 |1 · · · |Pn |1 ..
.
Z2n |P1 |2n · · · |Pn |2n Funktionale Vollständigkeit: Der Beweis
A↓B
1
0
0
0
zweistellige Verknüpfungen, definiert
Funktionale Vollständigkeit: Der Beweis
:LQWHUORJLNIRO
42
DENKPAUSE:
B
0
1
0
1
A
0
0
1
1
Hier noch einmal die Wahrheitstafel für | :
1
1
1
0
A|B
¬A ≡ A | A
A ∧ B ≡ (A | B) |(A | B).
:LQWHUORJLNIRO
Das können wir so beweisen. Nach dem letzten Satz genügt es zu zeigen, wie man
die Negation und die Konjunktion nur mithilfe des Sheffer-Strichs darstellt. Dazu
beweisen wir aufgrund der Wahrheitstafel für den Sheffer-Strich | diese Äquivalenzen:
Satz. Es genügt der Sheffer-Strich, um alle Wahrheitsfunkionen zu definieren.
(D.h. {|} ist funktional vollständig.)
41
Die NAND-Funktion (der Sheffer-Strich) findet in elektronischen Bauelementen als
universelles Logikgatter Verwendung; praktisch jedes einigermaßen komplexe elekronische Gerät basiert auf dieser Schaltung. Die theoretische Grundlage für diese Verwendung ist der Satz über den Sheffer-Strich, den wir jetzt beweisen werden.
Anmerkung:
A | B sagt offenbar soviel wie “nicht: A und B” (“NAND”), während A ↓ B soviel
bedeutet wie “nicht: A oder B” (“NOR”).
Der Sheffer-Strich | und der Peirce-Pfeil ↓ sind
durch die Wahrheitstafeln
A B A|B
0 0 1
0 1 1
1 0 1
1 1 0
Zwei Schlüssel zum Universum
Funktionale Vollständigkeit: Der Beweis
A|B
1
1
1
0
A∧B
0
0
0
1
¬A
1
1
0
0
:LQWHUORJLNIRO
A|A
Funktionale Vollständigkeit: Der Beweis
(A | B) |(A | B)
44
A|B : 1
A|B : 0
A↓B:1
:LQWHUORJLNIRO
A↓B:0
Ausgehend von der Beobachtung, daß A | B offenbar soviel bedeutet wie “nicht: A
und B” (NAND, also ¬(A ∧ B)) und A ↓ B soviel wie “nicht: A oder B” (NOR, also
¬(A ∨ B)) können wir auch für diese Junktoren Tableau-Regeln auftstellen:
DENKPAUSE:
43
0
1
1
1
0
1
0
B
0
A
DENKPAUSE:
Funktionale Vollständigkeit: Der Beweis
B:0
B:1
A:1
:LQWHUORJLNIRO
B:1
A↓B:0
A ∨ ⏐B : 0
⏐
A:0
B:0
Funktionale Vollständigkeit: Der Beweis
A ↓ ⏐B : 1
⏐
A:0
B:0
A:1
A
∨ B :1
Mehrwertige Logik
13mehrwertig 170130.1637
André Fuhrmann
46
:LQWHUORJLNIRO
◦ die Aussagenverknüpfungen Funktionen solcher Wahrheitswerte sind.
Beweis. Hausaufgabe: Finden Sie die richtigen Definitionen wie zuvor für den
Sheffer-Strich!
2
Wir wollen hier diese zweite Möglichkeit ein wenig betrachten.
:LQWHUORJLNIRO
• daß die Aussagenverknüpfungen zwar Funktionen von Wahrheitswerten sind, daß es
aber mehr als zwei solcher Werte geben kann.
◦ Daß einige Aussagenverknüpfungen nicht Funktionen von Wahrheitswerten, sondern anderer semantischer Aspekte von Aussagen (vielleicht der beschriebenen
Sachverhalte?) sind, und
Die Logik handelt zwar (unter anderem) von zwingenden Argumenten, ihre eigenen
Grundannahmen sind aber selbst nicht unbedingt zwingend. So können wir auch folgende Alternativen zu logischen Theorien entwickeln:
• alle Aussagen genau einen von zwei Werten, wahr (1) oder falsch (0) haben,
und daß
Mehrwertige Logik
:LQWHUORJLNIRO
Logik im Winter 2016-17
Theorie der
Wahrheitsfunktionen (Teil 3)
Mehrwertige Logik
Wir haben bisher angenommen, daß
Goethe-Universität
Frankfurt am Main
Institut für Philosophie
Satz. Es genügt der Peirce-Pfeil ↓, um alle Wahrheitsfunkionen zu definieren.
Mit diesen Regeln in der Hand, können Sie sich überlegen, wie Sie im Quine’schen
Verfahren mit diesen Junktoren umgehen und so zB sehr schnell die nötigen Verifikationen für den folgenen Satz durchführen:
45
B:0
A|B : 0
⏐
⏐
A:1
B:1
A:0
A
∧ B :0
Und unsignierte Bäume? ...
A:0
A|B : 1
A ∧⏐B : 1
⏐
A:1
B:1
DENKPAUSE:
Funktionale Vollständigkeit: Der Beweis
Mehrwertige Logik
:LQWHUORJLNIRO
Stephen C. Kleene (1909–1994)
4
:LQWHUORJLNIRO
• Neu soll nur die Behandlung der neuen Werte v1 , v2 , ... sein. (Konservative Erweiterung.)
• Was wir über Wahr und Falsch bisher (in der 2-wertigen Logik) gesagt haben, soll
weiterhin gelten.
• Ob eine komplexe Aussage den Wert v hat, soll durch die Werte der in der Aussage vorkommenden Teilaussagen (und der Art ihrer Zusammensetzung) sein. Wir
streben Tafeln für die Werte an.
• Aussagen können wahr, falsch, v1 , oder v2 , oder ... sein.
Wir werden Werte einführen, die den Werten Wahr und Falsch in gewissen Hinsichten
vergleichbar sein sollen.
3
Jan L
ukasiewicz (1878–1956)
Mehrwertige Logik
Dreiwertige Logik
:LQWHUORJLNIRO
6
:LQWHUORJLNIRO
• Einige Philosophen setzen Wahrheit mit Verfizierbarkeit und Falschheit mit Falsifizierbarkeit gleich. Wenn sich nicht alle Sätze entweder verifizieren oder falsifizieren lassen, dann gibt es Sätze, die weder wahr noch falsch sind.
Bsp: “Jede gerade Zahl > 2 ist die Summe zweier Primzahlen.” Angenommen,
es gibt weder einen Beweis noch eine Widerlegung dieser Vermutung. Ist der Satz
dann weder wahr noch falsch?
• Einige Philosophen sind der Auffassung, daß auch ethische Sätze in diese Kategorie
gehören.
Bsp: “Das Wohl Aller im Blick zu haben, ist gut” sagt nichts aus, was wahr oder
falsch sein kann, sondern drückt eine Haltung oder eine Empfehlung aus.
• Das ist einer von vielen Fällen, in denen Sätze grammatisch vorgeben, etwas
auszusagen, aber keinen Inhalt haben, den man als wahr oder falsch beurteilen
könnte. Weiteres
Bsp: “Diese Socke ergibt durch zwei geteilt eine ganze Zahl” oder vielleicht auch
“Das Nichts nichtet”.
5
• In einigen Sätzen wird der Anwendungsbereich einer Operation oder eines
Prädikats überzogen.
Bsp: In “ 10 ≤ 1” wird durch Null dividiert, was nicht definiert ist.
• Einigen Sätzen fehlt die Voraussetzung dafür, wahr oder falsch zu sein.
Bsp: “Die Schweiz führt wieder die Monarchie ein.” Die Schweiz wurde noch nie
von einem Monarchen regiert.
• Einige Sätze subsumieren Grenzfälle unter vage Eigenschaften.
Bsp: “Türkis ist eine Art Blau.” — Ist Türkis nicht eine Art Grün?
• Einige Sätz enthalten zu wenig Information, um sie als wahr oder falsch zu
beurteilen.
Bsp: “Frankfurt ist eine große Stadt.” Hier fehlt uns Information über die Klasse
der Städte, die verglichen werden sollen.
Es gibt verschiedene Gründe, warum Aussagen neben den Werten Wahr und Falsch
noch einen dritten Wert haben könnten.
Dreiwertige Logik
Dreiwertige Logik
0
?
1
1
i
0
∧
1 i 0
1 ? 0
? ? ?
0 ? 0
1
i
0
∨
1 i 0
1 ? 1
? ? ?
1 ? 0
→ 1 i 0
1 1 ? 0
i ? ? ?
0 1 ? 1
:LQWHUORJLNIRO
• Neben den Werten 1 (wahr) und 0 (falsch) betrachtet L
ukasiewicz einen dritten
Wert i (unbestimmt, d.h. weder wahr noch falsch). Dann füllt er die Tafeln wie
folgt:
0
i
1
∧
1
1
i
0
i
0
∨
1
i
0
→
1
i
0
i 0
i 0
0 0
1
i
0
1 1 1
1 i i
1 i 0
1
i
0
1 i 0
1 ? 0
? ? ?
1 ? 1
10
:LQWHUORJLNIRO
Negation: Wenn ein Satz unbestimmt ist, dann ist auch dessen Negation unbestimmt,
und umgekehrt.
(Lukasiewicz schreibt 12 für i !) Genau wie in der zweiwertigen Logik ist x∧y dann der
kleinere (das Minimum) und x ∨ y ist der größere (das Maximum) der beiden Werte.
Im Falle x = y ist das Minimum zugleich auch das Maximum; also x ∧ x = x = x ∨ x.
0 < i < 1.
Konjunktion und Disjunktion: Wir denken uns die Werte so angeordnet:
1
i
0
¬
Zweitens:
Dreiwertige Logik
Dreiwertige Logik
9
:LQWHUORJLNIRO
• Dennoch hat Jan L
ukasiewiecz dieses Argument 1920 aufgegriffen und daraufhin
einen besonders prominenten Vorschag für eine mehrwertige Logik gemacht.
8
1
i
0
¬
Mit den klassischen Werten 1 und 0 soll auf klassische Weise verfahren werden.
Damit stehen die Eckwerte fest: Sie werden aus den Tafeln für die zweiwertige Logik
übernommen.
Erstens:
L
ukasiewicz’ Logik L3
Dreiwertige Logik
:LQWHUORJLNIRO
• Dieses Argument ist ein Fehlschluß (s.u.). (Das ist nicht überraschend. Aber die
Analyse, die wir gleich nachliefern werden, ist instruktiv.)
7
(4) Also ist P jetzt weder wahr noch falsch.
(3) Aber daß morgen eine Prüfung stattfindet, ist weder notwendigerweise wahr noch
notwendigerweise falsch (sondern kontingent).
(2) Wenn P jetzt falsch ist, dann findet notwendigerweise morgen keine Prüfung
statt.
(1) Wenn P jetzt wahr ist, dann findet notwendigerweise morgen eine Prüfung statt.
Für diese These scheint Aristoteles so zu argumentieren:
erst morgen, nicht aber schon jetzt einen Wahrheitswert haben.
P. Morgen findet eine Prüfung statt
Demnach soll zB der Satz
In De Interpretatione (Kap. 9) behauptet Aristoteles, Aussagen über künftige kontingente Ereignisse hätten jetzt keinen Wahrheitswert. Da das eine überraschende These
ist und gern als Motiv für mehrwertige Logiken zitiert wird, wollen wir uns die Sache
näher ansehen.
Zukünftige Kontingenzen
Dreiwertige Logik
0
i
1
1
i
0
∧
1
1
i
0
i
i
0
i
0
0
0
0
1
i
0
∨
1
1
1
1
0
1 1
i i
i 0
i
0
i
1
1
i
0
∧
1
1
i
0
i
i
0
i
0
0
0
0
1
i
0
∨
1
1
1
1
i
1
i
i
1
i
0
0
1
i
0
→
1
1
1
1
i
1
1
i
0
i
1
0
Dreiwertige Logik
Dreiwertige Logik
12
:LQWHUORJLNIRO
1
i
0
∧
Kleenes (“starke”) Logik K3
1 i 0
∨ 1 i 0
1 i 0
1 1 1 1
i i 0
i 1 i i
0 0 0
0 1 i 0
1
i
0
→
1 i 0
1 i 0
1 i i
1 1 1
14
:LQWHUORJLNIRO
• D.h. Da die Implikation in der Kleene-Logik kann aus Negation und Disjunktion
oder Konjunktion definiert werden. Damit beschreiben die drei linken Tafeln (oder
das Hasse-Diagramm auf p. 11) vollständig das Verhalten der Junktoren in K3.
• aber dafür gilt nun wieder A → B ≡ ¬A ∨ B ≡ ¬(A ∧ ¬B).
• Zwar ist jetzt A → A nicht mehr tautologisch (i → i = i);
¬ 1 0
i i
0 1
Durch eine kleine Änderung in der Tafel für → läßt sich die Definierbarkeit der Implikation wiederherstellen (i → i = i statt 1). Das ist
:LQWHUORJLNIRO
13
• Daraus folgt, daß sich in L3 die Implikation nicht wie gewohnt definieren läßt:
Weder A → B ≡ ¬A ∨ B, noch A → B ≡ ¬(A ∧ ¬B). (Man betrachte B = A.)
• Die Tafel für → ist aber so eingerichtet, daß das Identitätsgesetz A → A immer
wahr ist.
• Auch das Gesetz der Widerspruchsfreiheit, ¬(A ∧ ¬A), ist nicht mehr tautologisch.
(Sei A = i. Dann i ∧ ¬i = i = ¬i.)
• Das Gesetz vom Ausgeschlossenen Dritten, A ∨ ¬A, erhält nun nicht immer den
Wert 1. (Sei A = i. Dann ¬i ∨ i = i.)
Einige Resultate:
Ein Satz soll logisch wahr (tautologisch) sein, wenn er immer (d.h. unter allen
möglichen Verteilungen von Wahrheitswerten) den Wert 1 erhält.
Keine Überraschung bei der Definition logischer Wahrheit:
Dreiwertige Logik
:LQWHUORJLNIRO
· i → i: Sicher nicht = 0. Wenn i → i = i, dann wäre A → A nicht wahr, wenn
v(A) = i. Aber A → A sollte unter jeder Belegung wahr sein. Also: i → i = 1.
Schließlich:
· Ebenso i → 0 ... : also = i.
· 1 → i ist zwar nicht wahr, aber auch nicht falsch: also = i.
Sodann:
· 1 im Konsequens macht das Konditional wahr; also i → 1 = 1
· 0 im Antezedens macht das Konditional wahr; also 0 → i = 1.
Wir verfahren nach bewährtem, klassischem Rezept:
1
i
0
¬
Drittens:
11
Jetzt fehlt nur noch die Implikation ...
- Die Negation vertauscht die Werte 1 und 0 bzw.
ist die Identität für den Wert i.
- Die Konjunktion zweier Werte ist das Minimum
(= der untere) der beiden Werte.
- Die Disjunktion zweier Werte ist das Maximum
(= der obere) der beiden Werte.
(Dabei ist x ∧ x = x = x ∨ x.)
Diese Tafeln lassen sich in einem sogenannten Hasse-Diagramm zusammenfassen:
1
i
0
¬
Dreiwertige Logik
Dreiwertige Logik
Dreiwertige Logik
0
i
1
1
i
0
∧
1 i 0
1 i 0
i i i
0 i 0
1
i
0
∨
1 i 0
1 i 1
i i i
1 i 0
1
i
0
→
1
1
i
1
0
i 0
i i
i 1
i
16
:LQWHUORJLNIRO
· Aber die Annahme, daß v(A) = 1 reicht jetzt nicht mehr für die Konklusion, daß
v(A ∨ B) = 1. (Man betrachte v(B) = i !) D.h. A |= A ∨ B ist keine gültige
Folgerung in B3.
· Gültig sind in B3 beispielsweise A |= A und A ∧ B |= B, und auch A ∧ ¬A |= B
(prüfen!).
Die Logik B3 kennt Tautologien genausowenig wie K3. In B3 sind jedoch viele Folgerungen ungültig, die in K3 noch gültig sind.
1
i
0
¬
Kleenes “schwache” Logik (Bochvar-Logik B3)
18
Frage: Ist Präsupponieren (→) dasselbe wie Implizieren (→)?
:LQWHUORJLNIRO
• Daß UIla ihre Lehre abgebrochen hat, ist weder wahr noch falsch. Das liegt daran,
daß der Satz (und ebenso das Gegenteil, “Ulla hat ihre Lehre nicht abgebrochen”)
etwas voraussetzt (“präsupponiert”), was nicht zutrifft.
• Sie werden daher weder das Eine noch das Andere sagen wollen.
• Ditto, wenn Sie Nein sagen.
• Wenn Sie die Frage mit Ja beantworten, “Ja, Ulla hat ihre Lehre abgebrochen”,
dann geben Sie zum Ausdruck, daß Sie die Annahme teilen.
• Der Frage liegt die Annahme zugrunde, daß Ulla eine Lehre begonnen hat.
Angenommen, Ulla hat nie eine Lehre begonnen. Würden Sie die Frage “Hat Ulla
ihre Lehre abgebrochen?” mit Ja oder Nein beantworten? Ist der Satz “Ulla hat ihre
Lehre abgebrochen” wahr oder falsch?
Eine Anwendung: Voraussetzungen (Präsuppositionen)
:LQWHUORJLNIRO
17
nicht davor, defekt (statt wahr) zu sein.
“Diese Socke ergibt durch zwei geteilt eine ganze Zahl oder 1+1=2”
In jedem Fall versteht Bochvar den Defekt so, daß er maximal ansteckend wirkt:
Jeder Satz, der einen defekten Teilsatz enthält, ist selbst (teilweise) defekt. Danach
rettet auch die Wahrheit des Satzes “1+1=2” die Disjunktion
“Diese Socke ergibt durch zwei geteilt eine ganze Zahl”
Für Bochvar zeigt der dritte Wert einen semantischen Defekt an. Semantisch defekt
(“paradox”) sind nach Bochvar (bestimmte) Sätze über die Russell-Menge oder über
Lügner-Sätze. Andere Sätze werden defekt (“unsinnig”) durch semantische Kategorienfehler, wie
Wir haben Kleenes schwache Logik (aus Introduction to Metamathematics, 1952)
hier B3 genannt, nach Dimitri Anatol Bochvar (1903–1990), einem russischen
Chemiker, Logiker und Träger des Lenin-Ordens. Bochvar hat diese Tafeln schon
1938 angegeben als Teil einer “Logik des Unsinns”; dieselben Tafeln finden sich unabhängig von Bochvar in Sören Halldéns “The logic of nonsense” (1949).
Anmerkung
Dreiwertige Logik
:LQWHUORJLNIRO
Eine skeptischere und zugleich einfachere Lösung der Frage, wie die Unbestimmtheit
von Teilen das Ganze affiziert, ist in den folgenden Tafeln enthalten:
15
Übung: Prüfen Sie A |= A; A ∧ B |= B; A |= A ∨ B; A, ¬A |= B; A, A → B |= B,
usw.
Ein Satz A folgt logisch aus einer Menge Γ von Sätzen (Γ |= A), wenn jede
Belegung, die alle Elemente in Γ wahr macht auch A wahr macht.
Die Logik K3 kennt zwar keine Tautologien, aber sie unterscheidet zwischen gültigen
und ungültigen Folgerungen!
Beweis. A ist eine logische Wahrheit, wenn v(A) = 1 für jede Belegung v der Atome.
Man betrachte die Belegung w mit w(P ) = i, für jedes Atom P . Behauptung: [A]w =
i für jede Formel A. (Jetzt ist eine Induktion über den Formelaufbau angesagt. Aber
ein kurzer Blick auf die Wahrheitstafeln — sozusagen eine Schnellinduktion — sollte
Sie von der Wahrheit der Behauptung überzeugen.)
Beobachtung 1. In der Logik K3 gibt es keine logischen Wahrheiten (Tautologien).
Hier ist eine zunächst überraschende aber einfach zu beweisende
Dreiwertige Logik
Dreiwertige Logik
Dreiwertige Logik
20
:LQWHUORJLNIRO
So impliziert zB jede Aussage sich selbst (A → A) aber keine Aussage setzt ihre
eigene Wahrheit voraus (A → A).
• A setzt B gd voraus (im Sinne einer Präsupposition), wenn: Wenn A wahr oder
falsch ist, dann ist auch B wahr.
Aus dieser Beobachung ergibt sich ist ein einfacher Test für Präsuppositionen (versus
Implikationen):
Man sagt auch: A projiziert seine Präsuppositionen auf die Einbettung per Negation.
• aus A → B folgt jedoch ¬A → B.
• Aus A → B folgt nicht ¬A → B;
22
:LQWHUORJLNIRO
D.I. Beaver and B. Geurts, Presupposition, in Stanf. Enc. Phil.,
L.T.F. Gamut, Logic, Language and Meaning, 1, Chicago (The University
of Chicago Press), 1991; Kap. 5.5.3.,
• Wie Projektion und Löschung von Präsuppositionen funktioniert und wie sich das
am besten erklären läßt, das sind heiß diskutierte Fragen. Für einen Einstieg sei
empfohlen:
Im Gegensatz zu B3 sind die starken Kleene-Tafeln K3 mit dem Phänomen des
Löschens besser verträglich. (Wenn wir im Beispiel wie zuvor annehmen, daß Q = i,
da P = 0, dann ist P → Q = 1 in K3.)
auch wenn A → B !
(B → A) → B,
Die Projektion von Präsuppositionen ist also nicht kumulativ: Manche Einbettungen
haben die Wirkung, die Präsuppositionen von Teilsätzen zu löschen. Bei bestimmten
Einbettungen scheint das Löschen immer zu funktionieren, zB dann, wenn man eine
Präsupposition als Antezedens eines Konditionals zur Sprache bringt:
:LQWHUORJLNIRO
21
Für (1) mögen wir annehmen, daß Q = i, da P = 0. Dann sagt B3 voraus, daß
(P → Q) = i. Aber P → Q in (2) setzt P nicht voraus: In dieser Einbettung verliert
Q seine Präsupposition P und es gibt keinen Grund, P → Q mit i zu bewerten.
(2) P → Q: (Wenn Ulla eine Lehre begonnen hat, dann hat sie diese abgebrochen)
→ P : Ulla hat eine Lehre begonnen.
Jedoch
(1) Q: Ulla hat ihre Lehre abgebrochen → P : Ulla hat eine Lehre begonnen.
So einfach verhält es sich jedoch nicht, wie man sich schnell klar machen kann. ZB
werden Präsuppositionen nicht immer bei Einbettungen per → projiziert.
Wenn wir den Wert i als “nicht wahrheitsdefinit aufgrund einer falschen
Präsupposition” interpretieren, dann drücken die schwachen Kleene-Tafeln B3 genau
diese kumulative Hypothese aus.
• Präsuppositionen sind kumulativ: Wenn A → B, dann C(A) → B für jeden
Satzkontext C, in den A eingebettet werden kann.
Wie ist es mit der Projektion von Präsuppositionen bei weiteren Einbettungen? Eine
besonders einfache Hypothese wäre diese:
Dreiwertige Logik
:LQWHUORJLNIRO
Ad B] Das ist das eigentliche Argument gegen die Gleichsetzung von Implikation und
Präsupposition:
19
Ad A] Das ist im wesentlichen das, was Russell in seiner Kennzeichnungstheorie behauptet — wenn man (wie Frege) “Kepler” als kurz für eine Kennzeichnung auffaßt,
zB. “der Entdecker der elliptische Gestalt der Umlaufbahn der Planeten.”
Wenn man also behauptet, “Kepler starb im Elend” [K], so ist dabei vorausgesetzt
[→], daß der Name “Kepler” etwas bezeichne [E];
[K → E]
aber darum ist doch im Sinne des Satzes “Kepler starb im Elend” der Gedanke, daß
der Name “Kepler” etwas bezeichne, nicht enthalten (→).
A] Wenn das der Fall wäre,
[K → E und also K ≡ K ∧ E]
müßte die Verneinung [¬K] nicht lauten “Kepler starb nicht im Elend”,
sondern “Kepler starb nicht im Elend oder der Name ‘Kepler’ ist bedeutungslos”.
[Eigentlich: Dann wäre ¬K äqv. zu ¬K ∨ ¬E.]
B] Daß der Name Kepler etwas bezeichne, ist vielmehr Voraussetzung ebenso für die
Behauptung
“Kepler starb im Elend”
wie für die entgegengesetzte.
[¬K → E]
Diese Frage stellte schon Gottlob Frege in (Über Sinn und Bedeutung, 1892, p. 40):
Dreiwertige Logik
Dreiwertige Logik
Dreiwertige Logik
24
Wenn (a), dann ist der Schluß ungültig;
wenn (b) dann sind die ersten zwei Prämissen falsch.
In keinem Fall kommen wir zur Konklusion (4).
(b) das Konsequens von (1/2)?
(a) das ganze Konditional (1/2) oder nur auf
Frage: Bezieht sich “notwendigerweise” auf
(4) Also ist P jetzt weder wahr noch falsch.
:LQWHUORJLNIRO
Im Detail ...
(3) Aber daß morgen eine Prüfung stattfindet, ist weder notwendigerweise wahr noch
notwendigerweise falsch.
(2) Wenn P jetzt falsch ist, dann findet notwendigerweise morgen keine Prüfung
statt.
26
:LQWHUORJLNIRO
• Es überzeugt nur vordergründig, wenn man im Laufe der Argumentation von einer
Lesart in die andere wechselt (“äquivoziert”: den gleichen Worten einen andern
Sinn unterschiebt).
• In keiner Lesart ist es gut.
• Es kann auf zweierlei Weise gelesen werden (hier: “notwendigerweise”).
Das Argument ist ein klassisches Beispiel einer Äquivokation:
Jetzt wäre der Schluß gut. Aber die Prämissen (1b) und (2b) sind natürlich falsch!
Daß etwas (jetzt) wahr ist, impliziert nicht, daß es notwendig wahr ist, wie Aristoteles
selbst in (3) feststellt. (Analog für 2b.)
(4) Also ist P jetzt weder wahr noch falsch.
(3) ¬ Notw (P ) ∧ ¬ Notw (¬P )
(2b) P ist jetzt falsch → Notw (¬P ). (??)
(1b) P ist jetzt wahr → Notw (P ). (??)
Angenommen (b): Das “Notwendig” bezieht sich nur auf das Konsequens der
Prämissen. Dann sieht das Argument so aus:
:LQWHUORJLNIRO
25
(4) Also (??) Peter ist nicht Junggeselle.
(3) ¬ Notw (Peter ist unverheiratet)
(1) Notw (Peter ist Junggeselle → Peter ist unverheiratet).
Der Schluß geht fehl. Vergleiche:
(4) Also (??) ist P jetzt weder wahr noch falsch.
(3) ¬ Notw (P ) ∧ ¬ Notw (¬P )
(2a) Notw (P ist jetzt falsch → ¬P ).
(1a) Notw (P ist jetzt wahr → P ).
Angenommen (a): Das “Notwendig” bezieht sich auf die ganze konditionalen
Prämisse. Dann sieht das Argument so aus:
Dreiwertige Logik
:LQWHUORJLNIRO
(1) Wenn P jetzt wahr ist, dann findet notwendigerweise morgen eine Prüfung statt.
DENKPAUSE:
23
(4) Also ist P jetzt weder wahr noch falsch.
(4f) Also ist P jetzt nicht falsch.
(3f) Daß morgen eine Prüfung stattfindet, ist auch nicht notwendigerweise falsch.
(4w) Also ist P jetzt nicht wahr.
(3w) Aber daß morgen eine Prüfung stattfindet, ist nicht notwendigerweise wahr.
(2) Wenn P jetzt falsch ist, dann findet notwendigerweise morgen keine Prüfung
statt.
(1) Wenn P jetzt wahr ist, dann findet notwendigerweise morgen eine Prüfung statt.
P. Morgen findet eine Prüfung statt.
Das Argument:
Warum ist das Aristotelische Argument (falls Aristoteles es so gemeint hat) schlecht?
DENKPAUSE:
Dreiwertige Logik
28
0
b 0
b 0
0 0
b
1
b
0
∨
b
0
1 1 1
1 b b
1 b 0
1
1
b
0
→
1 b 0
1 b 0
1 b b
1 1 1
:LQWHUORJLNIRO
30
Dieser, scheinbar kleine Unterschied hat einige interessante Folgen.
• In LP sind 1 und b desiginiert.
• In K3 ist nur der Wert 1 designiert.
K3 und LP unterscheiden sich nur in der Wahl designierter Werte:
:LQWHUORJLNIRO
• B folgt aus A (A |= B) gdw B wahr ist unter der Voraussetzung, daß A wahr ist.
• Ein Satz ist gd logisch wahr (|= A), wenn er immer wahr ist, d.h. immer den Wert
1 oder b hat.
• Ein Satz A ist genau dann wahr, wenn w ∈ v(A) (also wenn sein Wert 1 oder b ist).
· b = {w, f } ist Wahrheit-und-Falschheit.
· 0 = {f } ist die reine Falschheit.
· 1 = {w} ist die reine Wahrheit.
· w und f mögen für Wahrheit und Falschheit stehen.
Wir können uns die Werte in den Tafeln auch so vorstellen:
Dreiwertige Logik
29
– In der Logik der Paradoxie, LP, ist ein Satz logisch wahr, wenn er unter jeder
Interpretation (mindesten ein bißchen) wahr ist, d.h. wenn der Satz immer den
Wert 1 oder b hat. Und B folgt logisch aus A, wenn unter der Voraussetzung,
daß A (ein bißchen) wahr ist, auch B es (ein bißchen) sein muß. Mit anderen
Worten, in LP gibt es zwei designierte Werte: 1 und b !
Dreiwertige Logik
• Mit diesen drei Werten interpretieren wir die Junktoren nun nach den starken
Kleene-Tafeln. (Machen Sie mal einige Stichproben: Die Kleene-Tafeln sind unter
diesen neuen Interpretation ziemlich plausibel!)
– beides (b) sein.
– falsch (0), oder auch
– wahr (1),
1
1
b
0
– In der starken Kleene Logik, K3, ist ein Satz logisch wahr, wenn er unter
jeder Interpretation wahr ist, d.h. wenn der Satz immer den Wert 1 hat. Und
B folgt logisch aus A, wenn B wahr sein muß unter der Voraussetzung, daß A es
ist. In K3 gibt es also nur einen designierten (“guten”) Wert, nämlich 1.
1
b
0
∧
:LQWHUORJLNIRO
Zusammengefaßt: L ist entweder wahr oder falsch. Im ersten Fall ist L auch falsch;
im zweiten Fall ist L auch wahr. Also ist L in jedem Fall wahr und falsch.
• Ein Satz kann also
0
b
1
• Logische Wahrheit:
1
b
0
¬
Dreiwertige Logik
:LQWHUORJLNIRO
Angenommen L ist wahr. Dann gilt was L sagt: L ist falsch. — Angenommen L ist
falsch. Dann stimmt nicht, was L sagt, nämlich daß L falsch sei. Also ist L wahr.
L: Der Satz L ist falsch.
Hier ist ein Beispiel:
27
Aber wie könnte ein überbestimmter Satz aussehen?? /...
• Sicher, im allgemeinen ist uns die reine Wahrheit (“Wahrheit und nichts als die
Wahrheit”) lieber. Aber manchmal ist reine Wahrheit nicht zu haben: Zu haben
ist dann weniger oder eben auch mehr!
• Andere Sätze sind wahr und falsch zugleich. Ihr Wahrheitswert ist überbestimmt.
Diese Möglichkeit betrachten wir jetzt.
• Manche Sätze sind weder wahr noch falsch (zB wenn Präsuppositionen nicht erfüllt
sind). Diese Möglichkeit betrachten wir jetzt nicht.
Was ist, zB, wenn wir in den starken Kleene-Tafeln den dritten Wert nicht als
un(ter)bestimmt, sondern als überbestimmt, interpretieren? Die Idee:
Bisher haben wir immer angenommen, 1 sei der einzige “gute” (desiginierte) Wert
in einer dreiwertigen Logik. Das mag unter manchen Interpretationen des dritten
Wertes naheliegend sein. Unter anderen Interpretationen des dritten Wertes ist das
vielleicht nicht mehr selbstverständlich.
Wahre Widersprüche: Priests Logik der Paradoxie
Dreiwertige Logik
Dreiwertige Logik
:LQWHUORJLNIRO
A → B ∨ ¬B
32
:LQWHUORJLNIRO
in denen der Vordersatz für den Nachsatz “irrelevant” ist, nicht gültig sind.
A ∧ ¬A → B
Die resultierende Logik, RM3, ist ein einfaches Beispiel einer sogenannten
Relevanzlogik, in der Formeln wie
(Gleichzeitig haben wir die Tafel auch so (grün) geändert (1 → b = 0 statt b),
damit nach der ersten Änderung A → B und ¬A ∨ B äquivalent bleiben.)
• Das Problem (wenn es eines ist) läßt sich beheben, indem wir die Tafel für → so
(rot) ändern (b → 0 = 0 statt b), daß das gerade genannte Gegenbeispiel ausgeschlossen ist:
→ 1 b 0
1 1 0 0
b 1 b 0
0 1 1 1
• Andererseits ist nun aber Modus Ponens ungültig, d.h. der Schluß von A und A →
B auf B garantiert nicht, daß wenn die Prämissen genügend wahr sind, dann auch
die Konklusion genügend wahr ist. (Da b → 0 = b, ist folgendes möglich: Während
v(A) = b und v(A → B) = b, ist v(B) = 0.)
31
· Also gilt in LP nicht mehr der klassischen Zusammenhang zwischen Folgerung
und Implikation: Aus |= A → B dürfen wir nicht auf A |= B schließen. (Vgl.
Satz 2 in Vorlesung 9.)
0
A ∧ ¬A → B
· Obwohl also B nicht aus A ∧ ¬A folgt, ist die Implikation A ∧ ¬A → B eine
logische Wahrheit (d.h. niemals = 0)! Testen Sie nach Quine:
Klassisch war die Folgerung erzwungen, weil A ∧ ¬A nie (rein) wahr sein kann —
und da spielte der Wahrheitswert von B schon keine Rolle mehr. Aber A ∧ ¬A kann
nun genügend wahr (nämlich b) werden. Wenn B dann völlig falsch (0) ist dann
folgt B nicht aus A ∧ ¬A.
• Deshalb kann in LP aus einer Kontradiktion, A ∧ ¬A, nicht mehr beliebiges, B,
folgen, d.h.
A ∧ ¬A |= B.
• Andererseits kann sogar A ∧ ¬A (ein bißchen) wahr werden: Es sei v(A) = b.
• Im Gegensatz zu K3 sind A ∨ ¬A und A → A in LP gültig.
Dreiwertige Logik
Eine vierwertige Logik
:LQWHUORJLNIRO
34
:LQWHUORJLNIRO
· Angenommen, in die Δ hat sich eine Inkonsistenz eingeschlichen:
Sowohl Q also auch ¬Q wurde in Δ eingegeben.
Fragen Sie jetzt P ?, dann antwortet Δ mit P . Denn klassisch folgt ja aus beliebigem A ∧ ¬A beliebiges B.
Eine “kleine” Inkonsistenz macht so die gesamte Datenbank unbrauchbar! Die
Datenbank “explodiert”: Sie wird jede Anfrage positiv bescheiden.
Was passiert, wenn die Folgerungsmaschine klassisch vorgeht?
· Gelingt das, dann antwortet die Datenbank P ;
Richten Sie eine Anfrage P ? an die Datenbank, dann wird die Folgerungsmaschine
versuchen, P aus der Menge Δ abzuleiten.
• einer Folgerungsmaschine.
• einer Menge Δ von Basisinformationen, und
Eine Datenbank besteht aus
33
Datenbanken können sehr schnell in genau diese Situation kommen!
· die eine Quelle sagt “Ja”, die andere (oder dieselbe zu einem anderen Zeitpunkt)
sagt “Nein”.
· Sie bekommen keine Antwort, oder
• Sie fragen: “P ?”
“In der Praxis” mögen diese Thesen aber wenig hilfreich sein. Wenn sich Ihre
Vergabe von Wahrheitswerten zB nur auf Mitteilungen gründet, deren Vertrauenswürdigkeit Sie nicht überprüfen können dann kann schnell folgendes passieren:
• daß jede überhaupt sinnvolle Aussage entweder sagt, wie es ist (= wahr ist) oder
nicht sagt, wie es ist (= falsch ist).
• daß keine Aussage zugleich wahr und falsch sein kann (Konsistenz), und
Zwar mag es ausgezeichnete Gründe für die philosophischen Thesen geben,
Eine vierwertige Logik
Eine vierwertige Logik
falsch
weder-noch
wahr und falsch.
v(A) = {w}
v(A) = {f }
v(A) = 0
v(A) = { }
v(A) = i
v(A) = {w, f }.
v(A) = b.
Eine vierwertige Logik
:LQWHUORJLNIRO
36
:LQWHUORJLNIRO
Belnap, Nuel D., A useful four-valued logic, in Modern Uses of Multiple-Valued
Logic, hg. v. J.M. Dunn and G. Epstein, Dordrecht (Reidel), 1977
Priest, Graham, Introduction to Non-Classical Logic, Cambridge (Cambridge University Press), 2001. Dt. als Einführung in die nicht-klassische Logik, Paderborn
(mentis), 2008.
Makinson, David, Topics in Modern Logic, Methuen, London, 1973.
◦ logische Wahrheit und Folgerung definieren.
◦ Tafeln mit vier Werten für Negation, Konjunktion, Disjunktion und Implikation
angeben, und
Basteln Sie eine plausible vierwertige Logik, indem Sie
(Anregung für Interessierte.)
DENKPAUSE:
35
• Aber in unseren Theorien über die Welt können Sie aufgrund unvollkommener
Evidenz sehr wohl vorkommen. Sofern wir nicht die Welt sondern unsere Theorien
über die Welt unter logischer Konsequenz abschließen wollen, spricht also einiges
dafür, daß eine vierwertige Logik manchmal zumindest “nützlich” sein kann.
Die letzten zwei Möglichkeiten — Unterbestimmung (i) und Überbestimmung (b) —
sind in der klassischen Logik gewissermaßen nicht vorgesehen. Vielleicht kommen sie
in der Welt auch nicht vor.
Oder auch:
v(A) = 1
Wir können das auch so ausdrücken: Für den Wert v(A) einer Formel A gibt es vier
Möglichkeiten:
wahr
Die Folgerungsmaschine einer möglicherweise inkonsistenten Datenbank sollte daher
besser nicht einfach klassisch vorgehen. Stattdessen sollte sie davon ausgehen, daß ein
Eintrag in Δ einen von vier Werten annehmen kann:
Eine vierwertige Logik
38
37
:LQWHUORJLNIRO
Unendlichwertige Logik
:LQWHUORJLNIRO
(Dicht = Zwischen je zweien gibt es immer noch einen dritten Wert.) Wie man auf
eine solche Idee kommen kann und warum das sogar eine ausgespochen gute Idee sein
könnte, wollen wir an einem Beispiel illustrieren.
• (dicht) unendlich viele Wahrheitswerte!
Jetzt wollen wir die erste dieser zwei Erweiterungen zu einem Extrem treiben:
• mehr als ein designierter Wert.
• drei und vier Wahrheitswerte (wahr, falsch, unterbestimmt, überbestimmt),
Gegenüber den Vorgaben der klassischen Logik — zwei Wahrheitswerte, einer davon
designiert — haben wir unseren Horizont jetzt schon erheblich erweitert:
Unendlichwertige Logik
Unendlichwertige Logik
Lösungen
Unendlichwertige Logik
:LQWHUORJLNIRO
40
:LQWHUORJLNIRO
• Wie könnte man erklären, warum Modus Ponens hier kein gültiger Schluß ist??
Wir betrachten jetzt Option II:
IV. Nein zur Toleranz: Nicht für alle Anzahlen n von Sandkörnern macht das
Hinzufügen von einem weiteren Korn keinen Unterschied im Hinblick auf die
Eigenschaft, ein Haufen zu sein: die Toleranz hat eine scharfe Grenze.
III. Nein zum Anfang: Ein Sandkorn ist ein Haufen. Oder
Oder Nein zu einer der Prämissen, d.h. entweder
II. Modus Ponens ist kein allgemein gültiger logischer Schluß.
entweder Nein zum Schluß:
Oder Nein zum Argument. Dann
I. Keine noch so große Anzahl von Sandkörnern ergibt einen Haufen. M.a.W.,
Haufen gibt es gar nicht.
Entweder Ja zum Argument und damit zur Konklusion:
39
(C106 ) 1 Million Sandkörner sind kein Haufen. ]
Dann folgt nach 999.999 × Modus Ponens die Konklusion
(Bn ) Wenn n Sandkörner kein Haufen sind, dann sind auch n + 1 Sandkörner kein
Haufen.
[ Alternativ, eine genügend goße Reihe von Konditionalen (z.B. 1 ≤ n ≤ 999.999):
(C) Also gilt für alle n: n Sandkörner sind kein Haufen.
Per Induktion über n zur Konklusion:
(B) Für alle n: Wenn n Sandkörner kein Haufen sind, dann sind auch n + 1 Sandkörner kein Haufen.
Das Toleranz- oder Induktionsprinzip:
(A) Ein Sandkorn ist kein Haufen.
Der Anfang:
Haufen-(Sorites-)Paradoxien
Unendlichwertige Logik
:LQWHUORJLNIRO
Unendlichwertige Logik
42
:LQWHUORJLNIRO
• Zwischen absolut wahr (1) und absolut falsch (0) gibt es eine reelle (d.h. dicht unendliche) Anzahl weiterer Abstufungen, [1, ..., 0].
• Die zweiwertige Auffassung von Wahrheit betrachtet nur die Grenzfälle.
• Wahrheit und Falschheit werden entlang eines Kontinuums gemessen.
Das ist die Grundidee der Fuzzy Logic:
41
• Es wird zunehmend wahrer, daß der Ausschnitt weiß ist.
• Es wird immer weniger wahr, daß der Ausschnitt schwarz ist.
In dem sie die Maske verschieben, wird das, was Sie im Ausschnitt sehen immer
weniger schwarz und zunehmend weißer. Das können Sie auch so ausdrücken:
... und verschieben Sie langsam die rote Maske von links (ganz schwarz) nach rechts
(ganz weiß).
Betrachten Sie einen Graukeil ...
Fuzzy Logic
Unendlichwertige Logik
44
:LQWHUORJLNIRO
Zadeh, L.A., Fuzzy Sets and Applications: Selected Papers, New York (John Wiley),
1987.
Machina, K.F., Truth, belief and Vagueness, Journal of Philosophical Logic, 5
(1976), 47–78.
Hajék, P., Why Fuzzy Logic?, A Companion to Philosophical Logic, ed. D.
Jacquette, Oxford (Blackwell), 2002, 595–605.
Gottwald, S., Mehrwertige Logik, Berlin (Akademie), 1989.
Unendlichwertige Logik
46
:LQWHUORJLNIRO
NB : Im Gegensatz zur Konjunktionsregel sind Wahrheitschwund und Toleranz keine
Charakteristika unendlichwertiger Logiken, sondern beschreiben nur die paradoxe
Ausgangsssituation (im Vokabular solcher Logiken).
Konjunktionsregel : Der Wahrheitsgehalt zweier Aussagen zusammengenommen
(w(A, B) bzw. w(A ∧ B)) ist genauso hoch wie der, der am wenigsten wahren der
beiden Aussagen.
w(A, B) = min(w(A), w(B))
(ε ein sehr kleiner Wert.)
Toleranz : Jedes der Toleranz-Konditionale (Bi ) hat einen sehr hohen Wahrheitsgehalt.
w(Pi → Pi+1 ) = 1 − ε
Wahrheitsschwund : Der Wahrheitsgehalt in der Reihe P1 , P2 , P3 , . . . , Pm nimmt
stetig ab. Im Extremfall ist P1 vollkommen wahr (1) und Pm ist vollkommen falsch
(0).
w(P1 ) > w(P2 ) > w(P3 ) > . . . > w(Pm )
Drei Annahmen
Unendlichwertige Logik
:LQWHUORJLNIRO
45
43
:LQWHUORJLNIRO
(Wenn P1 , P2 , ... z.B. für “ein, zwei, ... Sandkörner sind kein Haufen” steht, und m
eine Million ist, dann ist (C) die paradoxe Konklusion, daß eine Million Sandkörner
kein Haufen sind. Oder: Für P1 lies: “1 Cent macht niemanden reich.”)
(C) Also Pm .
(B(m-1)) Wenn Pm−1 , dann Pm .
...
P3 .
(B2) Wenn P2 , dann P3 .
P2 .
(B1) Wenn P1 , dann P2 .
(A) P1 .
Betrachten wir noch einmal eine Haufenparadoxie in schematischer Darstellung.
Unendlichwertige Logik
• Vielleicht steckt der Kern des Problems der Haufenparadoxie genau darin: Wir
tun so, also ob wir bei jedem Schluß von wahren Aussagen zu wahren Aussagen
übergehen. Tatsächlich jedoch gehen wir über zu immer weniger wahren Aussagen.
Ist ein solcher Übergang (immer per Modus Ponens!) überhaupt gültig, d.h. logisch
gerechtfertigt?
• Allgemein: Der Wahrheitsgehalt der im Fortgang des paradoxen Arguments
erschlossenen Aussagen nimmt langsam ab bis er am Ende auf Null geschrumpft
ist.
• Je mehr Euros sich auf einem Konto sammeln, umso weniger wahr ist es, daß sein
Besitzer arm ist.
• Mit zehn Euro auf dem Konto ist man zwar immer noch arm aber weniger arm als
zuvor.
• Mit nur einem Euro auf dem Konto ist man sicher arm.
Eine Diagnose der Haufenparadoxie
Unendlichwertige Logik
48
47
Warum Modus Ponens jetzt nicht gilt. . .
:LQWHUORJLNIRO
Unendlichwertige Logik
:LQWHUORJLNIRO
Unendlichwertige Logik
Unendlichwertige Logik
:LQWHUORJLNIRO
50
:LQWHUORJLNIRO
• Also kann in einer unendlichwertigen Logik (mit der Konjunktionsregel
(bzw. Schranke)) Modus Ponens kein gültiger Schluß sein!
Modus Ponens würde uns also zwingen, von relativ wahren (hier: 0,9) zu relativ
weniger wahren (hier: 0,8) Prämissen überzugehen. Von einem gültigen Schluß sollten
wir uns aber erwarten, daß die Konklusion nicht falscher sein darf als die Prämissen.
Ergebnis
(N.B. Tatsächlich würde unter den beiden anderen Annahmen hier schon die
schwächere Bedingung (Schranke) w(A, B) ≤ w(A) reichen.)
49
Unendlichwertige Logik
Goethe-Universität
Frankfurt am Main
Institut für Philosophie
51
14aussagenlogik 170207.1133
André Fuhrmann
Aussagenlogik
als formales System
:LQWHUORJLNIRO
:LQWHUORJLNIRO
Logik im Winter 2016-17
(Schluß der Theorie der Wahrheitsfunktionen)
Unendlichwertige Logik
3
2
:= ¬⊥
⊥ := P ∧ ¬P
Definitionen
Wahrheitstafeln
∧ 0 1
0 0 0
1
0
1 0 1
:LQWHUORJLNIRO
:LQWHUORJLNIRO
Ziel: Eine axiomatische Beschreibung der Menge der Tautologien
Spickzettel: BNF und Wahrheitstafeln
A1 ∨ A2 := ¬(¬A1 ∧ ¬A2 )
A1 → A2 := ¬A1 ∨ A2
0
1
¬
Atomare Formeln: P ∈ ATM
Formeln: A ∈ FML(ATM)
A ::= P | ¬A1 | A1 ∧ A2
Backus-Naur Form (BNF)
Spickzettel: BNF und Wahrheitstafeln
Spickzettel: BNF und Wahrheitstafeln
Vorüberlegung
:LQWHUORJLNIRO
5
:LQWHUORJLNIRO
· oder aus dem Ai vorangehenden Aussagen aufgrund einer gültigen Regel
geschlossen.
· ist entweder eine der Annahmen
jede Aussage Ai
· An = C, und
Allgemein: Ein Argument für eine Konklusion C aus bestimmten Annahmen ist
eine Folge von Aussagen (A0 , A1 , ..., An ) so, daß
· oder eine Aussage, auf die aus vorangehenden Aussagen geschlossen wurde
(3,5,7).
· entweder eine Annahme (Prämisse) (1,2,4,6)
Jede Aussage, die (7) vorangeht ist
Was am Ende der Liste steht, (7), ist offenbar als Konklusion eines Arguments
gemeint. Was macht die Liste zu einem Argument?
(1-7) ist eine Liste (Folge) von Aussagen.
4
(7) Yasmin darf nicht einreisen.
(6) Jasmin arbeitet nicht bei der UNO.
(5) Yasmin darf nicht einreisen, es sei denn, sie arbeitet bei der UNO.
(4) Wenn Yasmin Iranerin ist, dann darf Sie nicht einreisen, es sei denn, sie arbeitet
bei der UNO.
(3) Yasmin ist Iranerin.
(2) Wenn Yasmin Deutsche und Iranerin ist, dann ist Yasmin Iranerin.
(1) Yasmin ist Deutsche und Iranerin.
Vorüberlegung
Vorüberlegung
Prämisse
Prämisse
Schluß aus (5) und (7)
1. Axiomatisches System in einer Sprache L
A1 , . . . , An , B.
7
:LQWHUORJLNIRO
A1 , . . . , An heißen die Prämissen, B die Konklusion der Regel. Regeln schreiben
wir auch so:
A1 . . . An
B
• Regeln sind Folgen der Form:
(Vgl. Vorlesung 3.)
◦ eine Theoreme genannte Teilmenge von FML aus.
◦ durch Anwendung einiger Regeln
◦ auf der Basis einiger ausgewählter Formeln, genannt Axiome,
◦ im Bereich der Formeln von L, FML,
L
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1.Axiomatisches System in einer Sprache
Sei L eine AL-Sprache. Ein axiomatisches System S in L zeichnet
6
(“Gut” nennen wir ein Argument, wenn die Annahmen und Regeln gut sind. Gute
Annahmen sind wahre Annahmen; gute Regeln sind wahrheitsübertragende Regeln.)
(7) Yasmin darf nicht einreisen.
(6) Jasmin arbeitet nicht bei der UNO.
(5) Yasmin darf nicht einreisen, es sei denn, sie arbeitet bei der UNO.
Schluß aus (3) und (4)
(4) Wenn Yasmin Iranerin ist, dann darf Sie nicht einreisen, es sei denn, sie arbeitet
bei der UNO.
Prämisse
Schluß aus (1) und (2)
(2) Wenn Yasmin Deutsche und Iranerin ist, dann ist Yasmin Iranerin.
(3) Yasmin ist Iranerin.
Prämisse
(1) Yasmin ist Deutsche und Iranerin.
Manchmal kommentieren wir Argumente, um die Erfüllung der Bedingungen deutlich zu machen. Etwa so ...
Ein Argument ist also nicht mehr und nicht weniger als eine Folge von Aussagen, die
bestimmte Bedingungen erfüllt.
Vorüberlegung
L
9
:LQWHUORJLNIRO
Beweis. Die Behauptungen folgen unmittelbar aus der Definition einer Folgerung:
4. Wenn X ' A und für jedes B in X, Y ' B, dann Y ' A (Schnitt).
3. X ' A gdw es eine endliche Teilmenge X ⊆ X gibt mit X ' A (Endlichkeit);
2. Wenn X ⊆ Y und X ' A, dann Y ' A (Monotonie);
1. A ' A (Reflexivität);
Lemma 1. (Einige elementare Eigenschaften der Folgerungsrelation)
Ein axiomatisches System S axiomatisiert eine Menge M , wenn genau die Elemente
von M in S ableitbar (Theoreme von S) sind.
Monotonie
Y 'A
X ' A ∀B ∈ X : Y ' B
Schnitt
Y 'A
X'A
X'B
A'B
B'C
A'C
A'B
11
:LQWHUORJLNIRO
(Im Korollar zu Lemma 2 (unten) werden wir von folgender “Instanz” (einfache
Y, A ' B X ' A
Buchstabenvertauschung!) der Schnittregel Gebrauch machen:
.)
X, Y ' B
X, Y ' B
X, A ' B
Die folgenden Regeln sind oft gebrauchte Fälle der Schnitt-Regel:
X, Y ' A
X'A
Diese Eigenschaften der Relation ' können wir auch so aufschreiben:
2.Axiomatisches System in einer Sprache
L
10
Ad 4: Angenommen, wir habe eine Ableitung von A aus X. Betrachten wir nun ein
B0 in X, welches seinerseits aus Y abgeleitet werden kann. Dann können wir die
Ableitung von A aus X links verlängern um die Ableitung von B0 aus Y . So erhalten wir eine Ableitung von A aus Y zusammen mit X ohne B0 (Y ∪ X \ B0 ). Das
können wir für alle B in X so machen. Dann erhalten wir schließlich eine Ableitung
von A aus Y allein.
:LQWHUORJLNIRO
1.Axiomatisches System in einer Sprache
◦ NB : A ' B ist kurz für {A} ' B; X, Y ' A ist kurz für X ∪ Y ' A
L
Ad 3: Ableitungen sind endliche Folgen. Wenn also A unter Rückgriff auf eine Menge
abgeleitet werden kann, dann nur unter Rückgriff auf endlich viele Elemente dieser
Menge
Ad 2: Wenn die Ableitung von A unter Rückgriff auf die Menge X gelingt, dann
gelingt sie auch unter Rückgriff auf jede größere Menge.
Ad 1: Die Folge A ist eine Ableitung von A aus der Menge {A}.
4. Wenn X ' A und für jedes B in X, Y ' B, dann Y ' A (Schnitt).
3. X ' A gdw es eine endliche Teilmenge X ⊆ X gibt mit X ' A (Endlichkeit);
2. Wenn X ⊆ Y und X ' A, dann Y ' A (Monotonie);
1. A ' A (Reflexivität);
1.Axiomatisches System in einer Sprache
:LQWHUORJLNIRO
3. Jede Formel für die es eine Ableitung (in S) aus der leeren Menge gibt (= jede
Fml, die aus ∅ folgt) ist ein Theorem (von S). (Notation: ∅ 'S A oder einfacher 'S A.)
2. A ist eine Folgerung (folgt) aus einer Menge X von Fmln (Notation: X 'S A)
gdw es eine Ableitung (in S) von A aus X gibt. Ausdrücke der Form X ' A
nennen wir auch Sequenzen.
Theoreme beweist man also allein aus Axiomen. D.h. die Bedingung (i) in der Definition einer Ableitung (Rückgriff auf Annahmen X) kommt beim Beweis von Theoremen einfach nicht zum Zuge.
8
L
(iii) Ai eine Konklusion aus vorhergehenden Formeln aufgrund einer der Regeln
(von S) ist.
(ii) Ai ein Axiom (von S) ist oder
(i) Ai in X ist oder
so, daß für jedes Ai ,
1. Eine Ableitung oder Beweis (in S) von A aus X ist eine endliche Folge von
Formeln
A1 , ..., An (= A)
Definition.
1.Axiomatisches System in einer Sprache
A→B
B
Definitionen
A
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
:LQWHUORJLNIRO
13
A ∨ B := ¬A → B
A ↔ B := ¬((A → B) → ¬(B → A))
⊥ := P ∧ ¬P
Sodann weitere Junktoren nach Bedarf:
A → B := ¬(A ∧ ¬B).
:LQWHUORJLNIRO
Wenn wir annehmen, wie wir das oben getan haben, daß ¬ und ∧ die Grundjunktoren sind, dann definieren wir zunächst (im Hinblick auf die Axiome)
12
MP
(A → (B → C)) → ((A → B) → (A → C))
(¬A → ¬B) → ((¬A → B) → A)
A2
A3
Regeln: Alle Regeln der Gestalt
A → (B → A)
A1
Axiome: Alle Formeln der Gestalt:
Das System K
Ziel ist die Axiomatisierung der Menge der Tautologien. Vorschlag:
Ausgangspunkt unserer Betrachtungen ist eine beliebige, funktional vollständige ALSprache (aussagenlogische Sprache).
2. Aussagenlogik als axiomatisches System
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
A → (B → A)
Axiome des Systems K sind.
♥
♠
→
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
:LQWHUORJLNIRO
⊥ := P ∧ ¬P
15
:LQWHUORJLNIRO
ist kein Schema. Wir wählen hier ein bestimmtes Atom P unserer Sprache und vereinbaren dann die Abkürzung ⊥. Welches Atom wir wählen, ist jedoch gleichgültig.
Anmerkung: Nur die Definition
• So verstanden, sind die oben notierten Axiome Axiomenschemata.
(Analoges gilt für die Regel MP und die Definitionen).
• In diesem Sinne sind die Buchstaben A, B, C, ... Variabeln unserer Metasprache. Mit diesen Variablen beziehen wir uns auf Sätze der Objektsprache und
legen dabei (bis zu dem Punkt der uns jeweils interessiert) ihre Gestalt fest. Solche
metasprachlichen Variabeln werden manchmal auch schematische genannt.
14
• Und das Schema MP als Regel des Systems legt fest, daß wenn immer wir eine
→
Formel der Gestalt
abgeleitet haben, dann darf ♣ auch als abgeleitet gel♥ ♣
ten, sobald wir ♥ abgeleitet haben.
♠
als Axiom A1 notiert ist, dann soll damit festgelegt sein, daß alle Formeln von eben
dieser Gestalt,
→ • D.h. wenn hier das Schema
• Was wir hier unter A1–3 (und MP) notiert haben, sind eigentlich Schemata, die
anzeigen sollen, welche Formeln der betrachteten Sprache, den Status von Axiomen
haben sollen (bzw. wie geschlossen werden soll).
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
F ormel
Rechtfertigung
:LQWHUORJLNIRO
:LQWHUORJLNIRO
19
17
:LQWHUORJLNIRO
• Die Folge wird mit Zahlen (Zeilennummern) und Rechtfertigungen versehen: So
entsteht das “Arbeitsprotokoll” einer Ableitung.
• Der Hilbert-Stil reflektiert unmittelbar die Definition einer Ableitung als einer
Folge von Formeln.
David Hilbert (1862–1943)
Diese Art Ableitungen aufzuschreiben, nennen wir den Hilbert-Stil.
• Ferner wird es nützlich sein, die Formeln zu numerieren, damit wir in den
Rechtfertigungen auf sie Bezug nehmen können. Diese Formelnummern schreiben
wir in runde Klammern.
• Jede Formel, die in einer Ableitung auftaucht, muß also auf eine der drei Weisen
gerechtfertigt sein. Diese Rechtfertigungen wollen wir rechts neben der jeweiligen
Formel aufschreiben.
so, daß jedes, Ai entweder
(i) in X ist, oder
(ii) ein Axiom (von K) ist, oder
(iii) aus vorhergehenden Formeln aufgrund der Regel MP folgt.
Eine Ableitung (Beweis) einer Formel A aus einer (möglicherweise leeren!) Formelmenge X ist eine Folge
A1
..
.
An (= A)
Wie schreibe ich eine Ableitung auf ?
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
:LQWHUORJLNIRO
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
18
16
Beweisbarkeit ist eine syntaktische Eigenschaft. Eine Formel hat sie, wenn sie
sich als Resultat rein syntaktischer Umformungen erweisen läßt.
Gültigkeit und Beweisbarkeit sind jeweils semantische und syntaktische Aspekte logischer Wahrheit. Wir werden zeigen, daß diese beiden Aspekte genau übereinstimmen.
(ii) Die Formel ist ein Axiom:
(n) A Axiom A1/A2/A3
(i) Die Formel ist eine Annahme (“in X”):
(n) A Annahme
Es gibt drei mögliche Rechtfertigungen; also sind drei Fälle zu unterscheiden:
(Nummer)
Jede Zeile in einer Ableitung wollen wir deshalb so notieren:
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
(iii) Die Formel folgt aus vorausgehenden Formeln (i, k) durch MP :
(i) A
Rechtfertigung
...
(k) A → B Rechtfertigung
..
.
(n) B
i, k, MP
• Beweisbarkeit in K: Die Formeln A steht am Ende einer Ableitung nur aus Axiomen von K.
Gültigkeit ist eine semantische Eigenschaft einer Formel: Ob eine Formel sie hat,
hängt davon ab, wofür sie steht (was sie bedeutet, wie wir sie interpretieren).
• Gültigkeit: Die Formel A wird immer wahr, egal, welche Werte man den in ihr
vorkommenenen Atomen gibt, d.h. A erhält in jeder Zeile seiner Wahrheitstafel den
Wert 1.
'K A gdw |= A
Beweisbarkeit in K = Gültigkeit
Das Ziel ist nun, zu zeigen, daß das System K genau die Menge der klassischen Tautologien axiomatisiert:
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
A
Theorem ...
eingefügt werden, vorausgesetzt, A ist klarerweise ein Theorem.
(n)
Regel der Theoremeinführung: In einer Ableitung darf jederzeit eine Zeile der
Form
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
:LQWHUORJLNIRO
21
:LQWHUORJLNIRO
Eine Formel ist “klarerweise” ein Theorem, wenn sie entweder zuvor bewiesen worden ist oder als bekanntes Theorem vorausgesetzt werden darf. In jedem Fall kann es
nicht schaden, die Ellipse durch einen Hinweis zu ersetzen.
20
Einige Ableitungen werden in S A einfacher sein als in S. Und da wir es gern einfach
haben, bedienen wir uns folgender ...
(Das folgt aus einer besonders einfachen Form von Schnitt; siehe Lemma 1.4)
• Wenn wir A als Axiom dem System S hinzufügen, dann läßt sich aus dem so erweiterten System S A nicht mehr ableiten, als sich schon in S ableiten ließ.
Hinter dieser intuitiven Betrachtung, steht die folgende Tatsache. Es sei A ein Theorem eines Axiomensystems S.
• Theoreme muß man erst noch beweisen. Hat man sie erst einmal beweisen, dann
stehen uns Theoreme genau so zur Verfügung, wie Axiome.
• Axiome hat man unmittelbar zur Verfügung,
Eigentlich ist der Unterschied zwischen Axiomen und Theoremen nicht sehr groß:
Vereinfachung: Theoremeinführung
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
(n)
:LQWHUORJLNIRO
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
A
A Axiom bzw. Theorem
(n)
A Annahme
(n)
A Annahme
23
:LQWHUORJLNIRO
Das werden wir insbesondere immer dann machen, wenn wir auf diese Weise
Schreibarbeit sparen können.
n
Statt durch die Formel selbst, werden wir eine Annahme oft auch einfach durch die
Formelnummer benennen; also so:
Die Rechtfertigung für solche Zeilen gibt Lemma 1.1 (A ' A !). (Deshalb könnten wir
auch “Lemma 1.1” statt “Annahme” in die Rechtfertigungsspalte schreiben.)
A
Annahmen (siehe Def. “Ableitung”), beruhen natürlich darauf (sind abhängig davon),
daß die Annahme wahr ist, d.h. auf sich selbst. Also schreiben wir
(n)
Axiome und Theoreme beruhen auf gar keinen Annahmen. Also schreiben wir wie
zuvor einfach
22
X
• Links von der Formelnummer ist noch Platz. Da wollen wir die Annahmen
notieren, auf denen die jeweilige Formel beruht:
verfahren können. Aber wo bringen wir die Annahmen X unter?
X'A
• Genauso wollen wir eigentlich auch mit bewiesenen Sequenzen der Form
jederzeit Gebrauch zu machen.
∅ ' A,
• Die Regel der Theoremeinführung erlaubt es, in einer Ableitung von bereits bewiesenen Theoreme, d.h. von Sequenzen der Form
Nun ist ja ein Theoreme eigentlich nichts anderes als der Spezialfall einer Folgerung
(Sequenz), nämlich eine Folgerung “aus dem Nichts”. Im allgemeinen folgern wir aus
einer Menge von Annahmen; Theoreme folgern wir aus der leeren Menge von Annahmen.
Verallgemeinerung: Sequenzeneinführung
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
..
.
(k)
..
.
(n)
(i)
B
A→B
A
i, k, MP
Rechtfertigung
Rechtfertigung
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
:LQWHUORJLNIRO
(n)
A
Lemma, Theorem ... o.ä.
25
:LQWHUORJLNIRO
Warum eine Sequenz “klarerweise” in den Beweis eingefügt werden darf, deuten Sie
rechts neben der Sequenz an (typischerweise, indem Sie auf ein zuvor bewiesenes
Lemma oder Theorem verweisen).
eingefügt werden, vorausgesetzt, X ' A ist klarerweise eine beweisbare Sequenz
(Folgerung).
X
Regel der Sequenzeneinführung:
In einer Ableitung darf jederzeit eine Zeile der Form
Als Verallgemeinerung der Regel der Theoremeinführung wollen wir schließlich
Ableitungen durch folgende Regel erleichtern:
24
◦ Hier wollen wir X und Y als Mengen von Annahmen verstehen. Das Komma links
von der Formelzahl deutet die Vereinigung von Mengen an, d.h. “X, Y ” will sagen:
X ∪ X.
X, Y
Y
X
Modus Ponens, MP, ist die Regel, welche Ableitungen vorantreibt. Dabei beruht die
Konklusion eines MP-Schrittes natürlich auf allen Annahmen, die für die Prämissen
benötigt werden. Mit anderen Worten, in einem Schluß auf B aus A → B erbt B alle
Annahmen, von denen A und alle Annahmen, von denen A → B abhängig ist:
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
1
Anmerkung
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
:LQWHUORJLNIRO
27
:LQWHUORJLNIRO
Um den Unterschied zu veranschaulichen sehen wir uns noch einmal die Modus
Ponens-Regel an ...
◦ Im Lemmon-Stil steht jede Zeile für eine Ableitbarkeitsbehauptung.
X, Y (n) A bedeutet: X, Y ' A!
◦ Im Hilbert-Stil steht jede Zeile für ein Element in einer Folge von Formeln, d.h. für
eine Formel.
Der Lemmon-Stil ist aber nicht einfach eine Variante des Hilbert-Stils sondern kann
als eine ganz andere Art von Kalkül betrachtet werden.
Im Lemmon-Stil notiert, haben Ableitungen den großen Vorteil, daß wir nicht mehr
den gesamten Beweis von oben nach unten durchsehen müssen, um herauszufinden,
von welchen Annahmen eine Formel in einer gegebenen Zeile abhängt; vielmehr ist
diese Abhängigkeit in jeder Zeile direkt angegeben.
26
Nach dem verbreiteten Lehrbuch Beginning Logic (1965) von Edward J. Lemmon.
Edward John Lemmon (1930–1966)
Diese Art Ableitungen aufzuschreiben, nennen wir den Lemmon-Stil.1
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
..
.
(k)
..
.
(n)
(i)
B
A→B
A
i, k, MP
Rechtfertigung
Rechtfertigung
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
:LQWHUORJLNIRO
29
(2)
(1)
:LQWHUORJLNIRO
Dann haben wir mit (1) und (2) die Prämissen für einen Schnitt (Lemma 1.4) zur
gewünschten Konklusion
X, A ' B.
X'A→B
Nun machen wir die Annahme des Lemmas:
A, A → B ' B
Beweis. Wir wissen, daß die Folge A, A → B, B eine richtige Ableitung von B aus
den Annahmen A und A → B durch MP darstellt; also:
Lemma 2. Wenn X ' A → B, dann X, A ' B.
28
Daß diese Empfehlung eine gute ist, folgt als Korollar aus dem folgenden ...
dann gibt es auch eine Ableitung von B aus X und Y (X, Y ' B).
Wenn A aus X ableitbar ist (X ' A)
und A → B aus Y ableitbar ist (Y ' A → B),
“Sequenzen-Modus Ponens”:
Wie bemerkt, deuten die Zeilen Ableitbarkeitsbehauptungen an. Wenn wir den
Übergang von den Zeilen (i) und (k) zu (n) als logisch richtig empfehlen, dann
empfehlen wir tatsächlich den folgenden Schluß von zwei Ableitbarkeitsbehauptungen
auf eine dritte:
X, Y
Y
X
Im Lemmon-Stil notiert, sieht die Regel so aus:
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
2
X'A
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
:LQWHUORJLNIRO
31
produzieren läßt – und umgekehrt.
:LQWHUORJLNIRO
(Ende der Anmerkung)
Wenn es in einem axiomatischen System eine Ableitung von B aus Annahmen
A1 , ..., An gibt, dann steht im Hilbert-Stil B genau dann als letzte Formel da, denen
die Formeln A1 , ..., An vorangegangen sind, wenn sich im Hilbert-Stil eine Zeile der
Form
A1 , ..., An (n) A Rechtfertigung.
Letztlich läuft es auf das Gleiche hinaus:
• Im Hilbert-Stil notieren wir Ableitungen in einem ax. System. Im Lemmon-Stil
sprechen wir über Ableitungen in einem ax. System. (In diesem Sinne setzen Beweise im Lemmon-Stil Beweise im Hilbert-Stil voraus.)
• Der Lemmon-Stil hält erlaubte Übergänge zwischen Ableitbarkeitsbehauptungen
fest. Jede Zeile in einem Lemmon-Beweis stellt eine solche Ableitbarkeitsbehauptung dar.
• Der Hilbert-Stil hält Ableitungen im Axiomensystem fest. Die Ableitung wird in
einer Ableitbarkeitsbehauptung zusammengefaßt.
Zusammenfassend:
30
Erinnerung: “Y, A” ist kurz für Y ∪ {A}. Also ist Y, A = A, Y und, aus dem gleichen Grund, Y, X =
X, Y .
dürfen wir nun nach Schnitt (Lemma 1.4) auf X, Y ' B schließen.2
Aus der weiteren Annahme
Y, A ' B.
Beweis. Angenommen Y ' A → B, dann (nach Lemma 2)
Korollar. Wenn X ' A und Y ' A → B, dann X, Y ' B.
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
B → C ' A → (B → C)
Lemma 3.2
:LQWHUORJLNIRO
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
Sequenzeneinführung (hier: Annahmen)
33
(1)
(2)
1 (3)
1
B→C
(B → C) → (A → (B → C))
A → (B → C)
Annahme
A1
1,2 MP
:LQWHUORJLNIRO
Nach Lemma 1.1 ist A aus A ableitbar. Also können wir eine solche Sequenz, A '
A, an jeder Stelle in einen Beweis einführen. Dieser elementare Fall von Sequenzeneinführung ist vor allem ein Mittel, Annahmen in einen Beweis einzuführen, was wir
rechts als Rechtfertigung (statt “Lemma 1.1”) vermerken
Ad 2) [ B → C ' A → (B → C) ]
32
Beweis. Ad 1) Das Schema A → A, haben wir schon einmal bewiesen. ( Formale
Sprachen, Abschnitt: Das Zehnersystem (Forts.)) Dieser Beweis mag Ihnen als Modell für weitere Beweise dienen:
(1) (A → ((A → A) → A)) → ((A → (A → A)) → (A → A)) A2
(2) A → ((A → A) → A)
A1
(3) ((A → (A → A)) → (A → A))
1,2 MP
(4) A → (A → A)
A1
(5) A → A
3,4 MP
:LQWHUORJLNIRO
Theoremeinführung
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
A→B
Annahme
B→C
Annahme
(A → (B → C)) → ((A → B) → (A → C)) A2
A → (B → C)
Lemma 3.2
(A → B) → (A → C)
3,4 MP
A→C
1,5 MP
35
2
1,2
1
1
2
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
(6)
(7)
A1
Lemma 3.1
1,2 MP
A → (B → C)
Annahme
B
Annahme
(A → (B → C)) → ((A → B) → (A → C)) A2
(A → B) → (A → C)
1,3 MP
B → (A → B)
A1
A→B
2,5 MP
A→C
4,6 MP
ad 4) [ A → (B → C), B ' A → C ]
Zum Schluß geben wir noch einen Beweis
(1) (A → A) → (B → (A → A))
(2) A → A
(3) B → (A → A)
:LQWHUORJLNIRO
Auch bereits bewiesene Theoreme (d.h. Folgerungen aus der leeren Annahmenmenge)
können Sie in Beweise einbauen. ZB so:
34
(1)
(2)
(3)
2
(4)
2
(5)
1,2 (6)
1
2
Ad 3) [ A → B, B → C ' A → C ]
A → (B → C)
4. A → (B → C), B ' A → C
(n)
Diesen Fall einer Sequenzeneinführung können wir im nächsten Beweis gut gebrauchen:
B→C
ist damit bewiesen. Also können wir jetzt die folgende Zeile in jeden Beweis einfügen:
Die Sequenz
Sequenzeneinführung
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
3. A → B, B → C ' A → C
2. B → C ' A → (B → C)
1. ' A → A
Lemma 3.
Wir wollen uns nun mit konkreten Ableitungen im System K ein wenig vertraut
machen.
Weiter im Lemmon-Stil
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
*
:LQWHUORJLNIRO
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
Das Deduktionstheorem
*
37
Jacques Herbrand (1908–1931)
:LQWHUORJLNIRO
Ableitungen in K können sehr kompliziert sein. Es gibt jedoch einige Tatsachen über
die Ableitungsrelation ', deren Kenntnis die Arbeit des Ableitens ganz erheblich vereinfacht. Vielleicht die wichtigste und grundlegendste dieser Tatsachen ist im folgenden Satz festgehalten. (Das ist die Umkehrung von Lemma 2)
36
*
• Setzen Sie sich die Ableitung einer Formel oder einer Regel zum Ziel und versuchen
Sie auf dieses Ergebnis hinzuarbeiten! (Zuvor sollten Sie sich vergewissern, daß es
sich bei dem Ziel um eine Tautologie handelt, bzw. um eine Regel, die immer von
Tautologien auf Tautologien schließt! Wir haben zwar noch nicht bewiesen, daß
sich in K nur Tautologien ableiten lassen, aber diese Hypothese dürfen Sie für diese
Übung als sichere Wette betrachten.)
• Probieren Sie einfach ein wenig herum, zu was für Folgerungen Sie durch Anwendungen von MP auf mehr oder weniger merkwürdige Instanzen der Axiome gelangen können!
Üben Sie bitte weitere Ableitungen! Das kann auf zweierlei Art vor sich gehen.
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
X, A ' B
B
⇒
=⇒
:LQWHUORJLNIRO
X'A→B
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
X
..
.
..
.
A→B
X, A
B
39
X
(1) B
(2) B → (A → B)
(3) A → B
(4) A → B
Wenn (a), dann:
b2) B ∈ X.
b1) B = A oder
Axiom
A1
1,2 MP
3 Monotonie (Lemma 1.1)
b) B ist eine der Annahmen in (X, A), d.h.
a) B ist ein Axiom, oder
Dann gibt es drei mögliche Fälle:
(1)
:LQWHUORJLNIRO
Basis: = 1. D.h. die Ableitung aus (X, A) besteht aus nur einer Formel, B:
38
()
X
A
..
.
[Wir zeigen: Gleichgültig, wie lang die Ableitung von B aus (X, A) sein mag, in jedem Fall gibt es eine Ableitung von A → B aus X. Kumulative Induktion über die
Länge (≥ 1) (= “Anzahl der Zeilen”) der Ableitung.]
iii. eine Konklusion vorangehender Formeln aufgrund von MP ist.
ii. in (X, A) ist (d.h. Bi ∈ X oder Bi = A), oder
i. ein Axiom ist, oder
Beweis. Angenommen X, A ' B, d.h. B folgt aus X ∪ A (oder (X, A), wie wir kürzer
schreiben werden). Dann gibt es eine Folge B1 · · · B (= B) so, daß jedes Bi (1 ≤ i ≤
) entweder
Satz 4. (Herbrand 1930) Wenn X, A ' B, dann X ' A → B.
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
(1)
(2)
(3)
B
B → (A → B)
A→B
Voraussetzung (+ Refl. & Mono., Lemma 1)
A1
1,2 MP
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
:LQWHUORJLNIRO
(3) X ' A → C und (4) X ' A → (C → B)
41
Jetzt ist zu zeigen, daß X ' A → B:
IA
und können darauf die Induktionsannahme anwenden:
:LQWHUORJLNIRO
Fall b): B folgt aus vorangegangenen Formeln durch MP. Dann gibt es Ableitungen
B1 · · · C und B1 · · · (C → B), beide aus (X, A) und beide kürzer als k + 1. D.h., wir
haben
(1) X, A ' C und (2) X, A ' C → B
Fall a): B ist ein Axiom oder in (X, A). (Dann X ' A → B wie zuvor.)
Induktionsschritt: Es ist zu zeigen, daß der Satz für alle Ableitungen von Länge k + 1
gilt.
Wir nehmen also an, daß es eine Ableitung B1 · · · B aus (X, A) von Länge k + 1 gibt;
wir zeigen, daß es in diesem Fall eine Ableitung B1 · · · (A → B) aus X gibt.
Induktionsannahme (IA): Der Satz gelte für alle Ableitungen bis Länge k; d.h.
wenn es eine Ableitung B1 · · · B aus (X, A) von Länge k gibt,
dann gibt es eine Ableitung B1 · · · (A → B) aus X.
40
In jedem Fall folgt also, daß X ' A → B. (Die Annahme X, A ' B wird in der
Induktionsbasis gar nicht benötigt.)
X
X
Wenn (b2) (B ∈ X), dann:
Wenn (b1) (A = B), dann ist A → B = A → A. Zu zeigen ist also X ' A → A. Wir
wissen schon (Lemma 3.1), daß ' A → A. Also (Monotonie, Lemma 1.2) X ' A → A.
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
C
C→B
A→C
A → (C → B)
(A → (C → B)) → ((A → C) → (A → B))
(A → C) → (A → B)
A→B
Voraussetzung
Voraussetzung
IA, 1
IA, 2
A2
4,5 MP
3,6 MP
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
:LQWHUORJLNIRO
Ded.thm
43
...,A
(n)
...
(n + 1)
B
A→B
...
n Ded.thm
Oder, anders ausgedrückt, wir können in Ableitungen so vorgehen:
X'A→B
X, A ' B
:LQWHUORJLNIRO
Das Deduktionstheorem zeigt, daß es zulässig ist, nach folgender Regel zu schließen:
• Modus Ponens ist die einzige Schlussregel.
• Alle Formeln von der Form des Axioms A2 sind Theoreme.
• Alle Formeln von der Form des Axioms A1 sind Theoreme.
Letztlich waren es diese drei Bedingungen, die ausreichten, das Deduktionstheorem zu
beweisen:
42
Beweis. Aus dem Ded.theorem (L nach R) und Lemma 2 (R nach L).
2. A ' B gdw ' A → B.
1. X, A ' B gdw X ' A → B;
Korollar.
Damit ist die Induktion beendet: Wir haben gezeigt, daß beliebig lange Ableitungen B1 · · · B aus (X, A) sich immer in Ableitungen B1 · · · (A → B) aus X umformen
lassen.
X, A (1)
X, A (2)
X
(3)
X
(4)
(5)
X
(6)
X
(7)
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
(1)
(2)
A
Annahme
A → A 1 Ded.thm
45
MP
Ded.thm
Ded.thm
' (A → B) → ((B → C) → (A → C))
A → B ' (B → C) → (A → C)
A → B, B → C ' A → C
Ded.thm
B→C'B→C
A, A → B, B → C ' C
A, A → B ' B
A→B'A→B
MP
beweisen wir die Transitivität der Implikation:
(1) A → B
Annahme
(2) B → C
Annahme
(3) A
Annahme
(4) B
1,3 MP
(5) C
2,4 MP
(6) A → C
5 Ded.thm
(7) (B → C) → (A → C)
6 Ded.thm
(8) (A → B) → ((B → C) → (A → C)) 7 Ded.thm
A'A
:LQWHUORJLNIRO
:LQWHUORJLNIRO
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
Man kann diese Ableitung auch im Gentzen-Stil notieren:
Als erstes
1
2
3
1,3
1,2,3
1,2
1
44
(A → (A → B)) → (A → B)
(A → B) → ((B → C) → (A → C))
(A → (B → C)) → (B → (A → C))
Als weitere Beispiele, wie nützlich das Deduktionstheorem ist, zeigen wir recht einfach, daß die folgenden Formeln Theoreme von K sind.
Das ging flott! (Vergleichen Sie den Beweis von A → A unter Lemma 3!)
1
Hier ist ein Beispiel: Wir beweisen das Prinzip der Identität, A → A:
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
:LQWHUORJLNIRO
A → (B → C)
B
A
B→C
C
A→C
B → (A → C)
(A → (B → C)) → (B → (A → C))
Annahme
Annahme
Annahme
1,3 MP
2,4 MP
5 Ded.thm
6 Ded.thm
7 Ded.thm
47
:LQWHUORJLNIRO
Der “Trick” beruhte — wie schon in der Ableitung der Transitivität — darauf, daß
wir die Annahmen (links von der Zeilennummer bzw. dem Zeichen '), wie vereinbart, als Mengen auffassen: auf ihre Reihenfolge kommt es nicht an, d.h. {1, 3, 2} =
{1, 2, 3} (in Z. (5)).
1
(1)
2
(2)
3
(3)
1,3
(4)
1,3,2 (5)
1,2
(6)
1
(7)
(8)
Die Permutierbarkeit der Implikation, leiten wir so ab:
Der Gentzen-Stil ist im Grunde nur eine zweidimensionale Spreizung des LemmonStils. Durch die Darstellung als Baum, wird das Verhältnis zwischen Prämissen
und Konklusionen unmittelbar angezeigt. Dadurch werden die Formelnummern des
Lemmon-Stils überflüssig.
46
Gerhard Gentzen (1909–1945)
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
A → (A → B)
A
A→B
B
A→B
(A → (A → B)) → (A → B)
Annahme
Annahme
1,2 MP
2,3 MP
4 Ded.thm
5 Ded.thm
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
:LQWHUORJLNIRO
49
:LQWHUORJLNIRO
· Für die Anwendung der Negationsregeln erinnern wir uns, daß jede Kontradiktion mit jeder anderen äquivalent ist. Dann steht in diesem Sinne ⊥ nicht für
eine bestimmte Kontradiktion P ∧ ¬P sondern für jede beliebige.
· Man beobachte, daß es für jeden der Junktoren jeweils eine Regel gibt, welche
in der Prämisse bzw. den Prämissen Voraussetzungen benennt, unter denen der
Junktor verwendet werden kann (Einführungsregeln). (Im Falle von ∨ ist das ein
Paar von Regeln.) Spiegelbildlich werden in den Beseitigungsregeln Bedingungen
genannt, unter denen der Junktor beseitigt werden kann. (Im Falle von ∧ gibt es
ein Paar solcher Regeln.) Die Symmetrie wird nur im Falle der Negation durch
die zusätzliche Regel DNE gebrochen, welche es erlaubt doppelte Negationen zu
beseitigen.
Anmerkung zu den Regeln.
Lemma 5. Die auf der folgenden Seite dargestellten Regeln NK sind richtig für das
System K.
Dies waren Fingerübungen im Ableiten. Nun zu einigen Beobachtungen, die wir zum
Teil im nächsten Kapitel brauchen werden.
48
[TAFEL]
Übertragen Sie die letzten beiden Beweise aus dem Lemmon- in den Gentzen-Stil!
(Am einfachsten machen Sie das von unten nach oben.)
DENKPAUSE:
Natürlich gilt auch die Umkehrung der Kontraktion: (A → B) → (A → (A → B))
(Expansion).
1
(1)
2
(2)
1,2 (3)
1,2 (4)
1
(5)
(6)
Bei Mengen kommt es ebenfalls nicht darauf an, wie oft wir die Elemente erwähnen.
Darauf beruht die folgende Ableitung des Prinzips der Kontraktion, in dem wir
zweimal von der Annahme A Gebrauch machen (in Zn (3) und (4)):
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
X ' ¬A
¬Ein
X'A→B
∧Bes
X, Y ' ⊥
→ Bes
X'A
:LQWHUORJLNIRO
DNE
∨Bes
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
¬Bes
∧Bes
Z, B ' C
X ' ¬¬A
Y 'A
X, Y ' B
X'A→B
Y, A ' C
X'B
X 'A∧B
X, Y, Z ' C
X 'A∨B
X ' A Y ' ¬A
→ Ein
X 'A∨B
∨Ein
X'A
X 'A∧B
Ann.
51
X
A
X, A
X, A
(1) B
(2) A
(3) A ∧ B
(4) B
Beweis. Ad 1 :
3. Die Fallregel
Prämisse
Ann.
1,2 ∧Ein
3 ∧Bes
X, ¬A ' B
X'B
X, A ' B
2. ' A ∨ ¬A (Ausgeschlossenes Drittes).
1. Wenn X ' B, dann X, A ' B (Monotonie).
Lemma 6. Aus den Regeln NK folgt:
.
:LQWHUORJLNIRO
Das Lemma selbst werden wir hier nicht beweisen. (Einige Teile des Beweises haben
wir oben schon ausgeführt. ZB ist → Ein das Deduktionstheorem, Satz 4, und → Bes
ist das Korollar zu Lemma 2.) Jedoch wollen wir im Beweis des folgenden Lemmas
zeigen, wie wir mit solchen Regeln arbeiten können.
50
∧Ein
X'B
X, A ' B
∨Ein
X, A ' ⊥
X 'A∨B
X'A
X, Y ' A ∧ B
X'A Y 'B
A'A
Die Regeln NK
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
3
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
(6)
(7)
(8)
(9)
(10)
(11)
(12)
¬(A ∨ ¬A)
A
A ∨ ¬A
⊥
¬A
¬A
A ∨ ¬A
⊥
¬¬A
⊥
¬¬(A ∨ ¬A)
A ∨ ¬A
Ann.
Ann.
2 ∨Ein
1,3 ¬Bes
4 ¬Ein
Ann.
6 ∨Ein
1,7 ¬Bes
8 ¬Ein
5,9 ¬Bes
10 ¬Ein
DNE
53
X
X
Ad 3 :
X, A
X, ¬A
52
(1) B
erste Prämisse
(2) B
zweite Prämisse
(3) A ∨ ¬A Theoremeinführung (s.o.)
(4) A ∨ ¬A 3 Monotonie (s.o.)
(5) B
1,2,4 ∨Bes
:LQWHUORJLNIRO
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
:LQWHUORJLNIRO
Hatten wir nicht oben schon gezeigt, daß jede Ableitungsrelation monoton ist? Ja, aber dabei haben
wir uns auf die Definition von Ableitungen in einem axiomatischen System bezogen. Im jetzigen Beweis
zeigen wir, daß Monotonie auch aus der Information folgt, die uns das Regelwerk NK zur Verfügung
stellt.
Ad 2 :
1
2
2
1,2
1
6
6
1,6
1
1
(Anmerkung zu 1)3
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
:LQWHUORJLNIRO
{A : ∅ ' A in N K}
55
:LQWHUORJLNIRO
• Es gibt verschiedene Varianten von Systemen natürlichen Schließens für die klassische Aussagenlogik. Das System NK ist im wesentlichen das von Lemmon (Beginning Logic, 1965). Ein etwas anderes finden Sie zB in Essler et al., Grundzüge der
Logik (1987ff).
· wie wir aus Sätzen schließen, in denen diese Junktoren vorkommen (Beseitigungsregeln).
· wie wir auf Sätze, in denen die Junktoren vorkommen schließen
(Einführungsregeln), und
• Man nennt NK ein System natürlichen Schließens, weil es nur aus Regeln
besteht, die auf ziemlich natürliche Weise wiedergeben, wie wir logisch mit den
Junktoren umgehen; d.h.
ebenfalls eine Darstellung der Menge der Tautologien!
dann ist
TAUT = {A : ' A in K},
Mit anderen Worten: Wenn – wie wir im nächste Kapitel zeigen werden – K eine axiomatische Darstellung der Menge der Tautologien ist, d.h.
54
Beweis. Induktion über die Länge einer Ableitung in K. Da Modus Ponens (alias
→Bes) schon eine der Regeln von NK ist, genügt es, für jedes Axiom A von K die
Sequenz ∅ ' A aus den Regeln NK zu erzeugen. Übung!
Lemma 7. Wenn eine Formel A im System K beweisbar ist, dann ist ∅ ' A aus den
Regeln NK erzeugbar.
Es gilt auch die Umkehrung:
• Wenn die Sequenz ∅ ' A aus den Regeln NK erzeugbar ist, dann ist die Formel A
im System K beweisbar.
Aus Lemma 5 (die Regeln NK sind richtig für K) dürfen wir unmittelbar schließen:
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
15vollstaendig 170208.0951
André Fuhrmann
:LQWHUORJLNIRO
:LQWHUORJLNIRO
Logik im Winter 2016-17
Korrektheit und Vollständigkeit
des Systems K
Goethe-Universität
Frankfurt am Main
Institut für Philosophie
56
Satz 8. Die Menge der in NQ erzeugbaren Sequenzen ist richtig und vollständig im
Hinlick auf die Menge der gültigen Folgerungen in der Klasse aller PL-Modelle.
Man betrachte die Erweiterung von NK um die folgenden Regeln:
X ' Ax
∀ Ein:
. Bedingung: y ist weder frei in X noch in A.
X ' ∀yA[y/x]
X ' ∀xAx
. Bedingung: t ist frei für x in A.
∀ Bes:
X ' A[t/x]
X ' At
Bedingung: t ist frei für x in A.
∃ Ein:
X ' ∃xA[x/t]
X ' ∃xAx Y ' B
. Bedingung: 1. y ist frei für x in A, und 2. y ist weder
∃ Bes:
X, Y \ {Ay} 'B
frei in ∃xAx, noch in B oder in Y \ {Ay}.
(Anhang: Die Regeln NQ für die Prädikatenlogik)
2.Aussagenlogik als axiomatisches System
1.Korrektheit und Vollständigkeit
:LQWHUORJLNIRO
3
/...
:LQWHUORJLNIRO
Induktionsbasis: = 1. Dann ist A1 = A eines der Axiome. Also ist jetzt zu zeigen,
daß jedes der drei Axiome eine Tautologie ist — Übung!
Beweis. Wenn ' A, dann gibt es eine Ableitung A1 · · · A (= A). Wir zeigen, daß,
gleichgültig wie lang () eine Ableitung (aus ∅) ist, das Resultat A immer eine Tautologie ist. (Kumulative Induktion über .)
Satz 1. (Korrektheit) Wenn 'A, dann |= A.
Wir wollen zeigen, daß A genau dann ein Theorem von K ist ('A), wenn A eine Tautologie ist (|= A). Wir beginnen mit dem einfacheren Teil des Nachweises dieser
Äquivalenz, dem Beweis der Korrektheit des Systems K: Jeder in K ableitbare Satz
ist tautologisch wahr.
2
Frage: Sind die Theoreme von K genau die Tautologien?
1. Korrektheit und Vollständigkeit
1.Korrektheit und Vollständigkeit
5
:LQWHUORJLNIRO
• Der zweite Beweis (Lindenbaum/Henkin) mag zunächst ein wenig umwegiger erscheinen, fußt aber auf einem sehr viel allgemeinerem Verfahren. Dieses Verfahren
wird auch dann noch von Nutzen sein, wenn wir in der Logik weiter als bloß bis zur
klassischen Aussagenlogik gehen.
• Der erste Beweis (Post/Kalmár) ist recht kurz und durchsichtig. Er ist für die
klassische Aussagenlogik maßgeschneidert. Das hat den Nachteil, daß er nicht mehr
paßt, wenn die Logik “wächst” — zB indem wir sie zur Quantorenlogik oder zu
einer modalen Logik erweitern.
Wir werden zwei sehr verschiedene Beweise des Vollständigkeitssatzes vorführen.
Satz 2. (Vollständigkeit).Wenn |= A, dann ' A.
A,
¬A,
wenn [[A]]v = 1;
anderenfalls.
7
|var(A)|v ' |A|v .
Lemma 3. Für alle Bewertungen v gilt:
:LQWHUORJLNIRO
Wenn var(A) die Menge der in A vorkommenden Satzvariablen ist, dann sei
|var(A)|v = {|B|v : B ∈ var(A)}
NB : Wenn A falsch ist, dann haben, nach der Def., A und ¬A denselben Betrag,
nämlich die Formel ¬A — welche eben ausdrückt, daß A falsch ist. (Von diesem
Umstand machen wir im Beweis des nächsten Lemmas Gebrauch; siehe p. 10.)
Wir nennen |A|v den Betrag von A unter der Bewertung v. Diese Funktion
(eingeschränkt auf Literale) kennen wir aus Posts Beweis der funktionalen
Vollständigkeit kleiner Junktorenmengen. Vgl. Vorlesung 10.
|A|v =
Wie erinnern an die Funktion | − |v , welche für eine gegebene Bewertung v der Atome
einer Sprache, den Wert einer Formel A als Formel wiedergibt:
:LQWHUORJLNIRO
Das war einfach. Nun beweisen wir die Umkehrung: Alle Tautologien lassen sich in K
ableiten. Das System K ist also (in diesem Sinne) vollständig.
6
1.Korrektheit und Vollständigkeit
:LQWHUORJLNIRO
László Kalmár (1905–1976)
Erster Beweis (Post/Kalmár)
1.Korrektheit und Vollständigkeit
1.Korrektheit und Vollständigkeit
4
Damit ist die Induktion beendet. Wir haben uns davon überzeugt, daß die Resultate
von Ableitungen in K aus der leeren Annahmenmenge, d.h. Theoreme von K, immer
Tautologien sind, gleichgültig, wie lang diese Ableitungen sein mögen.
· Ja, falls MP die Eigenschaft tautologisch zu sein, von den Prämissen an die Konklusion weitergibt. Zeigen Sie das!
· Wir können also die IA anwenden: B und B → A sind Tautologien. Ist A nun
auch eine Tautologie?
· Dann müssen B und B → A in einem k + 1 vorhergehenden Schritt i ≤ k
abgeleitet worden sein.
Induktionsschritt: Wir zeigen nun, daß eine in k + 1 Schritten abgeleitete Formel tautologisch ist. — In einem Schritt k + 1 kann A nur durch MP aus Formeln B und
B → A geschlossen sein.
Induktionsannahme (IA): Alle in bis zu k Schritten abgeleiteten Formeln seien tautologisch.
.../
1.Korrektheit und Vollständigkeit
¬A1 , ¬A2 ' ¬(¬A1 → A2 )
¬A1 , A2 ' ¬A1 → A2
A1 , ¬A2 ' ¬A1 → A2
A1 , A2 ' ¬A1 → A2
0
1
0
1
0
0
1
1
¬(¬A1 → A2 )
1
0
0
0
1
1, ¬A1
1, A1
1
(1)
(2)
(3)
(4)
(4)
A2
A2 → (¬A1 → A2 )
¬A1 → A2
¬A1 → A2
¬A1 → A2
9
(i)
(ii)
:LQWHUORJLNIRO
Annahme
Ax. 2
1,2 MP
3 Monotonie für die zweite Seq. (i) bzw.
3 Monotonie für die vierte Seq. (ii)
¬A1 , A2 ' ¬A1 → A2
A1 , A2 ' ¬A1 → A2
:LQWHUORJLNIRO
1.Korrektheit und Vollständigkeit
(Übung: Beweis der ersten und dritten Sequenz. Ein wenig schwieriger.)
8
Behauptung: Jede dieser Folgerungen ist in K beweisbar. Als Beispiele nehmen wir
die zweite und die vierte Sequenz.
Dazugehörige Folgerungen:
A2
A1
Sei A = ¬(¬A1 → A2 ). Wahrheitstafel:
Beispiel statt Beweis.
1.Korrektheit und Vollständigkeit
|var(A)|v ' |A|v .
|var(¬B)| ' |B|.
1.Korrektheit und Vollständigkeit
:LQWHUORJLNIRO
|var(C)| ' |C|.
11
:LQWHUORJLNIRO
Um (3) nachzuweisen, unterscheiden wir zwei Fälle. — Erster Fall. |B ∧ C| = B ∧ C:
Dann |B| = B und |C| = C, und also |B ∧ C| = |B| ∧ |C|. — Zweiter Fall: |B ∧ C| =
¬(B ∧ C) = ¬B ∨ ¬C. Dann |B| = ¬B oder |C| = ¬C. In beiden Fällen haben wir
|B| ∧ |C| ' ¬B ∨ ¬C (= |B ∧ C|).
|var(B ∧ C)| ' |B ∧ C|.
Da var(B) ⊆ var(B ∧ C), so ist klar, daß (2) |var(B)| ∪ |var(C)| ' |var(B ∧ C)|. Wenn
nun auch (3) |B| ∧ |C| ' |B ∧ C|, dann folgt aus (1) wie gewünscht, daß
(1)
und
|var(B)| ∪ |var(C)| ' |B| ∧ |C|.
|var(B)| ' |B|
Aus IA folgt durch ∧Ein
IA
Fall A = B ∧ C: Dann ist var(B ∧ C) = var(B) ∪ var(C) und die IA lautet:
10
Aufgrund der Transitivität von ' genügt es zu zeigen, daß |B| ' |¬B|. Nun ist entweder (a) |B| = B oder (b) |B| = ¬B. — Falls (a), dann ist B wahr und also ¬B
falsch, d.h. |¬B| = ¬¬B. Da B ' ¬¬B, folgt so, daß |B| ' |¬B|, wie gewünscht. —
Falls (b), dann ist ¬B wahr. Also ist |¬B| = ¬B und daher |¬B| = |B|.
IA
Fall A = ¬B: Dann ist var(¬B) = var(B) und so folgt aus IA,
Wir nehmen nun wie zuvor an, ¬ und ∧ seien die einzigen Grundjunktoren und
betrachten die Fälle A = ¬B und A = B ∧ C. Unserer IA ist, daß der Satz für B
und C gilt.
IB: A ist ein Atom. (Trivial.)
Die Behauptung soll für alle Formeln A, d.h für Formeln beliebiger Zusammensetzung
gelten. Wir müssen also über den Aufbau von A induzieren. (Im folgenden lassen wir
den immer gleichen Index v zu | | und [[ ]] fort.)
Beweis von Lemma 3.
1.Korrektheit und Vollständigkeit
X, ¬A ' B
Fall
1.Korrektheit und Vollständigkeit
:LQWHUORJLNIRO
B
B
B
B
B
(1)
(2)
(3)
(4)
( )
. , . Fall
Lemma 3
1, wenn |Am |v = Am
1, wenn |Am |v = ¬Am
2,3 Fall
13
:LQWHUORJLNIRO
Die Ellipse nach Zeile (4) deutet hier an, daß wir das Argument (2-4) so lange wiederholen, bis alle Annahmen (links von der Zeilenzahl) erschöpft sind (in Zeile 3m + 1).
Am Ende haben wir dann, wie gewünscht, die Formel B aus der leeren Menge von
Annahmen abgeleitet. D.h.
'B
|A1 |v , . . . , |Am |v
|A1 |v , . . . , |Am−1 |v , Am
|A1 |v , . . . , |Am−1 |v , ¬Am
|A1 |v , . . . , |Am−1 |v
..
.
◦ X ist maximal konsistent (“satt”) gdw X konsistent ist und jede Erweiterung von
X inkonsistent ist.
15
:LQWHUORJLNIRO
Es ist also letztlich gleich, welchen dieser drei (In-)Konsistenzbegriffe wir verwenden,
solange wir es mit K (oder ähnlichen Systemen) zu tun haben.
(c) X ' B (für beliebige Formeln B).
(b) X ' ⊥;
(a) es gibt eine Formel A derart, daß X ' A und X ' ¬A;
2. Für das System K der klassischen Aussagenlogik (aber nicht nur in diesem System)
sind die folgenden drei Aussagen äquivalent:
1. Natürlich bezieht sich die Ableitbarkeitsrelation ' in der Definition hier auf K.
Aber die Definition ist allgemeiner und kann sich im Prinzip auf beliebige Ableitbarkeitsrelationen beziehen.
Anmerkungen:
◦ Eine Formelmenge X ist konsistent gdw es kein A gibt, so daß X ' A und X ' ¬A.
1.Korrektheit und Vollständigkeit
:LQWHUORJLNIRO
|= B
Definition.
14
Leon Henkin (1921–2006)
Zweiter Beweis (Lindenbaum/Henkin)
1.Korrektheit und Vollständigkeit
mit Teilformeln A1 , . . . , Am . Dann ist immer [[B]]v = 1 und also |B|v = B, gleichgültig, welche Wahrheitswertverteilung v wir betrachten. Also gilt nach dem gerade
bewiesenen Lemma 3, ∀v : |A1 |v , . . . , |Am |v ' B. Dann können wir für beliebige Bewertungen v so schließen:
Um die Vollständigkeit von K zu beweisen, nehmen wir an, B sei eine Tautologie,
12
(Lemma 5 “Fall”.) Diese Regel wollen wir jetzt anwenden.
X'B
X, A ' B
In der letzten Vorlesung haben wir gezeigt, daß wir in K nach der folgenden Regel
schließen dürfen:
Erinnerung:
1.Korrektheit und Vollständigkeit
⊥Bes
1.Korrektheit und Vollständigkeit
:LQWHUORJLNIRO
und
|= A ∧ B gdw |= A und |= B
17
:LQWHUORJLNIRO
Beweis. Ad 1) Die ⇒-Richtung ist trivial. Für die andere Richtung nehmen wir an,
daß M ' A und — für reductio —, daß A ∈
/ M . In diesem Fall hätten wir M, A ' ⊥.
Aber dann könnten wir so schließen:
M, A ' ⊥ M ' A
Schnitt
M '⊥
Mit anderen Worten: M wäre, entgegen unserer Voraussetzung, inkonsistent!
3. A ∧ B ∈ M gdw A ∈ M und B ∈ M .
2. ¬A ∈ M gdw A ∈
/ M;
1. A ∈ M gdw M ' A;
Lemma 4. Wenn die Formelmenge M satt ist, dann gilt für alle Formeln A und B:
Das nächste Resultat zeigt, daß satte Mengen Eigenschaften haben, die dieser
Forderung “ziemlich ähnlich” sind. (Das ist eine arge Untertreibung, wie wir gleich
sehen werden ;-)
|= ¬A gdw nicht |= A
Sie erinnern sich: Von Modellen der Aussagenlogik haben wir gefordert, daß
16
Q.e.d.
X'B
X, ¬B ' ⊥
⊥Ein
Mono
X ' ¬A
X'⊥
X'A
(a) ⇒ (b) ⇒ (c) beweisen wir so:
Die Implikation (c) ⇒ (a) ist trivial.
Es genügt zu zeigen, daß (a) ⇒ (b) ⇒ (c) ⇒ (a). (Wichtiger Kniff, um die
Äquivalenz mehrerer Behauptungen zu beweisen. Merken! )
19
18
:LQWHUORJLNIRO
:LQWHUORJLNIRO
1.Korrektheit und Vollständigkeit
Adolf Lindenbaum (1904–1941; hier 1927)
Es folgt das sogenannte Lindenbaum-Lemma /...
Gegeben Lemma 4.1, folgt die Behauptung unmittelbar aus ∧Bes und ∧Ein.
Ad 3) A ∧ B ∈ M gdw A ∈ M und B ∈ M .
· Daraus würde durch ⊥Bes M ' A folgen und so, nach Behauptung 1 des Lemmas, A ∈ M — Widerspruch!
· Dann hätten wir M, ¬A ' ⊥.
· Angenommen A ∈
/ M und — reductio! — ¬A ∈
/ M.
Die andere Richtung drückt die Vollständigkeit von M aus. Diese beweisen wir leicht
so.
(c) X ' B (für beliebige Formeln B)
Die ⇒-Richtung drückt nur die Konsistenz von M aus, was wir ja voraussetzen.
(a) Es gibt eine Formel A derart, daß X ' A und X ' ¬A;
Ad 2) ¬A ∈ M gdw A ∈
/ M.
1.Korrektheit und Vollständigkeit
(b) X ' ⊥;
(Nachweis, daß (a–c) äquivalent sind.)
1.Korrektheit und Vollständigkeit
1.Korrektheit und Vollständigkeit
:LQWHUORJLNIRO
21
· Da Xk ⊆ X ∗ , ist also auch X ∗ ∪ {Ak } inkonsistent.
:LQWHUORJLNIRO
· Das kann, laut Definition von Xk+1 , nur daran liegen, daß Xk ∪ {Ak } inkonsistent
ist.
/ X , wurde Ak nicht in Ak+1 aufgenommen, als die Formel aufgerufen
· Da Ak ∈
wurde.
∗
· Sei also A = Ak .
Die Formel A ist in der Abzählung enthalten.
(ii) Wenn A ∈
/ X ∗ , dann ist X ∗ ∪ {A} inkonsistent (d.h. X ∗ ist maximal).
20
· Aber diese Teilmenge muß in einer der Xn ⊆ X enthalten sein, d.h. die Menge
Xn wäre dann inkonsistent — Widerspruch.
∗
· Dann gibt es eine Ableitung von ⊥ aus einer endlichen Teilmenge von X ∗ .
· Angenommen nun, X ∗ sei inkonsistent.
Durch Induktion (über n) folgt unmittelbar, daß jede der oben konstruierten Mengen Xn konsistent ist.
(i) X ∗ ist konsistent.
Schließlich sei X ∗ = X0 ∪ X1 ∪ X2 . . .. Wir zeigen nun, daß X ∗ maxkonsistent ist.
(i) K ∪ {¬F } ist konsistent. (Mit K bezeichnen wir die Menge der Theoreme des
Systems K.)
◦ Wir konstruieren induktiv eine Folge von Mengen, X0 , X1 , X2 , . . .. Wir beginnen
mit X0 = X. Sodann
Xn ∪ {An }, falls Xn ∪ {An } konsistent ist;
Xn+1 =
anderenfalls.
Xn
:LQWHUORJLNIRO
1.Korrektheit und Vollständigkeit
23
:LQWHUORJLNIRO
So haben wir gezeigt, daß es für ein beliebiges Nichttheorem F eine Interpretation [[ ]]
gibt, die F falsch macht.
(iii) [[F ]] = 0.
Folgt unmittelbar aus der Tatsache, daß ¬F ∈ K ∪ {¬F } ⊆ K ∗ . Da K ∗ konsistent ist,
ist F ∈
/ K ∗.
— Lemma 4.2-3!
b) A ∧ B ∈ K ∗ gdw A ∈ K ∗ und B ∈ K ∗
/ K ∗ , und
a) ¬A ∈ K ∗ gdw A ∈
(ii) [[ ]] ist eine Interpretation! (Erinnerung: Eine Interpretation ist eine Abbildung
[[ ]] : FML −→ {0, 1}, welche die Bedingungen (¬) und (∧) erfüllt.)
Es ist zu zeigen, daß
[[A]] = 1 gdw A ∈ K ∗ , mit K ∗ maxkonsistent (⊇ K ∪ {¬F }).
22
[[A]] = 1 gdw A ∈ K ∗ .
Nach Lindenbaums Lemma läßt sich K ∪ {¬F } zu einer maxkonsistenten Menge K ∗
erweitern. Sei nun (für jede Fml A)
· Aber daraus folgt unmittelbar durch ⊥Bes, daß ' F — im Widerspruch zu unserer Voraussetzung (*).
· Dann können wir in K aus der Annahme ¬F einen Widerspruch ableiten, d.h.
¬F ' ⊥.
· Denn angenommen, das sei nicht so.
Angenommen (*) nicht ' F . (Wir werden zeigen, daß die Formel F keine Tautologie
ist, d.h. daß es eine Interpretation [[ ]] gibt, unter der F den Wert 0 erhält.)
Wir zeigen die Kontraposition: Wenn nicht ' F , dann nicht |= F .
Beweis der Vollständigkeit. (Alle Tautologien sind ableitbar.)
1.Korrektheit und Vollständigkeit
Beweis. Sei X eine konsistente Menge und A0 , A1 , A2 , . . . eine (beliebig gewählte)
Abzählung aller Formeln.
Lemma 5. (Lindenbaum)
Jede konsistente Menge läßt sich zu einer maximal konsistenten Menge erweitern.
1.Korrektheit und Vollständigkeit
*
*
2.Korrektheit und Vollständigkeit
:LQWHUORJLNIRO
25
:LQWHUORJLNIRO
• Zusammengefaßt: Wenn 'K F , dann gibt es ein Modell M mit [[F ]]M = 0. Anders
gesagt: Wenn es kein solches Modell gibt, F also eine Tautologie ist, dann ist F
auch in K ableitbar — K ist vollständig!
• Es ist aber ein Modell, in dem F den Wert 0 erhält.
• So eine satte Menge ist wie ein Modell (Interpretation).
• Die Menge K ∪ {¬F } haben wir dann zu einer maximal konsistenten (“satten”)
Menge erweitert (Lindenbaums Lemma).
• In diesem Fall ist ¬F mit der Menge K der K-Theoreme verträglich (konsistent).
• Wir haben angenommen, daß eine Formel F nicht ableitbar ist.
Die umgekehrte Richtung war etwas schwieriger. (Um uns das Leben etwas zu
erleichtern, haben wir zunächst das Deduktionstheorem bewiesen.)
• Alle Axiome sind Tautologien, und MP überträgt die Eigenschaft Tautologie zu
sein von den Prämissen auf die Konklusion (Korrektheit).
Daß jedes Theorem von K eine Tautologie ist, war recht einfach nachzuweisen.
24
Das axiomatische System K hat als Theoreme nur und alle Tautologien! Es ist in
diesem Sinne richtig (korrekt) und vollständig.
'K = |= .
Damit sind wir am Ende unserer Argumentationskette zur Konklusion
*
1.Korrektheit und Vollständigkeit
2.Andere Axiomatisierungen
:LQWHUORJLNIRO
27
:LQWHUORJLNIRO
Beweis. Die Axiome und Regeln des einen Systems sind im jeweils anderen System
abzuleiten.
• Beta ⊆ Alpha: Alle Beta-Axiome sind in Alpha ableitbar, und alle Beta-Regeln
sind in Alpha zulässig.
• Alpha ⊆ Beta: Alle Alpha-Axiome sind in Beta ableitbar, und alle Alpha-Regeln
sind in Beta zulässig.
Alpha und Beta haben dieselben Theoreme:
26
“gratis” dazu (die rote Diagonale im Diagramm).
• auch System Beta genau die Menge der Tautologien axiomatisiert,
dann bekommen wir das Resulat, daß
◦ das System Alpha dieselben Theoreme hat wie das System Beta (blau),
◦ Alpha die Menge der Tautologien axiomatisiert und
Wenn wir zeigen können, daß
Vorbemerkung: Mit einem Korrektheits- und Vollständigkeitsnachweis in der Hand,
sind weitere solcher Nachweise relativ einfach zu führen.
der Menge der Tautologien
2. Andere Axiomatisierungen
2.Andere Axiomatisierungen
29
28
MP
A ∨ (B ∨ C) → B ∨ (A ∨ C)
(A → B) → (A ∨ C → B ∨ C)
A∨A→A
A→A∨B
A∨B →B∨A
31
¬¬A → A
MP
B →A∨B
A → C → ((B → C) → (A ∨ B → C))
(A → B) → (¬B → ¬A)
A → ¬¬A
A∧B →B
(A → B) ∧ (A → C) → (A → B ∧ C)
A→A∨B
A → (B → A)
(A → (A → B)) → (A → B)
(A → B) → ((B → C) → (A → C))
A∧B →A
Hilbert/Bernays (Grundlagen) 1934
Russell & Whitehead (PM ) 1902, Bernays 1924
A → B := ¬A ∨ B
:LQWHUORJLNIRO
:LQWHUORJLNIRO
2.Andere Axiomatisierungen
Eine informative Axiomatisierung (¬, ∧, ∨, →)
:LQWHUORJLNIRO
30
MP
((((A → B) → (¬C → ¬D)) → C) → E) → ((E → A) → (D → A))
Mendelson 1964
Eine elegante Axiomatisierung (¬, →)
2.Andere Axiomatisierungen
Eine klassische Axiomatisierung (¬, ∨)
2.Andere Axiomatisierungen
:LQWHUORJLNIRO
Katalog einiger Axiomensysteme in Prior, Formal Logic (1955), Appendix I.
· ¬¬A → A: Intuitionistische Logik nein
· A ∧ ¬A → B: Parakonsistente Logiken nein.
· (A → (A → B)) → (A → B): Kontraktionsfreie Logiken nein.
· A → (B → A): Klassische/Intuitionistische Logik ja, Relevanzlogik nein.
• Solche Axiome/Regeln deutlich herausstellen, die für bestimmte logische Theorien
charakteristisch sind. Z.B.
• Genau die Axiome/Regeln, die man im bevorzugten Vollständigkeitsbeweis braucht.
• Möglichst natürliche Charakterisierung des typischen Verhaltens der logischen Partikel.
• Einfache Ableitungen.
• Möglichst wenige Axiome/Regeln (“Eleganz”, Übersichtlichkeit).
Einige Kriterien (nicht alle zugleich erfüllbar):
Auswahl von Axiomensystemen
2.Andere Axiomatisierungen
3. Unabhängigkeit
• Vertrauen: Stellt sich heraus, daß ein prima facie problematisches Axiom in den
übrigen, prima facie weniger problematischen schon enthalten ist, dann kann jenes
dadurch an Problematik verlieren — oder auch diese problematischer werden, als es
zunächst schien.
A|(B|C), A
C
33
:LQWHUORJLNIRO
◦ Ein axiomatisches System S ist unabhängig :gdw alle Axiome und Regeln von S
unabhängig (voneinander) sind.
◦ Ein Axiom AX eines axiomatischen Systems S ist unabhängig (vom “Rest”) :gdw
die Menge der Theoreme von S ohne AX, S−AX, eine echte Teilmenge von S ist;
anderenfalls ist AX als Axiom redundant. (Das gleiche gilt sinngemäß für Regeln.)
Definition.
· Wie steht es zB um A → (B → A)? Brauchen wir das als Axiom?
Frage: Ist nicht vielleicht das eine oder andere Axiom von K auch überflüssig? –
Könnte man es nicht (wie A → A) aus den übrigen ableiten?
35
S−A ⊆ Φ
A∈
/Φ
A∈
/ S−A
:LQWHUORJLNIRO
Kurz (mit S−A die Menge der (S−A)-Theoreme und Φ die Menge der φs):
iii. Daraus dürfen wir dann schließen, daß
nicht ' A in S−A.
ii. Dann zeigen wir, daß (mindestens eine Instanz von) A diese Eigenschaft nicht
hat:
nicht φ(A).
i. Wir zeigen zunächst, daß jede in S-ohne-A ableitbare Formel eine bestimme
Eigenschaft φ hat, d.h.
wenn ' B in S−A, dann φ(B).
Hier ist die Beweisidee:
Indem wir beweisen, daß es in S-ohne-A keinen Beweis von A geben kann.
3.Unabhängigkeit
3.Unabhängigkeit
Wie zeigen wir, daß ein Axiom A in einem System S unabhängig ist?
:LQWHUORJLNIRO
:LQWHUORJLNIRO
34
Indem wir einen Beweis von A in S-ohne-A vorführen.
Wie zeigen wir, daß ein Axiom A in einem System S abhängig/redundant ist?
• Information: Je redundanter die Prämissen in einer Ableitbarkeitsbehauptung X '
A sind, desto geringer ist ihr informativer Gehalt.
A|(B|C)|(A|(C|A)(D|B|(A|D)|(A|D)))
Alle Formeln der Gestalt A → A (zB) lassen sich in K aus den Axiomen ableiten.
A → A wäre also als weiteres Axiomenschema überflüssig.
32
• Ästhetische Erwägungen.
Nicod 1917, Wajsberg/Lukaśiewicz
3.Unabhängigkeit
• Überschaubarkeit: Je reduzierter die Basis, aus der eine Theorie hervorgeht, umso
überschaubarer ist sie — die Basis, und vielleicht auch die Theorie.
Warum lohnt es, nach Unabhängigkeit zu fragen:
Eine frugale Axiomatisierung (|)
3.Andere Axiomatisierungen
1
Die Methode ist absolut sicher: Wenn A1 wirklich unabhängig ist, dann gibt es eine
Abbildung der gerade beschriebenen Art. Das Verfahren läßt sich sogar automatisieren.1 Ein wenig schwieriger kann es werden, wenn Sie sich das Ziel setzen, die
eleganteste (= kleinste) Lösung zu finden.
37
:LQWHUORJLNIRO
Dazu gab es Anfang der 80er Jahren einmal das Programm TESTER von Dale Isner und Nuel Belnap.
Siehe auch: Pritchard, Paul, Algorithms for finding matrix models of propositional calculi, Journal
Journal of Automated Reasoning (7) 1991.
···
dann wenn f (A) = 0, dann f (B) = 0.
39
:LQWHUORJLNIRO
Aber das Antezedens von (6) haben wir in (1). Also dürfen wir von (6) das
gewünschte Konsequens (*) ablösen.
(6) Wenn ∀f : f (A) = 0, dann ∀f : f (B) = 0.
Und aus (5) folgt:
(5) ∀f : wenn f (A) = 0, dann f (B) = 0.
Aus (2) und (4) folgt
(4)
(3) wenn f (A → B) = 0, dann entweder f (A) = 0 oder f (B) = 0, d.h.
Schauen Sie auf die Färbetafel, dann stellen Sie fest, daß
(*) ∀f : f (B) = 0.
Zu zeigen ist:
(2) ∀f : f (A → B) = 0.
(1) ∀f : f (A) = 0, und
A→B
Behauptung 2 : MP, A B
, vererbt diese Eigenschaft von den Prämissen auf die
Konklusion. Nehmen Sie also an, daß
3.Unabhängigkeit
3.Unabhängigkeit
38
:LQWHUORJLNIRO
Sicher ist die Methode, Formeln auf bestimmte Werte (das müssen nicht
Wahrheitswerte sein) abzubilden, um dann festzustellen, daß alle aus zB K-ohne-A1
ableitbaren Formeln immer einen bestimmten Wert erhalten, A1 diesen Wert aber
nicht erhält. Dann dürfen Sie schließen, daß A1 nicht aus K-ohne-A1 ableitbar ist.
(Im folgenden nennen wir diese Werte “Farben”.)
Es folgen die Details ...
stehen soll:
¬A
1
1
0
Behauptung 1 : A2 und A3 haben die Eigenschaft bei jeder Färbung f die Farbe 0 zu
erhalten. (Übung!)
welche unter der folgenden komplexen Bedingung
A B A→B
0 0 0
1 0 2
2 0 0
0 1 2
1 1 2
2 1 0
0 2 2
1 2 0
2 2 0
f : FML −→ {0, 1, 2},
Wir wollen zeigen, daß A1, A → (B → A), im System K unabhängig von den anderen
Axiomen ist. Dazu betrachten wir eine “Färbung” (Zahlen deuten hier “Farben” an)
3.Unabhängigkeit
:LQWHUORJLNIRO
Beweis. Wir müssen die Axiome A1-3 einzeln durchgehen. Der Trick besteht darin,
irgendeine Eigenschaft (“Farbe”) φ zu finden, welche das jeweilige Axiom von den
anderen separiert.
Satz 6. Jedes der Axiome von K ist unabhängig.
36
(“Färbemethode”: Jedes Axiom von S−A wird gefärbt, und die Regeln geben die
Färbung weiter. Was ungefärbt ist, kann also nicht ableitbar sein.)
◦ daß die Regeln von S−A die Eigenschaft von den Prämissen an die Konklusion
weitergeben.
◦ daß jedes der Axiome von S−A die Eigenschaft hat, und
Induktion über die Länge einer Ableitung in S−A: Wir zeigen,
• Wenn ' B in S−A, dann φ(B).
Wie zeigen wir (i)?
3.Unabhängigkeit
2
und
f (P → 0) = f (1 → 0) = 2 !
4. Entscheidbarkeit etc. – Fragen und Antworten
4.Entscheidbarkeit etc. – Fragen und Antworten
:LQWHUORJLNIRO
41
:LQWHUORJLNIRO
Was genau ein “effektives” Verfahren ist, ist gar nicht so einfach zu erklären. Für unsere Zwecke
mag es genügend, ein Entscheidungsverfahren “effektiv” zu nennen, wenn es als Programm auf einem
Computer ablaufen könnte und nach endlich vielen Rechenschritten eine Ja/Nein-Antwort ausgibt.
Gegeben eine beliebige Formel A, gibt es ein effektives Verfahren um zu entscheiden,
ob A beweisbar ist?2
Frage
(Beweisbarkeit/Ableitbarkeit bezieht sich im folgenden immer auf das System K.)
40
Die Unabhängigkeit von A2 und A3 zeigen wir ganz
ähnlich – natürlich mit jeweils leicht veränderten
Färbetafeln.
Übung!
Konklusion aus 3 und 4 : A1 ist kein Theorem von K-ohne-A1, d.h. A1 ist unabhängig in K.
f (Q → P ) = f (2 → 1) = 0
Behauptung 4 : Das Axiom A1 hat diese Eigenschaft nicht, d.h. es gibt Instanzen von
A1, die eine von 0 verschiedene Farbe annehmen können: ∃f : f (P → (Q → P )) = 0.
Eine solche Belegung finden Sie schnell zB durch das Quinesche Verfahren: Sei
f (P ) = 1, f (Q) = 2. Dann
Behauptung 3 : Jedes Theorem A, das in K-ohne-A1 ableitbar ist, hat die Eigenschaft
∀f, f (A) = 0. — Folgt unmittelbar aus den zwei vorangegangenen Behauptungen.
4.Unabhängigkeit
Frage
4.Entscheidbarkeit etc. – Fragen und Antworten
:LQWHUORJLNIRO
43
:LQWHUORJLNIRO
Wenn A ableitbar in K ist, gibt es dann ein effektives Verfahren, eine Ableitung von
A zu finden?
42
Denn wir wissen, daß K = TAU ist (Richtigkeit und Vollständigkeit!). Für TAU gibt
es aber mindestens ein effektives Verfahren: Für jede Formel läßt sich eine endliche
Wahrheitstafel konstruieren. Also läßt sich für jede Fml effektiv entscheiden ob sie in
K ist, d.h. ob sie in K ableitbar ist. Auch die Tableaux-Verfahren entscheiden effektiv den Status jeder Formel.
Ja, die Eigenschaft ableitbar (d.h. ein Theorem von K) zu sein, ist entscheidbar.
Antwort
Gegeben eine beliebige Formel A, gibt es ein effektives Verfahren um zu entscheiden,
ob A beweisbar ist?
Frage
4.Entscheidbarkeit etc. – Fragen und Antworten
:LQWHUORJLNIRO
47
:LQWHUORJLNIRO
Frage
4.Entscheidbarkeit etc. – Fragen und Antworten
:LQWHUORJLNIRO
45
46
Kann man die Menge der Theoreme von K um weitere Formeln konsistent erweitern?
Frage
4.Entscheidbarkeit etc. – Fragen und Antworten
:LQWHUORJLNIRO
Zum Beispiel sind Literale (Atome und deren Negationen, P und ¬P ) keine Tautologien und daher (Richtigkeit) nicht ableitbar.
Nein, die Menge der K-Theoreme ist nicht negationsvollständig.
Antwort
Falls A nicht beweisbar ist, ist dann ¬A beweisbar?
Frage
4.Entscheidbarkeit etc. – Fragen und Antworten
Falls A nicht beweisbar ist, ist dann ¬A beweisbar?
44
Wir müßten von A ausgehend rückwärts arbeiten, um schließlich nur noch auf Axiome zu stoßen. Modus Ponens stellt uns dabei vor ein Problem. Denn, wenn wir auf
B→A
dann kommen hier potentiell unendlich
A nach Modus Ponens schließen, B A,
viele Formeln B (und also B → A) in Betracht, die wir darauf prüfen müßten, ob
sie—ggf. wiederum per Modus Ponens!—ableitbar sind. (Das schließt nicht aus, daß
aufgrund weiterer Informationen über K der Suchraum immer endlich eingeschränkt
und auf solche Weise eine Ableitung gefunden werden kann.)
Nein, ein solches Verfahren kann es nicht geben (jedenfalls nicht allein aufgrund der
Information, die uns K zur Verfügung stellt). Das System K erlaubt kein effektives
Beweisverfahren.
Antwort
Wenn A ableitbar in K ist, gibt es dann ein effektives Verfahren, eine Ableitung von
A zu finden?
Frage
4.Entscheidbarkeit etc. – Fragen und Antworten
Frage
4.Entscheidbarkeit etc. – Fragen und Antworten
:LQWHUORJLNIRO
49
:LQWHUORJLNIRO
Kann man K um neue Axiomenschemata (d.h. alle Formeln einer bestimmten
Gestalt) konsistent erweitern?
48
So beruht der Beweis des zweiten Vollständigkeitssatz (Lindenbaum-Henkin) darauf,
daß wir zur Menge der Theoreme die Negationen beliebiger nicht ableitbarer Formeln
konsistent hinzunehmen können.
Von Paaren von Literalen, P und ¬P , ist weder das ein noch das andere ableitbar.
Also können wir entweder das eine oder das andere konsistent zur Menge der Theoreme hinzufügen.
Ja, die Menge der Theoreme ist nicht maximal konsistent.
Antwort
Kann man die Menge der Theoreme von K um weitere Formeln konsistent erweitern?
Frage
4.Entscheidbarkeit etc. – Fragen und Antworten
3
4.Entscheidbarkeit etc. – Fragen und Antworten
:LQWHUORJLNIRO
51
:LQWHUORJLNIRO
Stellen Sie sich das Schema als Baum vor. Die Endpunkte der Äste in diesem Baum sind die Blätter.
(Wir konstruieren nun mit Hilfe dieser falsifizierenden Interpretation v eine Variante
a von a, die ebenfalls das Schema A instantiiert aber unter allen Interpretationen
den Wert 0 erhält.)
· Also gibt es eine Interpretation v mit v(a) = 0.
· Aus a ∈
/ K folgt (Vollständigkeitssatz), daß a ∈
/ TAU.
Es sei a[b1 , . . . , bn ] eine bestimmte Instanz des Schemas A (mit bestimmten Blättern
/ K.
b1 , . . . , bn ) so, daß a ∈
(Vorsicht, daraus, daß das Schema A in K nicht ableitbar ist, folgt nicht, daß keine
seiner Instanzen ableitbar sind! Das Schema A → B, zB, ist in K nicht ableitbar,
aber alle seine Instanzen der Form A → A sind es natürlich.)
Beweis. Sei A[B1 , . . . , Bn ] ein Schema (mit Blättern B1 , . . . , Bn ), das in K nicht beweisbar ist.3 Wir zeigen, daß K + A inkonsistent ist.
Satz 7. (Post 1921) K ist Post-vollständig: Für ' A ist K + A inkonsistent.
Es sei K + A die Erweiterung der Theoreme von K, d.h. der Menge der Tautologien,
um alle Instanzen des Schemas A.
50
Nein, das System K, d.h. die klassische Aussagenlogik, ist im Sinne des folgenden
Satzes maximal (Post-vollständig).
Antwort
Kann man K um neue Axiomenschemata (d.h. alle Formeln einer bestimmten
Gestalt) konsistent erweitern?
Frage
4.Entscheidbarkeit etc. – Fragen und Antworten
⊥
,
falls v(bi ) = 1;
anderenfalls.
4.Entscheidbarkeit etc. – Fragen und Antworten
:LQWHUORJLNIRO
53
:LQWHUORJLNIRO
· MaW, wenn wir die Menge der logisch wahren Sätze einschränken oder erweitern
wollen, sollten wir sie immer um alle Sätze einer bestimmten Formen, d.h. um
Schemata einschränken oder erweitern.
· Wenn zwei Sätze dieselbe Form haben, kann nicht der eine logisch wahr und der
andere nicht logisch wahr sein.
· Wir haben eingangs festgestellt, daß logische Wahrheit in einem gewissen Sinne
Wahrheit aufgrund der Form eines Satzes sein soll.
• Logik ist formal.
Post-Vollständigkeit zeichnet die klassische Logik K gegenüber anderen aus und stellt
ihr in einer wichtigen Hinsicht eine Empfehlung aus. Denn die folgenden zwei Annahmen sind sehr plausibel.
Bei früherer Gelegenheit haben wir die Möglichkeit alternativer, d.h. nicht-klassischer
Logiken betrachtet. Jetzt wissen wir, daß nicht-klassische Logiken keine Erweiterungen der klassischen Logik sein können. (Sie sind entweder schwächer oder (seltener)
liegen “schräg” zur klassischen Logik.)
52
Da a immer den Wert 0 erhält, muß ¬a eine Tautologie sein. Aber dann ist ¬a ∈
K ⊆ K + A — d.h. K + A enthält sowohl a als auch ¬a !
Beweis: (Mühsame aber nicht weiter interessante Induktion über die Anzahl der
Atome in a.) Die Idee: Wenn a in einer Zeile der Wahrheitstafel den Wert 0 erhält,
dann erhält a in allen Zeilen den Wert 0—wie im Beispiel illustriert. Die Ersetzungen bi sind so gewählt, daß eine a falsifizierende Werteverteilung nun in allen Zeilen
für a erzwungen wird.
Beipiel: P → Q[P, Q]. Dann v(P → Q) = 0, wenn v(P ) = 1 und v(Q) = 0. Also ist
(P → Q) = → ⊥ — eine Formel, die unter allen Interpretationen falsch ist.
Behauptung: v(a ) = 0 für alle Interpretationen v.
Dann fällt a = a[b1 , . . . , bn ] selbst unter das neue Schema A. Also ist a ∈ K + A.
bi =
Für jedes Blatt bi (i ∈ {1, . . . , n}) von a sei
4.Entscheidbarkeit etc. – Fragen und Antworten
Goethe-Universität
Frankfurt am Main
Institut für Philosophie
54
14beweisbarkeit 150127.1443
André Fuhrmann
Widerspruchsfreiheit und
Unvollständigkeit
— Ende der fünfzehnten Lieferung —
:LQWHUORJLNIRO
Logik im Winter 2014-15
:LQWHUORJLNIRO
Unter der Voraussetzung, daß Logik formal und kritisch sein soll, zeigt die Post-Vollständigkeit der klassischen Logik, daß diese im beschriebenen Sinne die optimale logische Basis für Theorien jeder Art ist.
· Das bedeutet umgekehrt: Schränken wir die logischen Konsequenzen einer Theorie ein, so schränken wir die Möglichkeiten ein, die Theorie zu kritisieren. Damit
setzen wir uns dem Vorwurf aus, die Theorie gegen Kritik zu immunisieren.
· Die Überprüfbarkeit, d.h. Kritisierbarkeit einer Theorie wird maximiert, indem
man die logischen Konsequenzen der Theorie maximiert. Bei empirischen Theorien maximiert man so deren Kontakt mit der Erfahrung.
· Eine Theorie zu prüfen, heißt also ihre logischen Konsequenzen zu prüfen.
• Logik ist kritisch. Indem eine Theorie unter logischer Konsequenz abgeschlossen
wird, generiert Logik den Bereich der Sätze, die kritisch zu prüfen sind.
4.Entscheidbarkeit etc. – Fragen und Antworten
3
2
Kurt Gödel (2.v.l.) (1906–1978)
Hans Magnus Enzensberger
Aussichten auf den Bürgerkrieg
Frankfurt a.M. (Suhrkamp), 1993; S. 86.
:LQWHUORJLNIRO
Gerüchte
:LQWHUORJLNIRO
Im Jahre 1931 hat ein genialer Grundlagenforscher namens Kurt Gödel bewiesen, daß
es eine gänzlich widerspruchsfreie Mathematik nicht geben kann. Damit hat er eine
tiefverwurzelte Überzeugung der Mathematiker ein für allemal aus den Angeln
gehoben; sie müssen seitdem damit leben, daß es unmöglich ist, sich am eigenen
Schopf aus dem Sumpf der Inkonistenz zu ziehen.
Gerüchte
Gerüchte
1. Thema: Theorien
1.Thema: Theorien
:LQWHUORJLNIRO
5
:LQWHUORJLNIRO
• Gute Theorien sind “logisch stimmig”: Sie enthalten alle Tautologien, sind unter
logischer Folgerung abgeschlossen und konsistent—siehe die Grafik.
• Theorien sind zumindest das: Mengen von Sätzen in einer bestimmten Sprache
(meist auf bestimmte Weise angereicherte und präzisierte Dialekte natürlicher
Sprachen)
Auf diese Frage hat Kurt Gödel eine wichtige Antwort gegeben.
Wenn wir wissen wollen, was wir wissen können,
dann müssen wir auch danach fragen,
was wir über Theorien wissen.
Was wir über die Welt wissen, stellen wir in Form von Theorien dar.
4
Gerüchte
1
Gute Theorien
7
:LQWHUORJLNIRO
Primzahlzwillinge haben den für Primzahlen kleinstmöglichen Abstand von 2; also (3,5), (5,7), (11,13),
... Obwohl die Primzahlzwillinge in der ansteigenden Zahlenreihe immer rarer werden, sollte es doch
unendlich viele davon geben. Bewiesen hat das aber bisher noch niemand.
Entweder A(n) oder ¬A(n).
Das gilt für beliebige Eigenschaften A natürlicher Zahlen n:
Entweder ist die Aussage wahr oder sie ist falsch. Deshalb erwarten wir von einer
Theorie der natürlichen Zahlen, daß sich die Aussage oder ihre Negation in ihr beweisen läßt. Anderenfalls würden wir die Theorie verbessern wollen.
Betrachten wir zB die Aussage
Es gibt unendlich viele Primzahlzwillinge.1
· Für manche Theorien (zB gewisse mathematische) scheint Vollständigkeit sogar
eine Adäquatheitsbedingung zu sein.
· Vollständiges Wissen ist immer ein erstrebenswertes Ideal.
:LQWHUORJLNIRO
1.Thema: Theorien
• Vollständige Theorien: ∀A : A ∈ T oder ¬A ∈ T .
6
1.Thema: Theorien
Gödels Frage:
2.Thema: Theorien
:LQWHUORJLNIRO
9
:LQWHUORJLNIRO
• Kann eine konsistente Theorie ihre eigene Konsistenz auch behaupten (und dabei
eine gute Theorie bleiben)?
• Kann eine Theorie zugleich stabil, konsistent und vollständig sein?
Welche Kombinationen solcher Eigenschaften können Theorien überhaupt haben?
ZB:
8
· ...
· Wenn T sich sicher ist, dann greift T zu (Löb-Eigenschaft):
Wenn “Ich behaupte A” → A ∈ T , dann “Ich behaupte A” ∈ T .
· T ist zu Modus Ponens bereit: Wenn “Ich behaupte A → B” ∈ T und “Ich behaupte A” ∈ T , dann “Ich behaupte B” ∈ T .
· T ist stabil: Wenn “Ich behaupte A” ∈ T , dann A ∈ T .
· T behauptet ihre eigene Konsistenz: “Ich behaupte: nicht ⊥” ∈ T .
• Selbstreflektierende Theorien: Die Theorie kann auf sich selbst Bezug nehmen
(“Ich behaupte A”) und reflektiert systematisch ihren Theorembestand. ZB so:
• Widerspruchsfreie Thn: ⊥ ∈
/ T. (Erinnerung: ⊥ = P ∧ ¬P .) Widerprüchlichkeit
ist sicher ein Zeichen, daß mit einer Theorie etwas nicht stimmt. In der klassischen
Logik ist Widersprüchlichkeit gleichbedeutend mit Trivialität (die Theorie enthält
alle Sätze der Sprache).
1.Thema: Theorien
11
Zusammenfassend:
10
A / 2A
A, A → B / B
⊥ := ¬(P → P )
kons := ¬2⊥
K + ...
2(A → B) → (2A → 2B)
2A → 22A
:LQWHUORJLNIRO
2.Abstrakte Beweisbarkeitssysteme (ABS)
:LQWHUORJLNIRO
• Regeln: Modus Ponens (MP) und . . .
A
“wenn A ein Thm ist, dann ist ‘bew A’ ein Thm”
RN.
2A
• Definitionen:
(“Widerspruch”) ⊥ := ¬(P → P ) (oder := P ∧ ¬P )
(“Konsistenz”)
kons := ¬2⊥ (“ein Widerspruch ist nicht beweisbar”)
• Axiome: Wie K und . . .
B1. 2(A → B) → (2A → 2B)
“wenn A → B bew ist und A bew ist, dann ist auch B bew”
B2. 2A → 22A
“wenn A bew ist, dann ist es bew, daß A bew ist”
• Sprache: eine AL-Sprache mit Junktor 2 (“Ich behaupte, daß . . . ” oder “es ist
beweisbar (bew), daß . . . ”) so, daß
wenn A ∈ FML, dann 2A ∈ FML.
Ein ABS ist jedes formale System, welches die folgenden Bedingungen erfüllt:
2. Abstrakte Beweisbarkeitssysteme (ABS)
2.Abstrakte Beweisbarkeitssysteme (ABS)
A → (2A → B)
RL
2A → 2B
:LQWHUORJLNIRO
2.Abstrakte Beweisbarkeitssysteme (ABS)
1 RM
2, B1, MP
3 Aussagenlogik (Kommutativität)
B2
4,5 Aussagenlogik (Transitivität)
6 Aussagenlogik (Kontraktion)
Erinnerung aus der Funktionentheorie: Fixpunkt
A → (2A → B)
2A → 2(2A → B)
2A → (22A → 2B)
22A → (2A → 2B)
2A → 22A
2A → (2A → 2B)
2A → 2B
∧ A) = v(A)).
13
A∧A↔A
A ∨ A ↔ A.
:LQWHUORJLNIRO
· Für die Konjunktion oder Disjunktion mit einer beliebigen Formel A ist die
Formel A selbst ein Fixpunkt; denn
∧ A ↔ A (bzw. v(
· Für die Konjunktion mit dem Wahren ( ), ist jede Formel A ein Fixpunkt; denn
n · 0 = 0.
· Für die Multiplikation mit einer beliebigen Zahl n ist die 0 ein Fixpunkt; denn
Beispiele:
(D.h. die Funktion verändert x nicht; x bleibt unverändert, fixiert.)
f (x) = x.
Sei f eine beliebige Funktion und x ein mögliches Argument für f . Dann heißt x
genau dann ein Fixpunkt für f , wenn
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Ad RL)
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
(6)
(7)
Beweis.
Ad RM)
(1) A → B
(2) 2(A → B)
1 RN
(3) 2(A → B) → (2A → 2B) B1
(4) 2A → 2B
2,3 MP
A→B
RM
2A → 2B
Lemma 1. Die folgenden Regeln gelten in jedem ABS:
2.Abstrakte Beweisbarkeitssysteme (ABS)
Erstes Beispiel: Maxens Überzeugungen
2.Abstrakte Beweisbarkeitssysteme (ABS)
:LQWHUORJLNIRO
15
' e ↔ ¬2e.
• Fixpunkt: e := Max glaubt e nicht, d.h. e := ¬2e. Also
2(A → B) → (2A → 2B)
“Max ist zu Modus Ponens bereit.”
B2. 2A → 22A
“Max ist sich aller seiner Überzeugungen bewußt.”
A
RN.
2A
“Wenn A eine von Maxens Überzeugungen ist,
dann ist er auch überzeugt, daß er A glaubt”
• B1.
• 2A : Max glaubt, daß A.
:LQWHUORJLNIRO
• Eine Menge von Sätzen in einer AL-Sprache (mit 2) (Maxens Überzeugungen).
14
• Ein System S ist unvollständig, wenn es mindestens einen Satz A gibt, so daß
weder ' A noch ' ¬A in S.
Zweites Beispiel: Wahrheitstheorie
17
:LQWHUORJLNIRO
ein Axiom der Theorie sein. In dem Fall folgen (B1–2) und RN sofort als Theoreme.
A ↔ 2A
NB : Soll 2 Wahrheit ausdrücken, dann sollte das Tarski-Schema
' k ↔ ¬2k.
2(A → B) → (2A → 2B)
“Wahrheit ist unter Modus Ponens abgeschlossen”
B2. 2A → 22A
“Wenn A wahr ist, dann ist das wahr”
A
“Was die Theorie behauptet, behauptet sie als wahr”
RN.
2A
• Fixpunkt: k := (k ist nicht wahr), d.h. k := ¬2k (Lügner- oder Kretersatz). Also
• B1.
• 2A : A ist wahr.
:LQWHUORJLNIRO
2.Abstrakte Beweisbarkeitssysteme (ABS)
• Eine Menge von Sätzen in einer AL-Sprache (mit 2)
— eine Theorie mit einem Wahrheitsprädikat:
16
(Beweise folgen gleich.)
Wenn Max überzeugt ist, daß wenn er etwas glaubt, dann sei es so (' 2A → A),
dann ist er davon überzeugt, daß er es glaubt (' 2A).
Löbs Satz:
II. Wenn Maxens Überzeugungen konsistent sind,
dann kann er davon nicht überzeugt sein — ' kons.
• Ein ABS ist ein abstraktes Gödelsches System (AGS), wenn es darin einen
Fixpunkt für ¬2 gibt.
• Ein System ist stabil, wenn aus ' 2A folgt, daß ' A.
I. Wenn Maxens Überzeugungen konsistent (' ⊥) und stabil (' 2A ⇒ ' A) sind,
dann sind Maxens Überzeugungen unvollständig — ∃A[= e] :' A und ' ¬A.
Gödels Sätze:
2.Abstrakte Beweisbarkeitssysteme (ABS)
• In einem ABS ist ein Satz g gd ein Fixpunkt für ¬2, wenn ¬2g ↔ g ein Theorem
des Systems ist.
Definition 2.
2.Abstrakte Beweisbarkeitssysteme (ABS)
P3. 0 ist kein Nachfolger irgendeiner nat. Zahl.
Löbs Satz:
19
18
Richard Dedekind (1831–1916)
:LQWHUORJLNIRO
2.Abstrakte Beweisbarkeitssysteme (ABS)
:LQWHUORJLNIRO
Giuseppe Peano (1858–1932)
Drittes Beispiel: Formalisierte Arithmetik (PA)
(Beweise folgen gleich.)
NB. Aus Löbs Satz folgt unmittelbar die Trivialität der Wahrheitstheorie mit dem
T-Schema A ↔ 2A. Denn der Wenn-Teil ist natürlich für jedes A erfüllt und so behauptet die Theorie, daß jeder Satz wahr sei.
2.Abstrakte Beweisbarkeitssysteme (ABS)
:LQWHUORJLNIRO
21
:LQWHUORJLNIRO
PA (formalisierte Arithmetik, “Peano-Arithmetik”):
Eine Axiomatisierung der Prädikatenlogik plus Q1–Q9 (letzteres ein Axiomenschema!).
Q9. A0 ∧ ∀x(Ax → Ax ) → ∀xAx, für jede Formel A.
Q8. ∀xy(x · y = x · y + x)
Q7. ∀x(x · 0 = 0)
Q6. ∀xy(x + y = (x + y) )
Q5. ∀x(x + 0 = x)
Q4. ∀xy(x = y → x = y)
Q3. ∀x(0 = x )
Q2. ∀xy(x = y → x = y )
Q1. ∀xyz(x = y → (x = z → y = z))
Neue Konstante 0, Funktion1 (Nachfolger), Funktionen2 · (Multiplikation) und +
(Addition); Relation2 = (Identität).
20
Nun übersetzen wir das Ganze in eine PL-Sprache, z.B. so (nach Mendelson, Introduction to Mathematical Logic, Kap. 3: Formal number theory) ...
(Das reicht, zusammen mit etwas Mengentheorie, für die Theorie der natürlichen
Zahlen und weiter für die Theorie der rationalen, reellen und komplexen Zahlen.)
P5. Sei φ eine mögliche Eigenschaft nat. Zahlen.
Wenn
0 φ ist, und
wenn x φ ist, dann auch x φ ist,
dann
ist jede nat. Zahl φ (Induktionsprinzip).
P4. Wenn x = y , dann x = y — jede nat. Zahl hat genau einen Nachfolger.
P2. Wenn x eine nat. Zahl ist, dann gibt es eine weitere nat. Zahl, x (der Nachfolger von x).
II. Wenn die Wahrheitstheorie konsistent ist, dann kann diese Tatsache kein Theorem der Theorie sein (' kons) (= läßt sich nicht in der Theorie beweisen).
Wenn die Wahrheitstheorie behauptet, daß A falls A wahr ist(' 2A → A),
dann behauptet sie, daß A wahr ist (' 2A).
P1. 0 ist eine natürliche Zahl.
Dedekinds (1879) (Peano 1889) nicht-formale Axiomatisierung der Theorie der
natürlichen Zahlen (Arithmetik):
2.Abstrakte Beweisbarkeitssysteme (ABS)
I. Wenn die Wahrheitstheorie konsistent (' ⊥) und stabil (' 2A ⇒ ' A) ist,
dann ist sie unvollständig.
Gödels Sätze:
2.Abstrakte Beweisbarkeitssysteme (ABS)
:LQWHUORJLNIRO
3.Abstrakte Beweisbarkeitssysteme (ABS)
2A := ∃xBew(x, A)
ALS = ABS + Fixpunkte (für jedes A) für 2(...) → A;
d.h. für jedes A gibt es ein mit 2 → A ↔ 25
23
2. wenn S stabil ist, dann ' ¬g in S.
1. ' g in S, und
M.a.W., jedes konsistente und stabile AGS ist unvollständig.
:LQWHUORJLNIRO
⊥ := ¬(P → P )
kons := ¬2⊥
2(A → B) → (2A → 2B)
2A → 22A
A / 2A
AGS = ABS + Fixpunkt g für ¬2(...); d.h. ¬2g ↔ g
ABS
3.Gödels Unvollständigkeitssätze
:LQWHUORJLNIRO
:LQWHUORJLNIRO
Gödels Erster Unvollständigkeitssatz. Sei S ein konsistentes ( ' ⊥ ) AGS
(ABS mit Fixpunkt g). Dann
24
• (Erinnerung) Ein System ist stabil :gdw ' A aus ' 2A folgt.
(Beweise folgen gleich.)
Wenn sich in PA ableiten läßt, daß (wenn A beweisbar ist, dann ist A der Fall),
dann läßt sich in PA ableiten, daß A beweisbar ist.
Löbs Satz:
II. Wenn PA konsistent ist, dann läßt sich die Konsistenz von PA in PA nicht
ableiten.
I. Wenn PA konsistent und stabil ist, dann ist PA unvollständig.
Gödels Sätze:
' g ↔ ¬2g.
• Def. des Fixpunktes: g := ¬∃xBew(x, g) (“ich bin nicht beweisbar”). Also
erfüllt die Bedingungen B1–2 und RN.
• Beobachtung: Der Junktor 2,
22
∃xBew(x, A)
drückt dann aus, daß es einen Beweis für A gibt (d.h., daß A ein Thm ist).
· Der Satz
(So können im System Tatsachen über das System behauptet werden.)
Bew((A1 . . . An ), A).
· Wenn die Folge A1 . . . An ein Beweis der Formel A (= An ) ist, dann können wir
das als eine Relation2 Bew zwischen Gödelzahlen ausdrücken:
Diese Arbeit überspringen wir hier und bringen nur den “Kern” des Arguments.
◦ dem Nachweis, daß dieses Prädikat sich wie 2 in einem ABS verhält.
◦ der Definition des Beweisbarkeitprädikats und
◦ in der Definition der Gödel-Zahlen,
• Definition: Gödel-Nummerierung.
Wir werden nun die zwei Gödelschen Sätze beweisen.
Achtung: Viel Arbeit steckt
· Jedem Ausdruck A und jeder Folge von Ausdrücken A1 , . . . An wird eine Zahl A
bzw. (A1 , . . . An ) eindeutig zugeordnet.
(So können wir in L uns auf Ausdrücke von L durch ihre Gödelzahlen beziehen.)
3.Gödels Unvollständigkeitssätze
3. Gödels Unvollständigkeitssätze
◦ Damit wird gezeigt, daß die Sprache der PA natürlichen Sprachen unerwartet
ähnlich ist: Wir können uns in der Sprache auf Ausdrücke der Sprache beziehen.
Jetzt kommt der “Gödel-Trick”: Wir zeigen, wie wir in PA nicht nur über Zahlen,
sondern auch über Formeln der PA reden können:
2.Abstrakte Beweisbarkeitssysteme (ABS)
g
g → ¬2g
¬2g
2g
⊥
Annahme (für reductio)
Fixpunkt
1,2, MP
1, RN
3,4
Annahme (für reductio)
Fixpunkt, Aussagenlogik
1,2, MP, Aussagenlogik
3, Stabilität
1,4
Fixpunkt
Aussagenlogik (¬A→(A→B ))
1,2 Aussagenlogik
3 Regel RL (Lemma 1)
4 Aussagenlogik
1 Aussagenlogik
5,6 Aussagenlogik, Def. kons
Annahme (für reductio)
7,8 MP
9 RN
4,10 MP
11 Aussagenlogik, Def. kons
8,12 Aussagenlogik
27
:LQWHUORJLNIRO
Zeile (13) widerspricht der Annahme, daß S konsistent sei. Also ist die reductioAnnahme in Zeile (8) falsch, d.h. ' kons.
g ↔ ¬2g
¬2g → (2g → ⊥)
g → (2g → ⊥)
2g → 2⊥
¬2⊥ → ¬2g
¬2g → g
kons → g
kons
g
2g
2⊥
¬kons
⊥
29
· Also ist S ein AGS.
· Also gibt es in S einen Fixpunkt für ¬2(...).
· Aber 2(...) → ⊥ ≡ ¬2(...).
· Dann gibt es einen Fixpunkt für 2(...) → ⊥.
Beweis. Sei S ein ALS.
Beobachtung 5. Jedes ALS ist ein AGS.
· So folgt nach Löbs Satz ' ⊥, d.h. das System ist inkonsistent.
· Dann ' 2⊥ → ⊥.
· d.h. ' ¬2⊥.
· Angenommen ' kons,
:LQWHUORJLNIRO
Beweis.
4.Löbs Satz
:LQWHUORJLNIRO
Beweis.
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
(6)
(7)
(8)
(9)
(10)
(11)
(12)
(13)
28
2A → A
Annahme
(2 → A) ↔ Fixpunkt
→ (2 → A) 2 Aussagenlogik
2 → 2A
3 RL (Lemma 1)
2 → A
1,4 Aussagenlogik
2,5 MP
2
6 RN
A
5,7 MP
Korollar 4. (Gödels Zweiter Unvollständigkeitssatz für ALSe) Wenn ein ALS konsistent ist, dann ' kons.
4.Gödels Unvollständigkeitssätze
:LQWHUORJLNIRO
Beweis.
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
(6)
(7)
(8)
Löbs Satz. In jedem ALS gilt: Wenn ' 2A → A, dann ' A.
• Ein ABS ist gd ein abstraktes Löbsches System (ALS), wenn es darin für jede
Formel A einen Fixpunkt für 2(...) → A gibt (Löb-Eigenschaft).
• Ein Satz ist gd ein Fixpunkt für 2(...) → A, wenn ' ↔ (2 → A).
Definition 3.
Ein anderer Weg zu Gödels Zweitem Unvollständigkeitssatz.
4. Löbs Satz
4.Löbs Satz
Gödels Zweiter Unvollständigkeitssatz. Wenn S ein konsistentes (' ⊥) AGS
(mit Fixpunkt g) ist, dann ist die Konsistenz von S in S nicht beweisbar (' kons).
26
Zeile (5) widerspricht wieder unserer Annahme. Also auch ' ¬g in S.
Ad 2 : Stabilität ⇒ ' ¬g.
(1) ¬g
(2) ¬g → ¬¬2g
(3) 2g
(4) g
(5) ⊥
Zeile (5) widerspricht unserer Annahme, daß S konsistent sei. Also ' g in S.
Ad 1 : '
g.
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
Beweis.
3.Gödels Unvollständigkeitssätze
31
:LQWHUORJLNIRO
• Nehmen Sie philosophische Thesen wörtlich und prüfen Sie sie pedantisch!
(Stellen Sie sich das Gegenteil vor: Thesen nicht so wörtlich nehmen und großzügig
durchwinken ... )
• Tatsächlich gibt es einfache Modelle der PA (z.B. die Zahlenreihe). Also ist PA
konsistent. (Aber Modellbetrachtungen sind halt ein anderes Beweismittel als die
Ableitbarkeit in PA.)
33
:LQWHUORJLNIRO
• Sie haben ein gutes Gespür dafür, wann Sie etwas verstanden haben. Folgen Sie
diesem Gespür! Lassen Sie sich nicht täuschen und täuschen Sie sich vor allem
nicht selbst!
• Gehen Sie den Dingen auf den Grund und sagen Sie die Wahrheit und nichts als die
Wahrheit!
• Halten Sie sich fern von ungenauen Fragestellungen und halbwahren Antworten!
(Offenbar meinte Gödel, daß es in der Philosophie in dieser Hinsicht noch bedeutende Fortschrittsmöglichkeiten gebe.)
Auch in der Philosophie sollten wir uns nicht damit zufrieden geben, es weniger genau
zu wissen, als wir es könnten.
• Wahr ist ferner: Wenn axiomatisierte Mathematik widerspruchsfrei und genügend
ausdrucksstark ist (um Aussagen über Beweisbarkeit in dem System auszudrücken),
dann läßt sich darin kein Satz ableiten, der die Widerspruchsfreiheit des Systems
ausdrückt. (Zweiter Satz.)
• Wahr ist: Wenn axiomatisierte Mathematik vollständig ist, dann kann sie nicht
widerspruchsfrei sein. (Erster Satz.)
Nichts davon ist wahr! Beides ist allenfalls “ein wenig” wahr:
(2) “daß es unmöglich ist, sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf der Inkonsistenz
zu ziehen.”
In der Mathematik haben wir seit den Babyloniern Fortschritte gemacht, weil wir es
genauer wissen wollten und, wie sich zeigte, genauer wissen konnten.
4.Löbs Satz
:LQWHUORJLNIRO
(1) “daß es eine gänzlich widerspruchsfreie Mathematik nicht geben kann”, und
32
Jetzt wissen wir, was Gödel gemeint haben könnte:
4.Löbs Satz
:LQWHUORJLNIRO
“Die Philosophie ist heute
bestenfalls dort wo die
Mathematik bei den
Babyloniern war.”
4.Löbs Satz
Zurück zum Gerücht: Gödel habe 1931 bewiesen,
30
• Prominentestes Beispiel: elementare Arithmetik (Peano-Arithmetik), und natürlich alles, was darauf aufbaut!
Beobachtung 6. (Gödel) Jedes “genügend” ausdrucksstarken formale System ist ein
ALS (und damit auch ein AGS). Es fällt damit in den Bereich der Gödelschen Sätze.
4.Löbs Satz
:LQWHUORJLNIRO
Die Logik logischer Notwendigkeit
Die Logik logischer Notwendigkeit
15modallogik 150215.1730
André Fuhrmann
Erste Schritte in der
Modallogik
Logik im Winter 2014-15
2
:LQWHUORJLNIRO
• Theoreme bzw. gültige Sätze dieser Theorie sind dann logische Wahrheiten
über den Begriff logischer Wahrheit.
• Damit machen wir den Begriff der logischen Wahrheit selber zum Gegenstand einer
logischen Theorie.
Etwas ähnliches und eigentlich sehr naheliegendes wollen wir jetzt mit der klassischen
Aussagenlogik anstellen. Wir wollen die klassische Theorie logischer Wahrheit (zum
Beispiel im System K dargestellt) um Sätze erweitern, die selbst sagen, daß etwas eine
logische Wahrheit ist.
Der Gödelsche Beweis beruhte wesentlich auf der Möglichkeit, daß wir in
der Peanoschen Arithmetik (PA) Sätze identifizieren, die Aussagen über PA
repräsentieren: Aussagen darüber, was in PA beweisbar ist und was nicht.
Goethe-Universität
Frankfurt am Main
Institut für Philosophie
Wahrheit unter allen Bewertungen
Die Logik logischer Notwendigkeit
:LQWHUORJLNIRO
4
(2) v |= 2A gdw für alle v : v |= A.
:LQWHUORJLNIRO
Wann ist A logisch notwendig? Siehe oben: Wenn A unter allen Bewertungen A wahr
ist:
Jetzt wollen wir einen weiteren einstelligen Junktor einführen so, daß 2A bedeuten
soll: A ist logisch notwendig.
... Usw. für alle weiteren Wahrheitsfunktionen, die wir natürlich auch einfach
aus ¬ und → definieren können.
(→) v |= A → B gdw entweder v |= A oder v |= B
(¬) v |= ¬A gdw v |= A
(P ) v |= P gdw v(P ) = 1
Aus einer Bewertung v und den Wahrheitstafeln für die klassischen Junktoren ergibt
sich auf bekannte Weise eine Wahrmacherrelation, |=, zwischen der Bewertung v
und beliebigen Formeln (für v |= A lesen wir: “v macht A wahr”):
3
Diese einfache Idee werden wir gleich systematisch ausbuchstabieren.
· Also können wir auch sagen: Ein Satz A ist gd logisch wahr, wenn er unter allen
Bewertungen wahr ist.
· Die Modelle der klassischen Aussagenlogik unterscheiden sich einzig dadurch, wie
sie die atomaren Formeln bewerten, d.h. die Wahrheitswerte 0 und 1 über die
Atome verteilen. (Den Rest bestimmen die Wahrheitstafeln.)
· Ein Satz A ist gd logisch wahr (logisch notwendig, wie wir auch sagen werden),
wenn A in allen Modellen wahr ist.
Wir haben gesagt:
Die Logik logischer Notwendigkeit
Punkte
Die Logik logischer Notwendigkeit
:LQWHUORJLNIRO
v : ATM × W −→ {0, 1}.
6
(2) a |= 2A gdw für alle b ∈ W : b |= A
(→) a |= A → B gdw entweder a |= A oder a |= B
(¬) a |= ¬A gdw a |= A
(P ) a |= P gdw v(P, a) = 1
:LQWHUORJLNIRO
◦ In der Angabe der Wahrheitsbedingungen lassen wir jetzt einfach die Punkte (Indizes) für die korrespondierenden Bewertungen stehen. Also einfach a statt va . Das
sieht dann so aus:
Als Variablen für die Indizes benutzen wir a, b, c, .... Diese Indizes nennen wir fortan auch einfach Punkte.
(W, v)
◦ Statt die potentielle Unendlichkeit von Bewertungen mit “...” anzudeuten, indizieren wir sie mit einer Indexmenge W . Oder, was auf das gleiche hinausläuft:
Wir arbeiten mit einer Funktion v, die sich einen Index aus W greift und, so relativiert, Atome bewertet:
Eine bessere Art das aufzuschreiben, geht so:
5
({0, 1}, v, v , v , ...).
Die neuen Modelle, in denen wir die Sprache unserer Logik der logischen Notwendigkeit interpretieren können, sähen dann also so aus:
({0, 1}, v).
quantifizieren wir also über einen Bereich von Bewertungen, wie sie die klassischen
Modelle charakterisieren. Diese Modelle sahen so aus:
(2) v |= 2A gdw für alle v : v |= A.
In der Wahrheitsbedingung
Die Logik logischer Notwendigkeit
8
:LQWHUORJLNIRO
Was will uns 3A sagen? Daß das Gegenteil von A, nämlich nicht-A, nicht
notwendig ist—d.h., daß A möglich ist. (Und was will uns dann ¬3¬A sagen?)
3A.
:LQWHUORJLNIRO
Die Logik logischer Notwendigkeit
• Möglichkeit:
Künftig wollen wir Formeln der Form ¬2¬A auch so aufschreiben:
7
• Gültigkeit:
Ein Satz ist gültig, wenn er in allen Modellen wahr ist.
NB. Wahrheit in einem (bestimmten) Modell ist noch kein zuverlässiger Indikator
logischer Gültigkeit. Zwar gehen Modelle (in der Regel) über die Betrachtung bloß
einer Bewertung hinaus (i.S.v.: sie enthalten mehr als nur einen Punkt). Aber nichts
garantiert, daß die Menge W in einem bestimmten Modell alle möglichen Bewertungen repräsentiert. Deshalb:
• Wahrheit im Modell:
Ein Satz ist wahr in einem solchen Modell (W, v), wenn ihn alle Punkte in W wahr
machen.
Die Logik logischer Notwendigkeit
A ∨ B ↔ A ∨ B
A → B ↔ A → B
etc.
A → 23A
A
2A
A A→B
B
5
:LQWHUORJLNIRO
RN
2A → 22A
2(A → B) → (2A → 2B)
4
K
:LQWHUORJLNIRO
12
0
0
2P
2A → A
Jede Tautologie
10
1
1
2(P → P )
T
τ
Daß, was wir über logische Notwendigkeit wissen, wollen wir einmal als ein axiomatisches System aufschreiben:
NB Anstelle des Schemas τ könnten wir hier zB die Axiomenschemata A1–3 des Systems K einsetzen. Denn A1-3 + MP erzeugt ja genau τ .
1
1
P →P
2A
?
?
Das System S5
Das System S5
:LQWHUORJLNIRO
MP
0
1
P
¬A
1
0
11
• Tatsächlich hängt der Wert von 2A von den Werten von A in allen relevanten Bewertungen ab. (Die relevanten Bewertungen sind in der Tafel in zwei Zeilen zusammengefaßt.) 2 ist kein extensionaler sondern ein intensionaler Junktor.
v1 :
v2 :
A
0
1
Die Logik logischer Notwendigkeit
:LQWHUORJLNIRO
· Was wahr ist, muß (2) möglich (3) sein: A → 23A.
· Wenn etwas logisch notwendig ist, dann ist diese Tatsache selbst logisch
notwendig: 2A → 22A
· Logische Notwendigkeit ist unter Modus Ponens abgeschlossen:
2(A → B) → (2A → 2B).
· Logische Notwendigkeit impliziert Wahrheit: 2A → A.
• Weitere gültige Sätze:
• Wenn A gültig ist, dann ist auch die Aussage, daß A logisch notwendig ist, 2A,
gültig.
• Gültigkeit ist unter Modus Ponens abgeschlossen: Wenn sowohl A als auch A → B
gültig sind, dann ist B gültig.
• In der um 2 erweiterten Sprache bleiben alle wahrheitsfunktional gültigen Sätze
weiterhin gültig.
Was wir über logische Notwendigkeit wissen
Was wir über logische Notwendigkeit wissen
• Obwohl P und P → P in v2 denselben Wert haben, bekommen 2(P → P ) und 2P
in derselben Zeile unterschiedliche Werte. Das bedeutet: Der Wert einer Formel
2A in einer Zeile kann nicht allein vom Wert von A in dieser Zeile abhängig sein—
2 ist keine Wahrheitsfunktion!
Man betrachte die Tafel
v1 :
v2 :
Ist nun 2 eine weitere Wahrheitsfunktion wie ¬?
9
• Der Wert von ¬A in einer Zeile (Bewertung) hängt allein vom Wert von A in
dieser Zeile ab. Wenn A und A , denselben Wert haben, dann müssen also auch
¬A und ¬A denselben Wert haben.
Was Wahrheitsfunktionalität bedeutet, macht (am Beispiel der Negation) die folgende Tafel deutlich:
A A ¬A ¬A
v1 : 0 0
1
1
0
0
v2 : 1 1
¬A ↔ ¬A
Das lag daran, daß die Kontexte durch Zusammensetzung mittels wahrheitsfunktionaler (extensionaler) Junktoren entstanden. Wenn zB A ↔ A , dann
— material äquivalente Formeln konnten in allen Kontexten C gegeneinander ausgetauscht werden.
A ↔ B → (C[A] ↔ C[B])
In der bisher betracheten AL galt
Intensionalität
Die Logik logischer Notwendigkeit
Das System S5
:LQWHUORJLNIRO
[Die beste aller möglichen Welten]
Relationale Modelle und das modale System K
16
14
:LQWHUORJLNIRO
• Da Gott per definitionem ein wohlwollendes Wesen ist, kann Gott nur die für uns
beste aller möglichen Welten als die aktuale Welt ausgezeichnet haben.
• Also muß Gott sie aufgrund eines Vergleichs ausgewählt haben. Der einzige Vergleich der hier in Frage kommt, fragt danach, ob eine Welt für uns besser oder
schlechter ist.
• Gott tut nichts ohne hinreichenden Grund. Wir können also ausschließen, daß die
aktuale Welt auf zufällige Weise (per Los) bestimmt wurde.
Dazu Voltaire: Candide oder die beste aller Welten (1759)
:LQWHUORJLNIRO
:LQWHUORJLNIRO
Leibniz stellte sich die Frage, welche der vielen möglichen Welten, die aktuale Welt
ist, d.h. die, in der wir leben. Das kann nur diejenige sein, die Gott für uns bestimmt
hat.
15
• Eine mögliche Verteilung von Wahrheitswerten über die Atome, beschreibt daher
eine Art und Weise, wie die Welte sein könnte—eine mögliche Welt.
• Die Atome stehen gewissermaßen für die elementaren Sachverhalte, die bestimmen,
wie es sich in der Welt verhält.
Die Punkte in einer Modellmenge W stellen mögliche Verteilungen von
Wahrheitswerten über die Atome dar.
Relationale Modelle und das modale System K
Relationale Modelle und das modale System K
Auf dem Weg zu diesem Resultat wollen wir zunächst Modelle betrachten, die in der
Lage sind, auch andere Begriffe von Notwendigkeit wiederzugeben.
Satz (Vollständigkeit). Das System S5 ist vollständig für die oben beschriebenen
Modelle (W,v): Wenn |= A in allen Modellen, dann ' A in S5.
Tatsächlich verhält es sich genau so. D.h. wir werden folgenden Satz beweisen:
Wenn das so ist, dann axiomatisiert S5 genau die Logik logischer Notwendigkeit—
jedenfalls in dem Sinne, in dem wir diesen Begriff in den Modellen der Art (W, v)
eingefangen haben.
• Ist jede gültige Formel ein Theorem von S5?
Wir wissen nun, daß jede in S5 ableitbare Formel gültig ist. Wie steht es um die
umgekehrte Behauptung:
Ad RN: Wir nehmen an, in einem beliebigen Modell sei A an allen Punkten wahr. In
diesem Fall ist nach (2) auch die Formel 2A an jedem beliebigen Punkt wahr—was
zu zeigen war.
13
Ad K: Zz (zu zeigen): An beliebigem Punkt a, a |= 2(A → B) → (2A → 2B);
d.h. wenn a |= 2(A → B), dann a |= 2A → 2B,
d.h. wenn a |= 2(A → B), dann (wenn a |= 2A, dann a |= 2B).
1
(1) a |= 2(A → B)
Annahme
Annahme /zz a |= 2B
2
(2) a |= 2A
1
(3) ∀x : x |= A → B
1 (2)
1
(4) ∀x : wenn x |= A, dann x |= B 3 (→)
2
(5) ∀y : y |= A
2 (2)
1,2 (6) ∀y : y |= B
4,5
1,2 (7) a |= 2B
6 (2)
Beweis. Induktion über die Länge einer Ableitung in S5. Dazu müssen wir zeigen,
daß alle Axiome gültig sind (Induktionsbasis) und daß die zwei Regeln MP und RN
die Eigenschaft der Gültigkeit von den Prämissen an die Konklusion weitergibt (Induktionsschritt). Wir zeigen hier die Argumente für das Axiom K und die Regel RN.
Satz (Korrektheit). Das System S5 ist korrekt für die oben beschriebenen Modelle
(W,v): Wenn ' A in S5, dann |= A in allen Modellen.
Ableitung in S5 und Theorem von S5 definieren wir wie üblich.
Das System S5
a
f
d
c
deontische
Relationale Modelle und das modale System K
:LQWHUORJLNIRO
:LQWHUORJLNIRO
20
18
:LQWHUORJLNIRO
• Eine Welt, in der der Stoff, den wir in h Wasser nennen, etwas anderes als H2 O ist,
ist metaphyisch unmöglich (unerreichbar). (Das Wäre eine Welt, in der H2 O
nicht H2 O ist.)
◦ Wenn Heinz dasselbe in h tut, dann hat er unrecht. Denn das, (worauf er zeigt) ist
XY Z und sicher ist XY Z nicht dasselbe wie H2 O.
◦ Wenn Heinz das in h tut, dann hat er recht und drückt sogar eine metaphysisch
notwendige Wahrheit aus. Denn alles ist, was es ist. Und das (worauf Heinz in h
zeigt) ist nun mal H2 O.
· Heinz zeigt auf ein Glas Wasser und sagt: “Das ist H2 O”.
In unserer Welt h ist Wasser nichts anderes als H2 O. Denkbar ist jedoch eine andere
Welt, h , in der es einen Stoff gibt, der genauso aussieht und schmeckt wie Wasser
und auch sonst alle Eigenschaften hat, die wir an Wasser schätzen. Aber in h hat
Wasser eine ganz andere chemische Struktur, XY Z.
Beispiel 3
Relationale Modelle und das modale System K
:LQWHUORJLNIRO
Deontisch: So, wie es sein soll. Manchmal als gegensatz zu alethisch: So, wie es ist.
19
1
• Die Möglichkeit, eine rote Ampel zu überfahren ist bei uns rechtlich nicht vorgesehen. Eine solche Möglichkeit ist deontisch nicht erreichbar (von h).1
In der Welt in der wir leben ist in Deutschland nach der geltenden Gesetzeslage—
nennen wir diese juristisch fixierte Welt h—so einiges erlaubt. Aber nicht erlaubt ist
es, als Fahrer eine rote Ampel zu ignorieren. Relativ zu h ist es rechtlich notwendig
(“geboten”), an einer roten Ampel zu halten.
Beispiel 2
Relationale Modelle und das modale System K
• Was logisch durchaus möglich ist—nämlich daß sich etwas schneller als mit 300.000
km/Sek bewegt—ist in diesem (physikalischen) Sinne unmöglich.
• Welten, in denen die Naturgesetze und fundamentalen Parameter für h nicht gelten, sind von h aus physikalisch nicht erreichbar.
Das Licht der Laterne am Abend könnte meine Netzhaut schneller erreichen, wenn
die Luft weniger feucht wäre—was physikalisch möglich ist. Aber sie kann mich allenfalls mit 300.000 km/Sek. erreichen: Das ist relativ zu h physikalisch notwendig.
· die Lichtgeschwindigkeit beträgt etwa 300 000 km pro Sekunde (im Vakuum).
· kann sich nichts schneller als das Licht bewegen und
In der Welt in der wir leben—nennen wir sie h (für “hier”)—
Beispiel 1
Ausgehend von einer Möglichkeit a sind manche alternativen Möglichkeiten in einem
bestimmten Sinne ausgeschlossen (“unerreichbar”).
17
Eine zunächst recht “barock” anmutende Vorstellung. Dahinter steckt jedoch eine
sehr plausible Idee ...
physische
Wenn a unsere Welt ist, dann können
wir in diesem Bild nur b und d unmittelbar
ersehen.jpg
reichen, vielleicht mittelbar noch c. Wäre e unsere Welt, sähen wir f ; a − d wäre für
uns unerreichbar.
b
e
Leibniz war ferner der Auffassung, daß nur Gott den gesamten Raum möglicher Welten überblicken kann. Wir Menschen haben nur Zugang zu einem Teilbereich dieser
Möglichkeiten. D.h., das was für uns möglich ist, wird dadurch beschränkt, welche
Möglichkeiten wir überhaupt “erreichen” (“sehen”, erfassen) können.
Die Erreichbarkeit möglicher Welten
Relationale Modelle und das modale System K
22
zugang.jpg
3: symmetrisch 4: refl.&trans.&sym.
:LQWHUORJLNIRO
· Ein Punkt a macht 2A gd wahr, wenn alle Punkte, die relativ zu a möglich
(“zugänglich”) sind, A wahr machen.
Die allgemeinere Wahrheitsbedingung für Notwendigkeitsbehauptungen muß daher so
aussehen:
24
(2) a |= 2A gdw ∀b ∈ W : wenn Rab dann b |= A.
(→) a |= A → B gdw entweder a |= A oder a |= B
(¬) a |= ¬A gdw a |= A
(P ) a |= P gdw v(P, a) = 1
|=: W × FML (Erfüllungsrelation) so, daß (∀a ∈ W )
(Bewertungsfunktion)
(Zugangsrelation)
v : ATM × W −→ {0, 1}
R⊆W ×W
physische
logische
(W, R, v)
:LQWHUORJLNIRO
:LQWHUORJLNIRO
Relationale Modelle und das modale System K
Relationale (“Kripke”-) Modelle
(Punkte, “mögliche Welten”)
W = ∅
Max
metaphysische
Zusammenfassung:
23
(Der allgemeinste Notwendigkeitsbegriff ist natürlich der, bei dem wir über die Relation R keinerlei Annahmen machen.)
Frage: Was ist nun die Logik des allgemeinsten Notwendigkeitsbegriffs?
• Eine Formal A ist gd gültig, wenn jeder Punkt in einem beliebigen Modell A wahr
macht; also
|= A gdw (für alle (W, R, v)) ∀a ∈ W : a |= A
Alles andere bleibt wie gehabt. Insbesondere wollen wir weiterhin sagen:
(W, R, v)
Unsere Modelle sehen jetzt also so aus:
deontische
Möglichkeiten
Relationale Modelle und das modale System K
:LQWHUORJLNIRO
Notwendigkeit ist oft relativ zu bestimmten
Möglichkeiten, die wir als Ausgangsmoeglich.jpg
punkte jeweils fixieren.
2: transitiv
d
c
21
• Welten, in denen etwas der Fall ist, was Max in h ausschließen kann, blendet er
aus: sie verschwinden hinter seinem Wissenshorizont. Solche Welten sind für ihn
in h epistemisch nicht erreichbar.
• Je mehr Max weiß, um so mehr Möglichkeiten kann er ausschließen. Maxens Wissen kann somit dargestellt werden als die Menge der Möglichkeiten, die er nicht
ausschließen kann. (Sein Wissen ist in jeder Hinsicht vollständig und richtig, wenn
h als einzige Möglichkeit übrig bleibt.)
(2) a |= 2A gdw ∀b: wenn Rab, dann b |= A.
Wenn Max weiß, daß Ulla in Berlin ist, dann schließt er alle Möglichkeiten aus, daß
sie an einem anderen Ort als Berlin ist. Wenn Max darüberhinaus weiß, daß Thomas
an ihrer Seite ist, dann schließt er weitere Möglichkeiten aus.
Relationale Modelle und das modale System K
Das neue Element ist hier eine Relation R zwischen Punkten der Modellmenge W
(also R ⊆ W × W ). Intuitiv fordert Rab, daß die Möglichkeit b, von a aus gesehen,
besteht (“erreichbar” ist, in dem jeweils relevanten Sinne).
Das können wir kürzer auch so aufschreiben:
Beispiel 4
Relationale Modelle und das modale System K
Relationale Modelle und das modale System K
:LQWHUORJLNIRO
26
Ad K: Zz:
d.h. wenn
d.h. wenn
d.h. wenn
1
2
3
1
1
2
2,3
1,2,3
:LQWHUORJLNIRO
An beliebigem Punkt a, a |= 2(A → B) → (2A → 2B);
a |= 2(A → B), dann a |= 2A → 2B,
a |= 2(A → B) und a |= 2A, dann a |= 2B,
a |= 2(A → B) und a |= 2A und Rab (b beliebig), dann b |= B.
(1) a |= 2(A → B)
Annahme
(2) a |= 2A
Annahme
(3) Rab
Annahme/zz b |= B
(4) ∀x : Rax ⇒ x |= A → B
1 (2)
(5) ∀x : Rax & x |= A ⇒ x |= B 4 (→)
(6) ∀y : Ray ⇒ y |= A
2 (2)
(7) b |= A
3,6
(8) b |= B
3,5,7
Beweis. (Vergleichen Sie den Beweis mit dem der Korrektheit von S5.) Induktion
über die Länge einer Ableitung in K. Wir zeigen hier die einzig interessanten Fälle.
Satz (Korrektheit). Das System K ist korrekt für die oben beschriebenen Modelle
(W,R,v): Wenn ' A in K, dann |= A in allen Modellen.
25
Achtung! Wir nennen dieses modale System K, weil das in der Literatur so üblich
ist. Dieses System ist eine Erweiterung der klassischen Aussagenlogik—die wir in
früheren Vorlesungen (unglücklicherweise) ebenfalls unter dem Namen K kennengelernt haben.
MP
A
2A
A A→B
B
2(A → B) → (2A → 2B)
K
RN
Jede Tautologie
τ
Die zuletzt gestellte Frage läuft darauf hinaus, ein System von Axiomen zu finden,
welches Modelle der Art (W, R, v) korrekt und vollständig beschreibt.—Antwort:
Die kleinste normale modale Logik K
Relationale Modelle und das modale System K
X ⊆ FML ist maxkon gdw
:LQWHUORJLNIRO
Relationale Modelle und das modale System K
28
:LQWHUORJLNIRO
Den Beweis haben wir in Vorlesung 13 (Vollständigkeit der Aussagenlogik) gegeben.
Der Beweis benutzt nur elementare Eigenschaften jeder Ableitbarkeitsrelation ' und
gilt deshalb auch für K. Das gleiche gilt für das folgende
Lemma (Lindenbaum) 1. Jede konsistente Formelmenge X läßt sich zu einer
maxkon Menge X ∗ erweitern.
Achtung! Die Begriffe der Maximalität und Konsistenz sind in diesem Kapitel
natürlich alle relativ zur Ableitbarkeit (') in K zu verstehen.
2. ∀A : wenn A ∈
/ X, dann X, A ' ⊥ (Maximalität).
1. X ' ⊥ (Konsistenz), und
Definition.
27
· Die Punkte in einem kanonischen Modell sind Formelmengen. Genauer: Es sind
Formelmengen, die im Sinne von K maximal konsistent (maxkon) sind.
· Tatsächlich werden wir zeigen, daß es ein Modell gibt (das kanonische Modell für
K), welches für jedes Nichttheorem einen falsifizierenden Punkt bereithält.
Wir müssen zeigen, daß es für jedes Nichttheorem A ein A-falsifizierendes Modell
gibt.
Satz (Vollständigkeit). Das System K ist vollständig für die oben beschriebenen
Modelle (W,v): Wenn |= A in allen Modellen, dann ' A in K.
Die Vollständigkeit von K
Sollten wir K um weitere Axiome oder Regeln erweitern wollen, so ergänzen wir
entsprechend den Beweis des obigen Satzes.
Ad RN: Wir nehmen an, in einem beliebigen Modell sei A an allen Punkten wahr. Ist
2A an einem beliebigen Punkt a wahr? Ja, denn da A überall wahr ist, ist A auch an
jedem von a aus zugänglichen Punkt wahr.
Relationale Modelle und das modale System K
2
usw., und
30
:LQWHUORJLNIRO
Beweis. Auch dieses Lemma kennen wir schon aus dem Vollständigkeitsargumente
für die klassische Aussagenlogik (Vorlesung 13). Es bleibt hier nur die Bedingung 4
zu beweisen.
Bemerkung: Die Relation X 2 ⊆ Y zwischen Formelmengen X und Y spielt die Rolle
der Relation R zwischen Punkten in einem Modell, wie wir gleich sehen werden.
4. 2A ∈ X gdw für alle Y : X 2 ⊆ Y ⇒ A ∈ Y .
3. A → B ∈ X gdw A ∈
/ X oder B ∈ X.
2. ¬A ∈ X gdw A ∈
/ X;
1. A ∈ X gdw X ' A;
Lemma 3. Es seien X und Y maxkon Formelmengen. Dann gilt für alle Formeln A
und B:
D.h., wenn 2A ∈ X, dann A ∈ X , wenn 22A ∈ X, dann 2A ∈ X
umgekehrt.
2
:LQWHUORJLNIRO
Relationale Modelle und das modale System K
X 2 := {C : 2C ∈ X}.
Die “Denezessitation” einer Formelmenge:
29
2. Der Schnitt aller maxkon Mengen ist die Menge der ableitbaren Formeln: Für
alle A ∈ FML,
A ∈ {X : X ist maxkon} ⇔ ' A
Wenn (∀ maxkon Y : X ⊆ Y ⇒ A ∈ Y ), dann X ' A
1. Wenn eine Formel A in jeder maxkon Erweiterung Y einer Menge ist, dann ist
diese Formel aus der Menge ableitbar:
Korollar 2.
Relationale Modelle und das modale System K
32
:LQWHUORJLNIRO
(Obwohl die Punkte eines kanonischen Modells Formelmengen sind, bezeichnen wir
diese jetzt schon suggestiv und auf das nächste Lemma vorgreifend mit a, b, c, ... statt
mit X, Y, Z, ... .)
v K (P, a) = 1 gdw P ∈ a (∀P ∈ ATM).
RK ab gdw {A : 2A ∈ a} ⊆ b;
W K = {X ⊆ FML : X ist maxkon};
:LQWHUORJLNIRO
Relationale Modelle und das modale System K
(W K , RK , v K )
Definition. Kanonisches Modell für K:
31
Nach Lemma 1 können wir X zu einer maxkon Menge X ∗ erweitern. Da ¬A ∈ X ⊆
/ X ∗ (Behauptung 2 des Lemmas). Da aber X 2 ⊆ X ⊆ X ∗ ist X ∗
X ∗ , haben wir A ∈
eine maxkon Erweiterung von X 2 , die A nicht enthält—entgegen unserer Voraussetzung (1). Also folgt aus (1), daß 2A ∈ X, q.e.d.
X ist konsistent. Denn anderenfalls gäbe es A1 , ..., An ∈ X 2 so, daß ' A1 ∧
· · · ∧ An → A. Daraus würde nach RK folgen ' 2A1 ∧ · · · ∧ 2An → 2A.
Und da 2A1 , ..., 2An ∈ X, hätten wir 2A ∈ X (Behauptung 1 des Lemmas).
Angesichts (3) wäre damit X entgegen unserer Voraussetzung inkonsistent.
Es sei nun X = X 2 ∪ {¬A}.
(3) ¬2A ∈ X.
Aus (2) folgt (da X maximal ist)
(2) 2A ∈
/ X für reductio!
(1) A ∈ Y für alle maxkon Y ⊇ X 2 und
Für die Richtung von rechts nach links nehmen wir an:
Von links nach rechts gilt die Bedingung ohne weiteres.
2A ∈ X gdw für alle Y : X 2 ⊆ Y ⇒ A ∈ Y
Relationale Modelle und das modale System K
2. R
⊆W
K
×W
(so, daß ...)
Relationale Modelle und das modale System K
:LQWHUORJLNIRO
34
Fall A = 2B.
/...
Fall A = B → C. Siehe Lemma 3.
Fall A = ¬B. Siehe Lemma 3.
Basis A = P . Nach Definition: P ∈ a gdw V (P, a) = 1 gdw a |= P .
Beweis. Induktion über den Aufbau einer Formel A.
Dann ist die Relation |= eine Erfüllungsrelation.
:LQWHUORJLNIRO
Lemma 5. Sei (W, R, v) das kanonische Modell für K. Es sei eine Relation |= ⊆ W ×
FML so definiert:
a |= A gdw A ∈ a,
33
Punkt 3 gilt trivial per definitionem.
Für Erweiterungen von K müssen wir an dieser Stelle Eigenschaften wie Reflexivität, Transitivität, Symmetrie o.ä. verifizieren. Das werden wir später
vorführen. Dabei korrespondieren Axiome bzw. Regeln mit Eigenschaften von
R.
Unter 2 müssen wir zeigen, daß die Relation von der richtigen Art ist. Im Falle von
K genügt die triviale Feststellung, daß RK eine Teilmenge von W K × W K ist.
Unter 1 müssen wir zeigen, daß es maxkon Mengen gibt (Lindenbaums Lemma).
3. v K : ATM × W K −→ {0, 1}.
K
K
Normale Modallogiken
Erweiterungen von K
Erweiterungen von K
:LQWHUORJLNIRO
36
:LQWHUORJLNIRO
Diese Betrachtung lädt zu der Überlegung ein, ob die Relation R nicht einige ganz
allgemeine Eigenschaften haben sollte. Zum Beispiel ...
• Anders ausgedrückt: Wenn Rab, dann stellt b aus der Perspektive von a eine
Möglichkeit dar, und umgekehrt. Deshalb gilt: Wenn 2A in a behauptet wird,
dann darf A in b nicht falsch sein, d.h. A muß in b wahr sein.
• Wenn Rab, dann ist alles was am Punkt a notwendig ist, am Punkt b wahr, und
umgekehrt.
Die kanonische Bedeutung der Zugangsrelation R ist diese:
35
Beweis. Angenommen ' A. Dann ist K ∪ {¬A} eine konsistente Menge, die sich zu
einer maxkon Menge a erweitern läßt. Diese Menge a ist ein Punkt im kanonischen
Modell M K mit a |= A. Also gibt es ein Modell, das A nicht erfüllt. d.h. |= A.
Satz (Vollständigkeit). Wenn |= A, dann ' A in K.
(⇐): Angenommen (Rechts), d.h. 2B ∈ a, sowie Rax. Nach der Def. von Rax folgt
aus 2B ∈ a, daß B ∈ x, wie gewünscht.
Aber das ist (Rechts) von Lemma 3.4! Also 2B ∈ a, wie gewünscht.
({C : 2C ∈ a} ⊆ x) ⇒ B ∈ x.
(⇒): Angenommen (Links) Dann (für alle x)
Fall A = 2B. Einziger hier interessanter Fall. Zz: a |= 2B ⇔ 2B ∈ a;
d.h. [∀x : Rax ⇒ x |= B] ⇔ [2B ∈ a];
d.h. (nach der Ind.annahme) [∀x : Rax ⇒ B ∈ x] ⇔ [2B ∈ a];
Beweis. Wir müssen zeigen, daß die Eigenschaften aus der Definition eines Modells
erfüllt sind:
1. W K = ∅.
... /
Relationale Modelle und das modale System K
Lemma 4. Das kanonische Modell M K ist ein Modell im hier zu betrachtenden Sinne.
Relationale Modelle und das modale System K
Erweiterungen von K
:LQWHUORJLNIRO
38
:LQWHUORJLNIRO
Beweis. Wir gehen zurück zu den Beweisen der Korrektheit von K und dem Lemma
4 über kanonische Modelle für K. Diese Beweise erweitern wir nun wie dort in blauer
Schrift angedeutet. Wir führen das hier nur für die Korrespondenz zwischen 2A →
22A und der Transitivität vor.
3. In M ist R gd symmetrisch, wenn M |= A → 23A.
2. In M ist R gd transitiv, wenn M |= 2A → 22A.
1. In M ist R gd reflexiv, wenn M |= 2A → A in M .
Satz 6. (Korrespondenz) Sei M ein Modell der Art (W, R, v).
◦ Und umgekehrt gilt: Wenn wir zu K weitere Axiome (oder Regeln) hinzunehmen
(K + [...]), dann werden die Theoreme dieser Erweiterung von K in Modellen der
Form (W, R, v) nur dann wahr, wenn wir weitere Annahmen über R machen. Zum
Beispiel so:
◦ Durch weitere Annahmen über R werden die Modelle spezifischer (enthalten mehr
Information) und machen nun weitere 2-Formeln wahr.
37
In jedem Fall schränken wir aber durch solchen Eigenschaften die Klasse der betrachteten Modelle ein: Statt Modellen mit beliebiger Relation R betrachten wir dann
nur noch solche mit reflexiver, transitiver, symmetrischer oder universaler Zugangsrelation.
Ob wir die eine oder andere Eigenschaft von R für richtig halten, hängt offenbar von
der Art der Notwendigkeit bzw. Möglichkeit ab, die wir im Auge haben.
• Universalität: Jede Möglichkeit zählt. Keine Möglichkeit sollte von keinem
Standpunkt betrachtet, ausgeschlossen werden.
• Symmetrie: Wenn Rab, dann Rba. Wenn b eine Möglichkeit für a ist, dann auch
umgekehrt a für b. Oder
• Transitivität: Wenn Rab und Rbc, dann Rac. Denn wenn die Möglichkeit b von a
aus betrachtet nicht ausgeschlossen werden kann und ebenso c eine Möglichkeit für
b darstellt, dann sollte auch c von a aus betrachtet möglich sein. Oder
• Reflexivität: Raa. Denn a selbst sollte aus der Perspektive von a möglich sein.
Oder
Erweiterungen von K
Erweiterungen von K
:LQWHUORJLNIRO
40
:LQWHUORJLNIRO
wobei a und b hier maxkon Mengen im Sinne von K+[2A → 22A] sind; d.h. insbesondere, daß sie alle Formeln der Form 2A → 22A enthalten (Annahme* unten).
Wir zeigen, daß R4 transitiv ist.
1
(1) R4 ab
Annahme
Annahme /zz R4 ac
2
(2) R4 bc
3
(3) 2A ∈ a
Annahme /zz A ∈ c
1
(4) 22A ∈ a ⇒ 2A ∈ b 1 Def R4
2
(5) 2A ∈ b ⇒ A ∈ c
2 Def R4
1,2
(6) 22A ∈ a ⇒ A ∈ c
4,5
7
(7) 2A → 22A ∈ a
Annahme*
3,7
(8) 22A ∈ a
3,7
1,2,3,7 (9) A ∈ c
6,8
R4 ab gdw {A : 2A ∈ a} ⊆ b,
Die kanonische Relation nennen wir jetzt R4 und definieren sie wie zuvor:
Ad 2, von rechts nach links: Das Schema 4 ist vollständig für transitive Modelle.
39
Zz a |= 2A → 22A (a beliebig) unter der Annahme, daß R transitiv ist.
1
(1) a |= 2A
Annahme /zz a |= 22A
2
(2) Rab
Annahme /zz b |= 2A
3
(3) Rbc
Annahme /zz c |= A
1
(4) ∀x : Rax ⇒ x |= A 1
2,3
(5) Rac
2,3 Transitivität
1,2,3 (6) c |= A
4,5
Ad 2, von links nach rechts: Das Schema 4 ist korrekt für transitive Modelle.
Erweiterungen von K
A → 23A
Erweiterungen von K
:LQWHUORJLNIRO
42
:LQWHUORJLNIRO
Damit sind wir wieder bei einem alten Bekannten: Der Logik logischer Notwendigkeit,
S5.
2. Das System S5 ist korrekt und vollständig bezüglich der Klasse von Modellen in
denen R reflexiv, transitiv und symmetrisch ist.
1. Das System S4 ist korrekt und vollständig bezüglich der Klasse von Modellen in
denen R reflexiv und transitiv ist.
Korollar (zum Korrespondenzsatz) 7.
41
5
2A → 22A
4
S5 = S4 +
2A → A
T
S4 = K +
Chellas (in Modal Logic, pp. 285f.) listet eine Auswahl (!) von 142 Erweiterungen von K auf. Von “praktischer” Bedeutung sind aber nur eine Hand voll davon.
Philosophen haben es vor allem mit zweien zu tun:
Modallogiken, die sich so wie im Korrespondenzsatz mit relationalen Modellen modellieren lassen, heißen normal. Diejenige Logik, deren Theoreme in allen relationalen
Modellen—d.h. ohne Annahmen über R—gültig sind, ist offenbar die kleinste normale Modallogik. Das ist unser System K.
Natürlich lassen sich die genannten und andere Eigenschaften von R auch
kombinieren—so wie sich auch Axiome kombinieren lassen. Daraus ergibt sich eine
große Vielfalt möglicher Modallogiken.
Erweiterungen von K
sehen.jpg
a
d
Die Vollständigkeit von S5
physische
deontische
Max
Die Vollständigkeit von S5
2: transitiv
3: symmetrisch 4: refl.&trans.&sym.
Die Vollständigkeit von S5
:LQWHUORJLNIRO
44
:LQWHUORJLNIRO
so ist das System S5 also korrekt und vollständig für alle Modelle (W, R, v) in denen
R eine Äquivalenzrelation ist: |= A in diesen Modellen gdw ' A in S5.
◦ die Axiome T, 4 und 5 jeweils mit den R-Eigenschaften der Reflexivität, Transitivität bzw. Symmetrie korrespondieren (siehe Satz 6),
und
◦ S5 = K + T + 4 + 5
Da nun
[a]R := {b ∈ W : Rab}.
• Wenn R eine Äquivalenzrelation ist, dann generiert jeder Punkt in W seine eigene
natürliche Äquivalenzklasse unter R so:
• Eine Äquivalenzrelation teilt
einen Bereich in eine oder mehrere Äquivalenzklassen, in denen alle Punkte in
der Relation zueinander stehen. (Im Bild 4 gibt es zwei solche Klassen.)
• Eine Relation, die reflexiv, transitiv und symmetrisch ist, nennen wir eine Äquivalenzrelation. (Die Gleichheit ist eine typische Äquivalenzrelation.)
43
zugang.jpg
In Bild 4 ist die Relation reflexiv, transitiv
und symmetrisch. Man sieht, daß der
Bereich in zwei Teilbereiche zerfällt (durch eine gedachte Diagonale getrennt), in denen jeder Punkt zu sich selbst und zu allen anderen in der Relation steht. MaW, innerhalb dieser Teilbereiche—aber nicht im gesamten Bereich—ist R universal.
1: reflexiv
logische
Hier sind vier Skizzen von kleinen Modellen, in denen die Relation R (Pfeil) jeweils
verschiedene Eigenschaften hat. (Ein ungefüllter Punkt ◦ deutetmoeglich.jpg
eine reflexive Welt a
an, d.h. eine für die gilt: Raa.)
f
46
:LQWHUORJLNIRO
Für den Nachweis der Vollständigkeit machen wir einen letzten kleinen Umweg.
Der Nachweis der Korrektheit ist trivial: Wenn wir A in einem Modell verifizieren
können unter der Annahme, daß R eine Äquivalenz ist, dann gelingt das sicher auch
unter der stärkeren Annahme, daß R universal ist.
Es stellt sich heraus, daß der Satz gilt – unbeschadet der gerade angestellten
Überlegung über die Verschiedenheit von Modellen mit universaler und mit
Äquivalenzrelation.
Satz 8. Das System S5 ist korrekt und vollständig für alle Modelle (W, R, v) in denen
R universal ist.
f
tiv
b
R
a
Wa
Ra
a
Ma
b |= A in M a gdw b |= A in M.
48
:LQWHUORJLNIRO
Beweis. Induktion über den Aufbau von A. (Wir schreiben kurz b |=a A für “b |= A
in M a ”.) Fall A ∈ ATM ist gegeben durch die Definition.
logische
teilmodell.pdf
Lemma 9. (Teilmodelle) Für jeden Punkt b ∈ W a eines Teilmodells M a von M =
(W, R, v) gilt (für beliebige Formeln A):
M
W
∀b ∈ W a : v a (P, b) = 1 gdw v(P, b) = 1.
zugang.pdf
W a = {a} ∪ {b ∈ W : R+ ab};
3: symmetrisch
× refl.&trans.&sym.
W a ), d.h. Ra bc gdw Rab und a, b ∈ W a ;
Ra = R ∩ (W a 4:
Definition. Gegeben ein Modell M = (W, R, v) mit a ∈ W , ist M a = (W a , Ra , v a )
das aus a erzeugte Teilmodell von M , wobei
:LQWHUORJLNIRO
Wenn S5 die Logik logischer Notwendigkeit sein soll, dann hätten wir gern dieses Resultat:
47
Die Vollständigkeit von S5
:LQWHUORJLNIRO
∀x : Rab ⇒ x |= P , jedoch nicht ∀x : x |= P .
R+ ab gdw ∃n ≥ 0 : ∃x0 ...xn ∈ W mit x0 = a und xn = b und ∀i < n : Rxi xi+1 ;
also etwa so: R+ ab gdw Rax1 , Rx1 x2 , . . . , Rxn−1 b.
◦ Auch wenn die Relation R nicht transitiv sein sollte, ist das Verweisen per R doch
eine transitive Relation. Um alle relevanten Punkten zu treffen, erzeugen wir das
Teilmodell deshalb (falls nötig) mit dem transitiven Abschluß R+ von R:
• Ein aus einem Punkt erzeugtes Teilmodell enthält nur die i.d.S. relevanten
Punkte des Ausgangsmodells.
◦ Für die Beurteilung von A am Punkt a sind aber letztlich nur Punkte relevant, die
zu a in der R-Relation stehen.
◦ Wenn A Kisten enthält, dann wird uns die Relation R an weitere Punkte verweisen.
◦ Wir greifen einen Punkt a ∈ W heraus und fragen ob der Punkt eine bestimmte
Formel A erfüllt.
◦ Gegeben sei ein Modell (W, R, v).
Teilmodelle
Die Vollständigkeit von S5
Die Vollständigkeit von S5
45
b
gegenmodell.pdf
P
a
zwei reflexiven undteilmodell.pdf
ansonsten isolierten Punkten, a und b. R ist in dem Modell trivialerweise symmetrisch und transitiv. Sei a |= P und b |= P . Dann a |= 2P nach
Bedingung (1), jedoch nicht nach (2).
Um 2 als logische Notwendigkeit zu interpretieren brauchen wir aber diese Bedingung:
W
Wa
a
a allen Punkten des Modells wahr ist, d.h.
(2) 2A
wahr am Punkt a,Rwenn
AMan
M ist gd R
jede mögliche Verteilung von Wahrheitswerten über die Atome A wahr macht.
a
a folgt, sieht man anhand dieses kleinen Modells: Es bestehe aus
Daß (2) nicht aus (1)
an einem Punkt a wahr, wenn A in an allen Punkten in der Äquivalenzklasse
risch(1)4:2A
refl.&trans.&sym.
[a]R wahr ist.
Dieses Resultat beendet noch nicht unsere Suche nach der Logik logischer
Notwendigkeit. Denn in den Modellen, in denen R eine Äquivalenzrelation ist, ist
Die Vollständigkeit von S5
Annahme
Annahme /zz c |=a B
1
2 Def Ra
3,4
5 Induktionsannahme
Die Vollständigkeit von S5
:LQWHUORJLNIRO
d.h. wenn Rbc, dann c |= B (c beliebig).
Annahme
Annahme /zz c |= B
1
1
2,3 Def W a
3,5 Def Ra
4,6
7 Induktionsannahme
Zurück zu S5
1
(1) b |= 2B
2
(2) Ra bc
1
(3) ∀x ∈ W : Rbx ⇒ x |= B
2
(4) Rbc
1,2 (5) c |= B
1,2 (6) c |=a B
nehmen an b |=a 2B; zz b |= 2B,
(1) b |=a 2B
(2) Rbc
(3) b ∈ W a
(4) ∀x ∈ W a : Ra bx ⇒ x |=a B
(5) c ∈ W a
(6) Ra bc
(7) c |=a B
(8) c |= B
50
Im Detail geht das so ...
:LQWHUORJLNIRO
· Also läßt sich jedes Nicht-Theorem in einem universalen Modell widerlegen.
· Aus diesem Punkt erzeugen wir ein Teilmodell des kanonischen Modells und
stellen fest, daß die Zugangsrelation in diesem Teilmodell universal ist.
· Wir wissen, daß jedes Nicht-Theorem von S5 an einem Punkt im kanonischen
Modell für S5 falsch wird.
Recht einfach:
Wie hilft uns nun die Erzeugung von Teilmodellen aus einem Punkt weiter beim Beweis der Behauptung, daß S5 vollständig für alle universalen Modelle sei (Satz 8)?
49
(⇐)
(⇒) Wir
1
2
1
1
1,2
1,2
1,2
1,2
Fall A = 2B, d.h. b |= 2B ⇔ b |= 2B.
a
Fälle A = ¬B und A = B → C. Hier finden keine Verweise per R bzw. Ra statt.
Die Vollständigkeit von S5
= [a]R
da R eine Äquivalenz
W a = {a} ∪ {b ∈ W : R+ ab} nach Def W a
= {b ∈ W : R+ ab} da R reflexiv
= {b ∈ W : Rab} da R transitiv
Zusammenfassung und Interpretation des Resultats
Zusammenfassung und Interpretation des Resultats
:LQWHUORJLNIRO
52
:LQWHUORJLNIRO
· Die Wahrheitswerte der Atomen variieren wir, indem wir verschiedene
Abbildungen v : ATM −→ {0, 1} betrachten.
· Variation der Bedeutung bedeutet hier: Variation des Wahrheitswertes.
• Die ultimativen nichtlogischen Komponenten sind die Atome. Deren Bedeutung wird variiert.
· In der Aussagenlogik: die Wahrheitsfunktionen. (In der Modallogik kommt die
Kiste, 2, noch hinzu.)
• Die logischen Komponenten eines Satzes, sind diejenigen, deren Bedeutung wir
konstant halten, indem wir sie in jedem Modell auf dieselbe Weise interpretieren.
Logisch notwendig (“logisch gültig”, wie wir früher auch gesagt haben) ist
ein Satz, wenn er wahr ist, gleichgültig, wie wir seine nichtlogischen Komponenten interpretieren.
Eine leitende Idee all unserer Überlegungen in dieser Einführung in die Logik war
diese:
51
Also ist Ra = R ∩ [a]2R universal. MaW, M a = ([a]R , Ra , v a ) ist das gesuchte universale Modell, welches das Nicht-Theorem A von S5 widerlegt.
Ferner haben wir
· a |=a A (nach dem Teilmodell-Lemma 9).
· a ∈ M a und
Wir betrachten nun das Teilmodell M a von M .
· einem Punkt a ∈ W so, daß a |= A.
· R einer Äquivalenzrelation und
Dann gibt es ein Modell M = (W, R, v)—das kanonische S5-Modell—mit
Angenommen A sei in S5 nicht ableitbar. (Zz: es gibt ein universales Modell, welche
A nicht erfüllt.)
Die Vollständigkeit von S5
Goethe-Universität
Frankfurt am Main
Institut für Philosophie
53
16epistemLogik 140204.1137
André Fuhrmann
Modallogik als
Epistemische Logik
◦ Die Erzeugung von Teilmodellen.
:LQWHUORJLNIRO
Logik im Winter 2013-14
:LQWHUORJLNIRO
◦ Korrespondenzen zwischen Axiomen/Regeln und Eigenschaft der Zugangsrelation.
◦ Das grundlegende Vollständigkeitstheorem für normale Modallogiken.
Maxens Überzeugungen
:LQWHUORJLNIRO
3
:LQWHUORJLNIRO
• Der Überzeugungszustand von Max kann also durch die Menge derjenigen Möglichkeiten charakterisiert werden, die aus Maxens Sicht (Relation R!) in Frage kommen.
• Wenn Max A glaubt, dann scheiden mit A unverträgliche Möglichkeiten für Max
aus: “Ich bin irgendwo, wo A der Fall ist.”
· Glaubt er, er sei an genau einem bestimmten Punkt in W , dann hat er auf jede
Frage eine Antwort bereit.
· Glaubt er lediglich, er sei irgendwo in W , dann hat er gar keine
Überzeugungen—außer logischen, die überall wahr sind.
• Max stellt sich die Frage: “Was ist der Fall? Welche mögliche Welt ist die meine?
Wo bin ich?”. Zwei Extreme:
• Jeder Punkt in W stellt eine Art und Weise dar, wie es sich in der Welt verhalten
könnte.—Die Punkte in W sind maximal spezifizierte Möglichkeiten oder mögliche
Welten.
2
Jetzt wollen wir überlegen, wie wir solche epistemischen Einstellungen in KripkeModellen der Modallogik, (W, R, v), wiedergeben können.
Auf dem Weg zu dieser Antwort haben wir einige wichtige Techniken und Resultate
der Modallogik kennengelernt:
◦ Relationale Modelle (auch Kripke-Modelle genannt).
Wir haben es seinerzeit bei dieser informellen Interpretation belassen.
2A : Max glaubt, daß A.
In VL 14 (Beweisbarkeit) haben wir informell den Operator 2 so interpretiert, daß er
eine epistemische Einstellung (einer Person, Max) ausdrücken soll:
Maxens Überzeugungen
Maxens Überzeugungen
• Antwort: S5.
• Was ist eine richtige und vollständige Theorie logischer Notwendigkeit?
• Den Ausdruck “logisch notwendig” (kurz: 2) nehmen wir jetzt mit dieser konstanten Bedeutung in unsere aussagenlogische Sprache auf und fragen:
• Wenn W die Menge aller solcher Variationen ist (“Punkte”, “Möglichkeiten”), dann
ist ein Satz logisch notwendig, wenn er überall in W wahr wird.
Zusammenfassung und Interpretation des Resultats
Max und Helga spielen Karten
Maxens Überzeugungen
:LQWHUORJLNIRO
5
:LQWHUORJLNIRO
Helga zieht eine Karte k vom Stock. Im folgenden machen wir einige Annahmen
darüber, was Max über k glaubt und schauen uns an, wie sich diese Annahmen auf
Maxens Frage “Wo bin ich” im Modell auswirkt.
4
1 Das ist Putnams berühmtes Zwillingserden-Szenario aus The meaning of ‘meaning’, in ders.,
Mind, Language and Reality. Philosophical Papers Vol. 2, Cambridge (Univ. Press), 1975.
Maxens Überzeugungen in a: alle Punkte in W so, daß Rab.
• In einem Modell (W, R, v) können wir Maxens Überzeugungen in einer möglichen
Welt a also durch die Menge der von a aus für Max zulässigen Möglichkeiten
darstellen:
· Glaubt Max hier, er schmecke Wasser, dann scheidet die Möglichkeit, er trinke
XY Z aus. Glaubt Max (oder sein Zwilling) dort (vgl. letzte Vorlesung), er
schmecke Wasser, dann scheidet die Möglichkeit, er trinke H2 O aus. (“Bedeutungen sind nicht im Kopf”, sagt Hilary Putnam.1 )
• Der Überzeugungszustand von Max hängt auch davon ab, in welcher Welt wir seine
Überzeugungen interpretieren:
Maxens Überzeugungen
7
6
:LQWHUORJLNIRO
Maxens Überzeugungen
:LQWHUORJLNIRO
Maxens Überzeugungen
9
8
:LQWHUORJLNIRO
Maxens Überzeugungen
:LQWHUORJLNIRO
Maxens Überzeugungen
Epistemische Logik
Maxens Überzeugungen
:LQWHUORJLNIRO
11
:LQWHUORJLNIRO
Nun haben wir gesehen, daß wenn wir in Kripke-Modellen einen Operator wie in Bedingung (2) interpretieren und sonst nichts weiter über die Relation R annehmen,
dann beschreibt das Basissystem K die Logik dieses Operators. Das heißt, die Logik
des Glaubens können wir in diesem Falle so axiomatisieren:
(Wenn [a]R := {b ∈ W : Rab} die Menge der Welten ist, die Max in a für möglich hält
und [A] := {a ∈ W : a |= A} die Menge der Welten ist, in denen A der Fall ist, dann
können wir das auch noch kürzer so aufschreiben: a |= 2A gdw [a]R ⊆ [A].)
(2) a |= 2A gdw für alle b ∈ W : wenn Rab, dann b |= A.
Etwas allgemeiner (für beliebige Welten a und beliebige Aussagen A) und in der Terminologie der Kripke-Modelle:
• Max glaubt (in h), daß Helga Karo gezogen hat ⇔
Helga hat in allen Welten Karo gezogen, die Max in h für möglich hält.
Gehen wir von unserer Welt, h, aus, dann können wir sagen:
10
Maxens Überzeugungen
Maxens Überzeugungen
:LQWHUORJLNIRO
13
T. 2A → A — Max glaubt nur Tatsachen. (R ist reflexiv.)
:LQWHUORJLNIRO
5. A → 23A — Von Tatsachen glaubt Max, daß er sie nicht ausschließt. (R ist
symmetrisch.)
D. 2A → 3A — Wenn Max etwas glaubt, dann schließt er es nicht aus. (R ist
seriell: Von jeder Welt aus erschließen sich Möglichkeiten; ∀a∃b : Rab)
4c. 22A → 2A — Max glaubt nur, daß er etwas glaubt, wenn er es tatsächlich
glaubt. (R ist interpolierbar: Wenn Rab, dann gibt es ein x mit Rax und
Rxb.)
4. 2A → 22A — Wenn Max etwas glaubt, dann glaubt er, daß er es glaubt. (R
ist in diesem Fall transitiv.)
Wie steht es um weitere Postulate? Z.B.
• Die Logik K gibt also keinen realistischen —und damit in vielerlei Hinsicht defizitären—Begriff tatsächlicher Überzeugungen wieder. Sie beschreibt, zu welchen
Überzeugungen eine Person qua Logik vernünftig verpflichtet ist.
12
• Auch die Regel RN spiegelt keinen Realzustand wieder. Niemand ist sich aller logischen Wahrheiten (inklusive solcher über den Begriff der Überzeugung) bewußt.
Es kostet Mühe sich von der einen oder anderen zu überzeugen. Die Logik K
fordert sozusagen, daß Sie sich dieser Mühe unterziehen.
• Das Axiomenschema K drückt nun aus, daß Überzeugungen unter Modus Ponens
abgeschlossen sind. Schön wär’s, wenn wir alle immer auch die logischen Konsequenzen unserer Überzeugungen anerkennen würden! Allein, es ist nicht so. Aber
es sollte so sein! Die Logik K gibt also Überzeugungen in dem Sinne wieder, in
dem wir uns um sie bemühen sollten.
MP
A
2A
A A→B
B
2(A → B) → (2A → 2B)
K
RN
Jede Tautologie
τ
Maxens Überzeugungen
Die bemalten Kinder
Die bemalten Kinder
:LQWHUORJLNIRO
15
:LQWHUORJLNIRO
Zum Beispiel können wir das Wissen verschiedener Personen so zusammenbringen,
daß sich genuin neues Wissen ergibt. Hier ist ein berühmtes Beispiel.
Interessant wird es in der epistemischen Logik eigentlich erst, wenn wir verschiedene
Modaloperatoren zusammenspielen lassen.
14
den Anfang einer Logik des Wissens.
KT = K + T
• Ad T, 2A → A:
Das würde nur gelten, wenn Max unfehlbar wäre, d.h. wenn er nur Wahres glauben
würde. Selbst für die Überzeugungen eines logisch perfekten Wesens ist das offenbar keine zutreffende Bedingung. Aber für den Begriff des Wissens schon! Denn
kann nichts wissen, was nicht wahr ist. Also haben wir mit
• Ad 5, A → 23A:
Angenommen Max glaubt fälschlich, daß Helga Pik gezogen hat. Also 2♠ und
¬♠. Dann gilt nach 5 23¬♠, also 2¬2♠. Jetzt sollte Max nicht glauben, was
er glaubt, d.h. 22♠, denn dann hätte er inkonsistente Überzeugungen. Anders gesagt: Das plausiblere Axiom 4, 2A → 22A, und die Annahme, daß
Überzeugungen falsch sein können, lassen sich in der Gegenwart von 5 nicht konsistent kombinieren.
Die letzten beiden Postulate verlangen sicher zuviel von Überzeugungen.
Maxens Überzeugungen
Die bemalten Kinder
:LQWHUORJLNIRO
17
· wieviel epistemische Logik braucht man für die richtige Antwort?
· Was sind hier die wesentlichen Informationen und
• Wie machen sie das?
:LQWHUORJLNIRO
Was geht hier vor? Die Kinder kommen zu ihren richtigen Antworten nur aufgrund
von logischem Schließen aus den Annahmen, die nach der ersten Runde vorliegen.
16
• (2. Runde) Die Mutter fragt noch einmal: “Weiß jemand, ob er bemalt ist?”—
Beide antworten (richtig) “Ich bin bemalt!”
• (1. Runde) Die Mutter fragt: “Weiß jemand, ob er bemalt ist?” — Keine Antwort.
• Die Mutter sagt: “Mindestens einer von Euch ist bemalt.”
• Beide waren in der Fasnachtsgruppe, erinnern sich aber nicht mehr, ob sie bemalt
wurden. Die beiden können sich gegenseitig, nicht aber jeweils sich selbst sehen.
• Eine Mutter hat zwei Kinder, a und b.
Die bemalten Kinder
2
[a][b](A ∨ B) und [b][a](A ∨ B).
[a]([b]A ∨ [b]¬A).
[a]¬[b]B.
Die bemalten Kinder
:LQWHUORJLNIRO
[a]A ?
19
:LQWHUORJLNIRO
Ableitung nach Melvin Fitting, “Basic Modal Logic”, in Handbook of Logic in Artificial Intelligence
and Logic Programming, Vol. 1, ed. Gabbay et al., Oxford (Univ. Press), 1993; pp. 336-448, hier p.
372.
Antwort: Dazu reicht es für beide Operatoren [a] und [b] die Basislogik K um das
Schema T zu erweitern, d.h. die Ableitung von (∗) gelingt schon in der kleinsten Wissenslogik KT.2
(∗)
Wie kommt nun a zur richtigen Antwort in der zweiten Runde? Wie können wir aus
den Annahmen I-III diese Formel ableiten:
18
III.
Da die erste Frage ohne Antwort bleibt, wissen beide nach der ersten Runde, daß der
jeweils andere von sich nicht weiß, ob er bemalt ist; also im Falle von a:
II.
Auch kann jeder sehen, ob der jeweils andere bemalt ist, und jeder weiß, daß der jeweils andere das sehen kann. Also weiß zB a, daß b weiß ob a bemalt ist oder nicht:
I.
Ferner wissen beide, daß der jeweils andere das weiß; also
[a](A ∨ B) und [b](A ∨ B).
Zu Beginn des Szenarios wissen beide, daß A ∨ B; also
Seien [a] und [b] die Wissensoperatoren für Kind a bzw. b. Die Formeln A und B
sollen ausdrücken, daß a bzw. b schmutzig ist.
Die bemalten Kinder
Wissen und Verifizieren
Wissen und Verifizieren
:LQWHUORJLNIRO
[b](¬A → B) → ([b]¬A → [b]B)
K
[a][b](¬A → B) → [a]([b]¬A → [b]B)
1 RM (= K+RN)
[a][b](¬A → B)
Annahme I
[a]([b]¬A → [b]B)
3, K etc
([b]¬A → [b]B) → (¬[b]B → ¬[b]¬A)
τ
[a]([b]¬A → [b]B) → [a](¬[b]B → ¬[b]¬A)
5 RM
[a](¬[b]B → ¬[b]¬A)
4,6 MP
[a](¬[b]B → ¬[b]¬A) → ([a]¬[b]B → [a]¬[b]¬A) K
[a]¬[b]B → [a]¬[b]¬A
7,8 MP
[a]¬[b]B
Annahme III
[a]¬[b]¬A
9,10 MP
[a](¬[b]¬A → [b]A)
Annahme II
[a](¬[b]¬A → [b]A) → ([a]¬[b]¬A → [a][b]A)
K
[a]¬[b]¬A → [a][b]A
12,13 MP
[a][b]A
11,14 MP
[b]A → A
T
[a][b]A → [a]A
16 RM
[a]A
15,17 MP
21
:LQWHUORJLNIRO
Um das Problem der bemalten Kinder darzustellen und zu lösen, brauchten wir zwei
modale Operatoren: jeweils eine Wissensmodalität für jedes Kind. Logiken mit mehr
als einem modalen Operator, in denen sich die Operatoren nicht aufeinander reduzieren lassen (zB sind ja 2 und 3 gegenseitig definierbar), heißen multimodale
Systeme.
20
I,II,III
II
I,II,III
I
III
I,III
II
I
I
I
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
(6)
(7)
(8)
(9)
(10)
(11)
(12)
(13)
(14)
(15)
(16)
(17)
(18)
Die bemalten Kinder
Wissen, Wahrheit und Notwendigkeit
Wissen und Verifizieren
:LQWHUORJLNIRO
23
:LQWHUORJLNIRO
Die zweite These tritt etwas bescheidener auf, als die erste. Beide stimmen in folgendem überein:
• Wahrheit ist eine wesentlich von Menschen vergebene Eigenschaft. Es ist diejenige
Eigenschaft, die auf einen Sachverhalt zutrifft, wenn wir wissen, daß er der Fall ist.
Wenn wir vermuten, daß etwas wahr ist, dann vermuten wir, daß wir davon Wissen erlangen können. Die Rede von Wahrheit in einer Welt, in der es kein Wissen
geben kann, ist sinnlos. (So etwas William James.)
• Wahrheit ist Verifizierbarkeit (im weitesten Sinne). Eine Aussage ist gd wahr,
wenn sie sich im Prinzip als wahr erweisen läßt. Läßt sich von einer Aussage nicht
angeben, wie man sie selbst bei idealer Evidenzlage als wahr erweisen kann, dann
ist sie sinnlos. (So etwa Rudolf Carnap.)
Hier sind zwei Thesen, die sich zeitweise beinahe universalen Zuspruchs unter Philosophen erfreuten und noch heute viele Sympathisanten haben:
Manchmal ist Interaktion zwischen Modalitäten gar nicht wünschenswert. D.h.
manche Interaktionen sind bei Strafe eines Widerspruchs ausgeschlossen.
22
Das erfordert aber auf der Ebene der Modelle, daß die Relation Rw , die für das Wissen zuständig ist, in einer systematischen Beziehung zur Relation Rg , die für das
Glauben zuständig ist, stehen muß. (Finden Sie heraus, in welcher!)
· [W ]A → [G]A — Was gewußt wird, muß geglaubt werden.
• Interaktion
Wollen wir Glauben und Wissen nicht unverbunden nebeneinander stehen lassen—
was sicher witzlos wäre, dann wollen wir vermutlich folgendes Axiom haben:
• Wollen wir zB Glauben und Wissen zugleich behandeln, dann brauchen wir für
das Glauben eine Relation die nicht allgemein reflexiv und für das Wissen eine, die
durchgehend reflexiv ist.
• Zu jeder Modalität in der zu interpretierenden Sprache gibt es nun in den Modellen
eine Zugänglichkeitstrelation R mit den Eigenschaften, die den axiomatisch festgelegten Eigenschaften der Modalität entsprechen.
Um multimodale Systeme zu modellieren müssen die Kripke-Modelle entsprechend
“aufgerüstet” werden.
Modelle multimodaler Systeme
Wissen und Verifizieren
A → 3[W ]A
Fitch’ Paradox
Wissen und Verifizieren
:LQWHUORJLNIRO
A → 3[W ]A
P ∧ ¬[W ]P.
25
:LQWHUORJLNIRO
Niemand bestreitet, daß es solche Lücken gibt; (W) bestreitet nur, daß die Lücke
nicht geschlossen werden kann. Wir zeigen, daß (W) unhaltbar ist.
L
Sei P eine Wissenslücke, also eine Aussage, von der wir annehmen, daß sie Wahr aber
nicht gewußt wird:
es sich zu einfach macht. Damit wird, wie gesagt, durch einen Beweis von wenigen
Zeilen eine gewichtige philosophische Tradition in Frage gestellt.
(W )
Ein Argument, daß in der gegenwärtigen Philosophie heiß diskutiert wird, zeigt, daß
das Wissbarkeitsprinzip
24
Alle Wahrheiten können (3) gewußt ([W ]) werden. Die in (W) geforderte Interaktion
von Wahrheit, Wissen und Möglichkeit (in einem mehr oder weniger weiten Sinne)
charakterisiert eine ganze philosophische Tradition zum Begriff der Wahrheit.
(W )
In dem Prinzipe werden zwei Modalitäten kombiniert: eine epistemische (“gewußt”)
und eine alethische (“können”). Geben wir die eine mit [W ] und die andere mit 3
wieder, dann wird folgendes behauptet:
• Es gibt keine wahren Sachverhalte, die im Prinzip nicht gewußt werden können.
Wissen und Verifizieren
Es ist möglich, von solchen Lücken, L = (P ∧ ¬[W ]P ), zu wissen.
L
Annahme
L → 3[W ]L (W)
3[W ]L
1,2 Modus Ponens
Wissen und Verifizieren
:LQWHUORJLNIRO
27
:LQWHUORJLNIRO
Also ist das Prinzip (W), alle Wahrheiten müssen gewußt werden können, unhaltbar.
· Die logische Voraussetzungen sind minimal: System K für 2 und KT für [W ].
In Zeile 3 des zweiten Schritts haben wir das Schema M , [W ](A ∧ B) → [W ]A ∧
[W ]B, verwendet. Es ist in K ableitbar bzw. in allen Modellen für K wahr.
(Letzte Übung: verifizieren Sie mindestens eine der beiden Behauptungen!)
26
· das des ersten Schrittes nur auf der unproblematischen Annahme L (Lücken
gibt’s) und dem Prinzip (W).
· Das Resultat des zweiten Schrittes beruht auf keinerlei (nichtlogischen) Annahmen;
Beide Schritte zusammengenommen ergeben einen Widerspruch.
Zweiter Schritt: Es ist unmöglich, von solchen Lücken zu wissen.
1 (1) [W ]L
Annahme für reductio
1 (2) [W ](P ∧ ¬[W ]P )
1 Def L
1 (3) [W ]P ∧ [W ]¬[W ]P 2, M für [W ], Mod. Pon.
1 (4) [W ]P ∧ ¬[W ]P
3,T für [W ], Modus Ponens
(5) ¬[W ]L
1,4 reductio
(6) 2¬[W ]L
5 RN für 2
(7) ¬3[W ]L
6 Def 3
Erster Schritt:
1
(1)
W
(2)
1,W (3)
Wissen und Verifizieren
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