3. Die sich aus der Unionsbürgerschaft ergebenden

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EUROPÄISCHE UNION
Ausschuss der Regionen
CONST-IV-018
13. Sitzung der Fachkommission
16. April 2008
ARBEITSDOKUMENT
der Fachkommission für konstitutionelle Fragen, Regieren in Europa
und für den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts
"BÜRGERRECHTE: FÖRDERUNG DER GRUNDRECHTE UND DER
SICH AUS DER UNIONSBÜRGERSCHAFT ERGEBENDEN RECHTE"
_____________
Berichterstatterin: Frau Masini (IT/SPE)
Präsidentin der Provinz Reggio Emilia
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Dieses Dokument wird in der Sitzung der Fachkommission für konstitutionelle Fragen, Regieren
in Europa und für den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts am 16. April 2008 von
11.00 bis 18.30 Uhr erörtert.
WEITERGABE AN DIE ÜBERSETZUNG: 27. MÄRZ 2008
CdR 98/2008 (IT) EH/DC/el
- Rue Belliard 101 - B-1040 BRÜSSEL - Tel. +32 (0)2/282 22 11 - Fax +32 (0)2/282 23 25 Internet http://www.cor.europa.eu
DE
-1-
Referenzdokument
Bericht der Kommission - Fünfter Bericht über die Unionsbürgerschaft
(1. Mai 2004 - 30. Juni 2007)
KOM(2008) 85 endg.
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.../...
-21.
Allgemeiner Hintergrund
Im EU-Vertrag wird anerkannt, dass die Union auf der Wahrung der Rechte des Einzelnen
und der Grundsätze der Demokratie und des Rechtsstaates gründet, die den Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten gemein sind. Genauer gesagt räumt die EU einerseits den
"Unionsbürgern" spezifische Rechte ein, die speziell an die Staatsbürgerschaft geknüpft sind,
während sie andererseits allen Menschen (seien es Unionsbürger, Drittstaatsangehörige oder
Staatenlose), die unter ihre Gerichtsbarkeit fallen, "universelle Rechte" zuerkennt.
Mit dem Vertrag wird der Bereich der herkömmlichen Rechte um eine neue Generation von
Rechten erweitert, die Ergebnis der mit der europäischen Demokratie und dem Sozialstaat
(d.h. der Solidarität) gemachten Erfahrungen sind sowie der Aufstellung universell anerkannter Rechte, die die Unantastbarkeit der Person gewährleisten.
Um die Bedeutung und Tragweite der geschützten Rechte sichtbar zu verankern, wurde die
Grundrechtecharta erstellt, die erstmals am 7. Dezember 2000 von Parlament, Rat und Kommission in Nizza proklamiert wurde.
Obwohl sie ursprünglich keine verbindliche Rechtskraft besaß, war die Charta ein Eckpfeiler
bei der Sicherung der Grundrechte und ein wesentlicher Bezugspunkt für die Festlegung und
Auslegung der Rechte, die die EU einzuhalten hat. Die Charta fasst in einem einzigen Text
die universellen persönlichen Rechte (oder Bürger- und politischen Rechte) zusammen, die
aus der Tradition der französischen Revolution herrühren, und die wirtschaftlichen und sozialen Rechte, die auf den europäischen Erfahrungen mit der Schaffung einer "sozialen Marktwirtschaft" beruhen, sowie eine Reihe innovativer Bestimmungen (wie beispielsweise die
Rechte von älteren Menschen und Menschen mit Behinderungen), die wiederum mit dem
europäischen Sozialmodell zusammenhängen.
Mit dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags würde die Charta in der am 12. Dezember 2007
verabschiedeten geänderten Fassung (ABl. C 303 vom 14. Dezember 2007, S. 155) Rechtsverbindlichkeit erlangen (mit Einschränkungen hinsichtlich des Vereinigten Königreichs und
Polens), genauer gesagt "denselben rechtlichen Rang wie die Verträge", die - wie vom
Gerichtshof klargestellt wurde - die "Verfassung" der EU darstellen.
Die Förderung der Bürgerrechte setzt aktive Maßnahmen voraus. In der Annahme, dass ein in
der Charta festgelegtes Recht nur dann "ausgeübt" wird, wenn es die objektiven Bedingungen
zulassen, ist der Beitrag des Ausschusses der Regionen von wesentlicher Bedeutung, da ein
Tätigwerden der Regionen und lokalen Gebietskörperschaften in Europa erforderlich ist, um
die Durchsetzung der in der Charta enthaltenen Rechte zu gewährleisten.
Die universellen Grundrechte und die Rechte der Unionsbürger müssen nicht nur von den
EU-Institutionen anerkannt und angewandt werden, sondern auch von den nationalen Behörden, einschließlich der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften, vor allem auf allgemeiner politischer Ebene sowie in rechtlicher Hinsicht, sobald sie EU-Rechtsvorschriften anwen-
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-3den. Viele dieser Rechte betreffen Zuständigkeiten, die in den europäischen Mitgliedstaaten
weitgehend den regionalen und lokalen Gebietskörperschaften übertragen wurden (Bildung,
Gesundheits- und Umweltschutz, Sozialpolitik), oder Fragen, die für alle Behörden von allgemeiner Bedeutung sind (gute Verwaltung, Transparenz und Zugang zu Dokumenten, Rechte
der Kinder, älterer Menschen sowie von Menschen mit Behinderungen). Entsprechend der in
dieser historischen Epoche gereiften Konzeption, die gegenüber der Vergangenheit einen
eindeutigen Fortschritt darstellt und den Menschen mit seinen spezifischen Merkmalen in den
Mittelpunkt des Systems stellt, muss sichergestellt werden, dass diese Rechte auf mehreren
Ebenen geschützt werden.
2.
Die universellen persönlichen Rechte
Das europäische Modell ist besonders wichtig, weil es die Ausweitung der Grundrechte
anerkennt, Bürger- und politische Rechte sowie wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
einschließt und auf einer eigenen Ordnung und einem ihm eigenen Wertesystem beruht, die
im Bereich der universellen Rechte die Vielfalt und die Gegensätzlichkeit der Kulturen,
Religionen oder Überzeugungen respektieren.
3.
Die sich aus der Unionsbürgerschaft ergebenden Rechte
Heutzutage stellt die Unionsbürgerschaft den grundlegenden Status des Einzelnen dar, des
politischen Akteurs der europäischen Integration.
Unter den durch die Unionsbürgerschaft begründeten Rechten kommen der Freizügigkeit und
dem Recht auf Aufenthalt besondere Bedeutung zu. Ihnen wurde durch die Richtlinie 2004/38
eine entscheidende Anerkennung zuteil. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen, die mit der
Anwendung dieser Rechtsvorschrift gemacht wurden, ist es wichtig, die grundlegende
Verantwortung zu betonen, die die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften im Zusammenhang mit der Bewältigung der Probleme übernommen haben, die sich aus der Freizügigkeit und insbesondere dem Recht auf Aufenthalt der Unionsbürger ergeben. Dies betrifft nicht
nur die mit dem Aufenthalt zusammenhängenden Verwaltungsformalitäten (z.B. Anmeldung
der Unionsbürger beim Einwohnermeldeamt), sondern vor allem die Aufnahmepolitik. Darüber hinaus sollte bedacht werden, dass die Wahrnehmung der mit der Unionsbürgerschaft
verbundenen Rechte auch die Erfüllung einiger "Pflichten" in Bezug auf das lokale und
regionale Gemeinwesen mit sich bringt.
Es müssen Anstrengungen unternommen werden, um die Teilhabe der Unionsbürger am
demokratischen Leben der EU auch in der Praxis zu stärken. Es ist zu betonen, wie wichtig
das Recht der Unionsbürger - auch prinzipiell - ist, in dem Mitgliedstaat, in dem sie ihren
Wohnsitz haben, aktiv und passiv an den Kommunalwahlen und den Wahlen zum Europäischen Parlament teilzunehmen: die lokalen politischen Institutionen sind so Ausdruck einer
"europäischen" Wählerschaft und somit die primäre europäische Regierungeebene.
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-4Für die Sicherheit ist eine auf die Festigung eines Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des
Rechts ausgerichtete EU-Politik wesentlich. Auch bei der Gestaltung dieser Politik müssen
die Regionen, die lokalen Gebietskörperschaften und der Ausschuss der Regionen stärker einbezogen werden.
Zwar sind die mit der Unionsbürgerschaft verbundenen Rechte eine wichtige Errungenschaft,
aber es bestehen weiterhin Schwierigkeiten bei ihrer Durchsetzung. In der Bevölkerung ist
das Gefühl der Bürgerferne der EU-Institutionen weit verbreitet, und dieses Gefühl muss
angegangen und überwunden werden. Auch hier können die Regionen und die lokalen
Gebietskörperschaften eine Brückenfunktion übernehmen.
Es besteht die Notwendigkeit, die europäischen Rechte, von denen viele noch nicht in vollem
Umfang anerkannt werden, weiter zu fördern. Zu diesem Zweck müssen unter aktiver Einbeziehung der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften spezifische Ressourcen bereitgestellt und Maßnahmen vorgesehen werden.
Der Status der Bürger einiger Nachbarstaaten der EU, mit denen Sonderabkommen bestehen,
muss verbessert werden. Die ihnen zuerkannten Rechte scheinen auf das Konzept der
"erweiterten Staatsbürgerschaft" hinzudeuten. Daher gilt es umso mehr, eine europäische
Nachbarschaftspolitik zu fördern, die auf der Rolle der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften bei der grenzübergreifenden Zusammenarbeit im Rechtsbereich beruht.
4.
Schlussfolgerungen
Es ist notwendig, der Förderung der Grundrechtecharta mit Blick auf ihre bevorstehende
Rechtsverbindlichkeit neue Impulse zu verleihen und eine "europäische Staatsbürgerkunde"
zu betreiben. Auch auf diesem Gebiet ist die Rolle der Regionen und der lokalen Gebietskörperschaften von grundlegender Wichtigkeit, ebenso wie der Austausch von Erfahrungen
und Projektideen. Die tatsächliche Wahrnehmung vieler der in der Charta verankerten Rechte
(wie Bildung und Gesundheitsschutz) hängt von einer Reihe bestimmter Voraussetzungen
und der Förderung aktiver Maßnahmen ab, die häufig von den Regionen und den lokalen
Gebietskörperschaften durchgeführt werden. Aus diesem Grund müssen sie stärker in die
Maßnahmen eingebunden werden, die in diesem Bereich ergriffen werden (zum Beispiel in
die Gremien und Aktivitäten der Agentur für Grundrechte).
5.
Einschlägige Erfahrungen
Es können zwei Fälle untersucht werden, bei denen die europäische Erfahrung zeigt, dass die
Schaffung eines Sozialstaats und Maßnahmen zur Förderung der sozialen Eingliederung zur
unmittelbaren Anerkennung der persönlichen Rechte führt:
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die Erfahrung der Kindergärten: von der Beaufsichtigung zur Betreuung, zu den Rechten
der Kinder. Die Erfahrung von Reggio Emilia.
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-5
die Erfahrung der Migrantinnen: von der Aufnahmepolitik zur Anerkennung ihrer mit den
verschiedenen Kulturen verbundenen persönlichen Rechte.
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