Grosser Rat - beim Kanton Aargau

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Grosser Rat
164. Sitzung
19. Oktober 2004, 14.00 Uhr
Vorsitzender:
Thomas Lüpold, Möriken-Wildegg
Protokollführer:
Urs Meier, Staatsschreiber-Stellvertreter
Tonaufnahme/Redaktion:
Norbert Schüler
Präsenz:
Anwesend 184 Mitglieder
(Art. 2145-2165)
Abwesend mit Entschuldigung 15 Mitglieder, ohne Entschuldigung 1 Mitglied
Entschuldigt abwesend: Baur Josef, Villmergen; Baur-Wechsler Regula, Sarmenstorf;
Bhend Martin, Oftringen; Giezendanner Benjamin, Rothrist; Jean-Richard Peter, Aarau;
Kistler Ernst, Dr., Brugg; Leitch-Frey Thomas, Hermetschwil-Staffeln; Rüegger Kurt,
Rothrist; Schenkel Fabian, Bergdietikon; Unternährer Beat, Unterentfelden; Villiger-Matter
Andreas, Sins; Walser Rolf, Baden; Wehrli-Löffel Peter, Küttigen; Werthmüller Ernst,
Holziken; Wittwer Hansjörg, Aarau
Unentschuldigt abwesend: Brentano Max, Dr., Brugg
Vorsitzender: Ich begrüsse Sie herzlich zur 164. Ratssitzung
der laufenden Legislaturperiode.
während er im Kanton Zürich von Gemeinde zu Gemeinde
schwankt.
2145 Postulat Thomas Bodmer, SVP, Wettingen, betreffend Standortmarketing und Arbeitsplatzbeschaffung
durch die Einführung einer günstigen Flat Rate für
juristische Personen; Einreichung und schriftliche Begründung
Wie die Regierung in der Antwort auf mein Postulat betreffend rasche Anpassung des Steuergesetzes an das Fusionsgesetz zutreffend festhält, besteht die Gefahr, dass sich der
Steuerwettbewerb zum Nachteil der Kantone mit höheren
Steuersätzen verschärfen wird. Spätestens per 1. Juli 2007
wird der Aargau die steuerfreie Vermögensübertragung im
Konzern zulassen müssen und damit in Kauf nehmen müssen, dass Steuersubstrat unbesteuert in Tiefsteuerkantone
verschoben werden kann.
Von Thomas Bodmer, SVP, Wettingen, und 27 mitunterzeichnenden Ratsmitgliedern wird folgendes Postulat eingereicht:
Text:
Der zweistufige Steuersatz für juristische Personen sei durch
einen Einheitssatz zu ersetzen, vorzugsweise von 7%.
Begründung:
Der Steuersatz für juristische Personen ist heute zweistufig.
Er beträgt 7% auf dem 5% des Eigenkapitals nicht übersteigenden Teil des Reingewinns, mindestens aber auf den
ersten Fr. 100'000.-- des steuerbaren Reingewinns; 11% auf
dem übrigen Reingewinn.
Dieser Tarif ist schwer verständlich und liegt im Vergleich
zu anderen Industriekantonen relativ hoch. Andere Kantone,
u.a. der benachbarte Wirtschaftskanton Zürich, gehen vom
komplizierten mehrstufigen Tarif weg und führen ebenfalls
einen Einheitssatz ein. Der neue Einheitssatz im Kanton
Zürich beträgt ab 1.1.2005 8% (bisher maximal 10%). Der
Einheitssatz ist zu multiplizieren mit dem Steuerfuss. Der
Steuerfuss beträgt im Kanton Aargau einheitlich 184%,
Die Feststellungen in gewissen Publikationen von Grossbanken, wonach im Aargau ein günstiges Steuerklima herrsche, mag für die Vergangenheit gegolten haben. Die nachfolgenden Beispiele zeigen überdeutlich, dass die Gefahr
besteht, dass der Aargau seine Chancen nicht wahrnimmt.
Beispiel:
Kanton Aargau heute: 11% Steuersatz nach Steuern * 184%
= 20.24%. Die Steuerschuld kann als Aufwand abgesetzt
werden. Vor dem Abzug der Steuern werden deshalb bloss
16.63% erhoben. Dazu kommt die direkte Bundessteuer von
7.9% vor Steuern. Der Gesamtsteuersatz im Kanton Aargau
beträgt demzufolge 24.73% des steuerbaren Gewinns vor
Steuerabzug.
Kanton Zug: 7% Steuersatz nach Steuern vor Multiplikation
mit dem Steuerfuss; 11.2% nach Multiplikation mit dem
Steuerfuss (Stadt Zug); vor dem Steuerabzug ergibt sich ein
Satz von 10.1% zuzüglich 7.9% Bundessteuer. Der Gesamtsteuersatz im Kanton Zug (Stadt Zug) beträgt demzufolge
18.0% des steuerbaren Gewinns vor Steuerabzug.
3525
19. Oktober 2004
Art. 2146
Kanton Zürich heute: Der Steuersatz beträgt heute i.d.R.
10%. Er ist mit dem Steuerfuss zu multiplizieren, der z.B. in
Zollikon 179.08% beträgt. Vor Steuerabzug beträgt der Satz
15.23% zuzüglich 7.9% Bundessteuer. Der Gesamtsteuersatz im Kanton Zürich (Gemeinde Zollikon) beträgt demzufolge heute 23.13% des steuerbaren Gewinns vor Steuerabzug. Auf den 1.1.2005 wird der Steuersatz im Kanton Zürich
auf 8% reduziert. Multipliziert mit dem Steuerfuss ergibt
sich 14.38% nach Steuern, resp. 12.57% vor Steuern, zuzüglich 7.9% Bundessteuer. Der Gesamtsteuersatz im Kanton
Zürich (Gemeinde Zollikon) beträgt demzufolge ab 2005
20.5% des steuerbaren Gewinns vor Steuerabzug.
2146 Bremgarten-Dietikon-Bahn;
Streckensanierung
Rudolfstetten-Reppischhof und Ausbau Ausweich- und
Haltestelle Reppischhof; 6. und 7. Vereinbarung über
Investitionsbeiträge des Kantons; Anpassung des Richtplans; Festsetzung des Ausbaus Station Reppischhof
(Kapitel V 3.3); Eintreten; Detailberatung; Kreditbewilligung; Ermächtigung an Regierungsrat; fakultatives
Referendum; Auftrag an Staatskanzlei
Die Steuersätze in anderen günstigen Ländern betragen z.B.
17.5% in Hong Kong, 0% im EU-Land Estland (wobei
Ausschüttungen anfänglich mit bis zu 32%, später mit 20%
besteuert werden), ca. 15% in Irland. Auch traditionelle
Hochsteuerländer wie Deutschland, UK, etc. haben ihre
Spitzensteuersätze gesenkt. Die Belastung in diesen Ländern
liegt aber immer noch in der Grössenordnung von 40%.
Vorsitzender: Wir fahren fort mit der Behandlung der Vorlage und sind bei den Eintretensvoten der Fraktionssprecher.
Die gesamte Steuerbelastung ist bei der Standortevaluation
von juristischen Personen von grösster Bedeutung. Der
Kanton Aargau ist mit einer Gesamtbelastung von 25% am
oberen Rand der eher steuergünstigen Standorte. Er kann
mit steuergünstigen Gemeinden im Kanton Zürich, mit dem
Kanton Zug und mit günstigen ausländischen Standorten
nicht mithalten.
Gegenüber Offshore-Standorten hat die Schweiz gewichtige
Vorteile anzubieten: Sie verfügt über ein weitverzweigtes
Doppelbesteuerungsabkommensnetz. Sie muss deshalb an
ihren Standorten nicht günstiger sein als diese Domizile.
Auch die neuen EU-Länder, welche mit günstigen Steuersätzen die Ansiedelung von Unternehmungen fördern wollen,
sind nur dann echte Konkurrenten für die Schweiz, wenn sie
auch in anderen Bereichen gleichziehen können. Die
Schweiz hat hier noch klare Vorteile. Wenn der Steuerabstand aber zu gross wird, dann werden steuerliche Faktoren
entscheidend. Die Besteuerung sollte m.E. um nicht mehr
als 5% von diesen Standorten abweichen, heute ist der Aargau rund 10% teurer.
Mit einer Reduktion des Basissteuersatzes auf 7% könnte
der Aargau mit dem Kanton Zug gleichziehen. Der Aargau
hat indessen gegenüber dem Kanton Zug als Wirtschaftsstandort für grössere Unternehmen erhebliche Vorteile
aufzuweisen: Vernünftige Bodenpreise, vernünftige Wohnungspreise, eine bessere Verkehrserschliessung etc. Die
Steuerfuss-senkung würde im Aargau mehr bringen als in
Zug.
Finanziell wäre die Senkung für den Kanton verkraftbar.
Einerseits werden künftig weitere Gelder aus dem Verkauf
der Goldreserven fliessen, andererseits beträgt der gesamte
Steuerertrag der juristischen Personen bloss ca. 300 Mio.,
während der gesamte Steuerertrag sich auf 1.65 Milliarden
beläuft. Die Senkung auf 7% würde Einnahmenausfälle von
schätzungsweise 50 Mio. verursachen. Mit den zusätzlichen
Steuererträgen, die durch die neu angesiedelten Betriebe
anfallen würden, dürfte sich kurzfristig insgesamt etwa ein
Nullsummenspiel ergeben, längerfristig ist gar mit steigenden Steuereinnahmen zu rechnen.
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(Vorlage vom 30. Juni 2004 des Regierungsrats samt Änderungsanträgen vom 30. August 2004 der Verkehrskommission, denen der Regierungsrat zustimmt)
Roger Fricker, SVP, Oberhof: Ich spreche im Namen der
SVP-Fraktion. Wir haben die vorliegende Botschaft intensiv
beraten. Wir unterstützen die Sanierungsstrecke Rudolfstetten-Reppischhof und den Ausbau der Haltestelle Reppischhof. Die Bremgarten-Dietikon-Bahn leistet im Öffentlichen
Verkehr für die Region Mutschellen einen wichtigen Dienst.
Sie ist kompetent geführt und weist mit über 47% einen sehr
hohen Kostendeckungsgrad aus. Sehr viele Pendler benutzen
die Bremgarten-Dietikon-Bahn, sie sind auf eine gute Infrastruktur angewiesen. Das vorliegende Projekt verbessert
diese Infrastruktur. Wir sind uns aber auch bewusst, dass in
den nächsten Jahren auch neues Rollmaterial beschafft
werden muss und damit auch weitere Investitionen nötig
sein werden. Wir unterstützen die Änderungsanträge, wie sie
aus der Beratung der Verkehrskommission vom 30. August
2004 hervorgingen. Zusätzlich stellen wir aber bei Antrag 2
noch einen Kürzungsantrag: Das ganze Projekt sei um
500'000 Franken zu kürzen, d.h. bei Antrag 3.1 ist eine
Kürzung von 350'000 Franken und bei Antrag 3.2 eine
Kürzung von 150'000 zu vollziehen.
Wir von der SVP sind überzeugt, dass diese Kürzung um
500'000 Franken das vorliegende Projekt nicht gefährdet.
Diese Einsparungen müssen ganz nach dem Motto des
Baudepartements, das ja für das Jahr 2004 heisst: "Das
Unmögliche ist oft nur die andere Möglichkeit", gemacht
werden!
Annalise Schweizer, Grüne, Zufikon: Ich spreche im Namen
der Fraktion der Grünen. Wir unterstützen die Investition
und danken der Regierung dafür. Wir unterstützen aber
nicht, dass man bei der Vororientierung zwei Dinge rausgekippt hat. Dazu werden wir einen Antrag stellen. Wir wollen
eine andere Finanzierungsart und werden dazu zwei Anträge
stellen.
Max Chopard-Acklin, SP, Obersiggenthal: Ich spreche im
Namen der SP-Fraktion. "Mehr Sicherheit für Bahn, Strasse
und Fussgänger!" Unter diesen Titel stelle ich mein Eintretensreferat im Namen der SP-Fraktion. Das vorliegende
Geschäft zur Streckensanierung der Bremgarten-DietikonBahn im Bereich Rudolfstetten und der gleichzeitige Ausbau
der Ausweich- und Haltestelle Reppischhof sind dringend
notwendig. Mit diesem Projekt wird nicht nur die Attraktivität der Bahn gefördert. Darüber hinaus werden vor allem
auch gewichtige Sicherheitsdefizite beseitigt. Ich denke an
das instabile Trassee mit Befestigungen in desolatem Zustand und ich denke an den viel zu knappen Abstand zwischen Strasse und Bahn, der den gesetzlichen Vorgaben
notabene nicht mehr entspricht. Die Haltestelle Reppischhof
Art. 2146
ist sehr eng und unmittelbar am Strassenrand. Es gibt bis
heute keinen Wetterschutz. Bei diesem Huddelwetter möchten Sie dort sicher nicht stehen. Es gibt auch keinen Warteraum zwischen Zug und Strasse. Fussgänger leben gefährlich, da auch ein Gehsteig bis heute fehlt. Kommt dazu, dass
im Bereich dieser dringend notwendigen Streckensanierung
die ziemlich enge Brücke Reppischhof liegt. Laut Auskunft
von Herrn Zimmermann, Leiter der Sektion Öffentlicher
Verkehr, führte dieses Engnis schon mehrfach zu unkontrollierten Überschwemmungen, die auch den Betrieb der Bahn
beeinträchtigen können. Der Handlungsbedarf ist also klar
nachgewiesen. Diese Strecke ist gerade auch zur Bewältigung der täglichen Pendlerströme im Grossraum AargauZürich wichtig. Eine attraktive Bahn hilft, den Strassenverkehr flüssig zu halten.
Das vorliegende Projekt ist ausgewogen und finanzierbar.
Ein gewichtiger Finanzierungsanteil von 43% am Gesamtprojekt ist von Bundesseite noch zugesichert. Da das Projekt
unvernünftigerweise und aus kurzsichtigen finanzpolitischen
Überlegungen jahrelang immer wieder hinausgeschoben
wurde, würden diese Bundesgelder bei einer weiteren Verzögerung verfallen. Die SP-Fraktion fordert Sie auf, den
Anträgen, wie sie aus den Beratungen der Verkehrskommission hervorgegangen sind - Sie sehen diese auf der rosa
Synopse - jetzt zuzustimmen! Machen Sie heute Nägel mit
Köpfen für mehr Sicherheit von Bahn, Strasse und Fussgängern!
Rudolf Kalt, CVP, Spreitenbach: Ich spreche im Namen der
CVP-Fraktion. Die Bremgarten Dietikon-Bahn hat sich in
den letzten Jahren erfolgreich entwickelt. Dies ist einerseits
auf ein vorbildliches Engagement und die Kreativität der
Betriebsleitung, andererseits auf den Bau von neuen Haltestellen und zusätzlichen betrieblichen Verbesserungen zurückzuführen. Nun gilt es, ein weiteres Projekt zu realisieren. Nur mit diesem wird es gelingen, das gute Angebot
auch in Zukunft auf hohem Standard zu stabilisieren. Vertiefte Abklärungen haben gezeigt, dass der früher vorgesehene durchgehende Doppelspurausbau zwischen Rudolfstetten und Reppischhof nicht notwendig ist. Dringend sind aber
die Vergrösserung des Abstandes zwischen Schiene und
Strasse, die Erneuerung der Gleisanlagen, die Sanierung
diverser Bahnübergänge, der Bau einer neuen Brücke über
die Reppisch und schliesslich der Ausbau der Haltestelle auf
den bei der BD und anderen Bahnen üblich hohen Standard.
Die Kosten für das ganze Projekt sind zwar hoch, aber wie
vertiefte Planungen und Zusatzabklärungen gezeigt haben,
ausgewiesen und zwingend notwendig. Eintreten auf die
Vorlage ist für die CVP-Fraktion daher unbestritten.
Wir stimmen den Anträgen 1 und 2 sowie 4-6 vorbehaltlos
zu. Zu Diskussionen Anlass gaben - wie schon in der Kommission - die Anträge 3.1 und 3.2. Strittig ist, wie viel vom
Gesamtkredit der Strassenkasse angelastet werden soll. Hier
besteht - weil klare gesetzliche Definitionen fehlen - ein
gewisser Ermessensspielraum. Die Regierung hat diesen in
der Botschaft eher grosszügig ausgelegt. Dies hat bereits im
Vorfeld in den Kommissionsberatungen zu einer Referendumsdrohung seitens des TCS geführt. Auch wenn dieses
Vorgehen heute leider immer üblicher wird, darf sich der
Grosse Rat durch solche Interventionen nicht einschüchtern
lassen! Er hat vielmehr bei jeder Vorlage abzuwägen, was
angemessen bzw. vertretbar ist. Die Kommission hat diese
Diskussion gründlich geführt und schliesslich einen Kompromiss gefunden, bei dem die ursprünglich vorgesehene
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Summe um 500'000 Franken gekürzt wird. Mit dem neuen
Verteilschlüssel werden nach Meinung der CVP nicht - wie
es heute in einem Inserat steht - die Strassen skandalös
geschröpft, sondern der gefundene Kompromiss ist vertretbar. Aus diesem Grund stimmt die CVP den Anträgen 3.1
und 3.2 in der Fassung der Verkehrskommission ohne Gegenstimme zu. Ich bitte Sie, dies ebenfalls zu tun und allfällige Kürzungsanträge abzulehnen!
Vorsitzender: Wir kommen zu den Einzelvoten.
Daniel Knecht, FDP, Windisch: Ich finde, die vorliegende
Vorlage ist eine gute Vorlage. Das Projekt ist in Ordnung
und soll auch gebaut werden. Wenn ich mich jetzt kurz
auslasse, dann spreche ich zur Finanzierung. Sie wissen ja
alle, dass die Staatskasse Not leidet. In solchen Situationen
sucht man natürlich immer, wo es noch Geld hat, das man
sich zu Nutze machen kann. Die Botschaft, die in die Vernehmlassung geschickt wurde, war etwas ehrlicher. Da
wurde nämlich direkt geschrieben, dass man eine Million
der Strassenkasse entnimmt, weil man es einfach nötig hätte.
In der vorliegenden definitiven Vorlage wurde das etwas
verbrämt; dies wohl aufgrund der Vernehmlassungsantworten. Ich spreche hier dazu, weil das Vorgehen natürlich
etwas System hat. Ein erstes Mal ging dieses Vorgehen gut,
als man nämlich Geld für die S-Bahnhaltestelle bei Mellingen abzwackte. Da haben die Strassenverbände mit Knurren
zugestimmt. Man sah die Situation und konnte nicht einfach
nur zu allem Nein sagen und sagte, dass das auch der Strasse
etwas bringen würde. Man schluckte dort die Kröte. Jetzt
wird nochmals eine aufgetischt. Sie wurde durch die Kommission halbiert, aber sie bleibt natürlich immer noch eine
Kröte. Sie ist meiner Beurteilung nach angesichts der Situation akzeptabel. Ich fordere den Regierungsrat aber schon
auf, es nun bei dieser halben Kröte bewenden zu lassen und
bei einer dritten Vorlage nicht wieder mit einer so guten
Idee zu kommen! Die Strassenprojekte sind am Laufen, jetzt
gerade zusätzlich mit dem, was jetzt alles gleichzeitig läuft
und dort wird das Geld auch gebraucht.
Ich möchte deshalb hier nochmals meine Bedenken kundtun.
Ich fordere den Regierungsrat auch auf, das Spielfeld jetzt
sauber abzustecken, indem der Auftrag wahrgenommen und
ein Dekret erarbeitet wird, wie ich es seinerzeit in meiner
Motion verlangt habe, damit das Spielfeld nachher nicht nur
eben, sondern eben auch klar abgesteckt ist und man weiss,
was zulässig ist und was nicht! Ich fordere Sie auf, diese
servierte Kröte halt mit einem Knurren zu schlucken! In
Zukunft sollen solche Dinge aber nicht mehr gebracht werden. In diesem Sinne stimme ich auch dem Vermittlungsantrag der Kommission zu.
Vorsitzender: Aus dem Plenum liegen keine weiteren
Wortmeldungen dazu vor.
Regierungsrat Peter C. Beyeler, FDP: In diesem Fall darf
ich wirklich sagen, dass ich für die positive Aufnahme
dieser Botschaft danke! Es ist so - und das beschäftigt uns
schon lange -, dass wir im Rahmen der Budgetdebatte immer wieder diese Projekte der BDWM vor uns hergeschoben
haben und damit an die Grenzen gekommen sind bezüglich
dem Termin des Vollzugs der sechsten und siebten Vereinbarung betreffend ÖV-Sanierung, die dann wegfallen würde.
Wir sind nun ganz klar gefordert, dass wir diese Entscheidung bezüglich dieses Projekts fällen, damit die Umsetzung
noch termingerecht stattfinden kann.
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Sie sehen auf Seite 17 der Botschaft, dass gesamthaft 16,9
Mio. Franken als Budget vorgesehen sind. Wir entscheiden
hier nicht über einen Bruttokredit, sondern über einen Beitrag zu einem Bruttokredit. Dieser Beitrag wurde ausgemittelt und ausdiskutiert im Rahmen dieser Kostenteilung, die
für diese Projekte gelten. Da sind der Bund, der Kanton
Zürich, die Gemeinden und die Bahnen involviert. Ich sage
das speziell, denn wenn wir nun eine Reduktion des ganzen
Kredits bestimmen, so wie das der Antrag Fricker um
500'000 Franken für den Teil des Kantons Aargau will, dann
bedeutet das für das ganze Projekt 1,2-1,3 Mio. Franken,
weil ja der Kanton nur diese 43% finanzieren muss. Es kann
nicht angehen, dass jeder Kreditantrag, den wir bringen, um
zehn oder mehr Prozente gekürzt wird! Man kann nicht
damit rechnen, dass sämtliche Vergaben wieder mit grossem
Vergabegewinn gemacht werden, weil diese Kalkulation auf
aktuellen Preisen basiert. Wir müssen Reserven haben,
gerade bei diesem Projekt. Wir werden diese nur nützen,
wenn es absolut notwendig ist. Wenn wir einen Zusatzkredit
bräuchten, dann müssten die Kreditbeantragungen beim
Bund, beim Kanton Zürich, bei uns und in allen Organisationen stattfinden. Ich bitte Sie von daher gesehen, nicht auf
den Antrag der SVP einzugehen!
Ich habe mich immer zu einem guten und kostenbewussten
Bauen verpflichtet. Nicht billig, aber kostenbewusst. Man
kann jetzt natürlich diskutieren, ob eine Unterführung drei
oder vier Meter breit sein muss oder auch andere Details. Im
Grundsatz haben wir aber ein kostenbewusstes Bauen in den
letzten vier Jahren umgesetzt. Darum bitte ich Sie, diesen
Antrag nicht zu gewähren!
Dem Antrag der Kommission, nur 500'000 Franken zwischen der Strassenkasse und der laufenden Rechnung zu
verschieben, hat die Regierung zugestimmt. Ich bitte Sie,
diesem Antrag ebenfalls zuzustimmen! Die Diskussion um
die Strassenkasse bewegt sich hier in einem Ermessensspielraum und ich darf bestätigen, dass der Ermessensspielraum
ein bisschen zu Gunsten der laufenden Rechnung verschoben wurde, aber nicht so, dass wir es nicht hätten verantworten können, denn das Gesetz lässt diese Interpretation, wie
sie der Regierungsrat anstellt, zu. Aber dennoch meine ich
im Sinne der Sache, dass dieser Kompromiss, den Ihnen die
Kommission vorträgt, ein guter Kompromiss ist. Die Regierung kann dahinter stehen. Ich bitte Sie, den Anträgen mit
dem Kommissionsabänderungsvorschlag zuzustimmen und
diesem wichtigen Projekt eine Chance zu geben!
Vorsitzender: Eintreten ist nicht bestritten. Sie sind somit
auf das Geschäft eingetreten. Wir kommen zur Detailberatung.
Detailberatung
Lieni Füglistaller, SVP, Rudolfstetten: Die SVP Aargau
dankt der Regierung, dass mindestens drei ihrer Anliegen in
die vorliegende Botschaft Aufnahme gefunden haben und
sich hoffentlich auch bei der Ausführung verwirklichen
lassen.
1. Der Ausbau der Haltestelle Reppischhof muss wirklich
massvoll sein. Schon beim Projekt Ausbau Bahnhof Rudolfstetten vor einigen Jahren sah die Planung eine 105
Meter lange Perronüberdachung vor. Ich konnte den damaligen Baudirektor von solchem Planungsunsinn überzeugen.
Gebaut wurde eine ansprechende Lösung. Gleichermassen
soll man sich die Perronüberdachung - geplant sind jetzt 40
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Art. 2146
Meter - im Reppischhof nochmals überlegen! Heute ist
überhaupt kein Wetterschutz irgendwelcher Art vorhanden.
Die verhältnismässig kleine Zahl der Fahrgäste, welche im
Reppischhof ein- und aussteigen, rechtfertigt eine Perronüberdachung von 40 Metern in keiner Weise! 40 Meter,
damit Sie sich das vorstellen können, ist mindestens so lang
wie heute der Durchmesser dieses Gebäudes. Also bitte:
Anpassen und Kosten/Nutzen rechnen. Das Projekt ist in
diesem Sinne zu redimensionieren!
2. Der Fussgängerübergang alte Mühle in Rudolfstetten ist
zusammen mit der Zufahrt Gwindenstrasse zu verbessern.
Die Gwindenstrasse dient als Zufahrt zur Gewerbezone
Grossmatt. Schon jetzt ist diese Zufahrt für LKWs, welche
vom Reppischtal her kommend einbiegen möchten, schwierig bis unmöglich zu befahren. Es bleibt als nur der Weg
durch die Tempo 30 Zone, also mitten durchs Wohngebiet.
Diese Einfahrt ist nicht noch weiter zu verschlechtern! Der
Aspekt der Zufahrt zu den Arbeitsplätzen ist bei weitem
stärker zu gewichten als der sehr wenig genutzte Fussgängerübergang zur alten Mühle. Die geplante Mittelinsel auch wenn diese überfahren werden kann - verschlechtert
den Standort der Gewerbebetriebe in der Grossmatt nochmals deutlich, da der Zugang mit grossen LKWs kaum mehr
möglich sein wird. Das Trassee der Bahn und der geplante meiner Meinung nach - unnötige Fussgängerübergang, sollte
deshalb zu Gunsten einer besseren Zufahrt in die Gewerbezone gebaut werden. Auch hier könnte man, wenn man
wollte, durch eine Optimierung Kosten einsparen und eine
erhöhte Sicherheit für Bahn und Fussgänger erreichen.
3. Nachdem weitere Teilprojekte mit einem grossen Finanzbedarf folgen werden - Doppelspur Bremgarten-Bibenlos,
Verlegung Ausweich- und Haltestelle Heinrüti und die
Sanierung der Reussbrücke - sind wir der Meinung, dass
durch entsprechend aufgezeigte Optimierungen und Redimensionierungen weitere Kosten eingespart werden können.
Die Bahn hat heute schon einen guten Auslastungslevel,
welcher sich wohl kaum durch luxuriöse Ausbauten steigern
lässt. Mindestens lässt der Ausbau der Strecke zwischen
Zufikerrank und Heinrütirank kaum den Schluss zu, dass
hier ein entsprechend kleiner Sparwille vorhanden ist. Sie
müssen diese Kunstbauten einmal anschauen. Da blieb kein
Stein auf dem andern und man hat alles versucht, wirklich
Kosten in diese Anlagen hineinzubuttern. Die BDWMTransport AG wird sehr gut geführt und es wäre wahrscheinlich weitaus klüger, noch etwas ins Marketing und in
die Werbung zu investieren, als in solch überdimensionierte
Ausbauten!
Wie angekündigt, wird die SVP-Fraktion an ihrem Antrag
zur entsprechenden Kostenreduktion festhalten und diesen
auch präzise stellen. Wir haben in unserer Vernehmlassung
bemängelt, dass jeweils unsere Anliegen kaum ernst genommen werden und es liegt nun am Baudepartement zu
beweisen, dass unsere Anregungen und Vorschläge auch bei
der Ausführung zum Tragen kommen und nicht nur in der
Botschaft erwähnt werden! Gerne werden wir auch die
Realisierung in diesem Sinne überwachen. Ich lade Sie ein,
unseren Anträgen zu einer massvollen Kürzung zuzustimmen!
Vorsitzender: Aus dem Plenum liegen keine weiteren
Wortmeldungen dazu vor.
Regierungsrat Peter C. Beyeler, FDP: Nur ganz kurz: Ich
kenne natürlich nicht alle Details, aber der Fussgängerstrei-
Art. 2146
fen und diese Übergänge wurden geplant und ich nehme an,
dass die Gemeinde involviert wurde. Ich kann versichern,
dass wenn die Gemeinde anderer Meinung wäre bzw. meint,
dass man das noch optimieren kann, dann werden wir das
sicher tun. Es fragt sich einfach, ob wir auf die Vernehmlassung der SVP eingehen oder auf die Gemeinde. Ich meine,
die Gemeinde ist die Ansprechpartnerin und wir werden das
sicher noch nachvollziehen. Ich kann aber nicht auf die
einzelnen Details eingehen, ausser beim Perrondach.
Ich halte fest, dass klare Erwartungen an den Öffentlichen
Verkehr gestellt werden. Wenn wir in Baden oder in Brugg
die Perrondächer verlängern, dann ist das aus der klaren
Überzeugung heraus - und die Zahlen zeigen das auch -,
dass der Öffentliche Verkehr nur dann aufgenommen wird,
wenn er einen bestimmten Standard hat. Dazu zählen nun
mal Perrondächer und Bushäuschen. Für die Züge - das
sollen aufgrund der hohen Frequenz Doppelkompositionen
werden - wurde ein Minimum von 40 Metern Länge gefunden. Früher waren es 105 Meter. Ich glaube, das sind Entwicklungen, die man durchaus vertreten soll und kann. Da
wäre das Sparen am falschen Ort. Wir werden uns aber
wirklich bemühen, hier einen effektiven und effizienten Bau
zu vollziehen und auf Schnörkel und andere Details verzichten. "In den Bau zu buttern", das ist eine Sprache, die ich
nicht kenne und die werde ich auch in Zukunft nicht kennen.
Dafür verbürge ich mich!
Vorsitzender: Wir kommen somit zu den Anträgen. Ich bitte
Sie, die rote Synopse zur Hand zu nehmen.
Antrag 1
Annalise Schweizer, Grüne, Zufikon: Ich spreche im Namen
der Fraktion der Grünen. Wir stellen folgenden Antrag: "Der
Regierungsrat soll die Vororientierung im Richtplan der
Haltestelle Alte Mühle und die Personenunterführung Süd
nicht streichen, sondern neu überdenken." Dies obwohl wir
wissen, dass es in der Kompetenz des Regierungsrats ist,
eine Vororientierung im Richtplan zu streichen oder anzupassen.
Vorsitzender: Zu Antrag 1 liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Frau Schweizer hat einen Zusatzantrag gestellt.
Regierungsrat Peter C. Beyeler, FDP: Ich meine, dass der
Regierungsrat dies überprüft hat und den Antrag aus der
Überzeugung stellt, dass man hier im Richtplan keine Projekte führen soll, die in den nächsten 10-15 Jahren nicht
realisiert werden können. Deshalb meine ich, sollte dem
Zusatzantrag Schweizer nicht entsprochen werden. Wir
möchten auch keine Projekte im Richtplan führen, die nicht
der klaren Strategie eines effizienten Bahnbetriebs - auch für
den Benützer - optimal dienen. Ich bitte Sie, dem Zusatzantrag nicht zu entsprechen!
Vorsitzender: Antrag 1, wie er auf der roten Synopse aufgeführt ist, ist unbestritten.
Zustimmung
Vorsitzender: Frau Schweizer stellt einen Zusatzantrag zu
Antrag 1, der wie folgt lautet: "Der Regierungsrat soll die
Vororientierung im Richtplan der Haltestelle Alte Mühle
und die Personenunterführung Süd nicht streichen, sondern
neu überdenken (Kompetenz des Regierungsrats)."
19. Oktober 2004
Abstimmung:
Der Zusatzantrag Schweizer wird mit grosser Mehrheit, bei
5 befürwortenden Stimmen, abgelehnt.
Antrag 2
Vorsitzender: Hierzu liegt ein Antrag vor.
Roger Fricker, SVP, Oberhof: Ich spreche im Namen der
SVP-Fraktion. Ich stelle Ihnen folgenden Antrag zu Antrag
2: "Kürzung des Verpflichtungskredits um Fr. 500'000.-- auf
neu Fr. 6'787'200.--." Begründung: Es ist unschwer festzustellen, dass der Ausbaustandard auf der heutigen Bahnanlage sehr hoch ist. Der kürzlich erfolgte Ausbau zwischen dem
Zufikerrank und dem Heinrütirank beweisen das eindrücklich. Wir sind der Ansicht, dass durch eine Projektoptimierung einiges eingespart werden kann. Der sehr luxuriöse
Ausbau im Reppischhof könnte sicher redimensioniert
werden. Zum 40 Meter langen Perrondach sei in Klammern
gesagt: Das kann man doch nicht ganz mit Brugg oder Baden vergleichen. Es sind dort auch nicht so viele Personen,
die ein- und aussteigen. In der Kommission wurde uns
gesagt, dass es sich hier um 40-60 Personen handelt. Die
vier Meter breite Unterführung müsste im Hinblick auf die
Kosten überprüft werden. Unserer Ansicht nach müsste
dieses Projekt redimensioniert werden. Ebenso dürfte der
stattfindende Wettbewerb bei der Arbeitsvergabe zu deutlich
günstigeren Angeboten führen. Die SVP hat ja bereits in der
Vernehmlassung eine Kostenreduktion gefordert. Ich bitte
Sie im Namen der SVP-Fraktion, dieser Kürzung zuzustimmen!
Vorsitzender: Aus dem Plenum liegen keine weiteren
Wortmeldungen dazu vor.
Dr. Beat Edelmann, CVP, Zurzach, Präsident der Verkehrskommission: Dieser Zusatzantrag der SVP-Fraktion wurde
in der Kommission nicht gestellt. Wir konnten uns also nicht
darüber unterhalten. Ich empfehle Ihnen, diesen Antrag
abzuweisen! Es kann hier im Parlament nicht darum gehen,
am Projekt Detailarbeit zu leisten. Das ist nicht unsere Aufgabe. Wir wären überfordert und würden vermutlich auch
nicht das Richtige tun. Das Parlament hat über das Projekt
als Ganzes zu entscheiden und ich denke, dass es hier der
falsche Moment wäre, am Projekt herumzuflicken. Ich bitte
Sie deshalb, diesen Antrag abzuweisen!
Regierungsrat Peter C. Beyeler, FDP: Ich kann Sie versichern, dass wir schon einiges an diesem Projekt abgespeckt
haben. Es war mal - ganz früher - ganz anders, als man noch
andere Projekte machte. Aber ich möchte doch sagen, dass
es über Unterführungen klare Erkenntnisse gibt: Wenn diese
schmal sind, werden sie vom Publikum nicht aufgenommen.
Personen haben Angst, durch eine zwei Meter breite Unterführung zu gehen. Das ist eine Tatsache. Also entweder
macht man etwas, das akzeptiert wird oder man lässt es sein.
Wieso brauchen wir diese Unterführung? Einerseits bahnund sicherheitstechnisch, aber sicher auch im Zusammenhang mit der Strasse. Wir müssen einfach sehen, dass diese
Strasse hochbefahren ist mit ca. 17'000 Fahrzeugen pro Tag.
Deshalb brauchen wir diese Unterführung. Es ist bei jeder
Investition immer wieder zu überlegen, ob wir nicht am
falschen Ort sparen. Hier aber glaube ich, sparen wir am
falschen Ort!
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Art. 2146
Ich versichere nochmals, dass ich alles daransetze, dass hier
das Geld wirklich nicht - wie haben Sie gesagt, Herr Füglistaller? - "herausgebuttert" wird, sondern dass wir das
nochmals überarbeiten. Ich habe bei allen Projekten ein
Triumvirat, das alle grossen und kleinen Projekte überprüft,
um zu schauen, wo es noch Potential zu nutzen gibt. Das
werden wir hier auch tun. Das versichere ich. Aber nochmals: Wir brauchen gewisse Reserven. Insbesondere bei
diesem Projekt, weil sehr viele Kostenbeteiligte darin involviert sind. Das gilt es zu berücksichtigen. Wenn wir selbst
über den ganzen Kredit verfügen könnten, dann könnte man
das noch etwas anders angehen. Aber in diesem Fall bitte
ich Sie, den Antrag der SVP, den ich jetzt gut gehört habe,
abzulehnen!
erhöht. D.h. konkret, dass wir von der Quantität der Bezüger
her auf der BD-Bahn viel höhere Frequenzen antreffen
werden. D.h. doch konkret, dass die Autoverbände - der
TCS, der ein Lobbing betrieben hat - auch ein Interesse
daran haben müssten, ebenso wie die Autofahrer, die nicht
umsteigen können, die Umwelt und die höhere Ausnützungsziffer, dass immer mehr Menschen auf den ÖV umsteigen und somit die Kantonsstrasse entlasten! Mit gutem
Gewissen kann man sagen, dass wir die Kantonsstrasse
entlasten, indem immer mehr Leute auf den Öffentlichen
Verkehr umsteigen müssen und die Wirtschaft durch eine
höhere Verdichtung profitiert. Das ist eigentlich wirklich
zum Vorteil dieser Interessengruppen, die ich vorhin genannt habe. Ich bitte Sie, unseren Antrag zu unterstützen!
Lothar Brünisholz-Kämpfer, SP, Zofingen: Ich bin seit 41
Jahren Eisenbahner und ich möchte der SVP Folgendes
sagen: Die Perronlänge wird bestimmt durch die Länge der
Züge. Das BAV schreibt vor, dass bei Zügen, die länger sind
als die bestehenden Perrons, die überhängenden Wagen
abgeschlossen werden müssen. Dies erfordert Personal. Die
BDWM ist schaffnerlos geführt bzw. hat nur einen Wagenführer. Dieser kann die Wagen aber nicht abschliessen.
Deshalb ist die Perronlänge von 105 Metern für einen Doppelzug gerechtfertigt. Zur Perronüberdachung: Es sieht so
aus, als wollte die SVP die Kunden, die ja möglicherweise
auch vom Individualverkehr weiter umsteigen auf die
BDWM im Regen stehen lassen. 40 Meter, das sind zwei
Wagenlängen. Das ist das Minimum von Überdachung, das
überhaupt erforderlich ist, wenn es überhaupt etwas nützen
soll. Sonst lassen wir die Überdachung ganz weg und lassen
die Leute tatsächlich im Regen stehen. Ich bitte Sie eindringlich, diesen Antrag abzulehnen!
Vorsitzender: Aus dem Plenum liegen keine weiteren
Wortmeldungen dazu vor.
Vorsitzender: Die SVP stellte den Antrag, den Verpflichtungskredit um Fr. 500'000.-- auf neu Fr. 6'787'200.-- zu
kürzen. Die Konsequenz, wenn Sie diesem Kürzungsantrag
zustimmen ist, dass in Antrag 3.1 der Betrag von 4,98 Mio.
Franken um 350'000 Franken auf 4,55 Mio. Franken gekürzt
wird, und in 3.2 wird der Betrag von 2,38 Mio. Franken um
150'000 Franken auf 2,23 Mio. Franken gekürzt. Wenn Sie
Ja sagen zum vorliegenden Antrag der SVP, dann kürzen Sie
automatisch in 3.1 und 3.2.
Abstimmung:
Regierungsrat Peter C. Beyeler, FDP: Diese Verschiebung
wäre nach unserer Interpretation nicht rechtens, das können
Sie so nicht tun! Die Verlagerung und auch die Entflechtung
von Strasse und Schiene, das waren die Hauptanliegen. Hier
eine Million zu verschieben, dafür hätten wir keine Begründung, dies wäre rechtlich fragwürdig, ohne jetzt in eine
Diskussion zu gehen, inwieweit die Umlagerung der Strasse
dient. Ich bitte Sie, sich hier an die Spielregeln zu halten!
Annalise Schweizer, Grüne, Zufikon: Ich habe gemeint, dass
ein Teil der Entlastung der Kantonsstrasse jetzt schon rechtlich abgesichert ist. Dann verstehe ich nicht, dass man diese
Million noch zusätzlich absichern kann. Es sollte meiner
Meinung nach eben rechtens sein.
Vorsitzender: Der Antrag von Frau Schweizer lautet: "In
Ziff. 3.1 ist ein Kantonsbeitrag von Fr. 3'400'800.-- statt Fr.
4'400'800.-- und in Ziff. 3.2 ein Kantonsbeitrag von Fr.
3'886'400.-- statt Fr. 2'886'400.-- zu beschliessen."
Abstimmung:
Der Antrag Schweizer wird mit grosser Mehrheit, bei 4
befürwortenden Stimmen, abgelehnt.
Anträge 3.1, 3.2, 4, 5 und 6
Zustimmung
Beschluss:
Für den Antrag der SVP-Fraktion: 57 Stimmen.
Dagegen: 108 Stimmen.
1.
Antrag 3
Das Ausbauvorhaben Station Reppischhof wird im kantonalen Richtplan festgesetzt.
Annalise Schweizer, Grüne, Zufikon: Ich spreche im Namen
der Fraktion der Grünen. In unserer Vernehmlassung haben
wir darauf hingewiesen, dass wir die beiden Konti auf der
Seite des Öffentlichen Verkehrs um 1 Mio. runterschrauben
möchten und dafür in der Frage 3.2 die eine Million zuhanden der Strassenkasse belastet. Zur Begründung: Es ist eine
Tatsache, dass der Mutschellen ein Wachstumsgebiet ist. Es
ist eine Tatsache, dass ein Drittel bzw. bis 37% der Leute
auf der BD-Bahn anzutreffen sind. Es ist aber auch eine
Tatsache, dass durch das Wachstum publikumsintensive
Anlagen erstellt wurden. Es gab neue Fachmärkte. Diese
haben wirklich als positives Signal eben die BremgartenDietikon-Bahn hervorheben können. Im Sinne, dass sehr
viele Gebiete auf Zufikoner Boden, Bremgartner Boden und
vermutlich auch Berikoner Boden in Sondernutzungsplanungen ausgeschieden wurden, wurde die Verdichtung
3530
2.
Für die Streckensanierung Rudolfstetten-Reppischhof und
den Ausbau der Ausweich- und Haltestelle Reppischhof
wird ein Verpflichtungskredit von Fr. 7'287'200.-- zuzüglich
Teuerung (Preisbasis 1. Quartal 2001) bewilligt.
3.
Die Finanzierung erfolgt durch:
3.1
Einen Kantonsbeitrag von Fr. 4'900'800.-- zuzüglich Teuerung (Preisbasis 1. Quartal 2001) gestützt auf § 12 Abs. 2 lit.
b des Gesetzes über den Öffentlichen Verkehr (ÖVG) zulasten Konto 6152.5642 Abteilung Verkehr, Investitionsbeiträge an Nebenbahnen.
Art. 2147-2148
3.2
Einen Kantonsbeitrag von Fr. 2'386'400.-- brutto zuzüglich
Teuerung (Preisbasis 1. Quartal 2001) zulasten der Strassenrechnung, Konto 6506.02.5642, Investitionsbeiträge an
Privatbahnen.
4.
Die Gemeinde Rudolfstetten hat sich dekretsgemäss mit
einem Betrag von Fr. 198'700.-- am Strassenanteil der Innerortsstrecke der K127 zu beteiligen.
5.
Der Regierungsrat wird ermächtigt, die 6. und die 7. Investitionsvereinbarung mit der Eidgenossenschaft, dem Kanton
Zürich und der BDWM Transport AG über die Finanzierung
der baulichen Massnahmen im Umfang der bewilligten
Kredite abzuschliessen.
6.
Es wird festgestellt, dass der Beschluss unter Ziffer 2 gemäss § 63 Abs. 1 lit. d der Kantonsverfassung dem fakultativen Referendum untersteht.
7.
Die Staatskanzlei wird mit der Publikation im Amtsblatt
beauftragt.
2147 Einbürgerungen; Kenntnisnahme
Gemäss schriftlicher Mitteilung hat die Einbürgerungskommission an ihrer Sitzung vom 14. September 2004 gestützt
auf § 29 Abs. 1 des Dekretes über die Geschäftsführung des
Grossen Rates (GO) die Einbürgerung von 406 ausländischen Staatsangehörigen gemäss vorliegender Liste (Nrn.
4984, 5121, 5364, 5480-5500, 5502-5549, 5551-5560, 55625650, 5652-5677, 5679, 5680 und 5235) beschlossen.
Vorsitzender: Aus der Mitte des Rats wird das Wort nicht
verlangt. Wir nehmen von den Einbürgerungen Kenntnis.
2148 Standesinitiative "Einbürgerungen"; Beschlussfassung bzw. Verabschiedung
(Bericht und Antrag vom 14. September 2004 der Einbürgerungskommission)
Bettina Ochsner, FDP, Oberlunkhofen, Präsidentin der
Einbürgerungskommission: Allgemeine Bemerkungen: Es
geht hier nicht um die Frage wer und ob wir einbürgern
wollen, sondern um die Frage wie. Daher kann diese Frage
sachlich und ohne grosse Emotionen geführt werden. Der
jährliche Zuwachs an Stimmberechtigten bewegt sich im
Rahmen von 2-3 Promillen. Was gab den Anstoss zur Initiative? Das Bundesgericht entschied am 9. Juli 2003, dass
Einbürgerungsentscheide an der Urne verfassungswidrig
sind. Damit hat sich das Bundesgericht auf den Standpunkt
gestellt, dass es sich hier um Verwaltungsakte handelt, d.h.,
es besteht der Anspruch auf eine Verfügung mit Anspruch
auf eine Begründung, - was bei einem Urnengang nicht der
Fall ist.
19. Oktober 2004
Der Inhalt der Initiative verlangt eine Ergänzung zu Artikel
38 der Bundesverfassung mit folgendem Zusatz: "Die
Stimmberechtigten jeder Gemeinde legen in der Gemeindeordnung fest, welches Organ das Gemeindebürgerrecht
erteilt. Der Entscheid des Bürgerrechts ist endgültig." Die
Frage des Kantons- und des Schweizer Bürgerrechts bleibt
offen.
Was geschah in der Zwischenzeit seit der Einreichung am
26. August 2003 und der Genehmigung durch den Grossen
Rat vom 9. Juni 2003? Es läuft eine Eidgenössische Volksinitiative mit dem genau gleichen Text. Die Sammelfrist
läuft bis 18. November 2005.
Die Motion der SVP-Fraktion des Kantons Solothurn mit
gleichem Wortlaut wurde am 17. März 2004 mit grossem
Mehr abgelehnt.
Die staatspolitische Kommission des Ständerats hat sich im
Juli und August 2004 der anstehenden Probleme angenommen. Der Herr Ständerat Dr. Thomas Pfisterer hat eine
Parlamentarische Initiative mit folgendem Inhalt eingereicht: "1. Die Kantone sollen selbständig sein und die Einbürgerungen an Gemeindeversammlung, Urne, Einwohnerrat usw. vornehmen können. 2. Das Bundesgericht soll
keinen Entscheid über Einbürgerungen fällen, aber Rügen
auf Verletzung der Verfahrensgarantie vornehmen."
Wie läuft heute eine Einbürgerung ab? Wir haben ein dreistufiges Verfahren: Gemeinde, Kanton und Bund. Die Gemeinde prüft die Unterlagen, prüft das Gesuch. Bern gibt,
wenn alles in Ordnung ist ebenfalls die Zustimmung. Nachher kommen sämtliche Dossiers in die Kommission, wo
jedes Dossier von 3-4 Mitgliedern begutachtet wird und die
offenen Fragen in der Kommission behandelt werden. An
der letzten Sitzung haben wir über 30 Gesuche von den 200
Einbürgerungsdossiers, welche bereits bei den Gemeinden
als positiv behandelt wurden, diskutiert und entschieden. Es
sind immer wieder Gesuche dabei, die auf Antrag der
Kommission zurückgestellt oder abgelehnt werden. Wir
stellen fest, dass die Gemeinden die Gesuche unterschiedlich
prüfen und entscheiden.
Wie wird in andern Kantonen eingebürgert? Der Kanton
Zürich entscheidet auf Kantonsebene, d.h. ein Amt und
keine politische Behörde - also weder Kantonsrat noch
Regierungsrat - sind in das Verfahren involviert.
Die Kantone Appenzell-Ausserrhoden, Bern, Basel-Land,
Basel-Stadt, Glarus, Schaffhausen, Schwyz, Solothurn, Zug
und Zürich haben ein Rechtsmittel gegen ablehnende Entscheide. Genfer-Gemeinden haben lediglich ein Antragsrecht und im Tessin werden die Gemeinden lediglich konsultiert. Einige Kantone schreiben die Zuständigkeit des
Gemeinderates vor.
Was bedeutet eine solche Initiative? Die Gemeindeordnung
müsste angepasst und der Gemeindeversammlung zur Abstimmung gebracht werden. Nachher muss zwingend an der
Urne abgestimmt werden, da das obligatorische Referendum
zum Zuge kommt. Im Kanton Aargau betrifft das ca. 230
Gemeinden. Gesamtschweizerisch haben wir ca. 3'000
Gemeinden! In der Gemeindeordnung müsste festgelegt
werden, wer zuständig ist: Dies könnte beispielsweise die
Gemeindeversammlung, Stimmberechtigte an der Urne, der
Gemeinderat, der Gemeindeammann oder eine Kommission
sein. Die Mitwirkung des Kantons bei der Erteilung des
3531
19. Oktober 2004
Kantonsbürgerrechts ist noch unklar. Das kantonale und
eidgenössische Bürgerrechtsgesetz müsste sicher angepasst
werden!
Die Initiative möchte die Rechtsgleichheit, ob dies in Anbetracht der vorgängig erwähnten Bemerkungen gewährt ist,
bleibt mehr als fraglich. Wir wollen letztlich für alle Einbürgerungswilligen eine möglichst faire und gerechte Einbürgerung.
Unter Berücksichtigung der heutigen Faktoren und der
bereits laufenden eidgenössischen Initiative und der Parlamentarischen Initiative von Herrn Ständerat Thomas Pfisterer, welche von 31 Ständeräten inkl. Maximilian Reimann
unterstützt wird und das Bürgerrechtsgesetz, das ebenfalls in
Bearbeitung ist, lehnte die Kommission mit Stichentscheid
des Präsidiums die Initiative ab.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und hoffe, dass ich
ein wenig Transparenz in die nicht ganz einfache Thematik
bringen konnte.
Vorsitzender: Wir kommen zum Eintreten. Stillschweigendes Eintreten hat die SD/FP-Fraktion signalisiert.
Gregor Biffiger, SVP, Berikon: Ich spreche im Namen der
SVP-Fraktion. "Lotterie romande", so nannten schon zu
unseren Zeiten an der Alma mater gestandene Rechtsprofessoren dann und wann das Bundesgericht. Auch dem Antrag
der Einbürgerungskommission in Sachen Standesinitiative
mutet etwas Zufallhaftes an. Nach einem Pattentscheid der
Kommission mit nachfolgendem Stichentscheid der Kommissionspräsidentin waren hehre und stichhaltige Gründe für
den Entscheid gefragt. Da wurde der Vorwurf der Doppelund Mehrfachspurigkeit erhoben. Da wurde von Kreisen,
denen sonst kein administrativer staatlicher Aufwand zu
gross ist, gerügt, bei Annahme der Standesinitiative müsse
jede Gemeinde ihre Gemeindeordnung anpassen und dieser
Mehraufwand könne den Gemeinden und der Stimmbürgerschaft nicht zugemutet werden. Da wurde einmal mehr die
rechtsungleiche Tendenz föderalistischer Entscheide angeprangert. Allen sonstigen zentralistischen Tendenzen zum
Trotz wurde auch die Einschränkung der kantonalen Autonomie auf Vorrat bejammert. Und last but not least wurde
auch noch gerügt, die Standesinitiative lasse die Rechtsweggarantie ausser Acht.
Dass der Regierungsrat argumentativ in die gleiche Kerbe
haut, ist zwar bedauerlich, erstaunt aber eigentlich niemanden mehr in diesem Saal! Das Denkschema ist mittlerweile
allseits bekannt und sogar bundesrätlich abgesegnet: Bei der
Ausübung von Rechten wird der Durchschnittsbürger als
"hirnamputiert" betrachtet. Dafür wird ihm bei der Erfüllung
staatlicher Pflichten regelmässig volle Zurechnungsfähigkeit
attestiert!
Mitte 2003 sprach das Bundesgericht überraschend ein
Verbot von Urnenabstimmungen zu Einbürgerungsverfahren
aus und setzte gegen negative Entscheide ein Rekursrecht
fest - ohne dass für ein solches Urteil eine Verfassungsgrundlage bestanden hätte. Dieser Bundesgerichtsentscheid
durchbrach Gemeindeautonomie und Gewaltentrennung! Er
setzte den Souverän als oberstes Organ in der direkten Demokratie ab!
Die Schweiz bezeichnet sich - zu Recht - als Willensnation,
geschaffen aus dem Willen, von Menschen unterschiedlicher
Kultur und unterschiedlicher Sprache, auf gemeinsam und
3532
Art. 2148
demokratisch geschaffener Verfassungs- und Rechtsgrundlage eine staatliche Ordnung der direkten Demokratie zu
schaffen und weiter zu entwickeln, wobei der föderalistische
Staatsaufbau jedem Einzelnen, aber auch jeder sprachlichen
und kulturellen Gruppe ein Maximum an Freiheit und Autonomie sichert.
Im Rahmen einer "Willensnation" ist es fundamentales
Recht einer jeden Bürgerin und eines jeden Bürgers, danach
zu fragen, ob jemand, der um Einbürgerung ersucht, die der
Willensnation Schweiz zugrunde liegenden Wertvorstellungen und deren Umsetzung in die Realität mitträgt oder nicht
- eine Frage, die immer mit Ja oder mit Nein beantwortet
werden kann. So wie die Aufnahme einer Bewerberin oder
eines Bewerbers ins Bürgerrecht beschlossen werden kann,
so ist es auch das selbstverständliche demokratische Recht
jedes Bürgers, solche Gesuchsteller, welche fundamentale
Prinzipien der schweizerischen Staatsordnung nicht mittragen, nicht einzubürgern. Damit erachten sie diese als ungeeignet, an der Weiterentwicklung der hiesigen Rechtsordnung mitzuwirken.
Die Konstruktion, wonach die Bürgerrechtserteilung einer
Verwaltungsverfügung gleichkomme, gegen welche Einsprachemöglichkeiten zu schaffen seien, erweist sich als
dürftiger Versuch, die Legitimität des Souveräns zur Weiterentwicklung des Rechtsstaats zu untergraben. Man könnte
im Rahmen dieser Eintretensdebatte stundenlang über die
Rechtsnatur des Bürgerrechts, die tragenden Prinzipien der
Bürgerrechtserteilung oder den Rechtsschutz sinnieren.
Doch letztlich geht es immer um dieselben politischen Fragen und Antworten - und die Meinungen dazu sind gemacht.
Die SVP-Fraktion will, dass die Bürgerinnen und Bürger
unseres Kantons und unseres Landes an ihrer Gemeindeversammlung oder an der Urne darüber befinden können, welche Ausländer sie einbürgern wollen und welche nicht. Mit
dem Verbot von Urneneinbürgerungen hat das Bundesgericht die demokratische Ordnung unseres Landes auf den
Kopf gestellt. Wir wollen diesen Entscheid korrigieren und
künftige Fehlinterpretationen in Einbürgerungsfragen verhindern. Mit dieser Standesinitiative wollen wir ein weitherum sichtbares Zeichen setzen, dass das Aargauer Volk und
seine Vertreterinnen und Vertreter volles Vertrauen in das
bewährte System demokratischer Einbürgerungen hat.
In diesem Sinne bitten wir Sie, dem Antrag der SVPFraktion auf Direktbeschluss betreffend Einreichung einer
Standesinitiative "Einbürgerungen" zuzustimmen!
Susanne Hochuli, Grüne, Reitnau: Ich spreche im Namen
der Fraktion der Grünen. Ich verzichte darauf, die Punkte zu
wiederholen, die Sie den Antworten der Kommission und
der Regierung entnehmen können und stelle nur einige
Fragen und knüpfe an das "Wie?" der Kommissionspräsidentin an: Ist die Einbürgerung ein politischer oder ein
Verwaltungsakt? Sind gewisse zu Recht gestellte Forderungen wie Anpassung an die hiesigen Lebensgewohnheiten
und Mentalität, Sprachkenntnisse, guter Leumund, keine
Betreibungen in den letzten drei Jahren, keine laufenden
Strafverfahren usw., sind diese Forderungen mehr zu gewichten oder ist die Sympathie oder Antipathie der Stimmbürger und -bürgerinnen gewissen ethnischen Kulturen
gegenüber wichtiger?
Darf ich daran erinnern: Zwei junge albanische Frauen
wurden vor zwei Jahren in Beromünster nicht eingebürgert,
Art. 2148
obwohl sie schweizerischer nicht hätten sein können! Reine
Willkür, so empfanden auch rechtskonservativ denkende
Menschen, die sich im Nachhinein für diese jungen Frauen
eingesetzt haben. Darf ich daran erinnern: Wenn Menschen
aus dem Balkangebiet eingebürgert werden sollen, haben sie
automatisch mehr Neinstimmen als Menschen aus nördlichen Kulturkreisen. Wer aber hat die Einbürgerungskommission letztens über längere Zeit beschäftigt? Ein Deutscher, der auf Gemeindeebene mit keiner Gegenstimme
eingebürgert wurde, vermutlich weil er eben Deutscher ist.
Sein fragwürdiger Leumund hat die Einbürgerungskommission zu Recht dazu bewogen, sein Gesuch um Einbürgerung
abzulehnen. Es scheint, die betreffende Gemeinde hat politisch entschieden und dazu falsch.
Gerade die Vertreter der SVP begutachten in der Einbürgerungskommission die von den Gemeinden getätigten Abklärungen über die Einbürgerungswilligen mit einer überaus
detektivischen Nase. Wollt ihr euch dieses Rechts berauben
lassen?
Haben wir nicht schon einige Male festgestellt, dass es gut
ist, aus einer gewissen Distanz die Gesuche beurteilen zu
können, obwohl die Aufgabe der Einbürgerungskommission
eigentlich nur eine formale Beurteilung sein sollte? Ich bin
erstaunt, über die Vertrauensseligkeit, die von einigen parlamentarischen Vertretern den Gemeinden gegenüber jetzt
an den Tag gelegt wird.
Ich hoffe, das Plenum folge der Kommission und dem Regierungsrat und lehne die Einreichung der Standesinitiative
ab, mit folgenden Begründungen: Die Einbürgerung ist und
soll ein Verwaltungsakt bleiben, die üblichen Verfahrensgrundsätze sind einzuhalten. Der Grundrechtsschutz muss
gewährleistet bleiben. Die Autonomie der Kantone sollte
nicht eingeschränkt werden. Es ist hinfällig, eine Standesinitiative einzureichen, wenn auf eidgenössischer Ebene bereits
dementsprechende Vorstösse vorliegen.
Albert Fischer, CVP, Merenschwand: Ich spreche im Namen der CVP-Fraktion. Schweizer Bürger kann nur werden,
wer auch Kantonsbürger ist. Mit der Standesinitiative würde
der Kanton ganz aus der Kontrolle und Beurteilung entbunden und würde in seiner Autonomie eingeschränkt.
1. Die Beurteilung der Integration steht den Gemeinden und
ihren zuständigen Organen zu. Die Nachbarn und Vorgesetzten der Einbürgerungswilligen werden vorgängig um
ihre Meinung angefragt. Der Einwohnerrat oder die Gemeindeversammlung beurteilt die Integration mit der Abstimmung.
2. Die Beurteilung der Rechtsgleichheit ist auf der Staatsebene an der richtigen Stelle. Alle Kommissionsmitglieder auch die Mitglieder aus der SVP-Fraktion - achten bei jedem
Einbürgerungsgesuch sehr stark auf unsere Schweizer Werte. Bei etlichen Gesuchen werden von den Kommissionsmitgliedern zusätzliche oder fehlende Unterlagen und Informationen zur Abklärung eingefordert.
3. Die aktuelle Regelung hat sich auf kantonaler Ebene
bewährt. Die Beurteilung der Integrität ist nicht in allen
Gemeinden gleich. Die zur Diskussion stehende Standesinitiative will aber den Gemeinden den abschliessenden Entscheid gewähren. Wir unterstützen den Antrag der Einbürgerungskommission und lehnen die Einreichung der Standesinitiative ab. Ich bitte Sie, das ebenfalls zu tun!
19. Oktober 2004
Dr. Bernhard Scholl, FDP, Möhlin: Ich spreche im Namen
der FDP-Fraktion. Wir sind der Meinung, dass das Volk bei
der Erteilung des Schweizer Bürgerrechts das letzte Wort
haben sollte. Einbürgerungen dürfen nicht zu einem reinen
Verwaltungsakt degradiert werden. Wir sind auch der Meinung, dass das Bundesgericht keinen Entscheid auf eine
ordentliche Einbürgerung fällen sollte. Die Initiative zielt
also in eine richtige Richtung, - etwas holzschnittartig zwar,
aber die Mehrheit der FDP-Fraktion unterstützt die Standesinitiative.
Paul Wachter, SP, Kaiseraugst: Ich spreche im Namen der
SP-Fraktion. Standesinitiative "Einbürgerungen". Wir reden
hier zu einem sehr emotionalen Thema. Die SP vertritt die
Auffassung, dass gut integrierte Ausländerinnen und Ausländer eingebürgert werden sollen, wenn sie die gesetzlichen
Voraussetzungen erfüllen und sie dies wünschen. Die SP
versteht die Einbürgerung als Ergebnis einer geglückten
Integration. Massstab für die Einbürgerung ist deshalb die
ausreichende Integration. Die entsprechende Beurteilung
muss nach sachlichen Kriterien und transparent erfolgen.
Das Verfahren ist so auszugestalten, dass es diesen Anforderungen genügt. Wenn wir eine Standesinitiative auf den
Weg schicken, müssen wir uns auch den Nutzen und den
Ertrag überlegen. Bis man mit Standesinitiativen Erfolg hat,
braucht es grosse Anstrengungen und teilweise vielleicht
auch etwas Glück. Wir müssen uns überlegen, ob es uns
wert ist, Verwaltungsressourcen für ein Thema aufzuwenden, das bereits mittels eines Vorstosses beim eidgenössischen Parlament liegt und damit so oder so in Bern diskutiert wird.
Zur Feststellung des Bundesgerichts, dass ein Entscheid
über eine einzelne Person ein Verwaltungsakt ist, gibt es
sicher verschiedene Meinungen. Wenn wir in einem demokratischen Land mit der Rechtsstaatlichkeit operieren, so bin
ich überzeugt, dass ein Entscheid über eine einzelne Person
nur ein Verwaltungsakt sein kann, der auch anfechtbar ist.
Im Wortlaut der Standesinitiative heisst es: Art. 38 Abs. 4
BV (neu): "Die Stimmberechtigten jener Gemeinde legen in
der Gemeindeordnung fest, welches Organ das Gemeindebürgerrecht erteilt. Der Entscheid dieses Organs über die
Erteilung des Gemeindebürgerrechts ist endgültig". Das
heisst aber auch, dass bei Fehlern in der Durchführung von
Abstimmungen oder bei Verletzungen des Stimm- oder des
Verfahrensrechts ein Entscheid nicht mehr umgestossen
werden kann. Wollen wir uns das in einem demokratischen
Land leisten, in dem wir immer von Gerechtigkeit und von
Basisdemokratie reden? Wir müssen uns sorgfältig überlegen, welche Mittel wir einsetzen. Wir sollten die Behandlung des Vorstosses in Bern abwarten und nachher unsere
Verwaltungsressourcen für allfällige Korrekturen brauchen!
Im Namen der SP-Fraktion ersuche ich Sie, die Standesinitiative "Einbürgerungen" der SVP abzulehnen!
Vorsitzender: Wir kommen zu den Einzelvoten.
Dr. Jürg Stüssi-Lauterburg, SVP, Windisch: Das Holzschnittartige von Herrn Bernhard Scholl lassen wir uns
gerne gefallen. Aber zu gewissen andern Dingen wird man
doch noch das eine oder andere sagen müssen. Frau Hochuli
hat Fragen gestellt und wir wollen diese beantworten. Ist die
Einbürgerung ein politischer Akt oder ein Verwaltungsakt?
Das Wort 'politisch' kommt von polis, Staat. Der politaes ist
der Bürger. Schon die Etymologie des Wortes macht klar,
dass es gar nichts Politischeres gibt als das Bürgerrecht!
3533
19. Oktober 2004
Geht es um Sympathie oder Antipathie? Natürlich nicht! Es
geht um die Wahrung der Hoheit nicht um mehr und nicht
um weniger. Herr Fischer hat Angst um den Kanton, dem da
Kompetenzen entgehen würden. Zu Unrecht! Wenn die
Gemeinde zugestimmt hat, hat der Kanton für seine Stufe
noch die volle Wahlfreiheit.
Herr Wachter will als Massstab für die Einbürgerung die
Integration gelten lassen. Sachlich beurteilt bin ich damit
einverstanden. Aber wer kann das am besten? Das legt jede
Gemeinde für sich selbst fest, weil die Verhältnisse in der
Stadt Zürich und in der Gemeinde Gallenkirch wahrlich
nicht dieselben sind.
Wenn sich das Bundesgericht die Souveränität anmasst,
muss der Souverän Ordnung schaffen. Damit er dies kann,
müssen wir dafür sorgen, dass er die Gelegenheit dazu
erhält. Die Gemeinden müssen in einem für ihre Identität
zentralen Bereich gegen richterliche Willkür geschützt
werden. Stimmen wir deshalb der vorliegenden Standesinitiative zu!
Susanne Hochuli, Grüne, Reitnau: Herr Stüssi: Angst ist ein
schlechter Ratgeber. Darf ich daran erinnern, als es im Kanton Aargau darum ging, die Juden einzubürgern, wie gross
die Angst der Schweizer Bürger war, dass die Juden die
Macht übernehmen könnten. Troxler beispielsweise hatte
diese Angst. Welti Gott sei Dank nicht!
Art. 2149
bedenklich, wenn der Bundesgesetzgeber beginnt, unter
Umgehung der Kantone die Abläufe für einzelne Sachbereiche auf Gemeindeebene zu regeln.
§ 6 unserer Kantonsverfassung bestimmt zudem, dass das
Kantons- und das Gemeindebürgerrecht durch das Gesetz
geregelt werden. Die Standesinitiative würde bewirken, dass
diesem Grundsatz, welcher auf höchster Erlassstufe des
Kantons festgelegt ist, widersprochen würde. Das Verfahren
um die Einbürgerung ist ein kantonales Verfahren. Die
Standesinitiative greift massiv in das schweizerische Föderalismusprinzip ein. Die Realisierung der Standesinitiative
würde im Kanton Aargau zu unterschiedlichen Lösungen
auf Gemeindeebene führen, dadurch dass jede Gemeinde das
Organ selber festlegt, was zu einer Zersplitterung in der
Handhabung der Einbürgerungsgesuche führen könnte und
zur oft bemängelten, fehlenden Rechtsgleichheit. Schliesslich: Die Endgültigkeit des Gemeindeorgans, wie das die
Standesinitiative fordert, könnte zur fast absurden Situation
führen, dass ein diesbezüglicher allenfalls positiver Entscheid - die Initianten denken natürlich vor allem an die
negativen Entscheide - auf kantonaler Ebene auch durch die
jetzt amtierende Kommission nicht überprüft werden könnten. Es gälte abschliessend der Entscheid jeder einzelnen
Gemeinde. Das ist doch ein ganz wesentlicher Einbruch in
die bestehende Situation. Aus diesen Gründen lehnt auch der
Regierungsrat diese Standesinitiative ab!
Dr. Jürg Stüssi-Lauterburg, SVP, Windisch: Keine Angst,
nur noch ein Spezifikum zur Einbürgerung der Juden: Sie
haben vorher schon Militärdienst geleistet und dass der Staat
ihnen die Waffe und das Recht zu dienen anvertraut hat,
beweist, dass es nicht um die Angst ging, sondern leider um
die materiellen Interessen, die natürlich immer auch vertreten werden. Aber dies ist alles seit 1874 in diesem Land kein
Thema mehr!
Vorsitzender: Die SVP-Fraktion stellt einen Antrag auf
Direktbeschluss betreffend Einreichung einer Standesinitiative "Einbürgerung". - Kommission und Regierung lehnen
diesen Antrag ab.
Katharina Kerr Rüesch, SP, Aarau: Ich kann da mitreden.
Ich weise Herrn Dr. Stüssi darauf hin, dass dies auf Druck
des Auslands geschah und sicher nicht, weil die Schweizer
das wollten. Das war schon damals eine Schande!
Bettina Ochsner, FDP, Oberlunkhofen, Präsidentin der
Einbürgerungskommission: Es ist mir ein echtes Anliegen,
allen Kommissionsmitgliedern zu danken. Wir haben teilweise auch hart diskutiert. Es ging jedoch immer um die
Sache und es wurde fair und mit Engagement debattiert.
Nicht ausschliessen möchte ich den Herrn Regierungsrat
Wernli, Herrn Häusler und die Protokollführerin. Sie haben
nicht unwesentlich dazu beigetragen, dass die Verhandlungen sachlich und inhaltlich richtig liefen. Herzlichen Dank!
Vorsitzender: Nun haben Sie ein Problem, Herr Stüssi, denn
Sie haben schon zwei Mal geredet! Aus dem Plenum liegen
keine weiteren Wortmeldungen dazu vor.
Regierungsrat Kurt Wernli, parteilos: Ich erlaube mir eine
Vorbemerkung zum Grundsatz der Standesinitiative. Einer
solchen kommt rechtlich keine stärkere Bedeutung zu als
einer Motion oder einer Parlamentarischen Initiative. Es
erscheint deshalb aus kantonaler Sicht als opportun, dieses
Instrument nicht mit allgemeinen politischen Forderungen
abzustumpfen, wie das aus der Sicht des Regierungsrats im
Moment aufscheint, sondern eigentlich für wesentliche,
wirklich kantonale Interessen vorzubehalten. Das war auch
die ursprüngliche Absicht dieses Instrumentes, als man es
schuf. Es bestehen nämlich genügend Möglichkeiten, durch
Mitglieder der Bundesversammlung auf direktem Weg
Interessen wahrzunehmen.
Zum Inhalt: Die Regelung der Gemeindeorganisation ist
Sache des Kantons und nicht des Bundes! Ich muss das
festhalten. Eine solche Verfassungsbestimmung würde die
Autonomie des Kantons beschränken. Es kann nicht im
Interesse des Kantons liegen, eine Beschränkung seiner
Hoheitsbefugnisse selber zu initiieren. Es ist staatspolitisch
3534
Abstimmung:
Für den Antrag der SVP-Fraktion: 88 Stimmen.
Dagegen: 72 Stimmen.
Vorsitzender: Besten Dank der Kommissionspräsidentin.
Damit ist die Standesinitiative "Einbürgerungen" der SVPFraktion überwiesen.
2149 Zusammenschluss
der
Einwohnergemeinden
Oberehrendingen und Unterehrendingen zur Einwohnergemeinde Ehrendingen; Genehmigung
(Vorlage vom 4. August 2004 des Regierungsrats)
Marcel Iseli, FDP, Zurzach, Referent der nichtständigen
Kommission Aufgabenteilung Kanton - Gemeinden: Ich
erlaube mir die beiden Traktanden 6 und 7 bzw. die Geschäfte Zusammenschluss der Einwohnergemeinden Oberehrendingen und Unterehrendingen zur Einwohnergemeinde
Ehrendingen und Stilli und Villigen zur Einwohnergemeinde
Villigen zusammenzufassen.
Art. 2150
In den Gemeinden Ober- und Unterehrendingen wie auch in
Villigen und Stilli haben die Stimmbürger einem Zusammenschluss mit der Nachbargemeinde zugestimmt. Dieser
Beschluss kam zustande, nachdem die Gemeinden schon im
Vorfeld intensiv zusammen gearbeitet haben. Aufgrund der
Verschuldung der vier Gemeinden kommt die in GAT III
vorgesehene Regelung nicht zum Tragen. Die nichtständige
Kommission Aufgabenteilung hat die beiden Geschäfte
eingehend geprüft.
Den Anträgen in Bezug auf die Zusammenschlüsse der
Gemeinden Ober- und Unterehrendingen sowie Villigen und
Stilli unter gleichzeitiger Vereinigung der beiden Ortsbürgergemeinden wurde durch die Kommission einstimmig
zugestimmt. Wir laden Sie ein, bei beiden Traktanden dasselbe zu tun!
Vorsitzender: Wir kommen zum Eintreten. Stillschweigendes Eintreten haben die SD/FP-Fraktion, die FDP-Fraktion
und die CVP-Fraktion signalisiert.
Jörg Hunn, SVP, Riniken: Ich spreche im Namen der SVPFraktion. Ich spreche gleichzeitig zu den Traktanden 6 und
7. Wir stimmen den beiden Gemeindezusammenschlüssen
einstimmig zu. Diese Zusammenschlüsse werden begrüsst.
Der mehrheitliche Wille in den Gemeinden ist zu unterstützen! Allerdings drängen sich für mich noch einige Bemerkungen und Feststellungen auf. Sie kennen meine Zurückhaltung, wenn es um Gemeindefusionen geht, denn "grösser" ist nicht zwangsläufig auch "billiger". Das ist meine
Überzeugung und die lässt sich auch mit Zahlen belegen. In
grossen Kommunalverwaltungen hat das günstige Milizsystem keinen Platz mehr. Die Bürgernähe und die basisdemokratischen Einrichtungen gehen verloren. Die einfachsten
Verrichtungen werden professionalisiert und dadurch administrativ aufwändiger. Das Interesse der Bürgerinnen und
Bürger an der Gemeinschaft und am uneigennützigen Einsatz für diese Gemeinschaft wird weiter schwinden. Gemeindezusammenschlüsse können durchaus sinnvoll sein.
Sie müssen jedoch von unten - also aus der Bevölkerung
heraus - wachsen und dürfen nicht von oben diktiert oder
durch die Hintertüre mit ständigen finanziellen Mehrbelastungen durch den Kanton erzwungen werden. Stichwort
Beteiligung der Gemeinden an den Kosten der Prämienverbilligung ausserhalb der Aufgabenteilung.
Villigen und Stilli, wie auch Unter- und Oberehrendingen
haben ideale Voraussetzungen für eine Fusion, die aber
nicht automatisch auf andere Gemeinden übertragen werden
können. Man darf diese Gemeinden deshalb nicht als Vorzeigeobjekte oder Mustergemeinden für andere Zusammenschlüsse darstellen. Die Gemeinden sind von der geographischen Lage her für einen Zusammenschluss geradezu prädestiniert. Das Villiger Neuquartier Josebode liegt optisch in
Stilli. Villigen hat unter anderem dank der Zementindustrie
mit einem Steuerfuss von 93% eine hervorragende Finanzlage. Die Fusion hat keinen Einfluss auf den Steuerfuss. Die
Einwohner von Stilli mit einem derzeitigen Steuerfuss von
128% können steuermässig erheblich profitieren. In Unterund Oberehrendingen wird der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt. Die Gemeinden sind optisch ein Dorf und
haben fast den gleichen Steuerfuss. Die Zusammenschlüsse
bringen viele Vorteile und sind deshalb zu unterstützen! Das
sind beste Verhältnisse für eine Fusion.
19. Oktober 2004
Nur lassen sich diese nicht ohne weiteres auf andere Gemeinden übertragen. Das will ich hier festhalten und zu
bedenken geben.
Vorsitzender: Aus dem Plenum liegen keine weiteren
Wortmeldungen dazu vor.
Regierungsrat Kurt Wernli, parteilos: Die Regierungsrat
freut sich, dass diese vier Gemeinden freiwillig und selbständig zu diesem Schritt gekommen sind und sich aus
klarer Abklärungssituation zur Fusion entschlossen haben.
Ich benutze gerne die Gelegenheit, hier noch einmal die
Grundsätze zu wiederholen, die ich immer wieder betont
habe, auch wenn manchmal etwas anderes behauptet wird.
1. Die Regierung hat zu keiner Zeit die Absicht gehabt und
wird das auch weiterhin nicht haben, Fusionen von oben zu
diktieren. Im Gegenteil! Da teile ich die Auffassung von
Herrn Hunn. Solche Zusammenschlüsse müssen von unten
her wachsen und es muss eine Freiwilligkeit der Bürgerschaft vorliegen. Abgesehen davon hätten wir ja gar keine
rechtlichen Mittel, etwas anderes zu beschliessen, ausser
dem Grossen Rat. Der könnte das tun, aber das werden Sie
ja hoffentlich auch nicht tun!
2. Neben dieser Freiwilligkeit und dem Wachsen von unten
ist es aber durchaus ein Bestreben der Regierung, allfällige
Hemmnisse, die solchen Zusammenschlüssen im Weg stehen könnten, zu beseitigen, um solche Zusammenschlüsse
zu ermöglichen, wenn sie denn gewünscht werden.
3. Es ist ebenso ein berechtigtes Anliegen, dass wir mit
Anreizen, mit Möglichkeiten zur Verbesserung der Situation
- ich denke da an die Schuldenfrage, die wir mit dem GAT
III anpacken wollen - diese Zusammenschlüsse ermöglichen
und dadurch auch die Freiwilligkeit fördern können. Es ist
mir ein Anliegen, dass wir das ganz klar so festhalten und
dass die Gemeinden immer wieder wissen, dass die Regierung keine anderen Absichten hegt!
Vorsitzender: Wir kommen zum Antrag auf Seite 4 der
Botschaft.
Abstimmung:
Der Antrag des Regierungsrats wird mit grosser Mehrheit
gutgeheissen.
Beschluss:
Der Zusammenschluss der Einwohnergemeinden Oberehrendingen und Unterehrendingen sowie der entsprechende
Zusammenschlussvertrag werden unter gleichzeitiger Vereinigung der beiden Ortsbürgergemeinden genehmigt.
2150 Zusammenschluss der Einwohnergemeinden Stilli
und Villigen zur Einwohnergemeinde Villigen; Genehmigung
(Vorlage vom 4. August 2004 des Regierungsrats)
Vorsitzender: Wir kommen zum Eintreten. Stillschweigendes Eintreten haben die SD/FP-Fraktion, die FDP-Fraktion
und die CVP-Fraktion signalisiert.
Herr Iseli, der Referent der nichtständigen Kommission
Aufgabenteilung Kanton - Gemeinden hat sein Votum zu
3535
19. Oktober 2004
diesem Geschäft bereits vorher abgegeben (vgl. Art. 2149
hievor).
Emanuele Soldati, SP, Staufen: Ich spreche im Namen der
SP-Fraktion. Wir unterstützen diesen Vorstoss. Der Regierungsrat unterbreitet dem Grossen Rat zwei Pilotprojekte für
je zwei Gemeindezusammenschlüsse. Parallel hierzu erfolgen die Beratungen betreffend die Aufgabenteilung Kanton
und Gemeinden 3. Paket, unter anderem auch betreffend die
Schaffung von Grundlagen und Übergangsregelungen für
Gemeindezusammenschlüsse. Die SP-Fraktion wird den
beiden Vorlagen einstimmig und mit voller Überzeugung
zustimmen. Die beiden Vorlagen geben uns jedoch gleichzeitig auch die Möglichkeit, die Grundlagen für weitere
Zusammenschlüsse, auch aus der Sicht der Gemeinden, zu
überprüfen. Ich halte im Namen der SP-Fraktion fest: Die
Gemeindelandschaft wird sich aus vielfältigen Gründen in
naher und ferner Zukunft weiter verändern. Bei den vorliegenden Gemeindezusammenschlüssen handelt es sich um
erfreuliche Pilotprojekte. Die organisatorischen und finanziellen Rahmenbedingungen sowie der politische Wille stimmen mit diesen Gemeinden überein. Die je zwei Gemeinden
haben Pionierarbeit geleistet. Weitere Gemeinden werden
hiervon profitieren können.
Von den beiden Vorlagen kann jedoch nicht apriori auf
andere geschlossen werden. Weitere Zusammenschlüsse
werden ohne weitere Unterstützung folgen. Die Bewährungsprobe folgt, sobald Gemeinden mit unterschiedlichen
Interessen einen Zusammenschluss suchen oder suchen
müssen. Hierfür werden wir demnächst die Rahmenbedingungen auch in finanzieller Hinsicht schaffen müssen. Jedes
Projekt wird seine Eigenheit haben. Unsere Aufgabe und die
Aufgabe des Regierungsrats ist es, dass wir das Netzwerk
und die auch die finanziellen Anreize für weitere Zusammenschlüsse schaffen. Gleichzeitig müssen wir den Gemeinden möglichst viel Spielraum für die Ausgestaltung der
Verträge geben. Zusammenschlüsse können nur gelingen,
wenn diese von den Gemeinden - also von unten her, wie es
der Herr Regierungsrat Kurt Wernli zu Recht erwähnt hat gewünscht werden. Die Gemeinden dürfen nicht unter
Druck gesetzt werden. Für die Bevölkerung und die weiteren Beteiligten muss ein klarer Vorteil entstehen. Ich bitte
Sie, den Regierungsrat zu unterstützen und der Vorlage
zuzustimmen!
Vorsitzender: Wir kommen zu den Einzelvoten.
Markus Leimbacher, SP, Villigen: Die Gemeinden Villigen
und Stilli (und natürlich auch diejenigen von Ober- und
Unterehrendingen) haben die Zeichen der Zeit erkannt und
können Ihnen heute das Resultat von intensiven Gesprächen
und Verhandlungen vorlegen, welches in einem wohl austarierten Kompromiss gemündet hat. Als Einwohner von
Villigen und ehemaliger Gemeindeammann habe ich natürlich grosse Freude und empfinde heute eine tiefe Genugtuung darüber, dass das, was vor einigen Jahren noch als
"Phantasterei" und "Hirngespinst" abgetan wurde, realisiert
werden konnte. Ich möchte allen Beteiligten für ihren unermüdlichen und wichtigen Einsatz danken: Sie alle haben
einen Beitrag für das gute Gelingen des Projektes geleistet.
Ich möchte an dieser Stelle auf einige Punkte hinweisen, die
mir in der Arbeit als wichtig erschienen und die auch in
ähnlichen Projekten beachtet werden sollten:
3536
Art. 2150
Ein Zusammenschluss von Gemeinden hat als partnerschaftliches Unternehmen stattzufinden. Auch wenn die beiden
Gemeinden unterschiedlich gross oder unterschiedlich finanzkräftig sind, so müssen sich beide Partner als Gewinner
fühlen können. Dies bedeutet unter anderem, dass alle Arbeitsgruppen paritätisch zusammengesetzt sein sollen. Keine
der Gemeinden soll das Gefühl haben, von der anderen
übernommen oder geschluckt zu werden.
Von allem Anfang ist einer professionellen Kommunikation
die notwendige Beachtung zu schenken. Die Gemeindepolitiker meinen ja immer, sie wüssten schon, wie sie ihre Bürgerinnen informieren sollen. Dies ist ein Trugschluss: Gerade in unserem Projekt war es sehr wichtig und hilfreich, dass
die Kommunikation durch einen ausgewiesenen Fachmann
vorgenommen wurde.
Sodann ist es wichtig, die kantonalen Stellen von allem
Anfang in die Projektierung und Realisierung miteinzubeziehen. So können Leerläufe vermieden werden. Die kantonale Verwaltung war gerade in unserem Projekt immer
bereit, innert kürzester Frist profunde Auskünfte zu geben.
Wenn diesen Punkten die notwendige Beachtung geschenkt
wird, werden auch künftige Projekte gelingen, davon bin ich
überzeugt. Gleichzeitig möchte ich der Regierung zwei
wesentliche Punkte zu bedenken geben:
Herr Regierungsrat: Setzen Sie die Gemeinden nicht unter
Druck, verzichten Sie auf ein Diktat von oben! Ein Zusammenschluss kann nur gelingen, wenn die Erkenntnis zu
diesem Schritt von unten her wächst. Und schaffen Sie
weitere finanzielle Anreize für zusammenschlusswillige
Gemeinden, entsprechende Prüfungsanträge wurden für die
zweite Lesung des 3. Aufgabenteilungspaketes gestellt.
Auch wenn die finanzielle Seite bei einem Zusammenschluss nie im Vordergrund stehen sollte, so ist den Gemeinden das liebe Geld halt doch sehr wichtig. Herr Gemeindeschreiber Hunn sprach nämlich heute auch davon.
Stimmt die finanzielle Seite nicht, so scheitert manch möglicher und sinnvoller Zusammenschluss.
Ich wünsche den vier Gemeinden, die im Aargau Pionierarbeit geleistet haben, alles Gute für die gemeinsame Zukunft
und hoffe, dass wir in den kommenden Monaten und Jahren
noch einige Male über derartige Zusammenschlüsse befinden dürfen!
Vorsitzender: Aus dem Plenum liegen keine weiteren
Wortmeldungen dazu vor. Wir kommen damit zum Antrag
auf Seite 4 der Botschaft. - Der Antrag lautet: Der Zusammenschluss der Einwohnergemeinden Stilli und Villigen
sowie der entsprechende Zusammenschlussvertrag werden
unter gleichzeitiger Vereinigung der beiden Ortsbürgergemeinden genehmigt.
Abstimmung:
Dem Antrag der Regierung wird mit sehr grosser Mehrheit
zugestimmt.
Beschluss:
Der Zusammenschluss der Einwohnergemeinden Stilli und
Villigen sowie der entsprechende Zusammenschlussvertrag
werden unter gleichzeitiger Vereinigung der beiden Ortsbürgergemeinden genehmigt.
Art. 2151
19. Oktober 2004
2151 Motion Sylvia Flückiger-Bäni, SVP, Schöftland,
vom 22. Juni 2004 betreffend Sterbehilfe und Abschaffung des Sterbetourismus im Kanton Aargau; Ablehnung
herrschaft auf jeden Fall bei der sterbewilligen Person verbleiben muss, so dass sich Sterbehelfer, die aktiv den Tod
der unheilbar kranken Person herbeiführen oder aus selbstsüchtigen Beweggründen handeln, gemäss Art. 114 StGB
oder Art. 115 StGB strafbar machen.
(vgl. Art. 1973 hievor)
Die aargauischen Strafverfolgungsbehörden haben beim
Vorliegen eines Suizids entsprechend den Regeln des Gesetzes über die Strafrechtspflege (Strafprozessordnung, StPO)
vom 11. November 1958 vorzugehen. Die Selbsttötung gilt
als aussergewöhnlicher Todesfall, bei welchem die Strafuntersuchungsbehörden nach erfolgter Meldung zwingend
auszurücken haben, auch wenn kein Anfangsverdacht betreffend der Begehung einer strafbaren Handlung von Dritten vorliegt. Die Bezirksamtmänner des Kantons Aargau
sind gestützt auf § 116 und § 117 StPO für die Anordnung
von Legalinspektionen und Legalobduktionen bei aussergewöhnlichen Todesfällen zuständig. Diese strafprozessualen
Massnahmen dienen der umfassenden und sorgfältigen
Aufklärung der Todesursache, da zum Zeitpunkt der Meldung eines aussergewöhnlichen Todesfalls das Vorliegen
einer strafbaren Handlung von Dritten grundsätzlich nie
ausgeschlossen werden kann. Die Ermittlungs- und Untersuchungshandlungen im Rahmen des besonderen Vorverfahrens gemäss den § 116 und § 117 StPO genügen in aller
Regel, um das Vorliegen einer unzulässigen Dritteinwirkung
auszuschliessen.
Antrag des Regierungsrats vom 1. September 2004:
Der Regierungsrat lehnt die Motion mit folgender Begründung ab bzw. ist bereit, die Motion als Postulat entgegenzunehmen:
Allgemeine Bemerkungen: Die Schweiz verfügt im Vergleich zu anderen Ländern über eine liberale Regelung der
Sterbehilfe. Als Folge davon haben während den vergangenen Jahren vermehrt Sterbewillige aus dem Ausland bei den
schweizerischen Sterbehilfeorganisationen die Hilfe zur
Selbsttötung gesucht. Dieser sogenannte "Sterbetourismus"
hat - wie die Beihilfe zur Selbsttötung durch Sterbehilfeorganisationen generell - schon vor einigen Jahren eine rege
ethische und rechtliche Diskussion ausgelöst, die nun aktuell
durch die neuesten Fälle von Suizidbeihilfe durch die Sterbehilfeorganisation "DIGNITAS" erneut angeregt worden
ist.
Die
vier
schweizerischen
Sterbehilfeorganisationen
"DIGNITAS", "EXIT", "EXIT-International" und die "Organisation Suizidhilfe" sind als Vereine gemäss Art. 60 ff.
des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (ZGB) vom 10. Dezember 1907 konstituiert, die als rein privatrechtliche Organisationen keiner staatlichen Aufsicht unterstehen. Das
Recht des Bundes wie das kantonale Recht sehen für die
Tätigkeit der Sterbehilfeorganisationen auch keine Bewilligungspflicht vor, doch müssen die Sterbehilfeorganisationen
bei der Ausübung der Sterbehilfe die Grenzen der Rechtsordnung beachten, welche die direkte aktive Sterbehilfe und
das Leisten von Sterbehilfe aus selbstsüchtigen und pekuniären Beweggründen verbietet. Die sich als Sterbehelfer betätigenden Ärztinnen und Ärzte haben sich darüber hinaus
namentlich an die Bestimmungen der Gesundheits-, der
Heilmittel- und der Betäubungsmittelgesetzgebung zu halten, müssen über eine kantonale Berufsausübungsbewilligung verfügen und unterstehen der Aufsicht des Kantonsarztes, der bei Verletzung der ärztlichen Sorgfaltspflichten
einschreitet.
Der Regelungsbedarf bei der Suizidbeihilfe durch Sterbehilfeorganisationen wird aufgrund der fehlenden staatlichen
Aufsicht über privatrechtliche Vereine, der Irreversibilität
des Tods sowie angesichts der zunehmenden Anzahl der
Fälle gesamtschweizerisch anerkannt. Die Verhinderung des
Sterbetourismus und weiterer negativer Begleiterscheinungen der Suizidbeihilfe erfordern aber eine einheitliche gesetzliche Regelung für die ganze Schweiz, da die Sterbehilfe
auch materiell durch das Bundesrecht geregelt wird und es
keinen Sinn macht, wenn die Kantone nun einzeln versuchen, einer gesamtschweizerischen Lösung vorzugreifen.
Rechtliche Grundlagen und Kostenfrage: Das Schweizerische Strafgesetzbuch (StGB) vom 21. Dezember 1937 regelt
abschliessend, welche Formen der Sterbehilfe bei unheilbar
kranken Personen zulässig und welche verboten sind. Die
Sterbehilfeorganisationen praktizieren grundsätzlich die
erlaubten Formen der Suizidbeihilfe, bei welchen die Tat-
Die Kostentragung wird entgegen der Begründung der Motion zwar geregelt, doch sieht die entsprechende Regelung
keine Überwälzung der Kosten auf Sterbehelfer oder Sterbehilfeorganisationen vor. Die Kosten der Legalinspektionen und Legalobduktionen trägt gemäss § 60 Abs. 4 des
Gesundheitsgesetzes (GesG) vom 10. November 1987 unter
Vorbehalt eines Kostenentscheids in einem Strafverfahren
der Kanton. Die allfällige Ergänzung des § 60 Abs. 4 GesG
mit einer Bestimmung, wonach die Kosten bei Suiziden von
urteilsfähigen Personen dem Nachlass belastet und bei ausländischer Nachlasszuständigkeit auch allfälligen Drittbeteiligten oder den juristischen Personen, für die sie handeln,
auferlegt werden können, bedarf einer vertieften Abklärung.
Die Kosten einer Strafuntersuchung können bei Einstellung
des Verfahrens dem Sterbehelfer gestützt auf § 139 Abs. 3
StPO auferlegt werden, sofern die beschuldigte Person durch
ein verwerfliches oder leichtfertiges Benehmen die Untersuchung oder deren Durchführung erschwert hat. Nach § 192
Abs. 1 StPO entscheidet schliesslich das Gericht über die
Tragung der Kosten des Strafverfahrens, sollte ein Fall eines
durch eine Sterbehilfeorganisation begleiteten Suizids bis
zur gerichtlichen Beurteilung gelangen.
Schlussfolgerung: Die aargauischen Strafverfolgungsbehörden und der Kantonsarzt schöpfen die bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten aus, welche dazu geeignet sind, allfälligen unzulässigen Einwirkungen auf unheilbar kranke Personen durch Sterbehelfer und Sterbehilfeorganisationen sowie
Sorgfaltspflichtverletzungen von Ärzten angemessen zu
begegnen. Die grundsätzlichen Bedenken gegenüber der
Leistung von Sterbehilfe können wohl aber auch durch die
Einführung eine Bewilligungspflicht für Sterbehilfeorganisationen nicht völlig ausgeräumt werden. Letztlich hängt die
Haltung für oder gegen die Sterbehilfe generell von der
weltanschaulichen, religiösen und ethischen Haltung des
einzelnen Menschen ab.
3537
19. Oktober 2004
Art. 2151
Wie erwähnt, erfordert die Verhinderung des Sterbetourismus und weiterer negativer Begleiterscheinungen der Suizidbeihilfe eine einheitliche gesetzliche Regelung für die
ganze Schweiz. Das entsprechende Anliegen ist beim Bund
in Prüfung, und der Regierungsrat wird sich für eine Bundeslösung einsetzen. Spezifisch kantonale Fragen wie die
Überwälzung der Kosten müssen noch vertieft geklärt werden. In diesem Sinne lehnt der Regierungsrat die vorliegende Motion ab, ist aber bereit, den Vorstoss als Postulat
entgegen zu nehmen.
lassen werden. Wenn der Bund nicht handeln will, müssen
eben die Kantone aktiv werden!
Die Kosten für die Beantwortung dieses Vorstosses betragen
Fr. 1'753.--.
"Dignitas" wurde vorerst vor allem im Kanton Zürich tätig.
Sie haben dort beispielsweise im Jahr 2003 91 Freitodbegleitungen durchgeführt.
Vorsitzender: Der Regierungsrat beantragt dem Grossen
Rat, die vorliegende Motion als Postulat zu überweisen. Die
Motionärin hält an ihrem Vorstoss als Motion fest.
Sylvia Flückiger-Bäni, SVP, Schöftland: Einerseits hat der
Regierungsrat rasch auf meine Motion geantwortet, doch
will er nur ein Postulat entgegennehmen. Vorerst möchte ich
festhalten, dass es mir jetzt an dieser Stelle nicht um ethische oder moralische Gründe bezüglich Sterbehilfe geht,
aber es geht um gesellschaftspolitische Gründe. Es geht mir
darum, Suizidwillige aus dem Ausland vom assistierten
Freitod in der Schweiz bzw. im Kanton Aargau, wie von
"Dignitas" angeboten, auszuschliessen und damit dem Sterbetourismus Einhalt zu gebieten!
"Dignitas" ist ein Verein, der rund 3'809 Mitglieder aus 52
Staaten zählt. Der Verein bietet gemäss Website
www.Dignitas.ch weltweit Sterbehilfe an, so auch in Amerika, Australien, Belgien, Canada, England, Frankreich, Israel,
Italien, Japan und natürlich in der Schweiz. Aus rechtlichen
Gründen darf "Dignitas" nur auf Schweizer Staatsgebiet
tätig werden, vor allem deswegen, weil in vielen Ländern
die Sterbehilfe in dieser Form verboten ist.
Die Schweiz hingegen kennt eine der weltweit liberalsten
Regelungen bei der Sterbehilfe. Sie wird einzig durch zwei
Artikel im Strafgesetzbuch geregelt StGB 114 verbietet die
direkte, aktive Sterbehilfe indem Tötung auf Verlangen
unter Strafe gestellt wird. Erlaubt sind demnach die indirekte, aktive Sterbehilfe, also Einsatz von schmerzstillenden
Medikamenten, die die Lebensdauer verkürzen. Und die
passive Sterbehilfe, welche den Verzicht auf lebenserhaltende Massnahmen bedeutet.
StGB 115 befasst sich mit der Suizidbeihilfe, wie sie die
Sterbehilfeorganisationen anbieten. Der Artikel stellt nur die
Verleitung oder Beihilfe zum Selbstmord aus selbstsüchtigen Beweggründen unter Strafe.
Bundesrat und Parlament haben sich in den letzten Jahren
mehrmals geweigert, diese Rechte zu ändern, beziehungsweise anzupassen. Die straflose Hilfe zum Freitod stützt sich
also heute immer noch auf einen bald 90 Jahre alten Artikel
im Strafgesetz, nämlich von 1918. Auch auf Bundesebene
wurde eine entsprechende Motion in ein Postulat umgewandelt und damit die ganze Problematik erneut auf die lange
Bank geschoben. Der Direktor des Bundesamtes für Justiz,
Heinrich Koller, äusserte sich dahingehend, dass er an der
Dringlichkeit einer staatlichen Regelung zweifle, was die
Sterbehilfe als Ganzes angehe. Es gibt wohl Regelungsbedarf, aber viele offene Fragen. Dieses sind wohl eindeutige
Signale, die darauf schliessen lassen, dass eine Lösung für
all diese Bereiche noch eine ganz gute Weile auf sich warten
3538
Der ganze Bereich um die Sterbehilfe ist eine ausserordentliche, kritische Herausforderung unserer Zeit. Wir werden
wohl je länger je mehr damit konfrontiert werden, ich denke
da besonders an die demografische Entwicklung, die auf uns
zukommen wird. Auch ist es möglich, dass weitere Vereine
in ähnlicher Art gegründet werden können und diese die
gleichen Dienste anbieten könnten.
Da der Bund nicht handelt, beschreitet der Kanton Zürich
den gesetzgeberischen Alleingang. Staatsanwalt Herr Andreas Brunner arbeitet an einem Bericht zuhanden des zürcherischen Justizdirektors Herr Markus Notter. Er soll ins
erste kantonale Suizidhilfe-Gesetz münden. Dieser Bericht
sieht unter anderem eine Bewilligungspflicht für Sterbehilfeorganisationen und eine Beschränkung auf Sterbewillige
mit Wohnsitz in der Schweiz vor. Der grösste Schwachpunkt des in Zürich geplanten Gesetzes wäre wohl die Gefahr, dass die Sterbehilfeorganisationen ihre Aktivitäten und damit die Probleme - in einen anderen Kanton verlagern
würden. Und genau das ist passiert! Wohl in Anbetracht der
geplanten Restriktionen im Kanton Zürich hat sich "Dignitas" im Bezirk Kulm, in Reinach eingemietet. Die Tätigkeiten dieser Sterbehilfeorganisation hat die Menschen im
Bezirk Kulm, der als traditionell, eher konservativ und auch
religiös eingestuft werden kann, sehr beunruhigt, denn es
wurde in einen heiklen und sensiblen Bereich eingedrungen.
Seit dem 27. Mai 2004, wurden in Reinach elf Sterbewillige
in den Tod begleitet. Ein schwerkranker Mensch wurde gar
mit der Ambulanz von Deutschland in die Schweiz überführt, um hier das todbringende Pentobarbital zu erhalten.
Jeder Fall muss durch die Behörden, Bezirksamtmann,
Polizei usw. sorgfältig überprüft und abgeklärt werden.
Handelt es sich um Suizid, besteht keine Fremdeinwirkung,
liegt das ärztliche Gutachten vor, es müssen Zeugen befragt
werden, was sich oft als kompliziert herausstellt, weil sie
sich auch im Ausland befinden können. Es braucht Übersetzer. Dadurch entstehen pro Fall einige tausend Franken an
Kosten, was gemäss geltendem Gesetz vollständig zulasten
der Steuerzahler geht und das ist besonders stossend. Diese
Kosten müssten unbedingt nach dem Verursacherprinzip
überwälzt werden können. Auf der anderen Seite hat man
kürzlich in der Zeitung von einem Sterbehospiz im
Reussport gelesen, das eine würdige Sterbebegleitung ermöglicht und dort fehlt wieder das Geld. Wo ist da die
Logik?!
Ich bitte den Regierungsrat um Verständnis, wenn ich aus all
diesen Gründen an meiner Motion festhalten möchte! Einerseits muss unbedingt ein gewisser Druck sozusagen als
Zeichen aufrechterhalten werden, und andererseits um unseren Kanton Aargau vor dem Ruf des "Sterbeimport-antons"
in Zukunft zu bewahren!
Der Kanton Aargau müsste nicht das Rad neu erfinden, er
könnte sich der Vorarbeit, die der Kanton Zürich hier bereits
geleistet hat, anschliessen und daran partizipieren. Ich bitte
Sie, meine Motion zu unterstützen!
Art. 2151
Vorsitzender: Frau Flückiger hält an der Motion fest. Wir
diskutieren damit nur noch über die Motion und werden
auch darüber abstimmen.
Dr. Rainer E. Klöti, FDP, Auenstein: Ich spreche im Namen
der FDP-Fraktion. Suizid bedeutet übersetzt ins Deutsche
"Freitod", "Selbsttötung" oder "Selbstmord". Diese Begriffe
zeigen, wie sehr dieses Wort, dieses Handeln, in seiner
Wertung ethischen, religiösen und gesellschaftspolitischen
Vorstellungen unterliegt.
Dass das Suizidproblem nicht nur für den einzelnen Menschen und seine Familie, sondern auch für unsere Gesellschaft von grosser Bedeutung ist, ist ersichtlich aus den in
den letzten Jahren wiederholt geführten engagierten Diskussionen auf der Publikumsebene, in politischen Zirkeln sowie
in Fachgremien. Kürzlich wurden durch die schweizerische
Akademie für medizinische Wissenschaften "Richtlinien zur
Betreuung von Patienten am Lebensende" publiziert. Diese
beschränkten sich auf die ärztlichen Aspekte des Freitodes
bei chronisch kranken Menschen.
Durch die nationale Ethikkommission wurden dieses Jahr
zehn Thesen über Suizidhilfe erarbeitet. Diese Thesen zeigen, dass beim assistierten Suizid - der begleiteten Sterbehilfe - Lösungen vorzubereiten sind, die das Spannungsfeld
zwischen der Pflicht zur Fürsorge und dem Respekt vor der
Selbstbestimmung des Individuums zu berücksichtigen
haben.
In weiten Kreisen der Schweiz, speziell bei Fachpersonen,
unbestritten ist, dass die Beihilfe zur Selbsttötung weiterhin
straffrei bleiben soll, sofern nicht eigennützige Motive im
Spiel sind. Dass die Sterbehilfe neben individuellen und
politischen Elementen auch eine reale volkswirtschaftliche
Bedeutung hat, ist aus der hohen Zahl von Selbsttötungen
abzuleiten. Gemäss offizieller Sterbestatistik sind im Jahre
1980 über 1'600 Menschen freiwillig aus dem Leben geschieden, 1997 waren es 1'341. Die Zahl der Suizidversuche
ist noch viel höher. Genaue Statistiken dazu gibt es nicht.
Die Zahl wird geschätzt auf weit über 20'000 Versuche pro
Jahr, die teils in fatalen chronischen Siechenzuständen
enden. Eine kürzlich publizierte Studie über die Kostenfolgen des Suizidgeschehens kam zum Schluss, dass Folgekosten von 2,3 Milliarden Franken pro Jahr entstanden sind,
dies nota bene im Jahr 1999!
Das ausserordentlich hohe Betroffenheitspotenzial einerseits
sowie die nicht zu unterschätzenden rechtlichen Probleme
des sogenannten "Sterbetourismus" waren Grund für verschiedene politische Vorstösse in Bern. Das Thema wird seit
Jahren intensiv diskutiert und führte zu einem Entwurf eines
Gesetzes zur Suizidprävention. Der NZZ vom 22. Februar
2004 ist zu entnehmen, dass der Vorsteher des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements, Herr Bundesrat
Blocher, dieses Rechtsetzungsprojekt aber aus den Zielen
der laufenden Legislatur gestrichen hat. Entsprechend ist
eine gesetzliche Grundlage auf Bundesebene voraussichtlich
in den nächsten Jahren nicht zu erwarten. Möglich ist eventuell ein bundesweit geltender verwaltungsrechtlicher Erlass
zum Wirken von Sterbehelfern.
Die wesentlichsten Elemente des nun aus der nationalen
Legislaturperiode gekippten Gesetzesentwurfs waren einerseits die Förderung und Einrichtung von Informations- und
Beratungsstellen für suizidgefährdete Menschen, andererseits die Regelung der begleiteten Selbsttötung.
19. Oktober 2004
Diese Regelungen zielen Richtung Definition eines Anforderungskatalogs an die Durchführung der Sterbebegleitung.
Zudem würde das Gesetz die Registrierung von Organisationen, die begleitete Selbsttötungen anbieten, regeln. Des
Weiteren hätte der Gesetzesentwurf die Übernahme der
Kosten, die sich aus der begleiteten Selbsttötung ergeben,
geregelt. Zwar soll der Suizid weiterhin als aussergewöhnlicher Todesfall gelten mit konsekutiver Anzeigepflicht und
behördlicher Bestandesaufnahme. Die sich daraus ergebenden Kosten könnten aber gemäss neuem Gesetz nicht mehr
dem Staat, sondern den Erben oder allenfalls der Sterbegleitungsorganisation übertragen werden.
Die vorliegende Motion von Frau Flückiger hat m.E. zwei
Stossrichtungen:
1. Schaffung einer Rechtsgrundlage auf kantonaler Ebene
für die Ausübung der begleiteten Sterbehilfe (Bewilligungspflicht).
Gegen diese Zielsetzung ist aus unserer Sicht nichts einzuwenden. In Anbetracht des verzögerten eidgenössischen
Rechtssetzungsprozesses ist eine kantonale Regelung dringlich und notwendig, dies im Interesse aller Beteiligten.
2. Einschränkung der Sterbehilfemöglichkeit bei ausländischen oder allenfalls ausserkantonalen Menschen mit dem
Ziel, einen sogenannten Sterbetourismus zu verhindern.
Die Unterscheidung in ausländische und schweizerische
bzw. aargauische Sterbewillige ist ethisch kaum zu begründen und auch umsetzungstechnisch sehr problematisch. Aus
ethischer Sicht ist es nicht nachvollziehbar, warum eine
Dienstleistung, die geordnet und allen Vorschriften Genüge
leistend nur auf Menschen mit kantonalem Wohnsitz oder
allenfalls schweizerischem Wohnsitz angewendet werden
darf. Auch die nationale Ethikkommission sieht keinen
Grund, aus ethischer Sicht Suizidwilligen aus dem Ausland
die Assistenz zu verweigern, vorausgesetzt, dass die Prinzipien der umfassenden Abklärung vorgängig erfüllt werden.
Dazu gehören die zweifelsfreie Kenntnis der Person sowie
deren Umstände und die sog. Konstanz des Suizidwunsches.
Es wird wohl niemandem einfallen, andere medizinische
Dienstleistungen - und als solche sehe ich letztendlich auch
die Sterbehilfe - auf lokale Anwender einzuschränken. Die
Not Sterbewilliger ist zum Teil unerträglich. Dies unter
anderem, weil ihnen die Gesetzgebung im Ausland einen
geordneten Übergang vom Leben in den Tod verbietet und
die daran Beteiligten und im Leben Zurückgelassenen kriminalisiert. Der europäische Gerichtshof hat sich bereits
ausführlich zu dieser Thematik äussern müssen.
Der Kanton Aargau ist stolz darauf, ein europäisch - vielleicht sogar weltweit führendes Zentrum für die Bestrahlung
von Augentumoren zu haben. Es ist nicht unvermessen, sich
gesetzgeberisch auch mit dem Übergang vom Leben zum
Tod zu beschäftigen, umso mehr, als dieser Zeitpunkt auf
jeden von uns zukommen wird und somit unbestritten häufiger auftreten wird als ein Augenhintergrundstumor.
Auch wenn es mich persönlich schaudert beim Gedanken an
Sterbehospize - wir sollten uns in der Zeit des vorwiegend
auf
Lebensverlängerungsmöglichkeiten
ausgerichteten
Gesundheitswesens auch mit den Realitäten des Regelungsbedarfs lebensverkürzender Massnahmen im Sinne der
begleiteten Sterbehilfe auseinandersetzen! Präventive Aus-
3539
19. Oktober 2004
grenzungsstrategien sind ebenso unopportun wie das Hoffen
auf Bundesbern, das es schon richten wird!
Eine gesetzliche Regelung ist dringlich und sollte unverzüglich an die Hand genommen werden! Zu den Inhalten und
Stossrichtungen können wir uns bei der vertieften Auseinandersetzung mit der Materie weiter beschäftigen. Ich
empfehle deshalb der Motionärin, ihren Vorstoss in ein
Postulat umzuwandeln, das wir gerne unterstützen werden!
Cécile Frei, SP, Gebenstorf: Ich spreche im Namen der SPFraktion. Die SP setzt sich für die Straflosigkeit der altruistischen Sterbehilfe ein. Nötig sind wirksame Massnahmen
zum Schutze der Sterbewilligen und eine Bundesaufsicht
über die Organisation der Sterbehilfe und den internationalen Sterbetourismus.
Die Motionärin verlangt, dass der Regierungsrat eine
Rechtsgrundlage ausarbeitet. Wir können dies nicht unterstützen, da es eine Bundesaufgabe ist. Auf Antrag von Bundesrat Blocher wurde leider das Sterbehilfe-Gesetz aus der
Legislaturplanung gestrichen, obwohl in diesem Bereich seit
längerem eine Grauzone besteht!
Direkte aktive und passive Sterbehilfe sind seit Jahren unklar geregelt bzw. umstritten. Diese Unsicherheiten können
nicht weiter aufgeschoben werden, sondern bedürfen einer
inhaltlichen Klärung, da dies eine grosse soziale Dimension
aufweist. Der Bund ist gefordert, Richtlinien auf Strafgesetzebene zu erlassen.
Die Kantone haben in gewissen Teilbereichen eine eigene
Praxis entwickelt, was aber unbefriedigend ist und die
Rechtsunsicherheit auch nicht behebt. Bundesrat Blocher
stoppte das Geld für die Ethikkommission, welche den
Auftrag hatte, diese Frage anzugehen und strich das Sterbehilfegesetz von der Prioritätenliste, obschon im Parlament
Einigkeit darüber herrschte, dass eine Regelung getroffen
werden muss.
Mit dem Verschieben dieser Gesetzesvorlage zur Sterbehilfe
lässt euer Bundesrat, Frau Flückiger, die Kantone im Stich
und eine grosse Grauzone in einem sensiblen Bereich bleibt
offen!
Die SP-Fraktion unterstützt den Regierungsrat, welcher
bereit ist, diese Motion als Postulat entgegenzunehmen und
fordert ihn auf, sich vehement für eine Bundeslösung einzusetzen.
Liliane Studer, EVP, Wettingen: Ich spreche im Namen der
EVP-Fraktion. Immer wieder erleben wir, dass Menschen,
die schwer krank sind und nicht mehr lange leben werden,
keine Lebenslust mehr besitzen und sterben wollen. Wenn
sie aber ins Hospiz eintreten, blühen sie plötzlich auf und
wollen leben und wenn es eben auch nur noch für einige
Wochen sein wird. Diese Erfahrungen machen Pflegepersonen im Zürcher Hospiz Light House. Die Hospizarbeit bedeutet das zugewandte und achtungsvolle Begleiten von
Menschen in der schwierigen Zeit der Endphase ihres Lebens, also ein menschenwürdiges Abtreten, was auch jeder
und jede von uns verdient hat. Ich habe mir sagen lassen,
dass ein menschenwürdiges Sterben, also ein ethisch vertretbares Sterben nur dann da ist, wenn Menschen geborgen
und nicht alleine sind neben noch zusätzlichen Komponenten. Ist also die Sterbehilfe ethisch vertretbar? Wenn wir das
genannte Beispiel anschauen, wo Menschen aus vielen
Gründen bereit sind zu sterben, aber bei plötzlicher Anteil3540
Art. 2151
nahme am Leben dieser Menschen Geborgenheitsgefühle
usw. plötzlich von Lebenslust gepackt werden? Auch wenn
Menschen in einer Sterbephase sind, sie leben dennoch und
brauchen Menschen, die sich um sie kümmern und nicht
solche, die ihr Leben noch mehr oder für immer verhindern!
Nun, Sterbehilfemeldungen scheinen sich - nachdem sie in
anderen Kantonen schon anzutreffen waren - im Kanton
Aargau zu häufen. Ich und die ganze EVP-Fraktion unterstützen darum das Anliegen der Regierung, dass eine einheitliche gesetzliche Regelung in der ganzen Schweiz gemacht werden soll. Trotzdem ist in unserer Situation das
Abwarten auf den Bund einfach zu vage. Denn hier geht es
um Leben und Tod und speziell um Menschen. Der Kanton
Zürich hat die Problematik mit dem Sterbetourismus erkannt
und hat ein kantonales Suizidhilfegesetz in Bearbeitung, wo
unter anderem eine Bewilligungspflicht für Sterbehilfeorganisationen und eine Beschränkung auf Sterbewillige in der
Schweiz vorgesehen ist. Wir also haben die Chance, jetzt
diesen Tourismus zu verhindern. Deshalb bitten wir Sie, den
Zürchern bzw. der Motion von Frau Flückiger zu folgen und
dieser zuzustimmen!
Vorsitzender: Aus dem Plenum liegen keine weiteren
Wortmeldungen dazu vor.
Regierungsrat Kurt Wernli, parteilos: Fast zum Abschluss
des heutigen Tages befassen wir uns noch mit einem sehr
ernsten Thema. Ich schliesse mich da sämtlichen Votantinnen und Votanten an. Ich möchte aber bei meinen Ausführungen klar unterscheiden zwischen den reinen Rechtsfragen, die hier gestellt sind, und den verständlichen ethischen
Aspekten. Was wir hier nicht regeln können, sind die ethischen Fragen und damit auch die darauf bauenden Probleme.
Die Voraussetzungen für die Ausübung der Sterbehilfe sind
abschliessend auf Bundesebene geregelt. Es ist die aktive
und direkte Sterbehilfe verboten. Sterbehilfe aus selbstsüchtigen und pekuniären Gründen ist ebenfalls verboten. Die als
Sterbehelfer tätigen Ärztinnen und Ärzte haben sich an die
relevanten Gesetze zu halten und sie müssen über eine kantonale Berufsausübungsbewilligung verfügen. Das eidgenössische Strafgesetzbuch regelt die Sterbehilfe abschliessend. Somit können wir gar nicht auf kantonaler Ebene
andere Bestimmungen erlassen, weil hier das übergeordnete
Recht vorgeht! In diesem Sinne ist die Motion - ich muss
das fast so sagen - gar nicht zulässig! Wir könnten nicht
anders regeln, als was die eidgenössische Gesetzgebung
schon festhält.
Wenn es allerdings zum Zweiten in diesem Anliegen um die
Verhinderung des Sterbetourismus geht, so sind wir der
Meinung, dass das eine einheitliche, gesetzliche Regelung
für die ganze Schweiz erfordert. Wenn wir das lediglich jetzt
in einem Gesetz für den Kanton Aargau festhalten wollten,
dann macht das zwar möglicherweise für den Kanton Aargau Sinn, aber ob das gesamtschweizerisch Sinn macht, darf
füglich hinterfragt werden. Da die Sterbehilfe materiell
durch das Bundesrecht geregelt wird, macht es keinen Sinn,
wenn nun die Kantone einzeln versuchen, dies zu tun!
Herr Dr. Klöti hat es sehr klar ausgeführt: Man muss auch
die Verhältnissituation anschauen. Wir haben jährlich in der
Schweiz rund 1'000 Suizidfälle. Bei sämtlichen dieser Fälle
ist eine Legalinspektion erforderlich. Es sind also genau die
Abklärungen vorzunehmen, wie sie auch bei der Sterbehilfe
Art. 2152-2153
erfolgen. Die Kosten fallen genau so an. Im Verhältnis zu
diesen 1'000 in der Schweiz zählen wir im Kanton Aargau
bisher elf solche Sterbehilfefälle, wie sie Frau Flückiger
geschildert hat. Seit den Sommerferien sind zwei Fälle
bekannt. Jetzt stellt man hier die Erfordernis, für diese vielleicht zwölf Fälle pro Jahr im Kanton eine spezielle Gesetzgebung zu erlassen, meine Damen und Herren! Sie verlangen also, dass wir hier gesetzlich tätig werden und zwar nur
für den Kanton Aargau und um zu verhindern, dass im
Kanton Aargau solche Sterbehilfeorganisationen tätig werden können. Sie verhindern damit ja nicht, dass in anderen
Kantonen, wo diese Verbotssituation nicht oder noch nicht
besteht, solche Institutionen tätig werden können. Ich frage
mich, ob das wirklich der Sinn der Gesetzgebung ist. Deshalb wird sich der Regierungsrat dafür einsetzen - und das
haben wir in unserer Botschaft auch ausgeführt -, dass eine
Bundeslösung gefunden wird. Spezifische Fragen, wie die
Überwälzung der Kosten, müssen noch vertieft geklärt
werden. Das ist durchaus kantonal möglich.
Die Motion hingegen zielt in zweierlei Hinsicht in die falsche Richtung: Wir können keine kantonale Sterbehilferegelung aufstellen! Es geht höchstens um das Verbot des "Sterbehilfetourismus". Wenn das das Anliegen ist, dass wir
dafür eine spezielle Gesetzgebung erlassen, so appelliere ich
an den Grossen Rat, dass das eidgenössisch zu regeln ist und
zudem hätten wir für Gesetzgebungen eigentlich andere
Prioritäten zu setzen!
Vorsitzender: Frau Flückiger hält an der Überweisung des
Vorstosses als Motion fest.
Abstimmung:
Für Überweisung der Motion: 57 Stimmen.
Dagegen: 76 Stimmen.
Vorsitzender: Die Motion wird nicht überwiesen. Das Geschäft ist damit erledigt.
2152 Interpellation Dr. Rainer Klöti, FDP, Auenstein,
vom 22. Juni 2004 betreffend Sterbehilfe; Beantwortung
und Erledigung
(vgl. Art. 1978 hievor)
Antwort des Regierungsrats vom 1. September 2004:
Zur Frage: Das Recht des Bundes, wie auch das kantonale
Recht sehen für die Tätigkeit der Sterbehelfer und der Sterbehilfeorganisationen keine Bewilligungspflicht vor, doch
müssen diese bei der Ausübung der Sterbehilfe die Grenzen
der Rechtsordnung beachten, welche die aktive direkte
Sterbehilfe und die Sterbehilfe aus selbstsüchtigen Beweggründen verbietet. Die an der Sterbehilfe beteiligten Ärztinnen und Ärzte haben sich zudem namentlich an die Bestimmungen der Gesundheits-, der Heilmittel- und der Betäubungsmittelgesetzgebung zu halten, müssen über eine kantonale Berufsausübungsbewilligung verfügen und unterstehen der Aufsicht des Kantonsarzts.
Der Regelungsbedarf bei der Suizidbeihilfe durch Sterbehilfeorganisationen wird aufgrund der fehlenden staatlichen
Aufsicht über privatrechtliche Vereine, der Irreversibilität
19. Oktober 2004
des Tods sowie angesichts der zunehmenden Anzahl der
Fälle gesamtschweizerisch anerkannt. Die Verhinderung des
Sterbetourismus und weiterer negativer Begleiterscheinungen der Suizidbeihilfe erfordern aber eine einheitliche gesetzliche Regelung für die ganze Schweiz. Das entsprechende Anliegen ist beim Bund in Prüfung, und der Regierungsrat wird sich für eine Bundeslösung einsetzen.
Die Kosten für die Beantwortung dieses Vorstosses betragen
Fr. 691.--.
Vorsitzender: Der Interpellant verzichtet auf eine Wortmeldung. Er ist von der Antwort befriedigt. Das Geschäft ist
damit erledigt.
2153 Postulat Milly Stöckli, SVP, Muri, vom 22. Juni
2004 betreffend Absolvieren der Fahrprüfung nur noch
in unseren Landessprachen; Überweisung an den Regierungsrat
(vgl. Art. 1975 hievor)
Antrag des Regierungsrats vom 1. September 2004:
Der Regierungsrat ist bereit, das Postulat mit folgender
Erklärung entgegenzunehmen:
Rechtslage: Gemäss Art. 25 Abs. 3 lit. b des Strassenverkehrsgesetzes (SVG) ist es Sache des Bundes, nach Anhörung der Kantone Vorschriften über die Durchführung der
Fahrzeug- und Führerprüfungen zu erlassen. Der Bundesrat
hat damit die Möglichkeit, Vorschriften über das Sprachangebot bei Führerprüfungen zu erlassen. Die einschlägige
Verkehrszulassungsverordnung (VZV) vom 27. Oktober
1976 schreibt in der geltenden Fassung jedoch lediglich vor,
dass die Kantone die Prüfungsfragen im Einvernehmen mit
dem Bundesamt für Strassen (ASTRA) erarbeiten (Art. 13
Abs. 2 VZV). Hingegen gibt es keine Bestimmungen darüber, in welchen Sprachen die Theorieprüfung abgelegt
werden kann bzw. muss.
Ist-Zustand in der Schweiz: Grundlage für die BasisTheorieprüfungen ist das vom ASTRA herausgegebene
Handbuch der Verkehrsregeln. Dieses wird allen Personen
abgegeben, die erstmals ein Gesuch um einen schweizerischen Lernfahr- oder Führerausweis stellen. Heute werden
die Basis-Theorieprüfungen in allen Kantonen, ausgenommen im Kanton St. Gallen, in den Sprachen Deutsch, Französisch, Italienisch, Englisch, Portugiesisch, Spanisch,
Albanisch, Serbokroatisch und Türkisch abgenommen. Ins
Gewicht fallen insbesondere die Fremdsprachen Albanisch,
Serbokroatisch und Türkisch. Im Kanton St. Gallen ist das
Sprachangebot seit kurzem auf die Landessprachen Deutsch,
Französisch und Italienisch sowie auf Englisch beschränkt.
Für die Erteilung eines Führerausweises ist die gute Kenntnis einer Landessprache wünschenswert, jedoch keine Voraussetzung. Entscheidend ist, dass die Führerausweisinhaberinnen und -inhaber die Verkehrsregeln kennen und diese
korrekt anwenden. Das breite Sprachangebot ist in erster
Linie gewählt worden, weil Arbeitgebende daran interessiert
sind, dass bei ihnen beschäftigte Ausländer möglichst rasch
Fahrzeuge mit einem schweizerischen Führerausweis lenken
können und damit vielseitiger einsetzbar sind.
3541
19. Oktober 2004
Art. 2154
Praxis im Kanton Aargau: Der Kanton Aargau wendet die
interkantonale Praxis an. Die Auswertung aller BasisTheorieprüfungen 2003 zeigt folgendes Bild:
Sprache
Deutsch
Französisch
Italienisch
Englisch
Portugiesisch
Spanisch
Albanisch
Serbokroatisch
Türkisch
Arabisch
Total
Anzahl
15'291
47
66
61
80
78
923
376
378
82
17'382
%
87.98
0.27
0.38
0.35
0.46
0.45
5.31
2.16
2.17
0.47
100
Das Sprachangebot hat sich grundsätzlich bewährt. Arabisch
ist aber seit der Einführung der computerunterstützten Theorieprüfung ab April 2004 nicht mehr im Angebot.
Vorstösse in weiteren Kantonen und im Bund: Parlamentarische Vorstösse in Zürich, Bern und weiteren Kantonen
sowie im Bund verlangen, dass die Basis-Theorieprüfungen
nur noch in den Landessprachen absolviert werden können.
Der Bundesrat hat sich am 27. August 2003 bereit erklärt,
eine entsprechende Motion von Nationalrat Alex Heim als
Postulat entgegen zu nehmen. In seiner Stellungnahme hält
der Bundesrat fest: "Ob das Anliegen des Motionärs zwingend integrierend wirken würde, ist für den Bundesrat zum
jetzigen Zeitpunkt nicht absehbar. Es könnte beispielsweise
auch dazu führen, dass Personen von der Ausübung eines
Berufs ausgeschlossen würden, und dass sich dadurch ihre
Lebenssituation sogar noch verschlechtern würde. In Unkenntnis der tatsächlichen Auswirkungen kann der Bundesrat keinen definitiven Entscheid fällen. Er ist aber bereit,
zusammen mit den betroffenen Behörden zu prüfen, ob das
Sprachangebot für die Basis-Theorieprüfung im Bundesrecht reduziert werden soll."
Einheitliche Vorschriften: Nach Auffassung des Regierungsrats muss das Sprachangebot für Basis-Theorieprüfungen
gesamtschweizerisch einheitlich sein. Andernfalls entsteht
ein interkantonaler Prüfungs-Tourismus mit einem vermehrten Verwaltungsaufwand. Zudem wäre eine rechtsgleiche
Behandlung nicht mehr gewährleistet. Da der Erlass von
Strassenverkehrsvorschriften Bundessache ist, soll auch das
Sprachangebot bundesrechtlich einheitlich geregelt werden.
Der Regierungsrat ist daher bereit, sich für eine solche
Lösung auf Bundesebene einzusetzen. Er ist auch bereit, die
Situation neu zu prüfen, falls sich eine einheitliche Bundeslösung nicht realisieren lässt und nach St. Gallen weitere
Kantone dazu übergehen, das Sprachenangebot einzuschränken.
Traktandum Nr. 10 wurde bereits am Morgen erledigt.
2154 Interpellation Dr. Christian Brunner, Zofingen,
vom 8. Juni 2004 betreffend Überbelegung der Gefängnisse im Kanton Aargau; Beantwortung und Erledigung
(vgl. Art. 1939 hievor)
Antwort des Regierungsrats vom 25. August 2004:
Zu Frage 1: Die neun im Kanton Aargau noch bestehenden
Bezirksgefängnisse sind seit dem Frühjahr 2002 stark belegt,
nachdem in den Jahren 2000 und 2001 die Auslastung der
Bezirksgefängnisse deutlich tiefer lag. In Zahlen ausgedrückt bedeutet dies Folgendes:
2000
2001
2002
2003
2004 (Januar bis Mai)
Auslastung
57.07%
56.95%
62.87%
80.57%
88.71%
Die aufgeführten Auslastungszahlen stellen Durchschnittswerte dar, die zeitlich begrenzte, höher liegende Spitzenbelegungen nicht sichtbar machen. Zudem ist bei Gefängnissen, die überwiegend der Untersuchungshaft dienen, bei
einer durchschnittlichen Auslastung von 80% von einer
vollen Auslastung auszugehen. Die Belegung der Gefängnisse ist starken Schwankungen unterworfen. Zurzeit befindet sich der Zyklus auf einem Zehnjahres-Hoch.
Das Angebot an Haftplätzen ist zeitweise kleiner als die
Nachfrage. Dass tatsächlich ein Trend in Richtung einer
dauerhaft höheren Gefängnisbelastung besteht, ist zwar
wahrscheinlich, lässt sich zur Zeit aber nicht mit Sicherheit
prognostizieren. Zu beachten ist auch, dass mit dem Inkrafttreten des revidierten Allgemeinen Teils des Schweizerischen Strafgesetzbuchs (voraussichtlich auf den 1. Januar
2006) ein Teil der heute in den Bezirksgefängnissen vollzogenen kurzen Freiheitsstrafen wegfallen dürfte.
Kurzfristige Handlungsmöglichkeiten fehlen, weil es bei der
Bereitstellung von Gefängnisplätzen sehr schwierig ist,
kurzfristig improvisierte Lösungen zu realisieren. Dass im
aargauischen Gefängniswesen jedoch grosser Handlungsbedarf besteht, ist hingegen schon lange klar. Ausfluss dieser
durch das Departement des Innern und den Regierungsrat
schon vor Jahren vorgenommenen Lagebeurteilung ist das
Gefängniskonzept und das darauf fussende Projekt Zentralgefängnis.
Die Kosten für die Beantwortung dieses Vorstosses betragen
Fr. 1'281.--.
Zu Frage 2: Die Zahl der benötigten Plätze für die Untersuchungs- und Sicherheitshaft ist - wie bereits erwähnt - starken zyklischen Schwankungen unterworfen. Es verbietet
sich damit von selbst, bei naturgemäss längerfristig angelegten Planungen nur gerade auf die aktuellen Bedürfnisse
abzustellen, ohne mögliche Entwicklungen über Jahre im
Auge zu behalten.
Vorsitzender: Der Regierungsrat hat sich in seiner Antwort
schriftlich bereit erklärt, das Postulat entgegenzunehmen.
Das Postulat ist unbestritten. Der Rat überweist es damit
stillschweigend an den Regierungsrat.
Entwicklungen, die zurzeit absehbar sind und einen Einfluss
auf die zur Untersuchungs- sowie Sicherheitshaft und zum
Kurzvollzug benötigten Gefängnisplätze haben werden,
sind:
In diesem Sinn ist der Regierungsrat bereit, das Postulat
entgegenzunehmen.
3542
Art. 2154
- Beseitigung der zurzeit herrschenden Ressourcenknappheit
im polizeilichen Bereich und entsprechend höhere Zahl von
Verhaftungen;
- weitere Zunahme der Migration, insbesondere im Asylbereich;
- Inkrafttreten des revidierten Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs mit einem neuen Sanktionensystem.
Während die ersten beiden Faktoren mittelfristig eine Zunahme der Nachfrage nach Untersuchungshaftplätzen mit
sich bringen werden, sind die Auswirkungen des neuen
Sanktionensystems auf die für den Kurzvollzug benötigten
Kapazitäten selbst für die Experten des Bundes nicht sicher
prognostizierbar.
Stellt man die den Insassenbestand im Freiheitsentzug belastenden Faktoren (verstärkte Verfolgung der Gewalt- und
Sexualdelinquenz, schärfere Intervention bei häuslicher
Gewalt, Wirtschaftskriminalität, erhöhte Straffälligkeit von
Jugendlichen, wachsende Ausländerkriminalität, zunehmend
offene Grenzen und wachsende Migrationsströme) den
entlastenden Faktoren (Entwicklung alternativer Sanktionsformen, Ausdehnung der Geldstrafen, Stabilisierung der
medizinischen Drogenhilfe) gegenüber, so ist davon auszugehen, dass die Nachfrage nach Plätzen für Untersuchungsund Sicherheitshaft eher zunehmen wird.
Das vom Grossen Rat verabschiedete Gefängniskonzept
sieht vor, dass zur Gewährleistung des Vollzugs kurzer
Freiheitsstrafen, der Halbgefangenschaft, der Untersuchungshaft sowie der Vorbereitungs- und Ausschaffungshaft
rund 190 Plätze bereitzustellen sind (Leitsatz 1a des Gefängniskonzepts). Zurzeit beträgt das Platzangebot in den
neun Bezirksgefängnissen rund 170 Plätze. Mit den im
Gefängniskonzept vorgesehenen zusätzlichen rund 20 Plätzen sowie der Multifunktionalität der Zellen im projektierten
Zentralgefängnis (keine ungenügend gesicherten Zellen für
Halbgefangenschaft, die für Untersuchungshaft nicht genutzt
werden können) kann aktuellen und künftig zu erwartenden
Belastungen begegnet werden. Das Gefängniskonzept als
langfristig angelegte, vorausschauende Planungsgrundlage
erweist sich damit nach wie vor als richtig.
Zu Frage 3: Damit das Gefängniskonzept endlich umgesetzt
werden kann, muss sein Herzstück - das geplante Zentralgefängnis - realisiert werden. Dem Grossen Rat soll 2005 das
Projekt zur Genehmigung und zur Bewilligung des entsprechenden Verpflichtungskredits vorgelegt werden. Nach der
geplanten Inbetriebnahme des Zentralgefängnisses in den
Jahren 2008/2009 werden die Bezirksgefängnisse Brugg,
Bremgarten, Laufenburg, Lenzburg und Zurzach geschlossen. Diese Gefängnisse sind bereits heute betrieblich und
sicherheitstechnisch in prekärem Zustand. Sie entsprechen
weder den Mindestvorschriften der Europäischen Menschenrechtskonvention noch den Anforderungen des Brandschutzes. Die Gefängnisse Bremgarten, Laufenburg, Lenzburg und Zurzach verfügen über keinen Spazierhof, was
personalintensive und gefährliche externe Spaziergänge
nötig macht. Ein Weiterbetrieb dieser Gefängnisse über das
Ende dieses Jahrzehnts hinaus ist undenkbar. Nach Schliessung dieser Gefängnisse wird genau die mit dem Gefängniskonzept angepeilte Kapazität von rund 190 Plätzen zur
Verfügung stehen.
19. Oktober 2004
Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Gefängniskonzept und dem Polizeikonzept bzw. dem neuen Gesetz
über die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit (Polizeigesetz) besteht nicht. Denkbar ist allenfalls, dass mit der
mit dem Polizeigesetz angestrebten Fokussierung der Kantonspolizei auf ihre Kernaufgaben die zurzeit herrschende
Ressourcenknappheit im polizeilichen Bereich beseitigt
wird, was eine höhere Zahl von Verhaftungen nach sich
ziehen könnte (siehe Beantwortung der Frage 2). Die Erfahrungen in der Pilotregion Nord (Bezirke Brugg, Laufenburg,
Rheinfelden, Zurzach) haben gezeigt, dass auch nach der
Straffung des Postennetzes der Kantonspolizei die Zusammenarbeit zwischen den Ermittlungsbehörden im Regionenzentrum Nord und den Untersuchungsbehörden in den Bezirken nach wie vor gut und problemlos funktioniert.
Die Kosten für die Beantwortung dieses Vorstosses betragen
Fr. 1'281.--.
Dr. Christian Brunner, FDP, Zofingen: Ich danke dem
Regierungsrat für die Antwort und erkläre, dass ich damit im
Grundsatz zufrieden bin. Ich gestatte mir aber an dieser
Stelle noch einige Bemerkungen zum ganzen Sachverhalt.
Zunächst möchte ich auf die Praxis der Bezirksämter hinweisen, wonach Urteile auf Bussen, die nach Rechtskraft der
Strafbefehle nicht bezahlt werden, in Haft umgewandelt
werden können. Gerade in den letzten Wochen und Monaten
habe ich im Amtsblatt des Kantons Aargau seitenweise
Verfügungen der Bezirksämter unseres Kantons gesehen, in
welchem Bussen in Haft umgewandelt wurden. Gegen diese
Praxis ist an sich nichts einzuwenden, zumal dafür im Strafgesetzbuch eine rechtliche Grundlage besteht. Immerhin
führt diese Praxis selbstverständlich zu einer stärkeren Belastung der Gefängnisse. Das ist klar. Mit einem gewissen
Erstaunen habe ich gleichzeitig auch zur Kenntnis genommen, dass im Kanton Aargau die Möglichkeit, die Haftstrafe
in gemeinnützige Arbeit umzuwandeln in der Vollzugsverordnung des Regierungsrats zur neuen Strafprozessordnung
nicht vorgesehen ist. Ich denke, dass insbesondere bei geringfügigen Strafen im Kanton Aargau die Möglichkeit
geschaffen werden sollte, diese Strafen statt in Strafanstalten
mit gemeinnütziger Arbeit, also beispielsweise in Altersheimen, abverdienen zu können. Diese Art der Strafverbüssung ist im Strafgesetzbuch vorgesehen und es ist aus meiner Sicht nicht einzusehen, weshalb diese Möglichkeit in der
Vollzugsverordnung zur Strafprozessordnung im Kanton
Aargau nicht ebenfalls vorgesehen ist, zumal diese Art der
Strafverbüssung im Kanton Aargau offenbar bereits angewendet wird und sich bewährt hat.
Als weiteren Punkt weise ich an dieser Stelle auf die erhöhte
Strafkompetenz der Bezirksämter hin. Wie Sie alle wissen,
wurde in der letzten Revision der Strafprozessordnung der
obere Strafrahmen der Bezirksämter von einem Monat
Gefängnis auf drei Monate Gefängnis erhöht. Bei meinen
Abklärungen zu dieser Interpellation habe ich den Eindruck
erhalten, dass mit dieser Erhöhung des Strafrahmens auch
die Strafen als solche in der Praxis höher ausfallen, was
wiederum zu einer Mehrbelastung der Gefängnisse führt.
Ich bin mit der Beantwortung der Interpellation einverstanden, bin aber der Meinung, dass mit diesen Praktiken, die
ich eben erwähnt habe, die Sache sorgfältig im Auge behalten werden sollte, zumal diese auf die Dauer zu einer Überbelastung der Gefängnisse führt!
3543
19. Oktober 2004
Vorsitzender: Der Interpellant ist von der Antwort befriedigt. Das Geschäft ist damit erledigt.
2155 Motion Dr. Dragan Najman, SD, Baden, vom
29. Juni 2004 betreffend statistische Erfassung der Nationalität und des Alters von Rasern; Rückzug
(vgl. Art. 1994 hievor)
Antrag des Regierungsrats vom 15. September 2004:
Der Regierungsrat lehnt die Motion mit folgender Begründung ab:
A. Formell: Gemäss § 45 des Geschäftsverkehrsgesetzes
verpflichtet eine Motion den Regierungsrat, eine Verfassungs-, Gesetzes- oder Dekretsvorlage oder den Entwurf für
einen Beschluss vorzulegen. Auf Grund der geltenden Zuständigkeitsordnung kann der Grossen Rat den Regierungsrat nicht mittels Motion beauftragen, bei "Rasern die Nationalität und das Alter der Betreffenden statistisch zu erfassen
(…)". Er könnte allenfalls die Ausarbeitung entsprechender
Rechtsgrundlagen verlangen.
Die Motion ist damit formell unzulässig und bereits aus
diesem Grund abzulehnen. Dessen ungeachtet nimmt der
Regierungsrat im Folgenden auch materiell zur Motion
Stellung.
B. Materiell: Vorbemerkungen: Ab Mitte 2003 war auf den
Aargauer Strassen eine starke Zunahme der tödlich verlaufenen Verkehrsunfälle, die auf Geschwindigkeitsexzesse
zurückzuführen waren, zu verzeichnen. Die Häufung der
Ereignisse hat die politisch und polizeilich verantwortlichen
Stellen veranlasst, Gegenmassnahmen einzuleiten. So wurden die polizeiliche Präsenz an bekannten Raserstrecken in
der Nacht massiv erhöht und pro Woche an verschiedenen
Orten drei bis vier Geschwindigkeitskontrollen durchgeführt. An sechs geeigneten Orten auf der Autobahn wurden
Mahntafeln mit dem Wortlaut "Hallo Raser - Probleme
gefällig?" aufgestellt. Parallel dazu traten Exponenten aus
Politik, Verwaltung und Polizei in den Medien auf und
verurteilten die Geschwindigkeitsexzesse in aller Deutlichkeit.
Nicht zuletzt aufgrund der eingeleiteten Massnahmen hat
sich die Situation darauf etwas "beruhigt": Die Gesamtzahl
der polizeilich bearbeiteten Unfälle war im Jahr 2003 mit
3'310 Fällen insgesamt leicht rückläufig. Die Zahl der Verletzten ging von gut 2'100 auf unter 2'000 zurück. Ebenso
konnte bei den Verkehrstoten eine minimale Abnahme von
44 auf 43 registriert werden. Auch im Jahr 2004 hat sich die
positive Tendenz im Unfallgeschehen fortgesetzt. Im
1. Semester 2004 gab es bei 19 Verkehrsunfällen noch 20
Unfalltote gegenüber 29 Unfalltoten in der Vorjahresperiode. Von den 19 Verkehrsunfällen sind deren fünf auf nicht
angepasste Geschwindigkeit zurückzuführen, wovon wiederum zwei Ereignisse als "Raser"-Unfälle" zu bezeichnen
sind.
Einen Dämpfer erfuhren die Anstrengungen anfangs September 2004, als bei Unfällen in Würenlos und Gränichen
mehrere jugendliche Autofahrer bei Selbstunfällen getötet
bzw. verletzt wurden.
3544
Art. 2155
Bundesvorgaben: Das Bundesgesetz legt die Erfassung von
Verstössen gegen die Strassenverkehrsregeln wie folgt fest:
- Für die weitaus überwiegende Zahl der Übertretungen der
Verkehrsregeln setzt die Ordnungsbussenverordnung (OBV)
vom 4. März 1996 die Bussenbeträge für die Überschreitung
der signalisierten oder gesetzlichen Höchstgeschwindigkeiten verbindlich fest. Das Ordnungsbussenverfahren sieht die
Erfassung von Personalien nicht vor.
- Im Fall gravierender Geschwindigkeitsübertretungen gemäss Art. 90 Ziff. 1 und 2 des Strassenverkehrsgesetzes
(SVG) sind die Personalien zuhanden der Strafbehörden zu
erfassen. Statistiken über die Nationalitäten und das Alter
derjenigen Personen, welche die Geschwindigkeitsüberschreitungen begangen haben, sind nicht vorgeschrieben.
- Verkehrsunfälle werden auf Grund von Art. 128 Verkehrszulassungsverordnung (VZV) erfasst. Auch diese sieht keine
Erfassung der Nationalität der Unfallbeteiligten vor.
Aufwändige Erfassung der Nationalität ohne relevanten
Nutzen: Nach Beurteilung von Fachleuten ist weniger die
Nationalität als vielmehr das Alter und der gesellschaftliche
sowie soziale Hintergrund der Fahrzeuglenker ein massgebender Faktor für auffälliges Verhalten im Strassenverkehr.
Personen mit geringerer gesellschaftlicher Anerkennung
neigen eher dazu, vermeintliche oder tatsächliche Defizite
am Steuer eines Fahrzeugs zu kompensieren. Die Veröffentlichung von Daten über die Nationalität würde gerade in
diesem Zusammenhang diskriminierend wirken. Zudem ist
zu beachten, dass zunehmend junge Erwachsene mit ausländischen Wurzeln die Schweizer Staatsbürgerschaft besitzen.
Diesfalls wäre es also von zufälligen Faktoren abhängig, ob
ein "Raser" als Schweizer oder Ausländer registriert würde.
Wenn schon müssten Faktoren wie Alter und Geschlecht
von Rasern erfasst werden. Die Erfahrungen zeigen, dass
vor allem junge Männer "Raser-Unfälle" verursachen.
Insgesamt wäre also die statistische Erfassung der Nationalität von Unfallverursachern ohne Nutzen für die Verkehrssicherheit, würde aber das Verhältnis unter den verschiedenen
Bevölkerungsgruppen unnötig belasten.
Massnahmen mit Wirkung: Auf den 1. Januar 2005 wird das
neue Recht über die Administrativmassnahmen im Strassenverkehr in Kraft treten. Es enthält wesentlich strengere
Bestimmungen für erstmalige schwere Vorfälle und für
Wiederholungstäter im Strassenverkehr. In einer zweiten
Stufe treten auf den 1. Januar 2006 weitere revidierte Bestimmungen des Strassenverkehrsgesetzes in Kraft. So erhalten Neulenker den Führerausweis auf Probe und durchlaufen
ihre Ausbildung in zwei Phasen. Dieses Vorgehen erlaubt
eine eingehende Ausbildung sowie die Möglichkeit, provisorisch erteilte Ausweise nach relativ geringfügigen Delikten wieder einzuziehen.
Für die mittel- und langfristige Senkung der Verkehrsunfälle
unterstützt der Regierungsrat auch die Anstrengungen des
Bundes für eine neue Strassenverkehrssicherheitspolitik
(Vesipo). Erklärtes Ziel ist es, bei der Entwicklung der
Anzahl Toten und Schwerverletzten einen klaren Trendbruch herbei zu führen. Solche Massnahmen dienen der
Verkehrssicherheit wesentlich mehr als die aufwändige
Erfassung der Nationalität von Rasern und Unfallverursachern.
Art. 2156
Die Kosten für die Beantwortung dieses Vorstosses betragen
Fr. 1'694.--.
Dr. Dragan Najman, SD, Baden: In den Vorbemerkungen
der regierungsrätlichen Antwort kann man unter anderem
lesen, dass (Zitat): "ab Mitte 2003 Exponenten aus Politik,
Verwaltung und Polizei in den Medien auftraten und die
Geschwindigkeitsexzesse in aller Deutlichkeit verurteilten",
- also nicht nur verurteilten, sondern in aller Deutlichkeit
verurteilten!
Nun, meine Vorbemerkung lautet: Der Auftritt dieser Leute
wird die Raser sicher "sehr" beeindruckt haben. Die festgestellte Abnahme der Todesfälle auf Strassen von 44 auf 43
gehört meines Erachtens in die Rubrik "statistische Schwankungen"! Dass in den Bundesvorgaben die Erfassung von
Nationalität und Alter der Überschreiter von Geschwindigkeiten, sowie ganz allgemein die Verursacher von Verkehrsunfällen nicht vorgeschrieben sind, sagt überhaupt nichts
aus. Der Kanton Aargau kann diese Erfassung genauso
einführen, wie es verschiedene Kantone wie Luzern und
Zürich bereits getan haben. Der Satz aus der Botschaft
(Zitat): "Die Veröffentlichung von Daten über die Nationalität würde gerade in diesem Zusammenhang diskriminierend
wirken," scheint mir im Zusammenhang mit Rasern äusserst
deplaziert. Die panische Angst unserer Regierenden vor
möglichen Diskriminierungen selbst bei Verbrechern - und
solche Raser sind nichts anderes als Verbrecher - treibt
wirklich sehr sonderbare Blüten! Offenbar nimmt der Regierungsrat lieber die Nennung von Namen unschuldiger Toter
oder Verletzter in Kauf. Bevor ich zum Schluss komme,
möchte ich noch erwähnen, dass ich jetzt endlich weiss,
wieso in der neuen Deutschen Rechtschreibung das Wort
aufwändig mit 'ä' geschrieben wird, wie es im vorliegenden
Bericht des Regierungsrats mehrmals zu lesen ist. Wenn
man solche und ähnliche Berichte des Regierungsrats liest,
jagt es einem wirklich die Wände hinauf! Der Regierungsrat
findet, dass die Erfassung der Nationalität zu aufwendig pardon ich meine natürlich zu aufwändig - wäre! Diese
Auffassung kann ich erstens nicht teilen, denn es wird ja
wohl keiner besonderen Anstrengung bedürfen, um die
Registrierung der Personalien aus dem Führerschein im
Unfallprotokoll gleich auch noch die Nationalität zu notieren. Zweitens fällt sie aus einem anderen Grund ausser
Betracht. Kurz nach der Bearbeitung der Motion durch den
Regierungsrat wurde eine Verlautbarung des Bundesamtes
für Strassen ASTRA veröffentlicht, wonach das ASTRA
genau diese von mir geforderte statistische Erfassung der
Nationalität der Raser einzuführen beabsichtigt, vermeintliche Diskriminierung hin oder her!
Schliesslich komme ich noch zum Formellen: Der Regierungsrat schreibt, der Grosse Rat könne den Regierungsrat
nicht mittels Motion beauftragen, die geforderte Statistik zu
erstellen. Er könne allenfalls die Ausarbeitung entsprechender Rechtsgrundlagen verlangen. Nun, ich habe dem Regierungsrat ja auch nicht vorgeschrieben, wie er meine Motion
bearbeiten soll. Wenn er es für nötig erachtet und es ihm
Spass macht, kann er selbstverständlich zuerst die entsprechenden Rechtsgrundlagen schaffen. Aus den erwähnten
Gründen bitte ich Sie, meine Motion zu überweisen!
Vorsitzender: Aus dem Plenum liegen keine weiteren
Wortmeldungen dazu vor.
Regierungsrat Kurt Wernli, parteilos: Zuerst zum Formellen. Wir wollen ja nicht formalistisch sein, Herr Najman.
19. Oktober 2004
Aber wir müssen doch klare Regeln miteinander vereinbaren. Hier geht es darum, festzuhalten, dass eine Motion eine
Rechtserlasssituation erfordert. Das kann der Grosse Rat
fordern. Aber er kann nicht einfach sagen, es ist eine Statistik zu erheben! Mit welcher Rechtsgrundlage würden wir
das dann tun? Wenn Sie jetzt sagen, ja dann sollen wir halt
die Rechtsgrundlage schaffen, dann bitte ich Sie, die Motion
so abzufassen. Sie müssen dann sagen, dass in diesem und
jenem Erlass eine entsprechende Ergänzung des Gesetzes
einzubauen, so dass die Befugnis besteht, damit der Regierungsrat das tun kann! Wir dürfen nicht einfach irgendetwas
in diesem Staate tun, sonst würde der Grosse Rat zu Recht
einschreiten. Es bestehen Gesetze und Grundlagen und an
die hat sich auch der Regierungsrat zu halten und ich meine,
eigentlich auch der Grosse Rat. Aus diesen Gründen müssen
wir bereits aus formellen Gründen die Motion ablehnen!
Zum Inhalt: Es ist richtig, dass in der Zwischenzeit seit der
Beantwortung das ASTRA zugesichert hat, eine solche
Statistik erheben zu wollen. Ich habe meine berechtigten
Zweifel. Wir erheben selbstverständlich die Personalien
jener Raser, die einen Unfall verursachen. Wie viele Raser
sind auf den Strassen, die - Gott sei Dank - keinen Unfall
verursachen? Die erfassen wir dann statistisch nicht! Wir
haben dann nur die Personalien von jenen, die einen Unfall
verursacht haben. Ob das dann eine aussagekräftige Situation ist, um nachher zielgruppenorientiert einzuschreiten und
die entsprechenden Massnahmen zu errichten, das darf doch
mit Fug und Recht bezweifelt werden. Deshalb ist es das
Anliegen des Regierungsrats, die Raserunfälle erstens zu
vermeiden und präventiv zu wirken und zweitens ist es dann
Sache der Gerichte, jene, die einen solchen Unfall verursacht haben, mit der Härte der Strafen zu packen! Da teile
ich Ihre Auffassung. Da haben wir überhaupt keine Differenzen. Aber es nützt uns wirklich nichts, wenn wir nur von
diesem kleinen Prozentsatz wahrscheinlich, eine Statistik
erstellen wollen. Was machen wir dann damit? Wir haben
ein Papier ausgefüllt. Aus diesen Gründen bitte ich Sie doch,
uns diese Aufwändungen mit 'ä' zu ersparen!
Dr. Dragan Najman, SD, Baden: Aus formalen Gründen
ziehe ich die Motion zurück und werde an der nächsten
Grossratssitzung dieselbe Motion mit demselben Inhalt
wieder einreichen mit dem geänderten Titel, dass ich den
Regierungsrat darum bitte, die Rechtsgrundlagen zur statistischen Erfassung der Nationalität von Rasern zu erfassen.
Dann wird es offenbar und hoffentlich in Ordnung sein!
Vorsitzender: Der Motionär zieht seinen Vorstoss zurück.
Das Geschäft ist damit erledigt.
2156 Interpellation Erika Müller, CVP, Lengnau, vom
27. April 2004 betreffend Täterbetreuung nach häuslicher Gewalt; Beantwortung und Erledigung
(vgl. Art. 1864 hievor)
Antwort des Regierungsrats vom 8. September 2004:
Zu Frage 1: Die Voraussetzungen für die Anordnung der
Untersuchungshaft werden durch das Gesetz über die Strafrechtspflege (Strafprozessordnung, StPO) vom 11. November 1958 bestimmt. Nach § 67 Abs. 1 StPO darf gegen eine
3545
19. Oktober 2004
beschuldigte Person grundsätzlich nur dann ein Haftbefehl
erlassen werden, wenn diese einer mit Freiheitsstrafe bedrohten Handlung dringend verdächtigt wird und zudem
entweder eine Flucht erfolgt ist oder ein Fluchtverdacht
besteht, oder aber wenn Anzeichen vorliegen, welche den
Verdacht begründen, dass die beschuldigte Person die Spuren der Tat vernichten, Zeugen oder Mitschuldige zu falscher Aussage verleiten oder sonst den Zweck der Untersuchung gefährden werde. Aus sicherheitspolizeilichen Gründen kann gestützt auf § 67 Abs. 2 StPO aber auch dann ein
Haftbefehl erlassen werden, wenn die Freiheit der beschuldigten Person eine Gefahr für andere darstellt, namentlich,
wenn eine Fortsetzung der strafbaren Tätigkeit befürchtet
werden muss. Die einer Straftat beschuldigte Person muss
von den Strafverfolgungsbehörden aus der Untersuchungshaft entlassen werden, sobald die genannten Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft nicht mehr
gegeben sind.
Zu Frage 2: Der Kanton Aargau verfügt über keine explizite
gesetzliche Grundlage, welche die Betreuung der Täterschaft
bei häuslicher Gewalt nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft vorsieht. Die zuständige Untersuchungsbehörde
kann aber gestützt auf § 86 f. der Verordnung über den
Vollzug von Strafen und Massnahmen (Strafvollzugsverordnung, SMV) vom 9. Juli 2003 eine durchgehende soziale
Betreuung der verhafteten Person und deren Angehörigen
anordnen, wobei aber die mit der sozialen Betreuung betrauten Seelsorger, Vollzugsangestellten und Sozialdienste der
Vollzugsanstalten nicht auf die Betreuung von Tätern bei
der Anwendung häuslicher Gewalt spezialisiert sind. Die
zuständige Untersuchungsbehörde hat sodann nach § 70
StPO den Gemeinderat des Wohnorts über die Verhaftung
zu benachrichtigen, sofern Fürsorgemassnahmen für die
Familie einer verhafteten Person erforderlich sind. Die
Untersuchungsbehörde kann zudem gestützt auf § 83 StPO
als Voraussetzung für die Entlassung des Täters oder der
Täterin aus der Untersuchungshaft geeignete Ersatzmassnahmen anordnen und dabei etwa die regelmässige persönliche Meldung bei einer Amtsstelle oder das Nichtverlassen
eines bestimmten Orts verfügen. Die analoge Anwendbarkeit des Art. 38 Ziff. 3 des Schweizerischen Strafgesetzbuchs (StGB) vom 21. Dezember 1937, welcher bei bedingten Entlassungen aus dem Strafvollzug die Erteilung von
Weisungen erlaubt, wonach sich die entlassene Person einer
ärztlichen Betreuung unterziehen oder auf alkoholische
Getränke verzichten muss, wird noch näher geprüft werden
müssen.
Zu Frage 3: Im März 1999 beauftragte der Regierungsrat das
Departement des Innern, zusammen mit einer interdisziplinären Arbeitsgruppe Massnahmen zur Verbesserung der
aargauischen Interventionspraxis im Bereich der häuslichen
Gewalt zu erarbeiten. Zwei Jahre später legte die Arbeitsgruppe einen rund 50 Massnahmen umfassenden Katalog
vor. Neben Schwachstellen wie fehlende Koordination und
gegenseitige Abstimmung der Massnahmen im Interventionsverlauf zeigten sich schwerwiegende Lücken im institutionellen Angebot.
Das seit Mitte 2003 laufende Interventionsprojekt gegen
häusliche Gewalt hat zum Ziel, a) Gewalt zu stoppen und
Eskalationen zu verhindern, b) Opfer wirksam und nachhaltig zu schützen und c) Gewaltausübende zur Verantwortung
zu ziehen. Um dieses Ziel zu erreichen und die genannten
Mängel zu beheben, sind neben einem nachhaltigen Opfer3546
Art. 2157
schutz Massnahmen auf Täterseite wie die Schaffung einer
Beratungsstelle sowie die Einführung eines sozialen Trainingsprogramms für die Gewaltausübenden dringend notwendig. Für gewaltausübende Männer gibt es im Kanton
Aargau kein Unterstützungsangebot im Rahmen einer Beratungsstelle, und die strafrechtlichen Massnahmen sind, wie
bereits bei Frage 2 erwähnt, nicht auf häusliche Gewalt
ausgerichtet. Diese Schwachstellen führen insgesamt dazu,
dass die Interventionskette frühzeitig unterbrochen wird,
keine wirkungsvolle Strafverfolgung stattfinden kann und unter Umständen - die Gewalt eskaliert.
Das Interventionsprojekt bearbeitet zurzeit diese und weitere
Massnahmen zur Verbesserung des institutionellen Angebots. Dabei wird geprüft, inwiefern die vorgeschlagenen
Unterstützungsangebote Wirkung erzielen und welche finanziellen und personellen Ressourcen benötigt werden.
Zusätzlich wird abgeklärt, wie die Kostenaufteilung zwischen Kanton und Gemeinden geregelt werden kann.
Die Kosten für die Beantwortung dieses Vorstosses betragen
Fr. 1'517.--.
Erika Müller, CVP, Lengnau: Ich danke dem Regierungsrat
für die Beantwortung meiner Fragen. Ich bin mit der Beantwortung zufrieden.
Die Beantwortung zeigt jedoch, dass grosser Handlungsbedarf besteht. Die Hemmschwelle zur Ausübung von Gewalt
sinkt besorgniserregend. Bei der Beantwortung darf es nicht
bleiben. Das seit 2003 laufende Interventionsprojekt gegen
häusliche Gewalt ist auf gutem Weg und verdient hohe
Anerkennung. Verschiedene Schwachstellen zeigen sich
aber und müssen in das Projekt einfliessen. Deshalb bitte ich
den Regierungsrat, dafür besorgt zu sein, dass neben einem
nachhaltigen Opferschutz auch unterstützende Beratungsstellen für Gewalt ausübende Täterinnen und Täter geschaffen werden! Ebenso müssen dringend strafrechtliche Massnahmen für häusliche Gewalt eingerichtet werden! Aus
sicherheitspolizeilichen Gründen ist ein Haftbefehl zu erlassen, wenn eine beschuldigte Person eine Gefahr für Schutzbedürftige darstellt. Die Strafrechtspflege erlaubt dies.
Dass sich eine haftentlassene Person in jedem Fall einer
ärztlichen Betreuung unterziehen muss, soll nicht nur erlaubt
sein, sondern eine ärztliche und fachliche Betreuung muss
selbstverständlich angeordnet werden! Die Verhinderung
von Eskalation nach häuslicher Gewalt muss zwingend
weiterverfolgt werden!
Vorsitzender: Die Interpellantin ist von der Antwort befriedigt. Das Geschäft ist damit erledigt.
2157 Postulat Roland Stöckli, SP, Boswil, vom 29. Juni
2004 betreffend mehr Sicherheit auf Aargauer Strassen
und Autobahnen; Überweisung an den Regierungsrat
und gleichzeitige Abschreibung
(vgl. Art. 2002 hievor)
Antrag des Regierungsrats vom 22. September 2004:
Der Regierungsrat nimmt das Postulat entgegen und beantragt mit folgender Begründung die gleichzeitige Abschreibung:
Art. 2157
Einleitende Bemerkungen: Gemäss den geltenden gesetzlichen Grundlagen sind die Kantone befugt, für bestimmte
Strassen Verkehrsbeschränkungen und Anordnungen zur
Regelung des Verkehrs zu erlassen. Massnahmen auf den
Nationalstrassen liegen allerdings im Kompetenzbereich des
Bundesamts für Strassen (ASTRA); die Kantone können
Anträge stellen. Sämtliche Verkehrsbeschränkungen müssen
verhältnismässig und durch ein überwiegendes öffentliches
Interesse begründet sein. Es ist diejenige Massnahme zu
wählen, die den angestrebten Zweck mit den geringsten
Einschränkungen erreicht.
Schwere Motorfahrzeuge dürfen auf Autobahnen mit einer
Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h fahren. Davon ausgenommen sind Reisecars, die mit einer Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 km/h belegt sind. Diese Geschwindigkeiten ermöglichen einen einigermassen flüssigen Verkehr.
Eine generelle Tempobeschränkung für Lastwagen macht im
Regelfall wenig Sinn und dürfte die Gefahr von Unfällen
eher erhöhen als vermindern.
Zur Gewährleistung der Sicherheit und des Verkehrsflusses
erarbeiteten und erarbeiten die zuständigen Fachstellen des
Kantons andere, wirksamere Lösungen. Beispielhaft sind zu
erwähnen:
- Hochbelastete Autobahnabschnitte wie beispielsweise die
A1 zwischen Lenzburg und Dietikon sind mit einem Verkehrsleitsystem ausgerüstet. Dieses ermöglicht bei Bedarf
eine Reduktion der Höchstgeschwindigkeit, z.B. bei hohen
Verkehrsfrequenzen.
- Im Bereich Mägenwil bis Kantonsgrenze Zürich ist eine
dynamische Geschwindigkeitssteuerung im Aufbau mit dem
Ziel, bei hohen Verkehrsbelastungen durch das systematische Reduzieren der Höchstgeschwindigkeit den Verkehrsfluss zu verstetigen und die stockende Fahrweise ("stop and
go") möglichst zu verhindern. Das Angleichen der Geschwindigkeiten zwischen Personenwagen und Lastwagen
reduziert das Unfallpotential erheblich. Beim Auftreten
eines Staus kann mittels Geschwindigkeitstrichter und dem
Einschalten der Warnsignale das Unfallrisiko weiter gesenkt
werden.
- Auf der Basis der Richtlinien des ASTRA erarbeitete das
Baudepartement für die A1-Strecke zwischen Rothrist und
Safenwil ein Konzept für ein dynamisches Lastwagenüberholverbot. Im Steigungsbereich sollen bei hoher Verkehrsbelastung die so genannten "Elefantenrennen" verhindert
werden. Durch ein zeitlich begrenztes Verbot soll die Akzeptanz dieser Einschränkung erhöht werden. Das Überholverbot ist nur bei entsprechender Verkehrsbelastung in
Kraft. In verkehrsarmen Zeiten ist diese Massnahme nicht
notwendig und somit unverhältnismässig und rechtlich nicht
zulässig. Nachdem aus dem Ausland positive Erfahrungen
mit zeitlich begrenzten LKW-Überholverboten vorliegen,
soll mit dem vorgesehenen Pilotversuch die Praxistauglichkeit auf unseren Strassen geprüft werden.
- Im Bereich der A3 - Verzweigung Rheinfelden werden zur
Gewährleistung der Verkehrssicherheit und des Verkehrsflusses für das LKW-Management verschiedene Massnahmen geprüft.
- Auf den Vorschlag eines LKW-Überholverbots in den
Baregg-Tunnels ist im Rahmen des Postulats Benjamin
Giezendanner vom 27. April 2004 betreffend eine Spur nur
19. Oktober 2004
für Lastwagen, gekoppelt an ein Überholverbot für LKWs,
eingegangen worden.
Aus dieser Darstellung geht hervor, dass dem Regierungsrat
die Gewährleistung der Sicherheit bei der Abwicklung des
Schwerverkehrs ein grosses Anliegen ist. Sorge bereitet ihm
aber die Verkehrsgefährdung, die von unverantwortlich
handelnden Hochrisiko-Verkehrsteilnehmern mit ihren
Personenwagen verursacht wird. Der Regierungsrat misst
der Senkung der Verkehrsunfälle einen hohen Stellenwert
bei. Verwaltungsintern wird ein Konzept "Verkehrssicherheit Strasse Aargau" erarbeitet. Gleichzeitig unterstützt der
Regierungsrat auch die Anstrengungen des Bundes für eine
neue Strassenverkehrssicherheitspolitik. Erklärtes Ziel ist es,
bei der Entwicklung der Anzahl Toten und Schwerverletzten
einen klaren Trendbruch herbei zu führen.
Verkehrskontrollen: Die Kantonspolizei Aargau führt im
Rahmen der personellen Möglichkeiten regelmässig
Schwerverkehrskontrollen durch. Mit dem Bund besteht
eine Leistungsvereinbarung zur Intensivierung der Schwerverkehrskontrollen, deren Vorgaben erfüllt werden. Zurzeit
sind jährlich gut 5'000 Kontrollstunden vereinbart, während
denen örtliche Schwerverkehrskontrollen sowie Betriebskontrollen durchgeführt werden.
Eine tabellarische Darstellung der Kontrollen zeigt folgendes Bild:
Zeitraum
2003
Jan. - Jun. 2003
Jan. - Jun. 2004
Kontrollen
60
29
41
Stunden
3'981
1'632
2'690
Anzeigen
Ruhezeit
260
102
191
Total
613
282
387
(In den aufgeführten Stundenzahlen sind die Betriebskontrollen nicht enthalten)
Die aufgeführten Ergebnisse zeigen, dass die Kontrollen
umfassend, aufwändig und nötig sind. Um zusätzliche Kontrollen durchführen zu können, müsste mehr Personal zur
Verfügung stehen.
Schwerverkehrszentren: Zurzeit steht der Kantonspolizei
einzig der Kontrollplatz in Mülligen (Kreuzungsbereich
A1/A3) für stationäre Kontrollen entlang der Autobahnen
zur Verfügung. Dieser ist allerdings in Bezug auf die Infrastruktur (fehlende Waage) nicht befriedigend. Das Bundesamt für Strassen hat ein Konzept betreffend Intensivierung
der Schwerverkehrskontrollen ausgearbeitet. Der Schwerverkehr soll noch effektiver kontrolliert werden. Für diesen
Zweck sollen in der ganzen Schweiz Schwerverkehrskompetenzzentren mit spezialisierten Einrichtungen und Fachkräften gebaut und betrieben werden.
Im Kanton Aargau sind zwei solche Zentren (Werkhöfe
Frick und Schafisheim) geplant. Diese werden jedoch erst in
zweiter Priorität (ab 2008) gebaut. Ebenfalls in zweiter
Priorität sind neben Frick, Schafisheim und anderen auch
Schwerverkehrszentren in Reiden LU und Oensingen SO
geplant. Ein Kontrollplatz in der Wiggertal-Verzweigung ist
mangels Eignung jedoch nicht vorgesehen.
Die Kosten für die Beantwortung dieses Vorstosses betragen
Fr. 1'517.--.
Vorsitzender: Der Regierungsrat beantragt dem Grossen
Rat, das Postulat entgegenzunehmen und gleichzeitig abzu-
3547
19. Oktober 2004
schreiben. Weder der Überweisung noch der Abschreibung
erwachsen Opposition. Damit ist der Vorstoss stillschweigend an den Regierungsrat überwiesen und gleichzeitig als
erfüllt von der Kontrolle abgeschrieben. Das Geschäft ist
damit erledigt.
2158 Aargauische Pensionskasse; Genehmigung der
Jahresrechnung 2003; Genehmigung
(Vorlage vom 4. August 2004 des Regierungsrats)
Vorsitzender: Ich begrüsse Frau Susanne Jäger, Geschäftsführerin der APK, die zur Beratung dieses Geschäftes auf
der Regierungsbank Einsitz genommen hat.
Walter Markwalder, SVP, Würenlos, Referent der Staatsrechnungskommission: Das Resultat, welches die Aargauische Pensionskasse (APK) im Jahre 2003 erwirtschaftet hat,
ist sehr gut. Dies können Sie dem Bericht über das Geschäftsjahr 2003 der APK und der Botschaft des Regierungsrats zur Genehmigung der Jahresrechnung 2003 entnehmen. 2003 war das letzte Geschäftsjahr ohne die Personalvorsorge für Lehrpersonen an der Volksschule.
Die vorliegende Jahresrechnung 2003 der APK erfüllt vollumfänglich die durch das Bundesrecht gestellten Anforderungen. Per 31. Dezember 2003 gehörten der APK 16'231
aktive Versicherte an. Der Bestand hat gegenüber dem
Vorjahr um 270 Personen oder 1,7% zugenommen. Im
Berichtsjahr wurden 2'300 Personen neu versichert und
1'710 Personen traten aus. Ebenfalls per 31. Dezember 2003
gehörten der APK 5'077 Rentnerinnen und Rentner an. Die
Anzahl der Renten nahm um 1,1% zu und die finanziellen
Verpflichtungen wuchsen um 0,7%. Die Wertschwankungsreserve stieg im Laufe des Jahres von 8 Mio. auf 183 Mio.
Franken an. Die Gesamtperformance erreichte sehr gute
8,9%.
Das noch immer tiefe Zinsniveau verunmöglichte allerdings,
dass der direkte Ertrag von 3,1% das langfristig angestrebte
Renditenziel von 4,5% erreichte, was sich auf den Deckungsgrad negativ auswirkt. Dieser Effekt konnte aber
teilweise durch das positive versicherungstechnische Resultat aufgefangen werden, so dass der Deckungsgrad nur um
0,7% von 77,7% auf 77,0% sank. Dies stimmt allerdings nur
in der alten Pensionskassen-Definition ohne Auflösung der
Schwankungsreserve. Gemäss den neuen Bestimmungen im
BVG ist der Deckungsgrad gestiegen und zwar von 77,9%
auf 81,6%. Die Kontrollstelle in ihrem Bericht und der
Regierungsrat in seiner Botschaft empfehlen bzw. beantragen die Jahresrechnung 2003 der Aargauischen Pensionskasse (APK) zu genehmigen!
Die Überprüfung und Beurteilung durch die Staatsrechnungskommission (SRK) ergab keine abweichende Feststellungen. Die gestellten Fragen wurden vollständig beantwortet. Dem Antrag gemäss Seite 2 der Botschaft 04.203 wurde
mit 14 zu 0 Stimmen zugestimmt. Herr Grossrat Peter Voser
war als Vorstandsmitglied der APK im Ausstand. Im Namen
der SRK beantrage ich Ihnen daher, die Jahresrechnung
2003 der Aarg. Pensionskasse zu genehmigen!
Vorsitzender: Die Fraktion der Grünen, die SVP-Fraktion
und die FDP-Fraktion haben signalisiert, dass sie sich bei
diesem Geschäft nicht zu Wort melden wollen.
3548
Art. 2158
Heinrich Schöni, SP, Oftringen: Ich spreche im Namen der
SP-Fraktion. Ich kann Ihnen bestätigen, dass die SPFraktion einstimmig diese Jahresrechnung genehmigen
kann. Auch wenn die Kasse mit einem Verlust von rund 45
Mio. Franken abschliessen muss, können wir den Verantwortlichen für ihre geleistete Arbeit bestens danken und
bitten gleichzeitig, diesen Dank dem ganzen Personal weiterzuleiten!
Ich verzichte auf Wiederholungen von diversen Zahlen und
Prozentvergleichen. Der uns vorliegende Bericht mit der
Jahresrechnung ist sehr umfassend und gibt über alle wichtigen Daten und Fakten genauestens Auskunft. Das hat auch
die Kurzbehandlung in der SRK gezeigt. Auch hier gebührt
Dank an die Verantwortlichen der APK!
Das Umfeld war auch im Jahre 2003 sicher nicht leicht.
Aber es sind einige Lichtblicke am Horizont vorhanden, die
uns optimistisch in die Zukunft blicken lassen. Dies im
Hinblick auf die laufende Verbesserung der zukünftigen
Rechnungen unserer APK. Vor allem die Luftblase "Börse"
ist in einem vernünftigen Rahmen geschrumpft und hat die
Euphorie entsprechend gedämpft. Anstelle der euphorischen
Erwartungen der letzten Jahre ist ein gedämpfter Optimismus eingetreten, der mehr den Realitäten entspricht. Ein
steigendes Wirtschaftswachstum wird uns dabei sicher auch
zugute kommen. Was mich aber noch nicht optimistisch
stimmt, ist die Tatsache, dass wir bei der Überarbeitung der
Statuten und der Versicherungsbedingungen nicht vorwärts
kommen. Eine entsprechende Teilrevision liegt uns allerdings vor, doch sind weder der Regierungsrat noch die
vorberatenden Kommissionen in der Lage, klare Entscheidungen zu treffen. Das Geschäft wird nur mangelhaft behandelt und es ist kaum würdig, es in diesem Plenum zu
verabschieden!
Vor längerer Zeit wurden in Runden Tisch Gesprächen
Lösungen diskutiert und es sah fast so aus, als könnte man
sich einig werden. Leider lehnt dann der Regierungsrat
selbst wichtige Veränderungen bei den Beiträgen ab und es
wird auf das Dekret verwiesen und hinausgeschoben. Man
will scheinbar dieses heisse Eisen, nämlich die Erhöhung
der Beiträge, und die Leistungs- oder Beitragsprimatfrage
erst nach den Wahlen anpacken. Ich glaube aber nicht, dass
dieses Eisen deshalb kühler werden wird. Für die Verantwortlichen der APK und allen Versicherten ist das eine
unschöne Sache, da zuviel Zeit verloren geht, bis tragbare
Lösungen realisiert und umgesetzt werden können. Trotz
dieser kritischen Worte stehen wir voll und ganz hinter der
APK!
Vorsitzender: Aus dem Plenum liegen keine weiteren
Wortmeldungen dazu vor. Wir kommen zum Antrag auf
Seite 2 der Botschaft. Der Antrag lautet: Die Jahresrechnung
2003 der aargauischen Pensionskasse wird genehmigt.
Abstimmung:
Dem Antrag des Regierungsrats wird mit grosser Mehrheit
zugestimmt.
Beschluss:
Die Jahresrechnung 2003 der Aargauischen Pensionskasse
wird genehmigt.
Art. 2159
2159 Motion Bruno Bertschi, SVP, Wohlen, vom
26. August 2003 betreffend Abschaffung von Formularen in der kantonalen Verwaltung; Ablehnung
(vgl. Art. 1450 hievor)
Antrag des Regierungsrats vom 23. Juni 2004:
19. Oktober 2004
2. Aufgaben und Formulare: Umständliche und komplizierte
Formulare sind oft die Folge einer differenzierten Aufgabenerfüllung, die möglichst allen Anliegen gerecht werden
will. Je komplizierter beispielsweise das Steuerrecht ist,
desto komplizierter müssen die Formulare sein. Mit einfachen Formularen können keine differenzierten Aufgaben
erfüllt werden.
Gemäss § 45 des Geschäftsverkehrsgesetzes verpflichtet
eine Motion den Regierungsrat, eine Verfassungs-, Gesetzes- oder Dekretsvorlage oder den Entwurf für einen Beschluss vorzulegen. Für die mit der vorliegenden Motion
angestrebte Abschaffung von Formularen in der kantonalen
Verwaltung ist aber nicht der Grosse Rat, sondern sind der
Regierungsrat und die Departemente zuständig. Die Motion
ist damit formell unzulässig und bereits aus diesem Grund
abzulehnen.
Eine Abschaffung von Formularen hat keine Reduktion der
zu erfüllenden Aufgaben zur Folge. Eine Verbesserung ist
dann möglich, wenn in einem ersten Schritt die Aufgabenerfüllung vereinfacht wird. Dieses Anliegen ist, wie die Erfahrung in den letzten Jahrzehnten gezeigt hat, sehr schwierig
zu erfüllen. Einerseits soll bei der Beurteilung der Anspruchsberechtigung von staatlichen Leistungen möglichst
differenziert vorgegangen, anderseits sollen die spezifischen
Bedürfnisse verschiedenster Interessengruppen erfüllt werden.
Ungeachtet der formellen Unzulässigkeit dieser Motion
nimmt der Regierungsrat im Folgenden auch materiell Stellung.
Hier hat der Grosse Rat als gesetzgebende Behörde die
Möglichkeit, korrigierend einzugreifen.
Der Regierungsrat lehnt die Motion des Weitern mit folgender Begründung ab:
1. Bedeutung der Formulare für Prozessabläufe: Formulare
haben die Bedeutung, Prozessabläufe zu systematisieren und
die einzelnen Fälle zu vereinheitlichen. Formulare tragen
dazu bei, die Effizienz bei der Aufgabenerfüllung zu erhöhen. Diese Effizienzsteigerung wird nicht nur bei der Verwaltung erreicht, sondern auch bei den Leistungsempfängern der staatlichen Aufgaben. Bürgerinnen und Bürger
können dadurch ihre Gesuche auf einfache Weise mit allen
notwendigen Angaben erstellen. Diese standardisierten
Abläufe mit Formularen ermöglichen es der Verwaltung,
ohne unnötigen Aufwand für Rücksprachen die Bearbeitung
vorzunehmen. Gerade im Zeitalter der elektronischen Datenübertragung kommt Formularen eine noch zusätzliche
Bedeutung zu. Nur Angaben aus Formularen sind lesbar und
ohne Doppelerfassung weiter verarbeitbar. Ein typisches
Beispiel für solche Geschäftsprozesse stellen die jährlichen
Steuererklärungen dar. Mit Formularen in digitaler Form
können die Angaben der Steuerpflichtigen direkt weiterverwendet werden. Dank Easy Tax ist es den Steuerämtern von
Kanton und Gemeinden gelungen, den Mehraufwand durch
die jährliche Steuerveranlagung in engen Grenzen zu halten.
Somit erhöhen Formulare die Effizienz für die Leistungsempfänger wie auch für die Verwaltung. Weiter ermöglichen sie die Gleichbehandlung bei Gesuchstellern, indem
die notwendigen Angaben einheitlich aufgeführt werden
müssen.
Der Regierungsrat ist sich bewusst, dass Formulare möglichst einfach und verständlich gestaltet und auf das Notwendigste beschränkt sein sollen. Diese Einsicht führt dazu,
dass Formulare periodisch überprüft werden müssen. Dabei
werden die Rückmeldungen der Bürgerinnen und Bürger
ernst genommen und Formulare entsprechend angepasst.
Diese ständige Aufgabe ist insbesondere bei der Einführung
und der Anpassung von Informatiklösungen von grosser
Bedeutung. Beim Projektmanagement von Informatikprojekten wird deshalb ein hohes Gewicht auf die Vereinfachung von Formularen gelegt.
3. Reduktion der Aufgabenerfüllung: Mit den Entlastungsmassnahmen 2003 hat der Regierungsrat dem Parlament ein
umfassendes Paket zur Reduktion von Staatsaufgaben vorgelegt. Die Massnahmen sollten rasch wirken, um den
Haushaltsausgleich zu ermöglichen. Mit diesem Kraftakt
von Regierungsrat und Grossem Rat gelang es, den Voranschlag 2004 fast ausgeglichen zu gestalten.
Vor geraumer Zeit ist das Projekt Aufgaben- und Leistungsüberprüfung (ALÜP) gestartet worden. Mit diesem Projekt
soll primär eine strukturelle, d.h. auch langfristig wirksame
Entlastung bei den Staatsaufgaben erreicht werden.
Diese Beispiele zeigen, dass der Regierungsrat den Anliegen
des Motionärs bereits in der Vergangenheit nachgekommen
ist.
4. Kein neues Projekt neben WOV: WOV hat unter anderem
zum Ziel, die Effizienz der Aufgabenerfüllung zu erhöhen.
Mit der Einführung von WOV sollen auch die bestehende
Prozessabläufe überprüft und, wo notwendig, angepasst
werden. Der Regierungsrat erachtet es als wenig sinnvoll,
neben WOV noch ein neues Projekt "Reduktion von Formularen" zu starten. Beide Projekte haben die gleiche Stossrichtung.
5. Ergebnis: Zusammenfassend lehnt der Regierungsrat die
Motion aus den folgenden Gründen ab:
- Formulare dienen gerade im elektronischen Zeitalter der
Effizienzsteigerung. Komplizierte Formulare sind Folge
einer differenzierten Aufgabenerfüllung.
- Mit einer Reduktion von Formularen können keine Aufgaben reduziert oder abgeschafft werden.
- WOV und ALÜP stellen bereits Projekte zur Effektivitätsund Effizienzsteigerung dar. Es soll deshalb kein neues
Projekt mit gleicher Stossrichtung gestartet werden.
Dessen ungeachtet teilt der Regierungsrat die Auffassung,
dass Formulare möglichst einfach und verständlich sein
sollen. Er betrachtet dies als ständige Aufgabe, der insbesondere bei Informatikprojekten eine hohe Priorität zukommt.
3549
19. Oktober 2004
Die Kosten für die Beantwortung dieses Vorstosses betragen
Fr. 1'547.--.
Vorsitzender: Der Regierungsrat beantragt dem Grossen
Rat, die vorliegende Motion nicht zu überweisen. Der Motionär hält an der Überweisung fest.
Bruno Bertschi, SVP, Wohlen: "Von der Wiege bis zur
Bahre schreibt der Schweizer Formulare"! Die Tatsache,
dass die Behandlung meiner Motion so lange dauerte, zeigt,
welche Wertschätzung unsere Direktion (sprich Regierungsrat) dem Verwaltungsrat (sprich Grosser Rat) entgegenbringt. Die permanente, in jedem einzelnen Fall vielleicht
nachvollziehbare, kumulativ aber gravierende Verletzung
unserer geltenden Gesetze und Verordnungen sind bei unserer Regierung zur Tagesordnung geworden.
Es sei hier wieder einmal festgehalten, dass der Grosse Rat und nur dieser - die Oberaufsicht über die Regierung und die
Verwaltung führt. Ob eine Motion formell zulässig sei oder
nicht, entscheidet nicht die Regierung, sondern der Grosse
Rat! Die seltsame Behauptung der Regierung, es verhalte
sich anders, passt fugenlos zu ihrer Diskretion, wenn es um
Auskünfte geht, die Mitglieder des Grossen Rates benötigen,
um ihre Aufsichtspflicht zu erfüllen!
Der tiefere Sinn meines Vorstosses soll eine flankierende
Massnahme zu den übrigen Spar- und Rationalisierungsbemühungen sein. Ich will einen schlankeren, effektiveren und
vor allem effizienteren Staat, einen Staat, der uns nicht
jährlich mehr Geld aus der Tasche zieht, sondern die ihm
zustehende Aufgabe erfüllt! Nicht mehr und nicht weniger!
Wäre dieser Staat nicht bereits zu gross und zu ineffizient,
müssten wir uns ja nicht mit der Aufgaben- und Leistungsüberprüfung (ALÜP) befassen.
Der Bürger soll entlastet werden, indem er zum Beispiel im
Kanton Aargau fischen kann, ohne dass er einen Stapel von
Formularen, Kontrollblättern, Fangstatistiken usw. ausfüllen
muss! Der Jäger soll endlich das Schwarzwild, das jährlich
grosse Schäden verursacht und unsere Staatsrechnung belastet, uneingeschränkt dezimieren können, statt zu Hause am
Tisch Rapporte bis zum "Gehtnichtmehr" über seine jagdliche Tätigkeit ausfüllen zu müssen. Das sind nur zwei Beispiele. Speckt man hier ab, kann man zum Beispiel auf
gutbezahlte ETH-Fischbiologen und Ähnliches verzichten
und erreicht damit vielleicht sogar, dass die Wirtschaftsförderung in unserem Kanton qualitativ und personell stärker
dotiert ist als die Abteilung für Jagd und Fischerei.
Und überhaupt hinterlässt die regierungsrätliche Stellungnahme den fahlen Nachgeschmack einer Regierung, die
parlamentarische Vorstösse als "Ungehörigkeiten" betrachtet. Gut ins Bild passt dann auch noch die Kostennota von
über Fr. 1'500.-- ganz nach dem Motto: "Was viel kostet, ist
nichts wert"!
Ich bitte Sie, meine Motion, die von 61 weiteren Grossrätinnen und Grossräten mitgetragen wird, zu überweisen und
damit der Regierung klar zum Ausdruck zu bringen, dass
unser Staat einfacher, effizienter, übersichtlicher und kostengünstiger werden muss!
Markus Leimbacher, SP, Villigen: Ich spreche im Namen
der SP-Fraktion. Die SP-Fraktion ist mit der Regierung der
Meinung, dass die Motion abzulehnen ist. Massgeblich sind
formelle und materielle Gründe.
3550
Art. 2159
Betrachten wir den Vorstoss aus einem formellen Blickwinkel, so ist auf den ersten Blick erkennbar, dass es sich gar
nicht um ein motionsfähiges Anliegen von Bruno Bertschi
handelt. Der Verdacht liegt nahe, dass es ihm auch gar nie
darum gegangen ist, den Regierungsrat zu verpflichten, eine
Verfassungs-, eine Gesetzes- oder Dekretsvorlage zu erarbeiten und dem Grossen Rat vorzulegen. Vielmehr sollte
wohl ein politisches Zeichen gesetzt werden. Der Motionär
weiss wohl selber, dass im Falle der Überweisung der Motion diese gar nicht umgesetzt werden kann: Wie soll denn die
Verfassung geändert, wie ein entsprechendes Gesetz aussehen? Ich bitte Herrn Bertschi, dies bei einem nächsten Vorstoss zu bedenken! Eine Motion ist ein vom Gesetz vorgesehenes und seriöses parlamentarisches Instrument, welches
nicht für politische Propaganda missbraucht werden darf.
Aber auch bei einer materiellen Betrachtungsweise kann die
Motion keine Zustimmung finden. Die SP-Fraktion ist der
Ansicht, dass sinnvoll gestaltete Formulare zu einer Vereinheitlichung der Aufgabenerfüllung des Staates beitragen und
letztendlich zu einer Effizienz- und Qualitätssteigerung
führen. Die standardisierten Abläufe mit Formularen ermöglichen es der Verwaltung insbesondere, ohne unnötigen
Aufwand für Rücksprachen die Bearbeitung vorzunehmen.
Das ist die eine Seite, diejenige der Amtsstellen. Die andere
Seite ist darin zu sehen, dass mit dem sinnvollen Einsatz von
Formularen der Zugang von Bürgerinnen und Bürgern zur
kantonalen Verwaltung und den entsprechenden Amtsstellen
vereinfacht und Schwellenängste abgebaut werden. Auch
die Aargauerinnen und Aargauer profitieren vom sinnvollen
Einsatz von Formularen.
Die Abschaffung von Formularen wird nie eine Reduktion
der Aufgaben nach sich ziehen, wie es Herr Bertschi offenbar wünscht. Vielmehr werden die Abläufe komplizierter
und weniger bürgerinnenfreundlich - und damit auch weniger effizient. Die SP-Fraktion lehnt deshalb die Motion
einstimmig ab. In einem Punkte ist sie sich aber mit dem
Motionär einig. Die Formulare sind darauf zu überprüfen, ob
sie tatsächlich notwendig, ob sie sinnvoll, ob sie einfach und
ob sie verständlich sind. In diesem Sinne ist die Regierung
aufgefordert, die notwendigen Schritte zu ergreifen!
Übrigens: Der Wohler Anzeiger hat in seiner Ausgabe vom
14. September - also bereits vor Wochen - mitgeteilt, dass
Herr Bertschi mit seiner Motion gescheitert ist. (Zitat)
"Bruno Bertschi, SVP, scheiterte mit seiner Motion zur
Abschaffung der Formulare." Die Presse weiss also immer,
so auch hier, zumindest Wochen im Voraus, wie der Grosse
Rat entscheidet - ich hoffe, Sie enttäuschen die Journalistinnen nicht! (Heiterkeit).
Dr. Jürg Stüssi-Lauterburg, SVP, Windisch: Dewey beats
Truman! So hat die amerikanische Presse getitelt und Truman wurde dann doch Präsident. Das hoffe ich selbstverständlich, geschehe auch mit dem Wohler Anzeiger und der
vorliegenden Motion.
Nein, wir werden nicht müde werden! Nein, wir lassen uns
nicht unterkriegen! Der Regierungsrat und seine Anhänger
wissen wohl ganz genau, dass wir tatsächlich zuständig sind,
ihn zu beauftragen, den Entwurf für einen Beschluss vorzulegen, genau gemäss § 45 des Geschäftsverkehrsgesetzes.
Denn sonst würde er nicht jeweils der beschwörenden
Arenga der angeblichen Unzuständigkeit unseres Rats seine
materiellen Ausführungen folgen lassen.
Art. 2160
Diese lohnen die Lektüre im vorliegenden Fall nur schon
deshalb, weil es sich um eine eigentliche Liebeserklärung an
das Formular und an die Komplexität handelt. Schöner
könnten die Prioritäten der Verwaltung nicht sichtbar gemacht werden. Formulare und Komplexität sind, gewiss, in
zweiter Linie eine Folge der Vielfalt des modernen Lebens,
in erster Linie aber sind sie eine Folge der Verwaltung,
deren permanentes Bestreben es ist, ihre bleibende Notwendigkeit, ihre Unabschaffbarkeit, ihre Unverkleinerbarkeit
unter Beweis zu stellen. Das geschieht nicht zuletzt dadurch,
dass die Abläufe so kompliziert ausgestaltet werden, dass es
Fachleute braucht, um sich in ihnen zurechtzufinden. Das
Interesse von Bürgerinnen und Bürgern ist aber das genaue
Gegenteil: Die Verwaltung ist für sie ein durch die moderne
arbeitsteilige Gesellschaft geschaffenes notwendiges Übel.
Dieses notwendige Übel ist möglichst stark einzugrenzen,
damit nämlich für die vom Staat mehr als von jeder anderen
Macht bedrohte menschliche Freiheit möglichst viel Raum
bleibt. Die bescheidene, massvolle Forderung von Herrn
Bertschi, wenigstens einmal nachzusehen, ob es wirklich
alle Formulare noch brauche und einen Fünftel abzuschaffen, wird, stimmt ihr der Grosse Rat zu, bewirken, dass sich
in einem ganz bescheidenen Umfang die Verwaltungskultur
in Richtung auf zusätzliche Bürgernähe bewegt. Unterstützen wir deshalb diesen am gesunden Menschenverstand
orientierten Vorstoss und verbannen wir wenigstens aus
unserem Saal den bürokratischen Obskurantismus! Wir
können dies tun, indem wir Herrn Bertschis Motion überweisen!
Dr. Karl Frey, CVP, Wettingen: Ich spreche im Namen der
CVP-Fraktion. Wir sind mehrheitlich gegen diesen Vorstoss.
Wir haben Verständnis dafür, dass komplizierte und umständliche Abläufe verbessert werden müssen, insbesondere
auch im Interesse der KMU. In dieser Hinsicht liegt der
Vorstoss auf der Linie der CVP. Aber der Weg ist falsch. Es
geht nicht an, dass zuerst ein fixierter Anteil von Formularen
abgeschafft wird und danach überlegt wird, wie die entsprechenden Aufgaben zweckmässig gelöst werden sollen und
können. Der Hebel muss anderswo angesetzt werden, nämlich bei den Aufgaben und deren Effizienz, was jedoch
bereits in die Wege geleitet ist, namentlich mit WOV und
ALÜP. Im Übrigen sind optimal und knapp gestaltete Formulare sehr benutzerfreundlich, auch im EDV-Zeitalter. Die
CVP ist mehrheitlich gegen die Motion, spricht sich aber für
die Optimierung der erforderlichen Formulare aus!
Andreas Glarner, SVP, Oberwil-Lieli: Herr Frey hat mich
hier nach vorne gerufen. Gelinde gesagt, ist das Unwissenheit. Wenn jemand behauptet, WOV und ALÜP würden in
diesem Staat zu weniger Formularen führen, dann attestiere
ich Ihnen Unwissenheit. Es gäbe dafür auch noch andere
Ausdrücke. Haben wir doch den Mut, und machen wir mal
den Versuch. Der Aargau wird doch nicht zusammenbrechen, wenn 20% der Formulare eingespart werden. Jeder hat
hier gesagt, die Stossrichtung sei grundsätzlich richtig. Aber
ein Gegenrezept liegt auch nicht vor. Machen Sie hier doch
jetzt mal mit. Ich verspreche Ihnen, dass der Kanton Aargau
weiter existieren wird!
Vorsitzender: Aus dem Plenum liegen keine weiteren
Wortmeldungen dazu vor.
Landammann Roland Brogli, CVP: Der Regierungsrat ist
geradezu beeindruckt ob der feurigen Voten zu diesem
Thema! Er lehnt aus formellen Gründen die Motion ab. Mit
19. Oktober 2004
der Motion kann eben nicht nur ein Nachsehen verlangt
werden oder eine Nachprüfung, sondern eine Vorlage für
einen Beschluss. Für diesen Beschluss ist der Grosse Rat
nicht zuständig! Der Regierungsrat lehnt die Motion also
nicht nur aus formellen Gründen, sondern hauptsächlich aus
folgenden materiellen Gründen ab:
1. Ursache für die Formulare sind die Komplexität der gesellschaftlichen Verhältnisse. Wir haben auch entsprechend
komplexe Regelungen und eine komplexe Regelungsdichte.
Die Motion zielt aber auf das falsche Objekt. Sie zielt nicht
auf die Ursache, sonst hätte Sie die Abschaffung dieser
Regelungsdichte oder die Eindämmung derselben verlangen
müssen. Ich bitte Sie also, das zu berücksichtigen und aus
diesem materiellen Grunde die Motion abzulehnen!
2. Unbestritten ist, dass sinnvoll aufgebaute Formulare der
Vereinfachung von organisatorischen Abläufen dienen. Sie
helfen ja gezielt notwendige Informationen zwischen Partnern und zwischen Staat, Bürgern und Bürgerinnen auszutauschen. Sie vereinfachen und rationalisieren im Geschäftsleben wie im öffentlichen Leben die Kommunikation und
damit die Erfüllung der Aufgaben.
3. Formulare des Staates werden regelmässig, soweit möglich, den internen und externen Verbesserungswünschen
angepasst. Es gibt eben viele Köche in diesem Gebiet.
4. Ein weiteres Projekt zur Eliminierung von Formularen in
der Verwaltung ist jetzt wirklich nicht notwendig. Effektivität und Effizienz in der Verwaltung sind laufend zu überprüfen und zu verbessern und auch die entsprechenden Prozesse
dafür! Selbstverständlich müssen in diesem Zusammenhang
auch laufend Formulare optimiert werden. Es ist also laufend die Notwendigkeit von Formularen zu überprüfen und
entsprechende Entscheide sind laufend zu fällen und nicht in
einem bestimmten Moment! - Ich bitte Sie, dem Antrag des
Regierungsrats Folge zu leisten.
Vorsitzender: Der Regierungsrat beantragt Ihnen, die Motion Bertschi abzulehnen. Der Motionär votiert für Überweisung.
Abstimmung:
Für Überweisung der Motion Bertschi: 66 Stimmen.
Dagegen: 77 Stimmen.
Vorsitzender: Die Motion ist abgewiesen. Das Geschäft ist
damit erledigt.
2160 Postulat Rudolf Lüscher, CVP, Laufenburg, vom
29. Juni 2004 betreffend Änderung des Kantonalen
Steuergesetzes; Überweisung an den Regierungsrat
(vgl. Art. 2000 hievor)
Antrag des Regierungsrats vom 1. September 2004:
Der Regierungsrat ist bereit, das Postulat mit folgender
Erklärung entgegenzunehmen.
Gemäss § 163 Abs. 2 StG können mehrere Einwohnergemeinden ein gemeinsames Steueramt (Veranlagungszentrum) führen. Zurzeit (Stand August 2004) bestehen 30 Veranlagungszentren, in welchen die Steuerämter von 82 Ge3551
19. Oktober 2004
meinden geführt werden. Es handelt sich dabei vorwiegend
um kleinere Gemeinden, die sich zur Führung eines gemeinsamen Steueramts zusammengeschlossen haben oder Anschluss bei einem grösseren Steueramt gesucht haben.
Der Regierungsrat unterstützt die Bestrebungen zur Schaffung von regionalen Steuerämtern. Der schnelle einjährige
Veranlagungsrhythmus, die Komplexität des Steuerrechts,
der Einsatz von hochspezialisierter Informatik zur Veranlagungsunterstützung sowie der spürbare Kostendruck auf
Gemeinde- und Kantonsebene erfordern eine effiziente und
professionelle Organisation der Steuerämter. Die Bildung
von regionalen Veranlagungszentren kann sich positiv auf
die Veranlagungsqualität und die Personal- und Infrastrukturkosten auswirken (siehe Ausführungen in der Broschüre
"Regionalisierung Gemeindesteuerämter", April 2003, Herausgeber Kantonales Steueramt und Verband Steuerfachleute Aargauer Gemeinden).
Die Steuerveranlagungen werden gemäss § 164 Abs. 3 und 4
StG in der Regel im Namen der Steuerkommission durch
eine Delegation, bestehend aus der kantonalen Steuerkommissärin oder dem kantonalen Steuerkommissär sowie der
Vorsteherin oder dem Vorsteher des Gemeindesteueramts,
vorgenommen. Die Veranlagung erfolgt nur ausnahmsweise
durch die gesamte Steuerkommission. Dies ist insbesondere
dann der Fall, wenn ein Mitglied der Delegation befangen ist
(z.B. in Bezug auf Mitarbeitende der Gemeinde und Mitglieder des Gemeinderats) oder wenn eine steuerpflichtige
Person ausdrücklich Vorladung vor die gesamte Steuerkommission verlangt. Im Weiteren werden die Einsprachen
durch die gesamte Steuerkommission beurteilt.
Der gegenüber dem alten Steuergesetz wesentlich reduzierte
Aufgabenumfang bedeutet insbesondere in kleinen Gemeinden, dass pro Jahr höchstens 2 Sitzungen der gesamten
Steuerkommission erforderlich sind. Trotzdem beschränkt
sich die Traktandenliste in der Regel auf wenige Fälle. Die
Mitglieder dieser Steuerkommissionen haben folglich kaum
Gelegenheit, sich praktische Kenntnisse für ihre Kommissionstätigkeit anzueignen.
In einem Veranlagungszentrum mit mehreren zusammengeschlossenen Gemeinden hat die Durchführung von separaten
Steuerkommissionssitzungen für jede angeschlossene Gemeinde darüber hinaus einen Effizienzverlust zur Folge. Um
die Einsprachen speditiv behandeln zu können, muss ein
Veranlagungszentrum für 5 Gemeinden pro Jahr 10 Steuerkommissionssitzungen durchführen, währenddem eine
grössere Gemeinde mit gleich vielen Steuerpflichtigen die
vergleichbare Anzahl Fälle in 2 Sitzungen erledigen kann.
Der Grund, weshalb die Möglichkeit der gemeinsamen
Steuerkommission für mehrere Gemeinden nicht bereits in
die Steuergesetzrevision per 1. Januar 2001 aufgenommen
wurde, dürfte in erster Linie die historische Bedeutung der
Steuerkommission und deren damalige Verankerung in der
Bevölkerung gewesen sein. Die praktische Umsetzung der
einjährigen Gegenwartsbesteuerung zeigt nun, dass sich die
Situation in der Zwischenzeit verändert hat. Die Zusammenlegung von kleineren Steuerämtern hat sich bestens bewährt.
Aus der Bevölkerung wird den Zusammenlegungen auf
Grund von positiven Erfahrungen kein Widerstand entgegengebracht. Aus der Sicht der Steuerberatung wird der mit
einer Zusammenlegung verbundene Effizienz-, Qualitätsund Dienstleistungsgewinn sehr positiv beurteilt (siehe
3552
Art. 2161
"Regionalisierung Steuerämter", S. 11). Kompetente, motivierte und überzeugende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
leisten einen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung und Festigung des Vertrauens der Bevölkerung in die Arbeit der
Steuerbehörden. Weitere Zusammenlegungen von Steuerämtern sind daher zu fördern. Dies beinhaltet auch, dass die
gesetzlichen Grundlagen im Hinblick auf dieses Ziel zu
optimieren sind.
Eine Ergänzung von § 164 StG mit der Möglichkeit, dass
mehrere Einwohnergemeinden eine gemeinsame Steuerkommission bestellen können, die sich aus Personen der
betreffenden Gemeinden zusammensetzt, ist zu begrüssen.
Ein Autonomieverlust der Gemeinden ist damit nicht verbunden, da es Gemeinden, welche einem regionalen Steueramt angeschlossen sind, nicht verwehrt ist, weiterhin eine
eigene Steuerkommission zu bestellen.
Die Kosten der Bearbeitung dieses Vorstosses betragen Fr.
1'213.50.
Vorsitzender: Der Regierungsrat hat sich in seiner Antwort
bereit erklärt, das Postulat zu übernehmen. Es ist unbestritten. Der Rat überweist es damit stillschweigend an den
Regierungsrat.
2161 Postulat Thomas Bodmer, SVP, Wettingen, vom
29. Juni 2004 betreffend rasche Anpassung des Steuergesetzes an das Fusionsgesetz; Überweisung an den Regierungsrat
(vgl. Art. 2020 hievor)
Antrag des Regierungsrats vom 8. September 2004:
Das Fusionsgesetz vom 3. Oktober 2003 ist auf den 1. Juli
2004 in Kraft gesetzt worden. Auf denselben Zeitpunkt ist
die damit verbundene Änderung des Bundesgesetzes über
die direkte Bundessteuer in Kraft getreten. Die Kantone
haben bis zum 1. Juli 2007 Zeit, ihre kantonalen Steuergesetze an das ebenfalls geänderte Steuerharmonisierungsgesetz anzupassen.
Das Fusionsgesetz schafft eine privatrechtliche Regelung
der Fusion, der Spaltung und der Umwandlung von Rechtsträgern. Die neuen Vorschriften ersetzen die bisherigen
Bestimmungen des Obligationenrechts über die Fusion und
schliessen gleichzeitig bisherige Lücken. Während das
bisherige Recht nur die Fusion für die Aktiengesellschaften,
die Kommandit-AG und die Genossenschaften kannte, sind
nun alle Umwandlungstatbestände für alle Handelsgesellschaften und Genossenschaften sowie die Vereine und Stiftungen geregelt.
In steuerlicher Hinsicht bezweckt das Fusionsgesetz eine
Vereinfachung und Vereinheitlichung der steuerlichen Behandlung von Umstrukturierungen. Zur Hauptsache wird
dabei aber lediglich die in den meisten Kantonen bereits
bestehende Verwaltungspraxis ins formelle Recht überführt.
Insbesondere der Kanton Aargau verfügt bereits heute über
eine grosszügige gesetzliche Regelung. So sind gemäss
§§ 28 und 71 StG schon unter dem geltenden Recht Umwandlungen in eine andere Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft, Unternehmenszusammenschlüsse und Aufteilun-
Art. 2162
19. Oktober 2004
gen eines Unternehmens steuerneutral unter denselben
Bedingungen möglich, die auch das Fusionsgesetz vorsieht.
Kanton Aargau kann dabei auf eine engagierte, naturverbundene Jägerschaft zählen.
Für den Kanton Aargau ergeben sich mit dem Fusionsgesetz
nur wenige Neuerungen: Wegfall der Sperrfrist bei Abspaltungen von Kapitalgesellschaften, steuerfreie Übertragung
von Teilbetrieben und einzelnen Gütern des Anlagevermögens auf Tochtergesellschaften sowie steuerfreie Vermögensübertragungen innerhalb des Konzerns. Die beiden
ersten erwähnten Neuerungen werden seit dem 1. Juli 2004
bereits in der Praxis umgesetzt, um bei diesen komplexen
Sachverhalten keine Differenzen zur direkten Bundessteuer
zu schaffen, welche seit dem 1. Juli 2004 verbindlich ist.
Nur die dritte Neuerung, die steuerfreie Übertragung von
Beteiligungen, Betrieben oder Teilbetrieben und Gegenständen des betrieblichen Anlagevermögens auf eine andere
Konzerngesellschaft, wird in der Praxis noch nicht umgesetzt. Diese Neuerung ermöglicht es den Unternehmen zum
Beispiel, Immaterialgüterrechte oder Lizenzen steuerneutral
in andere Konzerngesellschaften zu übertragen. Obwohl
damit eine 5-jährige Veräusserungssperrfrist verbunden ist,
wird allgemein erwartet, dass die neuen Möglichkeiten zu
Steuersubstratverschiebungen in Tiefsteuerkantone führen
und sich zum Nachteil des Aargauer Fiskus auswirken werden, ohne dass damit positive Wirtschaftsimpulse für den
Standort Aargau geschaffen werden. Die Umsetzung dieses
einen Punkts kann im Rahmen der nächsten Steuergesetzrevision vorgenommen werden.
Das Jagdrecht ist ein kantonales Regal und wird namens der
Grundeigentümer von den Einwohnergemeinden revierweise
verpachtet. Das Reviersystem wurde 1834 eingeführt. Jagderlasse regeln seither die Rechte und Pflichten der Jagdgesellschaften und ihrer Gäste - zum Schutz der Jagd, der
Wildtiere und deren Lebensräume. Mit der Veränderung der
Kulturlandschaft haben sich die Aufgaben der Jagd gewandelt. Dieser Wandel prägte wiederum die jagdliche Praxis
und führte zu einer laufenden Optimierung der jagdlichen
Methoden und Techniken. Neue Erkenntnisse aus der
Jagdbiologie mündeten in angepasste Jagdstrategien, die
sich in ein umfassendes Wildtiermanagement sowohl für
jagbare als auch für geschützte Arten einfügen.
Es ist somit festzustellen, dass die steuerrechtlichen Regelungen des Fusionsgesetzes mit der geschilderten einzigen
Ausnahme im Kanton Aargau bereits heute angewendet
werden und die Anliegen des Postulats weitgehend erfüllt
sind. Die formelle Anpassung des Steuergesetzes kann im
Rahmen der nächsten ordentlichen Revision auf den
1. Januar 2007 erfolgen.
Zu Frage 1: a) Rund 2500 Männer und Frauen besitzen zur
Zeit als Jagdpächter, Jagdaufseher oder Jagdgäste einen
gültigen Jagdpass bzw. eine gültige Jagdkarte.
Die Kosten für die Beantwortung dieses Vorstosses betragen
Fr. 1'038.--.
Vorsitzender: Der Regierungsrat hat sich in seiner Antwort
bereit erklärt, das Postulat zu übernehmen. Es ist unbestritten. Der Rat überweist es damit stillschweigend an den
Regierungsrat.
2162 Interpellation Dr. Rainer Klöti, FDP, Auenstein,
vom 29. Juni 2004 betreffend Aufwand und volkswirtschaftlichen Nutzen freiheitlicher und selbstverantwortlicher Jagdausübung im Kanton Aargau; Beantwortung
und Erledigung
(vgl. Art. 2022 hievor)
Antwort des Regierungsrats vom 8. September 2004:
Das heutige Wildtiermanagement bezweckt die Erhaltung
und Förderung der Wildtiere und deren Lebensräume. Die
Wildbestände sollen angemessen genutzt und die durch
wildlebende Tiere verursachten Schäden an Wald und landwirtschaftlichen Kulturen auf ein tragbares Mass begrenzt
werden. Seltene und geschützte Tiere sollen erhalten und
gefördert werden. Die Jagd erfüllt vielseitige und unverzichtbare Aufgaben im Interesse der Öffentlichkeit. Der
Der Regierungsrat hat sich wiederholt für eine eigenverantwortliche Jagd ausgesprochen. Er anerkennt die Leistungen
der Jägerinnen und Jäger und ist sich auch bewusst, dass die
hohen Erwartungen verschiedener Interessengruppen (beispielsweise bezüglich der Reduktion der Wildschäden) nicht
einfach zu erfüllen sind. Die Jagdpächter können die Verantwortung nicht allein, sondern nur in Partnerschaft mit
Gemeinden und Grundeigentümern tragen. Da die Anforderungen an die Jagd zugenommen haben, wurde seit Jahren
darauf verzichtet, die Jagdpachtzinsen zu erhöhen und der
Teuerung anzupassen.
b) 956 Pächterinnen und Pächter tragen die Verantwortung
für die 218 Jagdreviere.
c) Die Zahl der Helferinnen und Helfer, die beispielsweise
zum Erfolg von grossflächigen Bewegungsjagden beitragen
können, dürften ein Mehrfaches der Aargauer Pächterinnen
und Pächter ausmachen.
Zu Frage 2: a) Der Kanton bezieht von den Jagdgesellschaften einen alljährlichen Zuschlag von 15% des Pachtzinses
(sog. Staatszuschlag). Es sind dies Fr. 199'427.--.
b) Die jährlichen Pachtzinsabgaben, die den Einwohnergemeinden zufliessen, betragen total Fr. 1'329'516.--.
c) In die Wildschadenskasse flossen im Jahr 2003 Wildschadenzuschläge von total Fr. 494'175.--. Die Einwohnergemeinden und Jagdgesellschaften steuerten mit 20%
bzw. 10% des Jahrespachtzinses Fr. 398'855.-- bei. Der
Restbetrag von Fr. 95'320.-- ergab sich aus dem Verkauf
von Tages- und Jahresjagdpässen gemäss den Bestimmungen im Dekret über die Jagdpassgebühren und Zuschläge
vom 16. Dezember 1969.
d) Im Staatszuschlag inbegriffen ist eine in § 16 des aargauischen Jagdgesetzes vom 25. Februar 1969 verankerte Subvention an den Verband aargauischer Natur- und Vogelschutzvereine in der Höhe von 1,5 bis 2% des Staatszuschlags.
Zu Frage 3: Die Bruttoerträge aus der Jagdausübung können
aufgrund der aktuellen Jagdstrecken (rund 1'000 Wildschweine und 5'000 Rehe) auf einen jährlichen Verkaufswert des Wildbrets von rund 1 Mio. Franken grob geschätzt
werden.
3553
19. Oktober 2004
Zu Frage 4: a) Nach § 33 des kantonalen Jagdgesetzes ist für
das Lösen eines Jagdpasses der Nachweis über den Abschluss einer genügenden Jagdhaftpflichtversicherung verlangt. In § 43 der Jagdverordnung sind die minimalen Versicherungssummen festgelegt. Der Abschluss von Unfall- und
Haftpflichtversicherungen ist Privatsache, dem Kanton sind
die entsprechenden Gesamtkosten nicht bekannt. Einen
Anhaltspunkt liefern die Prämien der von einer privaten
Versicherungsgesellschaft
angebotenen
KollektivJagdhaftpflichtversicherung. Gemäss § 42 der Jagdverordnung ist das Finanzdepartement ermächtigt, eine Kollektivversicherung abzuschliessen, wobei die Jagdpassbewerber
bei dessen Bezug auf dem Bezirksamt oder beim Finanzdepartement die Versicherungsprämie bezahlen können. Im
Jagdjahr 2003 machten 141 Tagesjagdbezüger und 433
Jahresjagdpassbezüger von dieser Dienstleistung Gebrauch.
Die Versicherungsprämie beträgt für einen Tagesjagdpass
Fr. 5.50 und für einen Jahresjagdpass Fr. 25.80.
b) Die Jagdgesetzgebung regelt lediglich, welche Hunderassen für die Jagd eingesetzt werden dürfen. Die Kosten der
Hundeausbildung und -haltung sind dem Kanton nicht bekannt.
c) Eine obligatorische Fleischkontrolle und Trichinellenuntersuchung ist nur bei Wildschweinen vorgeschrieben, deren
Fleisch zum Verzehr (ohne Eigenbedarf) bestimmt sind.
Dabei fallen die ordentlichen Gebühren an.
Art. 2163
Formulare um den Faktor drei, damit wir mit diesen Fragestellungen sauber umgehen und die richtigen Antworten
geben können. Zum Ernst der Sache: Ich danke dem Regierungsrat für die Feststellung, dass bei einer teilweisen oder
völligen Verstaatlichung der jagdlichen Tätigkeit sehr hohe
Kosten entstehen würden. Leider hat er es versäumt, diese
Kosten in etwa in Millionen auszudrücken. Ich kann Ihnen
vielleicht zwei Zahlen dazu geben: Im Kanton Genf, der ja
bekanntlicherweise nur über einige hundert Hektaren noch
offener Fläche verfügt, werden pro Jahr mehrere Millionen
ausgegeben, um die staatlich finanzierten Jagdhüter mit
Nachtsichtgeräten und schallgedämpften Gewehren auszurüsten, um das dortige Wildmanagement umzusetzen. Für
den Kanton Zürich wurde die Zahl auf etwa 20-25 Mio.
Franken geschätzt. Wir gehen davon aus, dass eine Verstaatlichung der Jagd bzw. die Übertragung der Funktionen an
staatliche Auftragnehmer 30-40 Mio. Franken oder mehr
kosten könnten. Ich bedaure, dass es der Regierungsrat
versäumt hat, die Fragen etwas präziser zu beantworten. Es
wäre wichtig gewesen, im Hinblick auch auf die weiteren
Aspekte, die früher unter dem Begriff "Jagd", heute unter
dem Begriff "Wildmanagement" anzugehen sind. Zum
Wildmanagement gehört eben auch das Management derjenigen, die das Wild zu bejagen bzw. zu dezimieren haben.
Ich bin teilweise mit der Antwort zufrieden.
Vorsitzender: Der Interpellant ist von der Antwort teilweise
befriedigt. Das Geschäft ist damit erledigt.
Zu Frage 5: Weil die jagdlichen Aufgaben nicht durch
"Staatsfunktionäre", sondern durch eigenverantwortliche
Jägerinnen und Jäger erfüllt werden, verfügt der Kanton
nicht über die nötigen Zahlen und Schätzungen, um die ins
Detail gehende Frage 5 auch nur annähernd zu beantworten.
Die Frage gibt immerhin einen Überblick über die Rechte
und Pflichten, die mit der Jagdausübung verbunden sind. Es
wurde darauf verzichtet, die fehlenden Angaben durch eine
aufwändige Befragung bei den Jagdgesellschaften zu erheben.
2163 Postulat Lukas Bütler, SVP, Beinwil (Freiamt),
vom 23. März 2004 betreffend Verlegung des ÖLNKontrolljahres auf das Kalenderjahr; Überweisung an
den Regierungsrat
Zu Frage 6: siehe Antwort auf Frage 5.
Antrag des Regierungsrats vom 22. September 2004:
Zu Frage 7: Der Regierungsrat sieht gegenwärtig keine
grundsätzlichen Alternativen zum bewährten Jagdsystem im
Kanton Aargau und hat sich deshalb auch nicht mit alternativen Kosten befasst. Über den volkswirtschaftlichen Nutzen
der Jagd sind keine zuverlässigen Studien bekannt, die auch
für die Verhältnisse des Kantons Aargau Anhaltspunkte
liefern könnten. Für den Regierungsrat ist klar und er anerkennt, dass die Jägerinnen und Jäger im Rahmen ihrer jagdlichen Pflichten und Rechte sehr viele Freizeitstunden einsetzen und beträchtliche Kosten übernehmen. Für den Kanton würden sehr hohe Kosten für das Wildtiermanagement
entstehen, wenn er nicht mehr auf die Mitwirkung engagierter und verantwortungsbewusster Jägerinnen und Jäger
zählen könnte.
1. Anliegen des Postulats: Das Postulat bezieht sich auf den
Vollzug der Direktzahlungen des Bundes an die Landwirtschaft, der den Kantonen übertragen ist. Als Voraussetzung
für den Erhalt von Direktzahlungen haben die landwirtschaftlichen Betriebe neben anderem auch den "ökologischen Leistungsnachweis" (ÖLN) zu erbringen. Dieser setzt
die Erfüllung einer ganzen Reihe von Anforderungen in den
Bereichen Tierschutz, Düngung, ökologischer Ausgleich,
Fruchtfolge, Bodenschutz, Pflanzenschutz voraus. Alle diese
Anforderungen müssen von den Bewirtschafterinnen und
Bewirtschaftern der Betriebe eingehalten und mit regelmässigen Aufzeichnungen belegt werden. Mittels periodischer
Betriebskontrollen wird die Einhaltung der Vorgaben überprüft. Dafür zuständig sind im Aargau die Abteilung Landwirtschaft des Finanzdepartements, die Gemeindeackerbaustellen sowie beauftragte private Kontrollorganisationen.
Die Kosten für die Beantwortung dieses Vorstosses betragen
Fr. 1'812.--.
Dr. Rainer Klöti, FDP, Auenstein: Ich danke dem Regierungsrat für die prompte und schnelle Beantwortung meines
ausführlichen Fragenkatalogs. Im Hinblick auf die im Raume stehende Initiative zur Einschränkung der Jagd, hat er und das meine ich etwas ironisch - seine Hausaufgaben gut
gemacht. In den letzten vier Jahren wurden eben Daten
gesammelt durch eine Multiplikation der vorbereitenden
3554
(vgl. Art. 1817 hievor)
Nicht alle Details der ÖLN-Anforderungen und des Vollzugsablaufs werden jedoch vom Bund vorgegeben. Um die
unterschiedlichen Verhältnisse, insbesondere die natürlichen
Gegebenheiten berücksichtigen zu können, lässt der Bund
den Kantonen einen gewissen Spielraum. Dies betrifft auch
die Festlegung der Kontrollperiode, welche Beginn und
Abschluss des jeweiligen ÖLN-Aufzeichnungsjahrs festlegt.
Art. 2164-2165
In Berücksichtigung des hohen Anteils an Ackerkulturen
wird im Kanton Aargau bereits seit dem Jahr 1995 mit dem
sogenannten Vegetationsjahr gearbeitet, welches von August
bis Juli des Folgejahrs dauert. Dies wird auch von der überwiegenden Mehrheit der Kantone mit bedeutendem Ackerbau so gehandhabt.
Mit dem Postulat wird der Regierungsrat ersucht, dies zu
ändern und das Kontrolljahr neu auf das Kalenderjahr festzulegen.
2. Haltung des Regierungsrats
2.1 Zuständigkeit: Gemäss Kantonsverfassung § 91 kann der
Regierungsrat die zum Vollzug des Bundesrechts notwendigen Bestimmungen erlassen, soweit das Bundesrecht den
Inhalt des Ausführungsrechts festlegt. Dies geschieht im
vorliegenden Fall im Rahmen der Direktzahlungsverordnung des Bundes.
19. Oktober 2004
ten. Der Rat überweist es damit stillschweigend an den
Regierungsrat.
2164 Postulat Dr. Andreas Binder, CVP, Baden, vom
17. August 2004 betreffend Vorlage eines ausgeglichenen
Voranschlags 2005; Überweisung an den Regierungsrat
und gleichzeitig Abschreibung
(vgl. Art. 2042 hievor)
Antrag des Regierungsrats vom 22. September 2004:
Der Regierungsrat nimmt das Postulat entgegen und beantragt mit folgender Begründung die gleichzeitige Abschreibung:
Hinzu kommt gemäss § 35 des kantonalen Landwirtschaftsgesetzes, dass der Regierungsrat für einen koordinierten
Vollzug der Massnahmen von Bund und Kanton sorgt.
Das Postulat wird durch die entsprechende Vorlage des
Budgets 2005 erfüllt und kann demzufolge abgeschrieben
werden.
2.2 Prüfung des Anliegens des Postulats; Zielsetzungen: Der
Regierungsrat ist bereit, das Anliegen des Postulats unvoreingenommen zu prüfen. Dazu will er neben den Vollzugsstellen auch die landwirtschaftliche Praxis sowie die anderen
interessierten Kreise (betreffend ökologischer Ausgleich,
Schutz der Ressourcen, Tierschutz) miteinbeziehen.
Die Kosten für die Beantwortung dieses Vorstosses betragen
Fr. 809.--.
Der ÖLN ist mehr als nur eine Auflage für die Landwirtschaftsbetriebe für den Bezug von Direktzahlungen. Einerseits stellen die mit dem ÖLN anvisierten Zielsetzungen für
Bevölkerung und Politik eine wichtige Legitimation für die
Unterstützungsmassnahmen der Agrarpolitik generell dar,
andererseits bauen viele Qualitäts-Labels bei den Nahrungsmitteln auf dem ÖLN als Basis auf. Als Beispiel sei
das neue Herkunftszeichen "Suisse Garantie" genannt, das
verbreitet am Markt eingeführt wird. Dabei handelt es sich
um eine geschützte Garantiemarke, deren Verwendung auf
Stufe Produktion die Einhaltung des ÖLN und zusätzlicher
spezifischer Auflagen voraussetzt.
Das zeigt, dass in diesem komplexen Bereich von Seiten des
Markts immer wieder Änderungen und Neuerungen verlangt
und veranlasst werden. Solche Begehren konnten im bislang
stabil gehaltenen aargauischen System gut aufgefangen
werden. Auch in der Agrarpolitik des Bundes, wo gegenwärtig die Grundlagen für die Agrarpolitik 2008-2011 erarbeitet
werden, sind weitreichende Änderungen zu erwarten. Es ist
noch nicht absehbar, in welcher Weise sich diese Massnahmen auch auf den Vollzug der ÖLN-Kontrolle auswirken
werden. Der Regierungsrat wird diese Mechanismen im
Auge behalten und mögliche Auswirkungen auf den Vollzug
prüfen.
Der Regierungsrat will einen gesetzeskonformen, auf die
Ziele des ÖLN ausgerichteten Vollzug, der praxisgerecht
ausgestaltet und verwaltungsmässig effizient zu handhaben
ist. In diesem Sinne ist er bereit, das Postulat zur Prüfung
entgegenzunehmen.
Die Kosten für die Beantwortung dieses Vorstosses betragen
Fr. 1'812.--.
Vorsitzender: Der Regierungsrat hat sich in seiner Antwort
bereit erklärt, das Postulat zu übernehmen. Es ist unbestrit-
Vorsitzender: Der Regierungsrat beantragt dem Grossen
Rat, das Postulat entgegenzunehmen und gleichzeitig abzuschreiben. Weder der Überweisung noch der Abschreibung
erwachsen Opposition. Das Postulat wird stillschweigend an
den Regierungsrat überwiesen und gleichzeitig als erfüllt
von der Kontrolle abgeschrieben. Das Geschäft ist damit
erledigt.
2165 Interpellation Katharina Kerr Rüesch, SP, Aarau,
vom 20. November 2001 betreffend Kündigungen im
Zusammenhang mit dem neuen Lohnsystem; Beantwortung und Erledigung
(vgl. Art. 295 hievor)
Antwort des Regierungsrats vom 22. September 2004:
Bei der Beantwortung der Interpellation sind grundsätzliche
Aspekte zu beachten: Die Fluktuation ist in der Schweiz in
den letzten Jahren stetig angestiegen. Während 1992/1993
erst 7.4% kündigten, stieg die Zahl im Jahr 2000 auf 10.2%.
Ein bestimmtes Mass an Fluktuation ist notwendig, damit
sich eine gewisse Erneuerung im Personalbestand ergibt.
Die Fluktuation steigt in Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs an. Im Jahr 2001 befand sich die Schweiz in einer
solchen Situation. Die Fluktuation ist auch abhängig von
Veränderungen in der Unternehmung selbst. In Phasen von
betrieblichen Restrukturierungen oder Umbrüchen, wie z.B.
bei der Einführung eines neuen Lohnsystems, steigt die
Anzahl der Austritte an. Wichtige Gründe für den freiwilligen Stellenwechsel sind neben der allgemeinen Arbeitsunzufriedenheit vor allem der Lohn und die Belastung am Arbeitsplatz, respektive die Überstunden.
Zu den Fragen 1, 2 und 3: Beim Vergleich von Fluktuationsraten ist zu beachten, dass die Messung bei verschiedenen
Arbeitgebern unterschiedlich erfolgt. Es gibt keine verbindliche Definition der Fluktuationsrate. So ist bei Vergleichen
3555
19. Oktober 2004
darauf zu achten, ob etwa befristete Anstellungsverhältnisse,
Austritte wegen Schwangerschaft, Pensionierungen, oder
auch Austritte auf Grund von Kündigungen durch den Arbeitgeber (Stellenabbau) als Teil der Fluktuation gelten oder
nicht.
Die Angabe der Fluktuationsrate für die in der Interpellation
genannten Zeiträume ist nicht möglich. Die Austrittsgründe
können nicht mehr unterschieden werden. Unbestritten ist,
dass die Anzahl Austritte in den letzten Jahren angestiegen
ist und heute bei über 12% liegt. Allerdings lässt sich bei
den Austritten im Zeitraum Januar 2001 bis Herbst 2001 nur
ein geringer Anstieg feststellen, d.h. die Einführung des
neuen Lohnsystems hat nicht zu einer Austrittswelle geführt.
Innerhalb des Kantons kam es in dieser Zeitperiode in keiner
Organisationseinheit zu besonders vielen Austritten.
Ein Vergleich mit den selbständigen Staatsanstalten zeigt,
dass diese über tiefere Fluktuationsraten verfügen. Sie bewegen sich in der Grössenordnung von 7-11%.
Zu den Fragen 4 und 5: Die Gründe für die Austritte können
nachträglich nicht mehr eruiert werden.
Gründe für die Fluktuation können sein:
- Ausnutzen der verbesserten, teilweise guten wirtschaftlichen Situation für einen Stellenwechsel und Personalmangel
bei gewissen Funktionen (Periode 2000/2001).
- Verunsicherung und/oder Unzufriedenheit über die Arbeitssituation beim Kanton. In den Jahren 1999 und 2000
fanden wiederholte Diskussionen statt betreffend Einsparungen im Personalbereich (Stichworte waren etwa Lohnkürzungen, Beitragsparität, Stellenkürzungen). Es wurden
Einsparungen bei Personal- und in Sachkonti beschlossen.
- Die Einführung des neuen Lohnsystems führte an verschiedenen Orten zu einer Verunsicherung.
In Austrittsgesprächen in den Departementen werden als
Gründe für Austritte immer wieder genannt: Berufliche
Veränderung, Erfahrung sammeln in anderer Tätigkeit, neue
Herausforderung, Wegzug, Belastung, Lohnunzufriedenheit,
Unterforderung, Motivation. Oft sind es gleichzeitig verschiedene Gründe, welche schliesslich zum Austritt führen.
Zu Frage 6: Mit der Einführung des neuen Personalinformationssystems (PULS) ist es möglich, Austrittsarten und
-gründe zu erfassen. Die Angabe der Austrittsgründe durch
die Departemente kann eine wichtige Grundlage sein, um
gezielt Massnahmen im Bereich der Führung zu ergreifen.
Die Kosten für die Beantwortung dieses Vorstosses betragen
Fr. 986.--.
Art. 2165
einfach war, die im November 2001 hochaktuellen Fragen
drei Jahre zu spät irgendwie vernünftig zu beantworten. Dies
ist denn auch nicht gelungen! Die Frage dabei ist, ob das die
Absicht war!
Im Herbst 2001 verliessen etliche Mitarbeitende des Kantons ihre Stelle auch darum, weil im kleinen Aufschwung
von damals Stellenwechsel einfacher waren. Aber auch, weil
sich bereits abzeichnete, dass der Arbeitgeber Kanton Aargau seinem Personal immer und immer mehr an Lasten
zumutete und zumuten würde. Dies haben die Verbände in
verschiedenen Gesprächen mit ihren Mitgliedern festgestellt.
Allein das Trauerspiel mit der seither beobachteten Umsetzung des sogenannten Leistungslohns bestätigt diese Auffassungen. Heute scheint es ja so zu sein, dass nur ein abwesender oder inexistenter Arbeitnehmer für den Kanton ein
guter Arbeitnehmer ist. So sieht es jedenfalls eine Regierung, die keine Hemmungen hat, für einen erzwungenen
Budgetausgleich Stellen zu streichen. Dass es im Rest der
Schweiz an manchen Orten im öffentlichen Dienst nicht
besser aussieht, verschärft die Situation nur: Wo sollen die
Leute im Nachtwächterstaat noch Arbeitsplätze finden?
Die Regierung drückt sich leider um die harten Facts und
nennt keine Zahlen. Sie hat auch nicht überall recherchiert, im Versicherungsamt jedenfalls nicht. Die Mitglieder des
Grossen Rates wissen aber aus den Erhebungen der Geschäftsprüfungskommission und aus Staatsrechnungen, dass
die Fluktuationsraten nicht ganz so unbekannt waren, wie
dies nun behauptet wird. Dass in der Koordination der Austrittsgesprächspraxis unter den Departementen ein Malaise
besteht, haben die GPK-Mitglieder und mit ihnen die Grossratsmitglieder auch schon festgestellt und auch bemängelt.
Die Verantwortung dafür tragen die Regierungsmitglieder
und nicht die Personalverantwortlichen der Departemente
oder der Abteilung Personal und Organisation!
Auch Frage 6 ist mit dem Hinweis auf PULS kaum beantwortet. Über eine entsprechende Personalpolitik wird denn
auch gar nichts ausgesagt - der Kanton könnte aber, schon
aus Gründen der Standortpflege, wieder auf motivierte und
nicht verunsicherte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen
angewiesen sein. Mit der Interpellation wollte ich einen
Hinweis darauf geben, dass es neben Feuerwehrübungen
auch Planung geben könnte. Man hat den Hinweis nicht
entgegennehmen wollen. Die Interpellations-Beantwortung
kann nicht zufriedenstellen. Wir müssen andere Mittel suchen!
Vorsitzender: Die Interpellantin ist von der Antwort nicht
befriedigt. Das Geschäft ist damit erledigt.
Wir haben die Traktandenliste abgetragen. Ich wünsche
Ihnen einen schönen Abend! Die Sitzung ist geschlossen.
Katharina Kerr Rüesch, SP, Aarau: Vorerst möchte ich der
Regierung dafür danken, dass sie diese Interpellation nicht
(Schluss der Sitzung: 17.00 Uhr.)
vergessen hat. Ich kann mir vorstellen, dass es gar nicht so
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