Newsletter Dezember 2007

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Newsletter „Die Strafverteidiger“
Kurz vor dem Wechsel in das Neue Jahr 2008 möchten wir uns noch einmal melden. . In den letzten
Wochen sind einige interessante Essays von aktiven und ehemaligen Verfassungsrichtern sowie
dem Innenminister erschienen. Zudem hat nun der Bundesgerichtshof die erwartete
Leitentscheidung zum § 129a StGB gefällt. Zudem haben wir noch einen kleinen Nachtrag zur
Verabschiedung der TKÜ-Novelle und der Vorratsdatenspeicherung.
Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern ein Gutes und Erfolgreiches Jahr 2008.
Ihre Strafverteidiger
Thomas Bliwier und Doris Dierbach
Politik und Gesetzesvorhaben
BVerfG gegen BMI
Der Graben zwischen der Bundesregierung und dem Bundesverfassungsgericht, beides
gleichberechtigte Verfassungsorgane, wächst. Der konservative Verfassungsrichter Udo die Fabio
hat in einer Rede in Berlin ausdrücklich davor gewarnt, auf Grund von wilden Gedankenspielen das
System des Grundgesetzes grundsätzlich in Frage zu stellen. Damit zeigte er Zweifel an der These
des Innenministers Schäuble, dass unsere Rechtsordnung den neuen Gefahren nicht gewachsen sein.
Schäuble hingegen wiederholt seine These wieder und wieder ohne diese auch nur im Ansatz zu
belegen. Er stellt fest, dass der Staat nicht in einer rechtlichen Grauzone handeln dürfe, die durch
neue Entwicklungen entstanden sei. Daher müssten Voraussetzungen und gesetzlichen Grundlagen
geschaffen werden. Bedenklich wird es, als er dann das Bundesverfassungsgericht aufruft, dem
Gesetzgeber dafür den nötigen Spielraum zu belassen. Die „inhaltliche Vernünftigkeit“ der
Maßnahmen müsse der Gesetzgeber selber prüfen und begründen. Jedoch ist eine „inhaltliche
Vernünftigkeit“ kein Maßstab für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen! Auch der
ehemalige Bundesverfassungsrichter Dieter Grimm befürchtet, dass das Gleichgewicht zwischen
Freiheit und Sicherheit aus der Balance geraten ist. Er erinnert Schäuble daran, dass dem Staat nie
die selben Mittel wie etwaigen Terroristen zur Verfügung stehen. Artikel 1 des Grundgesetzes, die
Menschenwürdegarantie, setzt dem staatlichen Handeln absolute Grenzen. Dies ist die Grenze des
Spielraums des Gesetzgebers, nicht mehr und nicht weniger prüft übrigens das
Bundesverfassungsgericht.
Vorratsdatenspeicherung und Reform der TKÜ
Die Debatte, die der Abstimmung (09.11.2007) über die Vorratsdatenspeicherung voran ging, ist
nun online als Video zu sehen. Gleich zu Beginn der Debatte beschwichtigt die Bundesministerin
der Justiz, Brigitte Zypries, alle Bedenken, die gegen dieses Gesetz gerichtet sind. Die Abgeordnete
Leutheusser-Schnarrenberger stellt anschließend einige Punkte sachlich richtig, die von der
Ministerin oberflächlich abgewiegelt wurden. Der CDU Abgeordnete Kauder fühlt sich
anschließend dazu berufen diejenigen, die Angesichts der Sicherheitsgesetzgebung von einem
Überwachungsstaat sprechen, als Zündler zu beschimpfen. Weiterhin beweist er, dass auch er von
einem Feindstrafrecht träumt. Denn er wolle ja nicht den gläsernen Menschen sondern nur den
gläsernen Verbrecher. Dieser scheint nach seiner Ansicht weniger oder gar keine Rechte mehr zu
haben. Da können wir unbescholtenen Bürger ja nur froh sein, dass man einen Verbrecher so leicht
zu erkennen scheint. In Bezug auf das Bundesverfassungsgericht fordert er seine Kollegen im
Bundestag auf, „nicht wie das Kaninchen vor der Schlange zu stehen“ und die Angst vor den
Urteilen des Verfassungsgerichts zu überwinden. Der Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen
Jerzy Montag weist zu Recht darauf hin, das diese „Zündler“ des Abgeordneten Kauders in allen
Bereichen der Gesellschaft zu finden sind. Neben großen Zeitungen, ehemaligen Abgeordneten der
Regierungsparteien, Verfassungsrichter gehören auch Bundesrechtsanwaltskammer, und
Rechtswissenschaftlern dazu. Über das traurige Ergebnis der Abstimmung berichteten wir bereits
im letzten Newsletter.
Nicht alles Terror
Am 28.11.2007 hatte der Bundesgerichtshof über die Haftbeschwerde dreier mutmaßlicher
Mitglieder der „millitanten gruppe“ zu entscheiden. Die Männer wurden bei dem Versuch,
Bundeswehrautos anzuzünden, festgenommen und wegen des Verdachts auf Bildung einer
terroristischen Vereinigung (§129a StGB) inhaftiert. Der Bundesgerichtshof hat die Haftbefehle
unter Auflagen außer Vollzug gesetzt, da der bestehenden Fluchtgefahr wirksam mit Auflagen
begegnet werden könne. Entscheidend an dem Urteil ist jedoch die Auslegung des § 129a StGB.
Systematische Gründe und der offensichtliche Wille des Gesetzgebers würden eine sehr restriktive
Auslegung des Paragraphen erfordern. Die Vereinigung im Sinne des §129a müsse zum einen den
subjektiven Willen zur Schädigung des Staates haben und zum anderen müssten auch gerade die
von ihr begangenen Taten objektiv dazu geeignet sein. Der Senat musste demnach prüfen, ob die
Taten der „militanten gruppe“ wirklich dazu geeignet waren den Staat erheblich zu schädigen. Dies
hat der Bundesgerichtshof verneint. „Plakative“ Taten die nur einen „propagandistischen Effekt“
haben sind nicht zur erheblichen Schädigung geeignet. Die Bundesanwaltschaft kann nun weiter
wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ermitteln, der unsägliche Terror-Vorwurf sollte damit
aber erst einmal vom Tisch sein. Und es war eben dieser Vorwurf der im Vorfeld des G-8-Gipfels
unzählige Durchsuchungen, Überwachungen und auch mindestens einen „großen
Lauschangriff“sowie die Kriminalisierung der Protest-Szene ermöglicht hatte.
Völkerstrafgesetzbuch
Im Oktober fand vor dem Bundestagsausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe eine
Anhörung von Sachverständigen zur Umsetzung des Völkerstrafrechts in Deutschland statt. Wir
hatten über das Völkerstrafgesetz im Zusammenhang mit den Anzeigen gegen Rumsfeld mehrfach
geschrieben. Die Anhörung ist schriftlich oder als Video auf den Seiten des Bundestags zu finden.
Inhaltlich sehr informativ berichten Wissenschaftler und Praktiker über die Umsetzung. Unter
anderem berichtet auch der RAV Vorsitzende Wolfgang Kaleck.
Sonstiges
Ehrung für den anwaltlichen Notdienst
Während des G-8-Gipfels hat der RAV einen anwaltlichen Notdienst eingerichtet. Dieser wurde
nun von der Internationalen Liga für Menschenrechte mit der Carl von Ossietzky Medaille
ausgezeichnet. Die Medaille wird jedes Jahr für Verdienste für die Menschenrechte verliehen. Sie
ist dem Nobelpreis-Träger und Publizisten Carl von Ossietzky gewidmet, der als überzeugter
Demokrat und Pazifist 1933 von der Gestapo verhaftet wurde und 1938 an den Folgen von
Misshandlungen verstarb.
Seminare
Im Januar (25.01.2008) veranstaltet der RAV ein Seminar zum Polizei- und
Freiheitsentziehungsrecht in Berlin. Am 08./09.02.2008 finden zwei Seminare zum
Aufenthaltsrecht statt. Details entnehmen Sie bitte dem Halbjahresprogramm bis März 2008.
Ausnahmezustand
Während des Ausnahmezustands in Pakistan vom 03. November bis zum 15. Dezember wurden
zahlreiche Oppositionelle und Anwälte verhaftet. Der DAV erklärte sich mit den Verhafteten
solidarisch. Doch auch vor dem Ausnahmezustand wurden regelmäßig Oppositionelle
festgenommen. Amnesty International bittet um Appellbriefe an die pakistanischen Behörden, da
noch mindestens 485 Personen „verschwunden“ sind. Über ihren Verbleib ist soweit nichts bekannt
und es besteht die dringende Gefahr, dass die „Verschwundenen“ gefoltert oder gar getötet werden.
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