Steuerrecht Aktuell III-2012

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Steuerrecht aktuell III/2012
Steuerrecht aktuell
III/2012
Referent:
Dr. Jörg W. Hellmer
Dipl.-Kfm. und Dipl.-Finanzwirt
Steuerberater
Dr. Jörg Hellmer - Steuerberater
Seite 1
Steuerrecht aktuell III/2012
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Seminar und Skript sind nach bestem Wissen und mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt worden. Gleichwohl ist jedwede Haftung des Referenten ausgeschlossen.
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A.
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NEUES AUS GESETZGEBUNG UND VERWALTUNG ................................................. 5
I. PENSIONSVERZICHT – VERDECKTE EINLAGE ? ......................................................................... 5
II.
VERFASSUNGSRECHTLICHE BEDENKEN GEGEN § 8 C KSTG ................................................. 7
III.
FOTOVOLTAIKANLAGEN – WICHTIGE ENTSCHEIDUNGEN AUF EINEN BLICK ........................ 9
B.
URTEILE UND VERWALTUNGSANWEISUNGEN .................................................... 16
I.
EINKOMMENSTEUER............................................................................................................... 16
1. Kein Teilabzugsverbot nach § 3 c Abs. 2 EStG für Wertminderungen auf
Gesellschafterkredite im Betriebsvermögen .............................................................................. 16
2. Aufwendungen für die Sanierung eines Gebäudes bei Hausschwamm .............................. 18
3. Aufwendungen für die Asbestsanierung des Daches eines Wohnhauses (BFH) ................ 20
4. Aufwendungen für die Gebäudesanierung bei Geruchsbelästigungen (BFH) ................... 22
5. Veräußerungserlös bei gemischt genutztem Wohnmobil ................................................... 24
6. Veräußerungsgewinn des ausscheidenden Kommanditisten ............................................. 26
7. Zur Anerkennung eines Angehörigen-Mietverhältnisses ................................................... 28
8. Zum Zufluss von Einnahmen bei beherrschenden Gesellschaftern ................................... 30
9. 1%-Regelung bei mehreren Pkw im Betriebsvermögen ..................................................... 32
10.
Investitionsabzug bei Anschaffung einer Photovoltaikanlage ....................................... 34
11.
Praxisgebühr nicht als Sonderausgabe abziehbar ........................................................ 36
12.
Einkünfteerzielungsabsicht bei Vermietung einer Ferienwohnung ............................... 37
13.
Wechsel zur Fahrtenbuchmethode während des Kalenderjahres .................................. 39
14.
Verpflegungsmehraufwendungen bei Auslandsstudium ................................................ 40
15.
Umwandlung wertloser Forderung in atypisch stille Beteiligung ................................. 42
16.
Verkauf von Betriebsvermögen an Zebragesellschaft .................................................... 44
17.
Wirtschaftliches Eigentum an einem Kapitalgesellschaftsanteil ................................... 47
18.
Einmalzahlung für private Lebensversicherung als Betriebsausgabe ........................... 48
19.
Nachträgliche Schuldzinsen bei wesentlicher Beteiligung ............................................ 50
II.
BILANZSTEUERRECHT ........................................................................................................ 51
1. Steuerneutrale Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern ................................................ 51
2. Zur Korrektur bei fehlerhafter Aktivierung ....................................................................... 54
3. Korrektur eines Bilanzansatzes bei einer Teilbetriebsveräußerung .................................. 56
4. Investitionsabzug bei Betriebsübergabe auf den Sohn ...................................................... 58
5. Abgrenzung Erhaltungsaufwendungen oder Herstellungskosten ...................................... 60
6. Bilanzänderung bei Mitunternehmerschaften (OFD) ........................................................ 62
7. Absicht das Wahlrecht auszuüben im Zeitpunkt der Anschaffung nicht erforderlich ........ 63
III.
KÖRPERSCHAFTSTEUER...................................................................................................... 66
1. VGA an Gesellschafter als Schenkung? ............................................................................ 66
2. Feststellung eines EBITDA-Vortrags (OFD) .................................................................... 70
IV.
UMSATZSTEUER ................................................................................................................. 71
1. Fahrten Wohnung - Arbeitsstätte eines Gesellschafter-Geschäftsführers ......................... 71
2. Zur Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung ............................................................... 73
3. Vorsteuerabzug aus Dauerleistungen ................................................................................ 75
4. Entstehung der Steuer bei unrichtigem Steuerausweis (BMF) .......................................... 77
5. Doppelter Ausweis von Umsatzsteuer ............................................................................... 78
V.
ABGABENORDNUNG ........................................................................................................... 81
1. Schadensersatz für Steuerberaterkosten nach fehlerhaftem
Einkommensteuervorauszahlungsbescheid................................................................................ 81
2. Änderung eines Gewinnfeststellungsbescheid ................................................................... 83
3. Haftung für Umsatzsteuer .................................................................................................. 85
VI.
INTERNATIONALES STEUERRECHT...................................................................................... 87
1. Zur Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer - Rechtssache Meilicke .................... 87
VII. SCHENKUNGSTEUER ........................................................................................................... 89
1. Berechnung des Zehnjahreszeitraums ............................................................................... 89
VIII.
GEWERBESTEUER ........................................................................................................... 91
1. Kürzung für Gewinne aus veräußerten Mitunternehmeranteilen ...................................... 91
IX.
UMWANDLUNGSSTEUERRECHT .......................................................................................... 92
1. Einbringung einer freiberuflichen Praxis und die Zurückbehaltung von
Honorarforderungen ................................................................................................................. 92
2. Steuerfallen bei der Einbringung in eine Kapitalgesellschaft ........................................... 94
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3.
X.
1.
2.
3.
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Einbringungen nach § 24 UmwStG optimal gestalten ..................................................... 108
GRUNDERWERBSTEUER .................................................................................................... 118
Keine steuerbare Anteilsübertragung bei Beteiligungsquote unter 95% ......................... 118
Änderung im Gesellschafterbestand einer Personengesellschaft .................................... 120
Steuerfreiheit bei Grundstückserwerb vom früheren Ehegatten ...................................... 122
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A.
I.
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Neues aus Gesetzgebung und Verwaltung
Pensionsverzicht – verdeckte Einlage ?
Geschäftsführer können aufatmen. Das BMF hat dem bundesweit veranstalteten „verwaltungsinternen Kasperltheater“ um die steuerrechtliche Behandlung des Verzichts eines Gesellschafter-Geschäftsführers (GGf) auf seine Pensionsanwartschaft ein eindrucksvolles Ende gesetzt
BMF 14.8.12, IV C 2 - S 2743/10/10001
Zur Freude des Marktes hat das BMF darin die von mir entwickelte Rechtsauffassung zur „steuerunschädlichen“ Gestaltung eines Verzichts vollumfänglich bestätigt.
I. Hintergrund
Das bundesweite Desaster nahm seinen Anfang mit dem Erlass des FinMin NRW
vom 17.12.09 (S 2743-10-V-B 4).
Im Rahmen dieser Verwaltungsanweisung hatte das FinMin NRW die unzutreffende Rechtsauffassung vertreten, dass ein Verzicht eines GGf auf den Future Service
regelmäßig zu einer verdeckten Einlage führen und es damit zwangsläufig zum
fiktiven Zufluss von Arbeitslohn beim GGf kommen würde. Eine rechtskonforme
Gestaltungsmöglichkeit, die von erfahrenen Rechtsanwendern seit Jahren erfolgreich umgesetzt wurde, geriet dadurch zu Unrecht in Verruf.
II. Das BMF-Schreiben vom 14.8.12
Da die vom FinMin NRW vertretene Rechtsauffassung auch innerhalb der Finanzverwaltung nur von wenigen Akteuren geteilt wurde, kam es daraufhin zu einer
verwaltungsinternen Auseinandersetzung, die in der Fachwelt für eine gehörige
Portion Unsicherheit gesorgt hat. Alle Versuche über eine Verbindliche Auskunft
Rechtssicherheit zu erlangen, sind seit über einem Jahr ergebnislos verlaufen, da es
seitens der Finanzverwaltung eine bundesweite Anweisung gab, derartige Anträge
bis zum geplanten BMF-Schreiben zurückzustellen. Dessen Veröffentlichung wurde zunächst für den Herbst 2011 avisiert. Erst am 14.8.12 war es dann endlich so
weit, verwaltungsintern dürfte also ein erheblicher Diskussionsbedarf geherrscht
haben.
Wichtig | Die Zeit der lähmenden Unsicherheit ist nun vorbei! Das BMF hat jetzt in
einer überraschend positiven Art und Weise für Rechtsklarheit gesorgt. Dies gilt
sowohl für den Fall eines vollständigen Verzichts als auch für den Verzicht auf den
Future Service (Teilverzicht). Der vom FinMin NRW vertretenen Rechtsauffassung
wurde damit eine gehörige Abfuhr erteilt.
Vollständiger Verzicht auf eine Pensionsanwartschaft
Rn. 2 S. 1 des BMF-Schreibens stellt zunächst klar, dass im Falle eines vollständigen Verzichts auf eine Pensionsanwartschaft vor Eintritt des Versorgungsfalles eine
verdeckte Einlage nur in Höhe des bis zum Verzichtszeitpunktes bereits erdienten
Anteils der zugesagten Versorgungsleistungen (sog. Past Service) vorliegt. Damit
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bestätigt das BMF die bereits in KStH 2008 H 40 veröffentlichte Rechtsauffassung,
auf die ich u.a. Bezug genommen hatte, um die Zustimmung der Finanzverwaltung
zu der von mir entwickelten Rechtsauffassung zu belegen.
Teilweiser Verzicht auf eine Pensionsanwartschaft
Folgerichtig führt das BMF-Schreiben daher in Rn. 2 S. 2 aus, dass bei einem teilweisen Verzicht eine verdeckte Einlage nur insoweit anzunehmen ist, als der Barwert der bis zu dem Verzichtszeitpunkt bereits erdienten Versorgungsleistungen des
GGf den Barwert der nach dem Teilverzicht noch verbleibenden Versorgungsleistungen übersteigt.
III. Hinweise für die Praxis:
Die Finanzverwaltung macht damit den Barwertvergleich zur Bemessungsgrundlage für die Feststellung eines möglichen Teilverzichts. Das erscheint insbesondere
dann sinnvoll, wenn im Zuge der Herabsetzung auch eine Umgestaltung der Versorgungsleistungen vorgenommen wird (z.B. Entfall der BU-Leistung zugunsten
einer Erhöhung der Altersleistung).
Im Falle einer bloßen Herabsetzung gilt jedoch Folgendes: Wird die Pensionszusage exakt auf die Höhe der bis zum Änderungszeitpunkt unverfallbar erworbenen
Versorgungsanwartschaften begrenzt (eingefroren), ohne dass eine Umgestaltung
der Versorgungsleistungen vorgenommen wird, so ist der von der Finanzverwaltung definierte Barwertvergleich zwangsläufig erfüllt.
Aufgabe der Unterscheidung „verdeckte Einlage dem Grunde und der Höhe
nach“
Die Tatsache, dass das BMF-Schreiben nicht mehr zwischen einer verdeckten Einlage dem Grunde und der Höhe nach unterscheidet, lässt bei Anwendung logischer
Denkgesetze nur folgenden Schluss zu: Das BMF hat eindeutig anerkannt, dass der
Verzicht auf noch nicht erdiente Versorgungsanwartschaften bereits dem Grunde
nach nicht zu einer verdeckten Einlage führen kann. Eine weitergehende Differenzierung ist daher hinfällig. Dass der Satz 3 der Rn. 2 eine verdeckte Einlage auch
dann verneint, wenn sich die notwendige Änderungsvereinbarung zur Pensionszusage nicht explizit auf den Future Service bezieht, ist als eine positive Vereinfachungsregelung zu werten.
Ich rate dennoch weiter dazu, die Änderungsvereinbarung so klar und eindeutig zu formulieren, dass auch für fremde Dritte unzweifelhaft zu erkennen ist,
dass ein Verzicht nur hinsichtlich des Future Service vereinbart wird.
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II.
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Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 8 c KStG
Wegen verfassungsrechtlicher Bedenken gegen die Mantelkaufregelung in § 8
c KStG hat der BFH mit Beschluss I B 18/12 v. 09.05.2012 im Streitfall Aussetzung der Vollziehung gewährt.
Begründung des Gerichts:
Die Aussetzung wurde befürwortet, da für die Antragstellerin der steuerliche Eingriff mit erheblichen wirtschaftlichen Folgen verbunden war.
Die öffentlichen Haushalte sind vergleichsweise in viel geringerem Maße davon
berührt.
Eine interessante Begründung !!
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III.
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Fotovoltaikanlagen – Wichtige Entscheidungen auf einen Blick
Obwohl die staatlich garantierten Vergütungen der Netzbetreiber in den letzten Jahren gesunken sind, ist der Betrieb von Fotovoltaikanlagen nicht zuletzt wegen der
stark zurückgegangenen Anschaffungskosten weiterhin attraktiv. Neben betriebswirtschaftlichen Aspekten muss man aber auch stets die steuerlichen Rahmenbedingungen in die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung mit einbeziehen. In diesem Bereich sind zum Teil für den Steuerbürger sehr günstige Rechtsentwicklungen zu
verzeichnen.
1. Fotovoltaik als eigenständiger Gewerbebetrieb
Das Betreiben einer Fotovoltaikanlage auf dem Betriebsgelände eines Einzelunternehmens stellt aufgrund der Ungleichartigkeit der Tätigkeiten und des Fehlens der
organisatorischen und wirtschaftlichen Verflechtung einen eigenständigen Gewerbebetrieb dar (FG Schleswig-Holsteinisch 22.9.10, 2 K 282/07, EFG 10, 2102, Rev.
X R 36/10).
Hinweise für die Praxis:
Die Frage, ob es sich um einen einheitlichen oder zwei getrennte Betriebe handelt,
hat Bedeutung für die Gewerbesteuer. Bei Eigenständigkeit des Betriebs einer Fotovoltaikanlage kann der gewerbesteuerliche Freibetrag von 24.500 EUR (§ 11 Abs.
1 S. 3 Nr. 1 GewStG) doppelt genutzt werden. Die Annahme eines selbstständigen
Gewerbebetriebes erfordert eine vollkommene Eigenständigkeit. Die Verbindung
darf im Wesentlichen nur in der Person des Gewerbetreibenden bestehen. Dieser
muss die Betriebe nebeneinander am Wirtschaftsleben teilnehmen lassen. Aber
auch bei organisatorischer, finanzieller und wirtschaftlicher Verflechtung ist bei
ungleichartiger Betätigung ein einheitlicher Gewerbebetrieb nur anzunehmen, wenn
die verschiedenen Betätigungen einander ergänzen (siehe zu dieser Problematik
auch FG München 24.10.11, 5 V 491/11).
2. Arbeitszimmer zur Verwaltung einer Fotovoltaikanlage
Aus dem Sinnzusammenhang der Regelung des § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG zum häuslichen Arbeitszimmer ergibt sich, dass ein Aufwendungsabzug nur dann erfolgen
darf, wenn das Arbeitszimmer tatsächlich erforderlich ist. Die Tätigkeiten für die
Verwaltung einer Fotovoltaikanlage machen ein häusliches Arbeitszimmer jedoch
nur dann erforderlich, wenn die zeitliche Inanspruchnahme des Raumes nicht von
untergeordneter Bedeutung ist (FG Nürnberg 19.3.12, 3 K 308/11).
Hinweise für die Praxis:
Nach der Neufassung des § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG kommt ein Abzug von Arbeitszimmerkosten beim Betrieb einer Fotovoltaikanlage in der Regel nur bis zur Höhe
von 1.250 EUR in Betracht (wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit
kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht). Dafür muss die Nutzung eines Arbeitszimmers für die konkrete Tätigkeit aber erforderlich sein. Im Streitfall war eine
monatliche Nutzung des Arbeitszimmers für Verwaltungstätigkeiten im Umfang
von 9 Stunden im Monat nach Auffassung des FG nicht ausreichend.
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Bei zu erwartenden Streitigkeiten mit dem Finanzamt sollten zur Beweisvorsorge
nachvollziehbare Aufzeichnungen über die im Zusammenhang mit dem Betrieb der
Anlage im Arbeitszimmer erledigten Tätigkeiten vorgehalten werden. Die Aufzeichnungen sollten zeitnah über einen repräsentativen Zeitraum gefertigt werden.
In Betracht kommende relevante Tätigkeiten sind etwa Abrechnungen mit Energieunternehmen, das Erstellen von Umsatzsteuervoranmeldungen oder der Gewinnund Verlustrechnung, Auswertung der Erträge am Computer, sonstiger Schriftverkehr, Lagerung von Unterlagen.
3. Investitionsabzugsbetrag: Nachweis der Investitionsabsicht bei Betriebseröffnung
Ein Investitionsabzugsbetrag für die Anschaffung einer Fotovoltaikanlage ist nicht
zu gewähren, wenn im VZ weder der konkrete Investitionsumfang (Kapazität der
Anlage, Art und Umfang eines neu zu errichtenden Gebäudes), noch der Zeitpunkt
der Investition feststeht. Die Investitionsabsicht lässt sich auch nicht aus einem im
VZ eingeholten Angebot entnehmen, wenn sich die – innerhalb des 3Jahreszeitraums – verwirklichte Investition in Bezug auf die Kapazität und die baulichen Rahmenbedingungen deutlich von der im VZ angebotenen Anlage unterscheidet (FG Münster 8.2.12, 11 K 3035/10 E, EFG 12, 825).
Hinweise für die Praxis:
Der Nachweis der Investitionsabsicht gem. § 7g Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Buchst. a EStG
kann in den Fällen der Betriebseröffnung auch anders als durch eine verbindliche
Bestellung der wesentlichen Betriebsgrundlage erbracht werden. In welcher Form
der Nachweis der Investitionsabsicht zu erfolgen hat, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Diese Auffassung entspricht zumindest der bislang hierzu
ergangenen FG-Rechtsprechung (z.B. FG München 26.10.10, 2 K 655/10; FG Niedersachsen 3.5.11, 13 K 12121/10). Die Frage der Nachweisanforderungen bedarf
aber noch der höchstrichterlichen Klärung (Rev. unter X R 42/11; Vorinstanz: FG
Nürnberg 28.7.11, 7 K 655/10, EFG 11, 1964).
4. Anwendung des § 7g EStG bei erheblicher Nutzung des produzierten
Stroms für Privatzwecke
Eine Verwendung des durch die Fotovoltaikanlage produzierten Stroms zu mehr als
10 % für private Zwecke spricht nicht gegen die Inanspruchnahme eines Investitionsabzugsbetrags nach § 7g EStG. Auf die spätere Sachentnahme des produzierten
Wirtschaftsguts „Strom“ kommt es bei der Beurteilung der betrieblichen Nutzung
des produzierenden Wirtschaftsguts „Fotovoltaikanlage“ nicht an (FinMin Schleswig-Holstein 2.8.12, VI 306 - S 2139b-003; OFD Niedersachsen 26.3.12, S 22183b
- 42 - St 226).
Hinweise für die Praxis:
Nach dem BMF-Schreiben vom 8.5.09 (IV C 6 - S 2139-b/07/10002, BStBl I 09,
633) wird ein Wirtschaftsgut ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt, wenn es der Steuerpflichtige zu nicht mehr als 10 % privat nutzt. Dabei
kommt es maßgeblich auf die unmittelbare Verwendung des Wirtschaftsgutes an,
für das ein Investitionsabzugsbetrag in Anspruch genommen werden soll. Im Fall
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des gewerblichen Betriebs einer Fotovoltaikanlage ist der private Verbrauch des
Stroms keine private Verwendung der Anlage, sondern eine Sachentnahme des
produzierten Stroms. Aus Vereinfachungsgründen kann der Entnahmewert in Anlehnung an den Strompreis für aus dem Netz des Energieversorgers bezogenen
Strom geschätzt werden (OFD Niedersachsen 17.9.10, S 2240 - 160 - St 221/St
222).
5. Investitionszulage für Fotovoltaikanlage
Für eine auf dem Dach einer vom Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung an die investitionszulagenbegünstigte Betriebs-GmbH vermieteten Lagerhalle installierte Fotovoltaikanlage besteht nur Anspruch auf Investitionszulage
nach dem InvZulG 2007, wenn das die Fotovoltaikanlage betreibende Unternehmen
entweder mit dem das Grundstück besitzenden Unternehmen einen einheitlichen
Betrieb bildet oder mit dem Betriebsunternehmen eine Betriebsaufspaltung besteht
(FG Sachsen 21.12.11, 2 K 1721/11, EFG 12, 1304).
Hinweise für die Praxis:
Nach § 2 Abs. 1 S. 1 InvZulG 2007 sind begünstigte Investitionen die Anschaffung
und die Herstellung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des
Anlagevermögens, die zu einem Erstinvestitionsvorhaben i.S.d. Abs. 3 gehören,
mindestens fünf Jahre nach Beendigung des Erstinvestitionsvorhabens zum Anlagevermögen eines Betriebs oder einer Betriebsstätte eines Betriebes des verarbeitenden Gewerbes, der produktionsnahen Dienstleistung oder des Beherbergungsgewerbes des Anspruchsberechtigten im Fördergebiet gehören, in einer Betriebsstätte eines solchen Betriebes des Anspruchsberechtigten verbleiben und in jedem
Jahr zu nicht mehr als 10 % privat genutzt werden.
Erforderlich ist, dass der Steuerpflichtige selbst einen investitionszulagenbegünstigten Betrieb führt oder eine Betriebsaufspaltung zu einem solchen Betrieb besteht.
6. Gewerbeanmeldung und Beiträge zur IHK
1. Das Betreiben einer Fotovoltaikanlage auf dem Dach eines selbstgenutzten
Wohnhauses stellt keine gewerbliche Betätigung dar, auch wenn dabei erzeugter
überschüssiger Strom gegen Entgelt ins allgemeine Stromversorgungsnetz eingespeist wird, weil auch hier durch Direktverbrauch beziehungsweise Entgeltvereinnahmung lediglich die Betriebskosten reduziert werden. Die steuerrechtliche Einordnung von privaten Fotovoltaikanlagen ist hiervon unabhängig zu betrachten. Der
Gewerbebegriff des Steuerrechts ist ein anderer als der des Gewerberechts.
2. Unabhängig von der Frage der Einstufung als gewerbliche Tätigkeit ist zudem zu
beachten, dass nach den Beitragsordnungen der Industrie- und Handelskammern in
Sachsen-Anhalt nicht im Handelsregister eingetragene natürliche Personen und
Personengesellschaften, deren Gewerbeertrag oder Gewinn aus Gewerbebetrieb
5.200 EUR nicht übersteigt, grundsätzlich vom IHK-Beitrag freigestellt sind (OFD
Magdeburg 21.10.10, S 2240 - 76 - St 21).
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Hinweise für die Praxis:
Eine Anzeigepflicht nach den §§ 14 und 55c GewO besteht nur für den Betrieb eines „Gewerbes” bzw. für „selbstständige Gewerbetreibende”. Solche Gewerbeanzeigen sind für den Betrieb von Fotovoltaikanlagen nicht erforderlich. IHKBeiträge dürften bei der Höhe der zu erwartenden Gewinne aus der Stromeinspeisung ebenso nicht zu entrichten sein.
7. Grunderwerbsteuer: Grundstücksveräußerungen mit Fotovoltaikanlagen
1. Dienen Fotovoltaikanlagen ausschließlich der Energieversorgung des betroffenen
Grundstücks (Eigenbedarf), gehören sie als Bestandteile oder Zubehör zum Grundvermögen und das hierfür vereinnahmte Entgelt ist in die grunderwerbsteuerliche
Bemessungsgrundlage einzubeziehen.
2. Dienen Fotovoltaikanlagen ausschließlich der Energieerzeugung und Einspeisung in öffentliche Energienetze, unterhält der Grundstückseigentümer einen Gewerbebetrieb. Derartige Fotovoltaikanlagen sind Betriebsvorrichtungen (§ 68
BewG), sofern es sich um auf eine Trägerkonstruktion montierte FotovoltaikModule handelt. Das dafür erhaltene Entgelt ist nicht in die grunderwerbsteuerliche
Bemessungsgrundlage einzubeziehen.
3. Werden Fotovoltaikanlagen, die der Eigenversorgung oder dem Gewerbebetrieb
dienen, als Ersatz für eine sonst erforderliche Dacheindeckung oder als Fassadenteil
(anstelle von Fassadenelementen oder Glasscheiben) eingebaut bzw. befestigt, sind
sie in entsprechender Auslegung des § 68 BewG als Gebäudebestandteil in das
Grundvermögen einzubeziehen. Das hierfür erhaltene Entgelt ist in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage einzubeziehen und unterliegt der Grunderwerbsteuer (FinMin Hamburg 8.7.08, 53 - S 4521 - 009/06; FinMin Brandenburg
28.5.08, 31-S 4521-1/08).
Hinweise für die Praxis:
Thermische Solaranlagen werden überwiegend zur Erwärmung von Wasser für den
sanitären Bereich oder zur Raumheizung eingesetzt, meist zur Ergänzung einer bereits vorhandenen Wärmeversorgung (vgl. BFH 14.7.04, IX R 52/02, BStBl II 04,
949). Da Heizungsanlagen regelmäßig Gebäudebestandteile sind, ist der auf ein(e)
Thermische Solaranlage/Solarkraftwerk entfallende Teil des Kaufpreises in die
grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage einzubeziehen und unterliegt der
Grunderwerbsteuer.
8. Fotovoltaikanlagen als selbstständiges Wirtschaftsgut oder unselbstständiger Gebäudebestandteil
Fotovoltaikanlagen können als Anlagen mit auf der vorhandenen Dacheindeckung
aufgesetzten Fotovoltaikmodulen (sog. Aufdachanlage) oder mit in der Dacheindeckung integrierten Fotovoltaikmodulen (sog. dachintegrierte Fotovoltaikanlage,
z.B. in der Form von Solardachsteinen, Solardachfolien oder Indach-Solarmodulen)
betrieben werden.
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Aufdachanlagen dienen unmittelbar dem Gewerbebetrieb der Stromerzeugung und
sind daher regelmäßig als Betriebsvorrichtung anzusehen. Sie rechnen zu den
selbstständigen, beweglichen und abnutzbaren Wirtschaftsgütern, die als notwendiges Betriebsvermögen dem Gewerbebetrieb Stromerzeugung zuzurechnen sind.
Auch dachintegrierte Fotovoltaikanlagen sind wie selbstständige, vom Gebäude
losgelöste bewegliche Wirtschaftsgüter und damit nicht als unselbstständige Gebäudebestandteile zu behandeln. Dabei ist unbeachtlich, ob die Anlagen im Zuge
einer Neuerrichtung eines Gebäudes oder einer Sanierungsmaßnahme angeschafft
bzw. hergestellt worden sind. Dachintegrierte Fotovoltaikanlagen sind daher im
Ergebnis ertragsteuerrechtlich wie Aufdachanlagen zu behandeln (OFD Niedersachsen 17.9.10, S 2240 - 160 - St 221/St 222).
Hinweise für die Praxis:
Diese vorstehende Einordnung hat folgende steuerliche Auswirkungen auf die Abschreibung:
Absetzungen für Abnutzung sind nach § 7 Abs. 1 bis 3 EStG zu gewähren. Dabei
ist für Fotovoltaikanlagen von einer betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von 20
Jahren auszugehen (vgl. Nr. 3.1.6 der AfA-Tabelle für die allgemein verwendbaren
Anlagegüter vom 15.12.00, BStBl I 00, 1532).
Nicht zulässig sind Absetzungen für Abnutzung nach § 7 Abs. 4 und 5 EStG, erhöhte Absetzungen nach § 7h EStG und die Übertragung von stillen Reserven nach
§ 6b Abs. 1 S. 2 Nr. 3 EStG.
Bemessungsgrundlage für die Absetzungen für Abnutzung sind die nachgewiesenen
Aufwendungen für die Aufdachanlage oder das Fotovoltaikmodul bei dachintegrierten Anlagen.
PRAXISHINWEIS | Kann der Steuerpflichtige die Aufwendungen für das Fotovoltaikmodul der dachintegrierten Anlage im Einzelfall nicht nachweisen, bestehen
nach Auffassung der Finanzverwaltung keine Bedenken, bei der erforderlichen Abgrenzung der sowohl auf das Gebäude als auch auf den Gewerbebetrieb entfallenden Aufwendungen, aus Vereinfachungsgründen den auf das Gebäude entfallenden
Anteil in Höhe der Kosten für eine Dacheindeckung ohne integrierte Fotovoltaikanlage (in Anlehnung an die übrige Dacheindeckung) zu schätzen. Der übersteigende
Betrag ist dem Fotovoltaikmodul zuzuordnen und stellt die Bemessungsgrundlage
für die Berechnung der AfA dar.
Hinweise für die Praxis:
Dieser Aufteilungsmaßstab ist auf die durch eine eventuelle Fremdfinanzierung der
dachintegrierten Fotovoltaikanlage entstehenden Aufwendungen entsprechend anzuwenden.
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9. Anwendung des § 15b EStG bei Einstieg in Fotovoltaik
§ 15b EStG ist nach der Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 33a EStG grds. nur
auf Verluste der dort bezeichneten Steuerstundungsmodelle anzuwenden, denen der
Steuerpflichtige nach dem 10.11.05 beigetreten ist oder für die nach dem 10.11.05
mit dem Außenvertrieb begonnen wurde. Hinsichtlich der Frage wie sich § 52 Abs.
33a EStG auf Kapitalerhöhungen bzw. Gesellschaftereintritte auswirkt, wenn der
Fonds (Mitunternehmerschaft) in Bezug auf die Grundregelung in § 52 Abs. 33a
Satz 1 und 2 EStG nicht in den zeitlichen Anwendungsbereich des § 15b EStG fällt,
ist laut FinMin Schleswig-Holstein (19.4.11, VI 307 - S 2241 b - 009) Folgendes zu
beachten:
Bei Kapitalerhöhungen durch den vorhandenen Gesellschafterbestand mit dem Ziel
des Ersatzes der vorhandenen Anlage durch eine andere Anlage (Ausstieg aus
Windenergie und Einstieg in Fotovoltaik ) ist § 15b EStG anzuwenden (Änderung
des Gesellschaftszwecks). Gleiches gilt nach Auffassung der Finanzverwaltung bei
Kapitalerhöhung durch den vorhandenen Gesellschafterbestand und neuer Gesellschafter mit dem Ziel des Ersatzes der vorhandenen Anlage durch eine andere Anlage (Ausstieg aus Windenergie und Einstieg in Fotovoltaik).
Hinweise für die Praxis:
Zur Verfassungsmäßigkeit des § 15b EStG und der Anwendungsregelung des § 52
Abs. 33a EStG siehe im Übrigen FG Baden-Württemberg 7.7.11, 3 K 4368/09,
EFG 11, 1897; Rev. IV R 40/11). Entsprechende Steuerbescheide sind bis zur Klärung offen zu halten.
10. Gewerbesteuerkürzung
Die Voraussetzungen der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 ff. GewStG werden nicht erfüllt, wenn mit der Produktion von Solarstrom und dessen entgeltlicher
Einspeisung in das allgemeine Stromnetz eine gewerbliche Tätigkeit neben einer
bloßen Vermögensverwaltung ausgeübt wird. Stromerzeugung und -einspeisung
stellen keine Nebengeschäfte dar, die dem Begriff der Grundstücksverwaltung zuzurechnen sind. Auch eine nur geringfügige gewerbliche Tätigkeit steht der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG entgegen. Ausnahmen wegen Geringfügigkeit sind auch nicht aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nach Art.
20 Abs. 3 GG geboten (FG Berlin-Brandenburg 13.12.11, 6 K 6181/08, EFG 12,
959).
Hinweise für die Praxis:
Die Frage der Verhältnismäßigkeit bei nur geringfügigen gewerblichen Einkünften
ist auch bei der Anwendbarkeit des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG umstritten. Hier wird
teilweise die Höhe des Freibetrages nach § 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 GewStG als eine
geeignete Größe zur gleichheits- und verhältnismäßigen Anwendung der Abfärberegelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG angesehen (so FG Niedersachsen 14.9.11, 3 K
447/10, EFG 12, 625; Rev. VIII R 41/11). Ggf. kann in Einspruchs- und Klageverfahren hierauf als Begründung hingewiesen werden.
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Kein Teilabzugsverbot nach § 3 c Abs. 2 EStG für Wertminderungen
auf Gesellschafterkredite im Betriebsvermögen
BFH v. 18.04.2012 – X R 5/10 sowie X R 7/10
I.
Hintergrund:
Gehören Anteile an einer Kapitalgesellschaft zum steuerlichen Betriebsvermögen
und haben die Gesellschafter der Gesellschaft zum Betriebsvermögen gehörende
Kredite gegeben oder Bürgschaften geleistet, handelt es sich jeweils um selbständige Wirtschaftsgüter.
Im Anwendungsbereich des § 3 c Abs. 2 EStG hat die Verwaltung gleichwohl angenommen, dass Wertminderungen der aktivierten Darlehensforderungen oder aus
der Inanspruchnahme von Bürgschaften, gesellschaftsrechtlich veranlasst sind und
hat das Teilabzugsverbot angewendet, wenn die Darlehen durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst waren und nicht zu fremdüblichen Konditionen gewährt wurden (vgl. BMF v. 08.11.2010, BTA E 3c/1).
II. Die Entscheidungen des Gerichts:
Dem ist der BFH in den o.g. Urteilen entschieden entgegengetreten.
Es fehlt am erforderlichen wirtschaftlichen Zusammenhang mit Beteiligungseinnahmen nach § 3 Nr. 40 EStG.
Der BFH hat die Wertminderungen auf Darlehen und die Inanspruchnahme aus
Bürgschaften in vollem Umfang als Betriebsausgabe anerkannt, auch wenn die Darlehen durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind und einem Fremdvergleich
nicht standhalten (hier: keine Verzinsung und keine Sicherheiten).
Offen gelassen hat der BFH, ob im Rahmen von Betriebsaufspaltungen bei zu geringen Mieten oder Pachten eine 40 %-ige Kürzung der Betriebsausgaben erfolgen
kann.
Hinweis:
Der BMF wird wohl, wie im Fall des § 8 b KStG, eine Gesetzesverschärfung auf
den Weg bringen.
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Steuerrecht aktuell III/2012
Dr. Jörg Hellmer - Steuerberater
Seite 17
Steuerrecht aktuell III/2012
2.
Seite 18
Aufwendungen für die Sanierung eines Gebäudes bei Hausschwamm
Aufwendungen zur Sanierung eines mit Echtem Hausschwamm befallenen
Gebäudes können im Einzelfall ein unabwendbares Ereignis sein, wenn der
Befall unentdeckt bleibt, die konkrete Gefahr der Unbewohnbarkeit eines Gebäudes droht und daraus eine aufwendige Sanierung folgt
BFH, Urteil v. 29.3.2012 - VI R 70/10
I. Hintergrund:
Die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen (§ 33 Abs. 1 EStG).
Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch
den Grundfreibetrag abgegolten sind.
II. Die Entscheidung des Gerichts:
Voraussetzung für die Abzugsfähigkeit von Kosten zur Wiederherstellung der Bewohnbarkeit eines selbstgenutzten Gebäudes, das durch ein von dem Steuerpflichtigen nicht beeinflussbares außergewöhnliches Ereignis beschädigt wurde, ist u.a.,
dass der Vermögensgegenstand für den Steuerpflichtigen eine existentiell wichtige
Bedeutung hat, keine Anhaltspunkte für ein Verschulden des Steuerpflichtigen erkennbar, realisierbare Ersatzansprüche gegen Dritte nicht gegeben sind und die
zerstörten oder beschädigten Vermögensgegenstände in Größe und Ausstattung
nicht erheblich über das Notwendige und Übliche hinausgehen. Ein Verschulden
des Steuerpflichtigen an dem eingetretenen Vermögensschaden ist jedenfalls auch
bei dem Unterlassen des Abschlusses einer allgemein zugänglichen und üblichen
Versicherung anzunehmen.
III. Hinweise für die Praxis:
Zu den außergewöhnlichen Belastungen können nach Ansicht des BFH Aufwendungen für die Sanierung eines Gebäudes gehören, wenn durch die Baumaßnahmen
konkrete Gesundheitsgefährdungen, etwa durch ein asbestgedecktes Dach (BFH,
Urteil v. 29.3.2012 -VI R 47/10), abgewehrt, Brand-, Hochwasser- oder ähnlich
unausweichliche Schäden, beispielsweise durch den Befall eines Gebäudes mit
Echtem Hausschwamm (BFH, Urteil v. 29.3.2012 - VI R 70/10) beseitigt oder vom
Gebäude ausgehende unzumutbare Beeinträchtigungen (Geruchsbelästigungen,
BFH, Urteil v. 29.3.2012 - VI R 21/11) behoben werden. Allerdings darf der Grund
für die Sanierung weder beim Erwerb des Grundstücks erkennbar gewesen noch
vom Grundstückseigentümer verschuldet worden sein. Auch muss der Steuerpflichtige realisierbare Ersatzansprüche gegen Dritte verfolgen, bevor er seine AufwenDr. Jörg Hellmer - Steuerberater
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Seite 19
dungen steuerlich geltend machen kann und er muss sich den aus der Erneuerung
ergebenden Vorteil anrechnen lassen ("Neu für Alt").
Der Umstand, dass ein vor Durchführung der Beseitigungs- bzw. Wiederherstellungsmaßnahmen erstelltes amtliches technisches Gutachten nicht vorliegt, steht
dem Abzug der Aufwendungen in den vorgenannten Fällen ebenfalls nicht entgegen. Gleichwohl hat der Steuerpflichtige nachzuweisen, dass er sich den Aufwendungen aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen konnte. Dies hat der BFH mit
den drei genannten, am 13.6.2012 veröffentlichten Urteilen klargestellt.
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Steuerrecht aktuell III/2012
3.
Seite 20
Aufwendungen für die Asbestsanierung des Daches eines Wohnhauses (BFH)
Zu den außergewöhnlichen Belastungen können auch Aufwendungen für die
Sanierung eines Gebäudes gehören, wenn durch die Baumaßnahmen konkrete
Gesundheitsgefährdungen, etwa durch ein asbestgedecktes Dach, abgewehrt,
beseitigt oder vom Gebäude ausgehende unzumutbare Beeinträchtigungen
behoben werden
BFH, Urteil v. 29.3.2012 - VI R 47/10
I.
Hintergrund:
Die Einkommensteuer wird auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen
zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und
gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen (§ 33 Abs. 1
EStG).
II. Sachverhalt:
Streitig ist, ob Kosten einer Asbestsanierung auch ohne Einholung eines Gutachtens
über gesundheitliche Gefahren als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind.
III. Die Entscheidung des Gerichts:
Die tatsächliche Zwangsläufigkeit von Aufwendungen für Sanierungsarbeiten an
Asbestprodukten ist nicht anhand der abstrakten Gefährlichkeit von Asbestfasern zu
beurteilen; erforderlich sind zumindest konkret zu befürchtende Gesundheitsgefährdungen. Denn die Notwendigkeit einer Asbestsanierung hängt wesentlich von
der verwendeten Asbestart und den baulichen Gegebenheiten ab. So haben Asbestzementprodukte einen vergleichsweise hohen Anteil an mineralischen Bindemitteln, weshalb die Asbestfasern relativ fest gebunden sind. Bei schwach gebundenen
Asbestprodukten wie Spritzasbest ist die Gefahr einer Freisetzung aufgrund äußerer
Einflüsse wie Erschütterungen und Alterung der Produkte hingegen höher. Darüber
hinaus ist bei Sanierungsarbeiten an Asbestprodukten die gesundheitsschädliche
Freisetzung von Asbestfasern nicht unvermeidlich. Des Weiteren sind die Aufwendungen nur dann abziehbar, wenn den Grundstückseigentümer kein Verschulden an
der Belastung trifft, die Belastung für ihn zum Zeitpunkt des Grundstückserwerbs
nicht erkennbar war und realisierbare Ersatzansprüche gegen Dritte nicht gegeben
sind.
IV. Hinweise für die Praxis:
Bei Aufwendungen zur Beseitigung konkreter von einem Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs ausgehender Gesundheitsgefahren ist ein vor Durchführung
dieser Maßnahmen erstelltes amtliches technisches Gutachten nach Ansicht des
BFH nicht erforderlich. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den durch das
Steuervereinfachungsgesetz 2011 (BGBl I 2011, 2131) geänderten Anforderungen
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Steuerrecht aktuell III/2012
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an den Nachweis außergewöhnlicher Belastungen. Gleichwohl hat der Steuerpflichtige nachzuweisen, dass er sich den Aufwendungen aus tatsächlichen Gründen nicht
entziehen konnte. Als Nachweisverpflichteter trage der Steuerpflichtige dabei das
Risiko, dass ein gerichtlich bestellter Sachverständiger im Nachhinein die Zwangsläufigkeit möglicherweise nicht mehr verlässlich feststellen kann. Dieser Gefahr
könne der Steuerpflichtige nur entgehen, wenn er vor Beginn der Behandlung auf
eigene Initiative ein amts- oder vertrauensärztliches Zeugnis bzw. ein amtlich technisches Gutachten einholt oder im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens
gemäß § 155 FGO i.V.m. §§ 485 ff. der Zivilprozessordnung die eine tatsächliche
Zwangsläufigkeit begründenden Umstände feststellen lässt - so der BFH in seinen
Entscheidungsgründen.
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4.
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Aufwendungen für die Gebäudesanierung bei Geruchsbelästigungen
(BFH)
Der BFH hat entschieden, dass Aufwendungen für die Sanierung eines selbst
genutzten Wohngebäudes, nicht aber die Kosten für übliche Instandsetzungsund Modernisierungsmaßnahmen oder die Beseitigung von Baumängeln, als
außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sein können
BFH, Urteil v. 29.3.2012 - VI R 21/11
I. Hintergrund:
Die Einkommensteuer wird auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen
zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und
gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen (§ 33 Abs. 1
EStG).
II. Sachverhalt:
Die Kläger erwarben im Kalenderjahr 2000 ein Fertighaus (Baujahr 1973), das im
Wesentlichen aus Holz besteht. Die tragenden Holzbauteile des Gebäudes wurden
mit einem im Zeitpunkt der Errichtung nicht verbotenen Holzschutzmittel imprägniert. Die Außenfassade des Gebäudes war teilweise mit asbesthaltigen Faserzementplatten verkleidet. Bereits bei dem Einzug in das Haus nahmen die Kläger einen unangenehmen Geruch wahr. Die im Jahr 2003 geborene Tochter befand sich
seit 2006 wegen einer Atemwegserkrankung regelmäßig in Behandlung. Im Streitjahr 2008 wurde die Fassade des Gebäudes überwiegend saniert.
III. Die Entscheidung des Gerichts:
Gehen von einem Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs konkrete Gesundheitsgefährdungen aus, entstehen die Aufwendungen zur Beseitigung dieser Gefährdung dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig und sind
deshalb grds. als außergewöhnliche Belastung abziehbar. Die Aufwendungen sind
allerdings nur dann abziehbar, wenn den Grundstückseigentümer kein Verschulden
an der Belastung trifft, die Belastung für ihn zum Zeitpunkt des Grundstückserwerbs nicht erkennbar war, realisierbare Ersatzansprüche gegen Dritte nicht gegeben sind und es sich nicht um übliche Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen oder dem gewöhnlichen Wertverzehr geschuldete Baumaßnahmen handelt.
Überdies dürfen die streitigen Aufwendungen nicht der Beseitigung von Baumängeln dienen. Baumängel sind keineswegs unüblich und nicht mit ungewöhnlichen
Ereignissen vergleichbar. War der Einsatz mittlerweile verbotener schadstoffhaltiger Materialien zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes erlaubt, liegt jedenfalls
für das Jahr der Errichtung des Gebäudes kein Baumangel vor. Nichts anderes kann
nach der Auffassung des Senats gelten, wenn ein solches Gebäude nach einem Verbot der Materialien an den Steuerpflichtigen veräußert wurde. Denn das Rechtsgeschäft der Veräußerung hat die tatsächliche Beschaffenheit des Gebäudes nicht verändert. Der Umstand, dass ein vor Durchführung der Beseitigungs- bzw. Wiederherstellungsmaßnahmen erstelltes amtliches technisches Gutachten nicht vorliegt,
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steht dem Abzug der Aufwendungen in den vorgenannten Fällen ebenfalls nicht
entgegen. Gleichwohl hat der Steuerpflichtige nachzuweisen, dass er sich den Aufwendungen aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen konnte.
IV. Hinweise für die Praxis:
Der BFH hat den Streitfall an das Finanzgericht zurückverwiesen. Er konnte u.a.
nicht beurteilen, ob die aus der Sanierung entstehende Belastung für die Kläger im
Zeitpunkt des Grundstückserwerbs erkennbar war. Das Finanzgericht hatte bisher
auch keine Feststellungen dazu getroffen, ob eine unzumutbare Geruchsbelästigung
vorlag. Dies wird es ggf. nachzuholen haben. Dabei kann auch der Umstand von
Bedeutung sein, dass die Sanierung zugunsten der Tochter erforderlich gewesen
sein könnte, weil die Holzschutzmittel für die Atemwegserkrankung der Tochter
ursächlich waren. Eines Nachweises nach § 64 Abs. 1 EStDV bedarf es dazu nicht.
Denn es handelt sich bei der Sanierung des Gebäudes nicht um Aufwendungen im
Krankheitsfall i.S. des § 64 Abs. 1 EStDV. Gelingt den Klägern im Streitfall der
Nachweis, dass sie sich den Sanierungsaufwendungen aus tatsächlichen Gründen
nicht entziehen konnten, wird der Abzug der Sanierungskosten auch nicht durch
einen Gegenwert gehindert. Tauscht der Steuerpflichtige wegen einer aus tatsächlichen Gründen bestehenden Zwangslage Gegenstände des existenznotwendigen Bedarfs aus, so steht die Gegenwertlehre dem Abzug der Aufwendungen nicht entgegen. Der sich aus der Erneuerung ergebende Vorteil ist jedoch anzurechnen ("Neu
für Alt").
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5.
Seite 24
Veräußerungserlös bei gemischt genutztem Wohnmobil
Veräußert ein Steuerpflichtiger das zu seinem Betriebsvermögen gehörende
gemischt genutzte Wohnmobil, so ist der gesamte Unterschiedsbetrag zwischen
Buchwert und Veräußerungserlös Gewinn aus Gewerbebetrieb
FG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 14.10.2011 - 1 K 1415/10
Revision wurde nun vom BFH zugelassen
I. Hintergrund:
Betriebsausgaben, die die Lebensführung des Steuerpflichtigen oder anderer Personen berühren dürfen, soweit sie nach allgemeiner Verkehrsauffassung als unangemessen anzusehen sind, den Gewinn nicht mindern (§ 4 Abs. 5 Nr. 7
EStG).Sachverhalt: Der Kläger war Eigentümer eines Wohnmobils, welches sowohl betrieblich als auch privat genutzt wurde. Im Rahmen der Ermittlung des Veräußerungserlöses wurde seitens der Kläger eine Buchwerterhöhung der nicht als
Betriebsausgaben abzugsfähigen AfA gem. § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG für den privaten
Abschreibungsanteil berücksichtigt, die zu einem zu versteuernden Veräußerungsgewinn von null Euro führte.
Das FA ermittelte einen abweichenden Veräußerungsgewinn und erließ einen geänderten Einkommensteuerbescheid. Gegen diesen richtete sich der Kläger ohne
Erfolg.
II. Die Entscheidung des Gerichts:
Wirtschaftsgüter, die zum Betriebsvermögen gehören, sind auch bei teilweiser privater Nutzung als Gegenstände des Betriebsvermögens einzustufen, weil diese
Wirtschaftsgüter in der Bilanz aufgenommen und einkommensteuerlich als Betriebsvermögen angesetzt werden müssen. Für diese Wirtschaftsgüter gelten die
Bewertungsvorschriften des Einkommensteuergesetzes mit der Folge, dass auch für
sie AfA vorzunehmen ist, auch wenn diese wegen des Abzugsverbotes nach § 4
Abs. 5 Nr. 7 EStG den Gewinn nicht mindern darf.
Mit dem Abzug der AfA soll dem Wertverzehr Rechnung getragen werden. Der
Gewinn aus der Veräußerung eines solches Wirtschaftsgutes ist aufgrund der Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen zu erfassen. Die Veräußerung stellt dabei einen
Geschäftsvorfall dar und der Bucherlös eine gewerbliche Einnahme. Die Entscheidung der Frage, welcher Betrag als Veräußerungsgewinn anzusetzen ist, richtet sich
nach dem Gesamtunterschied zwischen dem Buchwert und dem Veräußerungserlös
nach Abzug der Veräußerungskosten. Insbesondere die auf die private Nutzung
entfallende AfA, die zwar den Buchwert des Wirtschaftsguts, nicht aber den Gewinn der früheren Veranlagungszeiträume beeinflusst hat, darf den Veräußerungsgewinn nicht mindert. Ansonsten würde sich die frühere auf die Lebensführung
entfallende und gewinnerhöhende AfA entgegen dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung nachträglich gewinnmindernd auswirken.
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Diese Sichtweise widerspricht dabei, nach Auslegung des Gerichts, auch nicht dem
objektiven Nettoprinzip.Anmerkung: Der BFH muss sich im Rahmen des Revisionsverfahrens (BFH-Az.X R 14/12) mit der Rechtsfrage befassen, ob der Buchgewinn aus der Veräußerung des zum Betriebsvermögen gehörenden Fahrzeugs auch
insoweit einkommensteuerpflichtig ist, als die AfA während der Besitzzeit dem
Gewinn außerhalb der Bilanzen als nicht abziehbare Betriebsausgabe nach § 4 Abs.
5 Nr. 7 EStG gewinnerhöhend wieder zugerechnet wurde? Zudem ist die Berücksichtigung der Rechtsprechung zum objektiven Nettoprinzip zu prüfen. In geeigneten Fällen können Sie sich auf dieses Aktenzeichen berufen. Entsprechende Einspruchsverfahren ruhen dann gem. § 363 Abs. 2 Satz 2 AO.
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6.
Seite 26
Veräußerungsgewinn des ausscheidenden Kommanditisten
Ein Veräußerungsgewinn des ausscheidenden Kommanditisten entsteht nicht
durch den Wegfall seines durch Ausschüttungen aus der Liquidität der Gesellschaft negativ gewordenen Kapitalkontos
FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 3.4.2012 - 6 K 6267/05 B;
Revision anhängig
I. Hintergrund:
Wird ein Mitunternehmeranteil veräußert, ist der Veräußerungsgewinn der Betrag,
um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Buchwert
des Betriebsvermögens übersteigt (§ 16 Abs. 2 EStG). Der Buchwert wird bestimmt
durch die Differenz zwischen Aktiva und Passiva, soweit diese auf den Mitunternehmeranteil entfallen; dieser Buchwert entspricht dem Kapitalkonto.
Auch ein negatives Kapitalkonto wird grds. vom Veräußerungspreis abgezogen,
soweit dieses nicht ausgeglichen wird.
Der Abzug bewirkt eine Erhöhung des Veräußerungsgewinns. Beim einem Kommanditisten ist in diesem Zusammenhang aber immer entscheidend, aus welchen
Gründen das Kapitalkonto negativ geworden ist.
Scheidet ein Kommanditist, dessen Kapitalkonto auf Grund von ausgleichs- oder
abzugsfähigen Verlusten negativ geworden ist, aus der Gesellschaft aus, so gilt der
Betrag, den der Mitunternehmer nicht ausgleichen muss, als Veräußerungsgewinn
(§ 52 Abs. 33 Satz 3 EStG).
Ist hingegen das Kapitalkonto durch Entnahmen negativ geworden, entsteht ein
Veräußerungsgewinn nur dann, wenn es sich um rückzahlungspflichtige Entnahmen gehandelt hat und die KG auf die gesellschaftsrechtliche Ausgleichsforderung
gegen den ausscheidenden Kommanditisten verzichtet hat (vgl. dazu
Schmidt/Wacker, 30. Auflage 2011, § 16 Rz. 472).
Entnahmen sind rückzahlungspflichtig, wenn es sich um Entnahmen handelt, die
entweder § 169 Abs. 1 HGB (Gewinnauszahlung) oder gesellschaftsvertraglichen
Regelungen widersprechen. Hierzu führte das Finanzgericht weiter aus: Ist das Kapitalkonto des Kommanditisten durch Entnahmen negativ geworden, entsteht bei
seinem Ausscheiden ein Veräußerungsgewinn nur dann, wenn es sich um rückzahlungspflichtige Entnahmen gehandelt hat und die KG auf die gesellschaftsrechtliche
Ausgleichsforderung gegen den ausscheidenden Kommanditisten verzichtet hat.
Ein Veräußerungsgewinn des ausscheidenden Kommanditisten entsteht demnach
nicht durch den Wegfall seines durch Ausschüttungen aus der Liquidität der Gesellschaft negativ gewordenen Kapitalkontos.
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Steuerrecht aktuell III/2012
Seite 27
Die sog. Ausschüttungen aus der Liquidität lassen zwar die Haftung des Kommanditisten nach § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB aufleben. Danach gilt die Einlage eines
Kommanditisten gegenüber den Gläubigern als nicht geleistet, wenn diese zurückbezahlt wird. Hierbei handelt es sich jedoch lediglich um die Außenhaftung des
Kommanditisten – nicht hingegen um einen Anspruch der Gesellschaft auf Rückzahlung ausbezahlter Einlagen. Dies folgt daraus, dass der Kommanditist grds. kein
gewinnunabhängiges Entnahmerecht – anders als ein Komplementär – hat. Vielmehr darf er lediglich ihm zugewiesene Gewinne entnehmen. Wenn nun die KG
Ausschüttungen aus der Liquidität vornimmt und dadurch das ihr zur Verfügung
stehende Kapital schmälert, darf dies nicht zum steuerlichen Nachteil der Kommanditisten gereichen – jedenfalls dann nicht, wenn die jährlichen Ausschüttungen
durch die Gesellschafterversammlung beschlossen werden und einheitlich an alle
Kommanditisten erfolgen.
Das Gericht hat die Revision zugelassen. Diese ist beim BFH unter dem Aktenzeichen IV R 19/12 anhängig.
II. Hinweise für die Praxis:
Geklärt werden soll dort die Rechtsfrage, on in die Berechnung des Veräußerungsgewinns eines ausscheidenden Kommanditisten sein durch Ausschüttungen aus der
Liquidität der Gesellschaft negativ gewordenes Kapitalkonto einzubeziehen ist? In
geeigneten Fällen können Sie sich daher auf dieses Aktenzeichen berufen. Entsprechende Einspruchsverfahren ruhen dann gem. § 363 Abs. 2 Satz 2 AO.
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Steuerrecht aktuell III/2012
7.
Seite 28
Zur Anerkennung eines Angehörigen-Mietverhältnisses
Das FG Berlin-Brandenburg hat in einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung die Kriterien aufgelistet, unter denen ein Mietverhältnis zwischen dem
Sohn als Vermieter und seiner Mutter als nicht fremdüblich und damit steuerlich unbeachtlich anzusehen ist
FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 8.3.2012 - 9 K 9009/08; rechtskräftig
I. Hintergrund:
Wenn sich fremde Personen als Vertragpartner gegenüberstehen, kann man i.d.R.
davon ausgehen, dass der Vertragsschluss auf einem natürlichen Widerstreit der
Interessen (Interessengegensatz) beruht. Verträge unter nahen Angehörigen sind
dagegen vielfach nicht von solchen Gegensätzen, sondern von familiären Erwägungen bestimmt. Steuerrechtlich nicht beanstandet werden solche Verträge, die auch
fremde Personen abgeschlossen und vollzogen haben könnten.
Das Vereinbarte muss vor Beginn des Leistungsaustausches klar und ernsthaft gewollt sein, tatsächlich durchgeführt werden und einem Fremdvergleich standhalten.
Aus dem Vergleich mit Verträgen unter Fremden (sog. Fremdvergleich) sind in der
steuerrechtlichen Praxis allgemeine Anforderungen an Form, Inhalt und tatsächlichem Vollzug von Angehörigen-Verträgen entwickelt worden. Bei den vorgenannten Kriterien handelt es sich nach neuerer Rechtsprechung des BFH jedoch nicht
um Tatbestandsmerkmale, sondern um Indizien, die im Rahmen der ausschlaggebenden Frage nach der Ernstlichkeit der Vereinbarung zu prüfen sind (s. Ebber,
Verträge mit nahen Angehörigen,
II. Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob negative Einkünfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung aufgrund eines Mietverhältnisses mit seiner inzwischen
verstorbenen Mutter steuerrechtlich anzuerkennen sind. Der Kläger hatte zunächst
ein Grundstück im Wege der Erbpacht überlassen bekommen und die dort vorhandene Scheune in den Jahren 1998 und 1999 mit großem finanziellem Aufwand zu
einem Wohnhaus umgebaut. Bis 2005 war beim zuständigen Einwohnermeldeamt
niemand als Bewohner des Grundstücks gemeldet.
Es gab in dieser Zeit auch kein Namensschild am Haus oder am Briefkasten oder an
einem anderen Ort auf dem Grundstück. Erst seit 2006 ist der Kläger selbst beim
o.g. Einwohnermeldeamt mit Nebenwohnsitz dort gemeldet.
Das Finanzamt gelangte nach einer Außenprüfung u.a. zu der Auffassung, dass das
behauptete Mietverhältnis mit der Mutter nicht tatsächlich durchgeführt worden
und daher steuerrechtlich nicht anzuerkennen sei. Das angebliche Mietobjekt sei
nämlich vom Kläger nur zu eigenen Wohnzwecken (als Nebenwohnsitz) genutzt
worden. Die angebliche Mieterin sei hinsichtlich der Anschrift des Mietobjekts nie
polizeilich angemeldet worden.
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Seite 29
III. Die Entscheidung des Gerichts:
Das streitgegenständliche Mietverhältnis ist nicht fremdüblich und damit steuerlich
unbeachtlich, da u.a.
 im Mietvertrag keine Vereinbarungen über Zeitpunkt und Höhe von Nebenkostenvorauszahlungen getroffen worden sind und die erheblichen Nebenkosten über Jahre hinweg tatsächlich nie eingefordert worden sind,
 sowohl der Sohn als auch die Mutter jederzeit und unabhängig voneinander
uneingeschränkt Zugang zu dem Haus mit Garten hatten und nicht bewiesen
werden konnte, dass die Mutter das Grundstück wie angegeben als Zweitwohnung innegehabt hat,
 der Sohn als Vermieter die Immobilie nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zumindest gleichberechtigt mitgenutzt hat,
 der Mietvertrag teilweise nicht wie vereinbart durchgeführt worden ist (u.a.
keine Zahlung der vorgesehenen Kaution, Nichtdurchführung der von der
Mieterin vertraglich zugesagten umfassenden Instandhaltungsarbeiten im
Garten), und
 der Sohn eine unmöblierte Wohnung vermietet, die Wohnung später aber
auf eigene Kosten u.a. mit neuen Möbeln ausgestattet hat und ein
Schwimmbecken mit Saunabereich eingebaut hat.
Für die fremdübliche Gestaltung und Durchführung eines AngehörigenMietvertrags trägt der Steuerpflichtige die volle Darlegungs- und Beweislast.
Im Streitfall war nach Ansicht des Finanzgerichts von einer Steuerhinterziehung
und damit von einer 10-Jährigen Festsetzungsfrist auszugehen, da der Kläger über
Jahre hinweg in seinen Steuererklärungen ein zu negativen Einkünften führendes
Mietverhältnis mit seiner Mutter angegeben hatte, obwohl er wusste, dass das
Mietverhältnis mit seiner Mutter in vielerlei Hinsicht einem Fremdvergleich nicht
standhalten würde und insbesondere in zahlreichen Punkten nicht so durchgeführt
worden sei wie es schriftlich vereinbart worden war.
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8.
Seite 30
Zum Zufluss von Einnahmen bei beherrschenden Gesellschaftern
Wird die vertraglich vereinbarte Weihnachtsgratifikation im Jahr der Gründung nicht gezahlt, kann bei einem alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer
kein Zufluss der Einnahmen bei Fälligkeit fingiert und eine verdeckte Einlage
bei der GmbH angenommen werden, wenn bei der GmbH keine Buchung als
Aufwand bzw. als Verbindlichkeit erfolgt. Ob der Geschäftsführer wirksam
auf seinen Anspruch auf Weihnachtsgeld verzichtet hat, ist in diesem Fall ohne
Bedeutung
FG Sachsen, Urteil v. 20.10.2011 - 4 K 1516/ 06; rechtskräftig
I. Hintergrund:
Bei beherrschenden Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft wird angenommen,
dass sie über eine von der Gesellschaft geschuldete Vergütung bereits im Zeitpunkt
der Fälligkeit verfügen können und ihnen damit entsprechende Einnahmen zugeflossen sind. Allerdings werden von dieser Zuflussfiktion nur Gehaltsbeträge und
sonstige Vergütungen erfasst, die die Kapitalgesellschaft den sie beherrschenden
Gesellschaftern schuldet und die sich bei der Ermittlung ihres Einkommens ausgewirkt haben. Hingegen sind keine Einnahmen zugeflossen, wenn der Gläubiger
(Gesellschafter) gegenüber dem Schuldner (Gesellschaft) auf bestehende oder künftige Ansprüche ohne Ausgleich verzichtet und dadurch eine Vermögenseinbuße
erleidet. Etwas anderes gilt nur, wenn der verzichtende Gesellschafter den Erlass
gewährt und dadurch eine (verdeckte) Einlage leistet. Denn hierdurch erleidet er
keine Vermögenseinbuße, sondern bewirkt eine Umschichtung seines Vermögens
(BFH, Beschluss v. 9.6.1997 - GrS 1/94, m.w.N.).
II. Sachverhalt:
Gemäß dem Geschäftsführervertrag stand der alleinigen GesellschafterGeschäftsführerin neben einem festen Monatsgehalt eine Weihnachtsgratifikation
zu, hinsichtlich derer sich die Gesellschaft das Recht zum Widerruf vorbehielt, der
nur bei nachhaltiger Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft möglich sein sollte. Im Oktober des Streitjahres beschloss die alleinige Gesellschafterin, „dass die Zahlung einer Weihnachtsgratifikation … für das Gründungsjahr 2002 nicht erfolgt”. Dementsprechend fand keine Auszahlung statt. Die
Klägerin hatte die Weihnachtsgratifikation in ihren Büchern nicht als Aufwand
bzw. Verbindlichkeit gebucht und sie der Geschäftsführerin auch nicht gutgeschrieben. Das Finanzamt behandelte die Weihnachtsgratifikation dennoch als verdeckte
Einlage bei der GmbH und als steuerpflichtigen Arbeitslohn bei der GesellschafterGeschäftsführerin.
III. Die Entscheidung des Gerichts:
Der Gesellschafter-Geschäftsführerin ist im Streitfall das streitige Weihnachtsgeld
weder tatsächlich noch bei Fälligkeit oder im Wege einer verdeckten Einlage zugeflossen. Die Geschäftsführerin hat keine Verfügungsmacht über die streitigen
Weihnachtsgeldbeträge erlangt. Die nicht ausgezahlten Beträge gelten auch nicht
mit Fälligkeit als zugeflossen. Denn die Grundsätze über den Zufluss von Einnahmen bei einem beherrschenden Gesellschafter sind vorliegend nicht anzuwenden.
Zwar war die Geschäftsführerin beherrschende Gesellschafterin. Jedoch haben sich
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Seite 31
die streitigen Beträge bei der Ermittlung des Einkommens der GmbH nicht ausgewirkt. Denn sie sind unstreitig in den Büchern der Gesellschaft nicht erfasst worden. Bereits aus diesem Grund kommt ein Zufluss bei Fälligkeit nicht in Betracht.
Schließlich ist durch den Verzicht auch keine verdeckte Einlage bewirkt worden.
Der Verzicht hat hier nicht zum Wegfall einer zuvor passivierten Verbindlichkeit
bei der GmbH und damit zu einer Vermehrung ihres Vermögens und ihrer Ertragsfähigkeit geführt. Damit hat die Gesellschafter-Geschäftsführerin durch den Verzicht nicht ihr Vermögen in Beteiligungskapital umgeschichtet, sondern eine tatsächliche Vermögenseinbuße erlitten.
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9.
Seite 32
1%-Regelung bei mehreren Pkw im Betriebsvermögen
Gehören mehrere Kfz zu einem Betriebsvermögen, ist die 1%-Regelung grds.
auch dann fahrzeugbezogen, also mehrfach anzuwenden, wenn in tatsächlicher Hinsicht feststeht, dass ausschließlich eine Person die Fahrzeuge auch
privat genutzt hat. Insoweit ist ohne Bedeutung, ob die Ehefrau des Geschäftsführers ihrerseits (ausschließlichen) Zugriff auf ein anderes Fahrzeug hatte
FG Saarland, Urteil v. 19.10.2011 - 2 K 1123/09; Revision anhängig
I. Hintergrund:
Wenn ein Gesellschafter-Geschäftsführer ein Fahrzeug nicht vertragswidrig privat
nutzt, sondern sich auf eine im Anstellungsvertrag ausdrücklich zugelassene Nutzungsgestattung stützen kann, liegt ein lohnsteuerlich erheblicher Vorteil und keine
verdeckte Gewinnausschüttung vor. Dieser ist, soweit kein Fahrtenbuch geführt
wird, mit der 1%-Regelung anzusetzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG)... Die 1%Regelung ist dabei nach der Rechtsprechung des BFH grds. auf jedes betriebliche
Fahrzeug einzeln anzuwenden, das auch privat genutzt wird. Nutzt der Geschäftsführer einer GmbH mehrere Fahrzeuge, so werden die privaten Nutzungsanteile für
sämtliche zum Betriebsvermögen gehörende Fahrzeuge durch mehrfache Anwendung von § 6 Abs. 1 Nr... 4 Satz 2 EStG bestimmt (BFH, Urteil v. 9.3.2010 - VIII R
24/08).
II. Sachverhalt:
Die Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin sind die Eheleute D und F. Die
Klägerin hatte D zwei KfZ, nämlich einen Limousine, sowie eine Geländelimousine
auch zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt. Das Finanzamt gelangte zu der
Auffassung, dass wegen der unterschiedlichen Nutzungseigenschaften die Nutzung
beider Fahrzeuge durch D als weiterer Sachbezug mit einem jährlichen Wert zu
erfassen sei. Die Klägerin macht geltend, es sei nur die Nutzung des teuersten Fahrzeugs zu erfassen. Denn eine zeitgleiche Nutzung sei denknotwendig ausgeschlossen. Der Ehefrau von D stehe auch ein weiteres Fahrzeugs zur Verfügung. Es sei
daher ausgeschlossen, dass auch die Ehefrau ein Fahrzeug nutze. Im Übrigen berief
sich die Klägerin auf eine verwaltungsinterne Regelungen, wonach die 1%Regelung in solchen Fällen auf das Fahrzeug mit dem höheren Listenpreis beschränkt sei (s. BMF, Schreiben v. 21.1.2002, BStBl 2002 I S. 148, Rn. 9 Satz 2).
Hierauf habe sie vertraut und damit ihre steuerlichen Pflichten korrekt erfüllt.
III. Die Entscheidung des Gerichts:
Darf der Geschäftsführer einer GmbH mehrere Fahrzeuge privat nutzen und führt er
kein Fahrtenbuch, so werden die privaten Nutzungsanteile für diese Fahrzeuge
dementsprechend durch mehrfache Anwendung der 1%-Methode bestimmt. Die
Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG ist nicht nur einmal anzuwenden, wenn
mehrere betriebliche Kfz ausschließlich durch eine Person auch privat genutzt werden. Soweit nach Rn. 9 Satz 2 des BMF-Schreibens v. 21.1.2002 bei mehreren zur
Privatnutzung zur Verfügung stehenden betrieblichen Fahrzeugen der Ermittlung
des privaten Nutzungswerts nur das Fahrzeug mit dem höchsten Listenpreis zuDr. Jörg Hellmer - Steuerberater
Steuerrecht aktuell III/2012
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grunde gelegt werden soll, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass die betrieblichen Fahrzeuge nicht von Personen genutzt werden, die zu seiner Privatsphäre gehören, handelt es sich um eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift,
die mangels Rechtsnormqualität für die Gerichte nicht beachtlich ist. Sofern es sich
dabei um eine Billigkeitsregelung handeln sollte, so wäre über deren Anwendung in
einem gesonderten Billigkeitsverfahren und nicht im vorliegenden Verfahren der
Anfechtung der Steuerfestsetzung zu entscheiden.
Anmerkung: Nach einer entsprechenden Nichtzulassungsbeschwerde wurde gegen
das o.g. Urteil mittlerweile die Revision durch den BFH zugelassen. Diese ist beim
BFH nun unter dem Aktenzeichen VI R 17/12 anhängig. Gestritten wird dort um
die Rechtsfrage, ist § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG bei der (gestatteten) privaten Nutzung von mehreren einem Gesellschafter-Geschäftsführer zur Verfügung gestellten
Firmenwagen grds. auch dann fahrzeugbezogen, also mehrfach anzuwenden, wenn
in tatsächlicher Hinsicht feststeht, dass ausschließlich dieser die Fahrzeuge auch
privat genutzt hat?
Hält der Unternehmer mehrere Pkw im Betriebsvermögen und nutzt er mehrere
davon zu privaten Fahrten, müsste er nach dem Gesetzeswortlaut für jeden einzelnen Pkw eine Nutzungsentnahme ansetzen. Dem Unternehmer, der im Winter seinen betrieblichen Geländewagen (sog. SUV) und im Sommer sein betriebliches
Cabrio auch privat nutzt, erscheint der Ansatz einer Nutzungsentnahme für beide
Fahrzeuge unsachgemäß, weil er nicht beide Fahrzeuge gleichzeitig nutzen kann.
Die Verwaltung setzte sich daher bis zum Veranlagungszeitraum (VZ) 2009 im
BMF-Schreiben v. 21.1.2002 (BStBl 2002 I S. 148, Rn. 9) über den Gesetzeswortlaut hinweg und wandte die Vorschrift nur personenbezogen, nicht fahrzeugbezogen an (sog. Junggesellenregelung). Allerdings war die Nutzungsentnahme für das
nach dem Listenpreis teuerste Fahrzeug zu berechnen. Im BMF-Schreiben v.
18.11.2009 (BStBl 2009 I S. 1326, Rn. 12 f.) wechselte die Verwaltung ihre Perspektive und nimmt seit dem VZ 2010 eine fahrzeugbezogene Betrachtungsweise
ein.
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10. Investitionsabzug bei Anschaffung einer Photovoltaikanlage
Der BFH hat die Nachweispflichten für Betriebsgründer, die einen Investitionsabzugsbetrag (§ 7g EStG n.F.) geltend machen wollen, erleichtert. Hiernach setzt der Nachweis der Investitionsabsicht auch bei noch in Gründung
befindlichen Betrieben (entgegen BMF-Schreiben v. 8.5.2009) nicht zwingend
eine verbindliche Bestellung noch im Wirtschaftsjahr der Geltendmachung
des Investitionsabzugsbetrags voraus
BFH, Urteil v. 20...6.2012 - X R 42/11
I. Hintergrund:
Steuerpflichtige können für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens bis zu 40 Prozent der
voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten gewinnmindernd abziehen (Investitionsabzugsbetrag). Nach dem Gesetzeswortlaut ist erforderlich, dass
der Steuerpflichtige die Investition „voraussichtlich“ tätigen wird (§ 7g Abs. 1 Satz
2 Nr. 2 Buchst. a EStG n.F.). Dies ist bei Betrieben, deren Gründung noch nicht
abgeschlossen ist, nur schwer überprüfbar. Daher hatte der BFH zur früheren Fassung des § 7g EStG a...F. entschieden, dass die Geltendmachung der Ansparabschreibung in solchen Fällen eine verbindliche Bestellung der wesentlichen Betriebsgrundlagen voraussetze (BFH, Urteil v. 17.11.2004 - X R 38/92). Die Finanzverwaltung wollte diese Rechtsprechung auch auf den heute geltenden Investitionsabzugsbetrag (§ 7g EStG n.F.) übertragen (vgl. BMF, Schreiben v. 8.5.2009, BStBl
2009 I S. 63, Tz. 28 ff.). Dem ist der BFH nunmehr entgegen getreten.
II. Die Entscheidung des Gerichts:
Zwar ist bei noch in Gründung befindlichen Betrieben eine strenge Prüfung der
Investitionsabsicht erforderlich. Der Steuerpflichtige hat im Anwendungsbereich
der Neufassung des § 7g EStG jedoch die Möglichkeit, diese Voraussetzung auch
durch andere Indizien als ausschließlich die Vorlage einer verbindlichen Bestellung
nachzuweisen.
Typische und gewichtige Indizien für eine Investitionsabsicht sind darin zu sehen,
dass beispielsweise der Steuerpflichtige im Rahmen der von ihm in Gang gesetzten
Betriebseröffnung bereits selbst und endgültig mit Aufwendungen belastet ist, oder
dass die einzelnen Schritte, die der Steuerpflichtige zum Zwecke der Betriebseröffnung bereits in dem Jahr unternommen hat, für das er den Investitionsabzug beantragt, sich als sinnvolle, zeitlich zusammenhängende Abfolge mit dem absehbaren
Ziel des endgültigen Abschlusses der Betriebseröffnung darstellen, auch wenn die
letzten Teilakte bis zur rechtsverbindlichen Investitionsentscheidung nicht mehr
zwingend in dem genannten Jahr liegen müssen.
III. Hinweise für die Praxis:
Allein die Einholung von Kostenvoranschlägen oder die Teilnahme an einer Informationsveranstaltung (hier über den Nutzen einer Photovoltaikanlage) als Nachweis
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der erforderlichen Investitionsabsicht wird „wohl“ nicht ausreichen. Aus einem
solchen eher unspezifischen Erkundungsverhalten wird sich - ebenso wie aus einer
Kreditanfrage - in vielen Fällen nicht mit der erforderlichen Sicherheit der Schluss
auf eine vorhandene Investitionsabsicht ableiten lassen, so der BFH in der o.g. Entscheidung. Der Nachweis der Investitionsabsicht kann aber im Allgemeinen als
geführt angesehen werden, wenn in dem Jahr, für das der Investitionsabzug vorgenommen wird, bereits konkrete Verhandlungen über den Erwerb der wesentlichen
Betriebsgrundlage geführt werden, die dann nach dem Ende dieses Wirtschaftsjahres tatsächlich und zeitnah in eine verbindliche Bestellung münden.
Die o.g. Entscheidung ist von besonderer Bedeutung für Betreiber von Photovoltaikanlagen. Diese können die Investitionsförderung beanspruchen, wenn sie die Anlage am 31. Dezember des Vorjahres zwar noch nicht verbindlich bestellt hatten,
die spätere Durchführung der Investition aber aus anderen Gründen bereits absehbar war. Für die bis 2007 geltende Ansparabschreibung bleibt die bisherige Rechtsprechung hingegen unverändert. Darauf hat der BFH in seinen Entschuldigungsgründen ausdrücklich hingewiesen.
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11. Praxisgebühr nicht als Sonderausgabe abziehbar
Der BFH hat entschieden, dass die sog. Praxisgebühren, nicht als Sonderausgaben abgezogen werden können
BFH, Urteil v. 18.7.2012 - X R 41/11
I. Hintergrund:
Nach § 28 Abs. 4 Satz 1 SGB V leisten Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, grds. je Kalendervierteljahr für jede erste Inanspruchnahme eines an der
ambulanten ärztlichen, zahnärztlichen oder psychotherapeutischen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringers, die nicht auf Überweisung aus demselben Kalendervierteljahr erfolgt, als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 2 SGB V ergebenden
Betrag (10 EUR) an den Leistungserbringer (sog. Praxisgebühr).
II. Die Entscheidung des Gerichts:
Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG können Steuerpflichtige "Beiträge zu
Krankenversicherungen" als Sonderausgaben abziehen. Darunter fallen jedoch nur
solche Ausgaben, die zumindest im Zusammenhang mit der Erlangung des Versicherungsschutzes stehen, also letztlich der Vorsorge dienen. Bei der „Praxisgebühr“
ist dies nicht der Fall, da der Versicherungsschutz in der Gesetzlichen Krankenversicherung unabhängig von der Zahlung der „Praxisgebühr“ gewährt wird. Sie stellt
vielmehr eine Form der Selbstbeteiligung der Versicherten an ihren Krankheitskosten dar.
III. Hinweise für die Praxis:
Die Frage, ob „Praxisgebühren“ als außergewöhnliche Belastung nach § 33 Abs. 1
EStG in Form von Krankheitskosten geltend gemacht werden können, hatte der
BFH offengelassen. Im Streitfall wurde die sog. zumutbare Belastung (§ 33 Abs. 3
EStG) nicht erreicht. Die Zahlungen hätten sich schon aus diesem Grund steuerlich
nicht auswirken können. Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der zumutbaren Belastung bei Krankheitskosten hat sich der BFH in der o.g. Entscheidung nicht geäußert.
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12. Einkünfteerzielungsabsicht bei Vermietung einer Ferienwohnung
Von dem Vorliegen einer Einkünfteerzielungsabsicht bei Vermietung einer
Ferienwohnung kann nicht ohne Weiteres ausgegangen werden, wenn sich der
Steuerpflichtige die Selbstnutzung der Wohnung vorbehalten hat. Darauf,
dass er von seinem Eigennutzungsrecht tatsächlich keinen Gebrauch gemacht
hat, kommt es nicht an
FG Münster, Urteil v. 8.3.2012 - 9 K 1189/09 F).
I. Hintergrund:
Bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit ist grds. davon auszugehen,
dass der Steuerpflichtige beabsichtigt, einen Einnahmeüberschuss zu erwirtschaften, auch wenn sich über längere Zeiträume Werbungskostenüberschüsse ergeben.
Hinsichtlich der Einkünfteerzielungsabsicht bei der Vermietung von Ferienwohnungen hat die Rechtsprechung diesen Grundsatz wie folgt weiterentwickelt:
Bei teilweise selbstgenutzten und teilweise vermieteten Ferienwohnungen ist die
Frage, ob der Steuerpflichtige mit oder ohne Einkünfteerzielungsabsicht vermietet
hat, anhand einer unter Heranziehung aller objektiv erkennbaren Umstände zu treffenden Prognose zu entscheiden. Die Einkünfteerzielungsabsicht des Steuerpflichtigen muss schon dann überprüft werden, wenn er sich eine Zeit der Selbstnutzung
vorbehalten hat; dies gilt unabhängig davon, ob er von seinem Eigennutzungsrecht
tatsächlich Gebrauch macht (BFH, Urteil v. 29.8.2007 - IX R 48/06, m.w.N.).
Demgegenüber ist bei Ferienwohnungen, die ausschließlich an Feriengäste vermietet und in der übrigen Zeit hierfür bereitgehalten werden ohne weitere Prüfung typisierend von der Einkünfteerzielungsabsicht der Steuerpflichtigen auszugehen, wenn
das Vermieten die ortsübliche Vermietungszeit von Ferienwohnungen nicht erheblich (d.h. um mindestens 25%) unterschreitet. Liegen die genannten zusätzlichen
Voraussetzungen bei einer Ferienimmobilie nicht vor oder können ortsübliche
Vermietungszeiten nicht festgestellt werden, muss die Einkünfteerzielungsabsicht
durch eine Prognose überprüft werden (vgl. BFH, Urteil v. 19.8.2008 - IX R 39/07,
m.w.N.).
II. Die Entscheidung des Gerichts:
Die Einkünfteerzielungsabsicht der Klägerin ist im Streitfall anhand einer Prognoserechnung zu überprüfen. Von dem Vorliegen einer Einkünfteerzielungsabsicht
konnte schon deshalb nicht ohne Weiteres ausgegangen werden, weil sich die Klägerin die Selbstnutzung der Wohnung vorbehalten hat. Darauf, dass die Klägerin
von ihrem Eigennutzungsrecht im Streitjahr tatsächlich keinen Gebrauch gemacht
hat, kommt es nicht an. Der Senat schließt sich insofern der höchstrichterlichen
Rechtsprechung an. Die erforderliche Prognoserechnung führt im Streitfall zur
Verneinung der Gewinnerzielungsabsicht.
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III. Hinweise für die Praxis:
Der 9. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hatte erst kürzlich in einer anderen Rechtssache entscheiden, dass die Überschusserzielungsabsicht bei Vermietung einer Ferienwohnung auch dann zu unterstellen ist, wenn die Wohnung in geringem Umfang selbst genutzt wird, die jährlichen tatsächlichen Vermietungstage
aber regelmäßig die Grenze von 75% der ortsüblichen Vermietungstage überschreiten. Das Gericht hatte die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache
und Abweichung von der bisherigen BFH-Rechtsprechung zugelassen. Ein Aktenzeichen des BFH liegt derzeit noch nicht vor (FG Niedersachsen, Urteil v. 7.3.2012
- 9 K 180/09).
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13. Wechsel zur Fahrtenbuchmethode während des Kalenderjahres
Wie wir bereits am 4.6.2012 gemeldet haben, hat 4. Senat des Finanzgerichts
Münster entschieden, dass ein Fahrtenbuch nicht mehr ordnungsgemäß ist,
wenn mit seiner Führung - nach vorheriger Anwendung der 1%-Regel - erst
innerhalb eines Jahres begonnen wird
(FG Münster, Urteil v. 27.4.2012 - 4 K 3589/09 E).
Das Gericht hatte die Revision zugelassen.
I. Sachverhalt:
Der Kläger, der von seinem Arbeitgeber ein Kraftfahrzeug auch zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt bekommen hatte, begann am 1. Mai des Streitjahres,
für dieses Fahrzeug ein (inhaltlich ordnungsgemäßes) Fahrtenbuch zu führen.
Das beklagte Finanzamt ermittelte den Nutzungsvorteil auch für die Monate nach
Beginn der Aufzeichnungen nach der 1%-Methode.
Mit seiner Klage machte der Kläger geltend, dass Veränderungen seiner familiären
Situation (Geburt eines dritten Kindes) die Privatnutzungsmöglichkeiten des Fahrzeugs stark eingeschränkt hätten und es deshalb zulässig sein müsse, die Ermittlungsmethode auch während des laufenden Jahres zu ändern. Das Gericht folgte
dieser Argumentation nicht.
II. Die Entscheidung des Gerichts:
Ein Fahrtenbuch ist nur dann ordnungsgemäß, wenn es für einen repräsentativen
Zeitraum von mindestens einem Jahr geführt wird. Ein monatlicher Wechsel zwischen der Fahrtenbuch- und der Pauschalwertmethode widerspricht dem Vereinfachungs- und Typisierungsgedanken der gesetzlichen Regelung in § 8 Abs. 2 EStG.
Eine monatlich wechselnde Fahrtenbuchführung birgt eine erhöhte Manipulationsgefahr und ist für die Finanzverwaltung nur schwer überprüfbar. Aus diesen Gründen sind die persönlichen Lebensumstände des Klägers nicht zu berücksichtigen.
Das Gericht hatte die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage zugelassen. Das Revisionsverfahren ist beim Bundesfinanzhof zwischenzeitlich unter dem Az. VI R 35/12anhängig. In geeigneten Fällen können Sie sich auf
dieses Aktenzeichen berufen. Entsprechende Einspruchsverfahren ruhen dann gem.
§ 363 Abs. 2 Satz 2 AO.
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14. Verpflegungsmehraufwendungen bei Auslandsstudium
Ein Steuerpflichtiger mit Einsatzwechseltätigkeit kann Verpflegungsmehraufwendungen auch dann als Werbungskosten geltend machen, wenn er außer
seiner Wohnung am auswärtigen Einsatzort keine weitere Wohnung unterhält
FG Köln, Urteil v. 20.6.2012 - 4 K 4118/09; Revision zugelassen
I. Hintergrund:
Verpflegungsmehraufwendungen können nur dann als Werbungskosten nach § 9
Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG geltend gemacht werden, wenn
der Steuerpflichtige vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit entfernt beruflich tätig wird (§ 4
Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG - Dienstreise) oder er bei seiner individuellen beruflichen Tätigkeit typischerweise nur an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten
tätig wird (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 3 EStG - Einsatzwechseltätigkeit).
II. Sachverhalt:
Der Kläger absolvierte im Rahmen eines zweisemestriges Studienprogramms ein
Auslandssemester in Mexiko. Hierfür machte er Verpflegungsmehraufwendungen
geltend, die das Finanzamt mit der Begründung ablehnte, bei dem Aufenthalt in
Mexiko habe es sich nicht um eine Auswärtstätigkeit gehandelt. Angesichts der
Dauer des Aufenthalts an der Uni in Mexiko sei diese als regelmäßige Arbeitsstätte
des Klägers anzusehen. Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg.
III. Die Entscheidung des Gerichts:
Verpflegungsmehraufwendungen können Steuerpflichtige geltend machen, die bei
ihrer beruflichen Tätigkeit typischerweise nur an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten tätig werden. Dies setzt voraus, dass sie keine regelmäßige Arbeitsstätte
haben. Vorliegend war der Kläger bei seinem Aufenthalt in Mexiko nicht an einer
regelmäßigen Arbeitsstätte tätig. Denn Hochschulen sind nicht als regelmäßige Arbeitsstätten anzusehen, auch wenn diese häufig über einen längeren Zeitraum hinweg für das Vollzeitstudium aufgesucht werden. Zum einen ist eine Bildungsmaßnahme - auch über einen längeren Zeitraum hinweg - regelmäßig vorübergehend
und nicht auf Dauer angelegt. Wie bei einer Auswärtstätigkeit hat der Steuerpflichtige dabei typischerweise nicht die Möglichkeit, seine Kosten gering zu halten.
Zum anderen kommt eine regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4
EStG nur im Rahmen bezahlter Arbeit in Betracht
IV. Hinweise für die Praxis:
Vorliegend standen dem Kläger nach Auffassung der Richter die geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen für die ersten drei Monate in vollem Umfang
(d.h. für 24 Stunden) zu. Denn die Abwesenheitsdauer von der auswärtigen Unterkunft am Einsatzort sei dann nicht entscheidend, wenn der Steuerpflichtige während seines Auslandsaufenthalts seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland beibehalten hat. Als solchen sahen die Richter die Wohnung der Eltern des Klägers an, der
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selbst über keinen eigenen Hausstand in Deutschland mehr verfügte. Das Gericht
hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.
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15. Umwandlung wertloser Forderung in atypisch stille Beteiligung
Eine auf die Einlage beschränkte Verlustbeteiligung bedeutet keine wirtschaftliche Belastung, wenn die Einlage im Zeitpunkt ihrer Leistung keinen wirtschaftlichen Wert hat. Die fehlende wirtschaftliche Beteiligung hat grds. zur
Folge, dass es an dem für die Annahme einer atypisch stillen Beteiligung erforderlichen Mitunternehmerrisiko fehlt
BFH, Urteil v. 31.5.2012 - IV R 40/09
I. Hintergrund:
Ein stiller Gesellschafter kann Mitunternehmer sein (sog. atypische stille Gesellschaft). Voraussetzung für eine Mitunternehmerschaft ist, dass der Beteiligte Mitunternehmerinitiative entfalten kann und Mitunternehmerrisiko trägt. Eine Beschränkung der Verlustbeteiligung auf die Einlage ist dabei unschädlich. Grundsätzlich erforderlich ist jedoch eine Beteiligung an den stillen Reserven einschließlich des Firmenwerts/Geschäftswerts. Auf sie kann nur verzichtet werden, wenn
nach den Umständen des Einzelfalls das insoweit eingeschränkte Mitunternehmerrisiko durch eine besonders ausgeprägte Mitunternehmerinitiative ausgeglichen
wird.
II. Sachverhalt:
Der Kläger war alleiniger Anteilseigner einer in Liquidation befindlichen GmbH.
Der Kläger war außerdem Komplementär einer KG. Infolge von Verlusten war bei
der GmbH Kapitalbedarf entstanden, der zunächst durch Darlehen der KG gedeckt
wurde. Die Darlehen waren jeweils mit Rangrücktrittserklärungen versehen. In der
Folgezeit entnahm der Kläger die Darlehen aus der KG und schloss mit der GmbH
einen Vertrag über die Errichtung einer stillen Gesellschaft. Die Einlage sollte
durch Umwandlung der Darlehen geleistet werden. Dem stillen Gesellschafter standen u.a. Widerspruchsrechte zu. Er sollte bis zur Höhe seines Kapitalkontos auch
am Verlust beteiligt sein. Anteile an den offenen und stillen Reserven sowie am
Geschäftswert waren Bestandteil des Auseinandersetzungsguthabens. Zusätzlich
übernahm der Kläger eine selbstschuldnerische Bürgschaft für Verbindlichkeiten
der GmbH. Das Finanzamt erkannte die Mitunternehmerschaft des Klägers nicht
an.
III. Die Entscheidung des Gerichte:
Im Streitfall bestehen Zweifel daran, ob der Kläger in ausreichendem Umfang Mitunternehmerrisiko zu tragen hatte. Das Mitunternehmerrisiko könnte insbesondere
wegen fehlender Werthaltigkeit der stillen Einlage in Frage stehen. Eine auf die
Einlage beschränkte Verlustbeteiligung bedeutet keine wirtschaftliche Belastung,
wenn die Einlage im Zeitpunkt ihrer Leistung keinen wirtschaftlichen Wert hat.
Ungeachtet der Frage, ob eine derartige Leistung überhaupt die gesellschaftsvertraglichen Voraussetzungen einer stillen Einlage erfüllt, reduziert eine wirtschaftlich wertlose Einlage das Verlustrisiko jedenfalls dann auf Null, wenn die Verlustbeteiligung wie im Streitfall auf die Einlage beschränkt ist. Die fehlende wirtschaftDr. Jörg Hellmer - Steuerberater
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liche Beteiligung am Verlust hat grds. zur Folge, dass es an dem erforderlichen
Mitunternehmerrisiko fehlt.
IV. Hinweise für die Praxis:
Im Streitfall hatte das Finanzgericht vor dem Hintergrund seiner Rechtsauffassung,
dem Kläger habe bereits die Einkünfteerzielungsabsicht gefehlt, noch keine Feststellungen dazu getroffen, welchen Inhalt die Einlageverpflichtung bei Begründung
der stillen Gesellschaft hatte und ob die Umwandlung nicht voll werthaltiger Darlehen der Einlageverpflichtung entspricht. Es fehlen auch noch Feststellungen zu dem
Teilwert der umgewandelten Darlehensforderungen auf den maßgeblichen Tag der
Umwandlung. Der BFH konnte daher nicht beurteilen, ob für den Kläger ein - wenn
auch hinter dem Nennwert der Forderungen zurückbleibendes - Verlustrisiko bestand. Auf ein solches Risiko kann nicht aus der Übernahme von Bürgschaften für
Verbindlichkeiten der GmbH gegenüber Dritten geschlossen werden. Denn es ist
keine eindeutige wirtschaftliche Verknüpfung zwischen der Übernahme der stillen
Beteiligung und der Übernahme von Bürgschaften festgestellt. Der Kläger konnte
die Bürgschaften auch als alleiniger Anteilsinhaber der GmbH übernommen haben.
Das Finanzgericht hat durch die Zurückverweisung Gelegenheit erhalten, die noch
für eine abschließende Entscheidung notwendigen Tatsachenfeststellungen nachzuholen.
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16. Verkauf von Betriebsvermögen an Zebragesellschaft
Überträgt ein gewerblich tätiger Gesellschafter einer vermögensverwaltenden
Personengesellschaft (sog. Zebragesellschaft) ein Wirtschaftsgut seines Betriebsvermögens in das Gesamthandsvermögen der vermögensverwaltenden
Personengesellschaft, führt dies steuerlich nicht zur Aufdeckung der stillen
Reserven bei dem Gesellschafter, soweit dieser an der Zebragesellschaft betrieblich beteiligt ist
BFH, Urteil v. 26.4.2012 - IV R 44/09
I. Hintergrund:
Wird ein Gesellschaftsanteil an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft
von einem Gesellschafter im Betriebsvermögen gehalten, führt dies dazu, dass die
Anteile an den Wirtschaftsgütern der vermögensverwaltenden Gesellschaft bei dem
Gesellschafter Betriebsvermögen sind; Gewinne aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern durch die Personengesellschaft sind deshalb anteilig beim Gesellschafter zu erfassen. Anders verhält es sich bei gewerblichen Personengesellschaften; bei diesen ist es nicht i. S. von § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO erforderlich, den mitunternehmerisch Beteiligten das Gesamthandsvermögen für Zwecke der Besteuerung
anteilig zuzurechnen. Die Veräußerung eines Wirtschaftsguts aus dem Betriebsvermögen des Gesellschafters in das Gesamthandsvermögen einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft erfüllt, soweit das Wirtschaftsgut dadurch nicht aus
dem Betriebsvermögen des Gesellschafters ausscheidet, auch dann keinen Besteuerungstatbestand, wenn sie zu fremdüblichen Bedingungen erfolgt.
II. Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine KG, die als Obergesellschaft einer Unternehmensgruppe Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Im Streitjahr (1997) verkaufte sie ein Betriebsgrundstück an eine vermögensverwaltend tätige KG. An deren Festkapital war sie
als Kommanditistin mit 99% beteiligt, verfügte jedoch nicht über die Mehrheit der
Stimmrechte. Die Klägerin sah die Grundstücksveräußerung im Umfang ihrer Beteiligung an der vermögensverwaltenden KG (99%) steuerlich nicht als Veräußerungs-/Anschaffungsvorgang an. Das Finanzamt gelangte hingegen zu der Auffassung, dass die stillen Reserven des Grundstücks infolge der Veräußerung insgesamt
aufzudecken und in vollem Umfang als steuerpflichtiger Gewinn bei der Klägerin
zu erfassen seien. Während Einspruch und Klage erfolglos blieben, war die Revision der Klägerin begründet.
III. Die Entscheidung des Gerichts:
Die Veräußerung des Betriebsgrundstücks der Klägerin an die vermögensverwaltende KG habe insoweit nicht zur Aufdeckung der stillen Reserven geführt, als die
Klägerin an der vermögensverwaltenden KG beteiligt war. Das Grundstück war bei
der Klägerin Betriebsvermögen (zu 100%). Im Umfang ihrer Beteiligung an der
vermögensverwaltenden KG (99%) änderte sich daran durch die Veräußerung
nichts. Zwar sei das Grundstück (zivilrechtlich) in vollem Umfang veräußert worden; die Veräußerung erfülle jedoch keinen Besteuerungstatbestand, soweit das
Grundstück unverändert im Betriebsvermögen der Klägerin blieb. Die Gefahr von
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Steuerrecht aktuell III/2012
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Besteuerungslücken bestehe – anders als das Finanzgericht angenommen hat –
nicht. Denn die Bruchteilsbetrachtung führe dazu, dass die dem gewerblich tätigen
Gesellschafter zuzurechnenden stillen Reserven bei der Veräußerung des Wirtschaftsguts durch die vermögensverwaltende Personengesellschaft aufzudecken und
dem Gesellschafter zuzurechnen seien. Die Höhe dieser stillen Reserven richte sich,
wie die Klägerin zu Recht geltend gemacht hat, nach dem Bilanzansatz bei dem
Gesellschafter.
IV. Hinweise für die Praxis:
Die Erhöhung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb durch die anteilige Aufdeckung
der stillen Reserven (zu 99%) ist ertragsteuerlich unter entsprechender Auflösung
der darauf entfallenden Gewerbesteuerrückstellung rückgängig zu machen. Der
Senat durfte in der Sache selbst entscheiden. Die Übertragung der Ermittlung des
laufenden Gewinns auf das Finanzamt ergibt sich aus § 121 Satz 1 i. V. mit § 100
Abs. 2 Satz 2 FGO.
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17. Wirtschaftliches Eigentum an einem Kapitalgesellschaftsanteil
Die Formunwirksamkeit der Übertragung eines GmbH-Anteils steht der Erlangung des wirtschaftlichen Eigentums an dem GmbH-Anteil nicht entgegen
BFH, Urteil v. 24.1.2012 - IX R 69/10
I. Hintergrund:
Eine steuerpflichtige Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft (§ 17
EStG) wird mit der entgeltlichen Übertragung des (zivilrechtlichen oder wirtschaftlichen) Eigentums verwirklicht. Nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO ist die Rechtsstellung des wirtschaftlichen Eigentümers u.a. dadurch gekennzeichnet, dass er den
zivilrechtlichen Eigentümer im Regelfall von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann.
II. Die Entscheidung des Gerichts:
Der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums ist nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen. Demgemäß ist auch bei
der Bestimmung des wirtschaftlichen Eigentums nicht das formal Erklärte oder
formal-rechtlich Vereinbarte, sondern das wirtschaftlich Gewollte und das tatsächlich Bewirkte ausschlaggebend. Insbesondere folgt aus der in der Rechtsprechung
für den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an einem Kapitalgesellschaftsanteil formulierten Voraussetzung, dass der Anteilserwerber eine auf den Erwerb gerichtete Position erworben haben muss, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr
entzogen werden können darf, nicht, dass bei Formunwirksamkeit der zivilrechtlichen Übertragung der Übergang wirtschaftlichen Eigentums zwangsläufig ausgeschlossen wäre. Maßgeblich ist das von den Parteien wirtschaftlich Gewollte und
als solches Durchgeführte, d.h. tatsächlich Bewirkte.
III. Hinweise für die Praxis:
Auch der Umstand, dass der Kläger im Streitfall beherrschender Gesellschafter war,
führte im Streitfall nach Ansicht des BFH zu keinem anderen Ergebnis. Selbst
wenn man die Grundsätze der steuerlichen Anerkennung von Vertragsverhältnissen
zwischen nahen Angehörigen zugrunde legen würde, könne im Streitfall nicht von
einer verstärkten Indizwirkung des Mangels der zivilrechtlichen Form ausgegangen
werden, da das Finanzgericht keinerlei sonstige Anhaltspunkte festgestellt habe, die
gegen den Bindungswillen der Parteien sprechen würden.
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18. Einmalzahlung für private Lebensversicherung als Betriebsausgabe
Als für den Betriebsausgabenabzug unschädlicher abgekürzter Zahlungsweg
ist die Leistung des Erstattungsbeitrags der Sozialversicherung zugunsten des
im Unternehmen angestellten Sohnes anzusehen, wenn der Erstattungsbetrag
nicht direkt an den Sohn ausgezahlt, sondern zum Abschluss einer Lebensversicherung zu dessen Gunsten verwendet wird
FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 13.6.2012 - 12 K 12192
I. Hintergrund:
Betriebsausgaben sind alle Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind.
Aufwendungen für Arbeitslohn für Angestellte des Unternehmens stellen grds. Betriebsausgaben dar. Das gilt auch für Lohnzahlungen an einen im Betrieb des Steuerpflichtigen mitarbeitenden Angehörigen, wenn dieser aufgrund eines Arbeitsvertrags beschäftigt wird, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbringt und der
Steuerpflichtige seinerseits alle Arbeitgeberpflichten, insbesondere die der Lohnzahlung, erfüllt. Zu dem Arbeitslohn eines Arbeitnehmers gehört auch die Weiterleitung erstatteter Arbeitgeberbeiträge. Die Leistung der Arbeitgeberbeiträge an die
Sozialversicherung ist durch das Arbeitsverhältnis und nicht privat veranlasst.
II. Sachverhalt:
Der Kläger war als Bezirksschornsteinfegermeister gewerblich tätig. Sein Sohn war
bei ihm beschäftigt. Ein abgeschlossener Arbeitsvertrag lag vor. Das Gehalt wurde
regelmäßig überwiesen und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt. Bei der Prüfung
des sozialversicherungsrechtlichen Status des Sohnes stellte sich heraus, dass hiernach die Tätigkeit des Sohnes nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses stattgefunden und keine Versicherungspflicht bestanden hatte. Den
Erstattungsbetrag der Landesversicherungsanstalt sowie die darauf entfallenden
Zinsen behandelte der Kläger als Betriebseinnahme. Den Erstattungsbetrag hat er
nicht seinem Sohn erstattet sondern die Einmalzahlung für die Lebensversicherung
zugunsten seines Sohnes übernommen. Diese Zahlung berücksichtigte er als Betriebsausgabe.
III. Hinweise für die Praxis:
Die Weiterleitung erstatteter Arbeitgeberbeiträge sei betrieblich veranlasst. Der
Erstattungsbetrag stehe dem Arbeitgeber (Kläger) nicht zu. Gäbe er diesen Betrag
nicht an den Arbeitnehmer (Sohn) heraus, erlange er einen ihm nicht zustehenden
Vermögensvorteil. Das stehe im Einklang mit der Rechtsprechung der Zivilgerichte, nach der Arbeitnehmer in dieser Situation Anspruch auf die Herausgabe des
Erstattungsbetrags haben. Die Weiterleitung der erstatteten Arbeitgeberbeiträge zur
Sozialversicherung sei betrieblich veranlasst; sie mindere demzufolge den Gewinn
des Klägers. Da der Kläger den Erstattungsbetrag auf die zugunsten seines Sohnes
bestehende Lebensversicherung gezahlt habe, läge ein unschädlicher abgekürzter
Zahlungsweg vor, der ebenso zu beurteilen sei wie eine Auszahlung an den Sohn
und eine nachfolgende Verwendung des gezahlten Betrags in der Weise, wie im
Streitfall geschehen. Auch habe ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Erkenntnis, dass der Sohn des Klägers nicht sozialversicherungspflichtig war, den
Dr. Jörg Hellmer - Steuerberater
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Seite 49
entsprechenden Anträgen auf Rückerstattung der überzahlten Beiträge, der Rückerstattung selbst und der Auskehrung zugunsten des Sohnes vorgelegen.
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19. Nachträgliche Schuldzinsen bei wesentlicher Beteiligung
Die OFD Münster hat zum nachträglichen Schuldzinsenabzug bei im Privatvermögen gehaltenen Beteiligungen i.S. von § 17 EStG Stellung genommen
und klargestellt, dass ab dem VZ 2009 der Abzug tatsächlicher Werbungskosten grds. ausgeschlossen sei. Eine eventuell mögliche Option zur Anwendung
der tariflichen Einkommensteuer könne letztmalig für den VZ Wirkung entfalten, in dem die Beteiligung dem Steuerpflichtigen noch als Einkunftsquelle
zuzurechnen ist
OFD Münster v. 23.8.2012
I. Hintergrund:
Der BFH hat entschieden, dass Schuldzinsen für die Finanzierung der Anschaffungskosten einer im Privatvermögen gehaltenen Beteiligung im Sinne von § 17
EStG, die auf Zeiträume nach Veräußerung der Beteiligung oder Auflösung der
Gesellschaft entfallen, ab dem VZ 1999 wie nachträgliche Betriebsausgaben als
Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abgezogen werden können (BFH, Urteil v. 16.3.2010 - VIII R 20/08).
II. Die Anweisung der Verwaltung:
Die Urteilsgrundsätze des BFH gelten unmittelbar nur für Zeiträume ab 1999 und
bis 2008. Ab 2009 haben sich die Rahmenbedingungen für die Besteuerung der
Einkünfte aus Kapitalvermögen durch die Einführung der Abgeltungsteuer geändert.
Ab dem VZ 2009 ist der Abzug der tatsächlichen Werbungskosten grds. ausgeschlossen (§ 20 Abs. 9 EStG). Stattdessen wird bei der Ermittlung der Einkünfte
der Sparer-Pauschbetrag abgezogen.
Ob sich im Falle der Beendigung der Beteiligung über § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1
EStG die Möglichkeit ergibt, auf die Anwendung der Abgeltungssteuer zu verzichten, ist – soweit ersichtlich – noch nicht abschließend geklärt. Hierzu führt die OFD
u...a. aus: Der Gesetzgeber hat unter den Voraussetzungen des § 32d Abs. 2 Nr. 3
EStG zwar eine Option zur Anwendung der tariflichen Einkommensteuer eingeräumt. Diese kann nach der Gesetzessystematik jedoch letztmalig für den VZ Wirkung entfalten, in dem die Beteiligung dem Steuerpflichtigen noch als Einkunftsquelle zuzurechnen ist. Dies ist das Jahr der Veräußerung oder in Auflösungsfällen
das Jahr, in dem der Veräußerungsverlust nach § 17 Abs. 4 EStG realisiert worden
ist.
Dr. Jörg Hellmer - Steuerberater
Steuerrecht aktuell III/2012
II.
1.
Seite 51
Bilanzsteuerrecht
Steuerneutrale Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern
Im Urteilsfall des FG Düsseldorf vom 6. 7. 2012 - 3 K 2579/11 F streiten die
Beteiligten um die steuerneutrale Übertragung eines Einzelwirtschaftsguts
nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG.
I.
Sachverhalt:
Die Klägerin zu 1) ist eine KG, deren Gegenstand u. a. die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken und Einrichtungsgegenständen ist. An der KG sind der
Kläger zu 2) als Kommanditist sowie die Klägerin zu 3), die KomplementärGmbH, beteiligt. Der Kommanditist hält 100 % der KG-Anteile, die Komplementärin ist kapitalmäßig nicht an der KG beteiligt.
Auf den 31. 12. 2005 bilanzierte die KG im Anlagevermögen Grund und Boden,
Gebäude und technische Anlagen, die sie aufgrund eines geschlossenen Mietvertrags vermietete. Zivilrechtlicher Eigentümer und im Grundbuch eingetragen war
jedoch der Kläger zu 2). Nachdem festgestellt wurde, dass nicht die KG sondern
deren Kommanditist Eigentümer des Grundstücks war, wurden Grund und Boden,
Gebäude und technische Anlagen in der Gesamthandsbilanz der KG auf den
31. 12. 2006 gegen das gesamthänderisch gebundene Kapitalsonderkonto, auf dem
Einlagen, Entnahmen und Gewinne des Kommanditisten verbucht wurden, zum
Buchwert ausgebucht. Im Gegenzug wurden die Anlagengegenstände in einer Sonderbilanz als Sonderbetriebsvermögen I des Kommanditisten eingebucht.
Mit Vertrag vom 13. 12. 2007 brachte der Kommanditist das Grundstück in das
Gesamthandsvermögen der KG zugunsten des gesamthänderisch gebundenen
Rücklagenkontos ein. Die Einbringung erfolgte gemäß Einbringungsvertrag ohne
Gegenleistung. Auf den 31. 12. 2007 wurde das Grundstück mit dem Buchwert aus
dem Sonderbetriebsvermögen des Kommanditisten in das Gesamthandsvermögen
der KG übernommen. Mit ebenfalls am 13. 12. 2007 geschlossenem Kaufvertrag
verkaufte die KG das Grundstück zu einem Kaufpreis von 8,5 Mio. €. Die Kaufpreiszahlung sowie Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten erfolgten im Jahr
2008. Der in 2008 angefallene Gewinn wurde in eine Rücklage nach § 6b
EStG eingestellt.
Im Rahmen der Veranlagung wies das Finanzamt darauf hin, dass mit dem Verkauf
des Grundstücks in 2008 ein Verstoß gegen die dreijährige Behaltensfrist
des § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG vorliege und daher für die Übertragung aus dem Sonderbetriebsvermögen in das Gesamthandvermögen anstelle des Buchwerts der
Teilwert in Höhe von 8,5 Mio. € anzusetzen sei.
Die Klägerin vertrat hingegen die Auffassung, dass eine schädliche Verwendung i.
S. des § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG nur dann anzunehmen sei, wenn stille Reserven des
eingebrachten Vermögensgegenstands auf andere Gesellschafter übergingen.
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Steuerrecht aktuell III/2012
Seite 52
Die Aufdeckung der stillen Reserven könne zudem durch Aufstellung einer Ergänzungsbilanz vermieden werden. Im April 2010 reichte die KG für das Streitjahr
2007 dann auch eine berichtigte Gesamthandsbilanz sowie eine negative Ergänzungsbilanz für den Kommanditisten ein. In der Gesamthandsbilanz wurden der
Grund und Boden sowie das Gebäude mit dem Kaufpreis abzüglich der Veräußerungskosten angesetzt. Die Gegenbuchung erfolgte wiederum auf dem gesamthänderisch gebundenen Kapitalsonderkonto.
Das Finanzamt erkannte die negative Ergänzungsbilanz unter Berufung auf R 6.15
EStR nicht an, da durch die Übertragung keine Änderung des Anteils des übertragenden Gesellschafters an dem Wirtschaftsgut eingetreten sei.
Im Einspruchsverfahren entgegnete die Klägerin, das Grundstück sei gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in das Gesamthandsvermögen eingelegt worden.
Darüber hinaus stehe R 6.15 EStR im Widerspruch zum Wortlaut
des§ 6 Abs. 5 Satz 4 EStG. Die gesetzliche Sanktionierung des § 6 Abs. 5 Satz 4
EStG greife im Falle der Einmann-GmbH & Co. KG nicht, da sämtliche stillen Reserven sowohl vor als auch nach der Übertragung des Wirtschaftsguts dem zu
100 % beteiligten Kommanditisten zuzurechnen seien.
II.
Die Entscheidung des Gerichts:
Das FG Düsseldorf sah die Klage teilweise als begründet.
Nach Auffassung des Finanzgerichts liegt eine Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern aus dem Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters der KG in deren Gesamthandsvermögen nach§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG vor. Nach dieser Vorschrift
ist die Übertragung der Einzelwirtschaftsgüter zum Buchwert möglich, sofern die
Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist. Infolge der Veräußerung des
Grundstücks innerhalb der dreijährigen Sperrfrist ist
nach § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG rückwirkend ein Übertragungsgewinn entstanden, der
jedoch durch die Aufstellung einer negativen Ergänzungsbilanz dem Kommanditisten zugeordnet wird. Die aufzudeckenden stillen Reserven wurden über die negative Ergänzungsbilanz neutralisiert.
Der Senat folgt damit nicht der in R 6.15 EStR vertretenen Auffassung, wonach § 6
Abs. 5 Satz 4 EStG dann nicht anwendbar sein soll, wenn durch die Übertragung
keine Änderung des Anteils des übertragenden Gesellschafters an dem übertragenden Wirtschaftsgut eingetreten ist und es nicht zu einer interpersonellen Verlagerung der stillen Reserven kommt.
Ob § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG anzuwenden ist, wenn es im Zuge der Übertragung nicht
zu einer interpersonellen Verlagerung der stillen Reserven des übertragenen Wirtschaftsguts kommt (und infolge dessen auch keine Ergänzungsbilanz aufgestellt
wurde), ist umstritten. Das FG Saarland wendet im Urteil vom 19. 4. 2012 - 1 K
1318/10 Satz 4 im Wege der teleologischen Extension über seinen Wortlaut hinaus
an und vertritt die Auffassung, dass ein Sperrfristverstoß selbst dann ausscheidet,
wenn die bis zur Übertragung entstandenen stillen Reserven nicht durch die Erstellung einer Ergänzungsbilanz neutralisiert wurden und der einbringende Gesellschafter zu 100 % am Gesamthandsvermögen der Gesellschaft beteiligt ist. Soweit
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Steuerrecht aktuell III/2012
Seite 53
ist das FG Düsseldorf im vorliegenden Urteilsfall indes nicht gegangen und hält
eine Ergänzungsbilanz entsprechend dem Wortlaut des Satz 4 für notwendig.
III.
Hinweise für die Praxis:
Die Finanzverwaltung schränkt mit R 6.15 EStR sowie mit BMF-Schreiben vom
8. 12. 2011 ( BStBl 2011 I S. 1279 Rn. 26) den Wortlaut des Gesetzes insbesondere
in Fallkonstellationen der Einmann-GmbH & Co. KG stark ein. Die Interpretation
des§ 6 Abs. 5 Satz 4 EStG durch die Finanzverwaltung in R 6.15 EStR ist m. E.
gesetzeswidrig und haltlos.
Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Sperrfristregelung in Satz 4 verhindern,
dass Wirtschaftsgüter zur Vorbereitung einer anschließenden Veräußerung zum
Buchwert und unter Verlagerung von stillen Reserven auf andere Steuerrechtssubjekte übertragen werden. Durch die Erstellung einer Ergänzungsbilanz wird jedoch
sichergestellt, dass die stillen Reserven bis zur Veräußerung beim betreffenden Gesellschafter steuerverhaftet bleiben. Insofern lässt die Vorschrift auch keine abweichenden Interpretationsmöglichkeiten für Einmann-GmbH & Co. KG zu.
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2.
Seite 54
Zur Korrektur bei fehlerhafter Aktivierung
Wurden die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines abnutzbaren Wirtschaftsguts des Anlagevermögens in einem bestandskräftig veranlagten Jahr
nur unvollständig aktiviert, führt der Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs zu einer erfolgswirksamen Nachaktivierung im ersten verfahrensrechtlich noch offenen Jahr. Die BFH-Rechtsprechung zur Korrektur
überhöhter AfA-Sätze ist in solchen Fällen nicht einschlägig.
BFH v. 09.05.2012 – X R 38/10
I. Sachverhalt:
Der Kläger betrieb bis Februar 2000 einen Einzelhandel mit Spielwaren, bestehend
aus zwei Teilbetrieben... Seine Einkünfte ermittelte er durch Bestandsvergleich
nach § 5 Abs. 1 i.V.m. § 4 EStG. Die Filiale in A. betrieb der Kläger in angemieteten Räumen, die er im Jahr 1998 umbaute. Zuvor hatte er sich gegenüber der Stadt
zur Ablösung von Kfz-Stellplätzen verpflichtet. Der Kläger zahlte einen Ablösungsbetrag von 49.950 DM. Bei der Schlussabnahme wurde festgestellt, dass er
die Räumlichkeiten bereits nutzte.
Den Ablösungsbetrag passivierte der Kläger im Jahresabschluss zum 31.12.1998
als kurzfristige sonstige Verbindlichkeit, wobei er als Gegenkonto "sonstige Aufwendungen" buchte. Im März 2000 veräußerte er den Teilbetrieb an seinen Sohn. In
der Einkommensteuererklärung 2000 gab der Kläger in der Anlage GSE Verluste
aus Gewerbebetrieb und einen Veräußerungsgewinn an. Den Veräußerungsgewinn
ermittelte er durch Gegenüberstellung des Kaufpreises mit den Buchwerten der
übertragenen Wirtschaftsgüter, einschließlich der Mietereinbauten aus dem Bauvorhaben 1998. Er beantragte die Berücksichtigung eines Freibetrags nach § 16
Abs. 4 EStG und im Übrigen für den Veräußerungsgewinn die Gewährung des ermäßigten Steuersatzes nach § 34 EStG.
Nach einer Außenprüfung vertrat das Finanzamt unter Bezugnahme auf das BFHUrteil vom 6.5.2003 (IX R 51/00) die Auffassung, dass der Ablösungsbetrag zu den
Herstellungskosten der Mietereinbauten gehöre und deshalb kein "sofort abziehbarer Aufwand" sei. Die Behörde gelangte zu einem geminderten Veräußerungsgewinn und zu einer entsprechenden Erhöhung des laufenden Ergebnisses des Jahres
2000.
II. Die Entscheidung des Gerichts:
Die hiergegen gerichtete Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.
III. Hinweise für die Praxis:
Der Ablösungsbetrag war als Herstellungskosten der Mietereinbauten zu berücksichtigen, weswegen der laufende Gewinn aus Gewerbebetrieb von Januar bis Ende
Februar 2000 zu erhöhen und der Veräußerungsgewinn entsprechend zu mindern
war.
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Seite 55
Der begünstigte Veräußerungsgewinn ist vom laufenden Gewinn des Gesamtbetriebs abzugrenzen, ohne dass bei einer Teilbetriebsveräußerung eine Schlussbilanz
aufzustellen ist. Der Veräußerungsgewinn ist - ggf. im Rahmen einer Schätzung unter Berücksichtigung der Grundsätze der §§ 4 und 5 EStG zu ermitteln. Unter
Berücksichtigung dieser Grundsätze war im vorliegenden Fall der Ablösungsbetrag
im Jahr 1998 als Teil der Herstellungskosten der Mietereinbauten zu aktivieren, da
der Ablösungsbetrag für die Kfz-Stellplätze im engen zeitlichen und sachlichen
Zusammenhang mit den Baumaßnahmen am Mietgrundstück stand.
Zwar war eine Aktivierung des Ablösungsbetrags weder zum 31.12.1998 noch zum
31.12.1999 möglich, da für beide Jahre bereits Festsetzungsverjährung eingetreten
war. Wurden die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines abnutzbaren Wirtschaftsguts des Anlagevermögens in einem bestandskräftig veranlagten Jahr nur
unvollständig aktiviert, führt der Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs
allerdings zu einer erfolgswirksamen Nachaktivierung im ersten verfahrensrechtlich
noch offenen Jahr. Für den Streitfall, in dem der Ablösungsbetrag im Jahr 1998
fehlerhaft als Betriebsausgabe abgezogen worden war, bedeutete dies, dass der fiktive Restbuchwert des Wirtschaftsguts (hier: Mietereinbauten einschließlich des
Ablösungsbetrags unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich abziehbaren AfA)
bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns anzusetzen war, so wie er im Rahmen
einer Schlussbilanz anzusetzen wäre.
Da es sich um eine fehlerhafte Aktivierung eines Wirtschaftsguts handelte, war die
BFH-Rechtsprechung zur Korrektur überhöhter AfA-Sätze nicht einschlägig, nach
der bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens die Berichtigung eines
Bilanzwertes dann nicht geboten ist, wenn sich der Fehler in den folgenden Jahren
durch Ansatz des zutreffenden AfA-Satzes von selbst aufhebt und der richtige Totalgewinn gewährleistet ist. Der erkennende Senat sah keine Notwendigkeit, über
diese - eng begrenzte - Rechtsprechung hinaus weitere Ausnahmen vom Grundsatz
des formellen Bilanzenzusammenhangs zuzulassen.
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3.
Seite 56
Korrektur eines Bilanzansatzes bei einer Teilbetriebsveräußerung
Bei einer Teilbetriebsveräußerung muss keine Schlussbilanz aufgestellt werden; der Veräußerungsgewinn ist - ggf. im Rahmen einer Schätzung - unter
Berücksichtigung der Grundsätze der §§ 4 und 5 EStG zu ermitteln
BFH, Urteil v. 9.5.2012 - X R 38/10
I. Hintergrund:
Nach § 6 Abs. 2 EStDV hat der Steuerpflichtige bei der Veräußerung eines Gesamtbetriebs zur Ermittlung des laufenden Gewinns auf den Zeitpunkt der Veräußerung eine Bilanz aufzustellen ("letzte Schlussbilanz"). Die letzte Schlussbilanz
schließt die laufende gewerbliche Tätigkeit ab.
II. Die Entscheidung des Gerichts:
Bei der Veräußerung eines Teilbetriebs ist die Erstellung einer Schlussbilanz nicht
erforderlich; die Teilbetriebsveräußerung stellt für den Gesamtbetrieb lediglich einen laufenden Geschäftsvorfall dar. Indes ist es auch bei einer Teilbetriebsveräußerung unerlässlich, den (begünstigten) Veräußerungsgewinn vom laufenden Gewinn
des Gesamtbetriebs abzugrenzen. Materiell-rechtlich sind dabei die gleichen
Grundsätze wie bei einer Gesamtbetriebsveräußerung zugrunde zu legen (vgl. § 16
Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 i.V. mit Abs. 2 Sätze 1 und 2 EStG).
III. Hinweise für die Praxis:
Nach dem Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs müssen Bilanzen für
Zwecke der Veranlagung und der Gewinnfeststellung grds. im Fehlerjahr und in
den Folgejahren berichtigt werden. Ist eine solche Berichtigung jedoch nicht mehr
möglich, weil die Feststellungs- oder Steuerbescheide bereits formell und materiell
bestandskräftig sind, ist die erfolgswirksame Korrektur in der Schlussbilanz des
ersten Jahres nachzuholen, in der sie mit steuerlicher Wirkung möglich ist. Diese
Grundsätze sind ebenso zu beachten, wenn bei einer Teilbetriebsveräußerung auch
ohne Erstellung einer Schlussbilanz der Veräußerungsgewinn zu ermitteln ist. Da es
sich im Streitfall um eine fehlerhafte Aktivierung eines Wirtschaftsguts handelte,
war die BFH-Rechtsprechung zur Korrektur überhöhter AfA-Sätze nicht einschlägig, nach der bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens die Berichtigung eines Bilanzwertes dann nicht geboten ist, wenn sich der Fehler in den folgenden Jahren durch Ansatz des zutreffenden AfA-Satzes von selbst aufhebt und
der richtige Totalgewinn gewährleistet ist (vgl. BFH, Urteile v. 11.12.1987 - III R
266/83).
Der BFH sah keine Notwendigkeit, über diese - eng begrenzte - Rechtsprechung
hinaus weitere Ausnahmen vom Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs
zuzulassen.
Bei einer Teilbetriebsveräußerung ist zwar keine Schlussbilanz aufzustellen und es
entsteht auch kein Rumpfwirtschaftsjahr, dem Unternehmer steht es jedoch frei eine
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Seite 57
gesonderte Veräußerungsbilanz zu erstellen, um so den Veräußerungsgewinn zu
ermitteln und ihn vom laufenden Gewinn abzugrenzen... Diese Verfahrensweise ist
sicherlich präziser als die ansonsten gebotene Schätzung des Werts des Betriebsvermögens. Mit den weiter entschiedenen Fragen der erfolgswirksamen Nachaktivierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten nach dem Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs und der Nichtanwendung der Urteile zur Korrektur überhöhter AfA-Sätze auf den Fall der Nichtaktivierung eines Wirtschaftsguts
folgt der BFH bisheriger Rechtsprechung.
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4.
Seite 58
Investitionsabzug bei Betriebsübergabe auf den Sohn
Ein Investitionsabzugsbetrag kann nicht mehr in Anspruch genommen werden, wenn feststeht, dass der Steuerpflichtige die zugrunde liegende Investition
selbst nicht mehr durchführen wird, da er den Betrieb bereits im Wege der
vorweggenommenen Erbfolge auf seinen Nachfolger übertragen hat
FG Niedersachsen, Urteil v. 11.4.2012 - 4 K 210/11; Revision anhängig
I. Hintergrund:
Nach § 7g Abs. 1 Satz 1 EStG können Steuerpflichtige für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens bis zu 40 Prozent der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten gewinnmindernd abziehen (Investitionsabzugsbetrag). Nach § 7g Abs.
1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a EStG setzt die Inanspruchnahme von Investitionsabzugsbeträgen voraus, dass der Steuerpflichtige beabsichtigt, das begünstigte Wirtschaftsgut voraussichtlich in den dem Wirtschaftsjahr des Abzugs folgenden drei Wirtschaftsjahren anzuschaffen oder herzustellen.
II. Die Entscheidung des Gerichts:
Die Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrags kommt nur für (noch) durchführbare und objektiv mögliche Investitionen in Betracht. Daran fehlt es, wenn der
Betrieb bereits veräußert oder aufgegeben ist oder der Steuerpflichtige bei Abgabe
der Steuererklärung für das Kalenderjahr, in dem Investitionsabzugsbeträge geltend
gemacht werden, den Entschluss gefasst hat, seinen Betrieb insgesamt zu veräußern
oder aufzugeben (vgl... BMF, Schreiben v. 8.5.2009, BStBl. I 2009, 633, Rn. 22).
Für den hier zu beurteilenden Fall der unentgeltlichen Betriebsübergabe im Wege
der vorweggenommenen Erbfolge kann nichts anderes gelten. § 7g EStG bezweckt
die Verbesserung der Liquidität und Eigenkapitalausstattung kleiner und mittlerer
Betriebe, indem er es deren Inhabern ermöglicht, die mit der Inanspruchnahme von
(Sonder-) Abschreibungen auf bestimmte Wirtschaftsgüter verbundenen Aufwandswirkungen auf ein der Anschaffung oder Herstellung des Wirtschaftsgutes
vorangehendes Wirtschaftsjahr vorzuziehen und damit einen Steuerstundungseffekt
zu erzielen. Diesem Förderungszweck liefe es zuwider, wenn der Rechtsvorgänger
den Investitionsabzugsbetrag noch zu einem Zeitpunkt in Anspruch nehmen könnte,
zu dem feststeht, dass die dadurch begünstigte Investition nicht mehr von ihm, sondern nur noch von dem Rechtsnachfolger vorgenommen werden kann.
III. Hinweise für die Praxis:
Der Umstand, dass der Gesetzgeber die Förderung nicht personen-, sondern betriebs- und investitionsbezogen ausgestaltet hat, konnte - entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht (s. Schmidt/Kulosa, EStG, 31. Auflage 2012, § 7g Rn.
16) – nach Ansicht des FG Niedersachsen zu keiner anderen Beurteilung führen.
Dies besage nur, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme auf den Betrieb und die in ihm durchzuführende Investition bezogen sind, ändere aber nichts
daran, dass sich der Förderungszweck nur über die steuerlichen Wirkungen erreichen lasse, die in der Person des Betriebsinhabers eintreten. Das Gericht hat jedoch
die Revision zugelassen. Die Frage, ob bei einer unentgeltlichen Betriebsübergabe
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Seite 59
der Rechtsvorgänger den Investitionsabzugsbetrag noch für eine erst von dem
Rechtsnachfolger durchzuführende Investition in Anspruch nehmen kann, habe
grds. Bedeutung. Das Revisionsverfahren wird beim BFH unter dem Aktenzeichen IV R 14/12 geführt. In geeigneten Fällen können Sie sich auf dieses Aktenzeichen berufen. Entsprechende Einspruchsverfahren ruhen dann gem. § 363 Abs. 2
Satz 2 AO.
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5.
Seite 60
Abgrenzung Erhaltungsaufwendungen oder Herstellungskosten
Herstellungskosten liegen vor, wenn Baumaßnahmen bei mindestens drei der
Kern-Bereiche (Heizung, Sanitär, Elektro und Fenster) jeweils zu einer Standarderhöhung geführt haben. Für den dabei erforderlichen Vergleich des „ursprünglichen“ Zustands mit dem „neuen“ Zustand ist auf den Zeitpunkt des
Erwerbs des Gebäudes und nicht das Baujahr abzustellen
FG Köln, Urteil v. 26.1.2012 - 10 K 235/10
I. Sachverhalt:
Die Klägerin erwarb im Streitjahr 2002 u.a. zwei Mehrfamilienhäuser (Baujahr
1958). In der Einkommensteuererklärung machte sie Erhaltungsaufwendungen geltend. Das Finanzamt berücksichtigte die Bauaufwendungen der Klägerin teilweise
als nachträgliche Herstellungskosten. Die hiergegen erhobene Klage hat der erkennende Senat im ersten Rechtsgang als unbegründet zurückgewiesen. Der BFH hat
dieses Urteil aufgehoben und die Sache an das Finanzgericht zurückverwiesen
(BFH, Urteil v. 18.8.2010 - IX R 21/08).
Der BFH hat in dem zurückverweisenden Urteil u.a. ausgeführt:„Übliche Instandsetzungs- oder Modernisierungsmaßnahmen, also die bloße Instandsetzung vorhandener Sanitär-, Elektro- und Heizungsanlagen, der Fußbodenbeläge, der Fenster und
der Dacheindeckung, sind in der Regel sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen.
Indes können solche Maßnahmen in ihrer Gesamtheit zu Herstellungskosten führen,
wenn dadurch der Gebrauchswert des Gebäudes gegenüber dem ursprünglichen
Zustand, d.h. hier dem Zustand im Zeitpunkt des Erwerbs, deutlich erhöht wird (...).
Das ist der Fall, wenn die Maßnahmen bei mindestens drei der Kern-Bereiche (Heizung, Sanitär, Elektro und Fenster) jeweils zu einer Standarderhöhung geführt haben (...). Dabei ist zunächst zu ermitteln, welchem Standard (sehr einfach, mittel
oder sehr anspruchsvoll) die Kernbereiche im „ursprünglichen Zustand“ entsprachen. Für diese Beurteilung sind die Maßstäbe zugrunde zu legen, die zu dem Zeitpunkt, in dem sich das Gebäude im ursprünglichen Zustand befand, allgemein üblich waren (...). Im Streitfall ist das der Zeitpunkt des Erwerbs, also das Jahr 2002,
nicht das Baujahr 1958 ...“
II. Die Entscheidung des Gerichts:
Im Streitfall ist es in allen vier Kernbereichen zu einem Standardsprung gekommen
ist, so dass die Aufwendungen als Herstellungskosten zu beurteilen sind.
Fenster:
Bei den Fenstern handelte es sich um „Kastenfenster aus Holz, Fensterbänke innen
aus Holz; Fensterbänke außen aus Kunststein“. Bei dieser Ausführung handelt es
sich um einfachsten Standard. Im Jahre 2002 entsprachen nichtisolierverglaste
Fenster keinesfalls mehr mittleren Standard. Eingebaut wurden sodann Kunststofffenster im Profil, Einhand-Dreh-Kippbedienung und ISO-Verglasung. Hierbei handelte es sich zumindest um mittleren Standard.
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Seite 61
Elektro:
Die Elektroinstallation stellte eine einfache Ausstattung dar, da sie technisch überaltert und teilweise auf Putz verlegt war. Aus der Rechnung ergibt sich, dass jetzt
zumindest ein mittlerer Standard vorhanden ist. Es ist zu einer Kapazitätserweiterung durch fünfadrige Herdleitungen und einen Kilometer verlegte Leitungen gekommen. Außerdem wurden moderne Sicherungskästen mit zusätzlichen Automateneingebaut, die erst eine reibungslose Stromversorgung ermöglichen.
Sanitär:
Es lag eine einfache Wasser- und Abwasserinstallation, Aufputz vor. Die Badewannen wurden über Kohlebadeöfen mit Warmwasser versorgt. Dies war in 2002
noch nicht einmal mehr einfachster Standard. Nach den Umbauarbeiten geht der
Senat davon aus, dass die Warmwasserbereitung für die Badewannen über die Zentralheizung läuft. Die Toiletten wurden über oben an der Wand hängende Spülkästen
mit Wasser versorgt. Eingebaut wurde nunmehr Wand-, Tiefspül-, WCs aus Porzellan mit Wandeinbau-Spülkästen oder Wandeinbau-Druckspüler. Damit liegt ein
Standardsprung auf zumindest mittleren Standard vor. Dabei geht der Senat davon
aus, dass die Warmwasserbereitung zum Sanitärbereich und nicht zur Heizung gehört.
Heizung:
Ursprünglich waren Einzelöfen, Mehrraum-Warmluft-Kachelöfen mit festen
Brennstoffen (Kohle) bzw. eine Etagenheizung auf Kohlebasis vorhanden. Nach
den Sanierungsmaßnahmen gibt es jetzt in beiden Häusern eine Gaszentralheizung.
Dies stellt einen Standardsprung vom einfachsten auf mittleren Standard dar.
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6.
Seite 62
Bilanzänderung bei Mitunternehmerschaften (OFD)
Ein enger sachlicher Zusammenhang als Voraussetzung für eine Bilanzänderung nach § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG kann auch zwischen Gesamthandsbilanz und
Ergänzungs- oder Sonderbilanz sowie zwischen den Ergänzungs- und Sonderbilanzen der einzelnen Mitunternehmer bestehen. Es ist vorgesehen, die EStR
im Rahmen der EStÄR 2012 um eine entsprechende Aussage zu ergänzen
(OFD Münster, Verfügung v. 13.7.2012 - S 2141 - 63 - St 12 - 33).
I. Anweisung der Verwaltung:
Subjekt der Gewinnermittlung ist nach der so genannten Einheitsbetrachtung nicht
der einzelne Mitunternehmer, sondern die Mitunternehmerschaft selbst. Bei der
Auslegung des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG ist daher auf die Gesamtbilanz der Mitunternehmerschaft abzustellen und hierbei auf eine gesellschafterbezogene Betrachtungsweise (die nur in eng begrenzten Einzelfällen, z.B. bei der Anwendung des §
6b EStG stattfindet) zu verzichten. Hierdurch eintretende Gewinnverschiebungen
zwischen den Mitunternehmern stehen dem nicht entgegen.
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7.
Seite 63
Absicht das Wahlrecht auszuüben im Zeitpunkt der Anschaffung nicht
erforderlich
Schafft der Steuerpflichtige ein Wirtschaftsgut an, bevor er dafür mit seiner
Steuererklärung oder mit einem späteren Einspruch einen Investitionsabzugsbetrag geltend macht, ist es nicht erforderlich, dass er im Zeitpunkt der Anschaffung die Absicht hatte, den Investitionsabzugsbetrag in Anspruch zu
nehmen
BFH 17.1.12, VIII R 48/10
I. Sachverhalt
Der Kläger erzielt u.a. Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2007 machte er Investitionsabzugsbeträge für
einen PC, einen Laptop und einen Bildschirm geltend. Im Einspruchsverfahren begehrte er im Februar 2009 dann einen weiteren Investitionsabzugsbetrag für einen
bereits im Dezember 2008 angeschafften Pkw. Letzteres versagte das Finanzamt.
II. Die Entscheidung des Gerichts:
Mit der Revision beim BFH hatte der Steuerpflichtige letztlich aber Erfolg.
Maßgeblich ist dabei laut BFH die Sicht am Ende des Wirtschaftsjahres, für das der
Steuerpflichtige den Abzugsbetrag geltend macht. Die aus dieser Sicht „künftige“
Investition könne der Steuerpflichtige bei Abgabe der Steuererklärung für das Abzugsjahr zwischenzeitlich – wie im Streitfall – bereits getätigt haben. Für die Gewährung des Abzugsbetrags sei nämlich grundsätzlich nicht von Bedeutung, ob die
Investition im Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärung tatsächlich schon vorgenommen worden war.
Der Auffassung, dass bereits im Zeitpunkt der Investition die Absicht zur Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrags bestanden haben muss, um den erforderlichen Finanzierungszusammenhang herzustellen, hat der BFH eine Absage erteilt. Eine im Vorfeld der Investition schon zu fassende Absicht, sein Wahlrecht
nach § 7g EStG später auszuüben – wird vom Gesetz nicht gefordert. Als subjektive
Tatbestandsvoraussetzungen für die Gewährung des Abzugsbetrags werden dort nur
die – erstmals ab 2007 ausdrücklich ins Gesetz aufgenommene – Investitionsabsicht
gemäß § 7g Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Buchst. a EStG und die in Buchst. b derselben Norm
näher bestimmte Nutzungsabsicht aufgeführt; außerdem muss als voluntative Voraussetzung das Wahlrecht ausgeübt werden. Weitere subjektive Voraussetzungen
stellt das Gesetz nicht auf.
III. Hinweise für die Praxis:
Der BFH ließ offen, ob er sich einer zeitlichen Begrenzung der Geltendmachung
des Abzugsbetrags auf die Einspruchsfrist anschließen könnte.
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Seite 64
Ein Investitionsabzugsbetrag wird gewährt für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens (§
7g Abs. 1 S. 1 EStG). Die Inanspruchnahme eines Investitionsabzugsbetrags nach §
7g EStG gehört zu den zeitlich unbefristeten Wahlrechten, die formell bis zum Eintritt der Bestandskraft derjenigen Steuerfestsetzung ausgeübt werden können, auf
welche sie sich auswirken sollen.
Nach Ansicht des BFH konnte im Streitfall letztlich dahinstehen, ob die von der
Rechtsprechung zu § 7g EStG a.F. aus dem Gesetzeszweck hergeleitete Voraussetzung des Finanzierungszusammenhangs bei Anwendung und Auslegung der Regelung des § 7g EStG n.F. noch erforderlich ist (so aber BMF 8.5.09, IV C 6 - S
2139-b/07/10002, BStBl I 09, 633, Rz 19). Funktion dieses Merkmals war es, Fälle
auszusondern, in denen die Ansparrücklage zur Steuergestaltung genutzt wurde,
ohne tatsächlich dem Zweck der Investitionserleichterung zu dienen. Der Finanzierungszusammenhang wurde bei § 7g EStG a.F. im Rahmen der früheren Ansparrücklage versagt, wenn
im Zeitpunkt der Geltendmachung des Abzugs eine Investition nicht mehr durchführbar war, weil der Betrieb bereits aufgegeben oder veräußert worden war (BFH
13.5.04, IV R 11/02, BFH/NV 04, 1400) oder der Entschluss zur Betriebsveräußerung oder -aufgabe gefasst war (BFH 20.12.06, X R 31/03, BStBl II 07, 862; BFH
17.11.04, X R 41/03, BFH/NV 05, 848).
der Abzugsbetrag erst nach Ablauf des Investitionszeitraums geltend gemacht wird,
ohne dass tatsächliche Investitionen durchgeführt wurden oder der Abzug so kurz
vor Ablauf des Investitionszeitraums geltend gemacht wird, dass auch der Steuerpflichtige nicht damit rechnen kann, die Investition noch rechtzeitig durchzuführen
(BFH 29.11.07, IV R 82/05, BStBl II 08, 471).
Nach der nunmehr geltenden Fassung des Gesetzes ist – bei unterbliebener Investition – der ursprüngliche Betriebsausgabenabzug für das Abzugsjahr rückgängig zu
machen (§ 7g Abs. 3 EStG). Damit entfällt regelmäßig der Anreiz, den Investitionsabzugsbetrag auch dann in Anspruch zu nehmen, wenn tatsächlich keine Investitionsabsicht besteht. Demgegenüber steht der Annahme des Finanzierungszusammenhangs nicht entgegen, dass sich der Abzugsbetrag erst „geraume Zeit später”
nach Durchführung der Investition auf die Liquidität des Betriebs auswirkt, etwa
weil das Steuerfestsetzungsverfahren längere Zeit in Anspruch nimmt.
Hinweis | Im Streitfall kam es darauf, ob die Voraussetzung des Finanzierungszusammenhangs weiterhin zu prüfen ist, letztlich nicht an, weil die begünstigte Investition tatsächlich durchgeführt wurde und damit bereits der Subventionszweck des §
7g EStG erfüllt worden ist.
Gegen eine zeitliche Begrenzung der erstmaligen Geltendmachung bis zum Ablauf
der Einspruchsfrist könnte angeführt werden, dass es sich um ein zeitlich unbeschränktes Wahlrecht handelt. Folgt man dem, käme in Betracht, dass ein Investitionsabzugsbetrag bis zum Abschluss eines Klageverfahrens das jeweilige Streitjahr
betreffend geltend gemacht werden könnte (vgl. Strahl, NWB 12, 1814). M.E. ist
die Lösung aber differenziert zu beurteilen. Ob eine Investitionsabsicht zum Ende
Dr. Jörg Hellmer - Steuerberater
Steuerrecht aktuell III/2012
Seite 65
des Wirtschaftsjahrs, für das der Steuerpflichtige den Abzugsbetrag geltend macht
(= maßgebender Zeitpunkt), tatsächlich bestanden hat, lässt sich nur in Gestalt einer
Prognose der Investitionstätigkeit auf der Grundlage objektivierter wirtschaftlicher
Gegebenheiten überprüfen (vgl. BFH 8.6.11, I R 90/10, BFH/NV 11, 1594,
m.w.N.).
Zwar besteht nicht mehr in einem Ausmaß wie beim § 7g EStG a.F. die Gefahr
einer willkürlichen Inanspruchnahme, da der Betriebsausgabenabzug mit Wirkung
für die Vergangenheit zu korrigieren und eine Verzinsung nach § 233a AO vorzunehmen ist, wenn die Investition nicht innerhalb des 3-Jahreszeitraums vorgenommen wird. Dennoch lässt sich eine Verzinsung nach § 233a AO bei geschicktem
Vorgehen umgehen, indem z.B. der in § 233a AO für eine Verzinsung maßgebliche
15-Monatszeitraum „ausgeschöpft“ wird und der Investitionsabzugsbetrag erst kurz
vor dessen Ablauf rückgängig gemacht wird. Daher kann in bestimmten Fällen
nach wie vor ein Bedürfnis bestehen, die bedingungslose nachträgliche Geltendmachung einzuschränken.
Ein Investitionsabzug ist daher im Hinblick auf die frühere Voraussetzung des Finanzierungszusammenhangs m.E. allenfalls in den Fallgestaltungen zu versagen, in
denen die Investitionsfrist zum Zeitpunkt der erstmaligen Geltendmachung abgelaufen ist oder wenn der Betrieb zum Zeitpunkt der Geltendmachung bereits aufgegeben oder veräußert wurde und der Steuerpflichtige bis zu diesem Zeitpunkt nicht
investiert hat. In diesen Fällen kommt eine Investition unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr in Betracht. Diese Einschränkungen ließen sich allerdings auch
aus dem Tatbestandsmerkmal „beabsichtigt“ (vgl. § 7g Abs. 1 Nr. 2 EStG) ableiten,
auch wenn in zeitlicher Hinsicht an das spätere Geschehen nach Ablauf des Wirtschaftsjahres angeknüpft würde.
Das Geschehen nach Ablauf des Wirtschaftsjahres, für das der Investitionsabzugsbetrag geltend gemacht wird, lässt indes Rückschlüsse auf die Investitions- und
Nutzungsabsicht zu. Die in § 7g Abs. 1 Nr. 2 EStG vorausgesetzte Investitionsabsicht läge bei dieser Auslegung nicht vor, wenn eine Investition bei erstmaliger
Geltendmachung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr möglich ist. Über
diese Konstellationen hinaus besteht m.E. kein Bedürfnis, einen – wie auch immer
zu verstehenden – Finanzierungszusammenhang zu prüfen. Kann der Steuerpflichtige eine Investitionsabsicht zum Ende des Wirtschaftsjahrs, für das er den Abzugsbetrag geltend macht, glaubhaft machen, ist mithin auch eine Geltendmachung nach
Ablauf der Einspruchsfrist nicht ausgeschlossen. Dies ließ der BFH noch offen.
Allerdings dürften die Anforderungen an den Nachweis der Investitionsabsicht –
anders als bei der früheren Ansparrücklage (BFH 17.1.12, VIII R 23/0,BFH/NV 12,
933) – umso höher sein, je später der Investitionsabzugsbetrag nach Ablauf der
Einspruchsfrist geltend gemacht wird.
Als subjektive Tatbestandsvoraussetzungen für die Gewährung des Abzugsbetrags
sind nur die – erstmals ab 2007 ausdrücklich in das Gesetz aufgenommene – Investitionsabsicht und die nachfolgende Nutzungsabsicht zu prüfen; außerdem muss das
Wahlrecht ausgeübt werden. Eine Absicht zur Bildung des Abzugsbetrages bei Anschaffung wird nicht vorausgesetzt
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Steuerrecht aktuell III/2012
III.
1.
Seite 66
Körperschaftsteuer
VGA an Gesellschafter als Schenkung?
vGA an Gesellschafter und Schenkung
Eine vGA an einen Gesellschafter kann niemals eine Schenkung sein (Janssen, BB
08, 928, 930; Viskorf, DStR 11, 607; Winter, GStB 11, 106).
Vergütungen
In den meisten Fällen besteht eine vGA an Gesellschafter in überhöhten Vergütungen (Gehalt, Miete etc.). In diesen Fällen kommt eine Schenkung entsprechend dem
BFH-Urteil vom 2.2.05 schon deshalb nicht in Betracht, weil auch die überhöhte
Vergütung eine Gegenleistung für die Leistung des Gesellschafters darstellt. Als
Beweis dafür reicht, dass die Vergütung an die Leistung gebunden ist und nicht
unabhängig von dieser ausgezahlt wird.
Beispiel
Der Alleingesellschafter-Geschäftsführer erhält von der Gesellschaft ein Gehalt
von 500.000 EUR /Jahr. Das Gehalt ist laut BP um 200.000 EUR überhöht. Dennoch ist es auch in dieser Höhe eine Gegenleistung für die Arbeitsleistung des
Gesellschafters und damit keine Schenkung.
Andere vGA
Selbst wenn aber die Gesellschaft ihrem Gesellschafter einen Geldbetrag ohne Bezug auf einen schuldrechtlichen Vertrag überweist, so geschieht das immer aus gesellschaftsrechtlichen Gründen (sonst läge keine vGA vor) (auch Fuhrmann/Demuth, KÖSDI 09, 16613, 16621), also weil der Gesellschafter der Gesellschaft sein Geld als Kapital überlassen hat. Dies ist die Gegenleistung für jegliche
Leistungen der Gesellschaft an ihn (Janssen, BB 08, 928; Winter GStB 11, 106).
Ohne diese Kapitalüberlassung würde er keine vGA erhalten. Daher kann eine vGA
an den Gesellschafter niemals unentgeltlich sein und somit niemals eine Schenkung
darstellen.
Beispiel
Der Alleingesellschafter-Geschäftsführer nimmt 2.000 EUR aus der Kasse. Diese
werden als sonstiger Aufwand verbucht. Es handelt sich um eine vGA, eine
Schenkung liegt hingegen nicht vor, weil die Gesellschaft diese Zahlung nur aufgrund gesellschaftsrechtlicher Veranlassung vornimmt, also nicht unentgeltlich.
Dies dürfte auch der Ansicht des BFH entsprechen. Dieser hatte entschieden, dass
die disquotale Einlage gesellschaftsrechtlich veranlasst ist, für den „Rückweg“ der
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Seite 67
vGA kann daher nichts anderes gelten, auch wenn dieser Rückweg disquotal erfolgt
(Janssen, BB 08, 928, 930; Christ, ZEV 11, 10,14).
Eine vGA hat im Ertragsteuerrecht gerade keine subjektiven Voraussetzungen, eine
Schenkung hingegen sehr wohl. Eine Bereicherungsabsicht ist zwar nicht mehr
notwendig, erforderlich ist aber das Bewusstsein von der Unausgewogenheit der
gegenseitigen Leistungen (BFH 12.7.05 II, R 8/04, BStBl II 05, 845). Bei gegenseitigen Verträgen reicht das Bewusstsein des einseitig benachteiligten Vertragspartners über den Mehrwert seiner Leistungen aus, auf die Kenntnis des genauen Umfangs kommt es dabei nicht an (BFH 7.11.07, II R 28/06, BStBl II 208, 258). Im
Erlass vom 14.3.12 geht die Finanzverwaltung davon aus, dass hier die Kenntnis
des Geschäftsführers der GmbH genügt (Tz. 2.6.1 – handelnde Person). Tatsächlich
setzt dieser jedoch nur den Willen der Gesellschafter um. Der natürliche Wille der
GmbH ist nichts anderes als der ihr rechtlich wirksam zugeordnete Wille der Gesellschafter. Wenn aber der Wille der Gesellschafter entscheidend ist, dann kann
die GmbH selbst nicht Zuwendende im Rahmen der Schenkung sein (Viskorf,
DStR 11, 607, 610). Auch daher kommt eine Schenkung nicht in Betracht.
Die Auffassung der Finanzverwaltung im Erlass vom 14.3.2012
Das soll nun anders sein. Nach Ansicht der Verwaltung (a.a.O. Tz. 2.6.1 und 2.6.2)
soll eine vGA in der Quote zugleich eine Schenkung sein, in der an der Gesellschaft
noch andere Gesellschafter beteiligt sind. Bei einem Alleingesellschafter verbleibt
es also dabei, dass eine vGA niemals eine Schenkung sein kann (auch Neufang/Merz, BB 11, 2397, 2398). Ist jedoch ein begünstigter Gesellschafter zu 60 %
beteiligt, sollen 40 % der vGA eine Schenkung darstellen, es sei denn es werden im
zeitlichen Zusammenhang an beide Gesellschafter beteiligungsquotal vGA vorgenommen.
Beispiel
An der AB-GmbH ist A zu 60 %, B zu 40 % beteiligt. A erhält von der GmbH
einen Pkw und zahlt dafür 60.000 EUR unter Marktpreis. Nach Ansicht der Verwaltung soll in Höhe von (40 % x 60.000 EUR =) 24.000 EUR eine Schenkung
vorliegen. Das soll nur dann nicht gelten, wenn an B im zeitlichen Zusammenhang eine vGA in Höhe von 40.000 EUR erfolgt. Tatsächlich erhält A den Vorteil
aus der vGA als Gegenleistung für seine Kapitalüberlassung an die Gesellschaft
(Eigenkapital) und damit aus gesellschaftsrechtlichen Gründen und mithin nicht
unentgeltlich, sodass eine Schenkung nicht vorliegen kann. Gleiches gilt ggf. für
die vGA an B.
Zur Begründung lässt die Finanzverwaltung wissen, in der entsprechenden Höhe
erfolge die Auszahlung nicht in Erfüllung des Gesellschaftszwecks. Soll damit gesagt sein, dass sie nicht gesellschaftsrechtlich veranlasst ist, so wäre die Folge, dass
keine vGA mehr vorläge und die Zahlung mithin zwar schenkungsteuerlich relevant
wäre, nicht aber körperschaft- und einkommensteuerlich. Diese Folge wird freilich
von der Finanzverwaltung nicht gezogen.
Hinweise für die Praxis:
Nicht geklärt ist von der Finanzverwaltung ferner, in welcher Steuerklasse und mit
welchem Freibetrag die angenommene Schenkung zu versteuern wäre. GrundsätzDr. Jörg Hellmer - Steuerberater
Steuerrecht aktuell III/2012
Seite 68
lich wird die Verwaltung hier wohl von einer Schenkung der GmbH an ihren Gesellschafter ausgehen und Steuerklasse III mit einem Freibetrag von 20.000 EUR
anwenden. Zutreffend wäre es jedoch § 15 Abs. 4 ErbStG anzuwenden. Danach ist
für Steuerklasse und Freibetrag das Verhältnis des Gesellschafters zu dem Gesellschafter, der die vGA veranlasst hat, maßgebend. Dies kann der Mitgesellschafter
sein, das kann er aber auch selbst sein. Naheliegend wäre es jeweils das Verhältnis
zum Mitgesellschafter als maßgebend anzunehmen, da ja jeweils nur der Anteil der
vGA der Schenkungsteuer unterfällt, der gedanklich eigentlich dem Mitgesellschafter zusteht (a.A. Korezkij, DStR 12, 163, 166: keine Besteuerung). Das würde auch
dann gelten, wenn die vGA von einem gesellschaftsfremden Dritten oder einem
Geschäftsführer, der nicht Gesellschafter ist, veranlasst wurde.
Es dürfte jedenfalls nicht davon auszugehen sein, dass die Finanzverwaltung von
einer ertragsteuerlichen Erfassung der vGA absieht, soweit diese als Schenkung
gewertet wird (so aber Christ, ZEV 11, 10; wie hier Neufang/Merz, BB 11, 2397,
Winter, GStB 11, 106)
Handlungsbedarf
- Einspruch und Klagefälle
Mithin muss man derzeit bei vGA an Gesellschafter gegen die Festsetzung von
Einkommensteuer auch dann Einspruch einlegen, wenn die vGA grundsätzlich unstreitig ist, jedenfalls insoweit, als nach dem Erlass vom 14.3.12 die Festsetzung
von Schenkungsteuer in Betracht kommt. Dies ist notwendig für den Fall, dass das
Fehlen einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung für die Zahlung insoweit von
den Gerichten bestätigt werden sollte.
gegen die Festsetzung von Schenkungsteuer Einspruch einlegen, da tatsächlich
mangels Unentgeltlichkeit keine Schenkung vorliegt.
Gegen die Körperschaftsteuer muss hingegen kein Einspruch eingelegt werden, da
Zahlungen an den Gesellschafter, egal ob vGA oder Schenkung oder beides, Einkommensverwendung darstellen und nicht abziehbar sind (für Schenkungsteuer als
Personensteuer gilt zudem § 10 Abs. 2 KStG).
Neutralisierung der schenkungsteuerlichen Auswirkung einer vGA durch eine
weitere vGA
Die schenkungsteuerlichen Folgen einer vGA an den Gesellschafter sollen sich
nach Ansicht der Verwaltung nur ergeben, soweit die anderen Gesellschafter nicht
ebenfalls und beteiligungsquotal eine vGA erhalten. Daher ist bei Betriebsaufspaltungen hinsichtlich vGA wegen überhöhter Mieten eine Schenkung nur denkbar,
wenn die Beteiligungen bei Besitz- und Betriebsgesellschaft unterschiedlich hoch
sind (Neufang/Merz, BB 11, 2397), was jedenfalls nicht der Regelfall ist.
Kommt die Frage nach einer vGA, wie meist, in einer Betriebsprüfung auf, wäre
zudem darüber nachzudenken, was eine beteiligungsquotale vGA an die weiteren
Gesellschafter in zeitlichem und sachlichem Zusammenhang wäre, da eine solche
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Seite 69
nach Ansicht der Finanzverwaltung den Eintritt der schenkungsteuerlichen Folgen
vermeidet.
Beispiel
A ist zu 60 %, B zu 40 % an einer GmbH beteiligt. A erhält in 2008 bis 2010 jährlich 160.000 EUR GF-Gehalt. Im Jahre 2012 stellt eine BP fest, dieses Gehalt sei
um 60.000 EUR überhöht. Es werden die ertragsteuerlichen Folgen der vGA gezogen, zudem will die BP eine Schenkung der Gesellschaft an A in Höhe von
60.000 EUR annehmen. Um dies zu vermeiden, wird von der GmbH direkt nach
der BP eine Auszahlung an B in Höhe von 40.000 EUR vorgenommen, die zweifelsfrei eine vGA darstellt und auch als solche erklärt wird.
Da bis zur BP niemand wusste, dass eine vGA vorliegt, ist die vGA an B in zeitlichem und sachlichem Zusammenhang mit der vGA an A erfolgt. Der zeitliche Abstand von 2 bis 4 Jahren ist unerheblich. Es darf nicht nur auf die Auszahlungszeitpunkte abgestellt werden, vielmehr ist zu berücksichtigen, dass die Einordnung als
vGA eine rechtliche Qualifikation beinhaltet. Diese wurde erst in 2012 vorgenommen, sodass der zeitliche Zusammenhang auf jeden Fall gewahrt ist. Der sachliche
Zusammenhang ergibt sich daraus, dass die vGA an B offen erfolgte, um die
schenkungsteuerlichen Folgen der vGA an A zu vermeiden. Damit liegt ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang vor, die Finanzverwaltung darf damit, entsprechend Tz. 2.6.2. Beispiel 2 des Erlasses vom 14.3.12, keine schenkungsteuerlichen
Folgen aus der vGA an A ziehen.
Wird über die Frage der Wertung einer Zahlung als vGA prozessiert befindet
sich demnach auch noch eine vGA an den anderen Anteilseigner, die nach Abschluss des Prozesses erfolgt, im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zu
der streitigen vGA.
Zu solchen Einzelfragen hat sich die Finanzverwaltung nicht geäußert. Man muss
daher klar sehen, dass das Risiko besteht, dass die Finanzverwaltung im Beispiel
den zeitlichen Zusammenhang verneint und sowohl bei der vGA an A als auch bei
der vGA an B zusätzlich eine Schenkung annimmt. Die schenkungsteuerlichen Folgen ließen sich dann nur durch die Rückgängigmachung der Schenkung gemäß § 29
Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vermeiden. Dies setzt voraus, dass im Gesellschaftsvertrag
eine Rückfallklausel enthalten ist, nach der diese Schenkungen zurückerstattet werden müssen. Alternativ wäre noch ein Prozess gegen die Ansicht der Finanzverwaltung möglich, dessen Ausgang aber unsicher ist.
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2.
Seite 70
Feststellung eines EBITDA-Vortrags (OFD)
Für ein Wirtschaftsjahr mit einem positiven Zinsüberschuss (=Zinserträge
eines Betriebs sind gleich hoch oder höher als die Zinsaufwendungen) entsteht
kein EBITDA-Vortrag
(OFD Frankfurt/M. v. 17.07.2012 - S 2742a A - 4 - St 51).
I. Hintergrund:
Nach den gesetzlichen Regelungen zur Zinsschranke sind Zinsaufwendungen eines
Betriebes uneingeschränkt nur noch in Höhe der betrieblichen Zinserträge als Betriebsausgaben abzugsfähig (§ 4h Abs. 1 Satz 1b EStG). Die die betrieblichen
Zinserträge übersteigenden Zinsaufwendungen können grds. - nur noch bis zur Höhe von 30 v.H. des steuerlichen Gewinns vor Zinsen und Abschreibungen (EBITDA) als Betriebsausgaben angesetzt werden.
Der nach diesen Grundsätzen nicht abziehbare Zinsaufwand ist gesondert festzustellen und in nachfolgende Wirtschaftsjahre vorzutragen (EBITDA-Vortrag). Um
kleinere und mittlere Betriebe von der Abzugsbeschränkung auszunehmen, gilt eine
Freigrenze von 3 Mio. EUR.
Die Abzugsbeschränkung ist nicht anzuwenden, wenn der Betrieb nicht oder nur
anteilmäßig zu einem Konzern gehört (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b EStG).
II. Die Anweisung der Verwaltung:
Nach dem Wortlaut des § 4h Abs. 1 Satz 3 2. Halbsatz EStG entsteht ein EBITDAVortrag nicht in Wirtschaftsjahren, in denen § 4h Abs. 2 EStG die Anwendung von
§ 4h Abs. 1 Satz 1 EStG ausschließt.
Nach der von dem Gesetz vorgegebenen Prüfungsreihenfolge ist zunächst nach
§ 4h Abs. 2 EStG zu prüfen, ob überhaupt ein Anwendungsfall der Zinsschranke
gegeben ist, weil der Nettozinsaufwand die Freigrenze überschreitet, der Betrieb zu
einem Konzern gehört und seine Eigenkapitalausstattung schlechter ist als die des
Gesamtkonzerns, bzw. eine schädliche Gesellschafterfremdfinanzierung (§ 8a
KStG) vorliegt. Erst wenn danach ein Anwendungsfall der Zinsschranke zu bejahen
ist, sind nach § 4h Abs. 1 EStG die abziehbaren Zinsaufwendungen, das verrechenbare EBITDA, der Zinsvortrag und der EBITDA-Vortrag zu ermitteln.
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IV.
1.
Seite 71
Umsatzsteuer
Fahrten Wohnung - Arbeitsstätte eines GesellschafterGeschäftsführers
Kann das Fahrzeug auch zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte
genutzt werden, erhöht sich der 1%-Betrag um 0,03% des Listenpreises monatlich für jeden km der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte,
und zwar unabhängig davon, wie häufig das Fahrzeug für diese Fahrten genutzt wird. Der Anscheinsbeweis streitet dafür, dass ein vom Arbeitgeber zur
privaten Nutzung überlassener Dienstwagen auch tatsächlich privat genutzt
wird
FG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 25.11.2010 - 6 K 2514/09;
Revision wurde nun vom BFH zugelassen
I. Hintergrund:
Wird der geldwerte Vorteil der privaten Nutzung eines Dienstwagens typisierend
mit der 1%-Regelung besteuert, so erhöht sich der so ermittelte Betrag um monatlich 0,03% des Listenpreises für jeden Entfernungskilometer zwischen Wohnung
und Arbeitsstätte, wenn das Fahrzeug auch dafür genutzt werden kann (§ 8 Abs. 2
Satz 3 EStG). Für den Bereich der Lohnsteuer hatte der BFH hierzu mehrfach entschieden, dass dieser geldwerte Vorteil einen Korrekturposten zum Werbungskostenabzug darstellt und daher nur insoweit zur Anwendung kommt, wie der Arbeitnehmer den Dienstwagen auch tatsächlich für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt hat (BFH, Urteil v. 4.4.2008 - VI R 85/04). Für eine solche Nutzung bestehe zwar zunächst ein Anscheinsbeweis, dieser könne jedoch vom Arbeitnehmer entkräftet werden. Mit Schreiben v. 1.4.2011 (BStBl 2011 I S. 301) akzeptierte die Finanzverwaltung die neue Rechtsprechung für den Bereich der Lohnsteuer. Keine Anwendung soll die neue Rechtsprechung zur taggenauen Abrechnung der Fahrten zur Arbeit mit dem Dienstwagen jedoch bei Unternehmern finden
II. Sachverhalt:
Streitig war hier, ob die Fahrten des Gesellschafter-Geschäftsführers zwischen
Wohnung und dem Büro der Umsatzsteuer zu unterwerfen sind. Die Klägerin hatte
ihrem Alleingesellschafter-Geschäftsführer einen Anspruch auf Nutzung der durch
die Gesellschaft angeschafften PKW auch zu privaten Zwecken eingeräumt. Die
Versteuerung des geldwerten Vorteils sollte nach dem geschlossenen Vertrag der
Geschäftsführer übernehmen, Betriebs- und Unterhaltskosten die Gesellschaft. Im
Rahmen der Lohnversteuerung wurde der pauschale Ansatz von 0,03% für Fahrten
zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht angewendet. Nach einer Außenprüfung
bei der Klägerin wurden durch das FA zusätzlich 0,03% des inländischen Listenpreises für Kfz angesetzt, da das Fahrzeug für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt werden könne. Ein Fahrtenbuch als Nachweis dafür, dass keiner-
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Seite 72
lei Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte durchgeführt worden seien, sei
nicht vorgelegt worden.
III. Die Entscheidung des Gerichts:
Das FA hat zu Recht die gesetzliche Pauschale für Fahrten zwischen Wohnung und
Arbeitsstätte zum Ausgangspunkt der Umsatzbesteuerung genommen. Da ein Einzelnachweis (Fahrtenbuchmethode) nicht geführt worden ist, wurde unstrittig die
sogenannte 1%-Regelung angewendet. Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist regelmäßig davon auszugehen, dass ein Arbeitnehmer ein betriebliches Fahrzeug das ihm von seinem Arbeitgeber zur privaten Nutzung überlassen worden ist - tatsächlich in nicht unerheblichem Umfang zu privaten Zwecken einsetzen wird. Dies
gilt auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Diese Annahme gilt erst
recht, wenn es sich wie im Streitfall bei dem Arbeitnehmer um den GesellschafterAlleingeschäftsführer handelt. Seine regelmäßige Anwesenheit am Firmensitz, wo
sich auch das Büro nebst Ausstattung befindet, ist für die Ausübung seiner Tätigkeit unerlässlich. Zudem liegen keine Anzeichen für eine Vernachlässigung der mit
der Geschäftsführertätigkeit verbundenen Aufgaben vor. Die unstreitige Nutzungsmöglichkeit der für Privatfahrten geeigneten Fahrzeuge als Basis des Anscheinsbeweises erlaubt die Schlussfolgerung, dass der Kläger in den Streitjahren tatsächlich
Gebrauch gemacht und die Fahrzeuge auch für Fahrten Wohnung - Arbeitsstätte
genutzt hat. Im Streitfall ist der Anscheinsbeweis nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch nicht entkräftet worden.
IV. Hinwiese für die Praxis:
Nach einer entsprechenden Nichtzulassungsbeschwerde hat der BFH zwischenzeitlich die Revision zugelassen. Diese ist nun seit dem 20.8.2012 beim BFH unter
dem Aktenzeichen XI R 3/12 anhängig gemeldet. Der BFH muss sich hier mit der
Rechtsfrage befassen, ob für die Überlassung von Fahrzeugen an den Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte
dem Grunde nach ein Betrag in Höhe des lohnsteuerlich geldwerten Vorteils der
Umsatzsteuer zu unterwerfen ist, unabhängig davon, wie häufig die Fahrzeuge für
diese Fahrten genutzt werden?
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2.
Seite 73
Zur Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung
Nach Ansicht des BFH ist es ernstlich zweifelhaft, ob der Vorsteuerabzug aus
einer zunächst fehlerhaften Rechnung auch dann versagt werden kann, wenn
diese Rechnung später berichtigt wird, sofern das zunächst erteilte Dokument
die Mindestanforderungen an eine Rechnung erfüllt und daher Angaben zum
Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung,
zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthält. Des Weiteren hat der BFH zum Leistungsort bei einer Schadensregulierung Stellung
genommen
BFH, Beschluss v. 20.7.2012 - V B 82/11
I. Hintergrund:
Kann im Hinblick auf das Urteil des EuGH in der Rechtssache „Pannon Gép“ (vgl.
EuGH, Urteil v... 15.7.2010 - Rs. C-368/09) eine Rechnungsberichtigung Rückwirkung auf den Zeitpunkt entfalten, zu dem die ursprüngliche und berichtigte
Rechnung erteilt worden ist? Diese Frage ist nach wie vor nicht abschließend geklärt.
Interessant ist der jetzt veröffentlichte Beschluss deshalb, weil der BFH erstmals
darüber befunden hat, inwieweit mangelhafte Rechnungen i.S. des § 14 UStG mit
Rückwirkung nachgebessert werden können. Die bisherige strikte Versagung jeglicher Rückwirkung erachtet der BFH zumindest für ernstlich zweifelhaft, falls das
fehlerhafte Dokument die wesentlichen Merkmale des Rechnungsbegriffs erfüllt.
II. Die Entscheidung des Gerichts:
Ob sich aus dem Urteil des EuGH in der Rechtssache „Pannon Gép“ eine Rückwirkung für den Fall der Rechnungsberichtigung auf den Zeitpunkt der erstmaligen
Rechnungserteilung ergibt, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden und finanzgerichtlich sowie im Schrifttum umstritten. Für das Vorliegen der im Streitfall allein entscheidungserheblichen ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des festgesetzten Steueranspruchs spricht, dass eine derartige Rückwirkung mit dem Wortlaut des § 31 Abs. 5 UStDV vereinbar ist und der EuGH in seinem Urteil für eine
vergleichbare Fallkonstellation ebenfalls eine Rückwirkung der Rechnungsberichtigung zu bejahen scheint. Die gleichwohl an der Bedeutung des EuGH-Urteils
Pannon Gép bestehenden Zweifel, wie z.B. die Frage, wie diese Entscheidung mit
der EuGH-Rechtsprechung zu vereinbaren ist, nach der der erstmaligen Rechnungserteilung keine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Leistungserbringung zukommt (EuGH, Urteil v. 29.4.2004 - Rs. C-152/02, Terra Baubedarf-Handel), lassen die ernstlichen Zweifel nicht entfallen. Anmerkung: Der Senat konnte über die
Frage, ob im Streitfall ernstliche Zweifel an dem festgesetzten Steueranspruch bestehen, letztlich nicht selbst entscheiden. Er musste die Sache an das Finanzgericht
zur ergänzenden Tatsachenfeststellung zurückzuverweisen. Insoweit sei zu beachten, dass die Rechnungsberichtigung von einer erstmaligen Rechnungserteilung
abzugrenzen ist. Hierzu seien weitere Feststellungen zu treffen. Dabei könne das
FG von der Berichtigung einer bereits zuvor erteilten Rechnung jedenfalls dann
ausgehen, wenn das zunächst erteilte "Dokument", das später berichtigt werden
soll, zumindest die Merkmale des Rechnungsbegriffs des § 14c UStG aufweist und
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Seite 74
daher Angaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthalte.
Zum Leistungsort bei Schadensregulierung: Der BFH hat mit dem o.g. Beschluss
auch zum Leistungsort bei einer Schadensregulierung Stellung genommen und
klargestellt, dass keine ernstlichen Zweifel daran bestehen, dass die Leistungen
eines inländischen Schadensregulierers im Inland steuerbar sind und nicht dem
Empfängerortprinzip des § 3a Abs. 4 Nr. 3 UStG unterliegen. Die Schadensregulierungen – aus Kfz.-Unfällen im Inland – für ausländische Versicherungsunternehmen wären nach altem Recht (es ging um die Streitjahre 2005 bis 2008) nur dann
nach dem Empfängerortprinzip gem. § 3a Abs. 4 Nr. 3 UStG a.F. Auslandsleistungen, wenn man sie als rechtsanwaltsähnliche Leistungen einstufen könnte, wofür
der BFH keine hinreichenden Anhaltspunkte sieht. Nach dem neuen, ab 2010 geltenden Recht dürfte es sich dagegen i.d.R. um Leistungen für Unternehmer handeln, die nach § 3a Abs. 2 UStG dem Empfängerortprinzip unterliegen.
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3.
Seite 75
Vorsteuerabzug aus Dauerleistungen
Eine Bestätigung des Vermieters über die geschuldete und insgesamt zu zahlende Miete genügt bei summarischer Prüfung zur Konkretisierung der Angaben in einem Mietvertrag
FG Saarland, Beschluss v. 16.2.2012 - 2 V 1343/11; Beschwerde zugelassen
I. Hintergrund:
Ist in einem Vertrag über eine Dauerleistung (z.B. einem Mietvertrag), nur das Teilentgeld für einen Zeitabschnitt (z.B. pro Monat) genannt, so kann der Mietvertrag
alleine nicht als zum Vorsteuerabzug berechtigte Rechnung angesehen werden.
Eine Rechnung kann jedoch auch aus mehreren Dokumenten bestehen, aus denen
sich die nach § 14 Abs. 4 UStG geforderten Angaben insgesamt ergeben (§ 31 Abs.
1 UStDV). Bei (Miet- und) Pachtverträgen wird der abgerechnete Leistungsgegenstand, nämlich die Verpachtung für einen bestimmten Zeitraum (z.B. Monat), daher
regelmäßig erst durch die monatlichen Zahlungsaufforderungen oder -belege konkretisiert. Erst damit erhält die im Vertrag vereinbarte Monatspacht (einschließlich
gesondert ausgewiesenem Umsatzsteuerbetrag) die erforderlichen tatsächlichen
Ergänzungen, aufgrund derer eine für den Vorsteuerabzug ausreichende Leistungsbeschreibung angenommen werden kann (s. hierzu auch Abschn. 14.5 Abs. 17 Satz
3 UStAE).
II. Sachverhalt:
Der Antragsteller betrieb in den Streitjahren ein Fotolabor. Das Finanzamt versagte
u.a. den Vorsteuerabzug aus den vom Antragsteller geschuldeten Mieten. Für die
Vorsteuer habe es an dem – bei Teilzahlungen – erforderlichen Nachweis (monatliche Zahlungsaufforderungen oder –belege) gefehlt, um die Berechtigung zum Vorsteuerabzug zu erlangen. Unstreitig hatte der Antragsteller die von ihm geschuldeten Mieten in den Streitjahren zumindest teilweise nicht bezahlt. Er war jedoch u.a.
in Besitz einer Nebenkostenabrechnung des Vermieters, in der auch die offenen
Bruttomieten genannt waren.
II. Der Beschluss
Es ist ernstlich zweifelhaft, ob nicht auch eine Bestätigung des Vermieters über die
geschuldete und insgesamt zu zahlende Miete genügen kann, um die Angaben im
Mietvertrag so zu konkretisieren, dass ein Vorsteuerabzug aus der geschuldeten
Miete erfolgen kann. Nach der Entscheidung des EuGH v. 15.7.2010 (Rs. C368/09 - Pannon Gép) darf der Vorsteuerabzug dann nicht ausgeschlossen werden,
wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug im Streitjahr vorgelegen haben und eine ursprünglich falsche Rechnung korrigiert und der
Behörde vor Erlass einer endgültigen Entscheidung zugeleitet wird.
Vor diesem Hintergrund könnten auch die Bestätigungen des Vermieters über die
geschuldete und insgesamt zu zahlende Miete ausreichend sein, um die Angaben im
Mietvertrag so zu konkretisieren, dass ein Vorsteuerabzug erfolgen kann. Ein VorDr. Jörg Hellmer - Steuerberater
Steuerrecht aktuell III/2012
Seite 76
steuerabzug kommt im Streitfall danach für die vom Vermieter genannten NettoKaltmieten, aber auch nur für diese in Betracht. Denn die Nebenkosten einer umsatzsteuerpflichtigen Vermietung sind zwar ebenfalls umsatzsteuerpflichtig. Umsatzsteuer ist nach dem Mietvertrag, der Umlagenabrechnung und den vorgelegten
Aufstellungen des Vermieters jedoch nur auf die Kaltmieten geschuldet. Bezüglich
der Nebenkosten kann daher aus den vorliegenden Unterlagen keine Berechtigung
zum Vorsteuerabzug hergeleitet werden.
IV. Hinweise für die Praxis:
Das Gericht hat die Beschwerde zum BFH zugelassen, da bislang noch keine
höchstrichterliche Rechtsprechung zum Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit der
Rechnungsergänzung bei Dauerleistungen seit Ergehen der Entscheidung des
EuGH in der Rechtsache Pannon Gép vorliegt.
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Steuerrecht aktuell III/2012
4.
Seite 77
Entstehung der Steuer bei unrichtigem Steuerausweis (BMF)
Das BMF hat zur Entstehung der Steuer bei einem unrichtigen Steuerausweis
Stellung genommen und den Umsatzsteuer-Anwendungserlass entsprechend
angepasst
BMF, Schreiben v. 25.7.2012 - IV D 2 - S 7270/12/10001
I. Hintergrund:
Wer in einer Rechnung einen höheren Steuerbetrag ausweist, als er nach dem Gesetz schuldet (unrichtiger Steuerausweis), schuldet auch den Mehrbetrag (§ 14c
Abs. 1 UStG). Die (Mehr-)Steuer entsteht dabei grds. in dem Zeitpunkt, in dem die
regulär geschuldete Umsatzsteuer entsteht, spätestens jedoch im Zeitpunkt der Ausgabe der Rechnung (§ 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG).
Der Unternehmer kann in diesen Fällen den Steuerbetrag bzw. die Rechnung gegenüber dem Leistungsempfänger später berichtigen (§ 14c Abs. Satz 2 i.V. mit §
17 Abs. 1 UStG).
Die Berichtigung ist für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in welchem dem
Leistungsempfänger die berichtigte Rechnung erteilt wurde (s. Abschn. 14c Abs. 5
Satz 3 UStAE).
Das BMF hat dem UStAE Abschn. 13.7. neu angefügt: (…) Wird hingegen in einer Rechnung über eine nicht steuerbare oder steuerfreie Leistung Umsatzsteuer
gesondert ausgewiesen, entsteht die Steuer nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 zweiter Halbsatz
UStG im Zeitpunkt der Ausgabe der Rechnung (vgl. BFH, Urteil v. 8.9.2011 - V R
5/10)...
II. Hinweise für die Praxis:
Der BFH hatte u.a. entscheiden, dass die Steuerschuld aufgrund eines Steuerausweises in der Rechnung nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 2003 erst mit der Ausgabe der Rechnung entsteht. Im entschiedenen Fall
hatte der Unternehmer für im Inland nicht steuerbare Leistungen Rechnungen mit
gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer ausgegeben (BFH, Urteil v. 8.9.2011 - V R
5/10).
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5.
Seite 78
Doppelter Ausweis von Umsatzsteuer
Weist ein Unternehmer Umsatzsteuer doppelt aus, ohne dass ihm eine Steuerhinterziehung vorzuwerfen ist, so hat er die zusätzlich geschuldeten Umsatzsteuerbeträge in den Jahren zu passivieren, in denen sie infolge des doppelten
Ausweises entstanden sind, und nicht erst im Jahr der Aufdeckung dieser
Vorgänge durch die Betriebsprüfung. Werden die Rechnungen später berichtigt, so sind die sich daraus ergebenden Steuervergütungsansprüche im Jahr
der Rechnungskorrektur zu aktivieren
BFH, Urteil v. 15.3.2012 - III R 96/07
I. Hintergrund:
Wer in einer Rechnung einen höheren Steuerbetrag ausweist, als er nach dem Gesetz schuldet (unrichtiger Steuerausweis), schuldet auch den Mehrbetrag (§ 14c
Abs. 1 UStG). Ein unrichtiger bzw. überhöhter Steuerausweis in diesem Sinne
ergibt sich grds. auch bei Ausstellung mehrerer Rechnungen für ein und dieselbe
Leistung (im Streitfall: Ausweis der Umsatzsteuer sowohl in Abschlags- als auch in
Endrechnungen). Die (Mehr-)Steuer entsteht dabei in dem Zeitpunkt, in dem die
regulär geschuldete Umsatzsteuer entsteht, spätestens jedoch im Zeitpunkt der Ausgabe der Rechnung (§ 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG). Der Unternehmer kann in diesen Fällen den Steuerbetrag bzw. die Rechnung gegenüber dem Leistungsempfänger später
berichtigen (§ 14c Abs. Satz 2 i.V. mit § 17 Abs. 1 UStG). Die Berichtigung ist für
den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in welchem dem Leistungsempfänger die
berichtigte Rechnung erteilt wurde (s. Abschn. 14c Abs. 5 Satz 3 UStAE).
II. Sachverhalt:
Der Kläger ermittelte den Gewinn aus seinem Gewerbebetrieb durch Vermögensvergleich. Bei einer Außenprüfung in 2005 für die Jahre 2001 bis 2003 stellte das
Finanzamt fest, dass der Kläger in allen drei Streitjahren die Umsatzsteuer teilweise
doppelt ausgewiesen hatte, nämlich sowohl in den von ihm erteilten Abschlagsrechnungen als auch in den Schlussrechnungen.
III. Die Entscheidung des Gerichts:
Die zusätzlich geschuldeten Umsatzsteuerbeträge sind in den Streitjahren zu passivieren, in denen sie infolge des doppelten Ausweises entstanden sind, und nicht erst
im Jahr der Aufdeckung dieser Vorgänge durch die Betriebsprüfung. Die Zahlungsansprüche gegen das Finanzamt infolge der späteren Berichtigung der Rechnungen
mit unrichtigem Steuerausweis entstehen demgegenüber rechtlich erst in dem Besteuerungszeitraum, in dem die Rechnung berichtigt wird (§ 14c Abs. 1 Satz 2 i.V.
mit § 17 Abs. 1 UStG). Da die Rechnungen im Streitfall erst nach der Betriebsprüfung berichtigt wurden, entstanden die sich daraus ergebenden Ansprüche nicht
bereits in den Streitjahren.
IV. Hinweise für die Praxis:
Steuerschulden sind zu bilanzieren, wenn sie nach den steuerrechtlichen Vorschriften bis zum Ende des Wirtschaftsjahrs entstanden. Nichts anderes verlangt der BFH
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Seite 79
für den Fall der doppelten Rechnungsausstellung. Einkommensteuerlich verschiebt
sich dadurch jedenfalls die Belastung, weil die entsprechenden Steuervergütungsansprüche erst im Jahr der Rechnungskorrektur zu aktivieren sind. Das Finanzgericht hatte im Streitfall nicht festgestellt, dass dem Kläger eine Steuerhinterziehung
vorzuwerfen ist. Daher kam es hier nicht darauf an, dass eine Rückstellung für hinterzogene Steuern nicht gebildet werden darf, solange die Tat noch nicht entdeckt
ist (vgl. hierzu BFH, Urteil v. 27.11.2001 - VIII R 36/00).
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Steuerrecht aktuell III/2012
V.
1.
Seite 81
Abgabenordnung
Schadensersatz für Steuerberaterkosten nach fehlerhaftem Einkommensteuervorauszahlungsbescheid
Die Finanzverwaltung darf sich bei der steuerlichen Veranlagung hinsichtlich
der Bemessung einer zu erwartenden Steuerforderung gegen einen prominenten Steuerpflichtigen (hier: Carsten Maschmeyer) nicht allein auf Berichte in
den Medien verlassen. Der Steuerpflichtige ist dann berechtigt, die Hilfe eines
Steuerberaters in Anspruch zu nehmen und die entstehenden Kosten vom
Land ersetzen zu lassen.
OLG Braunschweig v. 23.08.2012
I. Der Sachverhalt:
Das Verfahren betrifft eine Schadensersatzklage des ehemaligen AWD-Chef Carsten Maschmeyer gegen das Land Niedersachsen wegen einer Pflichtverletzung des
Finanzamts als staatliche Behörde.
Der Kläger macht geltend, dass das Finanzamt ihm einen fehlerhaften Einkommenssteuervorauszahlungsbescheid erteilt habe. Insegsamt geht es dabei um Steuerforderung des Finanzamtes von mehr als 30 Mio. €. Daraufhin habe er ein Steuerberaterbüro damit beauftragen müssen, gegen den Bescheid Einspruch einzulegen,
so dass ihm hohe Steuerberaterkosten entstanden seien. Diese Kosten i.H.v. über
250.000 € verlangt er als Schadensersatz wegen des Fehlers des Finanzamtes zurück.
Das LG wies die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, dass ein Einspruch nicht
erforderlich gewesen sei, weil der Kläger statt dessen einen Antrag auf Anpassung
des Vorauszahlungsbescheides hätte stellen können und müssen.
II. Die Entscheidung des Gerichts:
Auf die Berufung des Klägers gab das OLG der Klage teilweise statt. Das Urteil ist
noch nicht rechtskräftig.
III. Hinweise für die Praxis:
Der Kläger hat gegen das beklagte Land Niedersachsen Anspruch auf Zahlung von
Schadensersatz i.H.v. rd. 60.000 €.
Der Finanzverwaltung ist bei der steuerlichen Veranlagung des Klägers ein Fehler
unterlaufen, weil sich die Beamten bei der Bemessung einer zu erwartenden Steuerforderung 2009 und der Frage, ob der Kläger auch 2009 AWD-Anteile veräußern
würde, nicht allein auf Berichte in den Medien hätten verlassen dürfen. Deshalb
war Maschmeyer berechtigt, die Hilfe eines Steuerberaters in Anspruch zu nehmen.
Denn bei einem Anpassungsantrag ohne zeitgleichen Einspruch hätte das unzumutbare Risiko bestanden, dass die Einspruchsfrist abläuft.
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Seite 82
Allerdings sind die Steuerberaterkosten nur zu einem Viertel vom Land Niedersachsen zu erstatten. Die vom Steuerberater abgerechneten Gebühren sind teilweise
überhöht und teilweise zu Unrecht geltend gemacht worden. Insbes. muss das Land
Niedersachsen nicht für Mehrkosten aufkommen, die dadurch entstanden sind, dass
der Kläger zwei Steuerberater beauftragt hat.
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2.
Seite 83
Änderung eines Gewinnfeststellungsbescheid
Verändert sich ein Auflösungsverlust nach § 17 EStG nachträglich, sind die
steuerlichen Folgen stichtagsbezogen im Jahr der Auflösung zu berücksichtigen und Bescheide nach § 175 AO zu ändern. Soweit der Steuerpflichtige mit
den Gläubigern eine neue Zahlungsvereinbarung trifft, die zu einem längeren
Zahlungslauf der von ihm übernommenen Zahlungsverpflichtungen führt,
tritt hierdurch allerdings keine Änderung des Auflösungsverlustes der Höhe
nach ein.
FG Köln v. 18.01.2012 – 3 K 594/09
I. Sachverhalt:
Der Kläger war zu 50 Prozent Gesellschafter sowie Geschäftsführer einer GmbH.
Mit Verträgen aus dem Jahr 1995 und 1997 ging der Kläger Bürgschaftsverpflichtungen für diese GmbH ein. Nachdem der Kläger im Jahr 1998 von den Gläubigern
aus der Bürgschaftsverpflichtung in Anspruch genommen worden war, wurde im
November 1998 ein Schuldanerkenntnis i.H.v. 800.000 DM zugunsten der Gläubigerin beurkundet. Im März 1999 wurde die Auflösung der GmbH dem Handelsregister angezeigt.
Im September 2000 schloss der Kläger mit der Gläubigerin einen Erlassvertrag.
Darin wurde vereinbart, dass der Kläger an der Gläubigerin 200.000 (102.258 €) zu
zahlen habe. Dieser Betrag sollte zinslos in gleichbleibenden Jahresraten von
20.000 DM beginnend mit dem 31.12.2001 fällig werden. Wie vom Kläger beantragt, berücksichtigte das Finanzamt im ursprünglichen Verlustfeststellungsbescheid auf den 31.12.1999 den Verlust aus der Bürgschaftsverpflichtung abgezinst
mit einem Betrag von 154.900 DM. Der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Einkommensteuerbescheid wurde vorläufig hinsichtlich der Höhe des Veräußerungsverlustes erlassen.
Der Kläger zahlte bis Ende 2003 60.000 DM an die Gläubigerin. Im Jahre 2005 und
2006 erfolgten keine Zahlungen. Aufgrund einer neuen Teilzahlungsvereinbarung
von Januar 2007 zahlte der Kläger beginnend mit dem Jahr 2007 mtl. 700 € auf die
ausstehende Forderung, sodass in den Jahren 2007 und 2008 jeweils 8.400 € gezahlt wurden. Das Finanzamt erließ daraufhin einen geänderten Verlustfeststellungsbescheid auf den 31.12.1999, in dem er eine neue Abzinsung der 140.000 DM
nun mit einer Aufschubzeit von 7 Jahren (Ende 1999 bis Ende 2006) und einer
Laufzeit von 8 Jahren und 6 Monaten berechnete. Soweit erkennbar leistete der
Kläger bis heute die vereinbarten Raten.
II. Entscheidung des Gerichts:
Das FG gab der gegen den Änderungsbescheid gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamts wird beim BFH unter dem Az. IX B 53/12 geführt.
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Seite 84
III. Hinweise für die Praxis:
Die Änderung des Verlustfeststellungs-Bescheides vom 12.6.2007 war rechtswidrig, da dem Beklagten keine Änderungsnorm zur Verfügung stand. Eine Änderung
nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO kommt nicht in Betracht.
Verändert sich ein Auflösungsverlust nach § 17 EStG nachträglich, sind die steuerlichen Folgen stichtagsbezogen im Jahr der Auflösung zu berücksichtigen und Bescheide nach § 175 AO zu ändern. Vorliegend hat sich aber der Veräußerungsverlust nicht nachträglich geändert. Soweit der Kläger mit der Gläubigerin eine neue
Zahlungsvereinbarung getroffen hat, die zu einem längeren Zahlungslauf der von
ihm übernommenen Zahlungsverpflichtungen führt, ist hierdurch keine Änderung
des Auflösungsverlustes der Höhe nach eingetreten.
Die Gewinnermittlung nach § 17 EStG hat stichtagsbezogen zu erfolgen. Der Gewinnermittlung sind deshalb im Regelfall auch künftige Einnahmen und Ausgaben
in Gestalt von Forderungen und Verbindlichkeiten zugrunde zu legen, soweit sie
den Veräußerungsgewinn beeinflussen. Der Veräußerungspreis wird bei der Gewinnermittlung nach § 17 EStG auch dann mit dem vereinbarten Betrag im Jahr der
Veräußerung erfasst, wenn er gestundet oder in Raten zu entrichten ist. Grundsätzlich ist deshalb auch die Verpflichtung des Gesellschafters aus einer Bürgschaft bei
der Ermittlung des Auflösungsverlustes - unabhängig vom Zeitpunkt der Zahlung
des Bürgen - bereits dann zu berücksichtigen, wenn der Gläubiger seinen Anspruch
aus der Bürgschaft geltend gemacht hat oder wenn mit einer Inanspruchnahme des
Bürgen ernstlich zu rechnen ist.
Vorliegend stand bereits im Jahr 2001 fest, dass der Kläger für eine Bürgschaftssumme i.H.v. 200.000 DM in Anspruch genommen würde. Der Kläger hat auf diese
Bürgschaft auch gezahlt. Die Bürgschaftsverpflichtung ist, seinem Antrag folgend
im Verlustfeststellungsbescheid für das Jahr 1999 abgezinst i.H.v. 181.037 DM
berücksichtigt worden... Der Bescheid ist mit diesem Betrag bestandskräftig geworden. Eine weitere Abzinsung kommt nicht in Betracht, da es sich um Auflösungsverluste handelt, die im Ergebnis nachträgliche Anschaffungskosten auf die
Beteiligung darstellen. Dabei ist der Nennbetrag der Forderung auch dann als Anschaffungskosten anzusetzen, wenn die Forderung unverzinslich gestundet ist.
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3.
Seite 85
Haftung für Umsatzsteuer
Die Haftungsinanspruchnahme für einen Umsatzsteuerrückforderungsanspruch wegen (angeblich) materiell-rechtlich zu Unrecht festgesetzter und
ausgezahlter negativer Umsatzsteuer (Vorsteuerüberschüsse) setzt voraus,
dass aufgrund der formellen Bescheidlage (Aufhebung oder Änderung der
Steuerfestsetzung) beim Steuerpflichtigen (Primärschuldner) festgestellt wurde, dass der Umsatzsteuererstattungs- bzw. Vergütungsanspruch nicht bestanden hat. Es genügt nicht, dass materiell-rechtlich kein Anspruch auf Festsetzung der negativen Umsatzsteuer und die Auszahlung des Überschusses
bestand. Die Steuerfestsetzung gegenüber dem Steuerpflichtigen (Primärschuldner) muss zunächst entsprechend der materiellen Rechtslage korrigiert
werden
BFH, Urteil v. 14.3.2012 – XI R 6/10
I. Hintergrund:
Ist eine Steuer oder eine Steuervergütung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt
worden ist, nach § 37 Abs. 2 AO gegen den Leistungsempfänger einen Anspruch
auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrages. Für die Finanzverwaltung ergibt sich aus dieser Vorschrift ein öffentlich-rechtlicher Rückforderungsanspruch, wenn der Rechtsgrund für eine Steuererstattung von Anfang an fehlt oder
später weggefallen ist. Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner) kann nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO durch Haftungsbescheid, auch für einen
Erstattungsanspruch i.S. des § 37 Abs. 2 AO, in Anspruch genommen werden.
II. Sachverhalt:
Der Kläger war Geschäftsführer einer GmbH, deren Sitz im Inland lag. Aufgrund
einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung stellte sich heraus, dass die GmbH ihr operatives Geschäft bereits im Gründungsjahr nach Griechenland verlegt hatte.
Nach Ansicht des FA war die GmbH kein inländisches Unternehmen, so dass ihr
Vorsteuern zu Unrecht erstattet wurden.
Nach Angaben des FA hob es die Umsatzsteuer-Voranmeldungen auf, jedoch bestritt der Kläger den Zugang der Bescheide. Der Kläger wurde als Geschäftsführer
der GmbH mit Haftungsbescheid für die Umsatzsteuersteuerschulden der GmbH in
Anspruch genommen...
III. Die Entscheidung des Gerichts:
Solange die den Zahlungen zugrunde liegenden Bescheide Geltung haben, ist weder
ein Erstattungsanspruch noch ein etwaiger Haftungsanspruch durchsetzbar. Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis sind
die Steuerbescheide, wobei Steueranmeldungen Steuerbescheiden gleich stehen.
Nach eben diesen Bescheiden richtet sich, ob eine Steuer oder eine Steuervergütung
ohne rechtlichen Grund gezahlt worden ist. Eine Rückforderung materiell zu viel
entrichteter Steuer kommt, unabhängig von der Frage der Entstehung des ErstatDr. Jörg Hellmer - Steuerberater
Steuerrecht aktuell III/2012
Seite 86
tungsanspruchs, nur dann in Betracht, wenn eine entgegenstehende Steueranmeldung, aufgehoben oder geändert worden ist. Dem Steuererstattungsanspruch des FA
stehen die bestehenden - wenn auch ggf. materiell unrichtigen - Steueranmeldungen
entgegen. Daher kann nach diesem Urteil der Haftungsschuldner auch nach Ergehen des Umsatzsteuer-Jahresbescheids gegenüber dem Steuerschuldner nicht durch
Haftungsbescheid für rückständige Umsatzsteuer-Vorauszahlungen in Anspruch
genommen werden.
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VI.
1.
Seite 87
Internationales Steuerrecht
Zur Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer - Rechtssache Meilicke
Für die Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer ist es nicht ausreichend, wenn eine Bank die anrechenbare ausländische Steuer lediglich aus
dem Körperschaftsteuersatz ableitet und bescheinigt. Denn hieraus ergibt sich
nicht, dass die Steuer von dem ausländischen Unternehmen auch tatsächlich
entrichtet wurde.
FG Köln 27.8.2012, 2 K 2241/02
I. Der Sachverhalt:
Die Kläger hatten Dividendeneinnahmen aus niederländischen und dänischen Aktien aus den Streitjahren 1995 bis 1997 i.H.v. insgesamt 16 984 DM geerbt. Im Oktober 2000 beantragten sie die Anrechnung von 3/7 der vom Erblasser erzielten
Dividendeneinnahmen. Zur Begründung gaben sie an, dass die in § 36 Abs. 2 Nr. 3
EStG vorgesehene Nichtanrechnung ausländischer Körperschaftsteuerbeträge gegen EG-Recht verstoße. Der EuGH habe im Urteil vom 6.6.2000 (Rs. C-35/98,
Verkooijen) in einer niederländischen Rechtssache entschieden, dass es mit dem
EG-Vertrag unvereinbar sei, wenn bei der Einkommensteuer für Inlandsdividenden
eine Steuerbefreiung gewährt werde, die für Dividenden aus anderen Mitgliedstaaten verweigert werde.
Das Finanzamt lehnte die Anrechnung der ausländischen Körperschaftsteuer ab,
weil das von den Klägern zitierte EuGH-Urteil nur die Niederlande binde und nicht
festgestellt werden könne, ob die dort geltende Rechtslage den deutschen Regelungen entspreche.
II. Die Entscheidung des Gerichts:
Das FG setzte das Verfahren aus und wandte sich mit insgesamt zwei Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH. Im Rahmen des bis zum Jahr 2000 geltenden
Anrechnungsverfahrens konnte nur die Körperschaftsteuer bei der persönlichen
Einkommensteuer des Anteilseigners angerechnet werden, die auf Dividenden einer
inländischen Kapitalgesellschaft entfiel. Infolge des ersten Vorlagebeschlusses hielt
der EuGH diese Beschränkung für rechtswidrig und schuf damit die Voraussetzung
für die Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer (Urt. 6.3.2007, Rs.: C-292/04,
"Meilicke").
Offen blieb hierbei allerdings, welche formellen Anforderungen an den Nachweis
ausländischer Körperschaftsteuer zu stellen waren. Infolgedessen hatte der Senat
den Rechtsstreit im Hinblick auf die praktischen Umsetzungsfragen erneut dem
EuGH vorgelegt. Im Urteil vom 30.6.2011 (Rs. C-262/09, Meilicke II) hat der
EuGH entschieden, dass die Anrechnung der ausländischen Steuer keine Körperschaftsteuerbescheinigung voraussetze, die dem seinerzeit geltenden deutschen
KStG entspreche. Ausreichend aber auch erforderlich seien insoweit Belege, die es
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Seite 88
den Steuerbehörden erlaubten, klar und genau zu überprüfen, in welcher Höhe die
ausländischen Dividenden tatsächlich mit ausländischer Körperschaftsteuer belastet
seien.
Daraufhin wies das FG die Klage ab. Es lies allerdings die Revision zum BFH zu.
Begründung:
Für die Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer reicht es nicht aus, wenn eine
Bank die anrechenbare ausländische Steuer lediglich aus dem Körperschaftsteuersatz ableitet und bescheinigt. Denn hieraus ergibt sich nicht, dass die Steuer von
dem ausländischen Unternehmen auch tatsächlich entrichtet wurde.
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VII.
1.
Seite 89
Schenkungsteuer
Berechnung des Zehnjahreszeitraums
Der für die Berücksichtigung von Vorerwerben entscheidende Zehnjahreszeitraum ist rückwärts zu berechnen. Dabei ist der Tag des letzten Erwerbs mitzuzählen. § 108 Abs. 3 AO ist bei der Berechnung nicht anzuwenden
BFH, Urteil v. 28.3.2012 - II R 43/11
I. Hintergrund:
Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG sind "mehrere innerhalb von zehn Jahren" anfallende Vermögensvorteile zusammenzurechnen. Fraglich ist, wie der Zeitraum „innerhalb von zehn Jahren“ zu berechnen ist. § 108 Abs. 1 AO regelt, dass für die
Berechnung von Fristen und für die Bestimmung von Terminen die §§ 187 bis 193
BGB entsprechend gelten, soweit nicht durch § 108 Abs. 2 bis 5 AO etwas anderes
bestimmt ist.
II. Sachverhalt:
Der Kläger und seine Frau schenkten ihrem Sohn mit notariellem Vertrag vom
31.12.1998 ein Grundstück. Nach einer weiteren Grundstücks-Schenkung Ende
1999 überließen sie dem Sohn mit notariell beurkundetem Vertrag vom 31.12.2008
ein drittes Grundstück. Das Finanzamt berücksichtigte bei der Festsetzung der
Schenkungsteuer für die Zuwendung vom 31.12.2008 auch die Schenkung vom
31.12.1998 als Vorerwerb. Die Beamten gingen davon aus, die Schenkung aus
1998 sei innerhalb des Zehnjahreszeitraums des § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG erfolgt.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte in allen Instanzen - wenn auch mit unterschiedlicher Begründung - Erfolg.
III. Die Entscheidung des Gerichts
Der Letzterwerb i.S. von § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG stellt kein Ereignis nach § 187
Abs. 1 BGB dar, sodass der Zehnjahreszeitraum nach § 187 Abs. 2 BGB zu berechnen ist. Dies hat zur Folge, dass der Tag des Letzterwerbs in den Zehnjahreszeitraum einzubeziehen ist. Der Zehnjahreszeitraum beginnt demnach wegen der
Rückwärtsberechnung mit dem Ende des Tages, an dem der letzte Erwerb erfolgt
ist. Das Ende des Zehnjahreszeitraums bestimmt sich analog § 188 Abs. 2 Alternative 2 BGB. Danach endet die Frist mit dem Beginn desjenigen Tages des letzten
Monats der Frist, welcher dem Tage nachfolgt, der durch seine Benennung oder
seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht. § 108 Abs. 3 AO ist hierbei nicht
anzuwenden. Es würde Sinn und Zweck des § 14 ErbStG widersprechen, einen
früheren Erwerb außerhalb des Zehnjahreszeitraums nur deshalb zu berücksichtigen, weil die Frist an einem Sonntag, einem gesetzlichen Feiertag oder einem
Sonnabend endet und daher bei entsprechender Anwendung der Regelung des §
108 Abs. 3 AO - wegen der Rückwärtsberechnung - auf den Beginn des vorangegangenen Werktages zu verlängern wäre.
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Seite 90
Für den Streitfall bedeutet dies: Die Frist des § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG begann am
31.12.2008 um 24:00 Uhr zu laufen. Sie endete am 1.1.1999 um 00:00 Uhr und
damit vor dem Ersterwerb.
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VIII.
1.
Seite 91
Gewerbesteuer
Kürzung für Gewinne aus veräußerten Mitunternehmeranteilen
Die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG für
Gewinne aus der Veräußerung von Mitunternehmeranteilen kommt nicht in
Betracht. Dies gilt auch für Zeiträume vor Einführung des § 9 Nr. 1 Satz 6
GewStG
FG Münster, Urteil v. 8.3.2012 - 9 K 4197/08 G; Revision zugelassen
I. Hintergrund:
Nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG können Unternehmen, die ausschließlich eigenen
Grundbesitz verwalten, auf Antrag den Gewerbeertrag um den Teil des Gewerbeertrages kürzen, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt. Zweck dieser Regelung ist es, die von einem kraft Rechtsform gewerbesteuerpflichtigen Unternehmen erzielten Erträge aus der bloßen Verwaltung und Nutzung
eigenen Grundbesitzes von der Gewerbesteuer aus Gründen der Gleichbehandlung
mit Steuerpflichtigen freizustellen, die (gewerbesteuerfrei) nur Grundstücksverwaltung betreiben. Nach § 9 Nr. 1 Satz 6 GewStG ist eine Kürzung für den Teil des
Gewerbeertrags ausgeschlossen, der auf Veräußerungs- oder Aufgabegewinne im
Sinne des § 7 Satz 2 Nr. 2 und 3 GewStG entfällt.
II. Sachverhalt:
Die Klägerin, eine gewerblich geprägte Kommanditgesellschaft, erzielte im Streitjahr 2003 Gewinne aus der Veräußerung von Kommanditanteilen an anderen Gesellschaften. Hierfür wollte sie die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9
Nr. 1 Satz 2 GewStG in Anspruch nehmen. Sie vertritt die Ansicht, dass der ausdrückliche Ausschluss dieser Gewinne von der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1
Satz 6 GewStG erst ab dem Veranlagungszeitraum 2004 gilt. Dem folgten Finanzamt und Finanzgericht nicht.
III. Die Entscheidung des Gerichts:
Die Klägerin kann die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht in
Anspruch nehmen. Gewinne aus der Veräußerung oder Aufgabe von Mitunternehmeranteilen durch Kapitalgesellschaften werden von der erweiterten Kürzung nach
§ 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG generell nicht erfasst. Der mit § 9 Nr. 1 Satz 6 GewStG ab
2004 ausdrücklich eingeführte Ausschluss der erweiterten Kürzung für Veräußerungsgewinne hat insoweit nur klarstellende Bedeutung. Denn die Veräußerung/Aufgabe von Mitunternehmeranteilen an einer grundstücksverwaltenden Personengesellschaft ist nicht als Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes im
Sinne des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG anzusehen.
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Steuerrecht aktuell III/2012
IX.
1.
Seite 92
Umwandlungssteuerrecht
Einbringung einer freiberuflichen Praxis und die Zurückbehaltung von
Honorarforderungen
Im Hinblick auf die Frage, ob die bei der Einbringung einer freiberuflichen
Praxis in eine Sozietät zurückbehaltenen Honorarforderungen erfolgswirksam
im Rahmen der Übergangsbesteuerung oder als (fingierte) Privatentnahme
oder erst im Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses zu erfassen sind, besteht für
die Steuerrechtspraxis - trotz eines Urteils des XI. Senats - eine erhebliche
Rechtsunsicherheit. Der VIII. Senat hat es nun in einem Fall für sachdienlich
empfunden, das BMF an dem Revisionsverfahren zu beteiligen.
BFH v. 26.06.2012 – VIII R 41/09
I. Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Steuerberater. Er führte zunächst eine Einzelpraxis. Im Rahmen dieser Tätigkeit ermittelte er seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG. Im Jahr 1996 vereinbarte er mit weiteren Steuerberatern die Gründung einer Sozietät in Form einer
GbR. Der Kläger verpflichtete sich dazu, im Januar 1997 seine bisherige Praxis
unter Aufdeckung sämtlicher stiller Reserven in die Sozietät einzubringen. Forderungen und Verbindlichkeiten, die bis dahin entstanden waren, waren von der Einbringungsverpflichtung ausgenommen.
Im Rahmen einer Außenprüfung beim Kläger kam die Steuerbehörde zu dem Ergebnis, dass die Zahlungseingänge der Jahre 1997 bis 1999 auf die Altforderungen
des Klägers ebenso gewinnerhöhend zu berücksichtigen seien wie die am
31.12.1999 noch ausstehenden Forderungsbeträge. Infolgedessen änderte das Finanzamt den Feststellungsbescheid des Klägers für 1997 entsprechend.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage teilweise statt. Es war der Auffassung,
dass der Kläger seine im Januar 1997 offenen Honorarforderungen nicht in die Sozietät eingebracht habe. Diese seien vielmehr Bestandteil seines Restbetriebsvermögens geworden. Den Gewinn dieses Restbetriebsvermögens könne der Kläger
nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln. Folglich seien die Forderungen erst bei tatsächlichem Zahlungseingang gewinnwirksam zu erfassen.
II. Beitritt der Finanzverwaltung:
Auf die Revision des Finanzamtes hielt es der BFH für sachdienlich, das Bundesministerium der Finanzen (BMF) zum Beitritt aufzufordern.
III. Hinweise für die Praxis:
Der XI. Senat hat mit Urteil vom 14.11.2007 (Az.: XI R 32/06) bereits entschieden,
dass Forderungen, die im Rahmen einer Praxiseinbringung zurückbehalten werden,
nicht zwangsläufig in das Privatvermögen des Einbringenden übergehen. Erklärt
der Steuerpflichtige nicht ausdrücklich eine Entnahme der zurückbehaltenen betrieblich begründeten Forderungen ins Privatvermögen, kann er diese auch ohne
Betrieb als Restbetriebsvermögen behandeln und schrittweise einziehen. Der erDr. Jörg Hellmer - Steuerberater
Steuerrecht aktuell III/2012
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kennende Senat hat nun zu entscheiden, ob er sich dieser Rechtsprechung anschließt und ob der Einbringende seine Forderungen ggf. in einem bestimmten Abwicklungszeitraum einziehen muss.
Da das in BFH/NV 2008, 385 abgedruckte BFH-Urteil nicht im Bundessteuerblatt
veröffentlicht wurde und deshalb von der Finanzverwaltung nicht angewendet wird
und zudem möglicherweise der Auffassung des BMF entgegensteht (Schreiben zur
Anwendung des Umwandlungssteuergesetzes i.d.F. des Gesetzes über steuerliche
Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften vom 11.11.2011), besteht für die Steuerrechtspraxis eine erhebliche Rechtsunsicherheit. Vor diesem Hintergrund hielt der
Senat es für sachdienlich, das BMF an diesem Revisionsverfahren zu beteiligen.
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2.
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Steuerfallen bei der Einbringung in eine Kapitalgesellschaft
Die Umwandlung eines Personenunternehmens in eine Kapitalgesellschaft ist nach
den Einbringungsvorschriften der §§ 20 bis 23UmwStG steuerneutral möglich,
wenn zum einen ein qualifizierter Einbringungsgegenstand vorliegt und daneben
die Sacheinlage gegen Gewährung neuer Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft erfolgt.
Der nachfolgende Musterfall beschäftigt sich mit einigen ausgewählten Steuerfallen, die sich bei einer steuerneutralen Einbringung in der Praxis ergeben können.
I. Richtige Gewährung von Gesellschaftsrechten bei Einbringungen
1. Einbringung mit Sacheinlage als Aufgeld
a) Gewährung von Gesellschaftsrechten als Voraussetzung für steuerneutrale
Einbringung
Die Einbringung in eine Kapitalgesellschaft nach §§ 20 und 21 UmwStG setzt voraus, dass die Sacheinlage zumindest zum Teil gegen Gewährung von neuen Anteilen an der übernehmenden Gesellschaft erfolgt.
Nach Rn. E 20.10 UmwStE 2011 entstehen neue Anteile nur im Fall der Gesellschaftsgründung oder Kapitalerhöhung. Ausreichend ist dabei bereits die Gewährung eines minimalen Anteils (z. B. eine Aktie bzw. ein GmbH-Geschäftsanteil im
Mindestumfang von 1 €), während gem. § 20 Abs. 2 Satz 4 und Abs. 3 Satz 3 UmwStG bis zur Höhe des Buchwerts des eingebrachten Betriebsvermögens
auch eine sonstige Gegenleistung der aufnehmenden Kapitalgesellschaft erfolgen
kann, ohne die Steuerneutralität zu gefährden.
Hinweis
Eine sonstige Gegenleistung kann aber nach Verwaltungsauffassung zu einem besonderen erbschaftsteuerlichen Problem führen.
Während die Einbringung des nach § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG begünstigtem Betriebsvermögens in eine Kapitalgesellschaft nach§ 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1
ErbStG unschädlich ist, entfallen die erbschaftsteuerlichen Vergünstigungen rückwirkend, soweit die für die Sacheinlage erhaltenen Anteile während der Behaltensfrist von fünf bzw. sieben Jahren veräußert werden.
Nach dem im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder ergangenen Erlass des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 3. 5. 2012 (33/34
- S 3812a - 026 - 16 815/12, FR 2012 S. 603) führt die Einbringung nach § 20
UmwStG insoweit zu einer erbschaftsteuerlich schädlichen Veräußerung von begünstigtem Betriebsvermögen i. S. von § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 ErbStG, soweit
neben den Gesellschaftsanteilen weitere Gegenleistungen von der aufnehmenden
Kapitalgesellschaft erbracht werden.
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b) Sacheinlage durch Aufgeld bei Bargründung oder -kapitalerhöhung
Für die Anwendung der §§ 20 bis 23 sowie 25 UmwStG ist es nach Rn. E 20.09
i. V. mit Rn. 01.44 UmwStE 2011 ausreichend, dass die Sacheinlage als Aufgeld
erbracht wird. Daraus folgt, dass neben einer Bareinlage aufgrund entsprechender
Verpflichtung als Aufgeld eine qualifizierte Sacheinlage (z. B. Betrieb oder Mitunternehmeranteil) erbracht werden kann. Die Finanzverwaltung folgt damit
dem BFH-Urteil vom 7. 4. 2010 - I R 55/09 ( BStBl 2010 II S. 1094).
Beispiel 1
Bei der X-GmbH wird eine Barkapitalerhöhung von 25.000 € auf 26.000 € beschlossen. Gesellschafter A verpflichtet sich zur Übernahme der neuen Stammeinlage mit der Maßgabe, zum einen die Bareinlage zu leisten und im Übrigen eine
Kommanditbeteiligung auf die GmbH zu übertragen. Für diese Beteiligung hat die
X-GmbH keine besondere Gegenleistung zu entrichten, da die Übertragung als
Agio zur übernommenen Bareinlage von 1.000 € angesehen und gem. § 272 Abs. 2
Nr. 1 HGB als Kapitalrücklage ausgewiesen wird. Die Kommanditbeteiligung wird
nach entsprechendem Antrag gem. § 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG mit dem Buchwert
bilanziert.
Lösung
Im vorliegenden Fall sind nach dem BFH-Urteil I R 55/09 die Voraussetzungen
des § 20 UmwStG 1995 für eine Sacheinlage erfüllt. Für die eingebrachten Mitunternehmeranteile werden jeweils neue Anteile gewährt, da diese im Rahmen eines
einheitlichen tauschähnlichen Einbringungsgeschäfts übertragen und als Aufgeld
im Rahmen einer Überpari-Emission geleistet wurden. Daran ändert es nichts, dass
die Nominalbeträge der übernommenen Geschäftsanteile jeweils bereits vollständig
durch die Bareinlagen abgedeckt waren.
c) Steuerliche Probleme bei der Kombination aus Bar- und Sacheinlage als
Aufgeld
Der BFH hat klargestellt, dass § 20 UmwStG aufgrund der eigenständigen Legaldefinition des umwandlungssteuerrechtlichen Begriffs der „Sacheinlage” auch dann
anzuwenden ist, wenn der Einbringungsgegenstand als reines Aufgeld – und somit
als „andere Verpflichtung i. S. von § 3 Abs. 2 GmbHG” – neben der Bareinlage zu
übertragen ist. § 20 Abs. 1 Satz 1 UmwStG setzt nämlich nicht voraus, dass auf die
Einbringung des betreffenden Betriebsvermögens die gesellschaftsrechtlichen Vorschriften über Sacheinlagen anwendbar sein müssen. Die Kombination aus Bareinlage und Sacheinlage als Aufgeld wird in der Praxis zum Teil deshalb gewählt, weil
damit die bei einer Sacheinlage regelmäßig vom Registergericht angeforderte
Werthaltigkeitsbescheinigung obsolet wird
Diese Vorgehensweise kann allerdings zu steuerlichen Problemen führen. Dies belegt der folgende Fall, der – vereinfacht dargestellt – dem Urteil des FG BadenDr. Jörg Hellmer - Steuerberater
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Württemberg zugrunde lag (vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 19. 4. 2011 11 K 4386/08).
Beispiel 2
V, der ein Einzelunternehmen betreibt, überträgt dieses nach § 6 Abs. 3 EStG zu
Buchwerten zum 1. 1. 2012 auf seinen Sohn S. Bereits im Dezember 2011 hat S
eine GmbH durch Bar-Einzahlung eines Stammkapitals von 25.000 € gegründet.
Nach der Vorgabe im Gesellschaftsvertrag der von S gegründeten GmbH, in dem u.
a. Folgendes vereinbart war, wurde auch vorgegangen:
„Es ist vorgesehen, dass Herr S unabhängig von der heutigen Gründung später den
Betrieb seines Vaters im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erhalten soll.
Herr S wird diesen Betrieb sodann in die GmbH, ohne Erhöhung des Kapitalkontos,
einbringen. Der Wert dieses Betriebs wird der Kapitalrücklage zugeschlagen.”
Lösung
Das FG Baden-Württemberg hat im Urteil 11 K 4386/08 eine steuerpflichtige Betriebsaufgabe i. S. von § 16 Abs. 3 EStG angenommen, da der Betrieb ohne Gewährung von Gesellschaftsrechten und damit unentgeltlich im Wege der verdeckten
Einlage auf die GmbH übertragen wurde. Die Anwendung des § 20 UmwStG wurde verneint. Die Regelungen des § 6 Abs. 3 EStG sind bei einer verdeckten Einlage nicht einschlägig, da ihr eine Entnahme des Betriebsvermögens
zwangsläufig vorausgeht, so dass eine Betriebsübertragung nicht mehr möglich ist
(vgl. BFH-Urteil vom 11. 2. 2009 - X R 56/06). Da die Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag keine Verpflichtung enthalten, sondern nur die künftige Einbringung
des Einzelunternehmens in die GmbH ankündigen, ist der Streitfall auch nicht mit
dem Sachverhalt vergleichbar, der dem BFH-Urteil I R 55/09 zugrunde lag.
Die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat der BFH inzwischen mit
Beschluss vom 1. 12. 2011 - I B 127/11 zurückgewiesen.
Nach Auffassung des BFH ergebe sich nämlich im Rahmen der Vertragsauslegung,
dass die Einbringung des Betriebs nicht in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zu der
Gewährung der Anteile an der GmbH gestanden habe. Ob den Regelungen im
streitbefangenen Gesellschaftsvertrag eine verbindliche Einbringungsverpflichtung
des Klägers entnommen werden kann und ob eine solche ggf. als Aufgeld zur Bareinlage oder aber als (unentgeltliche) verdeckte Einlage zu werten wäre, ist nach
Auffassung des BFH eine Frage des Einzelfalls, aus der keine der Rechtsfortbildung dienenden verallgemeinerungsfähigen Aussagen abzuleiten sind.
Die vorstehend dargestellte Kombination aus Bar- und Sacheinlage ohne entsprechende vertragliche Verpflichtung kann auch zu steuerlichen Problemen im Zusammenhang mit der Vorschrift des § 6 Abs. 3 EStG führen.
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d) Auflösung stiller Reserven bei verdeckter Einlage
Beispiel 3 (Variante zu Beispiel 2)
V, der ein Einzelunternehmen betreibt, hat zum 1. 1. 2011 seinen Sohn S unter
Anwendung von § 6 Abs. 3 Satz 2 EStG in das Unternehmen aufgenommen. Das
Unternehmen wurde fortan als OHG weitergeführt, an der V zu 60 % und S zu
40 % beteiligt sind. Das V allein gehörende Betriebsgrundstück (wesentliche Betriebsgrundlage) hat dieser seit dem 1. 1. 2011 an die OHG vermietet. Im Dezember
2011 gründen V und S eine GmbH durch Bar-Einzahlung des Stammkapitals, wobei V eine Stammeinlage von 15.000 € und S eine Stammeinlage von 10.000 €
übernehmen. Zum 1. 1. 2012 bringen V und S ihre OHG-Anteile in die GmbH ohne
weitere Kapitalerhöhung ein. Das Betriebsgrundstück vermietet V ab dem 1. 1.
2012 an die GmbH.
Lösung
Da mangels Gewährung neuer Gesellschaftsrechte keine Einbringung der OHGAnteile nach § 20 UmwStG, sondern eine verdeckte Einlage vorliegt, sind die stillen Reserven im eingebrachten Betriebsvermögen aufzulösen und zu versteuern.
Dies gilt indes nicht für das an die GmbH überlassene Betriebsgrundstück, da nach
der Übertragung des übrigen Betriebsvermögens eine Betriebsaufspaltung entsteht.
Da die personelle und sachliche Verflechtung in der Person des V gegeben sind,
wird das Betriebsgrundstück nach § 6 Abs. 5 Satz 2 EStG zu Buchwerten aus dem
Sonderbetriebsvermögen des V in das Betriebsvermögen des Besitzunternehmens
überführt.
Gleichzeitig hat S seinen Mitunternehmeranteil an der OHG aufgegeben und damit
gegen die fünfjährige Behaltensregelung in § 6 Abs. 3 Satz 2 EStG verstoßen. Die
Rechtsfolge ist, dass bereits V als Übertragender nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
AO rückwirkend zum 1. 1. 2011 einen laufenden Gewinn aus den gesamten stillen
Reserven des übertragenen Betriebsvermögens zu versteuern hat, der auch der Gewerbesteuer unterliegt (vgl. Schmidt/Kulosa, EStG, 31. Aufl., § 6 Rn. 666). Die
Übertragung der OHG-Anteile auf die GmbH führt somit rückwirkend bei V zu
einer vollen Versteuerung der stillen Reserven im ehemaligen Einzelunternehmen.
Da S anschließend seinen Anteil an der OHG zum Teilwert übernimmt, sind bei V
wie auch bei S trotz Nichtanwendung von § 20 UmwStG lediglich die stillen Reserven zu versteuern, die sich seit der Aufnahme des S in der OHG gebildet haben.
2. Kapitalerhöhungsverbot und -verzicht
Nach Rn. E 20.10 UmwStE 2011 liegt keine für die Anwendung des § 20 UmwStG erforderliche Gewährung neuer Anteile vor, wenn z. B. bei einer übernehmenden GmbH das Kapitalerhöhungsverbot nach § 54 Abs. 1 Satz 1 UmwG zu
beachten ist.
Daneben kann die übernehmende Gesellschaft in den in § 54 Abs. 1 Satz 2
GmbHG genannten Fällen auf eine Kapitalerhöhung verzichten oder nach§ 54
Abs. 1 Satz 3 UmwG von der Gewährung von Geschäftsanteilen absehen, wenn alle
Anteilsinhaber eines übertragenden Rechtsträgers darauf verzichten.
Bei einem solchen freiwilligen Kapitalerhöhungsverzicht kann sich z. B. bei der
Seitwärtsverschmelzung einer Personengesellschaft auf eine SchwesterKapitalgesellschaft eine Steuerfalle ergeben, wie das nachfolgende Beispiel zeigt:
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Beispiel 4
X ist jeweils Alleingesellschafter der S-GmbH & Co. KG und der T-GmbH. Die SGmbH & Co. KG soll auf die T-GmbH verschmolzen werden. Gemäß § 54 Abs. 1
Satz 3 UmwG verzichtet X mit notarieller Beurkundung auf die Kapitalerhöhung
bei der übernehmenden T-GmbH.
Lösung
Während zivilrechtlich der Verschmelzung nichts im Wege steht, ist § 20 UmwStG mangels Gewährung neuer Anteile nicht anwendbar, so dass aufgrund der
verdeckten Einlage zwingend die stillen Reserven im eingebrachten Betriebsvermögen der S-GmbH & Co. KG aufgedeckt und versteuert werden müssen. Es zeigt
sich, dass Umwandlungs- und Umwandlungssteuerrecht nicht aufeinander abgestimmt sind.
Die Versteuerung bei der Einbringung kann vermieden werden, wenn bei der aufnehmenden T-GmbH zumindest eine minimale Kapitalerhöhung vorgenommen
wird. Der den Betrag der Kapitalerhöhung überschreitende Buchwert des eingebrachten Betriebsvermögens kann in die Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 Nr. 2
HGB eingestellt werden bzw. als Darlehensforderung des Einbringenden (sonstige
Gegenleistung i. S. des § 20 Abs. 2 Satz 4 UmwStG) ausgewiesen werden.
Hinweis
Wäre z. B. die T-GmbH auf die S-GmbH & Co. KG verschmolzen worden, ergäben
sich keine Probleme, da gem. § 3 UmwStG steuerlich bei der Seitwärtsverschmelzung der T-GmbH auf die S-GmbH & Co. KG die Gewährung neuer Anteile und
somit auch eine Kapitalerhöhung nicht erforderlich ist. Entsprechendes gilt – unabhängig von der Verschmelzungsrichtung – bei der Seitwärtsverschmelzung von
zwei Kapitalgesellschaften, denn auch in § 11 UmwStG wird steuerlich keine Gewährung neuer Gesellschaftsrechte verlangt.
3. Anwachsungsmodell bei der GmbH & Co. KG
a) Einfaches Anwachsungsmodell
Eine vergleichbare Steuerfalle enthält auch das Anwachsungsmodell, das z. B. bei
der Umwandlung einer GmbH & Co. KG in die personen- und beteiligungsidentische bisherige Komplementär-GmbH eingesetzt werden kann. Zu diesem Zweck
treten sämtliche Kommanditisten aus der GmbH & Co. KG aus und das Vermögen
wächst der verbliebenen Komplementär-GmbH gem. § 738 BGB und § 142
HGB an. Scheiden die Kommanditisten aus der KG aus, ohne dass diese einen
Ausgleich in Form neuer Gesellschaftsrechte an der Kapitalgesellschaft erhalten,
fehlt die für die Anwendung des § 20 UmwStG erforderliche Gewährung neuer
Anteile.
b) Erweitertes Anwachsungsmodell
Dagegen ist beim sog. erweiterten Anwachsungsmodell, bei dem die Kommanditisten ihre Kommanditanteile gegen Gewährung neuer Anteile in die KomplementärGmbH einbringen, § 20 UmwStG anwendbar. Dies wird auch durch die Rn. 01.44
und E 20.10 UmwSt-Erlass 2011 bestätigt. Da § 20 UmwStG die Einbringung eines
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Mitunternehmeranteils voraussetzt, müssen funktional wesentliche Betriebsgrundlagen im Sonderbetriebsvermögen der Kommanditisten mit eingebracht werden.
Nach der Billigkeitsregelung in Rn. 20.09 UmwStE 2011 brauchen die Anteile an
der Komplementär-GmbH, soweit diese überhaupt eine wesentliche Betriebsgrundlage darstellen (vgl. dazu das BFH-Urteil vom 25. 11. 2009 - I R 72/08, BStBl 2010
II S. 471 sowie die Verfügung der OFD Münster/Rheinland vom 23. 3. 2011), nicht
mit eingebracht zu werden, da anderenfalls eigene Anteile bei der GmbH entstehen.
Jedoch muss sich der Einbringende durch unwiderruflichen Antrag damit einverstanden erklären, dass die zurückbehaltenen Anteile an der übernehmenden Gesellschaft künftig in vollem Umfang als Anteile i. S. des § 22 Abs. 1 UmwStG zu behandeln sind, die durch eine Sacheinlage erworben worden sind. Als Anschaffungskosten der erhaltenen Neu- und Altanteile gilt der Wertansatz des eingebrachten Vermögens zuzüglich des Buchwerts der zurückbehaltenen Anteile. Werden die
Anteile innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren nach der Einbringung veräußert oder wird ein Ersatztatbestand gem. § 22 Abs. 1 Satz 6 UmwStG erfüllt,
kommt es insoweit zur rückwirkenden Besteuerung des Einbringungsvorgangs
nach § 22 Abs. 1 UmwStG.
Hinweis
Beim Formwechsel einer GmbH & Co. KG in eine GmbH gehören die Anteile an
der Komplementär-GmbH nach der Verfügung der OFD Münster/Rheinland vom
23. 3. 2011 nicht zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen. Für die Anwendung
von § 20 UmwStG ist daher ein Zurückhalten der Anteile auch ohne Inanspruchnahme der Billigkeitsregelung nach Rn. 20.09 UmwStE 2011 unschädlich.
II. Richtige Ausübung des Bewertungswahlrechts
1. Antragstellung nach § 20 Abs. 2 UmwStG
a) Antragstellung für die Ausübung des steuerlichen Bewertungswahlrechts
Sind die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 UmwStG erfüllt, hat die übernehmende
Kapitalgesellschaft unter den in § 20 Abs. 2 UmwStG genannten Voraussetzungen
und abweichend vom Regelansatz mit dem gemeinen Wert das Wahlrecht, das eingebrachte Betriebsvermögen – mit Ausnahme von Pensionsrückstellungen, die
nach § 6a EStG zu bewerten sind – entweder mit dem Buchwert oder mit einem
Zwischenwert anzusetzen. Nach Rn. 20.20 UmwStE 2011 kann das steuerliche
Bewertungswahlrecht unabhängig vom Wertansatz in der Handelsbilanz ausgeübt
werden. Damit ist es möglich, in der Handelsbilanz die Zeitwerte anzusetzen, während in der Steuerbilanz z. B. die Buchwerte fortgeführt werden.
Der Ansatz zum Buchwert oder Zwischenwert setzt einen Antrag voraus, der nach
Rn. 20.21 UmwStE 2011 von der übernehmenden Kapitalgesellschaft spätestens bis
zur erstmaligen Abgabe ihrer steuerlichen Schlussbilanz bei dem für ihre Besteuerung zuständigen Finanzamt zu stellen ist.
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Während die steuerliche Schlussbilanz i. S. des § 3 Abs. 1 UmwStG nach Rn. 03.01
UmwStE 2011 eine eigenständige Bilanz und von der Gewinnermittlung i.
S. des § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 EStG zu unterscheiden ist, geht die Finanzverwaltung
offensichtlich davon aus, dass die steuerliche Schlussbilanz i. S. von § 20 Abs. 2
UmwStG die (normale) Steuerbilanz i. S. von § 8 Abs. 1 KStG i. V. mit § 5 Abs. 1
Satz 1 EStG ist, in der das übernommene Betriebsvermögen erstmals anzusetzen
ist.
Dies erscheint auch sinnvoll, da die in § 3 Abs. 1 UmwStG angesprochene Schlussbilanz einen völlig eigenständigen Charakter hat und tatsächlich eine Schlussbilanz
im Sinne einer letztmaligen Bilanzierung der untergehenden Gesellschaft darstellt.
b) Antragstellung bis zur regulären steuerlichen Jahresbilanz
Geht man davon aus, dass mit der steuerlichen Schlussbilanz die reguläre steuerliche Jahresbilanz der übernehmenden Gesellschaft gemeint ist, ergibt sich im Zusammenhang mit der Antragstellung Folgendes:
Beispiel 5
Am 15. 7. 2012 wird rückwirkend die Einbringung eines Personenunternehmens in
die bestehende A-GmbH mit einem dem Kalenderjahr entsprechenden Wirtschaftsjahr unter Fortführung der Buchwerte beschlossen. Als steuerlicher Übertragungsstichtag nach § 20 Abs. 5 und 6 UmwStG wird der 31. 12. 2011 bzw. alternativ der
1. 1. 2012 gewählt. Der Jahresabschluss zum 31. 12. 2011 einschließlich der Steuererklärungen der A-GmbH wurden bereits im Mai 2012 beim Finanzamt abgegeben.
Lösung
Der Antragstellung auf Buchwertfortführung steht die bereits abgegebene Bilanz
zum 31. 12. 2011 nicht entgegen, da in dieser Bilanz das übernommene Betriebsvermögen noch nicht angesetzt worden ist. Als für den Antrag maßgebende steuerliche Schlussbilanz ist daher die noch auf den steuerlichen Übertragungsstichtag zu
erstellende Bilanz zum 31. 12. 2011 anzusehen.
Wird dagegen der 1. 1. 2012 als steuerlicher Übertragungsstichtag gewählt, muss
der Antrag auf Buchwertfortführung spätestens bis zur Abgabe der Steuerbilanz
zum 31. 12. 2012 gestellt werden. Entsprechendes gilt, wenn die A-GmbH durch
die rückwirkende Einbringung zum 1. 1. 2012 neu gegründet worden ist.
c) Konkludente Antragstellung möglich?
Nach Rn. 20.21 UmwStE 2011 sind nach Abgabe der steuerlichen Schlussbilanz
gestellte Anträge unbeachtlich. Noch nicht abschließend geklärt ist, ob der Antrag
auf Ansatz der Buch- oder Zwischenwerte auch konkludent gestellt werden kann.
Wegen des in Rn. 20.21 enthaltenen Hinweises auf Rn. 03.29 UmwStE 2011 wird
im Schrifttum ein konkludenter Antrag auf Buchwertfortführung für möglich gehalten, wenn die ausdrückliche Erklärung abgegeben wird, dass die Steuerbilanz i.
S. des § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 EStGgleichzeitig die steuerliche Schlussbilanz sein
soll.
Ob der Hinweis auf Rn. 03.29 UmwStE 2011 tatsächlich auch in Einbringungsfällen einen konkludenten Antrag auf Buchwertansatz ermöglicht, erscheint indes
fraglich (zurückhaltend z. B. Hötzel/Kaeser in Flick/Gocke/Schaumburg/BDI,
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S. 347 f.). Um ein Besteuerungsrisiko zu vermeiden, ist deshalb ein ausdrücklicher
schriftlicher Antrag empfehlenswert.
d) Drittanfechtungsrecht bei Verfolgung eines höheren Wertansatzes durch
das Finanzamt
Da der von der übernehmenden Kapitalgesellschaft gewählte Wertansatz nach § 20
Abs. 3 Satz 1 UmwStG unmittelbare Auswirkungen auf die Besteuerung des Einbringenden hat, ist durch entsprechende Regelungen im Einbringungsvertrag sicherzustellen, dass z. B. der Ansatz von Buchwerten bei der Übernehmerin erfolgt.
Nach dem BFH-Urteil vom 8. 6. 2011 - I R 79/10 ( BStBl 2012 II S. 421) steht allerdings dem Einbringenden das Drittanfechtungsrecht gegen die Steuerfestsetzung
bei der Kapitalgesellschaft zu, wenn das Finanzamt einen höheren als den von der
Kapitalgesellschaft gewählten Wertansatz verfolgt.
2. Negatives Eigenkapital beim Einbringenden
a) Einschränkung des Bewertungswahlrechts
Das Bewertungswahlrecht nach § 20 Abs. 2 UmwStG wird eingeschränkt, soweit
die Passivposten des eingebrachten Betriebsvermögens die Aktivposten (ohne Berücksichtigung des Eigenkapitals) übersteigen. In einem solchen Fall ist das eingebrachte Betriebsvermögen mindestens mit 0 € anzusetzen. Der hieraus resultierende
Ansatz zu Zwischenwerten oder zu gemeinen Werten führt zu einer Auflösung stiller Reserven und insoweit zu einem steuerpflichtigen Gewinn beim Einbringenden.
Um eine Versteuerung zu vermeiden, kann das negative Betriebsvermögen durch
Einlagen vor der Einbringung ausgeglichen werden oder es werden in entsprechender Höhe betriebliche Schulden zurückbehalten.
b) Finanzverwaltung: Negatives Betriebsvermögen durch übermäßige Entnahmen
Nach Auffassung der Finanzverwaltung in Rn. 20.19 UmwStE 2011 kann ein negatives Betriebsvermögen auch durch übermäßige Entnahmen aus dem einzubringenden Betriebsvermögen entstehen, die in dem Rückbeziehungszeitraum zwischen der
Eintragung der Sacheinlage im Handelsregister bzw. der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums auf die Kapitalgesellschaft und dem zurück bezogenen Einbringungszeitpunkt getätigt werden und das Eigenkapital des einzubringenden Betriebs am steuerlichen Übertragungsstichtag übersteigen. Nach § 20 Abs. 5 Satz 2
UmwStG gilt nämlich die steuerliche Rückbeziehung der Einbringung nicht für
Entnahmen und Einlagen, die nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag erfolgen.
Die Anschaffungskosten der im Zuge der Einbringung erhaltenen Anteile vermindern sich jedoch nach § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG um den Buchwert der Entnahmen und erhöhen sich um den Wert der Einlagen.
Zum Ausgleich eines entnahmebedingten negativen Betriebsvermögens soll eine
Wertaufstockung vorgenommen werden, womit es zu einer Aufdeckung der stillen
Reserven kommt (vgl. Patt/Rasche, DStR 1995 S. 1529; Patt in
Dötsch/Jost/Pung/Witt, § 20 UmwStG, Rz. 223).
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Beispiel 6
Das Einzelunternehmen des A wird mit steuerlicher Rückwirkung zum 1. 1. 2012
(Eintragung im Handelsregister am 5. 8. 2012) in die neu gegründete A-GmbH mit
einem Stammkapital von 25.000 € eingebracht. In der Zeit zwischen dem 1. 1. 2012
und 5. 8. 2012 entnimmt A 100.000 € aus dem Einzelunternehmen. Im Anlagevermögen sind stille Reserven in Höhe von 200.000 € vorhanden.
Bilanz des Einzelunternehmens zum 31. 12. 2011
Anlagevermögen
100.000 € Kapital
25.000 €
Bank
100.000 € Verbindlichkeiten
175.000 €
200.000 €
200.000 €
Da nach Rn. 20.19 UmwStE 2011 in der Steuerbilanz der A-GmbH eine Aufstockung in Höhe von 75.000 € zu erfolgen hat, sind demnach stille Reserven im Anlagevermögen aufzustocken. Es kommt zu einem Zwischenwertansatz in Höhe von
75.000 € und zu einem Einbringungsgewinn in gleicher Höhe.
Durch die zwangsweise Auflösung von stillen Reserven in Höhe von 75.000 € wird
im Übrigen verhindert, dass negative Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile
entstehen.
c) Abweichende Ansicht in der Literatur
Im Schrifttum wird auch die Auffassung vertreten, dass durch übermäßige Entnahmen ein negatives Betriebsvermögen nicht entstehen kann (vgl. z. B. Widmann in
Widmann/ Mayer, Umwandlungsrecht, § 20 UmwStG Rn. 553; Menner in Haritz/
Menner, UmwStG, 3. Aufl., § 20 Rn. 706).
Vielmehr sollen solche Entnahmen im Rückbeziehungszeitraum ggf. zu negativen
Anschaffungskosten führen. Nach dem BFH-Urteil vom 20. 4. 1999 - VIII R
44/96 ( BStBl 1999 II S. 698) zur Rückzahlung von Beträgen aus dem sog. EK 04
(heute steuerliches Einlagekonto i. S. des § 27 KStG) können nämlich durchaus
negative Anschaffungskosten bei im Privatvermögen gehaltenen Anteilen an Kapitalgesellschaften entstehen.
Die im Schrifttum von Patt/Rasche (vgl. DStR 1995 S. 1529) sowie in Rn. 20.19
UmwStE 2011 vertretene Ansicht, der sich auch das FG Nürnberg angeschlossen
hat (vgl. FG Nürnberg, Urteil vom 30. 6. 2009 - I 21/2006, nrkr., Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt beim BFH unter Az. I B 139/09), vermag zwar die Besteuerungslücke zu schließen, die sich bei Annahme negativer Anschaffungskosten
ergibt und die Besteuerung der Überentnahmen z. B. bis zur Veräußerung der erhaltenen Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft hinausschiebt. Jedoch findet diese Auffassung keine Stütze im Gesetz, da § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG nur
eine Korrektur der Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft anordnet (so auch Rödder, DStR 1996 S. 860). Darüber
hinaus fingiert § 20 Abs. 5 Satz 2 und 3 UmwStG auch keinen geänderten Entnahmezeitpunkt, sondern stellt nur eine Vorschrift zur Ermittlung des Einkommens
dar, die nicht dazu führen kann, am steuerlichen Übertragungsstichtag einen Fall
des § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UmwStG anzunehmen (vgl. Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, § 20 Rn. 239).
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Hinweis
Bis zu einer endgültigen Klärung der Frage durch den BFH besteht in der Praxis ein
Besteuerungsrisiko bei übermäßigen Entnahmen im Rückbeziehungszeitraum, die
nach Möglichkeit vermieden werden sollten.
III. Sonderbetriebsvermögen bei der Einbringung
1. Mitübertragung wesentlicher Betriebsgrundlagen aus Sonderbetriebsvermögen bei Formwechsel
Eine besondere Steuerfalle kann sich ergeben, wenn z. B. eine Personengesellschaft
im Wege des Formwechsels in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt wird und ein
Mitunternehmer über funktional wesentliche Betriebsgrundlagen in seinem Sonderbetriebsvermögen (SBV) verfügt. Beim Formwechsel sind nach § 25 UmwStG die
Vorschriften der §§ 20 bis 23 UmwStG entsprechend anzuwenden.
Da aber bei einem Formwechsel zivilrechtlich nur das Gesamthandsvermögen der
Personengesellschaft erfasst wird, müssen wesentliche Betriebsgrundlagen im Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters zusätzlich im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf die übernehmende Kapitalgesellschaft übertragen werden, um in den
Anwendungsbereich des § 20 UmwStG zu gelangen. Die Mitübertragung des Sonderbetriebsvermögens setzt jedoch stets voraus, dass dieses entsprechend erkannt
wird, was in der Praxis nicht immer der Fall ist.
2. Vorabübertragung des Sonderbetriebsvermögens
Fällt der steuerliche Übertragungsstichtag mit dem Zeitpunkt der Eintragung der
Umwandlung im Handelsregister zusammen, muss die Übertragung des Sonderbetriebsvermögens zeitgleich mit der Entstehung der Kapitalgesellschaft erfolgen.
Wird jedoch der Formwechsel – wie in der Praxis üblich – steuerlich zurückbezogen, wird empfohlen, das Sonderbetriebsvermögen in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Beschluss zum Formwechsel (noch) gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten auf die umzuwandelnde Personengesellschaft zu
übertragen (vgl. dazu Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 25
UmwStGRn. 32).
Noch nicht abschließend geklärt ist aber, ob diese Vorabübertragung von § 6 Abs. 5
EStG erfasst wird oder durch die §§ 20 bzw. 25UmwStG überlagert wird (vgl. Patt
in Dötsch/Jost/Pung/Witt, § 25 UmwStG, Rn. 24, der einen einheitlichen Sacheinlagevorgang befürwortet).
Weder der UmwSt-Erlass vom 11. 11. 2011 noch das BMF-Schreiben zu § 6 Abs. 5
EStG vom 8. 12. 2011 ( BStBl 2011 I S. 1279) nehmen zu der Frage ausdrücklich
Stellung.
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Steuerrecht aktuell III/2012
Seite 104
Geht man davon aus, dass auf die Übertragung des Sonderbetriebsvermögens die
Vorschrift § 6 Abs. 5 EStG anwendbar ist, ergäbe sich Folgendes:
Wird nach der Übertragung des Sonderbetriebsvermögens in das Gesamthandsvermögen nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG die Mitunternehmerschaft innerhalb der dort
vorgesehenen Sperrfrist von drei Jahren entweder nach § 20 UmwStG oder
nach § 25 UmwStG im Wege des Formwechsels in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt, sollen nach der Verwaltungsauffassung zu§ 6 Abs. 5 EStG die vorgenannten Umwandlungsfälle Veräußerungsvorgänge darstellen, so dass nach § 6 Abs. 5
Satz 4 EStG die Übertragung des Sonderbetriebsvermögens rückwirkend zum
Teilwert zu erfolgen hat. Dabei kommt es nach Rn. 33 des BMF-Schreibens zu § 6
Abs. 5 EStG vom 8. 12. 2011 nicht darauf an, ob bei der Umwandlung die Buchwerte, die gemeinen Werte oder Zwischenwerte angesetzt werden.
Die Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG wird darüber hinaus nach
der Körperschaftsteuerklausel in § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG auch dann rückwirkend
versagt, wenn innerhalb der Sperrfrist von sieben Jahren der Anteil einer Körperschaft an dem übertragenen Wirtschaftsgut unmittelbar oder mittelbar begründet
wird oder sich erhöht. Der Formwechsel einer Personengesellschaft führt zur Anwendung der Körperschaftsteuerklausel.
Beispiel 7
Ein Wirtschaftsgut im Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters A wird im Januar 2011 in das Gesamthandsvermögen der X-KG nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2
EStG unter Fortführung der Buchwerte übertragen.
Die Einkommensteuererklärung 2011 des A wird im Jahre 2012 abgegeben. Die XKG wird noch im Jahre 2012 im Wege des Formwechsels gem. § 25 i. V. mit § 20
UmwStG unter Fortführung der Buchwerte in die Z-GmbH umgewandelt.
Lösung
Beim Formwechsel im Jahre 2012, der innerhalb der dreijährigen Sperrfrist
nach § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG erfolgt, ist rückwirkend bei A der Teilwert anzusetzen,
da nach Rn. 33 des BMF-Schreibens vom 8. 12. 2011 eine schädliche Veräußerung
vorliegt. Im Übrigen können beim Formwechsel in die GmbH die Buchwerte fortgeführt werden.
Erfolgt die Umwandlung erst nach Ablauf der dreijährigen Sperrfrist, wird ebenfalls rückwirkend im Jahre 2012 bei A der Teilwert angesetzt, wenn sich innerhalb
der siebenjährigen Sperrfrist nach § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG der Anteil einer Körperschaft an dem Wirtschaftsgut erhöht (im vorliegenden Fall auf 100 %).
In dem vorstehend skizzierten Sachverhalt kann jedoch insgesamt eine Buchwertfortführung erreicht werden, wenn das Wirtschaftsgut im Sonderbetriebsvermögen
im Zuge der Umwandlung in einem einheitlichen Vorgang unmittelbar gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten gem. § 20 UmwStG auf die Kapitalgesellschaft
übertragen wird. Dann wird der Übertragungsvorgang von § 20 UmwStG mit erfasst. Zu empfehlen ist, in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Beschluss zum
Formwechsel (z. B. in einer Präambel) die Übertragung des Sonderbetriebsvermögens auf die Kapitalgesellschaft aufschiebend bedingt auf den Zeitpunkt der Eintragung des Formwechsels vorzunehmen (vgl. Strahl, Stbg 2011 S. 147; Bilitewski in
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Seite 105
Haritz/Menner, UmwStG, 2. Aufl. 2010, § 25 Rn. 33; vgl. auch Rabback in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 25 UmwStG, Rn. 51).
IV. Vorab-Auslagerung von wesentlichen Betriebsgrundlagen
1. UmwStE: Prüfung der Anwendung der Gesamtplanrechtsprechung bei zeitlichem und wirtschaftlichem Zusammenhang
Werden wesentliche Betriebsgrundlagen im zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Einbringung in ein anderes Betriebsvermögen überführt oder
übertragen, soll nach Rn. 20.07 UmwStE 2011 die Anwendung der Gesamtplanrechtsprechung zu prüfen sein. Bemerkenswert ist, dass in Rn. 20.07 UmwStE 2011
das Urteil des BFH vom 25. 11. 2009 - I R 72/08 ( BStBl 2010 II S. 471) überhaupt
nicht angesprochen wird, wonach eine Auslagerung wesentlicher Betriebsgrundlagen dann nicht zu beanstanden ist, wenn diese „auf Dauer” erfolgt. Nach Auffassung des BFH liegt auch kein schädlicher Gesamtplan vor, wenn im Vorfeld einer
Einbringung Grundbesitz auf eine Schwester-Personengesellschaft übertragen wird.
Die auf Dauer erfolgte Ausgliederung bzw. Auslagerung von wesentlichen Betriebsgrundlagen ist auch nicht missbräuchlich i. S. des § 42 AO (so auch Behrens/Schmitt, FR 2002 S. 549, 552; Jebens, BB 2010 S. 1192; Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, § 20 Rn. 42; a. A. Wacker,NWB 30/2010
S. 2382; Wendt, FR 2010 S. 386).
Hinweis
Für die Praxis birgt aber die von der Finanzverwaltung vertretene Auffassung für
die in einem zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit einer Einbringung
geplante Übertragung oder Überführung von funktionalen wesentlichen Betriebsgrundlagen nach wie vor ein Besteuerungsrisiko.
2. Andere Ansicht in der BFH-Rechtsprechung
Mit Urteil vom 9. 11. 2011 - X R 60/09 (vgl. dazu instruktiv Weber-Grellet, NWB
25/2012 S. 2072) hat der BFH für den Fall der Einbringung in eine Personengesellschaft entschieden, dass bei Veräußerung (im Streitfall an die Ehefrau unter fremdüblichen Bedingungen) einer wesentlichen Betriebsgrundlage vor einer Einbringung der Anwendung des § 24 Abs. 1 UmwStG weder § 42 AO noch die Rechtsfigur des Gesamtplans entgegensteht, wenn die Veräußerung auf Dauer angelegt ist.
Damit hat der BFH im vorliegenden Fall das Urteil des FG Münster vom
30. 10. 2009 - 14 K 2937/06 E bestätigt.
Nach Auffassung des BFH ist maßgebende Zeitpunkt für die Beurteilung, ob ein
Wirtschaftsgut eine wesentliche Betriebsgrundlage des einzubringenden Betriebs
darstellt, in den Fällen der Einbringung durch Einzelrechtsnachfolge der Zeitpunkt
der tatsächlichen Einbringung. Die Entscheidung des BFH X R 60/09 kann ohne
Weiteres auch auf die Einbringung nach § 20 UmwStG übertragen werden, so dass
die Vorab-Veräußerung von wesentlichen Betriebsgrundlagen der Anwendung
von § 20 UmwStG nicht entgegensteht.
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Seite 106
Hinweis
Dennoch ist in der Praxis unter Hinweis auf Rn. 20.07 UmwStE 2011 auch hier mit
einem gewissen Widerstand der Finanzverwaltung zu rechnen.
V. Beteiligte der Einbringung
1. Beteiligte einer Einbringung bei Fortbestand und Auflösung der übertragenden Personengesellschaft
Nach Rn. 20.02 UmwStE 2011 wird als einbringender Rechtsträger derjenige angesehen, dem die neu gewährten Anteile nach dem Einbringungsvorgang zustehen. Zu
den Beteiligten einer Einbringung von Betriebsvermögen einer Personengesellschaft enthält Rn. 20.03 UmwStE 2011 daher folgende Unterscheidung:
Besteht die übertragende Personengesellschaft auch nach der Einbringung als Mitunternehmerschaft fort (z. B. bei Ausgliederung eines Teilbetriebs) und werden ihr
die Anteile am übernehmenden Rechtsträger gewährt, ist die übertragende Personengesellschaft grds. selbst als Einbringende anzusehen. Entsprechendes gilt z. B.
bei der Einbringung der Anteile an der Untergesellschaft bei einer doppelstöckigen
Personengesellschaft.
Wird die Personengesellschaft, deren Betriebsvermögen übertragen wird, infolge
der Einbringung aufgelöst (z. B. bei Verschmelzung, Formwechsel) und stehen die
Anteile am übernehmenden Rechtsträger daher zivilrechtlich den Mitunternehmern
zu, sind diese als Einbringende ihrer jeweiligen Mitunternehmeranteile anzusehen
(vgl. BFH-Urteil vom 16. 2. 1996 - I R 183/94, BStBl 1996 II S. 342).
Nach der Verwaltungsauffassung können die Person des Einbringenden und die
Person, der vor der Einbringung der Einbringungsgegenstand zuzurechnen war,
auseinander fallen. Noch nicht abschließend geklärt ist, ob etwaiges Sonderbetriebsvermögen der Mitunternehmer auch dann zwecks Erreichung der Buchwertfortführung mit einzubringen ist, wenn Einbringender die Personengesellschaft ist.
Da nach der früher geltenden Rechtslage die Buchwertfortführung nur für den Mitunternehmer ausgeschlossen war, der funktional wesentliche Betriebsgrundlagen im
Sonderbetriebsvermögen zurückbehielt, könnte die nunmehr von der Finanzverwaltung vertretene Auffassung zu einer Aufdeckung der stillen Reserven auch bei den
anderen Mitunternehmern führen.
Hinweis
Aufgrund der unklaren Verwaltungsauffassung sollte vorhandenes Sonderbetriebsvermögen mit in die Kapitalgesellschaft eingebracht werden (so auch Kamphaus/Birnbaum, Ubg 2012 S. 293, 297). Da der UmwStE 2011 hierzu auch keine
Übergangsregelung vorsieht, besteht ein erhebliches Besteuerungsrisiko für Altfälle. (vgl. zu Recht den warnenden Hinweis bei Gemmel/Schultes-Schnitzlein, NWB
9/2012 S. 731, 732 f.).
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Seite 107
2. Veräußerung eines Mitunternehmeranteils durch Mitunternehmer
Die Frage nach dem einbringenden Rechtsträger erlangt auch Bedeutung für die
Vorschrift des § 22 UmwStG. Obwohl § 22 Abs. 1 UmwStG die rückwirkende Besteuerung eines Einbringungsgewinns grds. nur dann vorsieht, wenn sperrfristbehaftete Anteile innerhalb des Siebenjahreszeitraums durch den Einbringenden veräußert werden oder ein Ersatztatbestand realisiert wird, soll nach Rn. 22.02 UmwStE 2011 – und entgegen dem Gesetzeswortlaut – bei der Einbringung durch eine
Personengesellschaft wegen des „Transparenzprinzips” nicht nur die Veräußerung
der Anteile durch die Personengesellschaft selbst, sondern auch die Veräußerung
eines Mitunternehmeranteils durch den Mitunternehmer schädlich i. S. des § 22
Abs. 1 UmwStG sein (zur Kritik vgl. nur Kamphaus/Birnbaum, Ubg 2012 S. 293,
298).
Nach der Verwaltungsauffassung führt jede entgeltliche Änderung der Beteiligungsverhältnisse innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist des § 22 Abs. 1 UmwStG zu einer rückwirkenden Besteuerung des Einbringungsgewinns I bei dem
seinen Mitunternehmeranteil veräußernden Gesellschafter (so auch Kamphaus/Birnbaum, Ubg 2012 S. 293, 298). Es empfiehlt sich daher eine Regelung,
wonach z. B. die vollständige oder teilweise Anteilsveräußerung der Zustimmung
der anderen Gesellschafter bedarf.
3. Nachweispflichten
Ist die Personengesellschaft als Einbringender anzusehen, müssen schließlich nach
Rn. 22.28 i. V. mit Rn. 22.02 UmwStE 2011 auch die Nachweispflichten nach § 22
Abs. 3 UmwStG sowohl für die einbringende Personengesellschaft selber als auch
bezüglich ihrer Mitunternehmeranteile beachtet werden. Zur Vermeidung einer
fiktiven Veräußerung mit rückwirkender Versteuerung eines Einbringungsgewinns
I muss die Personengesellschaft in den dem Einbringungszeitpunkt folgenden sieben Jahren nachweisen, wem die sperrfristbehafteten Anteile und wem ihre Mitunternehmeranteile zuzurechnen sind.
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3.
Seite 108
Einbringungen nach § 24 UmwStG optimal gestalten
Mit Datum vom 11.11.11 hat die Finanzverwaltung den neuen Umwandlungssteuererlass veröffentlicht. Im Folgenden werden anhand eines Musterfalls die Auswirkungen des Umwandlungssteuererlasses für Einbringungen nach § 24 UmwSt
aufgezeigt.
1. Sachverhalt
Die AB-GmbH & Co. KG (im Folgenden: AB-KG) ist im Maschinenbau tätig. Die
natürlichen Personen A und B sind zu jeweils 50 % an ihr als Kommanditisten beteiligt. Komplementärin und allein zur Geschäftsführung befugt ist die GP1-GmbH.
Alleingesellschafter der GP1-GmbH ist A. Das Unternehmen der AB-KG teilt sich
in zwei Bereiche, die Teilbetriebe i.S. des § 24 UmwStG darstellen.
Diese Teilbetriebe bestehen seit 2005. A verfügt über ein Grundstück mit Gebäude,
das er zu marktüblichen Konditionen an die AB-KG vermietet. Im ersten Stock des
Gebäudes ist der Bereich D und im zweiten Stock der Bereich E untergebracht.
B hält zudem 100 % der Anteile an der F-GmbH. Die F-GmbH produziert Spezialmaschinenteile, welche die AB-KG für den Bereich E von dieser einkauft. Einen
weiteren Anbieter dieser Maschinenteile gibt es nicht. Es bestehen zwischen der
AB-KG und der F-GmbH Lieferverträge. B hat die Anteile an der F-GmbH entgeltlich erworben und den Kaufpreis mittels Bankdarlehen fremdfinanziert. B zieht in
Betracht, die Beteiligung innerhalb der nächsten zwei Jahre zu verkaufen.
Die C-GmbH ist alleinige Kommanditistin der C-GmbH & Co. KG (im Folgenden:
C-KG). Komplementär der C-KG ist die GP2-GmbH. Alleinige Gesellschafterin
der GP2-GmbH ist die C-GmbH. Die C-KG ist ebenfalls im Maschinenbau tätig.
Die C-KG ermittelt das steuerliche Einkommen gemäß § 5 Abs. 1 EStG. Die gegenwärtige Struktur und die Steuerbilanzen stellen sich wie folgt dar:
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Seite 109
Bilanz AB-KG
Aktiva
Buchwert
Gemeiner
Wert
Bereich D
100
1.000
EK A
54,5
1.100
Bereich E
9
1.200
EK B
54,5
1.100
109
2.200
Gesamt
109
2.200
Buchwert
Gemeiner
Wert
Passiva
Buchwert
5
10
0,25
0,25
Gesamt
Passiva
Buchwert
Gemeiner
Wert
Sonderbilanz
Aktiva
Immobilie
GP1GmbH
EK A
5,25
Gemeiner
Wert
10,25
Bilanz C-KG
Aktiva
Aktiva C
Gesamt
Buchwert
Gemeiner
Wert
200
500
200
500
Passiva
Buchwert
Gemeiner
Wert
EK C
100
400
Verbindlichk.
100
100
Gesamt
200
500
A und B wollen sich nunmehr aus strategischen Gründen an der C-KG beteiligen.
Beabsichtigt ist, den Bereich E in 2012 auf die C-KG im Wege der Abspaltung gemäß § 123 Abs. 2 Nr. 1 UmwG möglichst mit Wirkung auf den 1.1.12 (Abspaltungsstichtag) zu übertragen. Anlässlich der Abspaltung sollen A und B Anteile an
der C-KG erhalten. Nach der Abspaltung sollen A, B und C jeweils zu 1/3 an der
C-KG beteiligt sein. Weiterhin sollen A, B und C jeweils zu 1/3 an der GP2-GmbH
beteiligt sein. Die Abspaltung soll – soweit möglich – steuerlich zu Buchwerten
erfolgen.
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2. Lösung
Die Abspaltung des Bereichs E könnte gemäß § 24 Abs. 2 S. 2 UmwStG steuerlich
zum Buchwert möglich sein. Voraussetzung ist, dass
- gemäß § 1 Abs. 3 UmwStG der sachliche und persönliche Anwendungsbereich des § 24 UmwStG eröffnet ist,
- eine Einbringung eines Betriebs oder Teilbetriebs in eine Personengesellschaft gegeben ist,
- A und B anlässlich der Abspaltung Mitunternehmer bei der C-KG werden,
- das Recht Deutschlands hinsichtlich der Besteuerung des eingebrachten Betriebsvermögens nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird.
2.1 Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich
Gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 UmwStG ist § 24 UmwStG auf die Abspaltung des Bereichs E von der AB-KG auf die C-KG gemäß § 123 Abs. 2 Nr. 1 UmwG sachlich
und persönlich anwendbar. Einbringende sind A und B als natürliche Personen (vgl.
Rn. 24.03 UmwStE). Aufnehmende Gesellschaft ist die C-KG.
2.2 Einbringungsgegenstand
2.2.1 Teilbetriebsbegriff
§ 24 Abs. 1 UmwStG erfasst unter anderem die Einbringung eines Betriebs oder
Teilbetriebs. Die Begriffe Betrieb oder Teilbetrieb sind hier inhaltsgleich mit den
entsprechenden Begriffen in § 20 UmwStG (vgl. Rn. 24.03 UmwStE). Unter Teilbetrieb im Sinne dieser Vorschriften ist die Gesamtheit der in einem Unternehmensteil vorhandenen aktiven und passiven Wirtschaftsgüter, die in organisatorischer Hinsicht einen selbstständigen Betrieb, d.h. eine aus eigenen Mitteln funktionsfähige Einheit darstellen (vgl. Art. 2 Buchst. j Richtlinie 2009/133/EG).
PRAXISHINWEIS | Zu beachten ist, dass die Teilbetriebsvoraussetzungen bereits
zum steuerlichen Übertragungsstichtag vorliegen müssen und ein Teilbetrieb im
Aufbau – im Gegensatz zur Rechtslage vor SEStEG – keinen Teilbetrieb mehr darstellt (vgl. Rn. 20.6 i.V.m. 15.03 UmwStE). Diese Grundsätze gelten, wenn der
Abspaltungsbeschluss nach dem 31.12.11 gefasst wird.
Steuerlich kann die Einbringung eines Teilbetriebs im Wege der Abspaltung gemäß
§ 123 Abs. 2 UmwG mit Wirkung auf einen höchstens 8 Monate vor der Anmeldung der Abspaltung zum Handelsregister liegenden steuerlichen Übertragungsstichtag durchgeführt werden (vgl. Rn. 24.06 UmwStE). Gemäß § 24 Abs. 4 UmwStG i.V.m. § 20 Abs. 6 S. 2 UmwStG darf als steuerlicher Übertragungsstichtag
der Tag angesehen werden, für den die Schlussbilanz des übertragenden Unternehmens gemäß § 17 Abs. 2 UmwG aufgestellt ist. Der Stichtag darf aber höchstens 8
Monate vor der Anmeldung der Abspaltung zum Handelsregister liegen.
Beachten Sie | Gemäß § 17 Abs. 2 S. 4 UmwG darf das Registergericht die Umwandlung nur dann eintragen, wenn die gemäß § 17 Abs. 2 S. 1 UmwG einzureichende Schlussbilanz auf einen höchstens 8 Monate vor der Anmeldung liegenden Stichtag aufgestellt wurde. Vorliegend soll der handelsrechtliche Abspaltungsstichtag der 1.1.12 sein. Dies erfordert, dass die Abspaltung bis spätestens zum
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31.8.12 zum Handelsregister angemeldet wird. Stichtag für die handelsrechtliche
Schlussbilanz ist dann der 31.12.11. Steuerlicher Übertragungsstichtag ist der
31.12.11 (vgl. BFH 22.9.99, II R 33/97, BB 00, 1334).
Laut Sachverhalt stellt der Bereich E einen Teilbetrieb gemäß § 24 UmwStG dar.
Zudem besteht der Teilbetrieb Bereich E seit 2005 und somit bereits zum steuerlichen Übertragungsstichtag 31.12.11.
2.2.2 Übertragung des Teilbetriebs Bereich E
2.2.2.1 Einführung
Die Einbringung des Teilbetriebs setzt voraus, dass sämtliche Aktiva und Passiva,
die zu den funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen des Betriebs gehören, auf
die übernehmende Gesellschaft übertragen werden. Zu einem Teilbetrieb gehören
alle funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen sowie alle diesem Teilbetrieb nach
wirtschaftlichen Zusammenhängen zuordenbare Wirtschaftsgüter. Eine Erläuterung, wann Wirtschaftsgüter einem Teilbetrieb wirtschaftlich zuordenbar sind, enthält der UmwStE nicht.
Nach der u.E. zutreffenden Auffassung von Schumacher/Bier geht der wirtschaftliche Zusammenhang über einen reinen Nutzen- und Veranlassungszusammenhang
hinaus. Somit sind Wirtschaftsgüter, die dem gesamten Unternehmen dienen, von
vornherein nicht einem Teilbetrieb zuordenbar. Dienen dagegen Wirtschaftsgüter
mehreren Teilbetrieben, können diese frei zugeordnet werden (Schumacher/Bier in
FGS/BDI, UmwSt-Erlass 2011, 272).
Die Begründung des wirtschaftlichen Eigentums an den Wirtschaftsgütern beim
übernehmenden Rechtsträger genügt, nicht aber die Überlassung zur Nutzung (Rn.
15.07, 20.06 und 24.05 UmwStE).
Ebenfalls zu übertragen sind entsprechende Wirtschaftsgüter, die zum Sonderbetriebsvermögen (im Folgenden: SBV) eines Gesellschafters gehören. Einzubringen
sind auch Anteile an Kapitalgesellschaften, sofern diese funktional wesentliche
Betriebsgrundlagen sind oder zu den nach wirtschaftlichen Zusammenhängen zuordenbaren Wirtschaftsgütern gehören (Rn. 20.06 und 24.05 UmwStE). Ausreichend ist, dass das eingebrachte Betriebsvermögen teilweise SBV des Einbringenden bei der übernehmenden Mitunternehmerschaft wird (Rn. 24.05 UmwStE). Weiterhin ist bei der Einbringung gemäß § 20 UmwStG (im Gegensatz zu § 15 UmwStG) unerheblich, welche steuerliche Qualität das beim Einbringenden bzw. bei
der abspaltenden Personengesellschaft zurückbleibende Betriebsvermögen hat. Insbesondere spielt es keine Rolle, ob noch ein oder mehrere Teilbetriebe zurückbleiben (Patt in Dötsch/Jost/Pung/Witt, UmwStG, Juli 2007, § 20 Rn. 101).
2.2.2.2 Anteil an der GP1-GmbH
Die Anteile an der GP1-GmbH gehören zum SBV von A bei der AB-KG. A ist zu
50 % an der AB-KG und zu 100 % an der GP1-GmbH beteiligt. Nach Auffassung
der Finanzverwaltung stellt die Beteiligung an der GP1-GmbH zwar im Hinblick
auf die Beteiligung an der Mitunternehmerschaft eine funktional wesentliche BeDr. Jörg Hellmer - Steuerberater
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triebsgrundlage dar, da sie es A ermöglicht, Einfluss auf die Geschäftsführung der
C-KG zu nehmen (vgl. FSen Berlin 27.12.10, III B-S 2241-3/2003; OFD Rheinland
23.3.11, S 2242 - 25 - St 111). Im Hinblick auf den Teilbetrieb Bereich E ist die
Beteiligung an der GP1-GmbH aber nicht als wesentlich anzusehen, sodass diese
nicht anlässlich der Abspaltung auf die C-KG zu übertragen ist. Weiterhin ist die
Beteiligung auch nicht dem Teilbetrieb Bereich E wirtschaftlich zuzuordnen, sondern allenfalls dem Mitunternehmeranteil des A an der AB-KG (vgl. Kai, GmbHR
12, 169).
2.2.2.3 Grundstück des A
Die Räumlichkeiten, in denen der Bereich E betrieben wird, sind eine funktional
wesentliche Betriebsgrundlage des Bereichs E, da sie den funktionalen Mittelpunkt
der Geschäftstätigkeit darstellen und es ermöglichen, den Geschäftsbetrieb aufzunehmen und auszuüben.
PRAXISHINWEIS | Eine besondere Gestaltung der Räumlichkeiten für den jeweiligen Unternehmenszweck ist nicht erforderlich. Unerheblich ist, ob der Bereich E
auch in anderen Räumen oder ohne diese Räume ohne einschneidende Änderungen
hätte fortgeführt werden können. Die Möglichkeit, am Markt jederzeit ein anderes
ebenfalls geeignetes Gebäude anmieten oder erwerben zu können, ist unbeachtlich
(vgl. BFH 1.2.06, XI R 41/04, BFH/NV 06, 1455).
Würde A die vom Bereich E genutzten Räumlichkeiten lediglich an die C-KG vermieten, käme es nicht zu einer Übertragung der Räumlichkeiten auf die C-KG.
Zwar reicht für eine Übertragung gemäß § 24 UmwStG grundsätzlich die Zurechnung des zu übertragenden Wirtschaftsgutes zum SBV bei der aufnehmenden CKG, soweit der Teilbetrieb nicht vollständig in das SBV übertragen wird (Rn. 24.05
UmwStE). Die Vermietung der Räumlichkeiten an die C-KG würde aber u.E. nicht
zu einer Zurechnung zum SBV des A bei der C-KG führen.
MERKE |Eine Aufteilung des Gebäudes in selbstständige Wirtschaftsgüter aufgrund der Nutzung in verschiedenen Betriebsvermögen des A ist nicht möglich (H
4.2 (4) EStR). Vielmehr bestünde aufgrund der gleichzeitigen Vermietung des
Grundstücks durch A an die AB-KG eine Bilanzierungskonkurrenz, die in entsprechender Anwendung der Grundsätze zur Bilanzierung von Anteilen an einer Komplementär-GmbH bei sternköpfigen GmbH & Co. KGs zugunsten des SBV des A
bei der AB-KG zu lösen sein dürfte (vgl. OFD Münster 6.11.08, S 2242 - 21 - St 12
- 33, GmbHR 09, 108).
Grundsätzlich ist somit erforderlich, dass das von den Bereichen D und E genutzte
Gebäude spätestens bis zum Zeitpunkt des Abspaltungsbeschlusses real geteilt wird
(Teileigentum gemäß § 1 Abs. 3 WEG). Ist eine solche Realteilung nicht zumutbar,
ist im Einzelfall auch eine ideelle Teilung (Bruchteilseigentum gemäß § 1008
BGB) im Verhältnis der tatsächlichen Nutzung unmittelbar nach der Spaltung
denkbar (vgl. Rn. 24.03, 20.06 und 15.08 UmwStE).
Hinweis | Unklar ist allerdings, wann nach Auffassung der Finanzverwaltung eine
reale Teilung eines Grundstücks unzumutbar ist, sodass eine verbindliche Auskunft
empfehlenswert ist (vgl. Gebert, DStR 10, 1774).
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GESTALTUNGSHINWEIS
Bei der Begründung von Teileigentum wäre es im Hinblick auf § 24 UmwStG ausreichend, dass A die vom Bereich E genutzten Räumlichkeiten nach Begründung
des Teileigentums an die C-KG vermietet. Die Räumlichkeiten wären als selbstständiges Wirtschaftsgut dem SBV des A bei der C-KG zuzuordnen. Dagegen wäre
bei einer ideellen Teilung erforderlich, dass A der C-KG Miteigentum an dem
Grundstück einräumt und A und die C-KG die Zuordnung der vom Bereich E genutzten Räumlichkeiten gemäß § 1008 BGB vereinbaren. Die Eintragung der Vereinbarung gemäß § 1008 BGB sollte zumindest für steuerliche Zwecke nicht erforderlich sein (Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/Pung/Witt, UmwStG, Februar 2008, § 15
Rn. 84). Eine Begründung von Miteigentum in der Person des A (Vorratsteilung)
ist nicht möglich (Bassenge in Palandt, BGB, 69. Auflage 2010, § 1008 Rn. 2).
Nach dem Wortlaut der Rn 15.07 UmwStE könnte auch die Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an den durch den Bereich E genutzten Räumlichkeiten an
die C-KG durch A (z.B. durch Abschluss eines Treuhand- oder Leasingvertrags)
ausreichen (vgl. Sistermann/Brinkmann, DStR 11, 1162; Schumacher/Bier in
FGS/BDI, UmwSt-Erlass 2011, 277). Bei einem solchen Vorgehen ist aber eine
Absicherung durch eine verbindliche Auskunft ratsam.
Zu berücksichtigen ist, dass – trotz der Übertragung der Räumlichkeiten auf die CKG im Wege der Einzelrechtsnachfolge – die Übertragung aufgrund des Zusammenhangs mit der Abspaltung nach § 123 Abs. 2 UmwG an der Rückbeziehung der
Einbringung gemäß § 24 Abs. 4 UmwStG teilnimmt (Rn. 24.06 UmwStE).
GESTALTUNGSHINWEIS
Im Hinblick auf die praktische Umsetzung ist zu beachten, dass die reale Teilung
des Gebäudes zum Zeitpunkt des Abspaltungsbeschlusses umgesetzt sein muss
(15.09 UmwStE) und insofern – im Zweifel – der Abspaltungsbeschluss unter der
aufschiebenden Bedingung der realen Teilung des Gebäudes gefasst werden sollte.
Bei einer ideellen Teilung sollten in dem Spaltungs- und Übernahmevertrag bzw. in
dem Spaltungsplan die Miteigentumsanteile festgelegt werden, die auf die Übernehmerin übergehen. Das Miteigentum entsteht mit der Eintragung der Spaltung im
Handelsregister (vgl. Schießl in Widmann/Mayer, UmwStG, Juli 2011, § 15 Rn.
42).
Bei der Übertragung von wirtschaftlichem Eigentum bietet es sich an, entsprechende Regelungen in den Spaltungsvertrag und ergänzend in eine im Zusammenhang
mit dem Spaltungsvertrag getroffene Vereinbarung aufzunehmen (vgl. Schumacher/Bier in FGS/BDI, UmwSt-Erlass 2011, 276).
Für Zwecke unseres Musterfalls gehen wir davon aus, dass A an den durch den
Bereich E genutzten Räumlichkeiten Teileigentum spätestens bis zum Abspaltungsbeschluss begründet und die Räumlichkeiten der C-KG anschließend zur Nutzung überlässt.
GESTALTUNGSHINWEIS
Sollte eine Teilung des Grundstücks nicht gewollt oder möglich sein, stellt sich die
Frage, ob dieses vor der Einbringung in ein anderes Betriebsvermögen übertragen
werden kann. Denkbar wäre, dass A das Grundstück vor der Einbringung gemäß
§ 6 Abs. 5 S. 3 EStG steuerneutral in das Gesamthandsvermögen einer von ihm
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Steuerrecht aktuell III/2012
Seite 114
gehaltenen GmbH & Co. KG überträgt, die das Grundstück an die AB-KG vermietet.
Insofern ist zu berücksichtigen, dass nach Auffassung der Finanzverwaltung bei der
Übertragung oder Überführung von funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen
oder nach wirtschaftlichen Zusammenhängen zuordenbaren Wirtschaftsgütern in
ein anderes Betriebsvermögen im zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang
mit der Einbringung eines Teilbetriebs die Anwendung der Gesamtplanrechtsprechung zu prüfen ist (UmwStE 20.07).
Der UmwStE äußert sich nicht dazu, ob die einer Einbringung vorgeschaltete Separierung von Wirtschaftsgütern der Buchwertfortführung zumindest dann nicht entgegensteht, wenn die Separierung auf Dauer angelegt ist (vgl. BFH 9.11.12, X R
60/09, DB 12, 779; Hötzel/Kaesel in FGS/BDI, UmwSt-Erlass 2011, 327; a.A. Kai,
GmbHR 12, 170, der unabhängig von der Dauerhaftigkeit der Übertragung lediglich bei der Separierung von dem Teilbetrieb nur zuzuordnenden Wirtschaftsgütern
einen schädlichen Gesamtplan grundsätzlich ausschließt). Vor diesem Hintergrund
sollte eine entsprechende Separierung von Wirtschaftsgütern vor einer Einbringung
nicht ohne verbindliche Auskunft durchgeführt werden.
2.2.2.4 Beteiligung des B an der F-GmbH
Die F-GmbH ist alleinige Lieferantin von im Bereich E benötigten Maschinenteilen, sodass die Beteiligung an der F-GmbH zum SBV des B bei der AB-KG gehört
(vgl. FG Münster 15.1.08, 14 K 5217/03 F, DStR 09, 515). Aus diesem Grund sollte die Beteiligung an der F-GmbH auch funktional wesentliche Betriebsgrundlage
für den Bereich E sein (bzw. zumindest diesem nach den wirtschaftlichen Zusammenhängen zuzuordnen sein) und somit keinen eigenständigen Teilbetrieb im Sinne
des § 24 UmwStG darstellen (vgl. Rn. 24.03 und 20.06 UmwStE). Erforderlich ist
demnach, dass die Beteiligung wenigstens in das SBV des B bei der C-KG übertragen wird.
Hinweis
Unerheblich ist nach Auffassung der Finanzverwaltung, dass sich die Überführung
in das SBV des B bei der C-KG ohne zivilrechtliche Rechtsnachfolge oder Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums vollzieht (vgl. Rn. 24.05 UmwStE; Patt in
Dötsch/Jost/Pung/Witt, UmwStG, November 2011, § 24 Rn. 15). Da die bestehenden Lieferverträge auf die C-KG übertragen werden und die C-KG somit künftig
Maschinenteile von der F-GmbH bezieht, ist die Beteiligung an der F-GmbH dem
SBV des B bei der C-KG zuzuordnen.
MERKE
Zu beachten ist, dass B den Erwerb der Beteiligung an der F-GmbH fremdfinanziert
hat. Gemäß dem Teilbetriebsbegriff i.S. des Art. 2 Buchst. j Richtlinie
2009/133/EG sind auch Verbindlichkeiten, die dem Teilbetrieb zuzuordnen sind, zu
übertragen. Dies gilt unabhängig davon, ob diese für den Betrieb wesentlich oder
unwesentlich sind (Patt in Dötsch/Jost/Pung/Witt, UmwStG, Juli 2007, § 20 Rn.
93). Die Übernahme der Verbindlichkeit (wie auch die Übernahme eines negativen
Betriebsvermögens) stellt keine sonstige Gegenleistung dar, sondern ist Folge der
Einbringung. Aufgrund der Zuordnung der Beteiligung zum SBV der C-KG ist
auch die Darlehensverbindlichkeit dem SBV des B zuzuordnen.
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Steuerrecht aktuell III/2012
Seite 115
Eine Veräußerung der Beteiligung an der F-GmbH nach der Überführung in das
SBV des B bei der C-KG führt – mangels Überspringen von in der Beteiligung
vorhandenen stillen Reserven auf eine Kapitalgesellschaft aufgrund der Einbringung des Bereichs E – nicht gemäß § 24 Abs. 5 UmwStG rückwirkend zu einer
Aufdeckung von stillen Reserven. Anders wäre der Fall zu beurteilen, wenn B die
Beteiligung an der F-GmbH anlässlich der Einbringung auf die C-KG übertragen
hätte. Bei einer Veräußerung der Beteiligung durch die C-KG wäre der Veräußerungsgewinn zumindest teilweise auf die C-GmbH entfallen und hätte somit insoweit gemäß § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei vereinnahmt werden können, während der
Gewinn bei B dem Teileinkünfteverfahren unterfallen wäre. Entsprechend bestimmt § 24 Abs. 5 UmwStG, dass in einem solchen Fall die Einbringung der Beteiligung an der C-GmbH rückwirkend zum gemeinen Wert erfolgt, als die Anteile
innerhalb von sieben Jahren nach dem Einbringungszeitpunkt veräußert werden (Rn
24.19 UmwStE).
2.3 Gewährung von Gesellschaftsrechten an der C-KG
Eine Einbringung zu Buchwerten kann nur erfolgen, wenn A und B anlässlich der
Einbringung des Teilbetriebs Bereich E Gesellschaftsrechte an der C-KG erwerben.
A und B müssen die Rechtsstellung eines Mitunternehmers erlangen (Rn 24.07
UmwStE). Erforderlich ist die Erhöhung des die Beteiligung widerspiegelnden Kapitalkontos oder die Einräumung weiterer Gesellschafterrechte. Eine Mindestbeteiligung bzw. eine Beteiligung entsprechend dem Wert des eingebrachten Vermögens
ist hierfür nicht erforderlich.
PRAXISHINWEIS
A und B muss ein für die Gesellschaftsrechte maßgebliches Kapitalkonto I bei der
C-KG eingeräumt werden. Möglich ist zudem die Buchung auf einem Kapitalkonto
und einem gesamthänderisch gebundenen Rücklagenkonto. Bei bereits bestehender
Beteiligung kann die Einbringung auch allein auf einem variablen Kapitalkonto II
gebucht werden. Die Erfassung auf einem Darlehenskonto reicht dagegen nicht aus
(zur Abgrenzung zwischen Darlehens- und Kapitalkonto vgl. auch BMF 30.5.07,
IV B 2 - S 2241a-51/93 II, BStBl I 97, 627; 24.07 UmwStE).
Fraglich ist, ob Zahlungen aufgrund der Überlassung der vom Bereich E genutzten
Räumlichkeiten an die C-KG durch A als für die Buchwertfortführung schädliche
Zuzahlung anzusehen sind. Erhält der Einbringende neben dem Mitunternehmeranteil an der übernehmenden Personengesellschaft eine Zuzahlung, die nicht Betriebsvermögen der Personengesellschaft wird, kommt es zu einer (teilweisen) Veräußerung der eingebrachten Wirtschaftsgüter (UmwStE 24.08). Der entstehende
Gewinn kann nicht durch eine negative Ergänzungsbilanz neutralisiert werden
(UmwStE 24.09). Die Zahlungen der C-KG im Zusammenhang mit der Nutzungsüberlassung sind dem SBV des A bei der C-KG zuzurechnen. Eine Zuzahlung in
das Privatvermögen oder in ein anderes Betriebsvermögen des A liegt folglich nicht
vor, sodass u.E. keine für die Buchwertfortführung schädliche Zuzahlung gegeben
ist (vgl. Rogall/Gerner in FGS/BDI, UmwSt-Erlass 2011, 507).
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Seite 116
2.4 Zuzahlung der C-GmbH
Aus den Bilanzen der AB-KG und der C-KG ergibt sich, dass der gemeine Wert
des jeweils von A und B eingebrachten Bereichs (je 600) den gemeinen Wert der CKG (400) um 200 übersteigt. Entsprechend muss die C-GmbH eine Zuzahlung von
200 in das Betriebsvermögen der C-KG leisten. Um eine Aufdeckung von stillen
Reserven bei A und B bzw. ein Überspringen von stillen Reserven auf C zu vermeiden, sind bei der C-KG Ergänzungsbilanzen zu bilden. Hierfür kommt die Brutto- oder Nettomethode in Betracht (Rn. 24.14 UmwStE):
Bei der Bruttomethode werden in der Gesamthandsbilanz der übernehmenden Gesellschaft Verkehrswerte angesetzt, in den Ergänzungsbilanzen entsprechende Minderwerte.
Bei der Nettomethode werden in der Gesamthandsbilanz die Buchwerte fortgeführt
und in den negativen Ergänzungsbilanzen dafür Sorge getragen, dass das Gesamtkapital des jeweiligen Gesellschafters den Buchwert des übertragenen Vermögens
widerspiegelt (vgl. Rogall/Gerner in FGS/BDI, UmwSt-Erlass 2011, 513). Im Folgenden ist die Einbringung unter Berücksichtigung der Zuzahlung durch C mittels
der Nettomethode dargestellt:
Bilanz C-KG
Aktiva
Buchwert
Gemeiner
Wert
Aktiva CKG
200
500
EK A
103
600
Bereich E
9
1.200
EK B
103
600
Zuzahlung
C
200
200
EK C
103
600
Verbindlichk.
C-KG
100
100
Gesamt
409
1.900
Gesamt
409
1.900
Passiva
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Buchwert
Gemeiner
Wert
Steuerrecht aktuell III/2012
Seite 117
Positive Ergänzungsbilanz C-GmbH
Aktiva
Buchwert
Passiva
Buchwert
Bereich E
197
Mehrkapital C
197
Gesamt
197
Gesamt
197
Negative Ergänzungsbilanz A und B
Aktiva
Buchwert
Minderkapital A
98,5
Minderkapital B
98,5
Gesamt
197
Passiva
Buchwert
Bereich E
197
Gesamt
197
2.5 Antrag auf Buchwertfortführung
Der Antrag auf Buchwertfortführung ist durch die C-KG als übernehmende Gesellschaft bis zur erstmaligen Abgabe ihrer steuerlichen Schlussbilanz, in der das eingebrachte Vermögen erstmals anzusetzen ist, bei dem für die C-KG zuständigen
Finanzamt zu stellen. Gemäß §§ 24 Abs. 4, 20 Abs. 5 S. 1 UmwStG ist bei einer
Einbringung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge das übergehende Vermögen mit
Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags in der Steuerbilanz des übernehmenden Rechtsträgers abzubilden (vgl. Rn. 24.03 UmwStE). Wurde bereits eine
Jahres-Schlussbilanz eingereicht (besonders im Fall der rückwirkenden Einbringung relevant), wird das Wertansatzwahlrecht in der „korrigierten“ Schlussbilanz,
die das übernommene Vermögen ausweist, ausgeübt (vgl. Kai, GmbHR 12, 172).
Hinweis
Nicht abschließend geklärt ist, ob bereits die Einreichung der steuerlichen Schlussbilanz, in der das übernommene Vermögen mit Buchwerten angesetzt ist, als konkludenter Antrag auf Buchwertfortführung ausreicht (so wohl Kai, GmbHR 12,
172). Hierfür lässt sich anführen, dass kein besonderes Formerfordernis an den Antrag auf Buchwertfortführung gestellt wird (Rn. 03.29 UmwStE). Aus Sicht der
Praxis ist allerdings dringend ratsam, stets spätestens mit Einreichung der (separaten) steuerlichen Schlussbilanz schriftlich einen Antrag auf Buchwertfortführung zu
stellen.
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Steuerrecht aktuell III/2012
X.
1.
Seite 118
Grunderwerbsteuer
Keine steuerbare Anteilsübertragung bei Beteiligungsquote unter 95%
§ 1 Abs. 3 GrEStG erfasst nicht alle Fälle der Herrschaft über eine Gesellschaft, sondern knüpft die Beherrschung an enge tatbestandliche Voraussetzungen
FG Köln, Urteil v. 30.11.2011 - 5 K 1542/09
I. Hintergrund:
Gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG unterliegt ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch
auf Übertragung „unmittelbar oder mittelbar“ von mindestens 95% der Anteile an
einer Gesellschaft begründet, der Grunderwerbsteuer, wenn zum Vermögen der
Gesellschaft ein inländisches Grundstück gehört. Das Gesetz behandelt den Erwerber der Anteile so, als habe er die zum Vermögen der Gesellschaft gehörenden
Grundstücke erworben. Bei einer „mittelbaren“ Beteiligung ist es erforderlich, aber
auch ausreichend, wenn die Beteiligungsquote von 95% auf jeder Stufe erreicht
wird. Der Gesetzgeber geht typisierend davon aus, dass der Anteilserwerber mit
dem Erreichen dieser Quote in grunderwerbsteuerrechtlich erheblicher Weise die
rechtliche Möglichkeit hat, seinen Willen bei der grundbesitzenden Gesellschaft
durchzusetzen. Bei der Ermittlung der Beteiligungsquote bleiben allerdings Anteile
im Besitz der Gesellschaft selbst außer Betracht (s. hierzu BFH, Urteil v.
25.8.2010 - II R 65/08).
II. Sachverhalt:
Die Gesellschafter der Grundbesitz haltenden A-GmbH veräußerten ihre Anteile an
die B-GmbH zu 67,4% und an den Kläger zu 7,4% (insgesamt 74,8%). Die restlichen Anteile in Höhe von 25,2% wurden von der A-GmbH selbst gehalten. An der
B-GmbH waren der Kläger zu 90% und die C-GmbH zu 10% beteiligt.
An der C-GmbH wiederum war zu 100% die B-GmbH beteiligt.
III. Die Entscheidung des Gerichts:
Im Streitfall hat der Kläger nicht mindestens 95% der Anteile an der A-GmbH erworben.
Der Kläger hat hier unmittelbar 9,89% der Anteile an der grundbesitzenden AGmbH erworben, nämlich 7,4% von 74,8%. Die von der A-GmbH gehaltenen Anteile von 25,2% bleiben außer Betracht. Des Weiteren hat der Kläger mit dem Erwerb der Anteile durch die B-GmbH eine mittelbare Beteiligung an der A-GmbH
von 90,1% erworben, nämlich 67,4% von 74,8%.
Die maßgebliche Beteiligungsquote von mindestens 95% auf jeder Beteiligungsstufe wäre unter diesen Umständen nur dann erreicht, wenn der Kläger zumindest mit
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Steuerrecht aktuell III/2012
Seite 119
95% an der B-GmbH beteiligt wäre. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Denn
der Kläger hält (nominell) nur 90% der Anteile an der B-GmbH. Etwas anderes
ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die B-GmbH 100% der Anteile an
der C-GmbH hält, die ihrerseits wieder 10% der Anteile an der B-GmbH hält. Das
Halten der 10%igen Beteiligung der C-GmbH an der B-GmbH kann nicht mit der
Fallgestaltung „eigener“ Anteile einer Gesellschaft gleichgesetzt werden. Zwar
handelt es sich bei der C-GmbH im Verhältnis zur B-GmbH um eine 100%ige
Tochtergesellschaft. Das ändert jedoch nichts daran, dass es sich bei der C-GmbH
um eine juristisch und wirtschaftlich selbständige GmbH handelt.
IV. Hinweise für die Praxis:
Kauft ein Steuerpflichtiger Anteile an einer Gesellschaft, die wiederum an einer
anderen - grundbesitzenden - Gesellschaft beteiligt ist, kommt es für die Steuerbarkeit nur darauf an, dass jede unmittelbare Beteiligung in der Beteiligungskette jeweils mindestens 95% beträgt. Kauft der Steuerpflichtige also 95% der Anteile einer Gesellschaft, die wiederum mit 95% der Anteile an einer anderen Gesellschaft
mit Grundbesitz beteiligt ist, erfüllt er dadurch den Steuertatbestand nach § 1 Abs.
3 Nr. 3 GrEStG. Dass er rechnerisch mittelbar nur mit (95% von 95%) 90,25% an
der grundbesitzenden Enkelgesellschaft beteiligt ist, ändert daran nichts.
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Steuerrecht aktuell III/2012
2.
Seite 120
Änderung im Gesellschafterbestand einer Personengesellschaft
Die Grunderwerbsteuer, die bei Übertragung von mindestens 95% der Anteile
an einer grundbesitzenden Personengesellschaft entsteht, wird nach § 6 Abs. 3
Satz 1 i.V. mit Abs. 1 Satz 1 GrEStG insgesamt nicht erhoben, wenn der teils
unmittelbar, teils mittelbar über eine Kapitalgesellschaft beteiligte Gesellschafter der grundbesitzenden Personengesellschaft seine Anteile auf eine andere Personengesellschaft überträgt und er an dieser - zwischengeschalteten Personengesellschaft unmittelbar allein beteiligt ist
BFH, Urteil v. 29.2.2012 - II R 57/09
I. Hintergrund:
Nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG gilt, wenn zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück gehört und sich innerhalb von fünf Jahren der
Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt ändert, dass mindestens
95% der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen, dies als ein auf die Übereignung dieses Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft. Ob der ausscheidende Gesellschafter an dem eintretenden Gesellschafter
beteiligt ist, ist für § 1 Abs. 2a GrEStG grds. unerheblich. Beim Übergang eines
Grundstücks von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand wird nach dem
Wortlaut des § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V. mit Abs. 1 Satz 1 GrEStG die Steuer jedoch
nicht erhoben, soweit Anteile der Gesellschafter am Vermögen der erwerbenden
Gesamthand den jeweiligen Anteilen dieser Gesellschafter am Vermögen der übertragenden Gesamthand entsprechen.
I. Sachverhalt:
Folgende Konstellation führte bei der grundstückshaltenden S KG zu einem nach
§ 1 Abs. 2a GrEStG steuerbaren, aber nach § 6 Abs. 3 GrEStG vollständig steuerbefreiten (das Finanzamt wollte die Steuerbefreiung nur zu 99% gewähren) Erwerb.
An der S KG waren die H AG zu 99% und die S GmbH - deren Anteile zu 100%
die H AG hielt - zu 1% beteiligt. Durch Ausgliederung übertrug die H AG sowohl
ihre unmittelbare Beteiligung an der S KG als auch ihre Anteile an der S GmbH auf
die H KG, an deren Kapital die H AG zu 100% beteiligt war. Die H AG war also
vor der Transaktion an der grundstückshaltenden S KG zu 99% unmittelbar sowie
zu 1% mittelbar und danach vollumfänglich mittelbar beteiligt.
II. Die Entscheidung des Gerichts:
Die Steuer für die Übertragungsvorgänge ist im Streitfall in entsprechender Anwendung von § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V...m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG insgesamt nicht zu
erheben. Dies folgt jedoch nicht bereits aus einer unmittelbaren Anwendung des § 6
Abs. 3 Satz 1 i...V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG. Zwar ist der Wortlaut der Vorschrift
erfüllt, denn die S GmbH ist auch nach dem Übertragungsvorgang unverändert an
der S KG beteiligt geblieben. § 6 Abs. 3 GrEStG muss im Anwendungsbereich des
§ 1 Abs. 2a GrEStG nach dem Zweck der Vorschriften grds. jedoch einschränkend
ausgelegt werden. Würde für die Anwendung des § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG im Fall
eines fiktiven Grundstücksübergangs nach § 1 Abs. 2a GrEStG allein auf die unmitDr. Jörg Hellmer - Steuerberater
Steuerrecht aktuell III/2012
Seite 121
telbare Beteiligung der Mitglieder der neuen Personengesellschaft abgestellt, so
würden zugleich alle mittelbaren Änderungen im Gesellschafterbestand, die § 1
Abs. 2a GrEStG seit dem 1.1.2000 ausdrücklich als steuerbar erfasst, durch die gegenläufige Begünstigung aus § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG wieder neutralisiert. Dementsprechend sind Kapitalgesellschaften, deren Gesellschafterbestand sich in Höhe
von mindestens 95% ändert, nicht mehr i.S. von § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG am
Vermögen der -fiktiv- neuen Gesamthandsgemeinschaft beteiligt. § 6 Abs. 3 Satz 1
i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG ist im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a GrEStG
jedoch nach seinem Normzweck dahingehend auszulegen, dass die Grunderwerbsteuer insgesamt nicht erhoben wird, wenn der teils unmittelbar teils mittelbar allein
vermögensmäßig beteiligte Gesellschafter einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft seine Beteiligungen auf eine andere Gesamthandsgemeinschaft überträgt, an deren Vermögen er unmittelbar und/oder - durch weitere Gesamthandsgemeinschaften - mittelbar allein beteiligt ist.
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Steuerrecht aktuell III/2012
3.
Seite 122
Steuerfreiheit bei Grundstückserwerb vom früheren Ehegatten
Überträgt ein geschiedener Ehegatte seinen hälftigen Miteigentumsanteil an
einem Grundstück auf seinen ehemaligen Ehepartner, fällt nur dann keine
Grunderwerbsteuer an, wenn Anlass für die Vermögensübertragung die
Scheidung und nicht andere Gründe waren. Das hat das Hessische Finanzgericht entschieden
FG Hessen, Urteil v. 10.5.2012 - 5 K 2338/08; Revision zugelassen
I. Hintergrund:
Von der Grunderwerbsteuer ausgenommen ist nach § 3 Nr. 5 GrEStG der Grundstückserwerb durch den früheren Ehegatten des Veräußerers im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung.
II. Sachverhalt:
Die Klägerin und ihr ehemaliger Ehegatte waren je zur Hälfte Eigentümer eines
Hauses. Die Ehe wurde im Jahre 2005 geschieden, wobei lediglich ein Versorgungsausgleich durchgeführt wurde; weitere Vereinbarungen über die Aufteilung
des gemeinsamen Vermögens wurden nicht getroffen. Nach der Scheidung bewohnten die eine Wohnung des Hauses der geschiedene Ehemann und die andere
Wohnung des Hauses die Mutter der Klägerin.
Die Mutter starb im Jahre 2007. Zwei Monate nach dem Tod der Mutter übertrug
der ehemalige Ehemann, der sich zwischenzeitlich mit seiner neuen Partnerin für
einen Hausneubau entschieden hatte, seinen hälftigen Miteigentumsanteil auf die
Klägerin. Das Finanzamt versagte die Grunderwerbsteuerbefreiung, weil erst gravierende Veränderungen der Lebensverhältnisse, nämlich der Tod der Mutter sowie
der Hausneubau mit neuem Partner und nicht die Scheidung als solche zur Grundstücksübertragung geführt hätten.
III. Die Entscheidung des Gerichts:
Nach § 3 Nr. 5 GrEStG ist zwar der Grundstückserwerb durch den früheren Ehegatten des Veräußerers im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach der
Scheidung ohne zeitliche Beschränkung von der Besteuerung ausgenommen. Im
Streitfall fehlt es jedoch an der erforderlichen Ursächlichkeit der Scheidung für die
Vermögensauseinandersetzung. Anlass für die Vermögensübertragung ist vielmehr
der Tod der Mutter gewesen. Die Vermögensauseinandersetzung ist nach der
Scheidung zunächst verschoben worden, weil der Mutter die dauerhafte Grundstücksnutzung ermöglicht worden ist. Dies betrifft aber nicht die eigentlichen ehelichen Beziehungen der früheren Eheleute und damit auch nicht den Begünstigungszweck der gesetzlichen Steuervergünstigung des § 3 Nr. 5 GrEStG.
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Steuerrecht aktuell III/2012
Seite 123
IV. Hinweise für die Praxis:
Das Gericht hat die Revision im Hinblick auf die vom Senat vorgenommene einschränkende Auslegung des § 3 Nr. 5 GrEStG wegen grundsätzlicher Bedeutung
zuzulassen. Ein Aktenzeichen des BFH ist noch nicht veröffentlicht worden.
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Steuerrecht aktuell III/2012
1
Seite 124
K
1%-Regelung .............................................. 32
A
Kapitalerhöhungsverbot .......................... 97
L
Änderung im Gesellschafterbestand ......... 120
Angehörigen-Mietverhältnis....................... 28
Anrechnung ausländischer
Körperschaftsteuer .................................. 87
Anwachsungsmodell ................................. 98
Asbestsanierung ......................................... 20
atypisch stille Beteiligung .......................... 42
B
Bilanzänderung bei Mitunternehmerschaften
................................................................ 62
D
Lebensversicherung als Betriebsausgabe ... 48
N
Nachträgliche Schuldzinsen ....................... 50
P
Pensionsverzicht........................................... 5
Praxisgebühr .............................................. 36
R
Rechnungsberichtigung .............................. 73
S
Doppelter Ausweis von Umsatzsteuer ........ 78
Drittanfechtungsrecht ............................ 101
E
EBITDA-Vortrag........................................ 70
Einbringung ................................................ 94
Einbringung einer freiberuflichen .............. 92
Erhaltungsaufwendungen ........................... 60
erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags 91
Sacheinlage als Aufgeld ........................... 94
Sanierung eines Gebäudes bei Hausschwamm
............................................................... 18
Schadensersatz für Steuerberaterkosten ..... 81
Sonderbetriebsvermögen ....................... 103
steuerbare Anteilsübertragung ................. 118
Steuerneutrale Übertragung ....................... 51
T
Teilabzugsverbot ........................................ 16
Teilbetriebsveräußerung ............................. 56
F
Fahrten Wohnung - Arbeitsstätte................ 71
Fahrtenbuchmethode .................................. 39
fehlerhafter Aktivierung ............................. 54
Fotovoltaikanlagen ....................................... 9
G
Geruchsbelästigungen ................................ 22
Gewinnfeststellungsbescheid ..................... 83
Grundstückserwerb vom früheren Ehegatten
.............................................................. 122
H
U
unrichtiger Steuerausweis .......................... 77
V
Veräußerungsgewinn ................................. 26
Vermietung einer Ferienwohnung .............. 37
Verpflegungsmehraufwendungen .............. 40
VGA an Gesellschafter als Schenkung ...... 66
Vorsteuerabzug aus Dauerleistungen ......... 75
W
Haftung für Umsatzsteuer .......................... 85
Herstellungskosten ..................................... 60
I
Wirtschaftliches Eigentum ......................... 47
Wohnmobil ................................................ 24
Z
Investitionsabzug ........................................ 34
Investitionsabzug bei Betriebsübergabe ..... 58
Investitionsabzugsbetrag ......................... 63
Zebragesellschaft ....................................... 44
Zehnjahreszeitraum .................................... 89
Zufluss von Einnahmen.............................. 30
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