Vortrag in schriftlicher Form

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Sven Giegold auf der KSI-Finanzmarktkonferenz „Eine neue Balance zwischen Geld
und Leben“ in Bad Honnef vom 25.-27.2.2011
Finanzmarktregulierung in der Praxis – Über die Grenzen von Visionen und darüber
hinaus
Vorrede
Vielen Dank für die Einladung. Für mich ist die Veranstaltung hier Gelegenheit, noch einmal
zu reüssieren, wo dieses weit verbreitete Gefühl herkommt: Jetzt haben wir eine riesige Krise
gehabt, wir haben hunderte von Milliarden von Euros und Dollars in diese Krise geschmissen
und hinterher ist die Politik nicht mal in der Lage, die Dinge zu verändern, so, dass so etwas
nicht wieder passieren kann. Ich will hier keine Vision von einem anderem Finanzmarkt
aufmalen, ich vermute auch, dass der Kollege Flassbeck die Grundlinien von dem, wie man
sich realpolitisch eine tiefere Reform vorstellen könnte, geliefert hat. Ich will mich jetzt auch
nicht auf den gesamten grünen New- Deal beziehen, also den ökologisch-sozialen Umbau,
den wir uns wünschen, sondern wie mir das hier aufgetragen wurde, brav über die
Finanzmärkte reden.
Die Themenfelder der EU-Finanzmarktregulierung
Was auf europäischer Ebene derzeit passiert, sollte man in folgende Themenfelder
aufgliedern:
 Das erste ist der innere Teil der Finanzmarktregulierung, also die Regeln für
Finanzmarktakteure und Regeln für die Systemstabilität des Gesamten. Das heißt also,
Regeln für Banken, für Fonds, für Versicherungen als auch Regeln, die Stabilität des
Ganzen gewährleisten.
 Das zweite ist der Bereich, diese Regeln auch durchzusetzen. Das heißt die
Finanzmarktaufsicht. In der Krise haben wir nämlich erlebt, dass es oft zwar Gesetze gab,
die aber nicht befolgt wurden. Oder offensichtlich war, dass die Regeln nicht ausreichten,
aber die Aufsicht nicht Alarm geschrieen hat und gesagt hat: Hier muss was geändert
werden, hier haben wir es mit tief greifendem Missbrauch zu tun.
 Das Dritte ist die Frage der Besteuerung der Finanzmärkte. Das Ur- und Gründungsthema
von Attac, also die Frage sowohl von Bekämpfung von Steuerflucht, als auch natürlich
Finanztransaktionssteuer/ Tobin- Steuer.
Jetzt kommen Bereiche, die werde ich aus Zeitgründen in meinem Vortrag nicht behandeln
und zwar viertens das, was sicher viele beschäftigt:
 Die europäische Wirtschaftpolitik, was ist mit dem Euro, was ist mit der Stabilität des
Euros, was ist mit dem Rettungsschirm, sollen nach Banken jetzt Staaten gerettet werden,
ist das notwendig. Dazu: Wie kann eine europäische Wirtschaftsregierung aussehen – Das
ist ein vierter Zweig, der natürlich mit den anderen eng vernetzt ist, aber zu dem
Arbeitsbericht reichen erst mal die ersten drei Punkte.
 Dann gäbe es noch einen eigenen Abschnitt zum Krisenmanagement der europäischen
Union, also wer wurde gerettet, wie wurde das koordiniert, welche Hilfen wurden für die
Realwirtschaft gegeben. Auch das werde ich jetzt hier nicht behandeln. Aber was ich noch
machen werde ist, immer wieder ein paar Hinweise zu geben, auf den Zustand der
europäischen Demokratie und das, was man aus den Erfahrungen lernen kann.
Hinweis: Der EU-Gesetzgebungsprozess
Damit man verstehen kann in welchem Kräfte-Quadrat ich arbeite, muss man wissen, wie ein
europäisches Gesetz entsteht. Ich will nur ganz kurz sagen, wie das im Grundsatz läuft:
Die europäische Kommission macht einen Vorschlag, dann schickt sie ihn sowohl an das
Parlament als auch den Rat der Mitgliedsländer. Im Rat der Mitgliedsländer wie im
europäischen Parlament braucht ein Gesetzesvorschlag eine Mehrheit. Und nur, wenn die
beiden sich einig sind, kommt es zu einem Gesetz. Die nationalen Parlamente sind hinten
dran. Das bedeutet, die können zwar im Vorhinein Stellungnahmen abgeben, bindend ist das
aber nicht. Das bedeutet, es ist zentral, was im Rat der Mitgliedsländer mehrheitsfähig ist
und was im europäischem Parlament mehrheitsfähig ist und was die Kommission
ursprünglich mal vorgeschlagen hat. Die Krux ist, das die Bürgerinnen und die Bürger häufig
nicht mehr wissen, wer eigentlich verantwortlich ist. Das ist ein großes Problem europäischer
Demokratie. Wir haben daher im Bereich der Finanzmärkte genau diese Situation:
EU-Gesetz – die Probleme mit dem Rat
Europa ist zuständig, Finanzmarktregeln sind europäisches Recht, die nationale Rechtsetzung
setzt zu allergrößtem Teil nur noch um, was europäisch vorgegeben wurde. Das gilt für
Banken, für Versicherungen, alle Akteure dieses Sektors. Aber: wer ist verantwortlich, dass
eine europäische Richtlinie oder eine europäische Verordnung so ist, wie sie aus dem
Gesetzgebungsprozess herausgekommen ist?
Es ist in aller Regel so, dass den Rat hinter verschlossenen Türen tagt. Das heißt, häufig gibt
es einen großen Unterschied zwischen Reden und Handeln. Das, was öffentlich von Politikern
der Mitgliedsregierungen gesagt wird entspricht nicht dem, was sie hinter den verschlossenen
Türen vertreten. Ich verbringe relevante Teile meiner Zeit damit, herauszufinden, was da im
Rat eigentlich passiert. Weil, ohne das zu wissen, kann man gar nicht effektiv Einfluss
nehmen. Im europäischen Parlament ist es umgekehrt, das europäische Parlament ist das
Öffentlichste, was ich an Parlamentarismus bisher erlebt habe. Sie können alle unsere
Ausschuss-Sitzungen per Video in allen relevanten Sprachen verfolgen. Also auf Deutsch auf
jeden Fall, und die Verhandlungen finden sehr öffentlich statt. Auch die Dokumente kursieren
in Europa viel offener, als was wir in der nationalen Bürokratie als auch in den Parlamenten
kennen.
Das heißt, wir haben in Europa eine Janusköpfigkeit von inter-gouvermentaler
Geheimverhandlung im Rat und einen demokratischen Geist im europäischen Parlament. Das
hat auch Konsequenzen; ich werde das an einigen Fallbeispielen dann auch noch aufzeigen.
Glücksfall in der Kommission
Noch eine Information vorab: In der europäischen Kommission ist ein französischer
Konservativer der Zuständige, der allerdings vom links-gaullistischen Flügel seiner Partei
kommt. Dieser Michele Barnier kann Finanzmärkte eigentlich nicht leiden, so erst Mal vom
Bauchgefühl, der mag Realwirtschaft, Unternehmen, die `was produzieren, die `was
Sinnvolles machen. Der findet, dass es da Exzesse gibt und das ist jemand, der auch an einem
Konzept von gesellschaftlicher Gleichheit grundsätzlich festhält, nicht von Gleichheit der
Lebensform, aber eben vom demokratischen Geist der Gleichheit her. Der macht derzeit jede
Menge progressive Vorschläge. Und dass der da ist, ist ein absoluter Glücksfall, zumindest,
wenn man die Mehrheitszusammensetzung dieser Kommission betrachtet. Nur, sobald der
einen Vorschlag macht, heißt das es eben noch lange nicht, dass es Gesetz wird, weil das noch
durch Rat und Parlament muss. Und sobald der den Vorschlag gemacht hat, ist seine Macht
sehr begrenzt.
Was geschah bisher?
Krisenmaßnahmen gab es sofort, nach der Krise gab es 2008 sofort eine Menge
Koordinierung, dass werd´ ich hier nicht weiter erläutern.
Rating-Agenturen unter Aufsicht
Zunächst wurden 2009 die Rating- Agenturen unter Aufsicht gestellt. Das waren sie bisher
überhaupt nicht. Allerdings wurden die zentralen Probleme in dem Markt nicht gelöst: Nach
wie vor gibt es drei große Anbieter. Alle drei sitzen in den USA, es gibt eigentlich keine
Marktwirtschaft im dem Sinne in dem Bereich, weil, sobald es drei Anbieter gibt, hab´ ich
eine Vermachtung des Marktes. Man muss deshalb auch vermuten, dass ein Teil dieser
Ratings sowohl politisch als auch ökonomisch beeinflusst sind und nicht wirklich an einer
sachlichen Abwägung, wer nun wie guter Schuldner ist, orientiert sind. Aber immerhin: sie
wurden unter Aufsicht gestellt und ihnen wurden bestimmte Vorgaben gemacht.
Eigenkapitalrichtlinie
Dann gab es eine kleinere Form der Eigenkapitalrichtlinie, weil dieser langweilige
bürokratische Titel aus meiner Sicht einer der Herzstücke jeder Finanzmarktreform
ausmachen muss – Die Eigenkapitalrichtlinie legt fest, wie viel Eigenkapital eine Bank
vorhalten muss. Das klingt jetzt erstmal langweilig, das ist aber absolut zentral, warum haben
wir die Banken denn retten müssen? Wir mussten sie retten, weil sie hohe Risiken
eingegangen sind für die sie letztlich gar nicht aufkommen konnten als es schief gegangen ist.
Sie hatten also nicht genug Eigenkapital, und zudem waren sie noch zu einer Größe
gewachsen und so verflochten untereinander, dass man nicht wusste, wenn eine Pleite geht,
wie viele andere Banken gehen dann noch pleite und geht das Gesamtsystem über die
Wupper? Das ist genau der Kernpunkt. In dieser kleinen Reform wurde erstmal gar nicht viel
geändert, sondern es wurden nur einige Fehler abgehandelt, die im Grunde damit zu tun
hatten, dass man Risiken einfach verbriefen konnte und dann mussten sie nicht mehr effektiv
mit Eigenkapital unterlegt werden. Diese Manipulationsmöglichkeiten hat man beseitigt, mehr
nicht. Auf die Prospektrichtlinie gehe ich nicht ein, weil das ist nicht systemrelevant.
Also: Fast 1 ½ Jahre hat das EP und der Europäische Rat so wenig geschafft. Und das hat zu
diesem Gefühl mit beigetragen was Sie ja auch haben. Jetzt könnten Sie sagen: „Seid ihr
Idioten“? Doch muss man zwei Sachen bedenken:
Warum geschah bisher so wenig?
Bis 2009 war noch der unsägliche McCreevie im Amt, als Marktkommissar, und dessen
Motto unter den ganzen 10 Jahren vorher war, dass er keine neuen Regeln wollte. Er hat auch
wirklich die ganze Zeit versucht, Regeln abzubauen statt neue Regeln einzuführen, für ihn
war eine Regel per se etwas illiberales. Was ich irgendwie sehr komisch finde. Das hat mit
Liberalismus auch überhaupt nichts zu tun. Er war Ire und des Geistes Kind, der die Zustände
auf der irischen Insel jetzt erzeugt hat, nämlich eine Logik, der Staat soll sich raushalten aus
den Finanzmärkten, die Märkte, die Akteure und Investoren wissen besser, was vernünftige
Risiken sind, da muss man nicht eingreifen, und deshalb ist auch nach der Krise erstmal nicht
viel passiert.
Der zweite Grund ist ein anderer, und den muss man auch an die Öffentlichkeit zurückgeben:
Wir haben faktisch keinen europäischen Staat. Aus dem was ich vorhin gesagt habe, folgt
genau, ich gehe noch mal einen Schritt zurück, die Doppelgesichtigkeit Europas. Einerseits ist
es so etwas wie ein Staat. Wir haben so etwas wie eine Verfassung, den Lissabon-Vertrag,
auch wenn er nicht so heißt, aber er hat viele Charakteristika einer Verfassung. Zweitens
haben wir bindende Regeln und Gesetze, wir haben ein Parlament, wir haben mit der
Kommission so etwas ähnliches wie eine Regierung. D.h., wir haben viele Charakteristika
von Staatlichkeit. Und umgekehrt haben wir mit dem Rat ein sehr mächtiges Gremium, was
aber eigentlich aus der Logik eines Staatenbundes kommt. Dieser Doppelcharakter führt dazu,
dass europäische Entscheidungen langsame Entscheidungen sind. Wenn aus der Logik der
Demokratie im Parlament etwas anderes folgt als aus der Logik der Zwischenstaatlichkeit und
des Intergouvernmentalismus im Rat, dann können Entscheidungen Jahre dauern. Es gibt
wichtige soziale Projekte, etwa den Schutz eines öffentlichen Sektors in Europa. Seit Jahren
wird darüber verhandelt. Da passiert nichts. Oder die Arbeitszeitrichtlinie, das heißt stärkere
Arbeitnehmerschutzrechte im Bereich der Arbeitszeit, seit Jahren geht dieses Theater. Da ist
unter anderem die Frage des Sonntags betroffen, deshalb ist das in kirchlichen Kreisen auch
sehr bekannt. Das sind Dinge, die dauern Jahre. Im nationalen Kontext wäre das anders. Da
würde eine Regierung einen Vorschlag machen, und danach sagt das Parlament ja oder nein.
Diese Logik haben wir in Europa nicht.
Langsames Europa vs. schnelle Märkte
Jetzt kommt dieses System in eine Spannung mit der realen Europäisierung der Wirtschaft.
Denn die Märkte sind längst europäisiert und sie sind jedes Jahr tiefer europäisiert. Und diese
langsame Regelsetzung auf europäischer Ebene entspricht nicht dem Binnenmarkt, den wir
längst haben, und der auch von immer mehr Bürgerinnen und Bürgern in ihrem
Konsumverhalten und ihrem Arbeitsverhalten als Arbeitnehmer oder von Unternehmern in
ihrem Investitionsverhalten gelebt wird. Das passt nicht zusammen. Das sieht man jetzt bei
der Finanzkrise. Eigentlich hätte man jetzt schnell und hart regulieren müssen, das ist aber
nicht möglich in der Geschwindigkeit in diesen Institutionen.
Ich bin zutiefst davon überzeugt, Europa wird sich als Konsequenz dieser Krise entscheiden
müssen, und dies sind auch meine zentralen Hinweise auf die europäische Demokratie. Will
man jetzt in Richtung einer europäischen Bundesstaatlichkeit oder will man letztlich
kapitulieren vor den ökonomischen Sachzwängen. Die Logik, dass Kleinststaaten blockieren
können, dass wir effektiv Kapitaleinkommen in Europa besteuern, das ist nicht mit
Demokratie vereinbar. Das ist nicht mit dem Gemeinwohl vereinbar. Sondern wir haben
Veto-Optionen für sehr kleine Partikularinteressen, und das entspricht in keinster Weise dem
Grad der europäischen Integration, die wir längst erreicht haben.
Was 2010 geleistet wurde
* Eigenkapitalrichtlinie u. Kreditverbriefung
2010 ging es weiter. Da gab es erstmal die zweite Reform der Eigenkapitalrichtlinie. Das ist
meine erste von zwei kleinen Fallstudien. Hier ist es so, dass es im Grund zwei Anteile gab.
Einerseits wurde die Kreditverbriefung neu reguliert, also genau dieses Instrument, was einen
Großteil der Verluste erzeugt hat. Die amerikanischen Häuserkredite wurden in
Finanzmarktprodukte verbrieft, und diese Produkte wurden wiederum in neue Verbriefungen
überführt und so weiter, eine Verbriefung der Verbriefung der Verbriefung, und irgendwann
wusste keiner mehr was in diesen verpackten Finanzprodukten an realen Risiken enthalten
war. Diese Frage der Kreditverbriefung ist deshalb sehr wichtig weil Banken das gekauft
haben, aber sehr oft gar nicht wussten, wie groß deren Risiken sind. Und so haben sie sich auf
die Urteile von Ratingagenturen verlassen, die das Risiko auch nicht kannten, die aber Geld
damit verdient haben, dass sie behauptet haben, es zu kennen, und es niedrig einzuschätzen.
Ich vergleiche das immer mit Schülern, die ihren Lehrer dafür bezahlen, dass er sie benotet.
Das kann immer nur gute Noten erzeugen, zumindest eine Tendenz dazu. Und hat immer den
Ruch, dass dabei Bayreuther Universitätsverhältnisse herauskommen.
In dem ersten Teil haben wir gefordert, mit vielen anderen Ökonomen auch, diese komplexen
Verbriefungsprodukte braucht kein Mensch. Wir haben nichts grundsätzlich gegen
Verbriefung, also eine einfache Verbriefung, dass eine Bank sagt, ich verkaufe meine
Forderung, das ist nicht per se falsch. Das kann einer Bank, deren Eigenkapital gebunden ist,
helfen, ihr Risiko weiterzuverkaufen und neue Kredite zu vergeben. Niemand war
grundsätzlich gegen Verbriefung, aber wir waren dagegen, dass man verbriefte Produkte
verbrieft und die Komplexität bis ins unermessliche erhöht. Als das im Ausschuss diskutiert
wurde, war dort der Teufel los. Die Kreditindustrie ist Amok gelaufen, die wollten das
überhaupt nicht, und die haben gewonnen. Das ganze war hoch technisch, viele Leute wissen
gar nicht, was eine Verbriefung ist. Es gab überhaupt keinen Gegendruck, und das ist dann
letztlich mit der Mehrheit von Liberalen, Sozialdemokraten und Konservativen so beschlossen
worden, dass im Grunde die Komplexitätsreduktion in diesem Zentralbereich nicht eingesetzt
hat.
Managerbezahlung, Boni
Ganz anders war es bei der Managerbezahlung. Man fragte ja nicht nur, warum werden solche
Dinge verbrieft, sondern auch, warum waren Banken so bescheuert, diese Produkte zu kaufen,
obwohl ja jeder wusste, dass in den USA der Immobilienmarkt überhitzt war. Die Financial
Times flötete das von den Dächern. Der Punkt war aber, dass auch die einzelnen Manager,
und damit meine ich nicht nur die Spitzenbanker, sondern durchaus auch die mittlere Ebene
des Investmentbankings, ein großes Interesse daran hatten, in kurzen Zeiträumen große
Gewinne zu machen, unabhängig davon, ob es langfristig einen großen Verlust für die Bank
gibt.
Ein wichtiges Problem waren die sehr kurzfristig orientierten Boni-Systeme. Und dann kam
der Aufschrei, dass diese Dinge sogar weitergingen, selbst wenn die Banken öffentlich
gestützt wurden. Man darf nicht vergessen, alle Banken werden derzeit öffentlich unterstützt,
nämlich durch praktisch unbegrenzten Zugang zu günstigem Kapital durch die Zentralbanken.
In diesem Bereich hatten wir eine bessere Gefechtslage. Das öffentliche Interesse war enorm
– das wurde zwar immer als Neiddebatte abgetan – aber für diesen Bereich war deutlich
vernehmbar, dass das nicht richtig sein kann: Solche Spitzeneinkünfte für fragwürdige
Leistungen. Und schon gar nicht in dem Moment, wo der Staat in Haftung ist und der Staat
auch noch Geld hineinschießt in dieses System, von dem wir alle wissen, dass wir große
Probleme haben werden, dieses Geld eines Tages wieder einzusammeln.
Das bedeutet, in dem Bereich ist es uns gelungen, durch das Europäische Parlament die
Vorschläge der Kommission zu verschärfen und gegen den Rat der Mitgliedsländer die
strengsten Manager-Bezahlungssysteme durchzusetzen, die wir weltweit haben. Die
Finanzindustrie war stocksauer, in London suchen die alle möglichen Umgehungswegen, weil
es ihnen überhaupt nicht passt, dass jetzt zwei Grundprinzipien europaweit eingeführt werden
– erstens eigentlich ganz trivial, wer staatlich direkt unterstütz wird, darf in Zukunft keine
exzessiven Boni mehr auszahlen, und zweitens wurde der Anteil variabler Bezahlungen stark
begrenzt – viele seriöse Unternehmen im normalen Bereich wirtschaften sowieso nicht mit
diesen Boni, sondern die erwarten von ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, dass sie
dem Unternehmen ergeben dienen und aus einem Treueverhältnis heraus gute Leistungen
bringen und nicht weil sie am Jahresende einen Extra-Cash haben wollen – im Bankbereich
sind jetzt diese variablen Gehaltsbestandteile stark begrenzt und sie müssen sogar über
mehrere Jahre fest gehalten werden, das heißt, es kann nicht mehr am Jahresende abgerechnet
werden, sondern wenn Verluste erst im nächsten oder übernächsten Jahr auftreten, dann muss
das in Abzug gebracht werden. Das heißt, zu einem Bonus gehört jetzt auch ein Malus.
Öffentlicher Druck
So, jetzt kann man sagen, das ist keine Revolution, aber das war immerhin ein realpolitischer
Erfolg. Warum war das möglich? Da gab es zwar auch enormen Lobbydruck, aber es ist
gelungen, dort im Europäischen Parlament dem Druck aus dem Rat und auch aus der
Finanzindustrie etwas entgegen zu setzen, und wir haben dies letztlich in europäisches Gesetz
gebracht. Das ist gelungen, weil dort der öffentliche Druck so groß war – es gab zwar auch
keine direkte Lobbyarbeit – also ich habe nie Attac oder irgend jemand anderes bei uns
gesehen, der uns sagte, das müsst Ihr so und so machen – aber die Empörung in der
Öffentlichkeit war so groß, dass das denjenigen, die die Regulierung wollten, geholfen hat.
Das zeigt, wie Demokratie funktioniert: Bei einer hochtechnischen Frage, die durchaus
wichtig ist, wo es aber keinerlei oder wenig öffentlichen Druck gibt, hat man mit
Regulierungsansprüchen sehr große Schwierigkeiten. Dort wo es starken öffentlichen Druck
gibt, dass die moralische Empörung stark ist, da hat man Chancen.
So, jetzt war die Frage: „Wie groß sind die Grenzen?“ Das ist leider ein bisschen kompliziert.
Das ist sehr verklausuliert in diesem Gesetzentwurf, weil das dreimal durch Verhandlungen
gegangen ist, so dass man das nicht versteht, wenn man es jetzt liest. Aber grob gesagt, ist
dass so, dass Sie über einen Zeitraum von drei Jahren erst einmal die Festlegung bei den
Variablen haben und Sie 70% fix entlohnen müssen. Das ist aber so verklausuliert, dass die
Summen nicht ganz rund sind.
Private Equity- und Hedge-Fonds
Mein zweites Fallbeispiel, die „Alternative Investment Fond Manager Richtlinie“. Da ging es
um die Regulierung der Hedge-Fonds und Private Equity, also Fonds, die sich an
Unternehmen mit Eigenkapital beteiligen – hier in Deutschland auch als „Heuschrecken“
negativ betitelt. Dazu möchte ich gerne eine Vorrede machen: Diese Fonds sind nicht per se
schlecht, sondern gerade bei diesen Private Equity Fonds gibt es sehr viele, die sehr sinnvolle
Arbeit machen. Wenn ein Unternehmen sich neu gründet und Eigenkapital sucht, dann ist
grundsätzlich nichts dagegen zu sagen. Wir wissen das von vielen ökologischen
Unternehmen, die neu starten: die suchen dringend Eigenkapital, sie bekommen das nicht von
den Banken oder nicht ausreichend. Es gibt Fonds, die helfen Unternehmen dabei, sich zu
entwickeln. Aber es gibt auch Fonds, die feindliche Übernahmen machen, die zerfleddern die
Unternehmen und lassen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit höheren Schulden
zurück als vorher. Das hat mit sozialer Marktwirtschaft nichts zu tun.
Natürlich kann man darüber reden, dass wir auch andere Unternehmensfinanzierungsformen
finden müssen. Aber unser Ziel war nicht, die gesamte Private Equity Branche oder alle
Hedge Fonds still zu legen. Wir wollten aber, dass alle Fonds sich registrieren lassen, dass
alle Fonds reguliert werden, wenn sie im Europäischen Markt wirtschaften. Und wir wollten,
dass alle Fonds auf das langfristige Unternehmensinteresse verpflichtet werden. Das bedeutet,
dass Fonds die lange Frist in den Blick nehmen müssen. Und wir wollten, dass die Fonds sich
nur begrenzt verschulden dürfen. Das bedeutet, dass das Eigenkapital wie bei einer Bank nur
in einem bestimmten Verhältnis zur Verschuldung stehen darf. Das heißt, die Fonds hätten
nicht mehr unbegrenzt Verschuldungen aufnehmen dürfen. Das hätte auch bestimmte
Aufblähungseffekte des Finanzsystems begrenzt.
Diese Forderungen haben wir auch in einer Koalition mit Konservativen und
Sozialdemokraten im Europa-Parlament mehrheitsfähig gemacht. Das war eine sehr
komplizierte Verhandlung, aber wir hatten dann letztlich die Mehrheit dieser drei Fraktionen.
Allerdings war das bei den Konservativen immer brüchig. Da gab es genauso eine
Minderheitenmeinung, die der Ansicht war, eigentlich sind die ganzen Regeln für die Fonds
unnötig und wir brauchen das in dem Maße nicht, es reicht eine Minimalregulierung. Damit
waren sie im gleichen Lager wie die Rechtskonservativen, also vor allem die Torries, die
Conservative Party aus Großbritannien, und der fünften Kolonne der Heuschrecken, also der
FDP, die mit uns dann nicht zusammengingen. Aber zunächst einmal hatten wir diese
Mehrheit. Dann kamen die Verhandlungen im Rat parallel, und im Rat waren die
Kräfteverhältnisse völlig anders. Im Rat fanden sie schon die Vorschläge der Kommission
völlig überhöht – ich kürze das jetzt etwas ab, aber letztlich stellte sich hinter verschlossenen
Türen Erstaunliches heraus: Herr Schäuble war unser stärkster Bündnispartner – und hinter
den Türen, was keiner glaubt – dass die Britten gegen diese ganzen Regeln waren, waren
sowieso klar – aber die schlimmsten waren die Franzosen. Denn, das wusste ich vorher auch
nicht, ein großer Teil der Fondsindustrie sitzt neben London in Paris. Und dann hat die das
alles überhaupt nicht mehr interessiert mit Liberté, Egalité, Fraternité, sondern letztlich zählte
da das Interesse der Fondsindustrie. Das haben die natürlich nicht öffentlich durch die Gegend
posaunt, aber das war letztlich die Situation. Die Vorschläge der Kommission scheiterten an
einer Koalition aus Großbritannien und Frankreich plus die Stimmen, die sie noch dazu
organisiert hatten, aber das war der Machtblock. Und dann musste man mit denen verhandeln.
Also die progressivere Parlamentsposition gegen die Ratsposition. Und als dann deutlich
wurde, dass die wichtigsten Faktoren, die wir dort wollten, dort nicht mehrheitsfähig waren,
änderte sich jetzt folgendes: Bei den Konservativen sagten die dann: OK, wenn wir das nicht
bekommen können, machen wir wenigstens das, was wir kriegen können vom Rat. Und die
Mehrheitsverhältnisse innerhalb der Konservativen änderten sich. Und damit hatten sie
zusammen mit Liberalen und Rechtskonservativen eine Mehrheit für eine schwache
Regulierung der Hedgefonds. Und das war sehr interessant zu sehen, wie von Sitzung zu
Sitzung die Mehrheitsverhältnisse sich änderten.
Vorhergegangen war dem im Parlament ein enormer Lobby-Druck der Fondsindustrie. Ich
habe so etwas noch nie zuvor gesehen. Wenn wir zu diesem Thema verhandelt haben – wir
tagen öffentlich, da kann man auch so hinein – waren immer so maximal zwei Dutzend
Parlamentarier, und hinter uns 200 Lobbyisten. Die sitzen einem so richtig physisch im
Nacken. Also ich kann nur jeden einladen – ich habe auch schon mal eine Gruppe von AttacAktivisten ins Europaparlament eingeladen – sich das einmal anzugucken. Die saßen einem
also nicht nur im Nacken, sondern sie haben auch zu dem Ursprungsvorschlag 1600
Änderungsanträge eingereicht. Da denkt man erst mal, das ist ja unmöglich, so viel zu lesen,
aber das war nicht so schwierig, denn viele von denen waren doppelt und dreifach, die die
Fondsindustrie über verschiedene Abgeordnete textgleich eingespeist hatte. Im
Europaparlament kann jeder Abgeordnete Einzelanträge zu Änderungen von Gesetzen stellen.
Dies wird von Lobbyisten viel genutzt, vorformulierte Änderungsanträge über Abgeordnete
einzubringen, auch von guten Lobbys. Im Umweltbereich machen das die Umweltverbände
genauso. Jedenfalls haben die Mitgliedsländer dann die starke Position des Parlaments
verwässert, und in der Verhandlung war dann nur folgendes durchsetzbar:



Grob gesagt, es gibt jetzt keine Grenzen für die Verschuldung der Fondsindustrie. Die
dürfen sich nach wie vor unbegrenzt verschulden.
Zweitens ist es so, dass die Verpflichtung auf das langfristige Interesse und auch auf
stärkere Arbeitnehmer-mitwirkungsmöglichkeiten im Falle der Übernahme gestrichen
wurde. Im Kern ist davon nicht viel übrig geblieben.
Am Rande gab es kleine Verbesserungen beim Status quo für die
Arbeitnehmerbeteiligung bei Übernahmen,
Doch was uns extrem weh getan hat und worum es enormen Streit gab, war die Frage, für wen
sollten diese Regeln gelten? Die liberal-konservativ orientierten Teile der konservativen
Fraktion, die wollten von vornherein dass diese Regeln nur für Fonds gelten, die in Europa
angemeldet und registriert sind. Jetzt wissen wir aber, dass diese Fonds zum größten Teil auf
den Kayman-Islands sitzen. Das heißt, die zentrale Frage war: Wenn ein Fonds aus den
Kayman-Islands in Europa wirtschaftet, muss er sich dann auch an die Regeln halten oder
nicht? Und da hab ich dieses Wort „Festung Europa“ in einem ganz anderen Kontext gehört.
Normalerweise bezeichnen wir darunter nur die Abschließung von Europa gegen Flüchtlinge.
Für die Liberalen ist die Festung Europa, wenn man unregulierten Fonds nicht mehr zulässt,
dass sie hier in Europa wirtschaften. Das ist eine ganz andere Bezeichnung von „Festung
Europa“. Das mussten wir uns mal anhören und der Kompromiss der dabei herausgekommen
ist: Fonds aus dem Ausland, die nicht diesen Regeln unterliegen, dürfen in Europa nicht mehr
beworben werden. Sie dürfen aber weiter verkauft werden. Das heißt, das ist der Unterschied
zwischen aktivem und passivem Marketing. Das bedeutet, dass im Grunde am Bankschalter,
wenn sie dahin gehen und wissen was sie wollen – wer da investiert, weiß in der Regel ein
bisschen was er kaufen will, das ist nicht Otto Normalverbraucher, der sich an diesen Fonds
beteiligt - der kann nach wie vor mit der Wertpapiernummer jeden Fonds erwerben, egal ob
reguliert oder nicht. Im Grundsatz dürfen diese Fonds in Europa auch weiter investieren. Aber
sie dürfen eben nicht mehr als Bank für einen unregulierten Fonds einen Flyer machen oder
auf der Internetseite dafür werben, zumindest nicht mehr auf ihrer Europäischen Seite.
Natürlich kann keiner sie daran hindern auf der Filiale ihrer Bank auf den Kayman-Islands
dafür Werbung zu machen.
Das Ergebnis war dann, dass kurz vor Schluss die Sozialdemokratie gesagt hat: „Na gut, das
ist immer noch besser als gar nichts“. Deshalb haben die dann diesem faulen Kompromiss
auch noch zugestimmt und am Schluss standen wir dann mit der Linksfraktion alleine da, die
das dann abgelehnt hat und gesagt hat: „Das ist zuviel, das können wir nicht mittragen“. So
viel zur Fallstudie Nr. 2.
Weitere Regulierungen
Es gab seitdem eine weitere Reform der Rating-Agenturverordnung. In Zukunft werden die
Ratingagenturen direkteuropäisch beaufsichtigt. Das ist ein großer Fortschritt, weil die
faktisch europaweit ähnlich und gleich handeln.
Jetzt gibt es noch - ich will die nicht alle im Detail aufzählen – einen ganzen Sack voll
weiterer Regelsetzungsprojekte. Die, die derzeit in der Verhandlung sind, sind:
 Regulierung im Bereich Derivate,
 Regulierung im Bereich Leerverkäufe,
 Regulierung im Bereich Kreditausfallversicherungen.
Ich will die nicht alle erläutern, sondern sagen, was man daran erkennen kann: Es gibt ein
Fülle neuer Regeln, die sind alle hochtechnisch. Das ist der tägliche Kampf, den ich da führe.
Es gibt aber auch noch den Effekt, dass alle wissen, dass eine Regel nichts geändert hat außer
der Regulierer und der Politiker die sie eingeführt haben. Wir kriegen noch einen ganzen Sack
weiterer Regulierungsprojekte, wo ich an ein paar der wichtigen Stellen sagen will, was da
noch kommt, um denjenigen die sich damit beschäftigen, Tipps zu geben, wo wir gut noch
etwas Druck gebrauchen könnten.
Basel 3
Dieses Jahr werden all diese Vorschläge gemacht und da sind mehrere Großbaustellen. Das
erste ist die Umsetzung von Basel 3 in europäisches Recht, die so genannte
Eigenkapitalrichtlinie 4. Und da geht es um die Wurst. Denn da geht es wirklich darum wie
viel Eigenkapital Banken vorhalten müssen. Werden dort kleine Banken wie Sparkassen und
Genossenschaftsbanken schlechter behandelt? Ist es so, dass man es gerade den kleinen
Banken in Zukunft schwerer macht Kredite zu vergeben und umgekehrt bei den Großen nicht
genug Anforderungen macht, wie viel sie zurückzulegen haben? Die zentrale Frage, können
die Großbanken so weiterexistieren wie bisher, unter der faktisch öffentlichen Haftung ohne
ausreichend Kapital zu hinterlegen, ist unklar. Unser zentrales Ziel bei dieser Reform ist, dass
mindestens die Großbanken mit überproportional viel Eigenkapital sich unterlegen müssen,
um damit so eine Art Anreiz für kleinere, für marktnähere Strukturen zu schaffen, statt eben
das Umgekehrte zu betreiben.
Bankinsolvenz
Die noch interessantere Frage meiner Meinung nach sind aber die Vorschläge zur
Bankenabwicklung und dem Krisenmanagement. Wenn man im Kapitalismus Profite machen
kann, dann gehört dazu umgekehrt, auch selber zu zahlen wenn es schief geht. Das eine ist
nicht vom anderen zu trennen. Das ist im Bankenwesen nicht so. Im Bankenwesen gilt
zumindest bei den Großbanken, Sie zahlen, nicht die Banken!
Die Banken sind stark aneinander beteiligt und miteinander verflochten, und diese
Verflechtung ist per se schon ein Teil des Problems. Viel war öffentlich die Rede von „too big
to fall“. Das ist aber nur eine Hälfte des Problems. Darüber habe ich eben schon was gesagt.
Die andere Hälfte ist „to interconnectet to fall“. Das heißt, wenn man so verflochten ist mit
anderen Banken, und einer in der Kette bricht, dann wissen Sie nicht wie die anderen Teile in
dem Netzwerk beschädigt werden. Das heißt, aus meiner Sicht ist zentral, Banken dürfen sich
nicht mehr in dieser Unbegrenztheit gegenseitig Kredite geben und gegenseitig aneinander
beteiligt sein. Auch diese Querverbindungen in die Versicherungsindustrie sind Dinge, die
man begrenzen muss.
Und umgekehrt muss für jede Bank klar sein, dass, wenn sie gerettet wird, immer zuerst der
Eigentümer vollständig haften muss. Dieses Prinzip wurde komischerweise in Deutschland
nicht angewendet, dagegen in Großbritannien sehr wohl. In Großbritannien wurde bei den
Banken, die übernommen wurden, zunächst mal der Eigentümer herangezogen. Dann kam der
Staat. Bei uns hat man die Allianz von ihrem Problem mit der Dresdener Bank freigestellt und
daraus eine neue Großbank geflochten hat. Der liberale Walter Eucken hätte sich im Grab
umgedreht, weil das mit einer Vernichtung von Marktmacht nichts zu tun hatte - und der
Commerzbank wurde dann ein zinsloser Kredit gegeben, ohne dass die Eigentümer ihre
Anteile dafür reduzieren mussten.
Erst im nächsten Schritt wurden (bei der Commerzbank hat’s noch nicht gereicht) tatsächlich
die Eigentümer ein Stück weit an den Kosten beteiligt. Für diesen ganzen Bereich (too big to
fail, too interconnected to fail, wie können Banken Pleite gehen?) wird die Kommission in
diesem Sommer ihre Vorschläge machen. Ich hoffe, dass dies nicht so schweigsam wie bei
vielen anderen EU-Finanzmarktfragen läuft. Dass sich auch Unternehmerinnen und
Unternehmer zu Wort melden und sagen, das kann nicht sein, ich zahle meinen Mist ja auch
selbst, wenn mein Unternehmen kaputt geht.
Welche Anlage hätten Sie denn gern? – Rahmenordnung für Finanzdienstleistungen
Noch ein wichtiger Hinweis: Eine Richtlinie namens MIFIT schafft eine Rahmenordnung für
Finanzdienstleistungen. Stark interessiert hier die Frage „Unter welchen Bedingungen werden
Finanzmarktprodukte vertrieben“? Also: Wenn Sie egal zu welcher Bank gehen und sich
beraten lassen, dann müssen Sie immer wissen, dass derjenige, der Ihnen gegenüber sitzt,
nicht nur Ihr Wohl im Kopf hat, sondern auch folgende betriebswirtschaftliche Kalkulation:
Wenn Sie einen Bundesschatzbrief kaufen, dann bekommt die Bank dafür 0,5 % von Ihrer
Anlagesumme. Wenn Sie aber einen Hochrisikofonds kaufen, dann bekommt die Bank 10 %
Ihres Geldes. Wenn Sie eine Aktie kaufen, dann vielleicht 1%. Die Bank lebt davon, dass sie
Provisionen bekommt. Noch schlimmer sind die freien Finanzvermittler. Dort wird überhaupt
nicht drauf geachtet, die werden von der Gewerbeaufsicht beaufsichtigt, die eigentlich
überhaupt keine Ahnung von Finanzdienstleistungen hat. Dadurch wird viel Geld in
risikoreichere Geschäfte gelenkt, als viele Menschen das eigentlich wollen, indem sie Leuten
aufgeschwatzt werden – was in vielen Finanztests nachgewiesen ist.
Sehr viele Bürger haben in der Finanzkrise Geld verloren, die sich darüber nicht bewusst
waren, dass das geschehen könnte. So kommt es zu Bürgerinitiativen wie der der LehmannBrothers Geschädigten und anderer, denen nie in der Beratung gesagt wurde, wie risikoreich
das alles war, was sie da als Zertifikat eigentlich erworben haben. Das heißt, die Frage, wie
man Anlergerinnen und Anleger schützen kann ist schon deshalb so interessant, weil man
damit in das Herz des Geschäftsmodells auch der Banken hineinstößt. Das sollte man als
Hebel nutzen, weil anders als bei den anderen Finanzmarktfragen das nicht abstrakt ist
sondern das sind ganz reale Menschen, die jede Menge Geld verloren haben, und die sich eine
Beratung wünschen, die das Wort verdient. Und aus unserer Sicht sollte es so sein, dass
Provisionserträge und Beratung vollständig zu entkoppeln sind. Das ist in der MIFITSRichtlinie jetzt schon so angelegt, nur gibt es eine Ausnahmeklausel, die auf Lobbydruck da
hineingekommen ist, die letztlich doch wieder alles erlaubt. Das muss sich ändern diesen
Sommer.
Mein größter Erfolg
Die anderen Richtlinien will ich nicht weiter durchexerzieren, sondern noch erzählen, wo ich
bisher meinen größten Erfolg hatte und abschließend ein paar Fazit-Punkte ziehen. Bei den
Regeln haben wir bisher Licht und Schatten erlebt und die Großkämpfe stehen dieses Jahr
noch an. Wie danach die Bilanz aussieht, kann ich noch nicht sagen. Tendenziell sind wir im
EU-Parlament etwas progressiver als im Rat, wir sind weit weg von Christian Felbers
Gemeinwohlökonomie, und auch von Vorstellungen wie sie von konsequenteren Regulierern
vertreten werden, aber im Bereich der Aufsicht haben wir was interessantes geschaffen und
das wäre m.e. im Bundestag so nicht möglich gewesen:
Vier neue Behörden
Es wurden vier neue Behörden geschaffen, eine europäische Bankenaufsichtsbehörde, eine
europ. Versicherungsaufsichtsbehörde, eine europ. Börsen- und Wertpapieraufsichtsbehörde,
und ein europ. Rat für Systemstabilität. Das war Beschluss direkt nach der Krise dass die
gegründet werden. Aber als dann der Vorschlag von der Kommission kam, war schon dieser
Vorschlag nur mit relativ schwachen Rechten verbunden. Und als dann dieser Vorschlag in
den Rat kam, haben Deutschland und GB zusammen mit einigen Verbündeten eine Front
aufgebaut, zu versuchen zu verhindern, dass diese Behörden wirklich scharfe Kompetenzen
erhalten.
Worum geht es? Wir haben europäisches Finanzmarktrecht, aber viele Länder, in denen das
nicht effektiv umgesetzt wird. Gerade Deutschland hat eine komische Bankenaufsicht. Es ist
ja kein Zufall, dass viele von den toxischen Produkten (1/3 der toxischen US-Produkte, die
außerhalb der USA gehalten werden) in den Büchern deutscher Banken gelandet sind. Das ist
kein Zufall, sondern hat auch etwas mit schlechter Regulierungspraxis in Deutschland zu tun.
Insbesondere wurde bei den Landesbanken nicht richtig hingeguckt, was die eigentlich
getrieben haben. Das ist um so fragwürdiger, weil das öffentliche Banken sind, wo man
wieder einmal sehen kann, dass die wichtige Frage gar nicht ist, ob etwas öffentlich oder
privat ist, sondern wer eigentlich die Kontrolle und wer die Macht hat und in wessen Interesse
kontrolliert wird. Exzesse wie in Irland waren die Spitze des Eisbergs.
Warum ist das so? – Das lag nicht daran, dass Aufsichtsbehörden nicht hingucken wollten,
sondern dass die Länder darum konkurrieren, wer am wenigsten genau hinguckt. Weil die
Finanzindustrie nämlich am liebsten dort hin gegangen ist, wo sie am wenigsten beaufsichtigt
wurde. Das heißt, in einem europ. Binnenmark kann man es sich nicht leisten, dass es eine
City of London oder Dublin mit einer bekannt-schwachen Regulierungspraxis gibt. Und dann
erwarten, dass in den anderen Teilen des Binnenmarktes stark reguliert wird. D. h., wir
brauchen eine Vereinheitlichung nicht nur der Regeln sondern auch der Aufsichtspraxis. Dazu
braucht man Durchgriffsrechte in die Mitgliedsländer, damit das Scharf wird, was die
Mitgliedsländer massiv beschneiden wollten. Im EU-Parlament ist es dagegen gelungen, diese
zu verankern, was zum Teil vor allem eine sozialpädagogische Aufgabe war.
Breite Mehrheiten organisieren
Es ist gelungen, die zentralen Leute in den 4 pro-europäischen Parteien, also Liberale,
Konservative, Sozialdemokraten und Grüne, zusammenzubringen, um zu sagen: Das lassen
wir nicht zu. Damit hatten wir eine breite Mehrheit hier im Haus für starke europ.
Finanzaufsichtsbehörden. Über diese Mehrheit ist es uns gelungen, große Veränderungen an
dem ursprünglichen Konzept zu verhandeln. Das hat wegen der wirklich sehr großen
Mehrheit geklappt, weil die Mitgliedsländer ihren üblichen Trick, den sie sonst immer
anwenden, wenn das Parlament nicht spurt, nicht machen konnte: Der Regierungschef im
Heimatland ruft die Europaparlamentarier an, und sagt, „wenn Sie nicht spuren, dann stellen
wir Sie nicht wieder auf!“ – was vor allem jüngere Kollegen beeindruckt. Aber wenn man
eine Mehrheit von 500 von 700 Abgeordneten hat, dann ist diese Strategie gescheitert. Es ist
uns neben der Verankerung der starken Durchgriffsrechte auch gelungen, dass die 3 Behörden
in Zukunft auch Konsumentenschutz als Ziel haben, was heute die Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungen überhaupt nicht hat. Und sie haben in Zukunft das Recht,
Finanzprodukte zu verbieten. Zum Startzeitpunkt werden die Behörden etwa 100 Mitarbeiter
pro Agentur haben, aber: Der Kampf darum, wie groß die sind, wird jedes Jahr im Rahmen
des EU-Haushaltes neu geführt werden müssen.
Warum waren die neuen Behörden letztendlich durchsetzbar?
Was klare Linie des Europaparlaments ist: Deren Rolle in den neuen Finanzmarktgesetzen
weiter zu stärken und daraus wächst auch die Argumentationsgrundlage, denen mehr
Mitarbeiter zu geben. Ich hätte mir auch noch einiges mehr vorstellen können. Zum Beispiel
wollten wir als Parlament, dass die Großbanken unter europäische Direktaufsicht gestellt
werden, dass die Großversicherungen unter europäische Direktaufsicht gestellt werden, weil
das faktisch europäische Unternehmen sind. Es macht keinen Sinn, dass eine Deutsche Bank
von 27 nationalen Bankenaufsehern beaufsichtigt wird. Das konnten wir nicht durchsetzen.
Aber wir haben in dem Bereich einfach etwas geschaffen, wo man sehen konnte: Wenn
Europa über die Fraktionen hinweg handelt, kann man auch gegenüber dem Rat etwas
durchsetzen. Aber das gelang aus zwei Gründen, das muss man selbstkritisch sagen. Es
gelang, weil es hier nicht um die Regeln ging, sondern um die Polizei. Es ist viel leichter, sich
mit Konservativen und Liberalen darauf zu einigen, dass wir eine starke Polizei brauchen als
dass wir starke Regeln brauchen, die bestimmte Geschäftspraktiken der Finanzmarktakteure
real beschneiden. Deshalb war der Lobbydruck an der Stelle auch viel weniger, weil natürlich
die Finanzindustrie weiß, dass sie schwer Lobbyarbeit gegen eine Polizei machen kann. Die
konzentrieren sich darauf, gegen die Regeln, die die Polizei durchsetzen soll, Lobbyarbeit
zu machen. Dadurch hatten wir dort eine bessere Ausgangsposition. Aber immerhin ist das
etwas, wo man lange als attaci Kampagne machen muss, um zu erreichen, dass man im
europäischen Recht die Möglichkeit hat, Finanzprodukte zu verbieten. Und die interessante
Frage ist: Werden jetzt real Vorschläge gemacht, Finanzprodukte zu verbieten? Ich warte
auf Vorschläge, konkrete Produkte zu verbieten und das wird dann sehr interessant, ob das
dann erfolgt oder nicht.
Die Finanztransaktionssteuer
So, jetzt zum traurigen Feld der Besteuerungsfragen. Wir wollten eine europäische
Finanztransaktionssteuer, möglichst natürlich eine globale. Nachdem klar war, dass die USA,
Kanada und Brasilien nicht mitmachen, war klar, eine globale Finanztransaktionssteuer wird
es bis auf weiteres nicht geben. D.h. es ging um eine europäische (Transaktionssteuer). Und
da ist die Frage sehr schwierig, denn nach wie vor ist es so, dass die meisten konservativen
und liberalen Parteien gegen eine europäische Finanztransaktionssteuer sind - mit Ausnahme
von Österreich, wo das fraktionsübergreifend Konsens ist, wie auch in Belgien. Die deutsche
CDU und die FDP wissen nicht so richtig, was sie wollen. Im Bundestag sind sie eher für eine
europäische Transsaktionssteuer, im Europaparlament waren sie bisher eher dagegen.
Was gemacht wurde ist also: Wir haben Bankenabgaben in einigen europäischen Ländern, die
besteuern allerdings die Höhe der Bilanz einer Bank und das ist genau das, was man
eigentlich nicht machen sollte. Dass eine Bank Kredite vergibt, ist ja nicht schlecht! Was wir
gerne besteuert hätten, ist stattdessen hochspekulative Geschäfte und das erfasst man am
besten durch ein hohes Transaktionsvolumen. Das heißt die eingeführten Bankenabgaben
haben genau die Banken belastet, die noch stark realwirtschaftlich aktiv sind und eben nicht
diejenigen, die hochspekulatives kurzfristiges Finanzmarktgeschäft machen. Und der Schritt,
dieses letztere zu tun, wird ideologisch blockiert. Es wird immer gesagt, das kann man nicht
nur in Europa machen, das kann man nicht nur in der Eurozone machen, das geht nur global.
Und wenn man sich das genauer anguckt - wir haben dazu eine kleinere Studie gemacht –
dann stimmt das für einige Teilmärkte in der Tat. Wenn man Warentermingeschäfte in Europa
mit einer Finanztransaktionsteuer belegt, dann wird das gleiche Geschäft in Chicago gemacht
und das ändert in der realen Welt überhaupt nichts. Sie kriegen auch keine relevanten
Steuereinnahmen, weil das nützt ja nichts, wenn das entsprechende Geschäft dann genauso
woanders gemacht wird. Aber in anderen Teilmärkten, z.B. im gesamten Aktien- und
Anleihehandel, kann man sehr wohl national und erst recht europäisch besteuern, weil diese
Geschäfte immer eine Heimat haben. Deshalb hat London bis heute noch eine
Börsenumsatzsteuer. Das heißt, es ist ideologisch zu sagen, man kann Finanztransaktionen
nicht europäisch besteuern und diese Front, diese Frage wird dieses Jahr, so glaube ich, einer
Entscheidung zugeführt. Aber es gibt einen zentralen Unterscheid zu den Finanzmarktregeln.
Die EU-Steuermisere
Im gesamten Steuerbereich hat das Europäische Parlament keine vollen
Mitentscheidungsrechte, sondern wir haben nur Konsultationsrechte. Wir haben zwar
mehrfach mit knapper Mehrheit beschlossen, dass wir tendenziell für eine europäische
Transaktionssteuer sind. Diese Beschlüsse sind aber symbolisch. Die Macht liegt alleine im
Rat, weil das Steuerrecht nach wie vor als heiliger Gral der nationalen Souveränität gilt,
obwohl faktisch bestimmte Einkommensarten längst unbesteuerbar geworden sind. Das führt
dazu, dass wir in allen zentralen Fragen bei der Besteuerung von Unternehmen und von
Kapitaleinkommen im Europäischen Binnenmarkt wenige Fortschritte erzielen. Wir haben
eine europäische Zinsrichtline, die soll eigentlich Zinsen europaweit besteuerbar machen,
auch von Ausländern. Die ist löcherig wie ein Schweizer Käse. Die Reform dieser Richtlinie
wird aufgehalten von Luxemburg und Österreich. Die nutzen ihr Vetorecht, es sind zwei
Großmächte, die uns derzeit sehr viel Geld kosten.
Im Bereich der Steuern gibt es seit langem den Vorschlag, eine gemeinsame konsolidierte
steuerliche Bemessungsgrundlage zu machen, die es unmöglich macht, ihre Gewinne immer
in die Länder verlagern, wo die Steuern am niedrigsten sind, wo es die meisten
Abschreibungsmöglichkeiten gibt. Das wird derzeit stark bekämpft von Irland und
Großbritannien. Die Mindeststeuersätze - sie erinnern sich vielleicht an die Diskussion um die
Rettung des irischen Staates, dass sich einige Länder weigern, zumindest gewisse
Mindeststeuersätze einzuführen. Wir haben in Estland 0 % Körperschaftssteuersatz für
einbehaltene Gewinne, wir haben in Irland 12,5 %, wir haben eine Menge weiterer
osteuropäischer Länder mit sehr niedrigen Steuersätzen. Mindeststeuersätze sind derzeit nicht
auf der politischen Agenda, was mich besonders deshalb ärgert, weil wir nämlich auf der
umgekehrten Seite eine harte europäische Agenda für Austerität, für Sparpolitik haben, die
den Mitgliedsländern aufgedrückt wird. Man sagt: Ihr sollt mit den Ausgaben runter. Dass in
etlichen europäischen Ländern gespart werden muss, da besteht kein Dissens. Aber auf der
umgekehrten Seite die Steuerschlupflöcher zu schließen und auf der
Einnahmenseite Regeln einzuführen, das gilt als Teufelszeug. Das ist ganz klar eine Form von
interessengeleiteter Politik, dass diejenigen, das sind ja eher die Vermögenden und Reichen
und Großunternehmen, denen solche Maßnahmen schaden würden, die sind derzeit
interessensmächtiger als die Bezieher von Sozialleistungen in Ländern, die derzeit am
Abgrund stehen.
Fazit:
Jetzt will ich daraus ein paar Merkpunkte ableiten, was man daraus lernen kann. Die ganze
Finanzmarktdebatte in Europa leidet unter Reguleritis. Damit meine ich sehr viele detaillierte
Regelungen, wobei aber die zentralen Fragen derzeit nicht konsequent gelöst werden. Gerade
die Frage: wie kann man den Raum, den die Finanzmärkte in unserer Welt einnehmen,
einengen. Das ist ein Thema, das ist nicht auf der Agenda, das ist außerhalb des Diskurses,
der in den Institutionen geführt wird. Es gibt eine Überschätzung von Detailregulierung im
Vergleich zu großen ordnungspolitischen Linien, die nicht in der Weise gezogen werden.
Ist das EU-Parlament dabei?
Das zweite ist: Um zu verstehen, warum Europa dieses oder jenes entscheidet, muss man sich
mit den Entscheidungsregeln in der EU befassen. Es macht einen riesigen Unterschied, ob das
Europaparlament dabei ist oder nicht. Das sieht man an der Diskrepanz zwischen Steuern und
Regeln. In den Regeln haben wir zumindest tendenziell die progressiveren Positionen des
Parlaments, weil dort Öffentlichkeit gewahrt ist, weil die Abgeordneten sich dort rechtfertigen
müssen. Dort wo der Rat alleine entscheidet, hinter verschlossenen Türen, ist es sehr viel
schwieriger. Wir brauchen deshalb dringend stärkere europäische Demokratie und
Öffentlichkeit und ich glaube wir müssen uns entscheiden - zumindest innerhalb der Länder
der Eurozone - dass wir zu viel effektiveren und demokratischeren Entscheidungsstrukturen
kommen.
FinanceWatch
Drittens haben wir den großen Einfluss der Finanzlobby und zwar immer dann, je dunkler es
wird, d.h. je komplizierter und technischer, desto größer deren Einfluss. Umgekehrt gibt es
kein Greenpeace der Finanzmärkte. Wir haben zwar Attac, wir haben auch einige andere, die
dazu arbeiten, aber das Kräfteverhältnis in Brüssel ist wirklich beweinenswert. Ich schätze,
dass es mindestens 1000 direkt von der Finanzindustrie bezahlte Lobbyisten gibt. Dem stehen
etwa zehn gemeinwohlorientierte Lobbyisten gegenüber, die aber auch noch andere
Tätigkeitsbereiche als nur Finanzmärkte haben. Deshalb haben wir
als Europaparlamentarier eine Initative für FinanceWatch gestartet – das startet jetzt auch
real - praktisch so eine Art Gegenlobby in Brüssel, die unabhängige gemeinwohlorientierte
Expertise in den europäischen Rechtssetzungsprozess einbringen soll. Gerade sammeln sich
die Gründungsmitglieder. Es gab einen langen Prozess. Wir haben die Unterstützung des
Europäischen Konsumentenverbandes, des Europäischen Gewerkschaftsbundes, des
Europäischen Zusammenschlusses der Buchhalter und sogar der Steuerprüfer - ich war völlig
baff - eine lange Reihe von europäischen Dachverbänden, die das unterstützen, auch einige
Attacs sind auf dem Weg, sich daran zu beteiligen, Das heißt, wir sind dabei, eine
Gegenlobby zu schaffen. Das interessante für mich war, dass der Aufruf dazu von der
Mehrheit der Mitglieder meines Ausschusses unterschrieben worden ist - von den Mitgliedern
aus fünf Fraktionen von den Liberalen bis zu den Linken. Das ist wirklich interessant zu
sehen.
Die Rolle der Mitgliedsländer
Und zu guter Letzt darf man nicht vergessen: In Europa zählt nach wie vor im Rat die Größe
der Mitgliedsländer und der Lobbyeinfluss in den Mitgliedsstaaten ist mindestens so groß wie
in Brüssel. Viele Leute schimpfen immer auf Europa und sagen Europa hat beschlossen und
in Wirklichkeit muss man sich selber in den Spiegel gucken, denn der Einfluss der
Finanzindustrie in Berlin auf die Positionen, die die deutsche Bundesregierung in Brüssel
einnimmt, ist mindestens so groß wie der Einfluss der Finanzindustrie die Kommission oder
das Europaparlament in Brüssel und Straßburg. Das bedeutet: Europapolitik muss auch in den
Mitgliedsländern gemacht werden. Auch der Bundestag muss da endlich seine Rolle finden.
Man darf nicht die Regierungsvertreter alleine in die Verhandlungen nach Brüssel lassen. Die
müssen parlamentarisch und Öffentlich unter Druck gesetzt werden, welche Positionen sie da
vertreten, dass Gemeinwohl dort Vorrang haben muss vor dem, was Partialinteressen und
Partikularinteressen von ihnen verlangen. So, das ist mein Tätigkeitsrückblick hier an den Teil
der Familie und Gäste. Ich freue mich auf Fragen und auf Kritik. Vielen dank fürs lange
Zuhören!
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