Europäischer Tag der Freien Berufe

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Europäischer Tag der Freien Berufe
12. Juni 2006
Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss
Arbeitskreis 4: Verbraucherschutz und Freie Berufe
Berichterstatter: Dr.Klaus Woschnak, Präsident der Österreichischen Notariatskammer
Der erste Referent John Graby, Direktor des königlichen Instituts der Architekten Irlands
(RIAI), stellte an die Spitze seines Vortrags das Problem der
 Informationsasymmetrie, d.h. des Ungleichgewichtes an Wissen über die
Bedingungen der Erbringung freiberuflicher Dienstleistung auf Seiten der
Verbraucher und unterschied zwischen
 Großauftraggebern, die gut informiert seien und Verbrauchern, die unter
Informationsmangel litten.
Der Freiberufler müsse auf diese Informationsasymmetrien Rücksicht nehmen.
Für wirksamen
 Konsumentenschutz sei die
 Qualifikation des Freiberuflers von fundamentaler Bedeutung.
„Wir müssen auf der Forderung nach Qualifikation beharren.“
Qualifikation werde gesichert durch Ausbildungsstandards, Leistungsstandards und
Expertentum („Kompetenz“).
Für die Erbringung der Dienstleistung sei entscheidend
 Preis-/Leistungsverhältnis
 Zeitfaktor
 Berufsethische Standards
Der Konsument habe Anspruch auf verständliche Erklärung der Dienstleistung unter
Vermeidung von Fachjargon durch Darstellung der
 Arbeitsschritte
 Verantwortung des Freiberuflers
 Verantwortung des Konsumenten.
Zur Vertrauensbildung gehöre eine offene
 Honorargestaltung, die über die Art der Honorarberechnung und das
Verhältnis der Leistung zum Honorar im vorhinein Auskunft gebe und durch
Festsetzung des Honorars durch Vereinbarung Klarheit für den Konsumenten
schaffe.
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Europäischer Tag der Freien Berufe, 12. Juni 2006, Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss
Arbeitskreis 4: Verbraucherschutz und Freie Berufe
Berichterstatter: Klaus Woschnak, Präsident der Österreichischen Notariatskammer
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Wichtig sei eine effiziente
 Beschwerdenbehandlung. Dabei komme den Berufsverbänden besondere
Verantwortung zu. Sowohl im Bereich der Information bei verständlicher
Darstellung der Honorarkomponente als auch durch Bereitstellung von
Verfahren zur Lösung von Honorarkonflikten. Dabei müsse der Konsument auf
die Objektivität der Berufsverbände vertrauen können.
„Wir müssen die Öffentlichkeit überzeugen, dass Berufsverbände objektive
Ausschüsse für die Behandlung von Beschwerden haben.“
Besonderes Augenmerk sei der
 Schadensgutmachung zu widmen.
„Eine Versicherung zur Deckung der beruflichen Haftpflicht ist ein besonders
starkes Argument für die Verbraucher.“
Fehlerhafte Leistungen seien für den Konsumenten kostenlos zu verbessern, Schaden dem
Konsumenten zu Ersetzen.
Schließlich brauche man verständliche
 Codices für Berufsethik.
Der zweite Referent Dr. Harald Glatz, Österreichische Bundesarbeitskammer, betonte
zunächst, es gäbe aus seiner Erfahrung mit Freien Berufen wenig Probleme. Er betonte aber
die Schutzwürdigkeit der Konsumenten.
„Das Leitbild des mündigen Konsumenten in der EU trifft im Bereich der
Freien Berufe nicht zu. Daher gibt es hier großen Schutzbedarf.“
Der Referent betonte die Notwendigkeit, „Großklienten“ und Verbrauchern differenziert
gegenüber zu stehen. Für den Verbraucher seien für die Beurteilung der Freien Berufe die
 Qualität und Sicherheit der Leistungen,
 räumliche Nähe,
 Preise und
 Information und Transparenz entscheidend.
Es sei zu prüfen, ob der hohe Regulierungsgrad der Freien Berufe dem gesellschaftlichen
Gesamtwohl und den Verbraucherinteressen diene. Wettbewerbsschranken seien nur mit
hohem
 Qualitätsniveau und
 Preisangemessenheit zu rechtfertigen.
Regulierungen im Bereich Freie Berufe seien daher an den Kriterien Qualität,
Preisangemessenheit, guter Information und Transparenz zu messen.
„Liberalisierung und Wettbewerb sind kein Allheilmittel und kein Ziel per se.
Die Verbraucher sind es, die die Kosten der Liberalisierung zu tragen haben.“
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Der Referent stütze seine Aussagen mit Hinweisen darauf, dass der Anbieter vom
Verbraucher ausgewählt werden müsse. Die vielzitierte „IHS-Studie“ gehe zu wenig in die
Tiefe. Vielmehr sei eine punktuelle Analyse der „freien Marktlösung“ hinsichtlich
Zielerreichung erforderlich.
„Die Verbraucherschützer wollen keine weitere Kommerzialisierung von
Dienstleistungen.“
Regulierungen sollten sich an Möglichkeiten zur Verbesserung der Situation der Verbraucher
orientieren. So seien
 lange Ausbildungszeiten zu reduzieren und
 zusätzliche Fachprüfungen zu erwägen zur
 permanenten Überprüfung der Qualität,
 einschlägige Praktika als Ersatzzeiten für ein Studium zu werten,
 einfache Beratungsleistungen, etwa im Rechtsbereich auf Assistenten zu
übertragen,
 für
juristische
Vertretungen
bei
Konsumentenschutzanliegen
Interessenvertretungen zuzulassen.
„Freie Berufe müssen sich daran gewöhnen, kritisch überprüft zu werden.
Marktkontrolle ist Aufgabe des Konsumentenschutzes.“
Zu diskutieren sei, ob
 Preisregulierung zur Sicherung hoher Qualitätsstandards geeignet sei. Für
Mindestpreise gäbe es keine Notwendigkeit. Aber:
„Preisregulierung hat für den Konsumenten den Vorteil der Transparenz.“
Werbeverbote seien dort gerechtfertigt, wo schwerwiegendes öffentliches Interesse bestehe,
insbesondere zum Schutz der Gesundheit. Bestimmte Werbeinhalte wie Erreichbarkeit (z.B.
Öffnungszeiten),
Art
der
Dienstleistung,
Spezialisierung,
Preise,
Honorare,
Qualitätsvergleiche sollten möglich sein.
„Werbeverbote sind dort zweckmäßig, wo sie eine Kommerzialisierung von
Dienstleistungen oder von Produkten, die als besonders sensibel zu werten sind,
wie z.B. Medikament) verhindern.“
„Gebietsschutz, etwa im ländlichen Raum, dient der flächendeckenden
Versorgung.“
„Liberalisierung ohne Schaffung neuer Rahmenbedingungen wäre bedenklich.“
Rahmenbedingungen wären notwendig für Berufszugang, Ausbildung und Werbung.
Kommerzialisierung freiberuflicher Dienstleistungen sei abzulehnen: „Keine Law
Industry!“
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Berichterstatter: Klaus Woschnak, Präsident der Österreichischen Notariatskammer
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In der folgenden Diskussion meldeten sich zu Wort:
1. Intervenient: Großauftraggeber
hätten
anderen
Zugang
als
Verbraucher,
Qualitätserfordernisse seien zu beachten, Asymmetrien der Informationen seien
ein Problem.
2. Intervenient an Glatz,
ob aus Konsumentensicht ein Unterschied zwischen
Großauftraggebern und Konsumenten bestehe?
3. Intervenient an Graby, es gebe Berufshaftpflichtversicherungen. Dienstleistungen, für die
Versicherungspflicht für Berufshaftpflicht bestehe, würden einen höheren
Standard als andere Dienstleistungen gewähren;
an Glatz, geringes Honorar bedinge schlechte Qualität, Rechtsberatung der
Verbraucherverbände sei durch Volljuristen durch zu führen.
4. Intervenient: Glatz habe ein Plädoyer für die Freien Berufe gehalten, es bedürfe keiner
Änderung des Gesamtsystems, sondern vorsichtiger Anpassung. In die Arbeit der
Kommission seien Praktiker einzubeziehen.
Graby:
Zwischen Großeinkäufern und Verbrauchern bestünde kein besonderer
Unterschied. Vielmehr sei es schwierig, Dienstleistungsprofile zu erarbeiten. Die
Berufshaftpflicht sei ein Schutz für den Freiberufler. Der Großklient habe die
Macht, der Kleinkonsument dagegen keine.
Glatz:
Für ein differenziertes System der Beratung bestünden keine Bedenken. Die
Beratung durch Verbraucherverbände sei für die Lösung einfacher Fragen
geeignet, dies erfordere z.B. nicht nur Juristen. 80 % des Beratungsbedarfs beziehe
sich auf einfache Fragen. Anderes gelte für schwierige Probleme, diese seien an
rechtskundige Berater weiter zu geben.
Es gebe wenige Beschwerdefälle betreffend Freiberufler. Diese würden nicht die
Rolle spielen wie andere Sektoren der Wirtschaft.
5. Intervenient: Verbraucherschutz, Sicherheit, Gesundheit sollten Leitbilder für beide
Seiten, Freiberufler und Konsumentenschützer sein.
Glatz:
Rahmenbedingungen und Forderungen würden sich ändern, Ausbildung müsse
angepasst werden. Ausbildungszeiten seien zu verkürzen, Berufszugang zu
erleichtern, Fortbildung im Anschluss daran sei zu intensivieren.
6. Intervenient fragt, ob etwa Ärzte oder Anwälte „rezertifiziert“ werden sollten?
Glatz:
Ziele müssten verpflichtende Schulungen und regelmäßige Prüfungen sein.
7. Intervenient: Erklärt, er könne Schlussfolgerungen von Glatz nicht teilen. Die
Rechtsordnung sei komplex, wenig durchschaubar. Der Freiberufler brauche zu
Beginn seiner Tätigkeit einen guten Überblick. Das erstrebenswerte Konzept sei
lebenslanges Lernen. Zu Beginn habe solide Ausbildung zu stehen, danach
komplexe Fortbildung mit Spezialisierung.
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Glatz:
Das Problem liege auch beim Studium.
7. Intervenient (daraufhin): Das Studium sei wissenschaftlich aufgebaut. Daran schließe sich
Praxis mit Begleitung durch Ausbildung an.
8. Intervenient: Hinweis auf Spanien, wonach Abschluss des Studiums für die
Berufszulassung genüge. Dies bringe Schwierigkeiten bei der Leistungsqualität
und Qualifikation mit sich. So seien z.B. junge Anwälte existenzgefährdet. Die
Deregulierung der Kontrolle der Berufsausübung lasse das System zusammen
brechen.
Graby:
Man brauche gute Ausbildung für den Beruf. Verpflichtung zur Weiterbildung sei
wichtig. Man müsse seine eigenen Grenzen erkennen können. Im Vereinigten
Königreich habe die „Rezertifizierung“ nichts gebracht, z.B. würden die Gebühren
bei Abschaffung der Gebührenordnungen nach oben gehen.
9. Intervenient: Es bestünden keine Unterschiede zwischen professionellen Klienten und
Verbrauchern. Die Verbraucherorganisationen seien nicht immer für die
Verbraucher repräsentativ. In Dänemark würden die Verbraucher keine billigen
Dienstleistungen wollen.
Glatz:
Es gebe Unterschiede zwischen professionellen Kunden und Verbrauchern.
Allerdings seien KMU in ähnlich schwacher Position wie Verbraucher. Es gebe
sehr wohl unterschiedliche Interessen. Die Konsumenten würden eben auf den
Preis schauen, das würden auch andere Marktsegmente beweisen. Die
Konsumenten wollten eben beides, gute Qualität und guten Preis.
10. Intervenient: die Kommission verlange, Honorarinformationen sollten von unabhängigen
Stellen gegeben werden. Glatz verweise auf Preis-/Qualitätsvergleich. Wie solle
man also vorgehen?
Dohms (Europ. Kommission): Es gebe keinen Kompetenzstreit. Man brauche beide
Methoden. Es gebet unterschiedliche Verbrauchertypen und Schutzbedürfnisse.
Danach seien die Regulierungsbedürfnisse zu analysieren.
Glatz:
Verbraucherorganisationen seien frei von Interessenkollisionen. Das legitimiere
sie für Tests. Es gebe dabei keinen Einfluss der Industrie oder der Werbung. Auch
sei entsprechendes Know-how vorhanden.
Woschnak (Berichterstatter) fasst zusammen, die Diskussion habe gezeigt, dass man einen
strukturierten Dialog brauche, um zu gegenseitigem Verständnis zu kommen. Die
wesentlichen Punkte: das Verhältnis von Qualität und Preis, die
Qualitätssicherung,
Informationsasymmetrien,
die
Gefahr
der
Kommerzialisierung, die Haftung für Beratungsfehler, die Aus- und
Fortbildungsfrage. Danach würde sich ein Profil für vernünftige Regulierung
ableiten lassen.
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