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1.Mose 18, 20-33 23. Sonntag nach Trinitatis 2008
Liebe Gemeinde,
neulich unterhielt ich mich mit einem der Arbeiter an der Goßfelder
Kirchtreppe. „Eigentlich sollte man die ganze Mauer neu machen, aber wer soll
das bezahlen?“, fragte er. „Unser Geld geht ja alles in die Banken. Das sollte
man eher den Kirchen und Kindergärten geben. Und in diese Bankenwelt müsste
mal einer kräftig reinschlagen!“
Vielleicht hat ja auch mancher durchaus Sympathie mit der Vorstellung, die
Orte des Bösen und der Sünde zu vernichten. „Sodom und Gomorra“ sind ja
Inbegriff und sprichwörtlich geworden für Zustände, in denen jeglicher Anstand
verloren gegangen ist und die Gesetze völlig missachtet werden. Zur Zeit läuft
im Kino der Film „Anonyma“ an, dem das wohl viel bessere anonyme Tagebuch
einer Frau aus den Tagen des Kriegsendes 1945 in Berlin als Vorlage dient.
Totale Anarchie, Gewaltherrschaft, Vernichtung und absolute Willkür waren
herrschend.
Wir haben die Erwartung an Gott, dass er für Gerechtigkeit einsteht, segnet und
bestraft, wo Rechtsverletzungen das Leben zerstören. Zum Henker mit den
Henkern! Feuer und Schwefel auf die Türme der Banken! Zu Asche die Wall
Street! Hernieder mit den Habgierigen! Wer sein Geld und sein Haus in den
USA verloren hat, wird vielleicht auch so denken. Wer Erfahrungen wie in dem
Berliner Tagebuch mit sich trägt, wird vielleicht auch so denken. Abraham aber
denkt anders.
Er weiß, dass Gott alles Schreien über das Unrecht hört, auch wenn es auf Erden
so oft überhört wird. Abraham bezweifelt nicht, dass Gott als Richter der Welt
das Unrecht nicht ungestraft lassen kann. Und Gott ist auch bereit, genau
hinzusehen. Er will aus dem Himmel herabkommen um zu sehen, „ob sie alles
getan haben nach dem Geschrei, das vor mich gekommen ist, oder ob´s nicht so
sei, damit ich es wisse.“ Wie jeder gute Richter geht es um Kenntnis und
Informationen. Wir sind damit alle gut beraten, um nicht in unzulässige
Verallgemeinerungen zu fallen, die erneutes Unrecht hervorbringen. Insofern
lässt sich auch nicht von „den Banken“ und „den Bankern“ reden. Und in die
letzten Kriegstage von Berlin gehört zum Beispiel auch jener Diakon, der mit
seinem Pferd und Wagen Flüchtlinge durch die Stadt transportierte, weil sein
Arbeitsplatz, eine diakonisches Pflegeheim durch Bomben zerstört zu existieren
aufgehört hatte.
Gott steht nicht solche Pauschalurteile. Und darum räumt er ja ein, dass sich
vielleicht fünfzig Gerechte in der Stadt befinden, um deretwillen er alle anderen
verschonen wird. Vielleicht hat Abraham genauere Einblicke in die Stadt
Sodom, oder er ist skeptischer hinsichtlich des Anteils der gerechten im Lande.
Er beginnt jedenfalls zu verhandeln: 50 scheint ihm zu hoch gegriffen – 45 – 40
– 30 – 20 – 10 vielleicht. Immer niedriger wird die Zahl. Gott kommt immer
weiter weg von einer Kollektivstrafe. Das darf man von einem gerechten Richter
wohl erwarten, dass er eben nicht „alle in einen Sack steckt“ und dann draufhaut
und somit schon die Richtigen trifft. So ist das ja bis heute, etwa in dem Verbot
von Kollektivstrafen in der Schule. Wenn einer Mist gebaut hat, darf nicht die
ganze Klasse bestraft werden, und in der Regel wird das ja auch berücksichtigt.
Offenbar aber waren in Sodom und Gomorra überhaupt keine Gerechten, denn
später werden die Städte vernichtet. Gott ließ mit sich handeln, aber seine
Gerechtigkeit siegt hier über seine Liebe. Ich tue mir deshalb schwer mit dieser
Erzählung. Gewiß, sie macht deutlich, dass sich alle vor Gott zu verantworten
haben. Sie erzählt davon, wie verheerend die Sünde ist und wie Gott sie schlägt.
Aber ich muss eine andere Geschichte zu dieser hinzudenken, eine aus dem
Neuen Testament, eine Geschichte von Jesus Christus.
In Lukas 9 wird berichtet, dass Jesus auf dem Weg nach Jerusalem ist. Einige
Jünger gehen voraus, um eine Bleibe für die Nacht zu besorgen. In einem Dorf
der Samariter werden sie abgewiesen. Die Samariter galten den Juden als
gottlose Menschen. Und so schlagen die Jünger vor, dass dieses abweisende
Dorf mit Feuer vom Himmel verbrannt werde. Dreinschlagen! Das Böse
vernichten, wie im Computerspiel! Weg mit ihnen! Jesus lässt sich nicht darauf
ein. Anders als Sodom und Gomorra bleibt dieses Dorf bestehen. Es wird nicht
verbrannt. Vielmehr weist Jesus seine Jünger zurecht, bedroht sie, beschwört sie,
nicht die Gerechtigkeit über die Liebe zu stellen. Die Liebe hat einen anderen
Weg. Sie zerstört nicht, sie will verändern.
Und so verändert sich Jesu Weg nach Jerusalem: Er weicht aus. Er umrundet das
feindliche Dorf. Vielleicht wir man später es einfacher haben. Die Liebe hat Zeit
und Geduld. Später, da wird Jesus sogar einen Samariter als Vorbild der
Barmherzigkeit darstellen, den barmherzigen Samariter.
Jesus hinterlässt keine verbrannte Erde, auf der es keine Zukunft mehr gibt.
Sowenig er die Gerechtigkeit einschränkt, indem er sagt: „Trachtet zuerst nach
dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit!“, so sehr verzichtet er auf die
Methoden, wie sie uns im Strafgericht über Sodom und Gomorra begegnen. Die
Wege Gottes, die schon dort aus genauem Blick und auch aus
Verhandlungsbereitschaft bestanden, sind in dem Weg, der Wahrheit und dem
Leben vollendet. Es geht anders zu im Reich Gottes. Und auch wir Böse können
darauf vertrauen, dass Gott sich uns geduldig zuwendet, um uns vor Vergeltung
zu beschützen und im Leben zu bewahren, solange wir sind.
Amen.
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