Einer von zehn dankt Gott

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EFG Tempelhof 1.9.2013
Pastor Norbert Giebel
Lukas 17, 11-19 „Der dankbare Samariter!“
Lesung vorweg
Was für ein Glück, gesund zu sein, liebe Gemeinde!
Endlich wieder laufen können, zurückzukehren zu seinen Freunden, zur Familie,
wieder eins mit ihnen zu sein, mitten im Leben zu stehen und nicht mehr ausgegrenzt zu werden. Zehn Aussätzige sind wieder gesund geworden. Alle zehn sind zu
Jesus gegangen. Alle zehn haben ihn angerufen, aus der Ferne, wie es sich gehörte
für Leprakranke: Viel zu ansteckend diese schreckliche den Menschen entstellende
Krankheit Lepra.
„Herr erbarme dich!“ haben sie gerufen. „Kyrie eleison!“ heißt das auf Griechisch.
„Sieh unser Elend an. Hilf uns“. Das war nicht nur ein Schrei nach körperlicher Heilung. Das war ja schon schlimm genug, bei lebendigem Leibe abzusterben, zuzusehen, wie Ohren, Nase, Finger, Zehen verfaulen, abfallen.
Aussätzige wurden ausgesetzt. Das kam dazu. Wie kranke Hunde, die man auf die
Straße setzt. Sie durften sich ihren eigenen Familien und Freunden nicht nähern.
Sie lebten in Ghettos, in Bruchhütten außerhalb der Orte. Sie mussten sich durch
Klingeln, Klappern oder Rufe bemerkbar machen, sobald sich ihnen Gesunde näherten. „Aussatz, Aussatz!“ haben sie dann gerufen. „Bleibt weg von uns!“
Was für ein Glück, gesund zu sein. Immer wieder streichen sie sich über ihre glatte
Haut. Bei jeder Gelegenheit suchen sie ihr Spiegelbild, in der Oberfläche des Wassers oder in den staunenden Augen der anderen.
Alle zehn haben gerufen „Kyrie eleison“! Alle sind mit ihrem Leid zu Jesus gegangen.
Alle zehn haben seinen Worten geglaubt. Er hat sie ja gar nicht gleich geheilt. Es gab
keine Berührung, keine Handauflegung, keinen besonderen Zuspruch, keinen Sündenvergebung. Jesus hat sie nicht nach ihrem Glauben gefragt. Gar nichts. Er hat
nur gesagt: „Geht und zeigt euch den Priestern!“ Das heißt ungefähr so viel wie
„Geht zum Arzt!“ oder „Geht zum Gesundheitsamt und lasst euch gesundschreiben!“
Auch andere Hautkrankheiten wurden damals Aussatz genannt. Alles, was irgendwie
ansteckend aussah, machte den Kranken unrein. Er durfte nicht mehr in den Tempel
oder sie Synagoge, musste alle Gesunden meiden. Die Priester entschieden, ob
jemand wieder gesund war. Darum sollten sie zu den Priestern gehen, … oder humpeln, oder sich hinschleppen, denn sie waren ja noch ganz vom Aussatz gezeichnet,
als sie losgingen.
Alle haben zu Jesus gerufen, alle haben seinen Worten geglaubt und sind losgegangen und alle wurden geheilt. Wie wird das wohl gewesen sein, als sie auf dem Weg
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gesund wurden? Vielleicht hat der eine es beim anderen zuerst bemerkt: „Dein Gesicht ist ja ganz glatt. Lass mal sehen, Nimm mal das Tuch vom Kopf!“ Dann hat ein
anderer gesagt „Mein Fuß ist wieder ganz. Ich kann auftreten.“ Und er ist gesprungen und hat seine Krücken weggeworfen.
Vielleicht sind zwei von ihnen ein Stück um die Wette gelaufen zu den Priestern. Sie
alle waren dankbar! Das ist gar keine Frage! Jesus, dieser Wunderheiler, dieser
Rabbi, er hatte sie tatsächlich gesund gemacht. Wow! Vielleicht haben sie es auch
weitererzählt, was sie erlebt haben. „Endlich wieder gesund!“ haben sie gedacht.
„Hauptsache gesund!“ haben sie gedacht.
Aber nur einer von Zehn ist zu Jesus zurückgekehrt. Laut lobt er Gott, geht vor Jesus auf die Knie, mit dem Gesicht zum Boden, und dankt ihm. Das war ein Samariter!
Ausgerechnet ein Samariter, jemand, der die falsche Bibel hat, jemand der nicht
rechtgläubig ist in den Augen der Juden, jemand der an den falschen Orten Opfer
bringt, jemand, der ganz falsch Gottesdienst feiert, so einer kommt zum Glauben an
Jesus.
Samariter erkannten nur die Fünf Bücher Mose an. Und auch die wichen bei ihnen
ab von der Thora der Juden. Samariter und Juden lagen seit Jahrhunderten im
Streit. Juden verachteten diese „Halbgläubigen“. Samariter verweigerten nach Jerusalem Reisenden sogar die Gastfreundschaft. Nirgends hatten Juden mit Samaritern
zu tun. Das Leid aber schweißt zusammen. Diese „Selbsthilfegruppe“ der Aussätzigen wird durch ihre gemeinsamen Leiden zusammengehalten. Da fragt man nicht
mehr, was der andere genau glaubt, wo er herkommt oder wie er tickt.
Jesus war im Grenzgebiet unterwegs, zwischen Galiläa und Samaria. Vielleicht war
unter den zehn Geheilten auch noch ein weiterer Samariter. Das bleibt offen. Aber
dieser eine, der umkehrt, sich zu Jesus hinkehrt, Gott anbetet und Jesus seinen
Dank bringt, der war ein Samariter. Ihn hat der Glaube nicht nur gesund gemacht,
sondern ihn gerettet. „Steh auf“, sagt ihm Jesus. „Geh nach Hause! Dein Glaube hat
dich gerettet!“
Jeder, der über lange Zeit ernstlich krank war oder es noch ist, weiß, wie kostbar Gesundheit ist. Was für ein Geschenk, gesund zu sein! Und jeder, der durch seine
Krankheit am Leben nicht mehr teilnehmen konnte, der nirgends mehr dazu gehörte,
dem die Menschen ausgewichen sind, der in seiner Seele verzweifelt war, weiß wie
kostbar es ist, mit Freunden zusammen sein zu können, nirgends ausgeschlossen zu
sein. Jesus sieht unsere Leiden. Jesus hat vielen Kranken geholfen.
Aber hier, dieses Mal, geht es ihm nicht um die zehn Geheilten, sondern um den einen, der wiederkommt und der Gott die Ehre gibt. Jesus sagte: „Sind nicht alle Zehn
gesund geworden? Wo sind dann die anderen neun? Ist keiner zurückgekommen,
um Gott die Ehre zu erweisen?“
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Dankbar werden alle Zehn gewesen sein. Aber nur einer erkennt Gott in dem, was er
erfahren hat. Das ist der Unterschied. Nur einer erkennt Gott in Jesus handeln. Und
er zieht Konsequenzen daraus. Er wird nicht nur gesund, sondern sein Leben wird
anders!
Wenn kleine Kinder ein Stück Schokolade bekommen, sagen die Eltern gerne einmal
„Hast du auch Danke gesagt?“ „Na, wie heißt das kleine Wort, das du jetzt sagen
sollst?“ Darum geht es hier bei dieser Begegnung überhaupt nicht! Das ist kein Dank
als Pflichterfüllung. Das ist kein kleines Dankeschön, nachdem man dann den anderen wieder stehen lässt. Und darum kann es auch in keinem Dankgottesdienst gehen, dass wir nur Danke sagen. Gott danken bedeutet, ihm die Ehre zu geben. Die
Gabe nicht höher zu halten als den Geber.
Ich muss da immer an meine Oma denken, die jede Woche einmal zu uns nach
Hause kam und in ihrer Handtasche immer eine Tafel Schokolade für uns hatte. Ich
rannte an die Haustür, ließ Oma gar nicht hereinkommen, suchte, fand, griff und zog
die Schokolade aus ihrer Tasche und lief wieder weg. Bis meine Mutter mich einmal
ermahnte, ob ich mich denn nicht viel mehr über Oma freute, dass sie da war, sie
empfangen, sie in den Arm nehmen und an mich ziehen wollte.
Gott kommt nicht nur einmal die Woche zu uns. Er kommt jeden Tag, er weckt uns
jeden Morgen. Es gibt keinen Tag ohne Geschenke von ihm. Er hat uns zu seinen
Kindern gemacht. Sollten wir denn nur zu ihm hinlaufen, ihm alles aus der Hand reißen, weglaufen und ihn dann stehen lassen?
Ignatius von Loyola, der Gründer des Jesuitenordens, er hat seine Schüler darin lehren wollen, Gott in allem zu erkennen! Zu den von Ignatius gelehrten Gebetsformen
gehört das abendliche Gebet der Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit auf Gottes Geschenke, das hat Ignatius als seinen Reichtum erkannt. Das suchen die Jesuiten bis
heute. Gott in allem zu erkennen, ihm für alles dankbar zu sein. Darum pflegen sie
das Gebet der dankbaren Aufmerksamkeit an jedem Abend. Da gehen sie jeden
Tag zurück zu Jesus und fallen vor ihm nieder und loben Gott und danken Christus.
In einer Predigt zu unserem Text habe ich gelesen: „Die Träger der Verheißung sind
am meisten gefährdet, die dankbare Hingabe zu vergessen!“ Da ist etwas Wahres
dran. Die lange schon Frommen, sie halten es für normal, dass Gott sie segnet. Sie
erkennen Gott nicht in allen seinen täglichen Gaben. Sie meinen es, verdient zu haben.
Christen, die schon lange dabei sind, staunen nicht mehr. Weil sie nicht staunen,
danken sie auch nicht. Weil sie nicht danken, finden sie nicht zur Anbetung, zur wirklichen, aktuellen, kraftvollen Hingabe an Christus. Und was Gott auch tut: Er bewegt
bei ihnen nichts mehr. Sie sind festgelegt. Sie kommen nicht zurück zu Christus und
schenken sich ihm wieder.
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„Wo sind die anderen Neun?“ Das führt uns auch zur Frage nach uns selbst.
„Mensch, wo bist du?“ Meistens sind es keine großen Sünden, dass Menschen nicht
zu Jesus zurückkommen, täglich, mit ihrem Leben. Es ist der ganz normale Alltag,
der ihnen im Weg steht.
Einer von den Zehn wird bei Frau und Kindern gewesen sein. Das ist verständlich.
Das Danken hat er aufgeschoben und dann vergessen. Gott hat er vergessen. Er ist
gar nicht undankbar. Aber Gott hat er nicht die Ehre gegeben. Ein anderer ist vielleicht sofort zur Arbeit gegangen. Was war da alles liegengeblieben in den Zeiten
seiner Krankheit. Es wird Monate dauern, bis das Geschäft so gut läuft wie vorher.
Den dritten haben alle seine Sorgen wieder eingeholt, die er hatte, als er noch gesund war.
Wo sind die andere Neun? Was hindert sie, Gott in ihrem Glück zu erkennen? Was
hindert sie, zurück zu Jesus zu kommen? Alle Neune sind gefallen, obwohl sie
schon einmal geglaubt haben!
Jesus kennen und ihn lieben, das war schon immer zweierlei.
Auf der Seniorenfahrt vor zwei Wochen haben wir uns ja mit Nikolaus Ludwig Graf
von Zinzendorf beschäftigt, dem Patron der Herrnhüter Brüdergemeine. Zinzendorf
hat unterschieden zwischen Erweckten und Bekehrten. Erweckte sind für ihn Menschen, die Jesus kennengelernt haben, die er berührt und beschenkt hat. Bekehrte
aber sind Menschen, die den Kampf der Umkehr mit sich selber geführt haben und
sich und ihr ganzes Leben seiner Herrschaft unterstellen.
Die Geschichte mit den Zehn Aussätzigen
könnte man zusammenfassen mit Psalm 50,15:
Rufe mich an in der Not
So will ich dich erretten
Und du sollst mich preisen!
Amen.
- das haben die Zehn getan!
- das hat Jesus getan
- das hat der Samariter getan.
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